Real-en cyclo pädie
der gesammten Pharmacie
Ewald Geissler, Josef Moeller
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HEAL-EUCYCLOPADIE
DER
GESAMMTEN PHARMACIE.
DRITTER BAND.
Chinarinden — Emetica.
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REAL-ENCYCLOPÄDIE
DER
-
GESAMMTEN PHARMACIE.
HANDWÖRTERBUCH
KUR
APOTHEKER, ÄRZTE UND MEDICINALBEAMTE.
HERAUSGEGEBEN
TOS
Dr. EWALD GEISSLER, und Dr. JOSEF MO ELL ER,
Mit zahlreichen Illustrationen in Holzschnitt.
DRITTKR BAND.
Chinarinden — Emetica.
WIEN UND LEIPZIG 1887.
Urban & Schwarzenberg.
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ist nnr mit Bewilligung der Verleger gestaltet.
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Real-Kncyclopadie der ge*. Phannacie. III. Digiti
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c.
(Siehe auch onter K.)
Chinarinden, Gortex Ginchonae, G. Chinae, G. pernvianus,
Cinchona Bark, Peruvian Bark, Ecorce de Quinquina (in allen
Pharmakopoen) stammen von verschiedenen Arten der Gattung Cinchona (s. d.)
(und Remijia), «nd zwar sowohl von cultivirten als von wildwachsenden Pflanzen
dieser Arten.
Die eigentliche Heimat der Chinarinden liefernden Cinchonen und Remijien
sind die Cordilleren Südamerikas. Ausserhalb dieser finden sich wohl auch Cin-
chonen, dieselben kommen aber für die Rindengewinnung nicht in Betracht. Auf
den Cordilleren erstreckt sich das Verbreitungsgebiet der Chinabäume über dreissig
Breitengrade, etwa von 10° nördlicher Breite bis 22° südlicher Breite; am nörd-
lichsten findet sich in Caracas G. cordifolia , am südlichsten (19° südl. Breite)
scheint in Bolivia G. amtralis vorzukommen , doch existiren nach den neuesten
Mittheilungen Leichsenring's Chinawfilder (d. h. Chinarindenbaume wildwachsend)
angeblich zur Zeit in Bolivien nicht mehr. (?) Alle bolivianischen Rinden sollen, wie die
javanischen und ostindischen, aus forstlichen Culturen stammen. Die besten Rinden
liefert der Streifen zwischen dem 7° nördlicher Breite und 15° südlicher Breite
(zwischen Payta und Arica). Die wichtigsten Cinchonen , G. Caltsaya und G.
carabayensis, bewohnen fast nur die kühleren Regionen Bolivias und der Provinz
Carabaya, G. succirubra und micrantha die wärmeren Districte von dort bis zum
Aequator , nördlich von welchem bis Nordcolumbien sich (nach Ktntze) fast
nur Hybriden finden. Der Chinarinden liefernde Gebirgsstreifen ist etwa 500 Meilen
lang. Er beschreibt , der Westküste Südamerikas folgend , einen grossen Bogen,
dessen Concavität nach Osten liegt. Der westlichste Punkt dieses Bogens (unter
dem 4° südlicher Breite) liegt etwa beim 297° östlicher Länge, bei Loxa, der
östlichste (unter dem 15° südlicher Breite) beim 317° östlicher Länge; im Norden
erreicht er (unter dem 10° nördlicher Breite) nur den 308° östlicher Länge. Die Breite
des Chinagürtels varürt , in der Mitte ist er am breitesten , gegen Süden und
Norden verschmälert. Aber selbst in diesem verhältnissmässig beschränkten Ver-
breitnngsgebiete wachsen die Cinchonen, welche werthvolle Rinden (Cascarillos
finos) liefern, durchaus nicht überall. Sie sind in der äquatorialen Zone auf einen
ötreifen von etwa 2200 m verticaler Höhe beschränkt und kommen vornehmlich
in einer Höhe von 1600 — 2400 m (Weddell) vor. Sie erreichen aber Höhen von
3400 m (Karstex) und steigen bis 1200 m herab. Unterhalb dieser Region liefern
die dort vorkommenden Chinabäume nur minderwerthige Rinden (Cascarillos bobos).
Je weiter sieh der Gebirgszug von dem Aequator entfernt, um so tiefer sinkt auch
die Höbengrenze , doch findet sich selbst G. succirubra kaum unter 800 m. In
der oben angegebenen Bergregion der südamerikanischen Cordilleren herrscht ein
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CHINARINDEN.
gleichförmiges feuchtes Klima von etwa 12 — 13° (11 — 20°) mittlerer Jahres-
temperatur, neun Monate regnet es dort fast ständig und ein Wechsel der Jahres-
zeiten ist kaum zu constatiren. Um so wechselvoller ist der Himmel. Auf sonnige
Tage folgen Stürme und Regenschauer und dichter Nebel deckt Tage lang Höhen
und Thäler, ohne die Temperatur weseutlich herabzudrflcken. Besonders die
schluchtenreichen , nach Osten sich öffnenden , sanft abgedachten Theile der ge-
waltigen Andeskette sagen den Chinabäumen zu , wo sie geschlitzte Lage und in
Folge des an den Anden sich brechenden, wasserbeladenen Passates ein dauernd
feuchtes, nasskaltes, fast rauhes Klima finden, welches der schroffen Westseite der
Anden gänzlich fehlt. Dort am Schauplatz der stärksten Verdichtung der Passat-
dämpfe, findet sich, gemischt mit tropischen Farnen, der Cinchonenwald, der, ent-
sprechend seiner intensiven Befeuchtung, noch den tropischen Charakter dichten
Wachsthums und gemischter Baumarten tragt, aber doch schon unzweideutig sich
von dem Tropenwald des Thaies unterscheidet. So charakteristisch ist diese Cin-
chonenregion, dass man sie frühzeitig schon als eigenartig erkannte und Ceja de
la montaüa (= Augenbraue der Bergregion) nannte. Alle Pflanzengeographen
unterscheiden sie auch jetzt noch auf das Bestimmteste. Sie erstreckt sich nach
IU mholdt von 700 — -2900 m (nach Karsten noch höher hinauf). Dem Charakter
des Tropeuwaldes entsprechend finden sich denn auch in der Ceja de la montana
nur selten grössere Flecken zusammenhängender Cinchonenbestände. Meist sind die
Chinabäume zwischen andere tropische Baumformen eingestreut. Wo sio gesellig
auftreten, bilden sie in dem farbenreichen Meere der Baumkronen des Urwaldes kleine
Inseln, die sich durch andere Färbung auf weite Strecken hin bemerkbar machen.
Die ifrm jjYa-Arten, welche China cuprea liefern, werden namentlich in den Ge-
birgszügen der Wasserscheide des oberen Magdalenas und Suarez oberhalb Bueara-
manga ausgebeutet. Die beste Rinde wird in einer Höhe von 2200 bis 3200 Fuss
(bis 4200), also etwa 1000 Meter hoch geschält. Die Remi/'ia erreicht die Höhen
der Cinchonen nicht, sie ist, wie alle Chinabäume, welche sogenannte unechte China-
rinde liefern, zu denen sie auch anatomisch gehört, auf die tiefereu Bergregionen
beschränkt.
Die Bäume, welche sogenannte falsche oder unechte Chinarinden
liefern, meist der Gattung Ladenbergia, Remijia, Nauden, Bucna und Exotttemma
oder auch zu den Cinchonen gehörig, die auch botanisch in der Blattbildung und
auch sonst abweichen, bewohnen tiefere Regionen der Bergkette. Sie verlangen
mehr Wärme und Trockenheit. In der Region bis 1600 m über dem Meer finden
sich goringwerthige Cinchonen mit Ladenbergien gemischt. Die Exostemma- Arten
steigen noch tiefer herab, selbst bis zu der Küste und den Inseln.
Da die Gebiete, in denen gute Cinchonen vorkommen, wenig bewohnt und von
Westen, von der Küste her, schwer zugänglich, auf dem Landwege aber noch
schwerer zu erreichen sind, so ist die Ausnutzung der Bäume ganz in den
Händen von Einheimischen und lässt sich daher schwierig oder gar nicht regeln
und eoutroliren. Der naheliegende Wunsch, die werthvollen Cinchonen in bequemer
gelegenen Gcgeuden in geregelter forstwirtschaftlicher Pflege zu haben,
wurde schon in früher Zeit wach. Mutis (in Maraquita) und die Jesuiten (in
Bolivia) waren wohl die ersten, welche die Cinchonen in ihrer Heimat selbst in
forstliche Pflege nahmen. Jetzt, wo die Culturen in der alten Welt der süd-
amerikanischen Rindengewinnung bedenkliche Concurrenz machen, hat man auch in
der Heimat der Cinchonen die Forstcultur ernstlieh in's Auge gefasst. Bolivia, be-
sonders die Provinz Larccaya, besitzt grosse Ciuchonencultureu , namentlich am
Mapiri uu der Nähe des Titicaca) und iti den waldigen Hochthälern (Yuugas)
werden Cinchonen. besonders C. Calisoya Weddel! , gepflegt. Auch in Columbien
werden Cinchonen enltivirt. Von ihnen kamen neuerdings vorzügliche Muster nach
London. Doch beschränkte man sieh nicht auf das engere Cinchonengebiet Süd-
amerikas, sondern zog auch Mittelamerika herbei. So florirt besonders auf Jamaika
jetzt die Cultur ausserordentlich und liefert schon seit lsSÜ gute Rinden nach London.
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CHINARINDEN.
Ebenso eifrig ist man jetzt in Guatemala beschäftigt, die Cbina-Cultur einzu-
bürgern, doch kommen daher zur Zeit noch keine Rinden in den Grosshandel.
Unvergleichlich höber wie diese Culturen in Südamerika, stehen, sowohl was
Ausbeute, als was geregelten Betrieb betrifft, die Culturen in Java, Ostindien
und besonders auf Ceylon.
Nachdem 1849 ein Versuch der Jesuiten, Cinchonen in Algier anzupflanzen,
wegen der ungünstigen klimatischen Verhältnisse verunglückt war, wurden im
Anfang der fünfziger Jahre von den Holländern, besonders auf Betreiben MrQURL's
und Pahüd'8, glücklichere Versuche in dem auf gleichem Breitengrade wie Peru
(7° s. Br.) gelegenen Java gemacht. Hasskarl, Weddell und Karsten' hatten Samen
und Pflanzen junger Cinchonen nach Europa gesandt; dieselben gingen eutweder
direct nach Java oder wurden, nachdem sie sich in Holland und Paris entwickelt,
dorthin übergeführt. Durch die glückliche Verbindung administrativer Einsicht, wissen-
schaftlicher Tüchtigkeit und gärtnerischen Geschickes gelang die Ueberführung und
Acclimatisirung nach einigen vergeblichen Vorversuchen (nach fi Jahren 1 Million
Bäume mit nur 0 4 Procent Chinin in der Rinde !) vollkommen. Nicht zum Mindesten
trug auch zum Gelingen die auf genauem Studium der klimatischen Verhältnisse der
Cinchonenregionen Südamerikas basirende Wahl der Culturorte und die bald
durchdringende Ansicht der Notwendigkeit dauernder chemischer Controle bei.
So sind, namentlich seit de Vru als Chemiker und Gorkom und Moexs als
technische Leiter den Pflanzungen vorstehen, die Culturen in stetem Fortschritt
begriffen. Doch kam erst 1870 der erste Posten Rinden auf den europäischen
Markt. Jetzt hat die Cultur auf Java sehr erhebliche Dimensionen angenommen.
Auch zahlreiche Privatpflanzungen bestehen dort neben den staatlichen. So z. ß.
nördlich von Bandong bei Soekawana, Soekatinggi, Djaijagiri.
lieber Wachsthumsbedingungen und Cultur der Cinchonen sei hervorgehoben,
dass man auf Java das frühere Verfahren , die Urwälder gangweise zu
lichten und in diese lichten Gänge Cinchonen zu pflanzen, als zu kostspielig und
wegen wilder Thiere gefährlich, aufgegeben hat und nach mancherlei missglückten
Experimenten , z. B. Anpflanzung strauchigor , anstatt baumartiger Calisaya,
Anpflanzung auf zu felsigem Boden, Cultur im tropischen Tieflande, endlich zu
dem Erfolge liefernden Verfahren gekommen ist, zwischen 1500 — 1700 m Seehöhe
am Südabhange der Gebirge in nicht zu trockenen Gebieten, auf humusreichem
Boden Anpflanzungen nach Art unserer Obstbaum-Plantagen herzustellen , die
Bäume etwa 6 m von einander entfernt zu pflanzen , dazwischen alle 3 Jahre je
eine junge Keim- oder Stecklingspflanze zu setzen, die Bäume nach 6 Jahren zur
Rindengewinnung zu fällen und an ihre Stelle neue junge Pflanzen zu bringen,
so dass letztere , die Schatten bedürfen , von dou 3 m entfernten dreijährigen
Bäumen solchen genügend erhalten (Kuntze). Eine ausführliche, von zahlreichen
Abbildungen begleitete Beschreibung der Cultur auf Java gab 1883 Moexs
(Kinacultuur in Azie). Die „Gouvernements Kina Etablissements" liegen besonders
im Westen der Insel nördlich und südlich von Bandong, namentlich bei Tjibenreuin
und Tjinjirocan.
Fast zu gleicher Zeit mit den Holländern machten 1852 die Engländer auf
Royle's Betreiben Anstrengungen, die Cinchonen nach Ostindien, wo die Bedingungen,
besonders im Himalayagebiet (Sikkim) und in den Nilagiris (Nilgiri Hills), dem Gebirge
des südlichen Vorderindiens, noch günstiger schienen als auf Java, überzuführen.
Doch erst 1859 gelang es den einsichtsvollen und unermüdlichen Bestrebungen
Markham's , der mit Sprüce, Pritchett und Cross die Cinchonengegenden
Südamerikas bereiste und reich beladen in Indien eintraf, den englischen Bestrebungen
Erfolg zu sichern. Ootacamund (Ottacaimantu) wurde der Mittelpunkt der ostindischen
Pflanzungen, ein Ort, der, zwischen' 11 und 12° nördl. Br. gelegen, klimatisch sich
ausserordentlich conform den Lebensbedingungen der Cinchonen erwies. Fast mehr noch
wie auf Java reichten sich hier Wissenschaft (Botanik, Chemie, Meteorologie) und
Gartenkunst (erfolgreich vertreten durch Mac Ivor) die Hand zum Gelingen. 18«»7
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CHINARINDEN.
kam von dort der erste Posten Rinde nach London. — 1859 wurde die erste Probe
Chininsulfat aus cultivirter javanischer Rinde durch de Vrij, 1863 aus ostindischer
durch Markham dargestellt. Auster in Ootacamund werden von den Engländern
jetzt noch Cinchonen im grössten Maassstabe cultivirt (und gelangen in den Handel)
in Hakgalla auf Ceylon in 6400 — 6000 Fuss Höhe (seit 1861), in den Vor-
bergen des südöstlichen Himalaya, in British Sikkim (Darjeeling, Mungpoo, Sitting,
Rungbee). Sonstige wichtige Plätze sind Coorg in der Nähe der Nilagiris, die
Rcgicrungsplantagen bei Madras, welche vorzügliche hochprocentige Rinde ergeben,
und kleinere Anlagen in der Nähe des Irawaddy-Deltas in British Birma. Nach
Ceylon brachte die China Dr. Thwaitks. Das damit bepflanzte Areal betrug 1869
100, 1883 64000 Acres, 1885 aber nur 48000. Die Zahl der. Bäume beträgt
(1886) 70 Millionen.
Von geringerer Bedeutung sind die Pflanzungen in Neu-Seeland, Australien,
St. Helena, Bourbon, Madagaskar, Mexiko, Algier, Teneriffa, Coimbra und auf
den portugiesischen Inseln Afrikas , welche Pflanzenstätten (allein Bourbon aus-
genommen) zur Zeit noch keine nennen swerthen Quantitäten Rinde auf den Markt
liefern. Die mexieaniseben Pflanzungen gedeihen gut.
Die Einsammlung der Rinden geschieht in Südamerika durch Einheimische,,
die den Namcu Cascarilleros praticos oder Cascadores (von Cascara, Rinde) tragen.
Dieselben sind selbst nicht Unternehmer, stehen vielmehr im Solde eines Privat-
mannes oder einer Gesellschaft, die alljährlich an ein Handelshaus die Rinden
liefert. Der Unternehmer oder einer seiner Vertreter explorirt die Gegend, erwirkt
sieb die Erlaubniss der Regierung, einen bestimmten, von ihm für ergiebig erachteten
Bezirk auszubeuten und zieht alsdann mit den in Abtheilungen getheilten Sammlern
in den Urwald. Dort errichten die letzteren leichte Hütten und beginnen ihr
Werk damit, dass sie mit Hackemessern Stamm und Aestc der ausgewählten
Cinchone von Schlingpflanzen befreien. Alsdann wird oft noch vom Baume selbst
die Borke abgeschabt und noch vor dem Fällen des Stammes durch Längs- und
Querrisse die Rinde abgerissen. Ist dann der Baum gefällt, so befreit man sowohl
Stamm als Zweige von der Rinde und trocknet die letztere sofort entweder
wochenlang (4 — 5 Wochen) über sehr mässigem Feuer (Neu-Granada) oder, wenn
es das Klima und Wetter erlaubt, auch in der Sonne (Südperu, Bolivia). Sofortiges
Trocknen ist schon deshalb erforderlich , weil bei dem feuchten Klima sonst die
Rinden leicht schimmeln und verderben. Dennoch kanu der Trocken process nicht
durch stärkere Wärme beschleunigt werden, da sonst der Alkaloidgehalt augeblich
alterirt wird. Geschält werden Zweigrinden niemals, Stammrinden auch nicht
immer und nur dann, wenn eine starke Borkenbildung, wie bei C. Calisaya, dazu
einladet und ein leichtes Abschälen ermöglicht. Im Allgemeinen ist das Schälen
vom Handelsbrauch abhängig. Ungeschälte Rindeu nennt man im Handel „bedeckte".
Die Rinden werden von den Sammlern selten an Ort nnd Stelle schon sortirt,
sondern meisteus sofort in Bündeln nach den Niederlagen oft viele Meilen weit
geschleppt — wo ein Sortiren stattfindet, es geschieht nur nach der Grösse. — Von
dort gelangen sie nach den Magazinen (Bodegas) der Hafcuplätze, wo sie sortirt
und in Ballen verpackt werden . die man , wie viele andere Productc (Tabak,
Metalle) , in Ochsenhäute (die Haarseite nach aussen) oder Packleinwaud fest
einschlägt. Diese Ballen tragen den Namen Serronen oder Surroneu (von Zurron
= Rindshauttasche). Nur in Popayan stampft man zur Raumersparnis die Rinden
ein. lu Loxa verwendet man statt der Häute Kisten.
Ebenso wie die Sortirung findet auch eine eventuelle Vermischung mit anderen
minderwertigen Rinden nur in den Hafenplätzen statt. Dans aber eine unbeab-
sichtigte Vermengung mit Rinden von geringerem Werthc an Ort und Stelle leicht
möglich ist. geht aus der ganzen Art des Einsammelns hervor, welches, wennschon
unter Aufsicht sachverständiger Praktiker, doch ohne jede wissenschaftliche Con-
trole der Stamnipflanze stattfindet.
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CHINARINDEN.
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Da die östlichen Thäler der Gordilleren der Haaptfundort der guten Cinchonen
sind, 80 bleibt den Unternehmern , nm einen Ausfuhrhafen zu erreichen, nichts
anderes übrig, als entweder den langen Weg durch den ganzen Continent, zuerst
auf dem Ucayali und dann auf dem Amazonas zurückzulegen (ein sehr selten ge-
wählter Weg) oder, was zwar viel kurzer, aber auch viel beschwerlicher ist, über
die Cordillerenpässe nach einem Hafen der Westküste hinüberzusteigen. Den nörd-
lichen Bezirken (Columbien) bleibt ein dritter Weg übrig, den man auch dort
häufig einschlagt, nämlich die Verladung auf die nordwärts gehenden Ströme
Magdalenas und Cauca, auf denen der Transport jedoch auch nicht ohne Schwierig-
keiten ist. Die eben geschilderten Schwierigkeiten des Transportes allein schon
erklären zur Genüge den hohen Preis der südamerikanischen Chinarinden.
Den besprochenen localen Verhältnissen gemäss kommen - folgende Hafenplätze
in Betracht: Para an der atlantischen Küste für die auf dem Amazonas
exportirten ; und die Häfen der Westküste in erster Linie für die Ecuador-, Peru-
und Boliviarinden, und zwar für die Rinden aus Ecuador: Esmeraldas und be-
sonders Guayaquill, der wichtigste Chinahafen nächst Barranquilla; für
die peruviauischen : Truzillo , Calläo (Lima) Arequipa ; für die bolivianischen :
Molen do, Islay, Iquique, A r i c a, Cobija, Antozagasta. Die nördlichen, besonders
die Columbischen, gehen nach Barranquilla (Sabanilla), zur Zeit dem grössten
Chinahafen Südamerikas und (nächst Ceylon) der gauzen Welt, Ciudat Bolivar,
Puerto Cabello und Cartagena an der Nordküste, seltener nach ßuenaventura an
der Westküste. Für die Chininfabrikation haben die amerikanischen Rinden (von
nicht cultivirten Bäumen) ihre frühere Bedeutung fast ganz verloren.
In den Culturen auf Java und Ceylon und in Ostindien wird die Einsammlung
ungleich planvoller betrieben. Man unterscheidet dort zwei Methoden, die Moos-
behandlung, Mossing (Mac Ivob) und das Schlagwaldsystem, die Coppicing.
Ersteres wird besonders in Ostindien, aber auch auf Java, letzteres auf Java und
Ceylon geübt (Flückigee, Moens).
Mossing besteht darin , dass man etwa 4 cm breite, vertioale Rindenstreifen
ablöst und den ganzen Stamm mit der Wundfläche mit Moos oder Lehm oder
Alang-Alanggras umhüllt. Die abgeschälte Rindenpartie regencrirt sich bald wieder.
Man kann also bei diesem Verfahren unterscheiden den zuerst abgeschälten
Rindenstreifen , die stehengebliebene , mit Moos umwickelte Rinde (mossed bark)
und den erneuerten Rindenstreifen (renewed bark). Dor Alkaloidgehalt ist in der
erneuerten Rinde höher. Das Verfahren wird in Java dadurch abgeändert, dass
man nicht coutinuirliche Vertic alstreifen ablöst, sondern da und dort einen Rinden-
ring intact lässt (B. Moens).
Coppicing beruht auf den gleichen Principien wie unser Schälwaldbetrieb.
Es wird der Stamm im Alter von etwa acht Jahren am Grunde gefällt und ent-
rindet. Aus dem Stumpf entwickeln sich Schösslinge, die in acht Jahren wieder
gute Rinde liefern. Bisweilen werden bei diesem Verfahren auch die Wurzeln ge-
wonnen, die die alkaloidreichsten sind (Verfahren : U p r o o t i n g). Die abgelösten
Rinden werden im Freien auf hölzernen Hürden rasch getrocknet (Abbildung bei
B. Moens).
In Ceylon scheint man neuerdings Raubbau zu treiben. Die enorm hohen
Massen Rinde , die dieser Culturort auf den Markt wirft , deuten nicht auf ge-
regelte Cultur. Neuerdings sind selbst Wurzelrinden in so enormen Massen aus
Ceylon in London erschienen, dass ein Posten allein der Ausrottung von 50000 Bäumen
gleichkam. Man pflanzt dort jetzt Thee an Stelle der China.
Nach FlüCKIGEe's Ermittlungen werden jährlich über 6 Millionen Kilogramm
Chinarinden consumirt. Der grösste Thcil derselben wird in der Chininfabrikation
verbraucht. Die Gesammternte beträgt sicher über 9 Millionen Kilogramm.
Der Norden Südamerikas verschiffte aus Ciudad Bolivar, Puerto Cabcll«, Barran-
quilla (Sabanilla) 1880 gegen 4 Millionen Kilogramm, die Hauptmasse kommt
auf Sabanilla. Columbien (inclusive Neu-Granada) lieferte 1881 gegen 7 Millionen
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S
CHINARINDEN.
Kilogramm Rinde nach London. Ecuador und Nordperu verschifften 1880 über
Guayaquil l'/3 Millionen Kilogramm. Bolivia versandte 1877 über Para, Arica und
Molendo (südlich von Islay und Arequipa) gegen 700000 kg. Die Gesammt-
ausfuhr von Südaroerika ist von 1881 bis 1885 von 99970 Colli auf 5290 herunter-
gegangen. Die Ausfuhr aus Ceylon betrug 1882 1 Million, 1885 schon 4 Millionen
Kilogramm. Dieselbe nimmt, wie aus Gehe's Handelsberichten ersichtlich, neuerdings
enorm zu. Vom 1. October 1885 bis 30. Juni 1886 kamen von dort 12336599
Pfand (!) gegen 1641346 Pfund im gleichen Zeitraum 1881 82.
Die javanischen Culturen der Regierung brachten 1882 bereits 81000 kg zum
Verkauf. Java lieferte in der Saison 1884/85 beinahe ll 2 Millionen Pfund. Die
Production Javas nimmt langsam, aber stetig zu.
Jamaika lieferte' 1882 schon die stattliche Menge von 15000 kg Rinden. Die-
selbon sind aber für den Fabrikverbrauch ohne Bedeutung.
Neuerdings sind auch westafrikanische Rinden aus portugiesischen Be-
sitzungen versuchsweise nach Lissabon und London gekommen. Ihre Qualität liess
zu wünschen Übrig.
1879/80 gestaltete sich das Verhältniss (nach gütigen Mittheilungen Gjche's)
folgcnderma8sen. Es kamen nach London und Amsterdam aus Columbien
6000000 Pfund, Peru und Bolivia 1000000 Pfund, Indien und Ceylon 1172000
Pfund, Java 70088 Pfund, Jamaika 21140 Pfund.
In erster Linie stehen zur Zeit Ceylon und Columbien. Beide liefern nach London.
Der Hauptstapelplatz für Chinarinden ist London, für die javanischen Cultur-
rinden Amsterdam (und London), weniger Bedeutung besitzen Hamburg, Paris,
Havre, New- York.
Die Verpackungsweise der südamerikanischen Rinden ist auch jetzt noch die
in Serronen, Colli, Ballen (1 Collo = 50 — 55 kg), bisweilen verwendet man auch
Kisten. Die ostindischeu und besonders die javanischen Culturrinden werden, wie
mir Flückigek mittheilt, vertical in Kisten gesteckt, nicht in Bündel gelegt oder
in Sorronen verpackt. Die Fabrikrinden aus Ostindien und Ceylon gelangen meist
in kleinen, höchstens einige cm langen Stücken (chips, shavings) in den Handel,
die zudem oftmals mittelst hydraulischer [Pressen in grosse, oft steinharte Ballen
zusammengepresst sind (Weller).
Charakteristik.
Für alle echten Cinchonenrinden ist es charakteristisch, dass sie nach dem
Schälen eine bemerkonswerthe Farbenänderung durchmachen. Anfangs mehr oder
weniger hell, nehmen sie, allerdings in nicht ganz gleichem Maasse, nach und nach,
bisweilen sofort, eine mehr oder weniger deutliche rostbraune Färbung an. Doch
ist diese Färbung für alle Cinchonenrinden so wenig einheitlich, dass man schon
frühzeitig gelbe (amarilla) , weisse (blanca) , rothe (colorada) , orange (naranjada),
braune (negrilla) und rothe (roja) Chinarinden unterschied und noch jetzt bietet
die Farbe das wesentlichste unterscheidende Merkmal der drei grossen Gruppen,
der gelben, braunen und rothen Chinarinden.
Wir finden die Chinarinden entweder ia Platten (dickere Stammrinden) oder in
Röhren (Astrinden). ErBtere sind mehr oder weniger flach, letztere (in Folge
Auslösung der Rindenspannung beim Trocknen) gerollt. Rinden jüngerer Stämme
sind ebenfalls gerollt (Culturchina).
Das Lupenbild der Chinarinden ist verschieden, je nachdem man Zweig-
oder Stammrinden, bedeckte oder unbedeckte vor sich hat. Bei Zweigrinden (stets
bedeckt) unterscheidet man die dünne Korkschicht (Aussenrinde), die Mittelschicht
(Mittelrinde, fälschlich oft Aussenrindc genannt) und die „Bastschicht" der
Pbarmakognosten (Innenrinde). Zwischen Kork- und Mittelschicht ist bisweilen eine
dunkle glänzende Linie , der „Harzring" , wahrnehmbar. Die Innenrinde ist bei
jungen Zweigrinden (Loxa) wenig nichtig, bei Stammrinden macht sie die Haupt-
masse der Rinde ans fOalisaya).
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CHINARINDEN.
9
Die bedeckten Stammrinden zeigen entweder eine breite dunkle Korkschicht
cder geschichtete Borke, bei den unbedeckten fehlt beides, nnd die ganze Rinde
besteht auB Mittelschicht (Mittelrinde) und Bastschicht (Innenrinde) oder "dieser
allein. Die Mittelschicht ist rein braon, oft locker „markig" oder durch hellere
Punkte punktirt. Körnige Concretionen (Steinzellengruppen) fehlen den echten
Rinden so gut wie immer. Die „Bastschicht" ist gegen die Mittelschicht nicht
scharf abgegrenzt. Sie ist fein und variabel punktirt und gezeichnet, bald
strahlig, bald undeutlich concentrisch, bald unregelmässig. Gegen die Innenseite
zerfasern alle Chinarinden leicht. Ein scharfer Transversalschnitt ist also schwer
herzustellen.
Anatomisch treten die drei Schichten noch stärker hervor, und besitzen die
Chinarinden eine Anzahl Merkmale, die es ermöglichen, sie leicht und bestimmt
von anderen Rinden zu unterscheiden. Unter sich stimmen sie jedoch so sehr tiber-
ein, dass eine allein auf die Anatomie gegründete, genaue Unterscheidung nur
schwer möglich, wenn nicht gar ganz unmöglich ist.
Ueberhaupt stellen sich dieser Methode der anatomischen Unterscheidung, die
durch Schleiden, Beeg, Oüdemans, Vogl, Flückjger eingeführt, beziehentlich
durchgearbeitet wurde, zahlreiche Schwierigkeiten in den Weg. Erstlich enthält eine
und dieselbe Handelswaare, bisweilen selbst bei den 8endungen aus Java und Ostindien,
selten durchweg die Rinde einer und derselben Cinchonenart, ferner stammen zwei
Sendungen derselben Handelswaare oftmals von ganz verschiedenen Cinchonen und
endlich wechseln die anatomischen Merkmale je nach dem Entwicklungsstadium der
Rinde. Die grösste Schwierigkeit liegt aber darin, dass wir über die Abstammung der
südamerikanischen Rinden fast ganz im Unklaren sind. Ganz unbrauchbar wird
die Methode aber, wenn 0. Kuntze Recht hat, dass die meisten rindenliefernden
Cinchonen Bastarde sind. In diesem Falle müssen sich nirgends ausgeprägte Unter-
schiede, sondern überall Uebergänge finden. Letzteres ist- denn in der That auch
oft der Fall.
Jüngere Rinden (z. B. die China Loxa) sind stets mit normalem dünnwandigen
Kork von der charakteristischen Form (niemals mehr mit der Epidermis) bedeckt.
So alle Zweigrinden. Auch Stammrinden zeigen eine oftmals nicht unerhebliche
Korkbildung. ( C. 8»ccirubra), doch ist einigen Arten, namentlich C. Cali*aya,
sogenanntes inneres Periderm eigen, welches zur Borkenbildung führt. Bei diesen
Cinchonaarten tritt das Periderm in der Mittelrinde in Streifen auf, die oftmals
bogenförmig nach Innen gewölbt, flach schalenförmige Rindenpartien abschnüren.
Entfernt man daher die Borke von diesen Rinden, so bleiben flache Vertiefungen
(Conchas, von ihrer schalenförmigen, wie von Fingereindrücken herrührenden Gestalt)
übrig, die z. B. das charakteristische Aussehen der Aussenfläche der unbedeckten
Königschina bedingen. Diese secundäre Korkbildung kann bis in die Innenrinde
hinein sich erstrecken. Die Borkebildung erfasst nämlich niemals das ganze Ge-
webe gleichförmig, sondern tritt in Streifen und Bändern ungleicher Dicke und
ungleicher Ausdehnung auf, so zwar, dass nach und nach immer tiefer liegende
Schiebten herangezogen und nach und nach schon bei Lebzeiten des Baumes ab-
geworfen werden. So finden sich bei vielen Stammrinden selbst Bastzellen und
Phloemzellen unter den ausgeschiedenen Rindenelementen und alte, geschälte Rinden
bestehen sogar fast nur noch aus der Innenrinde (so die unbedeckte China regia).
Die Borke selbst bestoht daher stets aus abwechselnden Lagen Kork und Mittel-
rinde und erscheint stets „gezont" oder „geschichtet".
Die Korkzellen sind in radialen Reihen angeordnet und meist dünnwandig.
Enthalten die Zellen Luft und sind die Zellwände farblos, so erscheint die Rinden-
oberfläche weiss und glänzend, sind jene braungefärbt , so erscheint sie braun-
roth bis braun. In beiden Fällen ist der Kork (beziehungsweise die Borke) weich.
Enthalten die Korkzellen aber einen bräunlichen, harzartigen Stoff, so sind sie
oft auch dickwandiger und die Oberfläche ist hart und erscheint grau oder grau-
braun, im Querbruch harzglänzend. Solche inhaltfflbrende Korkzellen bedingen zum
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CHINARINDEN.
Fig. I.
Theile den „Harzring". Das pnmäre Rindenparenchym der Zweigrinden, die Mittel-
rinde, fehlt den älteren Rinden nüt Borkenbildung aus",den oben angeführten Gründen
gänzlich. Bei den jüngeren Rinden besteht es entweder nur aus dünnwandigem,
etwas tangential gestrecktem
Parenchym (so bei C. Cali-
saya und succirubra) und
einigen Lagen Collenchym
oder es sind in dasselbe
eigenartig gestaltete, kürzere
Seiereiden (Steinzellen,
Brachysclerßiden) einge-
bettet. Dieselben besitzen die
typische Gestalt (C. lanci
foli'a, purpurea , omta,
aci'ohiculata). Ihre Wand
ist meist nicht sehr stark,
stets deutlich geschichtet,
verholzt, von geraden Poren-
canalen durchzogen ("ge-
tüpfelt). Sie liegen entweder
einzeln oder seltener in
kleinen Gruppen bei einander
(jedoch nie in geschlossenen
Massen oder „Nestern"), be-
sitzen ein weites Lumeu und
sind fast ausnahmslos deut-
lich tangential gestreckt. Sie
sind nicht sehr lang — stets
kürzer als die sogenannten
Bastzellen — rechteckig und
au den Enden abgestutzt,
Dicht zugespitzt. Sie ent-
halten entweder keinen In-
halt oder sind mit einem
feinen Krystallmehl i Calcium-
oxalati oder rothbrauner,
körniger Masse (nicht Harz)
erfüllt , daher Saftzellen
(Behgi, Harzzellen (Schlei-
i>E.\j. Schleiden unterschei-
det ohne Grund Qnadrat-
zellen , Rundzellen , Stab-
zellen, Schichtenzellen, sowie
Harz- und Krystallzellen. Die
Sclereiden bilden die „helle-
ren Punkte" der Mittelrinde
im Lupeubildc.
Manchen Chinarinden (C.
Cahsoi/n und den söge
nannten rothen Rinden) feh-
len diese Harz, beziehungs-
weise Krystallmehl führen-
den Sclereiden ganz , bei
anderen finden sie sieh nicht nur in der Mittelrinde, sondern auch in der Inuen-
rinde (C. lanci folia), dort oftmals zwei Bastzellen mit einander, sogar über den
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;ktt
ml;
China Caüsava americuna
Querschnitt durch <>ine uulw
(Berg).
mk Kindcnsrralilen. h Hast fasern, AT Kork <Borkeuiest>
Vergr.
CHINARINDEN.
11
Rindenstrahl hinweg, verbindend („Sclergidenbrücke" Tschirch's). Sie besitzen
also diagnostischen Werth.
Gegen die Innenrinde, den Siebtheil, hin liegen bei den Rinden fast aller Cin-
chonen im Jugendstadium (d. h. im ersten oder zweiten Jahre) einzeln oder zu
weniggliederigen Gruppen vereinigt in lockerem, unregelmässigem Kreise Gummi-
harzschläuche, Saftachläuche, Saftröhren (Berg), Milchsaftzellen (Schleiden),
Milchsaftgefässe (Vogl), die im
Durchmesser meist 2 — 3mal die
umgebenden Parenchymzelleu
übertreffen (0.2 mm bei C.
Huccimbra, U.5 mm und mehr
bei C. boliviana, doch sind sie
bisweilen nur eben so gross,
0.040 — 0.050 mm oder kleiner
und werden dann leicht über-
sehen) und die rundlieh oder
oval, meist tangential, aber
nur wenig in die Länge ge-
streckt, dabei stets dünnwandig
und von einem eigenartigen In-
halte erfüllt sind. Bei C. ob-
(usifolia und heterophylla sind
dieselben schon in der zweijähri-
gen Rinde kaum zu erkennen,
bei C. scrobiculnta, ovata und
lancifolia sind sie dagegen
etwa 0.1 — 0.7 mm weit und
mehrere Millimeter lang. Im
frischen Zustande cuthalten sie
Milchsaft, in der Droge er-
scheinen sie meist leer. Ist Iu-
halt wahrnehmbar, so zeigt er
oft Gorbstoffreactiou.
In Rinden, die ßorkcbildung
zeigen (C. Calisaya) , fehlen
diese Saftschläucho fast stets, sie
sind sammt der Mittelrinde früh-
zeitig abgeworfen worden i Fig.
1), aber auch in den älteren Rin-
den, die keine Borke erzeugen,
sind sie bei den „echten" Cin-
choneu <d. h. denen, die brauch-
bare, alkaloidreiche Rinden bil-
den) nicht mehr oder nur un-
deutlich erhalten und gerade
hierdurch unterscheiden sich
diese echten Chinarinden von
den unechten , die meist von
Ladenberyia- , Bunea- und Exostemma -Arten abstammend, selbst noch im Alter
meist sehr deutliche Saftschläuche erkennen lassen. Bei der Succirubra bleiben
die Saftschläuche lauge erhalten.
Die Hauptmasse der Rinde besteht aus der I n n e n r i n d e. Bei deu unbedeckten,
borkenbildenden wird die ganze Rinde des Handels nur aus Innenrinde gebildet i Fig. 1).
Der Bau der Innenrinde zeigt, wie bei deu meisten Rinden, ein von radial ver-
laufenden Rindenstrahlen durchzogenes Phloeni. Die Riudcnstrahlen (Hast- oder
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Querschnitt durch die Innenrinde einer osl indischen Cuitur-
rinde von O, tvrtirnbra. Dicke de» Itiudenniusters äinm.
V Itastfwera , * Siebclenieiite und l'urenchym , A' Kr.vafaü-
zellen, «• Riudenstruhl. Vergr. I4ö.
12
CHINARINDEN.
Markstrahlen der Pharmakognosten) sind die directen Fortsetzungen der Markstrahlen
des Holzes. Diesen entsprechend sind sie bald schmal und einreihig (Nebenniarkstrahlen
Vogl's), bald breit und mehrreihig, doch erreichen sie kaum jemals eine grössere Breite
als 3 — 4 Zelrreihen. Gegen Aussen verbreitern sich jedoch beide und gehen allmälig
ohne scharfe Grenze in die Mittelrinde über. In den inneren Rindenpartien sind die
Rindenstrahlzellen mehr oder weniger deutlich radial gestreckt, in den Äusseren
verbreitern sie sich tangential und nähern sich daher der Gestalt der Mittelrinden-
zellen. Der Siebtheil (Bastparenchym der Pharmakognosten), durch die Mark-
strahlen in mehr oder weniger breite, nach Aussen spitz zulaufende Radialstreifen
gespalten, besteht aus Siebröhren, Cambiform und Phloemparenchym. Zwischen
diese Elemente eingestreut finden sich Bastzellen. Die Siebröhren sind ebenso wie das
Cambiform schmaler als die Markstrahlzellen (Fig. 2). Nur die letzteren sind in der
Droge in ihren morphologischen Charakteren deutlich erhalten. Die Siebröhren
dagegen, selbst in jüngeren Rinden,
mehr oder weniger undeutlich, sind Fis 3-
niemals scharf ausgeprägt wahrzu-
nehmen. Alle dünnwandigen Zellen
der Rinde haben in Folge Infiltra-
tion der Inhaltsstoffe braune Mem-
branen.
Die Bastzellen der China-
rinden gehören zu den kürzesten
ihrer Art. Sie messen meist nur
1 mm , höchstens 2 — 3 mm , nie-
mals erreichen sie die typische
Länge so vieler Bastfasern , ihre
Gestalt ist eine spindelförmige.
Dagegen zeigen sie alle anderen
Merkmale der Bastzellen : sie sind
deutlich geschichtet, stark und
gleichmäßig verdickt (welche Ver-
dickung von den Pharmakognosten
fälschlich „Verholzung" genannt
wurde) und besitzen mehr oder
weniger spitze Enden, mit denen
sie in einander eingekeilt und zwi-
schen einander eingefügt sind. Die
Enden sind entweder spitz oder
meisselartig zugeschärft, oder ab-
gestutzt (sogenannte Stabzellen)
oder mit kurzen Auswüchsen (Hörn-
chen) versehen ( Fig. 3;. Auch
knorrige Formen finden sich. Der
Querdurchmesser ist meistens ab-
gerundet vieleckig ( stets bei denen, die in Gruppen beisammen liegen), um so breiter,
je mehr die Bastzelle in der Mitte durchschnitten wurde, um so schmäler, je weiter der
Schnitt gegen das Ende gelegt war (Fig 2). Der Querschnitt der Bastzellcn ist meist
im Sinne des Radius der Rinde gestreckt (Fig. 4). Die Wandung ist von feinen Poren-
canälen durchzogen, das Lumen meist auf e*incn zarteu Längscanal reducirt, niemals
weiter als die Wandung dick ist. auch inhaltfiihrend. Ihre Breite wechselt zwischen
0.030 und 0.250 mm (meist 0.07 — 0.1 innn und finden sich manchmal in einem und
demselben Rindenstucke Bastzellen, die so stark variiren, dass sie im Querdurch-
messer sich wie 1 : 4 verhalten. Aeltere Rinden sind reicher an Bastfasern als jüngere,
da diese Zellen reichlicher In der seeuudären Riude entstehen. Dieselbe Art zeigt also
ein verschiedenes Bild, je nachdem mau eine junge oder alte Rinde vor sich hat.
Durch Schultz e'schc Maceration iaolirte
aus Java-Calisaya. Vergr. W.
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CHINARINDEN.
13
Die Micellen der Wandung der Bastzellen zeigen spiralige Anordnung, die Tüpfel
stehen linksschief und die Faser lässt deutlieh auf der Oberfläche spiralige Streifung
erkennen. Die Süssere Begrenzungslinie der Bastzellen zeigt meist die Eindrücke
der benachbarten Parenchymzellen (Fig. 3). Auf dünnen Querschnitten fallen die gelb-
lichen Bastzellengruppen durch ihren lichten Seidenglanz sofort auf.
Diese Bastfasern sind das charakteristische Element der Rinde. Durch sie ist
man in der Lage, Chinarinden von allen anderen, selbst nahe verwandten, schnell
und aufs Bestimmteste zu unterscheiden. Auf sie stützen sich auch die dia-
gnostischen Merkmale der einzelnen Handelssorten in erster Linie. Ihre Länge,
Fig. 4.
Breite und Vertheilung
wechselt nämlich bei den
einzelnen Sorten nicht
unerheblich. Besonders
letztere ist sehr variabel,
bald liegen sie verein-
zelt , bald zu Gruppen
vereinigt , bald bilden
sie radiale, bald zouen-
artige Gruppen, und
so charakteristisch und
klar hervortretend ist
ihre Gruppirung , dass
sie schon mit blossem
Auge oder mit der Lupe
in den Hauptzügen deut-
lich erkannt werden
kann.
So unterscheidet Wi-
gand (Schleidens Ty-
pen schärfer fassend)
folgende drei Typen des
Lupenbildes :
Typus A. (C. Ca-
lisaya). Die Bastzellen
sind durch die ganze
Dicke der Rinde fast
gleichmflssig vertheilt,
so dass nach aussen nur
eine geringe bastlose
Schicht bleibt ; die Bast-
zellen stehen fast durch-
weg einzeln, zum Theil
etwas reihenartig ange-
ordnet, aber höchstens
zwei oder drei einauder
unmittelbar berührend.
Typus B. (C. scrobiculata). Die Bastzellen sind fast ganz durch die Rinde
verbreitet, so dass nach aussen nur eine geringe fasorlose Schicht bleibt ; sie sind
in deutlichen radialen Reihen angeordnet und eine grössere Anzahl liegt in dieser
unmittelbar hintereinander.
Querschnitt durch den inneren Theil der Innetirinde der Javanischen
(Kultur-China von C. CalUaga Leägtriana, Dicke des RindenmusTers 3.5min.
6 Bastzellcn, m Rindenstrahl, # Siebelemente und Parenehyni.
Vergr. Mö.
Typus C. (G. pubescens). Die Rastzellen verlieren sich nach aussen, so dass eine
Schicht von merklicher Breite ohne oder nur mit zerstreuten Fasern vorhanden ist; die
Bastgruppen sind nicht strahlig, sondern eher in peripherischen Reihen angeordnet.
Doch darf nicht verschwiegen werden, dass diese drei Typen durch /ahlreiche
Lebertran tru mit einander verbunden sind.
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14 CHINARINDEN.
Auch bezüglich der einzelnen Faser zeigen die drei Typen (nach Wigand)
Unterschiede. Bei Typus A ist die einzelne Bastzelle von mittlerer Dicke und
höchstens zehnmal so lang als breit, an beiden Enden stumpf zugespitzt, bei
Typus B ist sie dünner und verhältnissmassig viel länger, bei Typus C sind sie
am dicksten und kürzesten, zu zwei bis drei in fest zusammenschliessende Gruppen
vereinigt.
Auf der Form und Vereinigung der Bastzellen beruht auch der verschiedene
Bruch der Chinarinden. Alle brechen faserig, Typus A und B durch die ganze
Fläche, C nur innen, aussen dagegen glatt. Der Bruch ist kurz-, fein- und
steifsplitterig und die Fasern lösen sich leicht von einander bei A, er ist ver-
hältnissmässig lang-, fein-- und reichfaserig bei B oder endlich grobfaserig bei
C. Im letzteren Falle sind die Faserbündel stumpf und dick.
Eine auf die Form und Anordnung der BaBtzellen gegründete Eintheilung der
Rinden haben Berg, Flückigkk, Vogl u. And. gegeben (s. weiter unten).
Berg hat nach den PHöBis'schen Präparaten der DELONDRE-BorcHARDAT'schen
Rinden die Bastzellen gemessen, Folgendes sind einige der Resultate (die Zahlen
geben das Verhältniss des Radialdurchmessers [Zähler] zum tangentialen [Nenner]
bei gleicher Vergrößerung au) :
Cort. Cinchon. lancifol. Mut Vorl. Chin. flav. fibrös. *!}, 7/,,.
("ort. Chin. rubr suberox. (Cinch. coccin. Pav.) — "/«•
Cort. Cinchon. cordifoliae Mut. Chin. flav. dura laevis */s uud 8/„.
Cort Cinchon. Pitayenttia, China Pitaya *js.
('ort. Cinchon. Pelalbae Pav. '/,.
Cort. Cinchon. nitidae Ruiz et Pav. Cancarilla fina Peruana a/s nnd
Cort Cinchon Condamineae Hb. et Bonpl ,u/7.s.
Cort. Cinchon. Culisayae Wedd. Calimyachina lg/„.
Cort. Cinchon. succirubr. Pav. Cort. chin. rubr. dur. ,0/7.
Cort. Cinchon. umbelliferae Pav. 10/s.
Cort. Cinchon. »crohiculat. Hb. et Bonpl. —
Der Radialdurchmesser ist also meist grösser als der tangentiale. Sehr grosse
Bastzellen besitzt Cort. Cinchon. lutea* und besonders Pelleten'anas, sehr reich-
gliederige Bastzellgruppen besitzt Cort. Cinchon. macrocah/ci*.
Die sogenannten falschen Chinarinden sind anatomisch von den echten
leicht zu unterscheiden , sofern sie nicht dem Genus Cinchona angehören , doch
pflegt man die letzteren nicht eigentlich als „falsche", sondern nur als „minder-
werthige" Chinarinden (Ca<tcarillo8 bobos) zu bezeichnen und das Wort „falsche"
für die Rinden der Ladenbergia-, Buena-, Exostemma-, Nauclea-, Cascarilla-
und Remijia- Arten zu reserviren , denen Chinin und Cinchonin (mit einziger
Ausnahme derCuprea und der China von Para [Hesse]) fehlen.
Als Kennzeichen eiuer falschen Chinarinde kann Folgendes gelten : Das Lupen-
bild des Querschnittes zeigt eine scharfe , namentlich keilförmige Abgrenzung der
Innenrinde oder eine deutliche Schichten- oder regelmässige Strahlenzeichnung der
letzteren (Wigand). Im anatomischen Bau zeigen sie mannigfache Besonderheiten,
die sich in allgemeine Regeln nicht fassen lassen (s. pag. 46 und Fig. 7), nur das ist
allen eigen, dass ihnen stets die für die echten Chinarinden so charakteristischen
kurzen Rastfasern fehlen, an ihrer Stelle finden sich entweder lange Bastfasern
(Steroiden), z. B. bei Nauclea, oder Sclereiden, z. B. bei der Remijia, oder die
mechanischen Elemente sind stark reducirt. Auf diese Verhältnisse ist auch ihr
abweichender Bruch (langfaserig bei Steroiden, kurzkörnig bei Scleröiden) zurückzu-
führen. Auch sind die mechanischen Elemente dieser Rinden niemals so dick, dass
sie schon mit dem blossen Auge als feine Pünktchen wahrgenommen werden könnten.
Der anatomische Ban der wegen ihres Chiningehaltes ebenfalls zu den
„echten" Chinarinden gehörigen sogenannten China cuprea (von Remijia
peduneulata) macht die bisherige Auffassung zu schänden, dass die chininhaltigen
Cinchonen auch anatomisch genügend von den übrigen unterschieden sind. Die
Cuprearinde besitzt vollständig den Bau der falschen Chinarinden.
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CHINARINDEN.
15
Fig.
Der Kork besteht Jbei der Cuprea zum Theil ans dickwandigen Zellen, innen
int; er normal dünnwandig. Er ist in der Droge bis anf die innersten Lagen
entfernt (Fig. 5). Die Mittelrinde enthält reichlich Sclerelden, die ziemlich stark
▼erdickt (Bracbysclerelden) und stets energisch tangential gestreckt, oftmals sogar
etwas verbogen sind. Sie liegen einzeln oder in Gruppen bei einander. Im
inneren Theile der Mittel rinde sind Saftschläuche nicht selten , aber auch nicht
regelmässig vorhanden.
In dem Siebtheile der
Innenrinde liegen statt
der Bastzellen zahlreiche
Sclereiden der typischen
Form, doch sind dieselben
im Querschnitt schmal, in
der Längsansicht verhält-
nissmässig gestreckt (Ma-
krosclerelden). Ihre En-
den sind jedoch nicht
spitz, sondern mehr oder
weniger abgestutzt. Durch
alle diese Merkmale unter-
scheiden sie sich leicht
und bestimmt von den
Bastzellen echter Cincho-
nen. Ausser diesen in
langen, geraden oder ge-
krümmten radialen Reihen
angeordneten Sclerelden
finden sich in der Innen-
rinde auch solche der
gleichen Gestalt, wie wir
sie in der Mittel rinde an-
trafen. Sie treten auch
hier mit der dort erwähn-
ten Tangentialstreckung
auf und bilden nament-
lich häufig Sclerenchyni-
brtlcken von einer Stein-
zellreihe Aber den Rinden-
strahl hinweg zur ande-
ren (Fig. 5 und 6). Sie
bevorzugen in ihrer Lage
den nach aussen zu ge-
legenen Abschnitt der
Innenrinde. In dem inne-
ren Theile der secundären
Rinde herrscht das dünn-
wandige Gewebe des Sieb-
theils (auch Siebröhren
sind hier deutlich) vor.
Daher lässt sich eine dickere äussere und eine dünnere innere Rindenpartie auch im
Lupenbild schon deutlich unterscheiden. Krystallzellen mit feinkörnig krystallinischem
Calciumoxalat finden sich in beiden (Fig. 6).
Der aufladende Reichthum dieser Rinde an dickwandigen Elementen bedingt
ihre ausserordentliche Härte, die Form der Sclerelden den wenig faserigen, mehr
körnigen Bruch.
Querschnitt durch die China puprca.
K Korkrrate , * Milchachläuche . b Hrachys«rlereiden, m
Bdereiden, * Siebbiindcl collabirt.
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16 CHINARINDEN.
Die eigentümliche kupferbraune Farbe rührt von einem in allen dünnwandigen
Elementen reichlich enthalteneu, auch in die Membranen eindringenden Farb-
stoffe her.
Die Cinchonamin-Cuprea (von Remijia Purdieana) besitzt eine Innen-
rinde mit zahlreichen, dicht gedrängten, langen Sclerelden (Makrosclereiden) , die
ein ansehnliches Lumen besitzen und in radialen , durch 4 — 5 Zellreihen breite
Markstrahlen getrennten Reihen stehen. Kurze Scleröiden (ßrachysclereiden)
fehlen, ebenso Milchröhren (Planchon ; wohl Saftschläuche ?). In Folge der nahezu
gleichen Vertheilung der Sclereiden über die ganze Innenrinde ist eine innere und
äussere Partie nicht oder doch nur undeutlich unterschieden.
Fig. 6.
tjuernchnitt durch den mittleren Tbeil der Innenrinde der China cuprea.
mk Rindenstrahl, b ßrachysclereiden, m Makiosclereiden, A" KiysUillzellen.
Vergr. 2<>0.
Die Würze Irin den der Ciuchonen, die. weil sehr alkaloidreieh, sehr gesucht
sind, besitzen im Allgemeinen den Bau der Stammrinden. Sie scheinen sehr zur
Borkebildung geneigt zu sein.
Der Inhalt der Zellen ist mannigfach. Die stark verdickten Bastzellen sind
entweder ganz inhaltsleer (»der enthalten ebenso wie die Makroscler&den kleine
Mengen einer körnigen Substanz. Die duunwaudigen Elemente der Mittel- und
Inneurinde (Parenchym. Siebtheil, Markstrahlen) und der Kork (nur das Phellogeu
i<t meist farblos,, enthalten einen braunen oder braunrothen Farbstoff (Chinaroth),
der auch in die Membranen eindringt. Derselbe erfüllt dieselben oft vollständig
und bedingt die Farbe der verschiedenen Kiudeusorten. Stärke ist, besonders bei
den Ctilturriuden, reichlich in der Mittelrinde enthalten. Auch die äusseren Schichten
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CHINARINDEN.
17
der Innenrinde, ja selbst die inneren Korklagen enthalten Amyhnu. Die Kurner
desselben sind klein, rundlich, bisweilen zusammengesetzt. Junge Zweigrinden führen
in den Süsseren Schichten bisweilen kleine Chlorophyllkörner. Kalkoxalat kommt
bei den Cinchonen nur sehr selten in gut ausgebildeten Krystalleu vor. Es erfüllt
vielmehr meist als fein krystallinisches Krystallmehl (wie bei Helladonna) besondere,
dünnwandige Krystallschläuche, die von den
anderen Zellen morphologisch nicht ver-
schieden sind (Fig. 2). Seltener sind Kry- •
stallmehl führende Braehysclereiden. Das
Polarisationsmikroskop läsat die kleinou Kry-
ställchcn leicht erkennen und kann man die
Schläuche am besten damit aufsuchen. Bei
China cupreo fand ich da und dort besser
ausgebildete Krystalle (Fig. 6).
Die Chiuaalkaloide haben ihren Sitz in
dem Rindenparenehyni (N. J. C. M Oller,
Fleckiger , Carles). nicht, wie Wigand
behauptete, in den Bastzellen. Welcher Theil
des Querschnittes es ist, der am alkaloid-
reichsten ist, darüber weichen die Ansichten
von Howard, Carles, de Vrij, Vogl,
Weddell, Karsten auseinander. Sicher ist,
dass der Kork alkaloidfrei ist, ob aber Mittel-
riude , Phloem (Siebröhren , Parenchym und
Cambiform) oder Markstrahlen, secundäre
oder primäre Rinde vornehmlich der Sitz
der Alkaloide sei, ist noch nicht sicher aus-
gemacht. Meine Versuche weisen mich darauf
hin, dass man die Alkaloide namentlich in den
dünnwandigen Elementen der Innonrinde zu
suchen habe, doch sind die anderen Thcile
sicher nicht alkaloidfrei. Durch Infiltration
dringen die AlkaloidlÖsuugeu übrigens stets
auch in die Membranen, selbst der Bastzcllon, wodurch Irrthümer entstanden sind.
Die Alkaloide siud ohne Weiteres (etwa in Krystallform) nicht sichtbar, nur
Howard will in der Rinde der Cinchona Ledgeriana solche Krystalle gesehen
haben — dagegen kann man sich Krystalle herstellen, indem man dünne Rinden-
querschuitte sehr kurze Zeit mit Kalilauge erwärmt, das Reagens schnell abfliessen
lässt und durch Wasser ersetzt (Howard). Alsdann erscheint das ganze Gewebe
reichlich mit büschelförmigen Krystallaggregaten übersät.
Mikroskopische Schnitte sind von Chinarinden nicht leicht herzustellen,
da die faserige Innenrinde oft beim Schnitte bröckelt. Man hat daher häufig ver-
schiedene vorherige Prüparationsmethoden (Einlegen der Rinden in Glycoringelatine,
Erwärmen in verdünntem Glycerin u. And.) empfohlen. Ganz abgesehen davon,
dass alle diese Methoden den Inhalt mehr oder weniger modificireu, fand ich stets,
dass sich bei einiger Uebung gute dünne Schnitte, selbst durch die dünnsten und
mürbsten Rinden herstellen lassen , wenn man dieselben 24 Stunden in Wasser
oder sehr verdünntes Glycerin legt und auf einer tiefgelegten Schnittfläche das
scharfe Messer führt. Klare und schöne Bilder erhält mau . wenn man durch
Erhitzen der Schnitte in Ammoniak oder ammoniakalischen Alkohol (Berg ver-
wendete Kali) die in den Membranen abgelagerten braunen Farbstoffe, zum Theile
wenigstens, entfernt. Gleichzeitig werden die zusammengetrockneten Sicbeletnente
bei dieser Methode etwas gestreckt und in ihre natürliche Form (wenigstens
naheziu wieder Ubergeführt. Der Inhalt wird bei diesen Manipulationen freilich
zerstört.
Rc-al-Encycloj>adie der gea. Pharmacie. III. % Digitized by Google
Fig. 7.
Mit S c hultze'schor Muceration Uolirte
Scleröiden der Chiua cuprea.
m Makroacleriiiden, *, h <Y Braehysclereiden.
Vergr. UO.
18 CHINARINDEN.
Der Geruch der echten Chinarinden ist achwach, doch namentlich bei ge-
pulverter Rinde so eigenartig, das« er mit keinem anderen verwechselt werden
kann. Man wird durch ihn ohne Schwierigkeit schon die China von anderen Rinden
zu unterscheiden im Stande sein , wenigstens wichtige Anhaltspunkte gewinnen.
Viele Verwandte der Chinarinden besitzen ihn nicht, selbst der Cuprea geht er
:ib und die Cascarillen , Gomphosien und andere Rubiaceen und Euphorbiaceen
sind entschieden aromatisch.
Der Geschmack variirt nicht unerheblich, je nach der Handelssorte. Jüngere
Rinden schmecken vorherrschend herbe, seltener (Huanuco, Loxa) zugleich säuer-
lieh adstringirend. Je älter die Rinden sind, um so bitterer pflegen sie zu sein,
so das» bei diesen der adgtringirende Geschmack mehr in den Hintergrund tritt.
Nur einige wenige Sorten (Calisaya) sind auch im Jugendstadium schon stark und
vorherrschend bitter. Je alkaloidärmcr eine Rinde ist, um so weniger bitter und
um so mehr adstringirend schmeckt sie.
Den falschen Chinarinden, denen die Chiuaalkaloidc fehlen, mangelt
meistens auch der eigenartig bittere Geschmack, sie schmecken oftmals widerlich,
scharf, ja ekelerregend.
Die wichtigsten Bestandtheile der echten Chinarinden sind die
Chinaalkaloide (s. Bd. 11, pag. (>♦;!>). Denselben verdankt, zwar nicht aus-
schliesslich, so doch vorwiegend die Chinarinde ihre therapeutische Wirksamkeit.
Sie sind in der Rinde als Tannate (de \n].f) enthalten (neben freier Chinasäure).
Unter ihnen nimmt das Chinin (1*20 von Pelletier und Caventoi' entdeckt)
die beiweitem erste, das Cinchoniu (3 Cincbonin , Huanocin, im gleichen Jahre
aufgefunden) die zweite Stelle ein. Ferner kommen darin in grösserer Menge vor :
Chinidin f 1833) (>-Chinin, Chinolin, Cinchotiu , Pitayin , Carthagin , Conchiuin)
und C i n c ho n i d i n ' 1847) i Pseudochinin , Chinidin auturum), in geringerer:
Homocinchon id i u (1877), Chinamin (1872), Cincharaidin (1881).
Ausser diesen sind auch folgende, noch weniger wichtige Alkaloide darin enthalten :
Aricin(?). Cuseonin, Cusconidin. Cuscamin, Cuscamidin, Paytin,
Pari ein, zweifelhaft sind Javanin , Chinichin, Cinchonichiu, Homocinchonidin,
Cinchotin (flüssig). Bisher nur in der Cuprea von liemijia Purdt'rana auf-
gefunden wurden: Cinchonamin il88lj, Conen s conin, Cheiramin,
Coucheirami n, Cheiramidin, C oncheiramidin (Hesse, 1884). In der
echten Cuprea ist enthalten: Cuprein (1884, mit Chinin verbunden das Homo-
chinin He?sr's bildend). Chinamin und Paricin findet sich in der oftlcinellen
Succirubra ( Hesse), die auch viel Cinchonidin enthält.
Alle diese Alkaloide, ausser Paricin. Cusconidin, Cuscamidin, Cheiramidin,
Chinicin, Cinchonicin, Dicinchonin, Diconchinin, Bind krystallisirbar. Ob ausser den
angeführten noch andere amorphe Basen in den Rinden vorkommen oder ob die-
selben (z. B. Cinchotin, Hydroconchinin, Hydrocinchonin, Hydrocinchinidin, Hydro-
chinidin» erst wahrend der Verarbeitung in der Fabrik entstehen, ist noch zu
untersuchen. Das Chinoidin des Handels besteht vorwiegend aus solchen
amorphen Körpern.
Durchaus nicht alle der oben angeführten Basen finden sich in jeder Rinde.
Einige, namentlich die seltenereu, sind bisher nur in einer oder der anderen auf-
gefunden worden. Nur Chinin und Cinchonin scheinen, wenn wir Hksse's Angabe
über eine chininfreie Rinde von Cinchona pubescenx Vald., die gelbe China aus Para
und die nelkenbraunc Calebejachina i Wjxcklkr), die zwar alle den anatomischen
Bau der echten besitzen, aber kein (hinin enthalten sollen, ausnehmen, keiner
echten Cinchonenrimle gänzlich zu fehlen. Von (im anatomischen Sinne) „unechten
Chinarinden" enthält die Cuprea und die China de Para (von Buena hexandra)
Chiuin 'Hessel
Der Gehalt an Alkaloiden schwankt ganz ausserordentlich. In dieser
Beziehung ist besonders der Gehalt an Chinin eingehend »tudirt worden. Selbst
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CHINARINDEN. 19
dieselbe Art zeigt je nach dem Standorte erhebliche Schwankungen. So fand
Karstex bei Cinchonn con/mhosa in einer Cegend gar kein Chinin in der Rinde,
an anderen günstigeren Orten 0.75 Procent, in der eigentlichen Cinchoneuregion
aber 1.3 — 3.5 Procent Chinin. Ucherhaupt ist der Gehalt an Chinin selir abhängig
von der Bodenbeschatfenheit, der Beschattung, der Seehöhe, dem Klima und der
Regenmenge, dem Alter der Bäume u. A. Wie gross der Eintiuss der Düngung,
z. B. in den Culturen ist, zeigt Succirubra, bei der der Chiningehalt in einem Falle
durch Düngung von 1.51 auf 2.2!» stieg fHooPKR.. Bei Sucei rubra scheint während
und am Schluss der Regenzeit die Kinde am alkaloidreichstcn zu sein (de Vrij).
Auch die Art der Trocknung ist von Eintiuss. Howard fand, dass Ledgeriana-
rinde in der Sonne getrocknet 11.0b" Proeent, bei künstlicher Wärme getrocknet
11. GS Procent Chinin gab. Aber selbst in den Kiuden, die von Cinchonen des-
selben Standortes und derselben Art entnommen waren , war der Gehalt ein
sehwankender, und so kommt es denn, dass in derselben Handelssorte, die im All-
gemeinen morphologische und anatomische Unterschiede nicht zeigt, oft Rinden
verschiedenen Werthc* bei einander liegen. Ks leuchtet schon hieraus ein. dass
eine Beziehung zwischen der anatomischen Structur und dem Alkaloidgehalte nicht
besteht und die erstere nur eine diagnostische Bedeutung zur Erkennung der Sorten
und (s. unten) auch hierfür nur bedingten Werth besitzt. Da selbst dieselbe Handels-
sorte Schwankungen im Alkaloidgehalte zeigt, so besitzt die immer mehr sich ein-
bürgernde Handclsusanee, die Rinden nur nach dem Gehalte, nicht nach den Sorten
zu kaufen — ein Usus, der von der javanischen Regierung für die von dort kom-
menden Rindensendungen eingeführt wurde — vollauf Berechtigung. Denn auch in
den Culturen schwankt der Alkaloidgehalt nicht unerheblich. So fand z. B.
r»K Vui.r bei javanischer Culturchina (Calimyti) Schwankungen zwischen 0.64 Pro-
cent und 5 Procent Alkaloid bei etwa gleichalterigen Stämniehen der gleichen Art,
bei CmcJiona officinolis (aus Ostindien) Gehalte zwischen 1.4 — 9.1 Procent
Chinin. Ueberhaupt sind bisher bei guten, echten Chinarinden Schwankungen zwischen
0.7 — 17 Procent Chininsulfat beobachtet worden. Der höchste Gehalt, den Weller
in Fabrikrinden fand, war 15.4 Procent, den Muens (bei Ledgeriana) beobachtete
15.2 Procent Cbininsulfat. Eine treffliche Tabelle des Gehaltes aller javanischen
Rinden hat Moexs (Kinacultuur, pag. 269; mitgetheilt.
Im Grossen und Ganzen kann man sagen, dass bei derselben Art die Zweig-
rinden am ärmsten, die Wurzelrinden am reichsten an Alkaloid sind 'de Vrij
fand z. B. in ostindischer Succirubra- Wurzelrinde einmal 12 Procent Alkaloid
und Choss in einer anderen 3.51 Procent Chinin) und die Stammrinden das
Mittel zwischen beiden halten^ aber den Wurzelrinden näher stehen , dass ferner
durch das Mossingverfahren erneuerte (renewed) Kiuden der Culturen reicher sind
als die ursprünglichen.
Ueber letztere Thatsache geben folgende Zahlen Auskunft. Succirubra war
im 6. Jahre in Madras (Ostindien) entrindet worden. Es betrug der Ge-
halt (1SS6):
Chinin Gesamnualkaloide
Ursprüngliche Rinde . 1.25 7.22
Erste Erneuerung 2.4'» H.e>8
Zweite „ H.tiO 7.59
Dritte „ 8.87 7.58
( Hoofer). Besonders dem Chiningehalt ist also die Erneuerung förderlich. Bei
älteren Stämmen ist das Verhältniss ungünstiger. Bei 21jährigen Bäumen sinkt
der Gehalt sogar. Das Verhältniss der Alkaloide zu einander bleibt bei der Er-
neuerung wohl kaum dasselbe, wie de Vrij meint.
Ferner illustriren folgende Zahlen das allgemeine Verhältniss der einzelnen
Rindensorten (Wurzel, Stamm, Zweig und erneuerte Rinden) zu einander. Denis
nnd Marcixelle fanden (ISSJ) bei javanischen Riuden, und zwar:
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20 CHINARINDE*.
Chinin Alkalose
Wurzelrinden Succirubra 1.0 9.3 Procent
„ Hasskarliaua 1.5 6.0 „
Offlcinalis 3.H 9.2 „
Ledgeriana . 4.9 7.7 „
Erneuerte Rinden Succirubra 2.3 7.8
„ „ Officinalis 3.9 6.0 „
r w Ledgeriana 6 9 8.7 „
Kinde v. Schössl. Ledgeriana 2.7 4.4
Stamm u. Astrinden Succirubra 1.2 8.3 r
Hasskarliana 0.9 3.3
„ Oftlcinalis 2.7 5.0
„ „ „ Ledgeriana 5.2 6.8
Von den eultivirten Rinden — und nur diese spielen zur Zeit in der Chinin-
fabrikation, die beiweitein die meisten Rinden verbraucht, eine Rolle — erwies «ich
Cinch. succirubra und ofßc'mnlis (die hauptsächliche» Culturrinden Ostindiens
und Ceylons) ärmer an Chinin als Calimya und besonder« die rar. Ledgeriana
(die hauptsächlichen Culturrinden Javas), welch letztere häufig 4 — 6 Procent Chinin-
sulfat erreicht, während diese Ziffer von .succirubra nur äusserst selten, von
officinalifi nicht oft erreicht wird. Letztere Sorten enthalten dagegen bedeutend
grössere Mengen Cinchonidin. Folgende Zahlen , die ich der Güte des Herrn
Weller (Zimmeb'scIic Chininfabrik; verdanke und die sämmtlich von dies-
jährigen (1886) Analysen javanischer Rinden stammen und das Mittel aus wenigstens
10 (meistens 20 — 70) Analysen darstellen, geben einen Begriff von dem Gehalte
der jetzt im deutschen Fabrikrinden handel dominirenden
Rinden an Chininsulfat.
Succirubra Stammrindc 2.2 Procent
„ Wurzel rinde 2.8 „
„ Zweigrinde 1.5 „
Ledgeriana Stammrinde 5
„ Wurzel rinde 5.6 ..
„ Zweigrinde 2.1
Of/icinalui Stammrinde 3.8 „
„ Wurzelrinde 4.2 „
„ Zweigrinde 0.7
C. F. Bö bring er & Söhne verarbeiten jetzt meist ostindische Rinden mit
einein Durchschnittsgehalt von 1.5 Proceut Chinin.
Die von Java stammenden Rinden sind meist gehaltreicher als die aus den
britischen Besitzungen, aber auch von hier kommen in neuerer Zeit immer chinin-
reichere. Mokns fand (1879) injavanischer Ledgeriana, 1.09 — 12.05 Procent
Alkaloid, nur in 13 Proben (von 80) weniger als 5 Procent. 1881 betrug durch-
schnittlich der Alkaloidgehalt 2 — 9 Procent, der an Chinin 1.2 — 8.1 Procent,
schwankte also sehr. Ueberhaupt liofert keine Sorte ganz constante Zahlen.
Gesammtalkaloide besitzt die ostindische Succirubra oft 6 — 11 Procent , doch
tritt das Chinin zurück, dafür ist meist 3 — 4 Procent Cinchonidin darin enthalten.
1881 wurden auf Java bei dieser Rinde folgende Schwankungen beobachtet: an
Alkaloid 3.2—9.8, an Chinin 0.4—2.5, an Cinchonidin 1.3 — 5.2 (Flückiger).
Bei den im Handel augenblicklich (1886) überwiegenden Ceylonrinden kann
man, da sie oftmals sehr geringwerthig sind, den durchschnittlichen Gehalt an
Chininsulfat auf nicht höher als 2 — 3 Procent annehmen (selten mehr als 4 Proeent,
oft nur 1.5 — 2.5 Procent), doch scheint es, dass der Gehalt von Jahr zu Jahr
steigt (Weller).
Für die amerikanischen, von wildwachsenden Bäumen gesammelten China-
rinden lassen sich bestimmte, auch jetzt noch giltige, allgemeine Werthe nicht
angeben. Einige Angaben darüber sollen bei den einzelnen Sorten gemacht werden.
Für die Chininfabrikation sind sie nur von untergeordneter Bedeutung . dagegen
erweist sich die von Jahr zu Jahr mehr eingeführte südamerikanische, speciell
bolivianische. Cnlturealisaya als sehr alkaloidreich. Auf der südamerikanischen Aus-
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CHINARINDEN.
2f
Stellung in Berlin (188(1) habe ich Rinden von dort gesehen, die 4.88, 5.72r
6.37 , ja sogar 6.65 Procent ('hinin enthielten ( Leichsexrixg).
Die auf Janiaica cultivirten Rinden lieferteu (1881) schon treffliche Resultater
C. Caliaaga 4.93 Procent, C. ofßchxnl. 5 — 6.95 Procent, C. succirnbra 1.97
bis 2.4 Procent Chininsulfat (Howard); die von dort nach Columbien ver-
pflanzten Bflume lieferten : C. Caltsaga 2.7 — 4.3 Procent, C. ofßchialis 4.3 — 4.6,
C. succirnbra 4.94 und dieselbe erneuert sogar 7 Procent.
Die wetterharte, aus klimatischen Gründen besonders in Ostindien cultivirte
Sucrintbra soll dort an sonnigen Standorten einen höheren Gehalt wahrnehmen
lassen. Auch die dunkelblüthigen Spielarten und Hybriden pflegen etwas mehr
Chinin zu enthalten und werden daher in der Cultur bevorzugt (KrxT/Ei.
C. Letigrriana (wahrscheinlich eine unregelmässige Hybride) macht eine Ausnahme
davon : sie hat eine bleiche Blfltbe.
Auch die Luftströmung ist nicht ohne Einfluss auf den Alkaloidgchalt.
So zeigt die Succirubra in den Nilagiris das Maximum des Gehaltes vor Beginn
des Süd-West-Monsums (Ende Mai, Mitte Octoberj, und geht herab wahrend der
regenbringenden Monsummonate ' Juli-September j i Brougthox).
Kuxtze vertritt die Ansicht und hat dieselbe durch zahlreiche Belege und das
Gutachten einiger Cultivateure gestutzt, dass der Chiningehalt mit dem Grade der
Hybridation wächst. Cinchoneu neigen nämlich sehr zur Hybridenbildung (s.
C i n c b o n aj. Je weiter der Bastard von der reinen Art sich entfernt, um so
alkaloidreieber soll er sein. Die reinen Arten sind alkaloidarm.
Ich verdanke Kuxtzk folgende Angaben. Er fand (aus den Auktionslisten
Chinin in den javanischen Rinden von :
< \ Calisaya 0.84 Prooent
('. carabayensin 0.15 „
(' micrantha 0.01 „
('. succirubra 0.98 „
(die letztere ist auf Java schon mit Hybriden vermischt, daher chiuinreicher
als sonst).
Dagegeu die Hybriden:
<\ t'aiinaya X carabaytngis 0-7 Procent
(', Calisayn X micrantha 2.58 „
('. Culimyn X succi rubra 12 ,
('. carabayenfiis X succirubra . . . 0 72 „
Die unregelmässige Hybride C. Calisaya X micrantha, die sogenannte C.
Ledgeriana ist sehr chininreich (s. oben), sie erreicht 13.2 Procent Chinin und
mehr , enthält also viel mehr als die Eltern, was gegen Kuxtze sprechen wurde
(Morxs). Andererseits hat man oftmals bemerkt, dass bei der Bastardirung die
schlechte Cinchone die bessere schädigt.
Wie wichtig die künstliche Hybridation für die Cinchonenculturen werden
kann , falls sich Küxtze's, zunächst noch viel bestrittene, Ansicht bewahrheiten
sollte, liegt auf der Haud. Für Kuxtze's Ansicht spricht mancherlei, so hat er
z. B. der C. Mac Jroriana = C. carabayensi* X micrantha x suenirubra eiu
günstiges Prognostikon gestellt und dasselbe hat sich bewahrheitet. Ein weiterer
VortheSl liegt darin, dass bei der künstlichen Kreuzung meist kräftigere Bäume
erzielt werden.
Auch durch Pfropfung kann man eine Veredelung der Cinchonen erzielen
(vax Gorkom). In Java stellt man, wie dies Moexh abbildet, mit einem Messer
einen steilen Längsspalt in der Rinde her, in welchen der keilförmig zugespitzte
Spro«« eingesenkt und alsdann durch Schnur festgebunden wird.
Was das Verhältnis« des Alters der Bäume zum Chiningehalte betrifft, so fand
Hooi'KR, dafs z. B. bei Ledyriana bis zum 5 — 6. Jahre die Alkaloide steti^r
zunehmen. von da wieder abnehmen. Bei Hnccinthra steigt der Alkaloidgehalt in
derselben Weise, dagegen der Chiningehalt bisweilen bis zum 12. Jahre, erreicht
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22
CHINARINDEN.
jedoch selbst zu dieser Zeit meist nicht die Höhe wie im ß. Jahre. Vom 12. Jahre
an sinkt der Alkaloidgehalt beständig.
Man kann daher die Resultate dahin zusammenfassen : Der Chiniugchalt ändert
ab bei den Rinden ein und derselben Art 1. nach dem .Substrate (Bodeu-
beschaüenheit, Düngung/, 2. der Beschattung. 3. der Seehöhe, 4. dem
Klima, 5. der Regenmenge (und der Luftströmung), ß. dem Alter
der Bäume, 7. nach den Tb eilen des Baumes, 8. nach dem Grade
der Hybridation i'Kcntze) oder der Art der Pfropfung (van Gorkom _.=,
9. dem Grade der eventuellen Erneuerung der Rinde, 10. der
Art der Trocknung. Den Einfluss aller dieser Verhältnisse hat man erst
erkannt seit man die Cinchoncn in den Culturen unter Aufsicht hat.
Inwieweit der Alkaloidgehalt durch langes Liegen ,• Feuchtigkeit , Schimmel
leidet, ist noch nicht sicher ausgemacht. i>R Vri.t meint, dass längeres Aufbe-
wahren die Alkaloide zum Theil zerstöre. StöDER fand bei flacher Calisaya eiu
Herabgehen des Gehaltes innerhalb 20 Jahren um 1.2 Procent, Hauer in 10 Jahren
(bei Calisayapulveri um 0.45 Proceut. Broughtox bemerkte, dass lagerude uasse
Kinde ihren Alkaloidgehalt einbüsste i' wenigstens Chinin uud Cinchonidini. Auch
das Beregnen der Droge alterirt den Gehalt.
Ausser den Alkaloiden findet sich in allen Chinarinden noch ein glucosidiseher
Bitterstoff: Chinovin (Acide quinovique Pelletier und Cavextoc, Chinova-
bitter, Cinchonabitter), welches sich in C h in ova säure und Mannitan spaltet
(Hlasiwetz). welche Spaltungsproduete sich oftmals auch in den Rinden finden,
ludische Culturrinden enthalten 1.4 Procent (Stamumnde i, 1 Proceut (Wurzelrinde),
die Wurzel dagegen im Holz 2.5 Procent, die Blätter 2 Proceut M>K Vitu). Huanuco-
rinde enthielt 1.75 (Reichari>t) , China flava librosa 1.75 Procent -Reichel),
China nova 4.28 Procent (Howard).
Ferner ist in allen Rinden die zu den aromatischen Körpern gehörige Ch i n a-
8äure (bis !* Procent) vorbanden, die saure Reaction der Auszüge bedingend — der
Cuprea fehlt sie. Sie ist an der Bildung von Chinou kenntlich, wenn man die
Rinde mit Braunstein und Schwefelsaure behandelt. Fast ebenso regelmässig findet
sich die, Eisenoxydsalze hellgrün färbende, Chinagerbsäure. Sie ist nicht in
allen Rinden vorhanden, auch ist es fraglich, ob es nicht mehrere gibt Hesse).
Sie wird durch Leimlösung gefällt und liefert mit Sauren, Alkalien, ja schou J)eim
Eindampfen der Lösung rothe Producte, unter denen das C h i n a r o t h sich befindet.
Dieser Farbstoff ist löslich in Alkohol und Ammoniak und durchdringt Zellinhalt
und Membranen der parenehymatischen Elemente der Rinden. Das vorwiegend
die Farbe der Rinde bedingende Chinaroth ist nicht immer dasselbe Individuum
(Hesse/. Die Chinagerbsäure ist in China flava fibrosa zu 1 — .'5.8 Procent (Reichel),
in flacher Calisaya zu 3.5 Procent, in Calisaya convoluta zu 2 Procent
(Reicharut) enthalten. In China nova fand Hlasiwetz Chino vager bsä ure,
die sich leicht in Zucker und Chinovaroth spaltet, ferner ist in den Rinden
(besonders China uovaj Chinovaroth (Remboldi, welches zur Chinovasäure in
gleicher Beziehung wie Chinaroth zur Chinagerbsäurc steht und ein Phlobaphen
ist, enthalten.
Ausserdem ist Wachs f Cinrhoeerotin Kerxeri, fett- beziehungsweise wachs-
artige Körper (C ine hol in allen echten Cinchonen, nicht in der Cuprea,
Cupreol in der Cuprea. Quebrachol Hesse i, Harz (sehr wenig), Stärke
und Kalk oxalat in den Rinden enthalten. Letzteres in geringer Menge,
1 Prorent wohl kaum übersteigend (Oxalsäure nach Reichel in Huanuco
0.29 Procent, nach Reichardt in China rubra 0.33 Procent ... Körner fand auch
Kaffeesäure. Das C h i n a p h I o b a p h e n (Städelix und Hofstetter) und
L i gn o i n (Reichel, vielleicht Chinaroth j bedürfen weiterer Untersuchung. A e t h e ri-
sches Oel fand Howard in der Stammrinde von Gorn/thonia chlorantha, die, der
China regia plana ähnlich, als Calisaya Quill of superior quality im Handel war.
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-•
CHINARINDEN.
23
Der Wassergehalt der Rinde wird auf 0 — 11 Proeent angegeben (Flückiger).
Die Asche beträgt 0.75 — 3 Procent. In ihr wiegen die Carbonate des Calcium*
und Kaliums vor (bei Flava fibrosa */5 der Asche, Reichardtj. geringer ist das
Magnesiumcarbonat (' l0 der Asche bei flacher Calisaya). Cuprea enthalt 1.65 Pro-
cent Asche. Auch Ammonsalze sind — freilich in sehr geringer Mcuge — in den
Rinden vorhanden (Carles). Der Kalkgehalt der Rinde betrögt 1 Procent (China
rubra», oder gar nur 0.5 Procent (Succirubra, Iuuenrinde).
Das einfachste Mittel, echte Chinarinden von falschen oder von anderen Rinden
zu unterscheiden, ist die GuAHK'sche Reaction iChera. Centralblatt 1858).
Dieselbe beruht darauf, dass Chinin und Cinchonin mit flüchtigen organischen
oder anorganischen Sauren oder Stoffen, die diese beim Erhitzen entwickeln,
erwärmt einen rothen Theer liefern. Wenn man echte (d. h. chininhaltige) Rinden
gepulvert im Reagirglasc erwärmt, oder einen Theil der gepulverteu Rinde mit Alkohol
extrahirt, den Auszug mit einer zweiten Menge eintrocknen lässt und dieses dann
erst erhitzt (Hesse), so tritt ein rother, im oberen Theile des Reagirglases sich
niederschlagender Theer auf. Diese Modifikation ist besonders bei chinioarmen
Rinden nothwendig, da die Reaction bei kleinen Mengen nicht ganz zuverlässig
ist. Die GfiAHE'sche Reaction kommt nicht (wie Prtzoz uud Hobinet meinem
auch dem Chinaroth zu (Hesse).
Die Ph. Germ. II., die diese treffliche Identitätsreaction reeipirt hat. sagt, das*
0.1 Rinde im Glasröhrchen erhitzt, einen schön canninrothen Theer geben soll.
Ausser Verfälschungen und Vermischungen mit anderen Rinden , bei deren
Eruirung auch das Mikroskop gute Dienste leistet, kommen noch mancherlei audere
Fälschungen vor. So hat mau durch Befeuchten mit Ammoniak (das Chiuaroth
wird hierdurch gelost und bewirkt dann eine tiefere Rothfilrbung) minderwerthigen
gelben Rinden das Ausseben von guten rothen zu geben versucht. Man kann in
solchen Rinden das Amnion leicht durch Nessler's Reagenz und Platinchlorid
nachweisen.
Auch eine Beschwerung mit Cinchonin und Chinoidin (zur Erhöhung des
Alkaloidgehaltes) ist besonders bei Calisayapulvcr beobachtet worden. Man muss,
wo ein solcher Verdacht vorliegt, nicht nur die Gesammtalkaloide , sondern auch
das Chinin bestimmen.
Pulver rother China ist mit Sandelholz vermischt angetroffen worden. Aether
nimmt aus solchem Falsificat einen orangegelben Körper auf. Auch Mandelstaub
soll als Verfälschungsmittel verwendet worden sein. Man thut gut , Chinapulver
gar nicht oder nur aus sehr zuverlässiger Quelle zu kaufen.
Chinoidin kann man in einer Rinde dadurch nachweisen, dass man sich einen
kalten möglichst neutralen Auszug herstellt und zu demselben gesättigtes Pheuol-
wasser fiiessen lässt. Bei Chinoidinanwesenheit tritt eine Trübung an der Berührungs-
fläche beider Flüssigkeiten ein (Hager).
Der ganzen Lage der Sache nach kommt es bei den Chinarinden aber in
erster Linie darauf an, den Gesammtalkaloidgehalt, sowie den Gehalt an
den einzelnen Alkaloiden. besonders Chinin, sicher und bestimmt feststellen zu können.
Es sind denn auch eine Unzahl von Methoden empfohlen worden, die alle
einzeln aufzuführen einen ganzen Band füllen würde. Die wichtigsten sind unter
dem Artikel Chinaalkaloide ('s. Bd. II, pag. 669) abgehandelt.
Aeltere Gehaltsangaben sind mit Vorsicht aufzunehmen, da die Methoden der
Alkaloidbestimmung erst in «euester Zeit so vervollkommnet sind, dass sie wenig-
stens annähernd zuverlässige Resultate geben. Zudem wird bei Gehaltsangaben
erst in neuerer Zeit genau angegeben, welchen Körper man meint. Die meisten
Angaben beziehen sich jetzt auf reines Chinin oder das Sulfat Ch3 H2 SO, + 7 HO.
Das Chinadeco et enthält heiss bereitet einen Theil der Chinaalkaloide an
Chinasäure und Chinagerbsäure gebunden, Chinaroth, chinasauren Kalk u. A.
Beim Erkalten fällt ein Theil der Alkaloide und des Gerbstoffes aus. Wie Ver-
suche lehren, ist die Extraetion der Rinde durch Decoction und Infusion sehr unvoll-
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CHINARINDEN.
ständig (nur 3 7 nach DE Vrij), aber bei den verschiedenen Sorten verschieden.
Paul fand, dass in einem Falle 4. 54 Tb. ausgezogen wurden und 23.93 unaus-
gezogen zuröckgeblieben waren, in anderen Fällen stellte sich das Verhältnis»
8.33: -20.40, 1.17 : 15.40, 10.3 : 19.89, 15.5 : 19.90.
Da (wie schon K. Jansen fand) bei einem Decoct ohne Zusatz von verdünnter
Schwefelsäure 41.5 Procent, in einem mit Zusatz von Säure hergestellten
74.3 Procent der Alkaloide in Lösnng gehen, so sollte man ein Chinadecoct oder
Infus nie anders bereiten, als unter Zusatz von wenig verdünnter Schwefelsaure zu
der Specie.8 vor der Infusion und die letztere in einem Porzellaninfnndirapparat
vornehmen, dk Vrij fand, dass 3;20g Chinaalkaloide 20 com Normalsalzsäure zur
Auflösung erfordern.
Alle Chinapräparate sind , ebenso wie die Rinden selbst, vor Licht geschützt
aufzubewahren, da Sonnenlicht die Alkaloide zerstört, beziehungsweise umwandelt
(z. B. in braunes Chiniretin, Flückiger).
Die medicinische Anwendung der Chinarinden ist in neuester Zeit stark
herabgegangen. Kaum jemals bedient man sich ihrer mehr als Antitypica, eher noch
als Tonica, Adstringentia und Antiseptica, innerlieh im Decoct oder Infus ( weniger
vortheilbaft), äußerlich als Pulver oder im Decoct (15 — 30:200). — Gebräuch-
licher sind die ChinarindenprSparate, von denen die wichtigsten sind : Extractum
Chivae fuscae, Extr. Chinae aquosum, Extr. Chittae spirituosum, Tincturu Chinae,
Tivctura Chivae ewposita, Vinvm Chinae und Pulvis dentifrieivs niger (Ph.
Austr.). Ausserdem sind Chinarinden ein wirklicher oder angeblicher Bestandteil
zahlreicher Specialitäten und Geheimmittel.
Das Holz von Stamm und Wurzel der Cinchonen enthält neben Chinovin
bis 0.5 Proeent Alkaloide iB. Moens).
Die säuerlich und bitter schmeckenden Blätter führen ebenfalls kleine Meugeu
Alkaloide (Theile eines Promille), daneben ist Chinovin in grösserer Menge als in
der Rinde anzutreffen. Sie sind als Fiebermittel empfohlen worden.
Die sehr bitteren Blütben enthalten kein Alkaloid, aber Chinovin (Broughtox).
Die ebenfalls bitteren Früchte sind sehr alkaloidarm oder alkaloidfrei.
EMheüungsprincipien der Handelsrindeo.
Als Haupteintheilungsprincip der Chinarinden hat von jeher die
Farbe der inueren Partien, die Art und Form der „Bedeckung" (des Korkes), die
Textur und die anatomische Structur (Lupenbild, Orientirung der Bastzellen, Form
und Grösse derselben, Vorhandensein oder Abwesenheit von SclereTden und Saft-
schläucben etc.) gegolten. Alle drei sind unzuverlässige Merkmale. Die Farbe
wechselt mit dem Lebensalter, ebenso der anatomische Bau, und die Korkbedeckung
ist oft entfernt. So ist selbst die einzig richtige Eintheilung der Chinarinden nach
den Stammpflanzen (wie sie Berg und Vogl durchführten) vom anatomischen Stand-
punkte nicht ganz zuverlässig , ganz abgesehen davon, dass wir noch lange nicht
von allen Rinden die 8tammpflanzen sicher kennen. Das für den Handel jedenfalls
am meisten praktische ist immerhin noch die Farbe, denn auf die Herbeiziehung
der den Kork anhängenden Flechten ''besonders von Fee beschrieben) oder gar
des Verhallens der Auszüge zu Keagentien izu welchen Hilfsmitteln man eben-
falls griff) muss man ganz verzichten.
Die holländischen Verwaltungen der staatlichen Cbinacnlturen unterscheiden
wegen der Fnzuverlässigkeit der allgemeinen Merkmale gar keine Handelssorten
mehr, sondern geben jeder grösseren Sendung eine Analyse und eine Notiz über
die Stammpflanzc bei. Diestm Princip hat sich auch die Ph. Germ. IT. angeschlossen,
indem dieselbe *.war eine Cincbona nominirt, den Hauptnachdruck aber auf die
Analyse legt. Die ostindisebe Verwaltung ist dem Beispiel der holländischen noch
nicht vollständig gefolgt. Sie unterscheidet auch noch Handelsforten (z. B. crown
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CHINARINDEN. 5>5
bark , red bark , yellow bark), wennschon auch von ihr oftmals die Staiumpflanze
angegeben wird.
Der Versuch, die Chinarinden nach anatomischen Merkmalen einzuteilen, ist oft
gemacht worden, derselbe ist im Einzelnen stets niisshiugen, denn so ausgeprägt der
anatomische Charakter der Cinchonenrinden gegenüber anderen Rinden selbst nahe
verwandter Pflanzen (z. B. der Remijien) ist, so sehr stimmen doch die Charaktere
derJÜnden unter einander überein, und wenn es auch extreme Fälle gibt, die sieh
unschwer unterscheiden lassen, 60 sind dieselben doch durch so zahlreiche Ueber-
gänge mit einander verbunden, dass selbst der geübteste Anatom schliesslich ver-
zweifelt das Unmögliche aufgibt. Der Versuch erscheint für einzelne Rinden und
Rindengruppen aber geradezu unsinnig , da wir wissen , dass nicht wenige der-
selben (besonders die braunen Chinarinden) nicht von einer, sondern von mehreren
Stammpflanzen kommen, also Gemenge verschiedener Rinden sind.
Nichtsdestoweniger soll auch im Folgenden der Versuch gemacht werden, die
anatomischen Merkmale zur Charakteristik mit herbeizuziehen, weil sie wenigstens
Anhaltspunkte zur Bestimmung bieten. Unter diesem Gesichtspunkte allein
sind die nachfolgenden Tabellen zu berücksichtigen.
Die alte FLi CKiGER'sche Eintheilung der . Cinchonenrinden , wesentlich auf
anatomische Merkmale basirt, ist folgende :
I. Uastzellen, wenigstens in den mittleren und inneren Bastschiehten in unverkenn-
barer und vorherrschend tangentialer Anordnung.
A. Steinzellen fehlend oder spärlich.
Cinch. lutea. Gummiharzschläoche enger als der Durchmesser der meisten Bastzellen ; letztere
mehr vereinzelt, im Querdurchschnitte nbht radial gestreckt, ungleich, aber bis 0.180 mm dick.
Cinch. Urituainya. Gummiharzschläuche lange bleibend , oft weiter als die benachbarten
Bastzellen; letztere mehr in Gruppen, ziemlich gleich stark, bis O.O'b'mm dick. Vergl. ferner
diese üeber*icht unter III., D., a .
B. Steinzellen reichlich vorhanden.
Cinch. macrocali/x (nur Astrinden im Handel). , Gummiharzschläuche früh verschwindend.
Bastzellen zugleich auch in Ji — «1 fachen Radialreihen.
Cinch. pubescenf. Gummiharzschläuche lange bleibend. Bastzellen circa 0.2 mm dick und
durchschnittlich dicker als der längere Durchmesser der, bis ziemlich tief in den Bast vor-
dringenden, Steinzellen, in starke, kurze Bündel zusammengedrängt und von Stabzellen be-
gleitet.
IL Bastxellen, nicht entschieden tangential angeordnet, sondern hftnflg in Gruppen
oder zerstreut in In Gänsen vorherrschend radialer Anordnung.
A. Steinzellen fehlend oder spärlich.
a) Bastzellen, weder tangential, noch eigentlich radial geordnet, innen
in Gruppen, nach aussen sehr zerstreut. *
Cinch. hferophylla (nur Astrinden im Handel). Gummiharzschlänche (wo noch vorhanden)
in geringer Zahl und Grösse.
b) Bastzellen vorherrschend radial geordnet.
Cinch. micrantha. Gnmroiharzschläuche früh schwindend. Zellen des Parenchyms der Innen-
rinde in den äusseren Schichten oft sehr erweitert. Bastzellen von mittlerer Dicke, bei alteren
Rinden immer in kleinen Gruppen.
c) Bastzellen mit Neigung zu tangentialer Anordnung.
Cinch. Chahuarguera (nur in Astrinden im Handel). Gummiharzschlaucbe früh schwindend.
Bastzellen etwa 0.06— O.l mm dick, innen in kleinen Gruppen.
B. Sttinzellen sehr reichlich vorhanden.
Cinch. laneifolia ((TJiina ßava ßbro*a ; gelbe oder gelbrüthliche Ast- und Stammrinden ).
Steinzellen gross, tangential gestreckt, anch im Baste vorhanden. Bruch langsplitterig : Bast-
zellen gleichmäßig , circa 0 05 bis 0.09mm dick, kleiner als die Steinzellen, von Stabzellen
begleitet und bald in kürzeren oder längeren Radialreihen, bald in kleineren Gruppen. Gummi-
harzschläuche fehlen der last immer erhaltenen Mittelrinde,
Cinch. cordifolia. Hellgelblich-zimmtfarben , grobsplitterig brechend, ohne Gummiharz-
schläucbe.
III. Bastzellen in radialen, aber oft völlig aufgelösten Reiben, seltener in Gruppen.
A. Rinden von rother Färbung.
Cinch. succirubra (China rubra dura, Ast- und Stammrinde). Bastzellen bei Behandlung
mit Alkalien sich roth violett färbend, etwa 0.03 mm dick ; Gnmmihajzschlämhe lanpe erhalten
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20 CHINARINDEN.
und sehr weit ; Steinzellen fehlend ; Zellen der Baststrablen und des Bastparenchyms ungefähr
gleich gross. Astrinden mit hellem Korke bedeckt; Stamnirinden mit harter, brnuurother,
stellenweise noch weiblicher Borke.
Cinch. coccima? China rubra xuberosa'. Bastzellen wie bei Cinch. succirubra. Gummi-
harzsrhläuche fehlen; Baststrahlen auffallend breit, an Grosse die einzelnen Zellen des Bast-
parenchyms weit tibertreffend.
B. Rinden von bräunlioher bis gelbröthllcher Färbung.
Cinch. pitayennis. Meist kurze Stücke flacher, dicker Rinden oder dünne, verbogene, kleine
Bruchstücke, seltener Röhren. Bastzcllen dünn, sehr zerstreut, wenig vortreteud, nicht stecnend.
Bruch kurz. Mittelrinde meist noch erhalteu. Steinzellen fast stets fehlend, jedenfalls nicht
sehr dickwandig. Gummiharzschläuchc nur in den dünnsten Rinden nachweisbar.
C. Gelbe Rinden.
Cinch. cordifoUa (China flava dura laecis). Mittelriude lange bleibend, eigentliche
Borke nicht bemerkbar, vielleicht überhaupt nicht vorkommend. Kork gclblichweisslich. Gummi-
harzschläuche fehlend. Steinzellen fehlend oder nur an der Grenze dos Korke« Bnstzelleu sehr
ungleich, oft sehr 9tark, oft nicht aneinander schliessend, in unterbrochenen Radialrciben oder
auch da und dort kleine Gruppen bildend.
Cinch. Cali&aya (China reyia), und zwar:
a) Mittel rinde erhalten:
China n;/ia lubnlata. Mit granlicher, gefelderter Borke bedeckte Röhren; Kork nur
stellenweise abgeworfen; Steinzeiten fehlen; Gummiharzschlänehe ansehnlich.
China reaia bolicirma. Bünne, meist flache Stücke mit Borkegruben : Kork abgeworfen;
Steinzellen gewöhnlich fehlend, stellenweise aber doch ausgebildet; Gummiharzschlauche sehr
weit, mit unbewaffnetem Auge erkennbar: Bruch etwas derb und langsplitterig.
bi Reine Bastplatten mit ausgezeichneten, muscheligen Borkegruben.
China rvyiu plana. Bis 15 mm dicke, flache, mürbe Stücke.
D. Rinden von gelblicher, jedenfalls nicht in's Röthüche oder in'« Bräunliche spielender
Farbe.
a Steinzellen fehlen oder spärlich.
Cinch. ( 'undawinta. Gummiharz3chlauche enger als die benachbarten Zellen und früher ver-
schwindend. Bastzellen radial angeordnet.
Cinch. Critusinya, vergl. ferner diese Uebersicht unter I., A.). Bastzellen in den inneren
Lagen tangential angeordnet.
b) Steinzellen reichlich vorhanden.
Cinch. umbellifera (Astrinden). Gummiharzschlänche im längeren Querdnrchmesser über
0.2 mm erreichend ; Steinzellen sehr verschieden . die grössten durchschnittlich enger als die
Gummiharzschläuche, aber weiter als die Bastzellen; letztere nicht in Gruppen, höchstens
(wenigstens in den Astrinden) zu 2—3 penähert, von Stabzellen begleitet. Auf dem Brache
erscheint nebst den zahlreichen weiten Har^schläuchen ein „Harzring".
Cinch. nitida (China Pseudo-Loxa , Astrindeu). Gummiharzsehläuche ? Bastzellen zu
Gruppenbildung und einigermaßen tangentialer Anordnung hinneigend. Kein „Harzring".
IT. Bastzellen In Radialreihen, nieht in Gruppen.
Cinch. ncrobicnlata. Astrinden mit hellem Korke und ziemlich lange bleibender Mittelrinde
mit Steinzellen und Gummiharzschläuchen. Stammrinden der flachen Calisaynrinde ähulich,
durch schwachen Stich in 's Röthüche. sowie durch langfaserigen, derberen Bruch verschieden.
Eine »ehr brauchbare Uebersicht zur mikroskopischen Bestimmung
der wichtigsten Chinarinden gab Vogl :
A. Bedeckte R luden.
1. Bastzellen vorwiegend in starken radial und tangential geordneten
G ruppen.
a Zahlreiche Steinzellen in der Mittelrinde und in der Aussenschicht der Innenrinde.
f In der Mittelrinde die Stein- I Stabzellen im Bast. Cinchonu latvifalia Var.
zelleu vorherrschend. Milch- | Keine Stabzollen. C. lucumaefolia.
Steinen ^ der^MiUelrinde f Bwtfasern in sehr ausgezeichnet isolirten Bündeln.
nkht i^S^L EnBe I Bork.. r«S«i'«Iet»t in Reihen aufgelöst C. Palton.
b) In der Mittelrinde und in der Aussenschicht der Innenrinde keine oder nur vereinzelte
Steiuzellen.
^0^UenWn^S,?°f!^ 1 .«tabaellen vorhanden. C. P,hu,li„na.
XL It f TT I ^abzellen fehlen. C P„},,^n,
lend oder meist enge. I 1
Bastzellen mitteldick. C. obtutifolia.
Bastzcllen dünn. Keine Milchsaftgetässe. C. Chahuaroucra.
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CHINARINDEN.
27
mi. Hastzelleu vorwiegend in radialen Reihen.
n) Keine Milchsaftgefasse.
Bastzellen dünn, ziemlich gleich dick in stark unterbrochenen radialen Reihen. C. Pitatjenxi*.
(Nehonmarkstrahlen nicht grosszellig. In der Regel keino Stabzellen.
('. micruntha.
Mittelrinde ohne oder mit einzelnen
Nebenmarkstrahlen grosszellig,
Stabzclleu meist vorhanden.
Bastzellen
Steinzellen. C, cordifolia.
Mittelrinde vorwaltend aus Stein-
zellen bestehend. C. lancifvlia.
Enge Milch-
saftgefäße
Weite Milch
&aftge fasse
b) Milchsaft gefässe vorhanden.
-f- Mittelrinde mit zahlreichen Steinzellen.
»„ ( Zum Theil in ununterbrochenen radialen Einzel- und Donpclreihen. Stab-
xvastzeiien uunn 1 ,, , . , . **
oder Mehr dünn «eilen. < ■ srrobtculata.
' i In unterbrochenen radialen Reihen. Keine Stabzellen. C «rata.
Bast Zeilen mitteldick. Besonders weite Milchsaftgefass* in der Mittelrinde und »ehr viele
Steinzellen. Stabzellen im Bast. C. Peruriana.
-f-+ Mittelrinde ohne oder nur mit vereinzelten Stoinzellen.
Bastzellen mitteldick, j ln mittleren Region des Bastes mit Zonenbildung,
die äußersten dünner, j 0bn." Z^ne.MMld^. C h«<roPh,ßla .
Bastzellen dick, die äusscrsten dicker. C. Tncujenvi«.
Bastzellen »ehr dünn, zum Theil in ununterbrochenen radialen Einzel- und Doppel-
reihen. C acrobiculata.
Mit Kalilauge geben Rindenschnitte eine blutrothe
Lösung. Bastzellen orange. ('. succirubra.
Schnitte geben mi^Kalilauge eine gelb- oder rothbraune
Lösung. Rastzcllen gelb. C. Calittaya.
B. ünbedeekte Rinden.
Bastzellen iu tangentialen Bündeln, mitteldick. Weiche, sehr mürbe faserige Rinde.
C. lucnmaefolitt.
( In Doppelreihen. In den noch anhaftenden Borken-
Dünn oder sehr dünn | resten. wohl erhaltene weite Milchsaftgefässe und
zum grossen Theil in ) zahlreiche Steinzellen. Brach langsplitterig bis
Bast zellen mitteldick
in unterbrochenen ra-
dialen Reihen.
Bastzellen
ausschliesslich
oder
vorwaltend in
radialen
Reihen.
Mitteldick in unter-
brochenen einfachen
Reihen. Hruch kurz-
splitterig.
unterbrochenen faserig. C. scrobiculata.
In Einzelreihen. Stoinzellen fehlend. Bruch kurz-
splitterig. C. austrat i«.
Hastzellen ziemlich gleich dick. Nebenmarkstrahlen
nicht hervortretend. Hruch glassplitterig.
. C. Calisaya.
Nebenmarkstrahlen grosszellig
Bastzellen un- C. Uritutinya.
gleich dick. Nebenmarkstrahlen nicht gross-
zellig. C. micruntha.
Auf morphologischen Merkmalen beruht die Eintheilung Berg's:
I. Röhren oder Halbröhren, aussen ireisslicb, grau, granbraun, braun, aussen zart-
rissig, Innen rothbraun, im Bruch aussen eben, innen kurzsplitterig. China
fusca 8. y rise a.
A. Rinden mit einem dunklen Harzring unter dem Peride rm.
1. Rohren meist mit weisslichem Ueberzuge , mit vor-
waltenden Längsfurchen . . China Huanoca.
2. Köhren aussen vorwaltend grau , mit entfernten , fast
ringförmigen ({uerrissen China Loxa.
B. Rinden ohne Harzring unter dem Peridern.
1. Röhren, schuppigrunzlig, vorwaltend schwarz . . . China Pseudoloxa.
2. Röhren, rein leberbraun, mit vorwaltenden Längsfurchen
und Korkwarzen China HuamaUea.
3. Rohren . fast eben , aussen Mass , im Bruch grob-
splitterig China Jacn pallida.
II. Röhren oder Platten, innen gelb oder orangegelb, Im Bruch faserig oder
splitterig. Ch i n a fl a v a r. a u r a n t i a c a.
A. Bruch kurz und glassplitterig.
1. Röhrrn, Borke spröde, geschichtet, meist quadratisch
gefeldert • China- t'uli*atja convohda.
2. Platten, Borkensehuppen gelb, geschichtet.
a) Borkengruben regelmassig oder undeutlich . . China Calisaya plana.
b) Borkengruben unregelmässig China Calisaya tnorada.
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28
CHINARINDEN.
B. Bruch kurz und dünnsplitterig.
1. Borke geschichtet, schwammig China Pitaya de Buennr-rntura.
2. Kork dick, weich . . China Pitaya de Saranilla^
3. Kork dünn, weich, gelblichweiss China flava dura lato*.
C. Bruch grobsplitterig, Kork dünn, weit«. gelblichweiss, mit Korkwarxen.
1. Bast ockergelb China flava dura subei-uxa.
2. Bast zimmtfarl>en China Cuttco.
0. Bruch langsplitterig.
1. Borke, dünn, spröde, hart, rissig; Bast braunroth . . China Caliuaya flhrosa.
2. Kork weich, blass ockergelb bis silberweiss.
<i Mast ockergell) ( 'hina flava flbrosa.
b Bast roth China rubiyinosa.
III. Röhren , Halbröhren , seltener Platten von tief brannrother Farbe , im Brach
langsplitterig-. China rubra.
A. Kork weich, schwammig, rothbraun, warzig . . . China rubra suberona.
B. Borke hart, spröde, längsrissig, warzig .... China rubra dura.
Im Habitus und den Farben sehr getreu sind die südamerikanischen China-
rinden in Drlondre und Bouchardat's Quinologie und bei Wehdem, abgebildet.
Moens gibt (Kinacultuurj photographische Bilder der javanischen Rinden. Dei.oxdre
und Bouchardat theilen die Chinarinden nach Ländern folgendermassen ein :
Gute Chinarinden.
Bolivia: Qninquina calisaya plat, sans epidenne. Qninquina calisaya roule, ayec »'piderme.
Peru: Quinquina carabaya avec et sans i-piderme. Qninquina carabaya rouge de Cuzco. avec
et sans epiderme. Quinquina huanueo plat, Hans epiderme. (Quinquina hnanueo jaune pale. (Qnin-
qnina huanueo ronlö, avec epiderme. Qninqnina de Jaen.
Ecuador: Qninquina rouge vif. Quinquina rouge pale. Qninquina gris fin de Loxa.
Quinqnina gris fin Condaniinea. Qninquina jaune de Quayaquil.
Neu - Granada : Qninquina calisaya de Santa-Fe de Bogota. Quinqina janne orange, ronlc.
Qninquina pitayo. Qninquina Carlhageue ligneux. (Qninqnina janne orange de Mutis. Qninquina
rouge de Mutis. Quinquina jaune de Mutis. Qninquina Carthagene ros... (Qninquina Maraoaibo.
Chinarinden geringerer Qualität.
Peru: Qninquina jaune de Cuzco. Quinquina bmn de Cuzco.
Ecuador: Quinquina gris de Quito.
Küste von Afrika: Qninquina des iles de Lagos.
Neu -Granada: (Qninquina rouge pale. Quinquina blanc.
Falsche Chinarinden.
Neu-Granada: Hcon^a rouge» brun«.
Brasilien: Petitos «corces rouge». Petites ecorces blanches.
Neu-Granada: Ecorces rouges sans epidermes (quina nova).
Argentinische Ii «publik: Ecorces rouges avec «piderme.
Doch sei alsbald an dieser Stelle erwähnt, dass der Grosshandel schon längst
nicht mehr so viele Sorten keunt.
Wenn man von den einzelnen Handelssorten absieht, so kann man unterscheiden:
Stammrinden, Zweigrinden, Wurzelrinden und bei der Culturchina
noch sogenannte erncuerteRinden (Renewed bark). Seit tnan auf den Unter-
schied im Alkaloidgehalte zwischen den 4 Sorten aufmerksam wurde, kommen die-
selben wenigstens aus den indischen und javanischen Culturen, deren Rinden in allen
obigen Tabellen noch fehlen, gesondert in den Handel. Stamm- und Zweigrinden
werden bei den einzelnen Sorten unten beschrieben werden.
Die Wurzelrinden der Culturchina kommen nur zur Chininfabrikation
in den Handel. Sie bilden in allen mir vorliegenden Proben (von Calisaya, Led-
geriana, anglica, javaniea, Schuhkraft, sueeirubra, officinalis) kurze, nnregelmässig
gewundene Platten oder Halbröhren, mit starker, meist warziger Borke. Der Chinin-
gehalt ist hoch (bei Ledgeriana z. B. 5 Procent).
Die gleichfalls nur in die Chininfabriken wandernden Renewed barks
zeichnen sich im Gegensatz hierzu durch eine stark verminderte Korkbildung aus,
die in dem Verfahren (s. oben) begründet ist. Kine mir vorliegende erneuerte
Rinde von Ledgeriana besitzt beispielsweise eine völlig glatte Rinde, weder Runzeln
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CHINARINDEN. 29
*
noch Leisten. Doch finden sich auch bisweilen korkbedeckte Stücke unter dieser
Sorte. Sie pflegt chininreicher als die ursprüngliche Stammrinde zu sein (s. oben).
Nicht selten weicht auch die erneuerte Rinde so sehr von der ursprünglichen ab,
dass man die Rinde einer ganz anderen Cinchone vor Bich zu haben glaubt.
Im Folgenden werden dio Handelssorten pharm akognostisch beschrieben, obgleich
scharfe Tnterschiede immerhin selten sind, und sich vorwiegend nur bei den
Stamm rinden finden. „Hat man es aber , " sagt Moexs , der Director der
Gouverucuients-Kina-Onderueming in Java, „mit jungen, unreifen Rinden zu thun,
so wird die Sache schwieriger und ich bekenne gern, dass ich nicht im Stande
bin, z. B. Ledgeriana und Succirubra-Rinden von einander zu unterscheiden, und
*o ist es mit den meisten/4
Die Handelssorten.
Im Allgemeinen lassen sich drei grosse Gruppen unterscheiden:
I. Die südamerikanischen Chinarinden: a) die echten, b) die falschen.
II. Die Rinden der Colonien (besonders Java, Ostindien, Ceylon).
III. Die China cuprea.
I >ie Händler unterscheiden nur M e d i c i n a I- oder Drogisten- und Fabrik-
rinden. Letztere wandern direct in die Chinin-Fabriken, erstcre sind die aus-
gelescnen besten und ansehnlichsten Stücke der Droge. Die Fabrikrinden sind
meist sehr unansehnlich. Ein weiterer Unterschied besteht zwischen beiden nicht.
Im Allgemeinen sieht mau bei den Fabrikrinden auf hohen Chiningehalt und
leichte Gewinnung desselben, bei den Drogistenrinden auf schönes Aussehen.
Da man aber die Chinarinden seit lange gewöhnt ist, nach ihrer Farbe in
folgende drei Gruppen zu trennen :
A. Gelbe Chinarinden,
B. Braune Chinarinden,
V. Rothe Chinarinden,
soll an dieser Einteilung auch hier festgehalten werden, so wenig dieselbe auch
selbst für Rinden derselben Pflanze, aber in verschiedenen Altersstadien, absolut
coustant ist. Immerbin ist sie die einzige noch, die durchführbar ist.
A. Gelbe oder orangegelbe (oder Bolivia-) Chinarinden*), Cortice»
Chinae flavi s, aurantiaci.
Die zu dieser Abtheilung gehörenden Rinden sind meistens dicke Rinden dea
Stammes, selten die stärkerer Aeste.
Sie haben eine ockergelbe, hellzimmtbraune Farbe, bestehen entweder ausschliess-
lich (die unbedeckten, d. h. geschälten) oder doch vorwiegend (die bedeckten, d. h.
ungeschälten) aus der Innenrinde und haben eine grobfaserige oder splitterige
Textur. Sic schmecken mehr bitter als adstringirend und enthalten vorwiegend
Chinin.
1. Königschina, China Calisaya, China regia. Röhren mit spröder,
dunkelfarbiger, tiefrissiger Borke oder flache Stücke von Borke befreit, aber mit
flachen Borkegruben (conchas) versehen. Calisaya ist der Name der Provinz, welche
die Rinde früher ausschliesslich lieferte.
a) Echte Calisayachina, echte Königschina, Cincliona flava, Gort. Cinch.
flavus, Quina Calisaya seu amarüla in allen Pharmakopoen, doch meist neben
anderen Sorten (nur die Ph. Norv. und Suee. verlangen diese Sorte allein), von
Cinchona Calisaya Weddell in Südperu und Bolivia und von den in Java und
Indien cultivirten Varietäten, bezw. Hybriden der Calisaya: C. Ledgeriana,
javanica, Schuhkraftiana f= Josephiana), Hasskarliana, Mac Ivoriana, anrjlica
(Coh'myo x surcirt(/>ra) u. A., hart, dicht, schwer, zimmtbraun, im Bruch kurz
und Klassplitterig.
*) Hei «Ion cinzelueu Rindensorten sind die Tabellen auf r^r- 25 — 28 *» vergleichen.
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30
CHINARINDEN.
Sie kommt in zwei Sorten vor :
7.) Cort. Chinae r pqius ronoolui .v, China Calisaya cum rpideemide,
C. tectn s. tubidata, gerollte oder bedeckte Königschina. Quinquina Calisaya roul6,
Quill. Calisaya au« Bolivia. Vollständige Zweigrinden in K> — 25 cm langen,
1 — 2.5cm breiten, 1 — 6mm (oder dickerem Köhren, die meisten« von beiden
Rändern her eingerollt sind (Doppelröhren), aussen dunkelgraubraun (wenn die
äusserste Schicht fehlt) oder gleichmassig weisglich mit groben unregelmäßigen
Längsleisten und Furchen , die im Ganzen übereinstimmend gerichtet sind und
von zahlreichen tiefen, oft ringsum laufenden Querrissen gekreuzt werden. Durch
diese Furchen und Risse entsteheu Felder mit aufgeworfenen Rändern und gewöhn-
lich etwas feiner gefurchter Fläche, welche leicht abspringen und auf der Ober-
fläche der zimmtbraunen inneren Kinde ihre Umrisse noch erkennen lassen
( Fli ckiger). Die Innenfläche ist bramigelblieh, durch die hellen Bastfasern genau
vertical gestreift, der Brach ist rein faserig, aussen dunkler und relativ glatter.
Im anatomischen Bau nach Typus A i Wioaxdi. In der Mittelrinde keine "oder
wenige Scleröiden i Steinzellen), bei den jüngeren Rinden an der Grenze der Innen-
rinde ein doppelter Kranz von ovalen Saftsckläucheu. Von Aussen nach Innen
nehmen die Bastzellen an Dicke zu. Krystallzellen fehlen. Die breiteren Mark-
strahlen 3 — 4 Zellen breit. Die Borke ist abwechselnd hell (Rindenparenchym) und
dunkel (Korki geschichtet.
Unter der Bezeichnung „Cnbiuetstüeke" siud bisweilen bei den DrngiKten-Hinden zu finden,
die keine regelmässig quadratischen Itorkesehuppeu besitzen und deren Itorkc überwiegend ans
im Querschnitte harzigem Kork besteht.
Die mir vorliegenden trefflichen Stücke bedeckter Calisaya sind namentlich
durch tiefe Querrisse, die oft über die Hälfte der Rinde fast genau horizontal
verlaufen, eine fast grau weisse Oberflächenfarbe und sehr reichliche Flechten (ich
zähle 5 Arten !) ausgezeichnet.
Gehk sandte mir dagegen als China regia cum epidermide Stücke, die zur
Zeit die Handelssorte bilden, die der obigen Beschreibung entsprechen, aber ausser-
ordentlich zahlreiche Querrisse besitzen. In meiner Sammlung besitze ich auch
bedeckte Eönigschina in fiacheu gelben Stammstücken.
Nach Mittheilung Leichsenrixh':; soll augenblicklich wenig oder gar keine Calisaya
von wildwachsenden Bäumen aus Bolivien exportirt werden. Nach diesem
Gewährsmann stammt alle bolivianische Calisaya aus Culturen. (Er schätzt die
Zahl der angepflanzten Bäume auf 5 — 0 Millionen.; DasB alle Calisaya ausgerottet
sei, erscheint mir jedoch sehr fraglich.
Cultivirte bedeckte Ca lisaya kommt aus Bolivien, jedoch unter diesem
Namen augenblicklich erst in kleiner, aber stetig steigender Menge nach London.
Auf der südamerikanischen Ausstellung in Berlin sah ich vortreffliche chinin
reiche Astrinden daher, die nach Angabe Leicbsenring's bis 6.05 Procent Chinin
enthalten sollen (s. unten).
Reichardt faud vor läugerer Zeit in Röhrencalisaya 0.60 Procent Chinin und
0.33 Procent Cinchonin, im Mittel vieler Untersuchungen 1.1 Proeeut Chinin und
0.42 Procent Cinchonin.
I lierher gehört auch die Königschina der (indischen und) javanischen
Culturen, die von der nächst der Mac Ivon'ana) werthvollsten aller
Cinchonen, der Cinchona Calisaya Ledyniana i unregelmäßige Hybride: Cinchona
Calisaya x miernntha Kimtze), in geringerer Menge von C. Calisaya, Josejthiana
(Schuft kraft), Hasskarliana, auglica und anderen Calisayen stammt. Auch C.
carahayensis W*id. liefert diese Rinde. Dieselbe kommt in Ballen und Kisten
fast ausschliesslich nach Amsterdam.
Diese Cttlturrinden bilden ein oder mehrfach zusammengerollte Röhren mit grau-
weisseni tiefris.sijrem iVridcrm . worauf sich oft noch Reste von Flechten finden.
Die Länge ist sehr verschieden, durchschnittlich 15— 45 cm, ihr Durchmesser be-
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CHINARINDEN.
3t
trft^rt 1 — 5 cm, die Dicke der Rinde 1.5 — 3 mm. Der Kork ist grauweiss , von
Längs- und Querrissen von etwa 25 mm Abstand durchzogen mit unregelmässigen
Maschen. Innen ist die Rinde zinimtbraun, durch die Bastfasern fein gestreift. Die
mir vorliegenden Stücke zeigen ausgeprägten Calisayacbarakter : Tiefe horizontal
über mehr als die Hälfte, verlaufende Querrisse (nach Moexs' Abbildungen hat
C. Josephiana die breitesten und tiefsten), schwache Längsrunzeln, weisse Kork-
tleeken von großer Ausdehnung, Innenseite glatt, feingestreift, Dicke der Rinde
3mm, Durchmesser der Röhren 2 — 2.5 cm. der Querbrueh innen faserig, nach
aussen mehr gleichförmig. Doch gibt es hiervon auch Abweichungen. So liegt mir
z. Fi. eine (von Gehe stammende) .lava-Calisaya mit starken Längarunzeln vor.
Im Folgenden gebe ich eine kurze Charakteristik der besonder* für die Chinin-
fabrikation zur Zeit i 1 88f> ) wichtigsten J a v a - C a I i s a y a r i n d e n, die ich Herrn
Wkllkr verdanke.
* ) ('. Calisaya vor. L ? d tj >' r i a n a , Stamm rinde. Doppelt eingerollte
Röhren von. 1.5 cm Durchmesser. Tiefe Qiierrisse, schwache Längarunzeln (Calisaya-
cbarakter). Aussen vorwiegend grauweiss, Chinin 5.1» Procent. Eine zweite Probe
4.4 Proeent.
Stammrinde, erneuert. Korkbedeckung ganz glatt, ohne alle Runzeln
oder Risse. Aussen graubraun. In Röhren und Platten, Chinin 2.5 Procent.
Zweigrinde. Röhren von lern Durchmesser. Aussen graubraun mit starken
reinbraunen, nicht sehr langen Längsrnnzeln, Chinin 2.2 Proeent.
Wurzel rinde. Unregelraäasige, verbogene Platten und Halbröhren von sehr
ungleicher Läuge und Breite. Dicke der Rinden Substanz etwa 2 mm. Farbe dunkel-
braun. Aussen mit sehr zahlreichen warzigen oder leistenförmigen Korkhöckerehen
besetzt.
**i C Calisaya Sch ah k ra ft. Stammrinde. Sehr harte Röhren von
2.5 cm Durchmesser und 5 mm Dicke der Rinde. Aussen grau bis graubraun,
gran weiss roarmorirt, unregelmässig feinrunzelig, mit tiefen und breiten Querrissen.
Kork da und dort abgesprungen. Innenfläche schön rothbraun. Chinin O.'J Procent.
Zweigrinde. Meist doppelt eingerollte Röhren von 1 cm Durchmesser, aussen
grau, fein längsrunzlig und schwach warzig. Kork sehr leicht abblätternd, Chinin
0.5 Proeent.
Wurzelrinde, l'nregelmässige , verbogene, grobrunzelige Stücke. Chinin
0.8 Proeent.
C. Cal is aya bezeichnet : javaniea. 8 1 a m m r i u d e. Röhren von über
2 cm Durchmesser mit starken Längsrunzeln, tiefen Qnerrissen, grossen rundlichen
weissen Flecken. Flechten. Chinin 1 Procent.
Zweigrinde. Dünne Röhren, zum Theil von dem grauweissen Kork befreit,
dann rothbraun» Schwache Längsrnnzeln, tiefe Querrisse. Chinin 0.3 Procent.
Wurzel rinde, Unregelmässige Platten oder Röhren mit dicker, oft schwam-
miger Borke. Chinin 1.7 Procent.
Die als C. Calisaya anylira im Handel bezeichnete Rinde von C. Galt-
»aya x succirubra entspricht dem Calisayatypns, von dem , wie man sieht, sieh
die Schuhkraftiana weit entfernt.
Nach Jobst'ö früheren Angaben waren enthalten in Java Calisaya 3.39,
Hasskarliana 2.52, Pahudiana 2.07 Procent Alkaloid.
Die Zweigrinden sehen unseren sogenannten braunen Rinden nicht unähnlich.
Von Java wurden 1885 exportirt Colli : 100000 Succirubra, 350000 Ledgeriana,
140000 Schuhkraft, 73000 Oftlcinalis, die Zahl der Bäume betrug circa 4 Millionen.
Von ostindischer Calisaya und Ledgeriana stehen mir leider nur
Chips und shavings zur Verfügung, kleine Abschabsei, die eine Beschreibung nicht
zulassen. — Sie enthält: Ceylon Stem shavings 1.1 Procent, Renewed chips
4.8 Procent Chinin ; Ledgeriana chips 2 — 1.5 Procent Chinin (Weller).
BroüOHTON gibt den Cehalt auf 3.1) — 5.30 Procent Alkaloid, mit 1.02 — 4.18
Prozent Chinin an.
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CHINARINDEN.
Culturcalisaya aus Bolivien ist zur Zeit noch kein grosser Handels-
artikel, dessen Bedeutung jedoch von Jahr zu Jahr wachst. Besonders zur Chinin-
fabrikation wird sie schon jetzt viel verwendet. Die mir vorliegenden Proben
Bolivianische Stammrinde (aus der Z i m m e r'schen Chininfabrik) bilden
bis 2cm starke, doppeltgerollte Köhren, mit deutlichen breitön Querrissen und
zahlreichen breiten, aber flachen Lüugsrunzeln. Aussen graubraun, innen braun,
Chinin 4.5 Procent.
Die bolivianische Astrinde, die auf der südamerikanischen Ausstellung in Berün
vertreten war, bildete bis 50 cm lange und 5cm breite, dabei verhältuissmäsaig
dünne (2 mm), meist doppelt eingerollte schöne Röhren, die zum Theil 15 cm breite
Rindenstreifen repräseutiren. Aussen grau bis graubraun mit auffallend grossen
weissen Fleckeu , schwachen Läugsruuzelu und den charakteristischen , hier aber
ziemlieh unregelmäßig verlaufenden Querrissen. Besonders charakteristisch für
dieselbe scheint es zu sein, dass sieb der papierdünne Kork leicht von der Riude
abblättern lässt. Die dann auf weiten Strecken zu Tage tretende Mittelrinde ist
reinbraun und zeigt zahlreiche Lftngsrunzeln. Die Angaben Lkicdsenrixg's Uber
den Chiuingehalt besagen, dass die.se Culturrinden zwischen 0.48 und G.65 Procent
Chiniu und zwischen 0.21 und 2.53 Procent Cinchouin enthalten.
In J amaica-Cult urcalisaya fand DB Vrij 2.75 Proeent Alkaloide. In
Röunion-Calisaya Trouette 4.38 Proceut. (Auf Jamaica cultivirt man ausserdem:
C. Pahudiana (0.95 Proeent Chinin), C. ofjicinalis, succirubra und micrnntJiay
auf Reunion C. officinalis und succirubra.) — Die mittelamerikanischen Rinden
werden nicht gelobt (Bo bring er).
Beide bedeckten Chinarinden, die südamerikanischen und die Culturrinden,
zeigeu schon üebergänge zu den braunen Rinden. Ihren charakteristischen Aus-
druck finden die gelben Rinden in
,i) Cort. Chinae Calisayae 8. regiua planus, China regia plana s.
tiuda, CK. reg. sine epidermide, flache, platte, unbedeckte Königschina, Calisaya
plat, Fiat Calisaya. Cort. Ckin Monopol*.
Bildet bis 50 cm lange (meist kürzere [20 cm] übrigens erheblich variirende)
bis 20 cm breite und 5 — 15 (30) mm dicke, flache oder nur sehr wenig rinnen-
artig gebogene, der Regel nach vou der Borke völlig befreite Stücke von gleich-
mässig, lebhaft hell-gelblichbrauuer , ceylonziinmtartiger Farbe, kaum mit einem
Stich in's Gelbröthliche. Sie ist eine Stammrinde und stammt von älteren 8tämmen.
Die Oberfläche ist häufig durch Verwitterung, wenigstens stellenweise, dunkler. Sie
ist mehr oder weniger, oftmals sehr stark durch die muldenförmigen scharf randigen
Einbuchtungen der entfernten Borke (Conchas) uneben.
Die (in Folge hervortretender Bastzellon) schimmernde Innenfläche ist nicht, wie
bei den Astriuden, parallel, sondern oft wellenförmig gestreift. *Das ganze Gewebe,
besonders die Iunenrindo, ist sehr mürbe, schon mit dem Fingernagel kann man
leicht Stücke loslösen. Prüft man die abgekratzten kurzen, dickfaserigen Abschabsei
mit dem Mikroskop, so sieht man, dass sie aus Bastzellen und Bastzellgruppen
mit anhängenden Phloeratheilen bestehen.
Au den Rändern der Conchas sind bisweilen noch kleine Partien der Borke er-
halten. Dieselben lassen sich leicht ablösen. Fast die ganze Handelsrinde besteht
aus der Innenrinde, nur in den äussersten Partien sind Korkbänder wahrzunehmen.
Die dicken, kurzen, gelben, spröden und glänzenden Bastzellen, meist einzeln oder
(seltener) in wenig gliederigen Gruppen (2 — 4) sind ziemlich zerstreut, bald mehr,
bald weniger deutlich radial-strahlig angeordnet. Typus A (Wigand). Die innersten
Partien sind am reichsten an Bastfasern. Im Lflngsvorlauf sind oft mehrere an-
einander gefügt.
Wo Borke vorhanden ist. besteht sie aus schwarzbraunen, tafelförmigen, dünn-
wandigen Peridermstreifen und schlaffem, braunem, abgestorbenem Rindenparcnehym.
Die bolivianische China fand verhältnismässig spät ' in den Zwanziger-Jahren dieses
Jahrhunderts) die verdiente Beachtung, wurde dann aber nach Möglichkeit forcirt.
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CHINARINDEN.
33
Trotzdem betrug das grösste aus Bolivia exportirte Jahresquantuni nur 20000
Centner. Sie war ehedem die bei Weitem geschätzteste, jetzt ist Bie mit stark
vermindertem Alkaloidgehalt in den Handel gekommen und wird daher mehr und
mehr von der Culturchina verdrängt.
Neuerdinga findet sich im Handel auch eine Rinde, die sehr unsorgfältig ge-
schalt ist und Conchas nicht oder undeutlich erkennen lässt. Ehedem betrachtete
man das Vorhandensein derselben nicht mit Unrecht als ein Zeichen guter Waare.
Sie kommt in Serronen oder Trommeln aus Arica (seltener Cobija) in den Handel,
in trefflicher Qualität ist sie selten geworden (Gehe).
Man unterschied im Handel die bolivianische und die peruanische
Königschina. Die peruanische ist im Allgemeinen heller, im Bruch lockerer,
splitterig und mit den Ueberresten der Borko versehen. Die bolivianische
oder Bolivia-Monopolchina in grossen, schönen und gleichmässig der Borko
beraubten Platten war früher die beste südamerikanische Chinarinde, neben ihr
kommt eine, ebenfalls gute, in kleineren Stücken vor, doch geben die Ph. Germ. 1.,
Dan. und Russ. der ersteren den Vorzug.
Alle Pharmakopöen , welche unbedeckte Calisaya führen (mit Ausnahme der
Ph. Belg, und Graec.) , fordern die Abwesenheit der Borke , die Droge darf nur
aus der Innenrinde bestehen, die nach der Ph. Brit. 4.23 — 8.47 mm, nach der
Ph. Un. 8t. 4 — 10 mm, nach der Ph. Helv. 5 — 15 mm, nach der Ph. Austr., Dan.,
Germ. I.. Neerl. und Norv. 10 — 20 mm und nach der Ph. Rom. 20 mm dick sein soll.
Das Pulver ist hellzimmtbrauu.
Die flache China (Jä) wird von der Ph. Austr., Dan., Germ. I., Helv., Hung.,
Rom., Norv., Russ., Suec. ausschliesslich, von der Brit. vorzugsweise verlangt,
während die Ph. Belg., Brit., Gall., Graee., Neerl. und Un. St. neben der flachen
als gleichwertig auch die bedeckte, gerollte Calisaya als officinell führen (Hirsch).
Die Ph. Germ. H. führt zwar die Calisayarinde nicht namentlich auf, da sie
offenbar vornehmlich Culturchinarinden angewendet wissen will. Da sie jedoch den
Hauptnaebdruck auf den Alkaloidgehalt legt, so ist südamerikanische Caüsaya
ebenfalls zulässig, falls sie mindestens 3.5 Procent Alkaloide enthält.
Die Ph. Austr., Brit., Hung., Norv., Rom., Suec. fordern von der Calisaya
mindestens 2 Procent Alkaloide, 2.5 Procent ätherlösliche Alkaloide verlangt die
Ph. Russ., mindestens 2.5 — 3 Procent Chiuabasen die Ph. Dan., 1.875 Procent
Chinin die Ph. Gall.
Der Alkaloidgehalt der Königschina schwankte früher zwischen 1 und 4.5 Procent,
im Mittel betrug er 2.5 Procent. Darunter nimmt das Chinin die erste Stelle ein
(2 — 4 Procent), dann folgt Chinidin '0.6 Procent) und Cinchonin 0.4 Procent.
Die unbedeckte Calisaya ist angeblich cliininreicher als die bedeckte.
So fanden (vor längerer Zeit)
in der bedeckten in der unbedeckten
Reichardt . . Chinin 0.659 2.701
Dronke ... „ 0.124 2.968
Jetzt beträgt der Alkaloidgehalt der flachen Königschina selten über 1 Procent
(Hesse).
Da gehaltreiche Calisaya ahie. epidermtde jetzt schwer zu beschaffen ist (Gehe),
wird dieselbe immer mehr von Culturcalisaya und Succirubra verdrängt. Nach mir
gütigst von Gehe gemachten Angaben ist die zur Zeit im Handel befind-
liehe Calisaya sine epiderm., die für den Nordeu noch viel gefragt
wird, sehr alkaloidarm. Sie enthält 1.5 — 2 Procent ätherlösliches Alkaloid, aber
kein Chinin oder nur Spuren davon ! Darnach ist sie für uns so gut wie werthlos.
Der Alkaloidgehalt der cultivirten Calisaya ist viel höher; 13 und mehr Procent
Alkaloide, darunter bis 10 Procent Chinin, gehören jetzt schon nicht mehr
zu den Seltenheiten. So fanden in der javanischen Calisaya rar. Ledyeriana
Jobst 7.2 Procent Alkaloide, darunter 5.5 Procent Chinin, Mof.ns sogar 13.4 Procent,
Howard 11 Procent Alkaloid, darunter 10 Procent Chinin (s. auch pag. 19 — 21).
R^l-Eucyciop&die der ges. I'üarmadc. III. 3 jgjtj;
34
CHINARINDEN.
Das Lackmuspapier nur schwach röthendc Infusum (Ph. Graec.) soll bei ge-
nügender Concentration und filtrirt durch Zusatz von Katriumsulfat (in Folge Gyps-
ausscheidung) trübe werden (das Infus der braunen China nicht?).
Der kalt bereitete Auszug, der Calisayachina ist weingelb , das Decoct rothgelb,
trübt sich beim Erkalten milchig, wird durch verdünnte Säuren klar, gibt aber
nach und nach einen bräunlichen Bodensatz, filtrirt wird es von Leimlösung nicht
und von Brechweinstein kaum getrübt. Gerbsäure erzeugt einen weisslichgelben,
Eisensalze einen blassgrttnlichen Niederschlag.
C hina Calisaya morada, Ch ina boliviana , leichte Königschina von Cinclwna
boliviaua Wedd, Grosse , flache , dünne , leicht zerbrechliche , 4 mm dicke Stücke , der echten
Kfinigschina ähnlich , mit flachen und unregelmäßigen Conchas. Bastzellen in weniger unter-
brochenen Radialreihen. Alkaloidärmer. Verwechslung, beziehungsweise Vermischung der echten
Königschina, aber auch als solche ohne Bedeutung.
c) China Galisa ya fibrosa, China von Sa. Ana, Cascarilla de Sa. Ana,
von Cinchona scrobiculata Humb. et Bonpl. (und ovata R. et Pav.), einer süd-
peruanischen Art. Die dunkelzimmtbrannen, flachen Stücke mit dünner, minder tief
eingerissener Borke bedeckt, oder davon befreit und mit Conchas versehen, der
echten Königschina nicht unähnlich, durch besonders beim Befeuchten deutlich in's
Rötbliche fallende, oftmals sehr feurige Färbung, dichteres Gefüge (sie ist nicht
mürbe!) und fädigen, relativ langfaserigen Bruch von ihr unterschieden. Sie findet
sich auch in Röhren. Die Mittelrinde ist reich an Sclerelden. Jüngere Rinden ent-
halten Saftschläuche. Keine andere Cinchone besitzt einen so deutlich radial ge-
streiften Querschnitt (Typus B, Wigand). Die sehr zahlreichen, besonders in den
inneren Schichten vorherrschenden Bastzellen stehen der Regel nach in ein-
zeiligen Radialrcihen, die nur selten von Siebelemcnten unterbrochen werden.
Kommt über Arequipa, Islay, Arica in den Handel, ist alkaloidarm und kommt
allein oder mit echter Calisaya gemengt als Verfälschung derselben im Handel vor.
Besitzt keine Handelsbedeutung. Die anatomischen Merkmale reichen zur Unter-
scheidung aus.
Hierher gehören ferner:
ii. Cusvochina, Cascarilla colorada, Ecorce d'Arica, Cascarilla boba, Carua-Carua von
Cinchona Pelleteriana oder Cinchona pubescens rar, Pellet. Wedd. bei Cusco gesammelt. Flache
riunenförmige Stücke, Köhren oder Platten, 3 — 14 mm dick, stellenweise mit glimmerglänzenden,
gelbliohwcissen Ueberresten des Periderms bedeckt und hier und da mit kleinen runden Kork-
warzchen oder deren runden Vertiefungen versehen . Kork gelblichweiss, warzig, Bruch grob-
hplitterig bis grobfaserig . die l>edeckten Stücke ohne Querrisse. Anordnung der Bastzellen
nach Typus C (Wigaud). Enthält Aricin (Cuscocinchonin). Salpetersaure färbt dasselbe,
ebenso wie die Binde, grün. Au« Südperd. Ohne Bedeutung, auch arm an Alkaloiden (0.3 Procent
Chinin).
Cu Storni na ist z. Z. kein grosser Handelsartikel. Die Proben, die ich auf der süd-
amerikanischen Ausstellung sah, bildeten bis 70 cm lange und 3 cm breite, doppelt zusammen-
gerollte Röhren älterer Acstc. Ihre graue 01>crnaclic erscheint weiss gefleckt mit zahlreichen
langen und flachen Längsrunzeln, Querrisse fehlen. Die Innenseite ist dunkelbraun. Die Binde
gehört darnach zu den brauneu Riuden (s. d.).
3. China flava dura, am besten mit der nahe verwandten China flava fibrosa (6)
zu vereinigen, aussen ziemlich eben, mit dünnem, weichem Kork (meine Proben sind zum Theil
davon befreit) und fester, gelber, harzbrüchiger Innenrinde. Berg unterscheidet zwei Sorten:
a) China dura laevis s. yranatensis, von Cinchona cordifolia Mutis in Neu-Granada.
l>) China dura suberona s. peruviana, von Cinchona lutea Pav. und C. puhtscens Wedd.
in Peru, beide jetzt ohne Handelsbedeutung. Eine Sorte der flava dura stammt nach Karsten
von C. laneifolia Mutig.
4. China Pitaya, von Cinchona Condaminea var. pitayensis Wedd. ( C. pitayensis)
und vielleicht C. laneifolia Mulis aus Ecuador. Neu-Granada über Bonaventura. Bis 8 mm dicke,
rinnenformige Stücke mit schwammiger, ockerfarbener, bräunlich geschichteter, quadratisch
gefeldcrter, abblätternder Borke und zimiutfarbeuer. harter, dichter, unterseits fein gestreifter
Innenrinde. Bruch dünn und kurzsplitterig, nicht stechend. Früher wegen ihres auffallend hohen
Chiuingehaltes viel zur Chininfabrikation benutzt, jetzt ohne hervorragende Bandelsl^deutung.
Chinin circa 1.8 Procent (1.5—1.8 Procent [DelondreJ, 08 — 1.0 Procent Oinchonin).
In die Nähe dieser Binden gehören auch die China de Maracaibo (von Cinchona
tueujensi* Karst.), die leichte Calisaya, die röt bliche Calisaya, die Cascarilla
colorado de Cusco oder Carabaya oder rothe Cuscorinde (von C. purpurea, C. pubes-
etns var. ß purpur. Wedd., mit 1 — 1.2 Procent Chinin), die Porto Cabellorinde,
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CHINARINDEN.
35
China flava paraensis, flache Gnanucoch ina (0.1 Prooent Chinin) u. And. ans
Venezuela, Columbien u. a.
Von diesen fand sich 1886 Porto Cabello- und Maracaiborinde auf dem deutsehen
Markt, wegen geringerer Zufuhr zu steigenden Preisen (Gehe), so dass es an-
gezeigt scheint, diese
5. Col um bisehon Rinden kurz zu charakterisiren.
Mir liegen zwei nicht .sehr chininreiche Proben, die ich Gehe verdanke, vor.
a) Cort. Ckinae flavus Maracaibo, Quina amarilla, Marakaibochina,
von Cinchona tucujensls und cordifolia aus den Gebieten vom 8—10° n. B. in
den venczuelischen Auslaufern der östlichen Cordilleren (Gehk). Grosse flache oder
wenig gekrümmte ungeschälte Stammrinden , etwa 35 cm lang und 6 cm breit.
Dicke der Rindenraasse 7 mm. Aussen graugelb-ockergelb, mit zahlreichen feinen,
zarten und langen, bisweilen wellig verlaufenden Längsrunzeln (ohne Querrisse)
und grossen rundlichen oder unregelmässigen, weissen oder grauweissen Flecken,
innen gelbröthlich, unregelmässig längsfaserig, leicht zersplitternd. Sehr hart.
Bruch kurzsplitterig, fast körnig. Chiningehalt 0.1 Procent.
b) Cort. Chinae flav us Porto Cabello, Portocabcllochina von Cinchona
laneifolia. Kleincrc, von der Borke befreite, flache oder schwach gekrümmte
Stammrinden, etwa 20cm lang und 4cm breit. Dicke der Rindenmasse 5mm.
Aussen und innen hellgrau gelb röthlich. Aussen sehr zart längsrnnzlig , durch
zahlreiche Krystalle glitzernd, welches Glitzern auch auf der längsstreifigen Unter-
seite deutlich hervortritt. Mürbe. Bruch calisayaartig kurzsplitterig. Chiuingehalt
0.25 Procent.
Von 1870—1880 führte Columbien alljährlich 60—80000 Centner dieser Rinden
aus. Man cultivirt neuerdings dort ebonfalls. Der Grund, warum diese und die in
Bolivien cultivirten Rinden mit den indischen zur Zeit noch nicht coneurriron
können, dürfte in den hohen Transportkosten zu suchen sein (Gkhbj. Der Export
von Maracaibo und Portocabellorinde ist von 1883 bis 1885 von 3895 Colli auf
861 zurückgegangen 1886 betrug er dagegen wieder 1592 Colli.
H erher gehört und ist wohl zum Theil damit identisch die
6. China flava fibrosa, Carthagena-, Bogota China, Calisaya von Santa
Fe de Bogota, Quina anaranjada oder naranjada, Quina tuuita, Caqueta (Caqueza)
bark, Cartbageue ligneux (und China rubitfinosa zum Theil i. Alle diese in Bau und
Textur nur wenig abweichenden Rinden, früher wohl als besondere Sorten unter-
schieden, stammen von der botanisch veränderlichen Cinchona laneifolia Midis
in Xeu-Granada (einige Arten vielleicht auch von anderen Cinchonen). Meist in
starken, flachen, rinnenförmigen, 1 cm dicken, selten gerollten Stückeu verschiedener
Dicke. Kork anfangs grau, später silberweissUch bis b'.assockergelblich, glänzend,
dünn, sehr woieh, leieht abblätternd.
Innenrinde gelb bis rothgelb, Mittelrinde selbst in dickeren Stammrinden noch
erhalten (Borkenbildung beginnt erst später), in ihr zahlreiche, tangential gestreckte
Scleröiden, oft eine fest zusammenhängende Schicht bildend. Die nicht sehr
dicken Bastzellen in streckenweise zusammenhängenden einfachen oder doppelten
radialen Reihen. Im Innern bisweilen undeutlich tangential angeordnet. In der
Innenrinde, im Siebtheil und den Markstrahlen, Stabzellen und Sclereideu. Von der
echten Calisaya unterscheidet sieh diese Rinde im Allgemeinen durch die blass-
ockergelbe, matte, gleichsam bestäubte Farbe, durch die stellenweise mit gelhlich-
weissen, glimmerglänzenden Korkschiebten bedeckte, bei den jüngeren Rinden nicht
rissige Oberflache uud durch meist zahlreich im Innern zerstreute weisse Punkte,
Krystallzellen (Wigand). Der Bruch der Rinde ist feiusplitterig , je nach den
Sorten kurz- oder laugfaserig. Ich bin geneigt, diese Rinde als naheverwaudt mit
der China Maracaibo zu halten.
Die besten Sorten heissen in Xeu-Granada col um bische, die geringeren
Carthagena- Rinden. Der Alkaloidgehalt ist meist nicht sehr gross, circa 1 Pro-
cent Chinin.
36 CHINARINDEN.
Die mir vorliegenden BERG'schen Proben Bogotachina können mit bedeckter
Calisaya nicht verwechselt werden : Die röthlichc Farbe des Inneren , der braune
Kork u. And. sind deutliche Unterscheidungsmerkmale (den Stücken fehlt der
Kork zum Theil). Erst recht ist dies unmöglich mit den ganz anders aus-
sehenden als „China flava fibrosau bezeichneten Rinden meiner Sammlung.
Dieselben ähneln der unbedeckten Calisaya, sind leicht und mürbe, aber noch
zum Theil mit weichem, schwammigem, rothbraunem Kork bedeckt, der da
und dort silbergrau zu schimmern pflegt, entsprechen also der oben gegebenen
Beschreibung.
Koch mehr ähnelt die China de Sa. Fe meiner Sammlung der unbedeckten
Calisaya, doch fehlen die Conchas , die Innenfläche ist glatter , das Innere hart,
nicht mürbe und die Oberfläche , zwar grösstenteils borkefrei , trägt doch noch
die mürben Ueberreste derselben, die sich leicht mit dem Nagel abkratzen lassen.
Karsten leitet seine mit hierhergehörige China flava lignosa, Cartagena-
rinde, Cascarilla Ulwsi, Cajtcarilla aman'lla von C. cordifolia Mutis (Neu-
Grauada, C. pubescens Vahl (Peru) und C. tueujensis Krst. (Veuezuela) ab. Er
rechnet hierzu : Cort. Chin. flav. lign. s. de Cartagena durus (über Cartagena)
von C. cordifolia f C. Chin. flav. de Cuzco (über Arica) , von C. pubescens,
C. Chin. de Cuzco, rothe Cuzco von C. pubescens var. fr. purpuren Wcdd.,
C. Chin. Maracaibo von C. tueujensis.
B. Braune oder graue Chinarinden, Perurinden, Cort. Chin. fusci, grisei,
officiuales, Cort, Cinchonae pallidae, Cortice de China bruna scu grisa, Quina
de Loja, Quinquinn grls (in Ph. Austr., Belg., Brit., Dan., Fenn., Gall., Germ. I.,
Gracc., Helv., Hisp., Hung., Xecrl., Rom., Russ.).
Unter diesem Namen versteht man die. meistens relativ cinchon in reichen, Rinden
jüngerer Zweige. Sie bilden niemals flache Stücke, sind also auch keine Stamm-
rinden, sondern Astrinden, sie finden sich daher nur in mehr oder weniger starken,
etwa 3 mm dicken, gänsefederkiel- bis fingerstarken (Ph. Austr., Dan., Germ. I.,
Hung.}, einfach oder doppelt eingerollten Röhren. Dire Oberfläche ist graubraun
und von vielen nicht sehr tiefen Läugs- und Querrissen durchzogen. Die Farbe
der Mittel- und Innenrinde ist vorherrschend braun, an der Greuze der Mittel- und
Auügcnrinde findet sich meist ein Harzriug, im Bruch sind sie mehr eben als splitterig
oder faserig, aussen verhältnissmässig glatt, innen schwachfaserig.
Ihr Geschmack ist mehr herbe als bitter. Die Oberflüche trägt oft kleine Strauch-
und Krnstenflechten.
Die Stammpflanzen der braunen Rinden sind zahlreich. Selbst eine und dieselbe
Handelssorte stammt wohl kaum von einer und derselben Art. Als wichtigste
Stamnipflanzen sind zu nennen : Cinchona micrantka Bz. et Pav. (Ph. Germ. I.),
C, l'ritusinga und macrocalyx Pav., C. Condami nea Humboldt var. Chahuar-
guera Pav. und crispa Tafulla (Ph. Brit.), C. officinalis L., C. nitida Bz. et
Pav., C. peruviana Hute. u. And.
Vorwiegend liefert Südamerika braune Rinden , weniger die Colonialculturen,
letztere nur in die Fabriken.
Der von den Pharmakopöen geforderte Alkaloidgehalt soll betragen 0.5 Procent
i.'Ph. Brit.). mindestens 1 Proceut (Ph. Austr., Helv., Rom.), wenigstens 1.5 Pro-
cent an salzbildendeu Basen, worunter mindestens 1 ,0 Chinin (Ph. Gall.), 0.3 bis
0.0 Procent Chinin und 1.5 — 2.5 I'roccnt Cinchonin (Ph. Russ./ Die in Ostindien
cultivirten braunen Rinden sind meist erheblich alkaloidreicher. Sofern die süd-
amerikanischen oder die Culturrinden deu Gehaltsforderuugcn der Ph. Germ. U. ent
sprechen (3.5 Procent Gesammtalkaloide) , ist gegen ihre Verwendung nichts ein-
zuwenden, meist bleiben erstere jedoch unter dieser Minimalgrenze.
Der Geschmack der braunen Chiua ist eigentümlich, nicht sehr stark (Ph. Austr.
Hung. bitterlich, schwach zusammenziehend (nur nach der Ph. Brit. stark adstrin-
gircml), schwach aromatisch.
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CHINARINDEN'.
37
Durch Fleohton ist die Oberfläche oft hell gefleckt. Kork und Mittelrindo sind
relativ stärker als die Innenrinde. Bruch mehr braun als gelb.
Die braune China wird namentlich im Süden und Osten Europas begehrt.
1886 fand sich Loxa, Yuanuco und Guayaquill in guter Qualität am Markt.
Die Sorten sind folgende:
1. Hu an u co-, Yuanuco- oder Guanocochina, Cascarilla roja
de Cuzeo (Ph. Belg., Gall., Helv., Neerl., Rom., Russ., Austr., Dan., Germ. f.,
Hang.), von Cinchona micrantha Ruiz et Pav. (Ph. Germ. I.), C. snbeordata
Pav., G. suberosa Pav. , G. nitida R. et Pav. und C. umbellifera Pav., G.
purpurea Ruiz et Pav. u. And. Meist ein Gemenge mehrerer Rindensorten, daher
ohne durchgreifende Merkmale. Röhren meist spiralig, doch auch von beiden
Rändern her eingerollt, 4 — 20 mm im Durchmesser (meist nicht unter LOmro),
2 — 5 mm dick, aussen bla&s röthlichbraun, hie und da mit weisslichem Ueberzuge,
zart querrissig mit vorwaltenden kurzen und flachen Längsfurchen,
beziehungsweise Lftngsrunzelu , Querrisse selten oder fohlend, unregelmässig.
Die jüngeren Rinden glatt. Innen hellzimmtbrauu , Harzring dunkel (die Mittel-
rinde meist dicht harzglänzend) , Periderm dünn. Die Innenrindo ist häntig
durch die mit Oxalat gefüllten Zellen der Markstrahlon fein weiss gesprenkelt
(Flückigkr).
Die „graue China" wurde 1776 in den Wäldern von Huanuco entdeckt. Sie
kam früher in grossen Mengen aus Südperu, Huanuco (Peru) Uber Calläo in Kisten
und Serronen in den Handel und war von der Ph. Germ. I. in erster Linie als
braune China vorgeschrieben. Jetzt ist sie in viel geringeren und sehr ungleichen
Sendungen eingetroffen. Oftmals finden sich andere Sorten darunter. Die mir
vorliegenden Proben Huanoco, wie sie jetzt (1886) im Handel ist, entsprechen im
Allgemeinen der obigen Beschreibung, doch sind die Röhren 25 mm breit. Chinin-
gehalt 0.58 Procent (Gehe).
Der Alkaloidgehalt ist sehr variirend, im Mittel etwa 0.33 — 0.6 Procent
Chinin und 1.5 — 2.5 Procent Cinchonin , nach Reichärdt 0.85 Chinin und
2.24 Proeent Cinchonin.
Hierher gehört auch dio unter dem Namen Pata de gallin azo bekannte
Rinde der Cinchona nitida Ruiz et Pav ,, die ihren Namen (= Geiergriffe) nach
der eigentümlichen, durch Korkwarzen und Flechten hervorgerufenen Zeichnung
der Oberfläche trägt. Die Rinde der auf Java anfänglich cultivirten Cinchona
Fahudiana ist etwa der Huauoco im Werthe gleichzustellen.
DaB Decoct der Huanucorinde ist heis* klar rothbraun, erkaltet gelbbraun-
trübe, einen schmutzigbraunen Bodensatz absetzend. Kisenchlorid erzeugt eine
dunkelgelbgrüne Färbung.
2. Loxa- oder Lojachina, Kronchina (Th. Belg., Gall.. Helv., Neerl , Rom.,
Rusb., Brit., Hisp., Austr., Dan., Germ. I., Hung.), stammt fnach Berg) von Cin-
chona Un'titftinfja Pav., C. Gondaminea Humb ., C. macrnenlyx Pav., C. conglo-
merata Pav., G. Ghahuarquera Pav., G qlandulifera Ruiz et Pav., C. hetero-
phylla Pav,, C. officinalis, G. nitida, C. purpurea, G. corymhom u. And.
ist also ein Gemenge verschiedener Rinden , daher ohne durchgreifende Merk-
male. Röhren (Zweigrinden) spiralig oder (häufiger) von beiden Rändern her
eingerollt, 4— 20 mm breit (in der Regel nicht über 10 mm im Durchmesser),
gänsekiel- bis kleinfingerdick (Ph. Germ. I.) und 1 '2 — 4 mm dick, aussen aschgrau
oder graubraun, mit oftmals recht umfangreichen weisslichen Flecken, wenig zahl-
reichen, entfernten, zarten Quorrissen und relativ breiten und laugen, unregelmässig
verlaufenden Längsrunzcln. Innen zimmtbraun. Harzring dunkel (Mittelrinde dicht
harzglänzend). Periderm dünn. Jüngere Rinden sind ebener als ältere. Mir vor-
liegende Proben der Loxachina, wie sie augenblicklich im Handel ist (von Gehe),
bilden 30cm lange und 12mm breite, doppelt gerollte Rühren mit deutlichen
Längsrunzeln und sehr zahlreichen und scharfen QnerrisBon. Chinin-
gehalt 0.35 Procent. Loxa ist u. And. besonders in Frankreich begehrt.
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38
CHINARINDEN.
Loxachina stammt aus Ecuador- und Nordperu ' und kam in grossen Mengen
in Kisten nnd Serronen über Guayaquil, Payta und CallSo in den Handel. Sie
bildete (in Gemeinschaft mit der Huanucosorte, aber noch häufiger als diese) noch
vor zehn Jahren den Hauptrepräsentanten der braunen Chinarinden im deutschen
Handel, da die Ph. Germ. I. sie (neben der dickeren Huanuco) als braune China
vorsehrieb. Die charakteristischen dünnen Köhren fehlten in keiner Apotheke. Jetzt
ist sie durch die mehrfach erwähnte Minimalforderung des Alkaloidgebaltes in der
Ph. Germ. II. in ihrer Existenz arg bedroht , da sie dieser Forderung nicht zu
entsprechen pflogt. Sic wird daher meist nur zur Darstellung von Präparaten (China-
wein etc.) verwendet. — Früher unterschied man Loxa e ramulis junioribus und
e ramis vetustis. Letztere sind nicht unerheblich dicker.
Rinden mit leichter, schuppiger, oder tief runzliger Oberfläche, von Leberfarbe
oder schwarz und ohne den charakteristischen dunklen Harzring, sind statt der
Loxa und Hiiauucorindc nicht in Anwendnng zu ziehen (Ph. Germ. I:).
Nur die Loxachina verlangen die Ph. Brit. und Hisp.
Die Loxa ist nicht selten reichlich mit Flechten besetzt.
Ihr Alkaloidgebalt variirt sehr, im Allgemeinen sind die dickeren (älteren)
Rinden nlkaloidreicher. Er beträgt etwa 1 — 2 Procent Alkaloid mit 0.2 Procent
Chinin (bis 0.35 Chinin und 0.34 Cinchonin).
Die Gegend von Loxa lieferte die ersten Chinarinden des Handels, bis zum
Jahre 1772 gclangtcu Chinariuden fast ausschliesslich aus Loxa und Quito zu
uns. Zur Zeit der spanischen Herrschaft wurden die auserlesensten, etwas röthlichen
als Cascarilla nmarilla del Rey, Cascarilla colorada del Rey,
für den königlichen Hof in Madrid besonders reservirt, daher hiess die Loxa lange
Zeit Königschina, China coronalis, Kronchina, Crown-bark
(Flickiger), jetzt ist das Beiwort „regius" auf die Calisaya übergegangen. Die
Gegend um Loxa ist jetzt erschöpft.
3. G u aj aqu il c bin a ist zur Zeit (1886) wieder reichlich im Handel. Sie
bildet nach den mir vorliegenden Gehe' sehen Mustern lange einfach gerollte Röhren
von einer Länge von ca. 40 cm und einer Breite von etwas über 1 cm. Dicke der
Rindensubstanz 2 mm. Der graueu weissgefleckten Oberfläche fehlen Runzeln gänz-
lich. Sie ist aber vou einer Unzahl scharfer, dicht bei einander liegender, Quer-
rissc durchzogen. Innen ist sie rehbraun. Zahlreiche Flechten bedecken die Aussen-
seite. Für den Süden und Osten Kuropas sehr gefragt. Chiningehalt 0.35 Procent.
4. Pscudoloxa-China, China Jai'n nigricans, dunkle Ten-China, von Cinchona
vitiila Puiz et Put',, ('. stuppca l'ar , C. scrobiculata Humb. und Uonpl., ist also ebenfalls
ei» Genienge verschiedener Rinden. Dünne, meist gekrümmte Röhren von 4 — 25mm Durch-
messer und 1—2 mm Dicke, nassen dunkelbraun bis schwarz, da und dort (selten) mit weiss-
licheiu Autlug. ^uenisse regelmässig, ziemlich tief, sehr genähert, Längsrunzeln zahlreich, flach,
nnnstomosirend, daher die Obei flache schuppig runzlig, innen dunkel zimnitbrauo, Harzring
fehlt. Alkaloidgehalt sehr variirend, im Mittel 0.16 Procent Chinin, 0.11 Procent Cinchonin
(bis 0.35 Chinin und 0.66 Cinehonio). Stammt aus Nordperu. Beisorte der Loxa-China, aber
ohne Bedeutung.
Die mir vorliegenden Berg'schen Proben sind nur schwachrunzlig und rissig.
5. Huamalies- oder Yu ama 1 i es-Ch i u a, von Cinchona micrantha B. et P., C. glan-
rfulifera H. et R, C. Paltan Pav. und laneeolota It. et P., also ebenfalls ein Rindengemenge.
Röhren oder Halbröhren von 5 — iiOmm Durchmesser (in der Regel nicht unter 10 mm) nnd
I — 8 mm Dicke, aussen leberbraun, selten und nur stellenweise blassttclblich oder schwarzbraun.
Län»swurzeln vorherrschend, etwas wellenförmig, daneben rundliche oder ovale Korkwarzen
(Lenticellen?). Kork dick und rostbraun, Harzring fehlt. Aus Mittelpern.
Gehalt an Alkaloiden variirend, im Mittel Ü.Q2 Procent Chinin, 0.4 Proeent Cinchonin
(aber bis 0.3 Procent Chinin).
Gewöhnliche Beimeuguug der Huanncorinde und nur als solche von (geringer) Bedeutung.
Die mir vorliegenden Stücke „e ramulis junioribus" sind durch grobfaserige, grobgestreifte Innen-
seite ausgezeichnet.
Hierher gehört auch ein Tlieil der Carabayachiua (Berg).
6. China de Ja8u pal Ii da. blnsse jaen oder Ten-China, von Cinchona viridijlora
Pac, C. piibwemt \\\<ld. n And. Dünne, gekrümmte Röhren von 4 — 26 mm Durchmesser
und 1<— 4mm Dicke, oft bogenförmig gekrümmt, aussen stbroutzig-gclbgrau , ziemlich eben
oder mit zarten Laugsrunzeln und feinen ^uenii.sen, innen rothbraun, ohne Harzring, Mittel-
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CHINABIND KN.
39
rinde locker, aber mit glänzenden Punkten auf der Querschnittsfläche. Brach grobspl itterig un-
gleich. Die Proben meiner Sammlung sind 12 mm dick , aussen vorwiegend grau-silberweiss,
mit wenigen zarten Längs- und Querrissen versehen.
Kam aus Ecuador über CallSo in den Handel. Zuweilen der Hnannco beigemengt. Alkaloid-
gehalt etwa wie der der Jaen nigricans, aber bis 0.56 Procent Chinin und 0.6 Cinchonin.
Ohne Bedeutung.
7. Die braunen Rind en der Culturen. Im Aeusscren kommt die Astrinde
iler Calisaya nnd der Snecirubra den braunen Rinden ziemlich gleich, docb gehört
erste re , durch Abstammung , Gestalts Verhältnisse , Textur und auch durch hellere
Farbe richtiger zu den sogenannten gelben, die Succirnbra entschieden zu den
rothen Sorten.
Dünne braunliche Zweigrinden aus den Culturen (besonders von C. officinalis)
bilden zur Zeit keinen nennenswerthen Handelsartikel für den Drogisten. Sie werden,
ebenso wie die weniger ansehnlichen Röhren, fast ausschliesslich in den Fabriken
zur Chininfabrikation verwendet (vergl. oben unter Calisaya, pag. 31 und unter
Succirnbra, pag. 41).
(Jinc ho na officinalis, welche sowohl auf Java als in Ostindien viel
cultivirt wird, liefert aber eine recht gute braune Fabrikrinde. Aus Java:
Stammrinde (1.7 Procent Chinin), erneuerte Stammrinde (3 Procent Chinin).
Zweigrinde (0.5 Procent Chinin), Wurzelrinde (3.7 Procent Chinin); aus Ost-
indien: Stembark (2.7 Procent Chinin); aus Ceylon: Renewed Bark (2.5 Pro-
cent Chinin).
Die Javanische Stammrinde ist die Rinde von mässig dicken Bäumen.
Sie bildet einfach oder doppelt zusammengerollte Röhren von etwa 1 cm. Durch-
messer, die aussen graubraun und schwach längsrunzlig und mit tiefen Querrissen
versehen sind.
Die Astrinde entstammt ganz dünnen Zweigen. Ihre Röhren sind noch dünner
als die der Pseudoloxa (3 — 5 mm im Durchmesser), aussen sind sie schwarzbraun,
bisweilen grau gefleckt, mit geraden Längsrunzeln und Quorrisscn. Der Kork
blättert leicht ab. Bei der ostindischen Stammrinde walten die Längsrunzeln vor.
Ihre Farbe ist aussen heller (hellgraubraun), innen gelbröthlich , nicht braun.
Durchmesser der Röhren circa 7 mm.
Die erneuerteRinde ist bei beiden auch aussen erheblich heller. Querrisse
kann ich bei ihr nicht bemerken.
Die Wurzelrinde bildet 1— 2cm breite, aussen dunkel schwarzbraune Röhren
und Stücke, die durch zahlreiche hellere, in der Axe des Organs etwas gestreckte
Korkwarzen grobwarzig erscheint. Qiierrisse und Längsrunzeln fehlen.
Die ostindische C. offcinalis:B.init ist die chininreichste der indischen Cultur-
riuden: Nach Paul 2.81—5.70 Procent Chinin (1884).
Cinchona officinalis wird auch in Jamaika und Reunion cultivirt. Ja-
maikarinde zeigte 0.83 Procent Alkaloide (De Vrij), Reuniourinde 5.345 Procent
Troüettk). C. micrantha lieferte auf Jamaika Rinde mit 3.402 Procent Alkaloid
(De Vrij).
Bei den Culturrinden pflegt man gelbe, brauue und rothe für gewöhnlich nicht
zu unterscheiden. Nur die ostindischen haben Handelssortenbezeichnungeu, wie red
bark (rothe Chioa), yellow bark (gelbe China), crown bark (braune China).
C. Rothe Chinarinden, Cort. Chinae rubr., China rubra, Cinchona rubra,
Cort. Cinchonae rubr., Corticile de China rosie, Quinquina rouge (Ph. Austr.,
Belg., Brit., Dan., Gall., Germ., Neerl., Rom., Ruas. , Uu. 8t., meist neben den
2 anderen Sorten, die Ph. Un. St. verlangt neben der rothen nur die Calisaya).
Dieselben sind cbarakterisirt durch eine vorherrschend rothbraune Farbe der
Mittel- nnd Innenrinde. Die im Handel befindlichen Stücke sind entweder die
flachen Rinden der Stämme und dickerer Aeste (südamerikanische Rothe China) oder
die röhrigen Rinden dünnerer Aeste (Culturchina aus Java, Ostindien und Ceylon).
Erstere sind auch an den Stammrinden noch mit der starken Borke versehen
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40
CIIIN* ARINDEN.
und besitzen eine faserige oder splitterige breite Innenrinde, letztere sind stets
mit Kork bedeckt, den sogenannten braunen Chinarinden äusserlich nicht unähnlich,
doch bei gleichem Astumfang dünner. Ihr Geschmack ist mehr bitter als herbe.
Sie enthalten nicht sehr reichlich Chinin, aber mehr als die braunen Rinden.
Die rothe China stammt fast ausschliesslich von Cinchona succirubra
Pavon (C. Howardiana Kuntze, G. oblongifolia Mutis , C. magnifolia nnd
colorata Ruiz et Pav.J. Für die südamerikanische wurde dies von Weddell (?),
Howard, Klotzsch und Schacht festgestellt. Da sich die Rinde dieser Pflanze als
zwar nicht sehr chininreich erwies, die Cinchone selbst aber sehr leicht zu
cultiviren ist, da sie zu den wetterharten gehört, so hat man sie besonders in
Ostindien in grösserem Umfange angepflanzt und sie, sowie zahlreiche Bastarde
derselben, in sorgfältige Pflege genommen. Auch auf Java hat man mit ihr Vor-
suche angestellt.
Die Rinde von Cinchona succirubra ist (nach Flückigeb) bei jungen
1 '/Jährigen Stämmchen etwa 1 mm dick und hat eine etwa lr3 des Querschnittes
ausmachende Innenrinde. Die Bastzellen sind noch vereinzelt, entweder isolirt oder
zu 2, beziehungsweise 3 einander genähert. In der Mittelrinde liegen in unter-
brochenem Kreise weite Saftschläuche, bisweilen zu zwei einander genähert. Bei
5 mm dicken Rinden waltet bereits die Innenrinde stark vor und die Bastzellen
sind in grosser Zahl vorhanden. Sie stehen, durch schmale Streifen kleinzelligen
Parenchyms getrennt, in unterbrocheneu Radialreihen. In der innersten Partie
sind sie auch bisweilen in tangentialer Richtung orientirt, so dass die Rinde dort
bisweilen ein gefeldertes Aussehen gewinnt. Die Saftschläuche bleiben bei der
Succirubra lange erhalten, selbst 12 mm dicke Rindenstücke zeigen sie noch deutlich.
Die Borke wird hier schwerer als bei den anderen Chinarinden abgeworfen. Selbst
relativ mächtige Stammrinden zeigen noch eine festhaltende grauschwärzliche
Borkebekleidung.
Die rothe (südamerikanische) China enthält im Maximum 2 Procent Chinin
(Mittel: 0.91 Chinin und 0.39 Cinchonin nach Rkichaudt), sie soll enthalten nach
der Ph. Brit. 1.5 Procent, nach der Ph. Un. St. 2 Procent Chinin, nach der
Ph. Russ. 2 Procent Chinin und 1 Procent Cinchonin, nach der Ph. Austr. und
Rom. 2.5 Procent, nach der Ph. Germ. II. mindestens 3.5 Procent Gesamrat-
alkaloide, nach der Ph. Gallic. 3 Procent Alkaloidsulfate (wovon 2 Procent
Chininsulfat).
Die rothen Culturrinden, besonders einige Bastarde, sind ausserordentlich viel
alkaloidreicher, 5 — 8 Procent, ja sogar 15 Procent Gesammtalkaloide gehören
schon jetzt nicht mehr zu den Seltenheiten. Doch war z. B. in einem eoncreten
Falle bei 5.7 Procent Alkaloidgehalt nur 1.1 Chinin vorhanden.
1. Culturrinden von Cinchona succirubra, Ceylon- und ostindische
Rinden. Dieselben kommen namentlich aus den ostindischen Cuituren und aus
Ceylon (Hakgalle, in Java ist die Succirubra jetzt aufgegeben, doch kommt auch
von dorther noch Succirubra zu Fabrikationszwecken), zur Zeit nur in Zweig uud
Astrinden vor, besitzen daher nur eine geringe Dicke. Die indischen Proben sind
bis 80cm (meist 50cm) lange, einmal oder von beiden Rändern her eingerollte
Röhren, die einen Durchmesser von durchschnittlich 21/2cm besitzen (aber auch
bisweilen erheblich breiter [bis 6] werden). Die Dicke der Rinde beträgt 2 mm.
Die Oberfläche ist graubraun durch kleine grauweissliche ovale Flecken gefleckt
und durch zahlreiche zierliche, längsverlaufende, hie und da anastomosirende Längs-
runzeln gerunzelt. Querrisse fehlen so gut wie ganz. Innenfläche schön dunkel-
rothbraun, fein längsgestrichelt. (Vcrgl. auch Fig. 2.)
Dio mir vorliegenden schönen Röhrcu ceylanischer Succirubra, die
augenblicklich (1886) im Handel dominirt, cutsprechen gegen 25 cm breiten
Rindenstreifen. Sie sind auf der graubraunen Oberseite mit sehr zahlreichen, bis-
weilen etwas helleren, kurzen und oft wellig verlaufenden Längs-
run zeichen versehen. Da und dort finden sich weisse Flecken. Der leicht ab-
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CHINABINDEN.
41
blätternde papierdünne Kork — eine Eigentümlichkeit , die sich in der Cnltur
herauszubilden scheint — ist an den Röhren meist noch daran. An den Stellen,
wo er abgeblättert ist , erscheint die Rinde schwarzbraun , fast glänzend und mit
zahlreichen kleinen, etwa 1!2mm grossen he IIb raunen, rundlichen, nicht er-
habenen Punkton wie übersät. Querrisse fehlen vollständig. Chinin-
gehalt 1.4 Procent.
Mit der Bezeichnung „Red chips" versehene indische Succirubra (Weller)
bildet dünne (4mm) Röhren junger Zweige, bei denen ebenfalls schon an vielen
Stellen der graubraune Kork abgesprungen ist, so dass die rothbrauno Farbe des
Inneren zu Tage tritt. Bei der „Renewed stein", der erneuerten Stammrinde,
fand ich den Kork, wo er daran war, nicht abblätternd.
Javanische Succiruba ist besonders als Fabrikrinde geschätzt. Die mir
vorliegende Stammrinde zeigt die oben geschilderten Kennzeichen der ceyla-
nUchen, besonders den abblätternden Kork und die braunen Punkte darunter —
nur ist die Außenseite nicht mit kurzen, zarten, sondern mit groben und langen
Lftngsronzeln versehen. Die Innenseite Ist rothgelb, fast glänzend und glatt. Eine
andere Stammrinde (mit 1 Procent Chinin) hatte aussen eine graue, fast calisaya-
artige Farbe, sonst stimmte sie mit der vorigen überein. Die erneuerte Rinde
zeigt einen nicht abblätternden, grobwarzigen oder stark längsrunzeligen Kork.
Innenseite gestreift.
Die Wnrzelrinde bildet verbogene , bis 2 mm dicke Platten, mit glatter
Innenseite und grobwarzigem , nicht abblätterndem Kork. Bei den sehr dünnen
(4 mm) Zweigrindenröhren blätterte der Kork ebenfalls leicht ab. Wo er daran
war, erschien er zartlängsrunzelig , graubraun und fast silberglänzend (Chinin-
gehalt siehe unten).
Nach der Ph. Germ. II. besitzen die ganzen Röhren der Succirubra eine Länge
von etwa 60 cm, einen Durchmesser von 1 — 4 cm bei 2 — 4 mm Dicke der Rinden-
snbstanz. Daueben kommen auch Röhrenstücke und Längshälften vor. Die Rinden
tragen einen dünnen graubräunlicben Kork mit groben Längsrunzeln Und kleinen
und kurzen Querrissen, die Innenfläche ist braunroth und faserig, der Bruch mtlrbe.
Diese Beschreibung passt auf die ceylanische Succirubra.
Die ostindische Succirubra wird in Ostiudien selbst in grösstem Maassstabe auf
Chinin verarbeitet.
Die Succirubra-Rinde ist die einzige , die von der Ph. Germ. IL namentlich
aufgeführt und als in erster Linie in Anwendung zu ziehen bezeichnet wird, als die
Cort. Chinae par excellence, obgleich nach der ganzen Fassung des Artikels die
Höhe des Chiningehaltes allein massgebend für die Verwendung ist, daher gegen
die Verwendung anderer Chinarinden, sofern sie den Anforderungen entsprechen,
nichts einzuwenden ist.
Im deutschen Handel und in den Apotheken finden sich denn auch neben der
Succirubra die alte unbedeckte Calisaya, die javanische Calisaya (Ledgeriana,
Hasakarliand) und einige gute braune Rinden.
Paul zeigte (1884) auf Grund zahlreicher Untersuchungen, dass Succirubra
in Indien an Gesammtalkaloiden am reichsten (6.47—7.78), an Chinin aber
relativ am ärmsten (1 — 2.86 Procent) ist. Der Chiningehalt, den mir Wkller an-
gibt — für Succirubra aus Ceylon 1.7 — 2.9 Procent, aus den Nilgiris 1 Procent
und für Rubra (?) 1.5 (red shavings), 0.9 (red chips), 1.6 (red root) — stimmt gut
damit Uberein. Howard gibt für Succirubra an: Zweigrinde 3.3 Procent, Stamm-
rinde 5.5 Procent, Wurzelrinde 7.6 Procent, Wurzel fasern 2 Procent Alkaloid.
Broughton für dieselbe 6.7 — 7.85 Procent Alkaloid mit 1.7 — 2.4 Procent
Chinin. Gehe gibt mir den Gehalt ceylanischer Succirubra auf 1.4 Procent
Chinin an.
Javanische Succirubra, die ich Weiter verdanke, enthält: Stammrinde
1—2.7 Procent, Zweigrinde 0.7 Procent, Wurzolrinde 2.4 Procent. Erneuerte
Stammrinde 2.7 Procent.
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42
CHINARINDEN.
Jamaika-Succi rubra enthält nach de Vrtj 10.83 Procent Alkaloid mit
1.9 Chinin und 5.59 Cinchonin.
Reunion-Succirubra hat nach Teouette 7.5 Procent Alkaloid.
In der Rinde der Hauptwurzel von Succirubra (aus Madras) fand Cross : Chinin
3.51 Procent, Cinchonin 2.10 Procent, Cinchonidin 2.26, Chinidin 0.77 Procent.
Die Ph. Gall. , die, ebenso wie die Ph. Austr. und Neerl., Calisaya, Loxa,
Huanuco und rubra unterscheidet, lässt die Culturrinden gleichfalls zu. Sie fordern
aber ebenfalls einen Minimalgehalt an Alkaloiden.
Die südamerikanischen rothen Chinarinden stehen dieser Cultur-
Succirubra an Bedeutung nach. Die Ausfuhren aus Guayaquil haben etwas nach-
gelassen. Nichtsdestoweniger werden sie immerhin auch jetzt noch in grossen
Mengen, und zwar vorwiegend als Stammrinden, ausgeführt. Früher betrug der
Alkaloidgehalt 6 — 10 Procent, jetzt selten mehr als 2 — 3 Procent.
Man kann (nach Berg) folgende Sorten unterscheiden (der Grosshandel macht
diesen Unterschied nicht mehr):
2. China rubra dura, besonders aus Ecuador, von Cinchona succirubra
Pav. , flache oder wenig gebogene, 2cm dicke Staramrindenstücke (die mir vor-
liegenden Stücke besitzen eine Dicke bis 13 mm) mit einer harten, derben, spröden,
hellbraunen bis rothbraunen, glänzenden, stellenweise weiss Überflogenen (luft-
haltiger Kork) , vorherrschend tief längsrissigen , mit dicken , runden oder
leistenförmigeu Warzen besetzten Borke (Querrisse unbedeutend) und einer lebhaft
braunrothen , faserigen , im Bruch fein und kurzsplitterigeu Innenrinde (weniger
splitterig als bei Calisaya). Flechten pflegen zu fehlen. Farbe durchweg rothbraun.
Innenseite fein und lebhaft glänzend gestrichelt.
Die Borkenschicht wird bis 0.5 cm dick (die Korkbänder dunkler als die von
ihnen durchzogenen Mittelrindenstreifen). In den mir vorliegenden Proben war sie
0.3— 0.4 cm dick, von einigen Stücken meiner Sammlung ist der Kork grössten-
teils abgelfist, nur da und dort sitzen noch einige Warzen auf. Mittelrinde dunkel-
glänzend. Bastzellen fast nach Typus A (Wigand) angeordnet, doch entschiedener
radial und gedrängter. Mikroskopisch lassen sich meistens Saftschlauehe nach-
weisen. Seiereiden fehlen.
Diese Riuden enthalten 1.12 — 1.18 Procent Chinin und etwa 1 Procent Cinchonin.
3. China rubra suberosa, aus Guayaquil ausgeführt, angeblich (Berg)
von Cinchona coecnea Pav.} aber wahrscheinlich von anderen Arten. Flache,
rinnen- oder röhrenförmige, 1 — l.1 2 cm dicke Stücke mit einem, starker wie bei
2 entwickelten, oft über die Hfllfte des Querschnittes betragenden (bei meinen
Stücken 5mm dicken), weichen, schwammigen, dunkelrothbraunen , mit weichen
Korkwarzen oder Korkhöckern bedeckten Kork und einer dicken, bräunlichrothen,
faserigen, im Bruch dünn und kumplitterigen (aber langfaseriger als bei 2) Innen-
rindc. Innenfläche nicht glänzend gestrichelt , Bastzellen undeutlich radial ange-
ordnet, weniger als bei 2, Safts^hläuche fehlen meist.
4 China rubitfinova von Cinch. lucumaefolia Pur. Rinnenfbrmige , von Borke be-
freite, besonders nach aussen rostfarbige, schöne lange Stück« oder Rühren. Enthält fa*t nur
Cinchonin (2.5 Procent). Ohne Qaudetabedeutung.
Zur Zeit (1886) unterscheidet man im Grosshandel die einzelnen Sorten süd-
amerikanischer Rubra nicht mehr scharf, sondern bringt als C. Chinae rubrae eine
etwa 1.6 Procent Chinin enthaltende Rinde in den Handel, die aus dicken, breiten,
schön lebhaft kupfer- bis rothbraunen Stücken von etwa 20 cm Länge und 7 cm
Breite bestehen, deren Innenrinde bis 1 cm stark wird und die nur theilweise von
dem tief runzeligen , dunkelrothbraunen , schwammigen Korke befreit sind. Die
Innenrinde ist mürbe, bricht dick- und kurzfaserig. Solche Stücke sandte mir Gehe.
Sie sind im Handel noch sehr gesucht und werden hoch bezahlt.
Nach den Pharmakopöen, welche die rothe südamerikanische China führen und sie
beschreiben (Ph. Germ. I., Belg., Austr., Dan., Brit. , Neerl., Rom.) bildet sie
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CHINA K INDEN.
43
flache oder gekrümmte bis fast rinnenförmigc, seltener zusammengerollte, Va — 2 cm
dicke, häufig längsfurchige, meist harte, dichte und schwere, oft mehrere Fuss
lange Stücke mit dunkel braunrother, mit ovalen Warzen besetzter Borke. Die
bräunlichrothe dicke Innenrinde ist faserig, auch im Bruch splitterig-faserig, Bast-
zellen radial angeordnet, innen schwach concentrisch.
Diese Beschreibung passt etwa auf die China rubra dura. Ph. Russ. und
Un. St. warnen vor einer Verwechslung mit der mehr faserigen und pomeranzen-
gelben China rubiginosu (4).
Die Verwendung dünner, leichter, eingerollter, blasser Röhren der rothen China
ist nach der Ph. Dan. , Germ. I. , Russ. und Un. St. , die also die Verwendung
cnltivirter Rinden ausschliessen, verboten. Das Gleiche gilt von der Ph. Belg., welche
die dicken, dunkelrothbraunen schweren Stücke vorzieht. Die Ph. Gall. lässt, nach dem
Text zu urt heilen, neben der flachen südamerikanischen, auch die Culturrinden zu.
Das filtrirte Dococt der rothen China wird durch Leimlösung nicht verändert,
durch Brechweinstein stark gelb, ebenso auch durch Gerbsäure gefällt. Kiscuchlorid
färbt mehr oder weuiger grün.
Isolirt sowohl ihrer botanischen Abstammung, wie ihres anatomischen Baues
nach steht die ebenfalls zu den rothen Chinarinden zu rechnende
5. China cuprea. Dieselbe stammt von keiner Cinchona, sondern von
Remijieu, gehört aber dennoch, da sie Chinin enthält, zu den echten Chiuarinden.
Von dieser Rinde kann man 3 Sorten unterscheiden:
a) Die eigentliche China cuprea von Remijia peduneulata Triana (Cin-
chona peduneulata Krst.). Nach Planchon gehört hierzu sowohl die Quinquina
cuprea des Südens, die Cvjn'ea der Llanos (Arnaud) uud sehr wahrscheinlich
auch die Cuprea des Nordens und von Bucararoanga. Diese Cbinariude, die von
Flückigeb 1871 alseine besondere Rinde erkannt und wegen ihrer an angelaufenes
Kupfer erinnernden Farbe Cuprea geuannt wurde, zeigt sich als besondere
Handelssorte seit 1880 auf dem europäischen Markto, früher war sie nur anderen
Rinden beigemengt. In den Jahren 1880 — 83, wo diese Riude den Markt förmlich
überschwemmte, deckten die Cbiuiufabrikantcn ihren hauptsächlichsten Bedarf aus
ihr. Sie ist auch heute (188(5) noch nicht vom Markte verschwunden, aber selten
geworden. Bei den billigen Preisen für Ceylonrinden scheint aber, wie mir Gehr
mittheilt, ganz abgesehen von der geringen Grösse der Kemijiabestünde, der Transport
im Vergleich zu den ostindischeu Rinden zu theuer zu sein.
Sie kommt in ziemlich flachen Stücken oder Rinnen (selten in Röhren) vor, die eine
Länge bis 50 cm und eine maximale Dicke von 5 — 7 mm (meist 2 — 3 mm) be-
sitzen. Die überwiegende Masse der Droge besteht jedoch aus kleineren Bruch-
stücken. Der längsrunzelige, respeetivo warzige Kork besitzt eine hellbraune Farbe.
Gewöhnlich ist er bis auf wenige anhängende Warzen entfernt und es tritt alsdann
die kupferbraune Aussenrinde zu Tage: dieselbe ist nirgends ganz eben, sondern
reichlich feingrubig (ähnlich als wäre die Oberfläche von Bohrkäfern durchfurcht)
und bisweilen mit conebasartigen Gruben versehen, durch parallele Messerschnitte
gestreift, die offenbar von der Ablösung des Korkes herrühren (FlCckiger). Die
ganze Rinde zeigt diese Kupferfarbe deutlich. Die Inneufläche ist glatt, eben,
fein längsstroifig, schmutzig braunrotb. Eine lebhafte rothe Farbe tritt erst im
Innern hervor. Sie ist sehr hart (in England daher „hard bark") und zerbricht
nur schwer. Der Bruch ist kurz, körnig, niemals faserig. Die Anatomie dieser
Rinde , welche ganz die einer sogenannten falschen Chinarinde ist , wurde obeu
im allgemeinen Theile beschrieben (s. pag. 15, Fig. 5 u. 6).
Von der China nova surinamen* in von Ladenbergia magnifolia Kl.
weicht sie in der Anatomie und dadurch ab , dass die Cuprea, nicht aber dio
China nova, die GRAHE'schc Theerprobe gibt. Die Korkzellen sind bei der China
nova dünnwandig und bilden die Bastzellen im (Querschnitte nicht so lange gerade
Radialreihen wie bei der Cuprea.
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CHINA RINDEN.
Die Cnprea enthält dieselben Alkaloide wie die echten Chinarinden, doch ist
sie dadurch ausgezeichnet, dass sie neben relativ viel Chinin (1 — 2 Procent, selten
mehr), nur wenig andere Alkaloide (im Ganzen 2 — 5.0 Procent Alkaloide [Hesse,
de Vrij], nur Chinidin ist in grösserer Menge darin) enthalt. Besonders werthvoll
ist für die Fabrikverwendung die Abwesenheit von Cinchonidin. Cuprea des 1886er
Marktes, die ich Weller verdanke, zeigte 0.6 — 0.8 Procent Cbiuin. Bei ihr
war der graubraune, breit und unregelmässig runzlige, mit wenigen flachen
Querris9en versehene Kork nicht entfernt. Eine zweite Sorte war schlecht
geschält. Die Cuprea enthält ein (neues) Alkaloid Cup rein (Paul und Cowxley).
Die Gerbsäure der Cuprea ist Kaffeegerbsäure.
Nur wenig Wurzelrindo findet sich in der Cuprea.
Sie gelangt zu uns besonders aus den Gegenden südöstlich von Bogota, den
Bergen der Wasserscheide von Magdalenas und Suarez, aus der Gegend von
Bucaramanga und dem Süden.
h! Die C inchon ami n- Cup rea, von Remijia Purdieana Wald , von Pianohon des-
halb Qninquina ä cinchonamine genannt weil Arnaud ans dieser Rinde ein neues Alkaloid
gewann, Cinclionamin.
Sie ist ebenfall« meist von dem warzigen Korke befreit. Da* Lupenbild zeigt nicht eine
so deutliche Scheidung in zwei Schichten wie bei der Caprea. Vergl. pag. 16.
In dieser Rinde fand Hesse ausser Cinchonamin eine Reihe neuer Alkaloide, die den
Cinchonenrinden und der echten Cuprea fehlen, nämlich Concusconin, Cheiramin, Con-
chei ramin, Cheiramidin, Concheiramidin.
Diese Rinde kommt au« dem mittleren Gebiete zwischen Canca und Magdalenas. Sie bildet
keinen Handelsartikel, sondern kommt nur zwischen der echten Cuprea vor.
c) Tolima-Cuprea, der echten Cuprea einigermassen ahnlich, kam aas Tolima im
oberen Magdalenenthale in einer grossen Sendung auf den Markt, verschwand aber wieder, da
sie sich relativ arm an Chinin (0 8—1.5 Procent) erwies. Abstammung unbekannt.
Gegenwärtig (1886) sind folgende Chinarinden von Handelsbedeutung:
Rothe und gelbe China aus dem Norden Südamerikas : China rubra, China
flava Maracaibo und Porto Ca hello; Calisaya aus Bolivien; Cultur-
rinden aus Ceylon. Java und Ostindien : China indica und j avanica; braune
Ecuador- und Nordperu-Rinden: China Loxa, Huanoco und Guayaquil,
endlich die Cuprea.
Als Fabrikrinden, aus Java: Cinchona Calisaya Ledgeriana,
Schubkraftiana , anglica und javanica ; C. officinalis und C. succirubra. Ans Ost-
indien: C. succirubra, C. Calisaya, Ledgeriana, C. officinalis.
Mo exs gibt (Kinaeultnur) folgende Rinden als 188.J von Java erzengt an: C.
Ledgeriana, Calisaya, Joseph iana, Cal. anglica, Hasskarliana, Pahu-
diana , officinalis , laneifolia var. discolor, succirubra, micrantha, caloptera, cordi-
folia und Trianae. In Ceylon wurden (1886) cultivirt: C. succirubra, offi-
cinalis, Calisaya, Ledgeriana, robusta, roagnifolia und pubescens.
Synonymik einiger echter amerikanischer Rinden.
Cor t ex Cinchona« laneifoliae Mut. = China flav. fibrös, nnd straminca, Cascarilla
naranjada, Quina tanita, Quinquina Carthagene rose, Quinqu. janne orange de Mutis
und jaune orange roule, Quinqu. Carthagene lipuenx (Delondre et Bouchardat),
aniCarlh. tpongicux (Wcdd.). New spurions yellow bark (Pereira) China flava dura
Karsten). Heavy bark from New-Rranada (Howard). Quinqu. Calisaya de Sa. Fe de
Bogota und Quinqu. Maracaibo (Del. et Ron eh.), China Pitayo (?). Columbian Bark
(Wedd.). Von C. lancifol. var. obtusifol. China flava flhrosa ruhiginosa, C. lan-
rifol. var. discolor = China flaza (Iura Pitayo (Karsten).
Cor t ex Chin. r uhe r 9 uh e r o's. = Red bark of commerce (llow.), Qninqu. rouge pale
(Del. et Bonch.) von Cinchona coccinta Pav. (?).
Cortex C inchonae cordifoliae Mut. — China flava dura laevis s. granatens , Cort.
chin. flav. lign. s. de Cartayena dttruft (Karsten). Quinqu. janne de Mutis, Quinqu.
Pitayo (Del. et nouch,). Columbian Bark ex parte (Wedd)
Cortex Cinchonae 1' i t a y e 11 ,v 1 x Wedd. — Cliina Pttava (Berg), Pitaya narajada
(How.) ? Pitayo bark (Wedd eil), gelbe Rinde von Pitayo.
Cortex Cincho» te Petathae Par. = Cascarilla con hojaa de Z*mba (Pavou), Quinqu.
gris ronle (?).
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CHINARINDEN.
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Cortex Cinchon ae hirsutae R et Pav. — Cascarilla Ana delgada do Loxa (Pav.),
Loxa ex parte. Quinquina Huamalies gris terne (Wedd.).
Cortex Cinchonae la nceolatae R. et Pav. =■ Cascarilla boba amarilla (Pav.), Hua-
malies ex parte. Carthugena bark (Wedd.).
Cortex Cinchonae nitida« Ii. et Pap, = Cascarilla Aua Peraana (Pav.), China Pseudo-
loxa, Qoinqn. Hoanoco plat sans epid. (Del. et Bouch.), Quina cana legitima (How. ?),
Psendoloxa ex parte. Hnanuco or Lima bark (Wedd.). Quinquina rouge de Lima, Quin,
ronge vrai non verruqueax (Cascarilla roja vordadera Laubert). Q. rouge officinal
(W«dd.).
Cortex Cin chonae Reich elia nae How. von C. glandulifera var. alpestrls Poeppig
= C. pubescens (How.), Cascarilla amarilla de Loxa, Cascar. negrilla ordinaria, Lima-
Loxa (Poeppig).
Cortex Cinchon ae australi» Wedd. = Cochabamba Bark (How.).
Cortex Ciuch onae Con daminea e Hb. et Bonpl. = die dünnen Köhren als China
Pseudoloxa , die dickeren als China Huamalies , die platten als falsche Calisaya, Cinch.
Apolobamba (Pav.), Marcapata Bark (How.), Quinqn. gris roulö, Quiuqu. Carabaya plat
f». ep. (Del. et Bouch.), Loxa ex parte. Qninquina gris de Loxa compacte (Wedd.).
Quinquina Pilayo, Qu. de la Colombie ou d'Antioquia, Caicarilla parecida ä la Calisaya,
Q. de Colombio lignenx, Wrody Carthagene bark.
Cortex Cinchonae Cr i tu s in g a e Pav. = die jüngeren Rinden als China Loxa, ältere
als Calisaya empedertnida (How.), Cascarilla flna de Uritusinga. Cort. peruvian.
Cortex Cinchonae glanduii ferne U. et Pav. = Cascarilla negrilla, Cinch. uudulata,
feine Loxa, Quina flna de Loxa (How.), Silver crown bark (H o w.), Cascarilla Provinciana
(How.), Quinqu. Loxa, Gris fin Coudaminea (Del. et Bouch.), Loxa und Huamalies
ex parte. Quinquina de Lima tres rugueux imitant le Calisaya (Wedd.).
Cort C ich onae officinulis Hook. = Loxa oder Crown Bark, Pale Bark (Weddell).
Cortex Cinchonae Calisaya Wedd. = bedeckte und unbedeckte Calisaya, Quinqu.
Calisaya plat. et roule /Del. et Bouch.). Bolivian bark, Yellow bark, Quinquina jaune
de roi d'Kspagne, Cascarilla amarilla del Rey, Chin. reg. Calis. anaranjada empederaida.
Cortex Cinchonae Jiolivianae Wedd. — China Calisaya ex parte.
Cortex Cinchonae succirubrae Pav. = Cort. chiu. ruber durus (Berg), Cascarilla
colorada de Huaranda Quito (Pav.), Quinqu. rouge vif. (Del. et Bouch.), China Huanuco
ex parte, Commercial red Bark from Cinch. succirubm (Pav), Bark of cinchon. rnflnervis
Wedd. (How.), Quina roxa (Pav.).
Cortex Cinchonae congl ome rat a e Pav. = Cascarilla colorada de Loxa de la pro-
vincia Jaen (Pav.), Quina cana legitima (How.), Loxa und Psendoloxa ex parte.
Cortex Cinchona e unibcl l i/era e Pav. = Cascarilla flna provinciana de Quito (Pav.),
Huanuco ex parte , Cinch. lutea , Beisorte (P a v.)f Cascarilla amarilla de Chito (P a v.),
Cascarilla crespilla de Jaen (H o w.), Colorada de Cusco, Soft Carabaya bark (H o w.).
Cortex Cinchonae sc robicnlatae Hb. et Bonpl. = China flava (Calisaya) flbrosa,
China rubiginosa, China Huamalies , China de Cuzco, Chiua Uritusinga suberosa. Quina
dudosa (Pav.), Quiuqu. rouge de Cuzco und Quiuqu. faux Calisaya (Del. et Bouch.),
Quinqu. Huauuco jaune päleV (Del. et Bouch.), China Carabaya, Calebaja, gelbe Para-
rinde (Berg), Pseudoloxa ex parte. Ked. Cuzco Bark, Santa Ana Bark (WediD), Quin-
quina de Loxa brun compacte, dunkle Ten China (Wedd.), Qu. do Loxa rouge marron,
Calisaya leger (Wedd.)
Cortex Cinchonae pu rpureae R. et Pav. — Cascarilla de hoja morada Pav., unter
Chiua Jaen pallida und Huanuco (Berg). Hnamalies bark (Wedd.), Quinquina de Lima
blanc (Wedd.).
Cortex Cinchonae suberosae luv. = Cascarilla blanca pata do Galiinazo de Loxa
(Pav.), Huanuco ex parte.
Cortex Cinchonae ovatae R. et Pac. — Cascarilla boba de Gallereta (Pav.) unter
Chin. Jaen pallida (Berg), Quinqu. brun de Cuzco? (Del. et Bouch.). Quinquina de
Loxa condre, A»h bark, blasse Ten China, China Jaen Bergon, Quinquina gris pale
ancien, Qu. blanc de Loxa, Qu. blanc fibreux de Jaen.
Cortex Cinchonae h et e r oph y IIa e Pav. = Cascarilla negrilla o negra (Pav.), Loxa
China ex parto (Berg).
Cortex Ctnchonae subcordatae Pav. — Cascarilla Pata de Galiinazo (Pav.), Quinqu.
Huanuco jaune pale (Del. et Bouch). Huanuco ex parte.
Cortex Cinchonae miernnthae R et Pav. — Cascarilla proviueiana blanquilla (P a v.),
die jüngere Rinde als Huanuco, die ältere als Huamalies, von einer Varietät stammt
die falsche rothe China (Berg); Cascarilla colorada del Rey Huanoco roule avec eped.
(Del. et Bouch.). Lima bark (Wedd.), Quinqnina do Lima gris brun ou ordinaire
(Wedd.). Qninquina jaune orange, Quiuqu. cannelle, Calisaya leger (Wedd.), Cascarilla
claro-amarilla (Laubert), Qu. Huamalies ferrugineux (Wedd.).
Cortex Cinchonae C ha h u c rg ue r a e Pav. — Cascarilla Chahuerguera (Pav.), Loxa
China ex parte, Cascarilla amarilla fina del Rey, la colorada flna del Rey , la crespilla
nigra? (Pav.), Quinqu. de Loxa gris lin negrilla (Del. et Bouch.), Quinqu. gris roulö
(Del. et B o n c h.), flache Guayaquilchina.
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CHINARINDEN.
Cortex Cinchonae microp hyllae Pav. — Cascarilla crespilla con hojas de Hoble
(Pbv.), Casc. hojas de Zamba ex parte (How.),.Loxa ex parte.
Cortex Cinchonae macrocalycis Fat. — Cort. cinchonae de hoja redonda, cavae,
Quina amarilla do Loxa, Cascarilla de Cnenca (P a v.), Loxarinde (hanflg), Qninqn. Jaen
iDol. et Bouch.). Ashy Crown Bark. Die Subspociea C. Palton liefert die Palton Bark
(Wedd.), Qninqnina de Loxa janne fibreux (Wedd.).
Cortex Cinchonae lucu maefol i a Pav. = Cascarilla con hojas de Lucuma (Pav.),
Quina parece do Calysaya cortex es* (Pav.).
Cortex Cinchonae atupeae Pac. = Cascarilla estoposa de Loxa (Pav. , Pseudologia
ex parte.
Cortex Cinchonae tutete Pi\ = CiscarilU amirilla de Inta (Pav.), China flava
dura suberosa (Bertr), Quinqn. janne de Cuzco (Dol. et Bouch.'.
Cortex Cinchonae Palton Pav. = Caacarilla con hojas de Palion ( Pa v.), nnter Loxa
und Flava dura; Huamalics ex parte.
Cortex Cinchonae Pell e t ier e a nac Wedd. = Cort. cinchon. viridiflorac (Pav.),
Cascarilla Codiarilla (Pav.), blasse Jaen (Berg), gelbe Cnzko, Cirua-Carua (Karsten).
Cortex Cinchonae coc.cineae Pav. = Chin. rubra suberosa (Berg).
Cortex Cinchonae p ubenc en s Wedd. = Cusco china, ecorce d'Arica, blasse Jaen (?).
Arica bark (Wedd.).
Carter Cinchonae Bolirianae Wedd. = China Calisaya morada.
Cortex Cinchonae H umbold t ia na e Lamb. Falsche Loxa-Rinde , Jaen bark
(Wedd.).
Cortex Cinchonae ellipticae Wedd. = Carabaya bark (Wedd.).
Cortex Cinchonae tueujensis Krst. = Maracaibo bark (Kr st.).
Cortex Cinchonae ovalifoliae H. et D. = Quiuquina jaune de Cuenca (Wedd).
Die falschen Chinarinden. Zu diesen leitet die Cuprea wegen ihrer Herkunft
und ihres anatomischen Baues (s. pag. 14) hinüber.
Als Kennzeichen derselben kann gelten , ein baudartiger , zRhfadcnförmigcr,
langfaseriger oder bröckeliger, körniger oder glatter Bruch. Scloröiden walten vor
(Remijin). Die charakteristischen Cinehononbastzcllon fehleu stets. Lange Steroiden
sind hftufig (Nauden), ebenso die Milchschlauche.
Sie finden sich meist in Köhren , seltener in Platten. Aussen sind sie meist
eben, seltener rissig, oft korkig. Sie geben die GRAHF.'sche Reaction nicht (der
bei dem Verfahren entstehende Theer ist gelbbraunlieh).
Sie besitzen jetzt kaum noch Bedeutung. Am meisteu Wichtigkeit besitzt die
erstgenannte.
I . Ch i n a n o c a, China nova s u r i n a m e n si 8 seit yranateusis, Quina roja (M u t i j»),
China rosea, China Saranilla, China Valparaiso, China rubra spur, de St. Fe, China de
Caura, Qninquina nova ordinaire, von Cascarilla mayni/alia Endlicher n'inchona oblonytfol a
Alutis, Ladenberyia tnaynifolia Kforh., Huena maynifolia Wedd., Cinchona heterocarpa K*tJ,
vorwiegend wohl au9 Neu-Granada (nicht Surinam). Der Baum (Cascarilla flor de Azahar,
Paln de Roqneson) ist über Pcrn, Columbia und Kcuador verbreitet. Die Blüthen riechen
pomeranzenähnlich.
Die jetzt kaum noch im Handel anzutreffende harte Rindo bildet dünne Röhren von
8mm Durchmesser nnd I — 2mm Stärke oder dickere rinnenformige Stücke von 3 — 6mm Starke.
Die j ringet en Rinden sind (nach Berg) aussen fast eben, mit wenigen zarten Längsfurchen
nnd zarten Querrissen. Ausscnrindo dünn, glänzend, silhorgran, durch zarte Krustenflechten
bunt, bei stärkeren Rinden oft theilweiso oder ganz fehlend. Mittclrindo schwarzbraun, wo
sie zu Tage tritt, kastanienbraun , bei stärkeren Rinden oft bis anf die Innenrinde hin
gespalten.
Im Lupenbilde zeigt der Querschnitt der Mittclrinde abwechselnd schwarzbraune und blass-
röthlichc, tangential verlaufende Schichten. Der Bruch ist korkig.
Die Innenrinde ist auf der Ui.tcrfläche ganz eben, glatt, dunkel zimmthraun, im Querschnitt
chocoladebraun, radial schmutzigweiss gestreift und punktirt. im Bruch erobsplitterig.
Die Anatomie ist sehr der der Cuprea ähnlich. Die Ausscnrinde besteht aus aussen farb-
losen, innen rothbrannen Korkzellen. Die Mittelrinde besteht aus abwechselnden tangentialen
Lagen rothbranner und farbloser Zellschiebten , in letzteren waltet Starke, in ersteren Färb»
stolV vor. Dio Mittelrinde enthält reichlich tangential gestreifte Brachyscleretden , hier und da
auch «rosse ovale Milchschlauche. Die Inueuriude enthalt stärkeführende Rindenstrahlen und
reichlich 0.3mm lange, u Oomm breite Makrosclereiden in radialen, oft mehrgliederigen Reihen,
meist zn Bündeln vereinigt. Dieselben sind dnnn und lang und besitzen ein relativ weites
Lumen und stumpfe Enden, anch Brachysclereiden sind da und dort zn bemerken. Im Siebtheile
linden sich Krystallzellen und zahlreiche gnt erhaltene Siehrohren, besonders in dem inneren
Theile der secundären Rinde, der sehr arm an Sclereiden zu sein pflegt. Die Markstrahlcu
Bind sehr breit. Bisweilen sind in ihnen eiuzelue Zellen sclcrogirt (Moeller).
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CHINARINDEN.
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Diene Rinde enthält die üblichen Bestandteile der Chinarinden, aber keine Alkaloide, gibt
also die Grahe'sche Reaction nicht. Nach einigen Angaben sollte sie Spuren Alkaloid ent-
halten, was aber Hesse bestreitet. In China nova wurde das Chinovin entdeckt.
2. China de Para von einer Ladenbergia (?) bildet (nach Berg) Köhren von 8— 14mm
Durchmesser von umbrabrauner Farbe. Die mir vorliegende Probe zeigt rinnenfdrmige Stücke
?on 3 mm Dicke, die den echten rothen Chinarinden nicht unähnlich sind. Dieselben sind
aussen mit flachen, welligen, längsverlnufenden graubraunen Leisten besetzt. Die Borke ist
hart, im (kurzen) Qnerbruch dnnkelbraun. Die Innenrinde lichtrothbraun , im Bruch relativ
langfaserig.
Sie soll Paricin enthalten.
3. China alba granatensis, Quina blanca Mutis von Ladenbergia macrocarpa Kl.,
bildet (nach Berg) flache 6mm dicke oder dickere Stücke mit braunrother, grösstenteils ent-
fernter Borke, sonst ist die Rinde bräunlich-weiss. Die Innenseitc ist eben, der Bruch in Folge
zahlreicher Steinzollengruppen körnig. Querschnitt hell pnnktirt
Knthalt keine Clüoaalkaloide.
4. China bicolorata s. Pitaya s. Tecamez, China bicolor, Quinquina bicolore, an-
geblich ans Onayaquil von einer lAtdenbergia. Bildet einfache oder mehrfach zusammengerollte
Röhren. Die mir vorliegenden Röhren sind im Durchmesser üOmm und haben eine Dicke
Ton 1.5mm. Sie sind aussen eben und fast glatt und besitzen nur äusserst feine, kurze
und zarte Längsrunzelchen und gar keine Quer- oder Längsrisse. Ihre Farbe ist hellsilhergrau
bis bräunlich. Zahlreiche, in den Conturen oft recht zierliche, stets scharfbegrenzte und grosse,
rein rehbraune Flecken geben der Aussenseite ein sehr charakteristisches Aussehen.
Die Unterseite ist gleichmässig rein zimmtbraun, bis schwarzbraun, sehr feinstreiflg, fast
eben. Das Lupenbild zeigt zierlich radiale, abwechselnd dnnkle und helle Streifen.
Die Innenrinde zeigt schön nnd regelmässig ausgebildete Rindenstrahlen. Bastzellen fehlen.
Scleröiden reichlich ausgebildet.
Diese Rinde soll das Alkaloid Pitayin enthalten (Folchi und Peretti).
5. China rubra de liio de Janeir o , China rubra brasiliens. (Berg), Quinquina de
Californie , China californica, von Ladenbergia Riedeliana Kltzsch. (Cascarilla Riedeliana
Wedd., C. Riedeliana Cas., Buena Riedeliana). i.ie mir vorliegenden Stücke sind rinnenförmige
Astrinden von 4 cm Durchmesser und 5— 6 mm Dicke, äusserlich (wenigstens auf der Oberseite)
der Röhrencalisaya nicht unähnlich. Die Unterseite ist dnnkelzimmtbraun, längsstreifig. Die
starke, aussen silbergraue, innen rothbranne Borke ist von vielen tiefen, horizontal oder schief
horizontal verlanfenden Querrifsen und weniger zahlreichen Längsrissen durchzogen (daher
gefeldert) und mit tiefen unregelmässigen Längsrunzeln besetzt. Sie löst sich nicht ebi>n schwer
von der Mittelrinde Mittel- und Inn«*nrinde sind rothbraun, im Brnch kurzfaserig. Zahlreiche
Scleifciden sind besonders in der Innenrindc enthalten. Bastzellen fehlen oder spärlich, Milch-
schläuche deutlich vorhanden.
Sie schmeckt schwach bitter, stark adstringirend.
Sie enthält Chinovasäure, Gerbstoff (Win kl er), aber keine Chinaalkaloide.
Diese Rinde kam nur einmal in den Handel, verschwand dann aber bald . da man ihre
Wert hlosigkeit erkannte. In der sehr reichen Sammlung von Peckolt in Rio de Janeiro (auf
der sudamerikanischen Ausstellung in Berlin 1886) f-ind ich keine Probe davon. Sie seheint
also verschwunden zu sein. Ebenso
6. China nova brasiliensiit, China de Rio de Janeiro Goeb. etKz., China rubra
spnr. Dittr., China de Bahia nnd de Para rnber, China pseudorubra, Quinquina nova colorada,
von Buena hexandra Pohl (Ca&carilla hexandra Wedd., Ladenbergia hexandra Klzsch.),
hoher Baum in Brasilien. Harte und schwere Röhren oder Halbröhren von braunrother, in's
Brannviolette ziehender Farbe, bis 4 cm breit und bis 8 mm dick, aussen mit groblängsrunze-
ligem oder stark zerklüftetem, in flachen Stucken abspringendem, graubraunem, oberflächlich
gelblichweissem-grauweisslichem Periderm, darunter braunviolett, die stärkeren Stücke mit
stark zerklüfteter, bisweilen entfernter Borke. Innenfläche grobstreitig. Bruch grobsplittertg.
Querschnitt fein radial gestreift (Vogl). Enthält etwas Chinin nnd Paricin (Hosse).
7. Ch ina caribaea «. j amai c e n & i #, jamaicensische Fieberrinde von Exostemma cari-
haeum Willd. von den caraibischen Inseln. Die mir vorliegenden Proh n sind Röhren oder
Rinnen von circa 18mm Durchmesser und ijmra Dicke. Anssen sind dieselben schmntzig grau-
weiss, unregelmässig flachrnnzlig. Der Kork löst sich sehr leicht und vollständig ab. Die (da-
h«r oft hervortreten ile) Mittelrinde ist braunroth.
Der Bruch ist besonders in der Innenrinde kurz und dicksplitterig. Sie ist reich an Sclcrei-
den schmeckt sehr bitter und enthält Chinovasäure (Winckler).
8. China St. Lucia t:, China Piton, China montana, China martini censis,
St Lucienrinde von Exostemma ßoribundum Willd. (Cinrhona ßoribundum Sw.f C. montana
Bad) von den Antillen, kommt (nach Berg) in Röhren oder flachen Rindenstücken von I — 2 mm
Dicke vor. Die Aussenrinde ist längsrunzlig, granbraun, stellenweise mit korkigem, blassbränn-
lichem Ueberznge bedeckt. Die Mittelrinde ist granbraun, im Lnponbilde tangential gestreift,
im Bruch eben. Die Innenrinde ist dunkler, gefeldert, auf der Unterfläche glatt, gestreift,
mit parallelen, etwas hervortretenden Fasern. Bruch blätterig-splitterig.
Der Geschmack dieser Rindo ist widerig bitter. Die darin gefundene Base Montauin (von
Möns) ist fraglich.
48 CHINARINDEN.
9. China rosa aus Tucuman, Paraguatanrinde von Condaminea tinctoria DC.
(Cinchona lacci/era Par.), im nördlichen Südamerika (Orinocco), Chile. Argentinien. Sie ist
schön rosenroth und schwach bitter, aber frei von Chinaalkaloiden (oder enthält doch nur
Spuren), sie gibt die Grahe'sche Beaction nicht.
Ihr sehr ähnlich (oder damit identisch) ist die
10. Ar a r ibarinde , China von Cantagallo von Arariba rubra Mart. ?, welche
Aribin enthält. Anatomisch ihr ähnlich ist die Cort. Chinae californicae »pur. (Yogi).
U. China Lambertiana. Der Loxa äusserlich ähnlich, von Buena Lambertiana
Wedd. fCascarilla Lambertiana Wedd., Cinchona Lambertiana Mart.) in Brasilien (Rio
negro).
12. China brasiliensis de Mi na 8, Cort. Itemijiae, Casca della Quina de Bemijo,
Quina da Serra, von Jtemijia Vtlozii DC. in Brasilien (Minas). Meist unansehnliche, höchstens
l'/4 — 2mm dicke Rindenstücke von vorherrschend rehbrauner Farbe, mit stark gerunzelter
Aussenfläche* (Yogi). Anhaltend bitter.
13. China alba oder blanca de Payta (nicht synonym mit Quina blanca Mutis)
von Cascarilla macrocarpa Wedd. Platten von 3 — 4mm Dicke, hellbraun, oberflächlich
graulich-weiss, grobgestreift, mürbe faserig (Vogl, Flückiger). Sehr bitter.
14. Cortex Qomphosiae chlor anthae, Cort. adst ringen« novus, von Gomphosia
chlorantha Wedd. in Peru (Carabaya). In gleicher Hohe mit C. Gilisaya Wedd., daher der
Calisaya bisweilen beigemengt, 3 — 4 mm dicke Rindenstücke mit läugsrunzeliger, querzerklüfteter
Borke. Im Innern und auf der Innenfläche zimmtbrann. Brach grobsplitterig , fast körnig.
Querschnitt grob radial gestreift (Vogl).
Ferner sind als* falsche Chinarinden zu nennen: China Trujillo, Quinquina de Chiquimala,
Quinqu. de Canquin de Alt» Vera Paz , Quina preta da terra nnd Quina do Matto, Quina de
St. Paulo (von Castrum Pseudochina) ; Quina de Campos (von Strychnos Pseudochi na St. Ml.) ,
Quina Bennjo, Quiua branca, Quina de Caniamu (von Ceritinia illustris Vtll.), Quina do
carapo de Minas llortia brasiliensis Vell. \ Quina do Matto (auch von Exostemma cnspidatum
St. Ml.), Quina de Pernambuco (von Coutarea spteiosa Aubl.) , Quina do Piauhy (von
Exostemma cnspidatum) , Quina do Rio grande do Sul (von Dioscorea febrifuga Mart.),
Quina de tres Folhas brancas (von Ticorea febrifuga St. Ml.), auch Exostemma angusti-
folia Roem. >:t Schult. , sowie andere Sauclea- und Cascarilla- Arten liefern sogenannte
falsche Chinarinden. Ueberhaupt sei an dieser Stelle bemerkt, dass man bittere Rinden
in Südamerika mit dem Namen „Quina" schmückt, auch wenn sie mit Cinchonen nichts zu
thun haben.
Handelsbedeutung besitzt zur Zeit keine von alleu.
Vogl gibt folgende Bestirnmnnjrstabelle der falschen Chinarinden :
I. In den Baststrahlen meist stabförmige oder spulenfurmige dünne oder mitteldicke (0.015
bis 0.96 mm) Bastfasern, und zwar am Querschnitte :
A. In zum Theil ununterbrochenen und seitlich zusammenhängenden radialen Reihen.
Buena-Rinden.
a) In der Mittelrinde weite Milchsaftgefässe
a) Mittelrindo mit reichlichen Meinzellen.
Cortex Buenae. magnifoliae.
Cortex Buenae Lumbertianae.
Cortex Buenae undatae.
» Mittellinde ohne Steinzellcn.
Cvrttx Buenae hexandrae.
Cortex Buenae Riedelianae.
bj Milchsaftgefässe fehlend.
China bicolorata.
B. Meist in mehrfachen ununterbrochenen radialen und zugleich tangentialen Reihen, von
weiten, nicht stark verdickten Steinzellen begleitet. Bastfasergruppen zonenartig mit
schmalen Pigmentschichten wechselnd. Nauclea-Rinden.
Cortex Xuudeae Cimhonae.
C. In tangential gestreckten dichten Gruppen in reichlichem dünnwandigem Gewebe, voll-
kommen verdickt mit punktförmigen Lumen. Exostemma- Rinden.
China St. Lucia f..
< h ina angnstifol ia.
China firrugima.
D. Vorwiegend in lockeren, radial geordneten Reihen oder Strängen; meist mit weitem
Lnmeu. Remijia-Rinden.
China brasiliensis de Minus.
II. In den Baststrahlen am Querschnitte zerstreute, vereinzelte oder in kleinen Gruppen
aggregirtc, von Krystallf';isern dicht umsponnene, dicke C.i.06 bis 0.» >8 mm), meist spindel-
förmige Bastfasern.
China (diu de Payta.
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CHINARINDEN. — CHINA ROTH.
49
III. In den Bastfasern sehr grosse (O.Od bis 0.6 tnm Durchmesser) steinzellenartige Bastzellen
und polymorphe Sklerencbymzellen , am Querschnitte vereinzelt oder in kleinen Gruppen.
China de Contagallo.
China californica spuria.
China de Trujillo.
IV. In den Baststrahlen am Querschnitte vorwiegend qnerelliptischo Strange aus grossen poly-
morphen Steinzellen und Bastzellen.
Cortex (romphosiae chloranthae.
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brauchbares Kärtchen (Halle, Schwarz). Tschirch.
Chinaroth. C29 H33 0|<. Bildet sich beim Kochen von Chinagerbsäure mit ver-
dünnter Salzsaure. Es ist in allen Chinarinden, ain reichlichsten in dea rothen, ent-
halten und entsteht in diesen jedenfalls durch Zersetzung der Chinagerbsilure, wie
K«al-Kncyolopttdie der ges. Pharmacie. III. 4
50
CH1NAROTH. — CHINASÄURE.
sich denn auch hei der Darstellung der Chinagerbsäure (vergl. Bd. II,
pag. 698) immer neue Mengen Chinaroth bilden.
Zur Darstellung des Chinaroths erschöpft man die Kinde mit verdünntem
wäfißerigem Ammoniak , fallt den Auszug mit II Cl und erhitzt den aus Chinovin
und Chinaroth bestehenden flockigen Niederschlag nach erfolgtem Waschen mit
Kalkmilch zum Kochen. Es bleibt dann eine Verbindung von Chinaroth mit Kalk
im Rückstände, den mau mit kochendem Wasser wäscht und mit verdünnter Salz-
säure zersetzt. Das ausgeschiedene Chinaroth wird durch wiederholtes Fiukrystalli-
sireu aus Alkohol gereinigt. Es bildet ein amorphes, rothbraunes, geruch- und
geschmackloses, nicht schmelzbares Pulver, wenig löslich in kochendem Wasser,
leicht in Alkohol, Aether, wässerigen Alkalien und Ammoniak, sowie in concentrirter
Essigsflure. Beim Schmelzen mit Kali gibt sie Essigsäure und Protoeatechu-
Säure. Ganswindt.
Chinasäure. C7 II12 0„. Die Chinasäure gehört zu denjenigen Bestandteilen
der Chinarinden , welche bei der Verarbeitung der letzteren auf Chinin gemeinhin
ganz ausser Acht gelassen werden, trotzdem ihre Darstellung als Nebenproduct eine
durchaus mühe- und kostenlose sein würde. Sie findet sich in den echten China-
rinden zu 5 — 8 Procent, zum geringsten Theil an organische Basen, in der Haupt-
sache an Kalk gebunden, auch in der China noin &h rinn mm »in findet sie sieb ;
ferner ist sie nachgewiesen worden im Heidelbeerkraut . in den Kaffeebohnen , im
Wiesenheu und im Kraut von Galiura Molhigo. Wahrscheinlich findet sie
sich auch noch in manchen anderen Pflanzen , mindestens in denjenigen , die
bei der Destillation mit Braunstein und Schwefelsäure Chinon oder Hydrochinon
geben. Da die Chinasäure selbst, wie ihre Salze, in Wasser leicht löslich ist,
so ist ihre G e w i n n u n g verhältnissmässig einfach. Man zieht zerkleinerte China-
rinde 2 — 3 Tage mit kaltem Wasser aus . fällt aus der Flüssigkeit mit über-
schüssigem Kalk Färb- und Kxtraetivst'>fTe. filtrirt und dampft das Filtrat zur Syrup-
eonsistenz ein.
Man erhält so die gesammte Chinasäure als Kalksalz, welches man umkrystalli-
sirt und entweder durch Oxalsäure oder durch Schwefelsäure in Gegenwart von
Alkohol zerlegt.
Auch aus dem Heidelbeerkraut hlsst sie sich gewinnen: man kocht das frische
Kraut von Vaccinium Myrtillu* mit Kalk und Wasser aus, lässt erkalten, filtrirt,
dampft das Filtrat ein und fällt das Calciumchinat mit Alkohol. Die wässerige Lösung
desselben wird mit Bleiacetat von Farbstoffen und Unreinigkeiten , mit H, S vom
überschüssigen Blei befreit und schliesslich, wie oben, mit Oxalsäure oder Schwefel-
säure zerlegt. Die rationellste Gewinnung der Chinasäure ist wohl die als Neben-
product bei der Chininfabrikation. Man braucht dann nur den mit verdünnter
Schwefelsäure bereiteten Chinarindenauszug, nachdem man die Alkaloide mit über-
schüssiger Kalkmilch ausgefällt hat , zur dünnen Syrupsconsistenz abzudampfen ;
dann krystallisirt zunächst der Gyps aus. Dampft man nun die klar abgegossene
Flüssigkeit zum Extract ein, kocht dieses wiederholt mit Alkohol aus und löst den
Rückstand in wenig Wasser, so erstarrt das Ganze in 2—3 Tagen zu einem
Krystallbrei von chinasanrem Kalk, den man. wie oben, nach vorherigem Auspressen
und Umkrystallisiren zerlegt.
Die Chinasäure bildet grosse , farblose, durchsichtige , der Weinsäure ähnliche,
monokline Säulen, von einem spec. Gew. 1.637. Schmelzpunkt 161°. Sie ist an
der Luft unveränderlich, löst sich leicht in 2.5 Th. kaltem, viel leichter in warmem
Wasser ; schwer in Alkohol und fast gar nicht in Aether. Die wässerige Lösung
ist linksdrehend und schmeckt stark und rein sauer. Bei der trockenen Destillation
liefert sie als Hauptproduct Hydrochinon : beim Kochen mit Wasser und Pb 03
entsteht nur Hydrochinon,
C7 H,, 0, + 0 = C„ IL, 0a + C 02 + 3 IL 0,
Chinasäure Hydrochinon
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CHINASÄURE. — CHINIDIN. 51
I
beim Destilliren mit Braunstein und verdünnter Schwefelsäure dagegen Chi nun.
Die chinasauren Salze gebeu bei der trockenen Destillation hauptsächlich Chinon
(neben Ameisensäure) :
C? Hn O0 + 0 = C, Ht Os + CH2 02 + 3 Ha 0.
Chinasäure Chinon Ameisensäure
Wird Chinasäure rasch an der Luft erhitzt, so verbrennt sie mit Flamme und
mit dem Geruch der verbrennenden Weinsäure. Beim langsamen Erhitzen verliert
sie ein Mo]. Hs 0 und geht in Chinid, C7 H,0 06 , (Iber, eine glasartige zähe
Masse, die sich lejcht in Wasser löst und bei langsamem Verdunsten der wein-
geistigen Lösung in salmiakähnlichen Krystallen erhalten werden kann.
In ihren physikalischen Eigenschaften (Krvstallforni, Löslichkeit, Lichtbrechung)
steht sie der Weinsäure sehr nahe. In chemischer Hinsicht sind keine Verwandt-
schaften vorhanden, obgleich man die Chinasäure als eine Weinsäure betrachten
kann, in welcher 3 H-Atorae dnrch 3 Methylgruppen ersetzt sind, also als Trimethyl-
weinsäure.
Da jedoch bei allen glatt verlaufenden Reactionen Benzolderivate entstehen, so
muss die Chinasäure zu den Additionsproducten der aromatischen Reihe gerechnet
werden. Die jetzt ziemlich allgemein angenommene Structur derselben wurde auf
Hexahy drotetraoxybenzoßsäure lauten, was indessen nur durch sehr ge-
waltsame Anwendung der Substitutionstheorien sich erklären lässt. Ganswindt.
Chinasilber, eine der Alfenide sehr ähuliche oder fast gleiche versilberte
Legirung; s. auch Neusilber.
Chinawein, s. vinum China e.
Chinese Medicine ist eine Einreibung, bestehend aus Lavendelspiritus,
Kampferspiritus, Salmiakgeist und Sassafrasöl.
ChinesiSCh-BlaU, Fayence-Blau, Porzellan-Blau, wird in der Zeugdruckerei
angewendet, um iudigblaue Muster auf weissem Grund hervorzurufen.
ChinesiSCh-GrÜn. Ein vegetabilischer Farbstoff aus Ehamniis cldotophorus
und Ithamnus utilts ; führt auch den Namen Lokao.
Chinesische Gallen, s. Rhus-Gaiien.
Chinesisches Haarfärbemittel von Rothe & Co. ist (nach Hager) eine
Lösung von 8ilbernitrat und Pyrogallussäure in Salmiakgeist und Wasser. —
Chinas. Haarliquor von R. Hofkmann ist (nach Industrie-Bl.) eine ammoniakalische
Silbernitratlösung. Die zugleich mit verabfolgte „Contra-Tinctnr" zur Beseitigung
der Silberflecke ist eine Kalinmjodidlösung.
Chinetum, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. • > 7 1 .
Chinhydron (grünes Hydrochinc >n), CI3H,0O,. Ein intermediäres Product
zwischen Chinon und Hydrocbinon (vergl. Chinon). Es bildet sich beim Vermischen
der wässerigen Lösungen von Chinon und Hydrochinon, sowie auch durch partielle
Reduction von Chinon oder vorsichtige Oxydation von Hydrochinon. — Lange,
metallglänzcnde grüne, im durchfallenden Lichte rothbraun erscheinende Prismen,
welche schon beim Kochen mit Wasser wieder in Chinon und Hydrochinon zer-
fallen. Wenig löslieh in kaltem Wasser, leichter in heissem, leicht in Alkohol und
Aether, sehr schwer in Chloroform, unlöslich in Benzol : in Ammoniak mit grüner
Farbe löslich. Reductionsmittel führen es in Hydrochinon, Oxydationsmittel in
Chinon über. Gauswin.lt.
ChiniCin, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 674.
Chinid. Ein Zersetzungsproduct der Chinasäure fa. d.l
Chinidin, seine Verbindungen und Derivate . s. Chinaalkaloide, Bd. II,
pag. 685.
4*Digitized by -Google (
52 CHIN1D1NÜM SDLFURICüM. — CHININ AUSSCHLAG.
Chillidinum 8UlfuriCUm (Ph. Austr. u.a.), Conchmnum sulfuncum, Chini-
din sulfat. Schwefelsaure» Chinidin; schwefelsaures Conchiuin.
Feine, weisse, glänzende, nadeiförmige Krystalle von bitterem Geschmackc, ohne
Geruch, luftbeständig. Sie verkohlen beim Erhitzen und verbrennen beim Glühen
ohne Röckstand. Sie lösen sich mit neutraler Reaction in etwa 100 Tb. kaltem, in
7 Th. siedendem Wasser , in 8 Th. Weingeist , in 20 Th. Chloroform , kaum in
Aether. Angesäuertes Wasser nimmt sie leicht auf. Die Lösungen drehen das
polarisirte Licht nach rechts. — Identitätsreactionen: Bei Zusatz einer
etwas kleineren Menge verdünnter Schwofelsäure löst sich das Salz in Wasser
leicht auf zu einer blauschillernden Flüssigkeit, welche, mit Chlorwasser und darauf
mit Ammoniak versetzt, eine smaragdgrüne Färbung annimmt. Die rein wässerige
Lösung (1 : 100) des Salzes scheidet auf Zusatz einer nicht zu verdünnten Jod-
kaliumlösung einen weissen, körnigen Niederschlag ab (Unterschied von dem sehr
ähnlichen Chininsulfat), wird aber durch Natriumkaliuratartrat nicht getrübt (Unter-
schied vom Cinchonidinsulfat). Baryumnitrat ruft in ihr einen weissen , in ver-
dünnter Salpetersäure unlöslichen Niederschlag hervor. — Zusammensetzung:
(C20 Ha4 Ns Oa)a Ha 8 Oi + 2 H2 0 (4.6 Procent Krystallwasser). — Darstellung:
In gewissen Chinasorten, zumal der Pitayo- China (von der in Columbia wachsenden
Cinchona Pitayensis) , findet sich das Chinidin und bleibt nach Ausscheidung des
Chininsulfalts in der Mutterlauge. Daher ist es auch ein gewöhnlicher Bestandtheil
des Chinoidins, aus welchem es vielfach dargestellt wird. Man scheidet es durch
Seignctte8alz vom Cinchonidin , da letzteres hierdurch als schwerlösliches Tartrat
ausfällt, das Chinidin aber in Lösung bleibt. Durch Ammoniak wird es aus der-
selben ausgeschieden, dann mit verdünnter Schwefelsäure ueutralisirt und als Sulfat
aus heiBsem Wasser auskrystallisirt. — Prüfung: Conccntrirte Schwefelsäure
löse das Salz farblos oder nur mit schwachgelblicher Färbung auf (Röthung : Salicin,
Bräunung oder Schwärzung: fremde organische Materien); diese Lösung darf auf
Zusatz einiger Tropfen Salpetersäure nicht verändert werden (Röthung: Morphin).
Wird 0.5 g des Salzes mit 0.5 g Jodkalium und 10 ccin Wasser bis gegen 60°
erhitzt und bis zum völligen Erkalten eine halbe Stunde bei Seite gestellt, so
darf das Filtrat durch wenige Tropfen Ammoniak keine oder nur eine schwach
opalisirende Trübung erleiden (Trübung verräth Cinchonidin, Cinchonin oder Chinin).
Wird die mit etwas verdünnter Schwefelsäure bewirkte wässerige Lösung (1 : 20)
mit Ammoniak schwach alkalisch gemacht und mit dem gleichen Volum Aether
geschüttelt, so muss die Mischung sich in zwei klare Schichten trennen (bleibt
hierbei ein Theil des Alkaloids vom Aether ungelöst, so ist Cinchonin oder eine
grössere Menge Cinchonidin zugegen). — Aufbewahrung: In verschlossenen
Glasgefässen. Das Salz verwittert an der Luft nicht. — Gebrauch: Sowohl
gegen Fieber, wie gegen typische Leiden; dem Chinin ziemlich gleichwerthig
gefunden, wurde es gleich dem Chininsulfat in Gebrauch gezogen. Schliekum.
Chinin, seine Verbindungen und Derivate, s. Chinaalkaloide, Bd. II,
pag. 671.
ChininaUSSChlag. In eigeuthünilicher Weise wird die Haut mancher Indivi-
duen bei dem Gebrauche selbst kleiner Chinindoseu angegriffen. Von Arbeitern
in Chininfabriken ist es bekannt, dass sie in Folge der Berührung mit Chinin
einer Hautaffection unterworfen sind , welche sich als Knötchen-, Bläschen , resp.
Pustelbildung an verschiedenen Körpertheilen, namentlich an den Händen und den
oberen und unteren Extremitäten darstellt. Bei gewissen, besonders hierzu prä-
disponirten Menschen, welche Chinin zu Heilzwecken nehmen, treten in seltenen
Fällen Blutflecken an dem gauzeu Körper auf. Bei anderen erscheinen ver-
einzelte rothe Flecke am Rumpfe oder den Extremitäten. Am häufigsten zeigt
sich ein scharlachartiger Ausschlag, der mit Jucken einhergeht und
unter Abschilferung verschwindet , sowie Mischformen aus dem scharlachartigen
und einem bläschenförmigen Ausschlag. Begleitet können diese zufälligen,
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CII I NINAUSSCHL AG. —
CHtNINUM.
53
bisweilen juckenden Hautveränderungen sein von Kopfschmerzen, Schüttelfrost,
Uebelkeit und Erbrechen.
Diese wie alle sonstigen „Arzneiausschlage" (s. Bd. I, pag. 626) hören auf,
wenn der Gebrauch des Mediearoents ausgesetzt wird und hinterlassen keine
Nachwirkungen. Bisweilen sind dieselben mit anderen Nebenwirkungen des Chinin
vergesellschaftet. Solche sind: Störungen in den Sinnes\^erkzeugen , wie Seh-
nnd Gehörsstörungen. Unter ungünstigen Umständen kann sogar dauernde
Benachtheilung des Seh-, resp. Hörvermögens dadurch zu Stande kommen.
Vereinzelt ist auch in Folge von Chiningebrauch Blutspeieu, sowie Heizung der
Harnwege beobachtet worden.
DaB Chinin und seine Verbindungen sind, wenngleich die besprochenen Neben-
wirkungen sich auch nicht bei allen Menschen zeigen, doch als ein Gift anzusehen.
Hinsichtlich des Verkaufs und des Gebrauchs desselben müssen deshalb auch die
Voreichtsmassregeln innegehalten werden, die bei anderen stark wirkenden Stoffen
in dieser Beziehung in Frage kommen. Lew in.
Chininblume, Quinine-flower, volksth. Bez. für das Kraut von Gent in na
quinquefolia L. und anderer Gentianeen, welche in Amerika als Fiebermittel
verwendet werden.
Chinin$äure, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 673.
Chininum (Ph. Austr., Germ. I. u. a. ), Chinin. Ein weisses amorphes oder
mikrokristallinisches Pulver , luftbeständig . von stark bitterem Geschmack , ohne
Geruch; beim Erhitzen verkohlt es und verbrennt iu der Glühhitze langsam, aber
ohne Rückstand. Eb verliert im Wasserbade zwei Drittel seines Wassergehaltes
(9.5 Procent), den Rest bei 125°. Es löst sich mit alkalischer Reaction in 1600 Th.
kaltem, leichter in siedendem Wasser , in 6 Th. Weingeist , leicht in Aethcr und
in Chloroform. Angesäuertes Wasser nimmt es leicht auf ; diese Lösungen drehen
das polarisirte Licht nach links. — Identität sreactionen: Die mittelst ver-
dünnter Schwefelsäure bewirkte Lösung schillert bläulich, zumal bei starker Ver-
dünnung: mit Chlorwasser, darauf mit überschüssigem Ammoniak versetzt, färbt
sie sich smaragdgrün. — Zusammensetzung: Im amorphen Zustande
fC.0 H8t Ns 0,), krystallisirt = (C,0 Ha< N2 0a) 4- 3 H2 O.
Darstellung: Eine mittelst der ausreichenden Menge (2/s Th.) verdünnter
Schwefelsäure bewirkte, nicht zu verdünnte wässerige Lösung von Chiniusulfat
(1 : 50) wird mit Ammoniak oder Natronlauge (Kalilauge) bis zur vollständigen
Ausfällung und alkalischen Reaction versetzt, der Niederschlag ausgewaschen und
ohne Auwendung von Wärme getrocknet. Das anfangs amorph ausgeschiedene
Chinin nimmt allmälig unter Wasseraufnahme Krystallform an, ein Vorgang, der
bald nach der Fällung beginnt. Ph. Gall. verwendet einen grossen Ueberschuss
von Ammoniak (2.4 Th.), um durch theilweise Lösung des Niederschlages während
eines eintägigen Stehenlassens die Ueberführung desselben in den krystalünischen
Zustand zu befördern. — Prüfung: Iu concentrirter Schwefelsäure rauss sich
das Chinin ohne Färbung oder nur blass gelblich auflösen (Höthuug : Salicin,
Bräunung oder Schwärzung: Zucker und andere organische Materien); einige
Tropfen Salpetersäure dürfen diese Lösung nicht färben (Röthung : Morphin). Mit
Kalkmilch erwärmt darf das Chinin keinen Geruch nach Ammoniak entwickeln.
In verdünnter Schwefelsäure gelöst und mit überschüssigem Ammoniak ausgefällt,
soll es bei sofortigem Znsatze von Aether darin gelöst werden, so dass die
Mischuug sich in zwei klare Schichten trennt (bleibende Trübung verräth Neben-
alkaloide der Chinarinde, zumal Cinchonin und Cinchonidin, sowie grössere Bei-
mengung von Chinidin). Genauer wird diese Prüfung in folgender Weise vorge-
nommen (nach Ph. Un. St.) : 1 g Chinin wird mit 0.5 g Ammoniumsulfat und 5 cem
Wasser im Mörser verrieben, im Wasserbade völlig eingetrocknet und mit 10 ecm
Wasser 1;a Stunde bei 15° macerirt, darauf müssen 5 cem des Filtrats, mit 7 cem
Ammoniak gemischt, eine klare Flüssigkeit geben (Trübung verräth Cinchonin,
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54
CH1XINUM. — CHININUM BISULFURICUM.
sowie mehr als 1 Procent Cinchonidin und Chinidin). — Gebrauch: Zur Dar-
stellung mancher Chininsalze ; wegen seiner Unlöslichkeit eignet es sich kaum zur
directen mediciniscben Anwendung. Schlickam.
ChiniflUm biSUlfuriCUm (Ph. omnes), Chininum mlßiricumneutrum, Chininum
sttlfurieum ad dum. Chininbisulfat. Saures schwefelsaures Chinin.
Weisse, glänzende gerade rhombische Prismen, an der Luft verwitternd, von stark
bitterem, nicht sauerem Geschmacke , ohne Geruch. Sie schmelzen beim Erhitzen
(nach Ph. Germ, bei 80°, nach Ph. Gall. bei 100°) in ihrem Krystallwasser und
hinterlassen, im Wasserbade eingetrocknet, 77 Procent wasserfreies Salz. In höherer
Hitze verbrennt das Chininbisulfat , unter Zurücklassung einer voluminösen , glän-
zenden Kohle, welche zerrieben bei fortgesetztem Glühen zwar schwierig, aber
vollständig verschwindet. Das Salz löst sich in 11 Th. Waaser zu einer blau-
schillernden Flüssigkeit, von Weingeist verlangt es 32 Th. zur Lösung ; im Sieden
nehmen beide Flüssigkeiten dasselbe sehr leicht auf. — Identitätsreactionen:
Die wässerige Lösung, auf etwa 200 Th. verdünnt und mit 50 Tb. Chlorwasser
versetzt, färbt sich bei Zugabe von überschüssigem Ammoniak grün. Baryumnitrat
scheidet aus der wässerigen Salzlösung einen weissen, in Salpetersäure unlöslichen
Niederschlag ab. Diese Reactionen, verbunden mit der Leichtlöslichkeit und der
Krystallform des Salzes, beweisen es als Chininbisulfat. — Zusammensetzung:
(C8o H2, Na 02) Hs S04 + 7 Ho 0 (22.99 Procent Krystallwasser). — Darstellung
(nach Ph. Austr.): 10 Th. Chininsulfat werden mit Hilfe von 7 Th. verdünnter
Schwefelsäure in 100 Th. Wasser gelöst und die Flüssigkeit durch Verdunsten an
einem warmen Orte und Abkühlung zur Krystallisation gebracht. Das Chininsulfat
ist vor dem Zusatz der Säure mit einem kleinen Bmchtheile des Wassers anzu-
rühren; die spätere Verdampfung der gewonnenen Salzlösung geschehe in einer
50° nicht übersteigenden Temperatur. Man kann auch 9 Th. Chininsulfat mit etwas
Wasser zu einem Breie anrühren und durch Zusatz von 6 Th. verdünnter Schwefel-
säure zur Lösung briugen, worauf man bei gelinder Wärme verdunsten lasse. Die
gewonnenen Krystallc sind auf einem Trichter zu sammeln und ohne abzuwaschen
auf FliesRpapier bei gewöhnlicher Temperatur zu trocknen. Ex tempore bereitet
man das Salz, indem man für 10 Th. Chininum bisulfuricum 8 Th. Chininsulfat
mittelst der gerade hinreichenden Menge verdünnter Schwefelsäure (gegen 6 Th.)
znr Lösung bringt. — Prüfung auf Reiuheit: Mit Schwefelsäure muss das Salz
eine nur schwach grünlichgelbe Lösung geben (Röthung oder Schwärzung zeigen
fremde organische 8toffe, z. B. Salicin , Zucker an), die sich auf Zusatz einiger
Tropfen Salpetersäure nicht verändern darf (gelbrothe oder rothe Färbung:
Morphin). Beim Erwärmen mit Kalkmilch darf das Präparat kein Ammoniak ent-
wickeln. Wird die wässerige Salzlösung mit etwas überschüssigem Ammoniak aus-
gefüllt und mit so viel Aether geschüttelt, dasa letzterer eine dünne Schicht über
der wässerigen Flüssigkeit bildet , so müssen zwei klare Schichten entstehen und
das ausgeschiedene Chinin vollständig vom Aether aufgenommen werden (ungelöste
Partien verrathen Cinchonidiu uud finchonin, auch grössere Mengen Chinidin). Ge-
nauer prüft man auf die fremden Chinaalkaloide nach Ph. Germ. : 2 g des Salzes
werden mit lg Ammoniak eingetrocknet, darauf mit 20 cem Wasser von genau 15°
geschüttelt uud in dieser Temperatur 1 ., Stunde hingestellt ; 5 cem des Filtrats mit
7 cem Ammoniak vermischt, müssen eine klare Flüssigkeit geben, i Ein Mehrver-
brauch von Ammoniak bis zur Wiederauflösuug des anfänglich ausgeschiedenen
Chinins zeigt die Gegenwart von Cinchouin. sowie bis auf wenige Procente Chinidin
resp. Cinchonidin au. Bei reinem Chininsalze genügen 5 — 6 ecm Ammoniak
zur Wiederaufklärung, j Nach Ph. Cn. St. führt man diese Prüfung in folgender
Weise aus: 1 g des Salzes wird bei 100° vorsichtig ausgetrocknet, darauf mit
8 cem Wasser geschüttelt und mit Ammoniak genau neutralisirt (bis zum neutralen
Verhalten gegen Lackmnspapier : die Mischuug wird mit Wasser auf lOccm
verdünnt, dann 1 a Stunde bei 15<> hingestellt und filtrirt. 5 ecm des Filtrats,
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CHININUM BISULFUßfCUM.
— CHININÜM FERR0CITR1CUM.
55
mit 7 ccm Ammoniak versetzt , müssen eine klare Mischung geben. Fand die
Maeeration bei etwas höherer Temperatur statt, so sind bei 20° 8 ccm, bei 25°
ü ccm Ammoniak zu verwenden, da in solchem Falle mehr Chinin in Lösung ge-
fuhrt ist. — Aufbewahrung: In wohl verschlossenen Glasgcfässen, vor Licht
geschützt. Das Tageslicht färbt alle saueren Chiniusalze im Laufe der Zeit gelb
bi» bräunlich, durch Uebcrführung des Chinins in das isomere, gelbliche, amorphe
Chinicin. — Gebrauch: Wie beim ('Ii inintim sulfuricum, vor welchem das Bi-
sulfat den Vorzug der Leichtlöslichkeit besitzt, zumal zu subcutanen Injectionen.
Fflr Mixturen wird es gewöhnlich durch Lösung von Chiniusulfat mittelst ver-
dünnter Schwefelsäure dargestellt i'vergl. oben). Schliekum.
Chininum CrudUHI, s. Chinaalkaloide, M. IL pag. 671.
Chininum ferrOCitriCUm « Ph. Genn. u. a. ), E i s e n c h i n i n c i t rat, Citro-
nensaures Eisen-Chinin. Dünne, glänzende, grünlich- oder röthlichbraune
(nach Ph. Brit. grünlichgoldgelbe) Schüppchen oder Blättchen oder ein braungelbes
Pulver von bitterem und milde-eiseuartigem Geschmacke, ohne Geruch, in Wasser
langsam, aber vollständig und leicht löslich, wenig löslich in Weingeist. Das
Präparat verkohlt beim Erhitzen nud hinterlässt einen eisenhaltigen Rückstand
ohne alkalische Reaction. •— Identitätsreactionen: Die wässerige Lösung
gibt selbst im sehr verdünnten Zustande sowohl mit Ferrocyankalium, wie mit
Ferricyankalium (das Präparat der übrigen Pharmakopoen ausser Ph. Germ, nur
mit Ferrocyankalium) tiofblaue Niederschlüge, mit Tanninlösung eine schwärzliche
Fällung. Jodlösung trübt selbst die stark verdflnute Lösung unter Verdickung
rothbraun. Schüttelt man die wässerige Lösung nach Zusatz von Ammoniak mit
Aether, so löst sich das ausgeschiedene Chinin iu letzterem auf und es entstehen
zwei klare Flüssigkeitsschichten ; wird der abgehobene Aether, mit angesäuertem
Wasser geschüttelt und letzteres abgetrennt , mit Chlorwasser uud darauf mit
Ammoniak versetzt, so färbt «s sich grün. — Zusammensetzung: Eine
Mischuug von citronensaurem Eisenoxyduloxyd (Ph. Germ.) oder von citronen-
saurem Eisenoxyd (die übrigen Pharmakopoen) mit citronensaurem Chinin. Der
Chiningehalt schwankt je nach der Vorschrift und beträgt nach Ph. Germ, zwischen
9 und 10 Procent, nach Ph. Tin. St. 12 Procent, nach Ph. Belg., Russ. u. a.
13.4 Procent, nach Ph. Brit. 13.7 Procent wasserfreies Chinin. — Darstellung:
1. Nach Ph. Germ, werden 3 Th. Eisenpulver in einer Lösung von 6 Th. Citronen-
säure in 500 Th. Wasser unter öfterem Umrühren 2 Tage im Wasserbade digerirt.
Das dabei sich unter Wasserstoffentwicklung auflösende Eiseu bildet zunächst citronen-
gaures Eisenoxydul , geht aber durch die längere Digestion in Folge von Sauer-
rtoffaufuahiue in das unkrystallisirbare, leicht lösliche Oxyduloxydsalz über. Das
Filtrat wird zur dünnen Syrupsconsistenz eingedampft uud nach dem Erkalten mit
dem wohl ausgewascheneu , noch feuchten Chininhydrat versetzt , welches zuvor
aus 1.3 Th. Chininsulfat mittelst Natronlauge ausgeschieden worden ist. (Dieses
Chininhydrat beträgt mindestens 1.104 Th. und entspricht mindestens 0.946 Th.
wasserfreiem Chiniu, kauu aber zufolge eingetretener Verwitterung des benutzten
Sulfats bis zu 0'97O Th. betragen.) Das Chinin löst sich in dem Eisen-
citrate leicht zu einem Doppelsalze auf, worauf man die dickliche Flüssigkeit auf
Glastafeln oder Porzellanplatten aufstreicht und in gelinder Wärme trocknet. —
2. Nach Ph. Uu. St. löst man 22 Th. Ferricitrat iu 40 Th. Wasser bei einer
60° nicht übersteigenden Warme, fügt dann 3 Th. wasserfreies (bei 100° völlig
ausgetrocknetes) Chinin hinzu uud dampft nach vollzogener Lösung bei höchstens
60° zur Syrupconsistenz ein, worauf man die dickliche Flüssigkeit auf Glasplatten
eintrocknen lässt. — 3. Ph. Russ. und Belg, lösen 4 Th. Ferricitrat nebst
l Th. Chinincitrat in 70 Th. Wasser, verdampfen zur Syrupconsistenz und trocknen
auf Glasplatten aus. — 4. Nach Ph. Brit. fällt mau 6.5 Th. schwefelsaure Eiseu-
oxydflüssigkeit mit Ammoniak, desgleichen 1 Th. Chiniusulfat ; dann wird zunächst
das vollständig ausgewaschene Eisenoxydhydrat in einer Lösung von 3 Th. Citronen-
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56 CHININÜM FERROCITBICÜM. — CQININUM HYDROBROMJCUM.
säure in 5 Tb. Wasser unter Umrühren gelöst , darauf das mit 30 Th. Wasser
ausgewaschene Cbininhydrat. Der erkalteten Flüssigkeit wird in kleinen Mengen
eine Mischung von 1.5 Th. Ammoniak und 2 Th. Wasser hinzugefügt, wobei nach
jedem Zusätze das sich ausscheidende Chinin durch Umrühren wieder in Lösung
überzuführen ist. Die klare Mischung wird zur Syrupdicke eingedampft und auf
Glastafeln oder Porzellanplatten in dünner Schicht bei 100° getrocknet. Zufolge
seines Gehaltes an Ammoniumeitrat entwickelt dieses Präparat der Ph. Brit. mit
Natronlauge erwärmt Ammoniak, wodurch es sich von den Präparaten der übrigen
Pharmakopoen unterscheidet. — Prüfung auf den Chiningehalt: Nach Ph. Germ,
wird 1 g Eisenchinincitrat in 4 cem Wasser gelöst, mit Natronlauge bis zur alka-
lischen Reaction versetzt und zweimal mit je 5 g Aether ausgeschüttelt ; die ab-
gehobenen Aethermengen sollen nach freiwilligem Verdampfen nicht weniger als
0.09 g Chinin hinterlassen. — Nach Ph. Helv. werden 2 g Eisenchinincitrat in 20 g
Wasser gelöst und mit Ammoniak im geringen Ueberschuss versetzt; der ent-
stehende weisse Niederschlag (Cbininhydrat) soll nach dem Auswaschen und Trocknen
mindestens 0.2 g wiegen , in Aether fast vollständig löslich sein und beim Ver-
brennen kaum Spuren eines Rückstandes hinterlassen. — Nach Ph. Un. St. werden
4 g des Präparates in 30 g warmen Wassers gelöst, nach dem Erkalten mit 0.5 g
Weinsäure, darauf mit überschüssiger Natronlauge versetzt und viermal mit je •
15 cem Chloroform ausgeschüttelt. Die vereinigten Chloroformmengen müssen nach
dem Verdampfen einen, bei 100° getrocknet, 0.4 8 g betragenden Rückstand hinter-
lassen. — Nach Ph. Brit. werden 3 g Eisenchinincitrat in 30 g Wasser gelöst und
mit einem geringen Ueberschusse von Ammoniak versetzt; der ausgeschiedene
Niederschlag (Chininhydrat) muss nach dem Auswaschen und Trocknen 0.5 g be-
tragen, in Aetber völlig löslich sein und sich bis auf einen nur sehr unbedeuten-
den Rückstand verbrenucn lassen. — Aufbewahrung: In gut verschlossenen
Gefässen (die Präparate der Ph. Brit. und Un. 8t. sind an der Luft langsam zer-
fliesslich), vor Licht geschützt. — Anwendung: Als stärkendes Mittel bei
Blutarmuth und zumal bei damit verbundenen Neurosen, die Wirkuug des Chinins
als Roborans mit der des Eisens als Tonicuni verbindend ; zu 0.05 — 0.3 in Pillen,
Pulver oder Lösung. » Schliekum^*
Chininum hydrobromicum (Ph. Gaii., un. st.).' chininhyd robromat,
ßromwasserstoffsaures Chinin. Farblose, scideuglänzende Nadeln, bei
gelinder Wärme verwitternd, von stark bitterem Geschmacke, ohne Geruch. Beim
Erhitzen verbrennen sie ohne Rückstand; sie lösen sich in 16 Th. kaltem und
1 Th. heissem Wasser, sowie in 3 Th. Weingeist, auch in Aether, Chloroform
und Glycerin . — Idcntitätsreactioncn: Die wässerige Lösung fluorescirt
bläulich bei Zusatz verdünnter Schwefelsäure : mit Chlorwasser und darauf mit
Ammoniak versetzt, nimmt sie eine grüne Färbung an. Mit Silbernitrat erzeugt sie
einen gelbb'chweissen, in verdünnter Salpetersäure unlöslichen, in Ammoniak schwer-
löslichen Niederschlag. Wird sie mit Ammoniak ausgefällt, das Filtrat angesäuert,
mit etwas Chlorwasscr verdünnt und mit Chloroform geschüttelt, so färbt sich
letzteres gelb. Aetzammoniak scheidet aus der Salzlösung weisses Chininhydrat
aus, welches sich auf Zusatz von soviel Aether, dass derselbe nach dem Schütteln
in massiger Schicht übersteht, darin auflöst, so dass sich zwei klare Flüssigkeits-
schichten bilden. — Zusammensetzung:
Nach Ph. Un. St. (C.,0 II21 N„ 0., >IIBr + 2 IL. 0.
Nach Ph. Gall. : fC20 IL, N2 Ö,) 11 Br + H2 0.
Nach ersterer Formel beträgt das Kry stall wasscr 4.25 Procent, nach letzterer
Formel 8.16 Procent. — Darstellung: In eine siedende Lösung von 100 Th.
Chininsulfat in 800 Th. Wasscr trägt man portionenweise eine Lösung von 38 Th.
krystallisirtem Rrombaryum (mit 2H«0) in 350 Tb. Wasscr ein. Für den Fall,
dass die durch Absetzen etwas geklärte Flüssigkeit auf Zusatz einer wannen Chinin-
lösung noch eine Trübung erleidet, wird so lange noch von letzterer zugefügt,
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CHININUM HYDROBROMICUM. - CHININUM HYDROUHLORICUM. 57
bis kein Niederschlag mehr entsteht. Die beiss abfiltrirte Flüssigkeit lässt man
nach dem Eindampfen im Wasserbade durch Abkühlung krystallisireu und trocknet
die Krystalle ohne Anwendung von Wärme. — Man kann sich auch des Brom-
kaliums statt des Brombaryums bedienen , indem man 100 Th. Chininsulfat mit
27.5 Th. Bromkalium und 100 Th. Wasser anrührt, im Wasserbade eintrocknet
und den Rückstand mit 400 Th. Weingeist durch Digestion extrahirt. Heiss filtrirt
und der freiwilligen Verdunstung ausgesetzt, scheidet die Flüssigkeit das Salz in
nadeligeu Krystallen aus, und zwar etwa in der Quantität des angewendeten
Chininsulfats. — Prüfung: Das Salz löse sich in coneentrirter Schwefelsäure
nur mit blassgrtinlichgelber Farbe auf (Rötbuug: Salicin , Schwärzung: Zucker
u. dergl.) ; einige Tropfen Salpetersäure dürfen diese Lösung nicht verändern
(Röthung: Morphin). Die wässerige Salzlösung darf durch verdünnte Schwefel-
säure durchaus nicht verändert (weisse Trübung : Baryuni), durch Baryumnitrat nur
schwach getrübt werden (Sulfat). 100 Th. des Salzes dürfen beim Trocknen im
Wasserbade nicht weniger als 91.2 Th. zurücklassen (andernfalls eine Beschwerung
mit Wasser vorliegt). 1.5 g Chininhydrobroniat, in 15ccm heisscm Wasser gelöst
und mit 0.6 g zerriebenem Natriumsulfat versetzt, werden */? Stunde lang bei 15°
hingestellt; 5ccm des Fütrats, mit 7 cem Ammoniak vermischt, müssen eine klare
Flüssigkeit geben. (Ein Mehrverbrauch von Ammoniak bis zur Wiederauflösung des an-
fänglich ausgeschiedenen Chinins verräth eine Beimischung von Cincbonin, sowie
bis auf wenige Proceuto Chinidin und Cinehonidin. Bei reinem Chininsalze genügen
noch nicht ganz 6ccm Ammoniak zur Wiederaufklflrung.) Fand die Maceration
in einer etwas höheren Temperatur statt, so sind bei 20° 8ccm, bei 25° 9ccm
Ammoniak zu rechnen, da alsdann mehr Chininsabi zur Lösung gelangt. — Aufbe-
wahrung: In wohlverschlossenen Glasgefässen , da das Salz in warmer Luft
rasch verwittert. — Gebrauch: Wie beim Chininsulfat . jedoch leichter ver-
träglich für den Magen. Schliekum.
Chininum hydrOChloriClim fPb. omnes), Chininum muriaticum, Chinin-
h y d r o c h 1 o rat, Salz saures Chinin. Feine, weisse Kry stall nadeln von sehr
bitterem Geschmacke, ohne Geruch, bei gewöhnlicher Temperatur luftbeständig,
in der Wärme rasch verwitternd (unter Verlust von 1 Mol. H2 0 = 4.5 Procent).
Beim Erhitzen verbrennen sie mit stark russender Flamme, ohne feuerbeständigen
Rückstand zu hinterlassen. Sie lösen sich mit neutraler Reaction in 34 Th. (Ph.
Genn.), nach Ph. Austr. in 24 Th. Wasser von gewöhnlicher Temperatur, sehr
leicht in siedendem Wasser, desgleichen in 3 Th. Weingeist, in 9 Th. Chloroform,
aueb in heissem Glycerin. Die wässerige Lösung reagirt neutral und schillert nicht
auf Zusatz verdünnter Schwefelsäure (Unterschied vom Chininsulfat). Im Wasser-
bade getrocknet, hinterlasst das Salz 91 Th. Rückstand. — Identitätsreac-
t i o n e n : Die wässerige Lösung scheidet auf Zusatz von Silbernitrat einen weissen,
käsigen , uicht in verdünnter Salpetersäure , leicht aber (abfiltrirt) in Ammoniak
löslichen Niederschlag ab. Mit Cblorwasser und darauf mit Ammoniak versetzt,
färben sich selbst verdünnte Salzlösungen (1 : 200) intensiv grün. Das mittelst
Ammoniak aus der wflsserigen Lösung (1 = 50) ausgeschiedene Chininhydrat löst
Hieb bei Zusatz von so viel Aether, dass derselbe nach dem Schütteln in dünner
Schicht (' io Vol.) tibersteht, darin auf, so dass sich die Mischung in zwei klare
Schichten trenut. In der wässerigen Lösung des Salzes wird durch Jodkalium kein
Niederschlag erzeugt, eine etwa entstehende Trübung verschwindet bei Zusatz einiger
Tropfen Weingeist wieder (Unterschied vom Chinidinhydrochlorat). — Zusammen-
setzung: (Cj0IInN3O2)II('l + 2II20 (9 Procent). — Darstellung: Durch
Sättigung von Chinin mit verdünnter Salzsäure und Verdampfung der erzielten
Ivösung in massiger Wärme (nicht in zu hoher Temperatur , da dieselbe zersetzend
wirkt) zur Krystallisation. Auch stellt mau das Salz aus dem Sulfat dar durch
Umsetzung mit Chlorbaryum, wobei Baryumsulfat als unlösliches Pulver sich aus-
scheidet und heiss abfiltrirt wird. Mau hat hier sorgsam darauf zu achten, dass
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58
CH1XINÜM HYDROCHLORICUM.
alles Baryuni niedergeschlagen ist und das Filtrat auf weiteren Zusatz von Chinin-
Bnlfatlösung keine Trübung mehr erleidet ; in solchem Falle wäre durch einen vor-
sichtigen Zusatz von Chininsulfat diese völlige Ausscheidung des Baryuras zu
erzielen. Ph. Austr. lässt 40 Th. Chininsulfat in 1500 Th. siedendem Wasser
lösen und eine heisso Lösung von 1 1 Th. Chlorbaryum in 30 Th. Wasser ein-
tröpfeln. Das schwefelsaure Baryum wird an einem warmen Orte ahsetzeu ge-
lassen, dann abfiltrirt und das Filter gewaschen. Die filtrirten Flüssigkeiten werden
bei einer 40° nicht Übersteigenden Temperatur verdunstet und durch Abkühlung
zur Krystallisation gebracht. Mau trocknet sie ohne Anwendung vou Wärme.
(Ph. Austr. lässt sie nochmals umkrystallisiren. i Da ein Verdampfen grösserer
Wassermengen mögliehst zu umgehen ist , empfiehlt sich mehr die Vorschrift der
Ph. Gall., nach welcher 100 Th. Chininsulfat in 800 Th. heissem Wasser ver-
theilt und mit der genügenden Menge einer Lösung von 28 Th. Chlorbaryum in
200 Th. Wasser zersetzt werden ; nach kurzem weiteren Erhitzen ist zu filtriren
und im Wasserbade zur Krystallisation einzudampfen. Am rathsamsten ist es, die
Lauge langsam verdunsten zu lassen, bis das meiste Salz auskrystallisirt und nur
wenig Mutterlauge mehr vorhanden ist : dann sammelt man erstcres , presst es
schwach aus und trocknet es in gewöhnlicher Temperatur. Aus der geringen Mutter-
lauge fällt man durch Ammoniak das Chinin zur geeigneten Verwerthung. Ausbente :
90 — 91 Procent vom Chininsulfat. — Prüfung: In eoncentrirter Schwefelsäure
löse sieh das Präparat nur mit blassgrünlichgelber Farbe i Röthung verräth Saliein,
Schwärzung : Zucker u. dergl.) ; einige Tropfen Salpetersäure sollen dieselbe nicht
verändern (Röthung: Morphin). Die verdünnte wässerige Salzlösung (1 : 100 1 darf
durch verdünnte Schwefelsäure gar nicht verändert (weisse Trübung: Baryum),
durch Baryumnitrat nur opalisirend getrübt werden Sulfat». Hinterlässt das Salz
beim Trocknen im Wasserbade weniger als 9 1 Procent . so ist es mit Wasser
beschwert. — Die Prüfung auf die Nebenalkaloide der China geschieht entweder
nach der KERXER'schen oder nach der HESSK'schen Probe. Erstere, von den
Pharmakopöen aufgenommen, wird mit dem Sulfate vorgenommen, in welches das
Hydrochlorat überzuführen ist, und gründet sieh auf die Schwerlöslichkeit des
Chininsulfats gegenüber den Sulfaten des Cinchonins. Chinidins und Cinchonidins.
Man zerreibt 2 g Chininhydrochlorat mit 0.8 g Natriumsulfat , gibt 20 g Wasser
hinzu und lässt bei 15° eine halbe Stunde unter öfterem Umrühren stehen; von
der durch das ausgeschiedene Chininsulfat trüben Mischung werden 5 com Flüssig-
keit abfiltrirt und mit Ammoniak bis zur Wiederaufhellung versetzt ; hierzu dürfen
nach Ph. Germ, nicht mehr als 7 cem Ammoniak verbraucht werden. Ein Mehr-
verbrauch von Ammoniak zeigt die Gegenwart von mehr als einigen Procenten
Nebcnalkaloidcn der China an; bei reinem Chininhydrochlorat genügen schon
3.5ccra Ammoniak, wenn die Maceration genau bei lo° vorgenommen wurde. Für
18 — 20° ist leem Ammoniak mehr zu rechnen. Die Gegenwart überschüssigen
Natriumsulfats verringert , die des entstandenen Natriumchlorids erhöht etwas die
Löslichkeit des Chininsulfats, bei den obwaltenden gegenseitigen Mengeverhilltnissen
verringert sich der Effect nur wenig. Man erkennt selbst beigemengte Spuren von
Cinchonin und Chinidin durch einen starken Mehrverbrauch an Ammoniak, sowie
noch 1 Procent Cinchonidiu. — Zur Vornahme der HESSK'schen Probe führt man
ebenfalls lg Chininhydrochlorat durch Verreiben mit 0.4g Natriumsuli'at und
20 g Wasser in Chininsulfat über und filtrirt nach halbstündiger Maceration,
5ccm des Filtrats, mit 1 cem Aether und 5 Tropfen Ammoniak versetzt und in
einem verschlossenen Glase bei Seite gestellt, dürfen weder körnige Ausscheidungen
(Cinchonidiu), noch concentrische Nadeln (Chinidin, Cinchonin) mit der Lupe
erkeunen lassen , selbst nicht nach längerer Zeit. (Bei 1 Procent Cinchonin oder
Cinchonidiu treten jene Krystallisationen erst nach 12 Stuuden , bei 2 Proeent
schon nach 10 Minuten, bei 3 Procent nach 3 Minuten auf. Vom Chinidin erkennt
man 2 Procent erst nach 2 Stunden, 1 Proeent selbst nicht nach 12 Stunden.)
Eine dritte sehr empfehlenswerthe Art der Prüfung auf die Nebenalkaloide gründet
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CHININUM HYDROCHLORICUM. ~ CHININUM SÜLFURICUM.
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sich auf die Ausscheidung des Chinins als Chromat, aus dessen kaltgesättigter
wässeriger Lösung Alkalien kein Chinin fallen, da das Chinin mit seinem Chromate
gleiche Löslichkeit besitzt, wahrend in den Lösungen der Chromate des Cincho-
nidins, Chinidins und Cinchonins Alkalien Trübungen hervorrufen. 0.4 g Chinin-
hydrochlorid werden in 10 g heissem Wasser gelöst, mit 0.12 g zerriebenem gelbem
Kaliumchromat versetzt und zum Erkalten bei Seite gestellt, nach 3 — 4 Stunden
wird filtrirt und zum Filtrate 1 — 2 Tropfen Natronlauge oder Ammoniak gefügt,
wobei weder Trübung noch Abscheidung von Flocken eintreten darf. (Eine
Opalescenz oder Trübung verräth Nebenalkaloide über 1 Procent, Cinchonin über
1 , Procent.) — Aufbewahrung: In wohl verschlossenen Gefässen , da
das Salz an warmer Luft verwittert (unter Verlust bis zu 4.5 Procent). —
Gebrauch: Wie das Chininsulfat , jedoch in etwas kleineren Dosen wegen
des durch das geringere Krystallwasser bedingten höheren Chiningehaltes.
Schliekum.
Chininum salicylicum rpb. Gaii., Russ.), chini nsalicylat, Salicyl-
saures Chinin. Weisse, glänzende, leichte Prismen, luftbeständig, ohne Geruch,
von bitterem Geschmack, beim Erhitzen verbrennend, ohne Rückstand beim Glühen
zu hinterlassen. Sie lösen sich in 225 Tb. Wasser, 20 Th. Weingeist, schwieriger
in Aether . leicht und vollständig in Chloroform. — Idcntitätsreactiouen:
Die wässerige Lösung färbt sich mit Cblorwasser und darauf mit Ammoniak ver-
setzt, grün ; auf Zugabe von Eisenchlorid wird sie blauviolett gefärbt. Schüttelt
man die Lösung mit etwa« Ammoniak und einer geringen Menge Aether, so dass
derselbe in massiger Schicht überstehen bleibt, so löst sich das ausgeschiedene
Alkaloid im Aether vollständig auf.
Zusammensetzung: (Ca0 Ha, N2 02) C7 Hu O, 4- H2 0.
Darstellung: 10 Th. Chininsulfat werden mit 33/4 Th. trockenem (4 Th.
krystallisirtem) Natriumsalicylat und 120 Th. Wasser zum Sieden erhitzt; beim
Erkalten scheidet sich das Chiuinsalicylat aus. wird auf einem Filter gesammelt,
etwas ausgewaschen, ausgepresst und aus 50 Th. heissem Weingeist unikrystallisirt.
— Prüfung: Die wässerige, kaltgesättigte Lösung darf durch Barvumnitrat nur
schwach opalisirend getrübt werden. In concentrirter Schwefelsflure musa sich das
Salz nur mit schwach grünlichgelber Farbe auflösen (Röthung oder Bräunung:
organische Verunreinigungen). Auf Nebenalkaloide der China prüft man es, indem
man 5 ecm der wässerigen, kaltgcsättigten Lösung mit l cem Aether und einigen
Tropfen Ammoniak versetzt und in einem wohl verschlossenen Glase • bei 8eite
stellt; selbst nach 2 Stunden dürfen aus der ätherischen Schicht keine körnigen
oder krystallinischen Ausscheidungen sich gebildet haben (erstere deuten auf
Cincbonidiu, letztere auf Cinchouin oder Chinidin). — Aufbewahrung: In ver-
schlossenen Glasgefflsseu. — Gebrauch: Wie das Chininum suffuricum.
Schliekum.
Chininum SUlfuriCUm (Ph. omnes). Chininsulfat. Schwefelsaures
C h i n i n. Feine, weisse , glänzende , biegsame Nadeln , zuweilen harte , spiessige
Krystalle, ohne Geruch, von stark bitterem Geschmack, an der Luft allmälig bis
zu einem Verlust von nahezu 12 Procent verwitternd, beim Erhitzen verkohlend
und geglüht, ohne Rückstand verbrennend. Das Salz löst sich mit neutraler
Reaction in 800 Th. kaltem , 25 Tb. siedendem Wasser , in 30 Th. kaltem,
6 Th. siedendem Weingeist, nicht in reinem Chloroform, jedoch in einer
Mischung aus 2 Vol. Chloroform und 1 Vol. wasserfreiem Weingeist. Bei 100°
getrocknet, verliert das Chininsulfat 15 Procent, bei 115° H..2 Procent, d. i.
sein geaammtes Krystallwasser und hinterlässt 83.8 Procent des Salzes. — Iden-
titätsreactionen: Bei Zusatz, einer etwas kleineren Menge verdünnter Schwefel-
säure löst sich das Salz leicht in Wasser zu einer, zumal in der Verdünnung blau-
schillernden Flüssigkeit , welche das polarisirte Licht nach links dreht und , mit
Chlorwasser und darauf mit Ammoniak versetzt, sich intensiv grün färbt. Fügt
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6u
CHININÜM SULFURICOM.
man zur sauren Lösung (1 : 50) Ammoniak und so viel Aetber , dass er nach
dein Schütteln in dünner Schicht ('/,<> Vol.) übersteht, so nimmt derselbe das aus-
geschiedene Alkaloid vollständig auf, und die Mischung trennt sich in zwei
klare Schichten. Die rein wässerige Lösung des Salzes wird durch Baryumnitrat,
nicht durch Silbernitrat gefällt ; Jodkalium fällt sie nicht (Unterschied von Chinidin-
sulfat). — Zusammensetzung: (Cao Hal Nä Og) H8 SO, + 8 H2 0 (Krystall-
wassergehalt IG. 2 Procent). Das meiste Salz des Handels ist durch beginnende
Verwitterung auf 71 2 Mol. (15.3 Procent) Krystallwasser redueirt. Mit 2 Mol.
Krystallwasaer gewinnt man das Chininsulfat ans siedender alkoholischer Lösung in
luftbeständigen feiuen Nadeln. — Darstellung: Fabrikmässig aus der rothen
und Königschina, zumal den auf Java und dem ostindischen Festlande cultivirten
Rinden. Dieselben werden mit salzsäurehaltigem Wasser zu wiederholten Malen
extrahirt, die Auszüge mit Kalkmilch alkalisch gemacht und dadurch das Chinin
mit dem überschüssigen Kalke niedergeschlagen. Aus dem ausgewaschenen und
getrockneten Bodensatz werden die Alkaloide mittelst Weingeist ausgekocht uud
der Weingeist zu zwei Drittel abdestillirt , worauf das Cinchonin zum grössten
Theile auskrystallisirt. Die rückständige Flüssigkeit, genau neutralisirt mit ver-
dünnter Schwefelsäure, wird nun vom Weingeiste vollständig befreit und lässt das
Chininsulfat beim Erkalten in feinen Nadeln auskryBtallisiren. Durch mehrmaliges
Umkry8tallisiren aus siedender Lösung und Filtration durch Thierkohle wird das
Salz gereinigt. Die 8ulfate der Nebenalkaloide bleiben hierbei in der Mutterlauge.
Man trocknet das Chiuinsulfat in einer 36° nicht übersteigenden Temperatur. Von
den begleitenden Nebenalkaloideu vollständig rein gewiuut man das Chiuinsulfat
dadurch , dass man es zunächst in Bisulfat überführt , letzteres auskrystallisiren
lägst (die Bisulfate der Nebenalkaloide bleiben in der Mutterlauge) und durch
Neutralisation mittelst Ammoniak in das neutrale Salz zurückverwandelt. —
Prüfung: lg des 8alzes, im Wasserbade ausgetrocknet, darf nicht weniger
als 0.85 g zurücklassen (bei einem geringeren Rückstände ist das Sulfat mit
Wasser beschwert). In concentrirter Schwefelsäure löse es sich nur mit blassgrün-
lichgelber Farbe auf (Röthung : Salicin, Schwärzung : Zucker u. dergl.). Gibt man
zu dieser schwefelsauren Lösung einige Tropfen Salpetersäure, so darf keine Farben-
veränderung eintreten (Röthung : Morphin, weniger eine Verfälschung, als wie eine
Verwechslung !). Kalkmilch darf aus dem Chininsulfat kein Ammoniak frei machen.
Auf Platinblech verbrenne das Salz bei andauerndem Glühen ohne jeglichen Rückstand.
Eine Generalprüfung auf fremde Beimengungen führt mau aus, indem man 1.0 g
Chininsulfat in 7 cem einer Mischung vou 2 Vol. Chloroform und 1 Vol. wasser-
freien Weingeistes kurze Zeit bis auf 40 — 50° erwärmt: es muss eine vollständige
Lösung crfolgeu, die auch nach dem Erkalten klar bleibe. Auf die Neben-
alkaloide der Chinarinden wird entweder die KERXER'sche oder die HESSE'sche
Probe angewendet. 1. Die Methode nach Dr. Erkner ist die von den neueren
Pharmakopoen aufgenommene und gegründet auf der sehr geringen Löslichkeit
des Chininsulfats (1:800) in kaltem Wasser, während die Sulfate des Cinchonins,
Chinidins und Cinchonidins sich reichlicher darin lösen (1 : 70— 100); andererseits
löst sich von sämmtlichen Chiuaalkaloiden das Chinin am leichtesten in Ammoniak-
liquor auf 1 0.004 in 1 ccm). weniger leicht das Cinchonidin und Chinidin, fast gar
nicht das Cinchonin. 2 g Chininsulfat werden bei 15° mit 20 cem Wasser ge-
schüttelt und in dieser Temperatur 1 2 Stunde bei Seite gesetzt. Zu 6 ccm des
Filtrats werde portionenweise Ammoniak gesetzt, bis das ausgeschiedene Chinin
wieder zur Lösuug gelangt ist. Hierzu dürfeu nach Ph. Germ, nicht mehr als 7 ccm
Ammoniak verbraucht werden. Bei eiuera reinen Chininsulfate genügen 4 — 5 ccm
Ammoniak auf 5 ccm Filtrat. (Ein Mehrverbrauch verräth eine mehrere Procente
übersteigende Beimengung von Cinchonin. Chinidin oder Cinchonidin.) Bei Anstellung
dieser Probe ist jedoch die Temperatur von grosser Wichtigkeit , in welcher die
Maceration des Chininsulfats vorgenommen wird; bei 18— 20° behandelt, bedürfen
5 ccm des Filtrats 1 ccm Ammoniak mehr als nach der Maceration bei 15°. Ferner
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CHININ DM SULFURICÜM.
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ist von Bedeutung in welchem Zustande der Aufgeschlossenheit das Chininsulfat
sich befindet. Nichtverwitterte Krystalle geben ihren Gehalt an Sulfaten der
Nebenalkaloide nur schwierig ab, so das» ein solches Salz kaum mehr Ammoniak
verbraucht als ganz reines Chininsulfat. Befinden sich aber die Kryställchen zu
Folge längerer Aufbewahrung und theilweiser Verwitterung in einem halbzerfallenen
Zustande, so geben sie ihre Beimischungen leichter ab (von einem z. B. mit
2.5 Procent Cinchonidinsulfat beladenen Chininsulfate im frisch krystallisirten Zu-
stande der Prüfung unterworfen, erfordern 5 ccm Filtrat von 15° nur 5 ccm, in
etwas verwittertem Zustande der Prüfung unterzogen 7 ccm, im völlig verwitterten
Zustande 8 ccm Ammoniak bis zur Aufklärung). Die Probe gibt also nur dann sichere
Resultate, wenn man das Chininsulfat bei 100° gfinzlich verwittern lässt, bevor
man es mit dem Wasser erschöpft. Sorgsames Zerreiben des Salzes erzielt nahezu
dasselbe gute Resultat. Auch ist zu beachten, dass die Beendigung der Probe
in den Zeitpunkt fällt, wenn durch den Ammoniakzusatz die anfangs stark getrübte
Cbininlösung sich aufgeklärt hat; es schwimmen dann nicht selten noch wenige
feine Partikelchen in derselben herum, deren Wiederauflösung eine unverhöltniss-
mässige Quantität Ammoniak beanspruchen würde. Ein Auskochen des Chinin-
sulfats mit dem Extractionswasser und Auskrystallisiren des Chininsalzes bewirkt
gewöhnlich eine übersättigte Lösung, so dass 5 ccm derselben 7.5 ccm Ammoniak
erfordern, selbst beim reinen Salze. — 2. Die IlESSE'sche Probe gründet sich auf
die sehr grosse Löslichkeit des Chinins in Aether (1 : 1 — 2;, welcher die anderen
Chinaalkaloide schwieriger aufnimmt (das Chinidin 1 : 22, das Cinchonidin 1 : 188,
daB Cinchonin 1 : 370). Nach der HESSE'schen Probe wird 0.5 g Chininsulfat mit
10 ccm Wasser von 50 — 60° kräftig durchschüttelt (besser zum Sieden erhitzt)
und nach dem Erkalten filtrirt. 5 ccm des Filtrats , mit genau 1 ccm Aether und
5 Tropfen Ammoniak versetzt, dürfen selbst nach längerer Zeit keine körnige
Ausscheidungen (Cinchonidin) oder Krystallnadeln (Cinchonin, resp. Chinidin) mit
der Loupe erkennen lassen. Hierdurch werden 2 — 3 Procent Cinchonin und Cin-
chonidin schon nach wenigen Minuteu, 1 Procent erst nach 12 Stunden nach-
gewiesen, nach 12 Stunden aber erst 2 Procent Chinidinsulfat. Hier ist ebenfalls
ein Zerreiben oder Austrocknen des Salzes nothwcndig, damit die Nebenalkaloide
voll zur Lösung gelangen. Auch ein Aufkochen des (unzerriebenen , unver-
witterten) Salzes mit dem Wasser und Wiedererkaltenlassen führt zum Ziele. —
Ph. Austr. begnügt sich mit der Liebig 'sehen Probe: 0.5 g Chininsulfat werden mit
5 g Aether innig gemischt, welchem zuvor 1.5 g Ammoniak beigegeben ist. Nach
dem Schütteln muss sich die Mischung in zwei klare Schichten trennen , welche
selbst nach längerem Stehen im verschlossouen ProbircyHnder auf der Grenzlinie
keine Abscheidungen zeigen dürfen (letztere können nur bei einem Gehalte von
über 3 Procent Cinchonin oder 5 Procent Cinchonidin, aber erst von über 45 Pro-
cent Chinidin eintreten). Eine scharfe Prüfung auf Chinidin und Cinchonin gestattet die
Schwerlöslichkcit des Chinintartrats in Wasser. Mischt man 5 ccm der kaltgesättigteu
wässerigen Lösung des Chininsulfats mit 0.25 g gepulvertem Natriumkaliumtartrat
und stellt Va Stunde bei Seite, bei öfterem Umschütteln, so gibt das Filtrat nach
Zusatz von 1 Tropfen Ammoniak schon 1 Procent genannter Nebenalkaloide (aber
nicht Cinchonidin) durch Trübung zu erkennen. 3. Eine dritte, sehr empfehlenswertbe
Art der Prüfung des Chininsulfats auf Nebenalkaloide gründet sich auf die Ab-
seheidung des Chinins als Chromat, aus dessen kaltgesättigter wässeriger Lösung
Alkalien kein Chinin fällen , da dasselbe mit seinem Chromate gleiche Löslicbkeit
besitzt, während die Lösungen der Chromate des Cinchonins, Chinidins und Cin-
chonidin» durch Alkalien getrübt werden. Zwar ist das Cinchoninchromat ebenso
schwer löslich als das Chininchromat, aber das reine Cinchonin ist in Wasser fast
unlöslich. Die Chromate von Chinidin und Cinchonidin lösen sich schon in 500 Th.
Wasser , sind also viermal löslicher als das Chininchromat ; in diesen Lösungen
erzeugen Aetzalkalien starke Trübungen. Man gibt dieser Probe am besten folgende
Form: 0.4g Chininsulfat wird in 12g siedendem Wasser gelöst, mit 0.12g zer-
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CBININÜM SULFURICUM. — CHIXINUM TANNICUM.
riebeuem gelbem Kaliumchromat versetzt and zum Erkalten bei Seite gestellt;
nacb 3 bis 4 Stunden wird die Flüssigkeit von dem ausgeschiedenen gelben
Cbiuinehromat abfiltrirt und mit 1 — 2 Tropfen Natronlauge oder Ammoniak ver-
setzt, wobei weder Trübung, noch Ausscheidung vou Flocken eintreten darf
(Opaleszenz oder Trübung verräth Nebenalkaloide , und zwar Cinchonidin und
Chinidin über 1 Procent, Cinchonin Über 1 2 Proeent/. — Aufbewahrung:
In wohlverschlosseuen Glas- oder Blechgefässen. Das Chininsulfat beginnt seine
Verwitterung so schnell, dass es lange Zeit eine Streitsache war, ob es mit 7, 7'/3
oder 8 Mol. Wasser krystallisire. Bei sorgloser Aufbewahrung schreitet die Ver-
witterung bis auf 2 Mol. Krystallwasser fort, in welcher Verbindung das Salz
luftbeständig ist. Man erleidet dabei jedoch 'einen Verlust bis zu nahezu 12 Pro-
cent. — Gebrauch: Als Tonicum und stärkendes Mittel; gegen Wechselfieber;
in entzündlichen Krankheiten und regelmässig wiederkehrenden Neuralgien. Mah
gibt das Mittel theils als Pulver in Oblaten, Chokoladepastillen , Pillen, theils in
Mixturen, mittelst verdünnter Schwefelsäure (7 Th. auf 10 Th. Chininsulfat),
Salzsäure (31,., Th. auf H> Th.), Weinsäure oder Citroneusäure (2 Th. auf 10 Th.)
in Lösung Ubergeführt, unter Zugabe von Kaffee, einigen Tropfen Chloroform
u. a. als Corrigentien. Es erzeugt nicht selten Erbrechen bald nach dem Genüsse.
Zu vermeiden sind bei innerlicher Anwendung Metallsalze, Alkalien, Tannin, Lakriz
(letztere beide gehen uulösliche Verbindungen mit dem Chinin ein). Auch in Klystier
anwendbar , zumal zu empfehlen bei Kindern und Personen , die leicht darnach
brechen. Bei grösseren Chiningaben tritt gewöhnlich der Rogenannte Cbininrausch,
mit Ohrensausen verbunden, ein. (S. auch Chiuinan »schlag, pag. 52.)
Subcutane Anwendung empfiehlt sich wenig, wegen der nicht selten eintretenden
Entzündung an der Einstiehstclle. Schliekum.
Chininum tannicum (Ph. Austr., Gcrm.i. u. a.), chu i n t a n n a t. Gerb-
säure» Chinin. Ein gelbliches, amorphes Pulver, fast ohne Geruch, von zu-
sammenziehendem, etwas bitterem Gcschmacke, luftbeständig, in der Hitze ver-
kohlend, bei längerem Glühen ohne Rückstand vcrbrennlich, nur wenig in kaltem,
leichter in heissem Wasser, sowie in Weingeist löslich ; mit Wasser erhitzt , ballt
es harzartig zusammen. — I d en t it ä tsr ea c ti o n e n : Mit Wasser angescbüttelt,
färbt sich das Präparat bei Zusatz von Eisenchlorid blauschwarz. Die weingeistige
Lösung, mit der überschüssigen Meuge Bleiacetat ausgefällt, liefert ein Filtrat,
welches bei Zusatz von Chlorwasser und darauf von Ammoniak eine grüne Färbung
annimmt. — Zusammensetzung: C20 H24 N2 03 . 3 CM H10 0, + 8 Hj 0 , mit
22.6 Procent Chinin; das officinelle Präparat besteht gewöhnlich aus 20 Procent
Chinin, 70 Proceut Gerbsäure, etwas Schwefelsäure und Wasser. — Darstellung:
1 Th. Chininsulfat wird . unter Zusatz der möglichst geringen Menge verdünnter
Schwefelsäure (etwa 8/t Tb., so dass noch einige Flocken Chininsulfat ungelöst bleiben,
in 30 Th. Wasser gelöst und mit einer kalten Lösung von 3 Th. (besser 2 1 , Th.)
Gerbsäure in 30 Th. Wasser gemischt. Nach dem Absetzen sammelt man den Nieder-
schlag auf einem Filter, wäscht ihn mit Wasser aus (jedoch nicht zu lauge!),
presBt ihn nach dem Ablaufen zwischen Fliesspapier und trocknet ihn ohne An-
wendung von Wärme (bei einer 40° über steigenden Temperatur schmilzt der halb-
feuchte Niederschlag oberflächlich und wird missfarbig). Wird die Chininlösung
durch eine mit der Hälfte Liquor Amnion ü acetici vermischte Gerbsäurelösung
gefällt, so fällt das Präparat weisser und weniger bitter aus, auch ohne den
(geringen! Gehalt an Schwefelsäure. — Prüfung auf den Chiningehalt : 1. Nach
Ph. Austr. wird das Präparat mit 2 Th. präparirter Bleiglätte und Wasser zu
einem feinen Brei angerührt, den man in gelinder Wärme trocknet und darauf
wiederholt mit Weingeist auszieht ; das weingeistige Filtrat hinterlässt beim Ver-
dampfen das Chinin. Dasselbe mnss etwa den fünften Theil des angewendeten
Pulvers betragen. — 2. 1 g des Präparates wird gelinde mit 15 — 20 cem Natronlauge
erwärmt, die tiefbrauno Mischung mit dem gleichen Volumen Chloroform geschüttelt,
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CHIN1NOI TANNICUM. — CHINIOIDINUM.
63
letzteres abgetrennt und verdunstet ; da» rückständige Chinin betrage etwa 0.2 g.
Will man das gewonnene Alkaloid näher untersuchen, so löse mau es in schwefel-
säurehaltigem Wasser auf und mische so viel Aether hinzu, daas er in dünner
Schiebt Obersteht; gibt man dann Ammoniak im schwachen Ueberschusso hinzu,
so müssen zwei klare Schichten resultiren ^Trübungen zwischen der Aetherschicht
und der wässerigen Flüssigkeit verrathen Cinchonin, resp. Cinchonidin). — Ge-
brauch: Wie das Chininsulfat, wegen der geringeren Bitterkeit vorzüglich in
der Kinderpraxis. Schliekum.
ChininURI ValerianiCUm (Ph. Germ. I. u.a.), Chininvalerianat, Bai-
driansaures Chinin. Weisse oder weissliche, glänzende tafelförmige oder
nadelige Krystalle, luftbeständig, von sehr bitterem Gesehmackc und schwachem
Gerüche nach Baldriansäure. Sie schmelzen beim Erwärmen im Wasserbade, ver-
brennen in der Glühhitze ohne Rückstand; eie lösen sich in 100 Th. kaltem, leichter
in siedendem Wrasser, in 5 Th. Weingeist, wenig in Aether. — Identität b-
reactionen: Die wässerige Lösung, mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert,
schillert bläulich und gibt den Geruch der Baldriansäure, die sie, wenn concentrirt,
als Oelschicht oben abscheidet. Versetzt man die wässerige Lösung mit Chlorwasser
und darauf mit Ammoniak, so nimmt sie eine grüne Färbung an. Aetzalkalien
fällen auB der wässerigen Lösung weisses Chininhydrat, welches beim Schütteln
mit Aether von letzterem vollständig und klar aufgenommen wird. — Znsammen-
setzung: (OjoH^NjOOC^HjoO. + HaO. — Darstellung: 3 Th. Chinin
(die man aus 4 Th. Chininsulfat durch Fällung mit Natriumcarbonat erhalten kann)
werden in 4— 5facher Menge Weingeist warm gelöst, dann mit Baldriansäure
tetwa 1 Th.) bis zum schwachen Vorwalten derselben versetzt, mit dem ein- bis
zweifachen Volum warmem Wasser verdünnt und an einem nicht über 50° warmen
Orte verdunstet. (In höherer Temperatur scheidet sich das Salz harzartig aus.) —
Prüfung: In concentrirter Schwefelsäure löse sich das Salz mit nur schwach
grünlich-gelber Farbe auf (rothe Farbe verräth Salicin , braune bis schwarze:
fremde organische Materien), welche bei Zusatz einiger Tropfen Salpetersäure sich
nicht verändern darf (Röthung: Morphin). Die kaltgesättigte wässerige Lösung
werde durch Baryumnitrat nicht oder nur schwach opalisirend getrübt. Wird die
unter Znsatz von verdünnter Schwefelsäure bereitete wässerige Lösung (1 = 10)
mit etwas überschüssigem Ammoniak und dem halben Volumen Aether geschüttelt,
müssen zwei klare Schichten entstehen, zwischen denen auch nach 2 Stunden keine
Ausscheidungen wahrzunehmen sind (wolkenartige oder krystallinische Ausschei-
dungen verrathen Cinchonin, Cinchonidin oder grössere Mengen von Chinidin). —
Aufbewahrung: In wohl verschlossenen Glasgefässeu. — Gebrauch: Wie
Chininsulfat; die ihm zugeschriebene speeifisebe Wirkung auf das Nervensystem
;-t nicht erwiesen. Schliekum.
Chiflinum UriniCUm 8. UriCUm, Chininurat, harnsaures Chinin,
ein von Pkhkyre empfohlenes Präparat, wird nicht angewendet. — Darstellung:
Das aus 12 5 Chiniusulf'at gewonnene Chininhydrat wird mit 5 0 Harnsäure und
100-0 heissem destillirtem Wasser gemischt, im WTasserbade eingedampft und durch
kochenden Alkohol umkrystallisirt.
ChininZUCkerlll VOn ROZSnyay enthalten pro Stück so viel Chinidintanuat,
daas dieses 0.05 Chinidinhydrat entspricht.
ChinioYdin, seine Verbindungen und Derivate, s. Chinaalk aloide, Bd. II,
pag. 6'J2.
ChinioYdin, animallSCheS, s. unter Cadaveralkaloide, Bd. U, pag. 444.
ChinioYdiniim (Ph. Germ, u.a.), Chmmdinum, ChinioYdin, Chinoldin.
Eine braune oder schwarzbraune, harzähnliche Masse, in der Kälte spröde und
mit glänzendem, muscheligem Bruche, in der Wärme erweichend, ohne Geruch.
8ie löst sich kaum in Wasser, leicht in Weingeist und Chloroform , theilweise in
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CHINIOIDINUM. — CHINIOlDINUM TANNICÜM.
Aether, zu alkalisch reagirenden, stark bitter schmeckenden Flüssigkeiten. Ver-
dünnte Säuron , sowie angesäuertes Wasser nehmen es leicht und vollständig auf.
Beim Erhitzen verkohlt es und verbrennt in der Glühhitze ohne oder fast ohne
Rückstand. — Identitätsreactionen: Die verdünnte salzsaure Lösung, mit
Chlorwasser und darauf mit Ammoniak versetzt, nimmt eine grüne Farbe an. —
Zusammensetzung: Die Mutterlaugen bei der Chininfabrikation, aus denen
die Sulfate der Chinabasen möglichst abgeschieden sind, werden mit Natronlauge
gefällt, der harzartige Niederschlag durch Kneten mit heissem Wasser von Farb-
stoffen und anderen Beimengungen befreit und durch nochmaliges Auflösen in ver-
dünnter Säure und Ausfallen durch Natronlauge gereinigt, schliesslich in gelinder
Wärme geschmolzen und in Stangenform gebracht. — Zusammensetzung:
Ein Gemenge amorpher Chinabasen in wechselnder Zusammensetzung, zumeist von
Diconchinin (C10 Hi6 N4 08) und Dicinchonin, welche die krystallisirbaren Basen in
der Chinarinde begleiten, jedoch nur amorphe Salze bilden. Das Diconchinin be-
sitzt dieselbe Reaction gegen Chlorwasser und Ammoniak wie das Chinin und
Chinidin. Zugleich sind Chiuicin und Cinchonicin vorhanden, die durch die Ein-
wirkung höherer Temperatur bei der Fabrikation aus den Chinaalkaloiden ent-
stehen und ebenfalls amorphe Beschaffenheit haben. — Prüfung: lg ChinioTdin
muss sich in lOccm kaltem Essig bis auf einen sehr geringen Rückstand (etwa
1 Procent) klar auflösen ; desgleichen sei 1 g ChinioYdiu in 9 g kaltem verdünntem
Weingeist klar löslich. (Uulösliche Partien : Harze, z. B. Colophoniuni, Extract-
stoffe, Gummi u. dgl.) Mit Wasser gekocht, gebe das ChinioTdin eiu klares, farbloses
oder nahezu ungefärbtes Filtrat, welches auch auf Zusatz eines Alkalis nicht gefärbt
werden darf (Röthung: Alo6). Beim Einäschern hinterlasse es höchstens 0.7 Procent
Rückstand (unorganische Stoffe). — Aufbewahrung: In Porzellangefässon an
einem kühlen Orte, in Wachspapier eingerollt, um das Zerfliessen und Festhaften
an die Gefässwand zu verhüten. — Gebrauch: Gegen WechBelfieber und andere
typische Krankheiten, wie Keuchhusten, ähnlich dem Chininsulfat, dem es (je nach
seiner Zusammensetzung) in der Wirkung bald gleichgesetzt, bald nachgestellt
(10 ChinioTdin gleich 6 Chininsulfat) wird. In Pulver oder Pillen, unter Zusatz der
Hälfte Weinsäure ; in Lösung mit der Hälfte Salzsäure, meistens als Tinctur. Die
Salze des ChinioTdins eignen sich wegen ihrer grossen Hygroskopicität wenig zur
Darstellung und Dispensirung in fester Form. Schliekum.
ChinioVdinUm tanniCUm, Chinidin taunat (ChinoYdintannat), gerb-
saures ChinioTdin (Chinoidin). Ein bräunliches, amorphes Pulver, fast ohne
Geruch, von zusammenziehendem, wenig bitterem Geschmacke, luftbeständig, in
der Hitze verkohlend und bei anhaltendem Glühen ohne Rückstand verbrennend,
kaum iu Wasser, schwierig in Weingeist, leichter in säurehaltigem Weingeist lös-
lich. — Identitätsreactionen: Mit Wasser angeschüttelt färbt sich da*
Präparat durch Eisenchlorid blauschwarz. Die Lösung in salzsäurehaltigem Wein-
geist, mit Wasser stark verdünnt, bleibt klar. Das mittelst Natronlauge ausge-
schiedene, in Chloroform gelöste und nach dessen Verdunstung in schwefelsäure-
haltigem Wasser gelöste Alkaloid ruft nach Zusatz von Chlorwasser und Ammoniak
eine grüne Färbung hervor. — Zusammensetzung: Etwa 20 Procent Dicon-
chinin und Dicinchonin, gebunden an etwa 70 Procent Gerbsäure. — Darstel-
lung: 10 Th. ChinioTdin werden, unter Zugabe von 7.5 Th. Salzsäure, in 500 Th.
Wasser gelöst und mit einer kalten Lösung von 40 Th. Gerbsäure in 400 Th.
Wasser gemischt, darauf eine Lösung von 20 Th. Natriumacetat in 200 Th. Wasser
zugefügt, wodurch zu dem zuerst ausgeschiedenen (aus Dicinchonintannat bestehen-
den) Niederschlage eine weitere Menge (Diconchinintannat) ausgefällt wird. Deu
gesammten Niederschlag wäscht man mit etwas Wasser aus und trocknet ihn ohne
Anwendung von Wärme. — Prüfung auf den Alkaloidgehalt : 1 g wird mit 1 5
bis 20ccm Natronlauge gelinde erwärmt, die dunkelbraune Mischung mit dem
gleichen Volumen Chloroform geschüttelt, letzteres abgetrennt und verdunstet. Das
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CHINIOIDINUM TANN1CUM. — CHINOLIN
65
dabei als Rückstand gewonnene Alkaloid betrage etwa 0.2g. — Gebrauch:
Als Roborans, selten. Schliekum.
Chinizarin, cI4h9o4. ist isomer dem Alizarin und diesem sehr ähnlich, verhält
sich aber gegen Thoncrdo und Eisenbeizen weniger energisch färbeud.
C,H7N, ist der Hauptrepräsentant einer Gruppe von Basen, welche
gewissermassen in der Mitte stehen zwischen gewissen Alkaloiden und den vom
IJenzol und dessen Homologen sich ableitenden Basen. Eigentümlich ist den
Chinolinen ein Gehalt an Stickstoff, welcher die drei werthige Gruppe CH einmal
ersetzt. Die Chinolinbasen erinnern in ihrem Verhalten an die Pyridinbasen, ins-
besondere in ihrem Verhalten gegen Alkyljodid. Denkt man sich das Pyridin als
ein Benzol , in dessen Kern die Gruppe CH einmal durch N substituirt ist , so
würden dann die Chinolinbasen betrachtet werden müssen als eine Anlagerung eine»
Pyridinmoleküls an einen Benzolring, und zwar so, dass zwei benachbarte Kohlen-
stoffatome gemeinsam sind. Man kann daher mit gleichem Recht die Chinoline als
Derivate des Benzols, wie des Pyridins aufTassen. Sie repräsentiren gewissermassen
ein Naphtalin, in welchem eine Gruppe CH durch N ersetzt ist.
CH CH. CH CH
CH " CX CH CH C CH
I I ! I
CH C CH CH C CH
CH CH CH N
Naphtalin Cninolin
Da nun für die Lage des Stickstoffmoleküls im Pyridin zwei Modiiicationeii
denkbar sind, so geht daraus das Vorkommen in zwei isomeren Modificatiouen
hervor. Iu der That existiren zwei isomere Chinolinbasen, die a-Chinolinreihe (ge-
meinhin Chinolin bezeichnet; und die ß-Cbinolinreihe (gewöhnlich als Leukolin be-
zeichnet). Erstere entstehen bei der Destillation von Chinin oder Cinchonin mit
Kali , neben Pyridinbasen ; letztere finden Bich im Steinkohlentheer. Die Basen
beider Reihen sehen sich sehr ähnlich, geben auch häufig die gleichen Reactionen ;
dapregen unterscheiden sie sich wesentlich in ihrem Verhalten gegen Alkyljodide,
mit denen lediglich die Basen der a Reihe Farbstoffe bilden. Bei der Oxydation
liefern beide Reihen Pyridincarbonsäuren. Die verschiedene Lage des Stickstoffes
im Pyridinkern lässt sich graphisch folgendermassen darstellen:
,CH CH CH XCH
CH C CH CH C CH
I ! I I ' I
CH Cx CH CH yQ N
CH N CH CH
a-Chinolin Leukolin
Zu den Chinolinbasen gehören :
1. Basen von der Formel C« H7 N : Chinolin, Leukolin.
2. „ „ „ „ Cl0 H„ N : Lepidin , Ortho-, Meta- und Para-Tolu-
ehinolin, Iridolin, Phenylpyrrol, Chincho-
lepidin, Naphtylamin.
3. „ „ „ „ Cn H,, N : Aethylchinolin, Dispolin, Kryptidin, Tolyl-
pyrrol, Menaphtylamin.
4. „ „ „ „ C13Hl3N:Hydrocarbazol.
Das eigentliche Chinolin (a-Chinolin) ist eine farblose, bewegliche, stark
lichtbrechende und durchdringend riechende Flüssigkeit, die an der Luft sich
bräunt. Siedepunkt 235 — 237°, spec. Gew. 1.084. In einem Kältegemisch von
fester Kohlensäure und Aether erstarrt es vollständig zu weissen Krystalleu. Das
Chinolin ist sehr hygroskopisch und nimmt nach und nach 1.5 Molekül Wasser
auf. Das Chinoünhydrat trübt sich bei Blutwärme. Gegen Oxydationsmittel ist es
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1
66 CBJNOLIN.
sehr widerstandsfähig ; mit Kaliumpermanganat bildet sich nur wenig Cbinolinxäure.
Kalibydrat fällt die Lösung eine« Chinolinsalzes milchig weis«, ebenso Ammoniak.
Der Niederschlag ist im Ueberscbuss des Fällungsinittels wieder löslich; Natriuin-
carbonat fällt Chinolinsalze in gleicher Weise unter Kohlcnsäurccntwicklung. Jod-
jodkalium gibt einen rothbraunen, in Salzsäure unlöslichen Niederschlag: Phosphor-
molybdänsäure unter Zufügung von Salpetersäure bis zur stark sauren Reaction
einen gelblich weissen, in Ammoniak löslichen Niederschlag; Pikriusäure einen
gelben amorpheu, in KaUhydrat löslichen Niederschlag; Quecksilberchlorid einen
weisseu äoekigeu, in Salzsäure leicht, in Essigsäure schwieriger löslichen Nieder-
schlag; Kaliumquecksilberjodid gibt einen gclblich-weissen amorpheu Niederschlag,
der sich auf Zusatz von Salzsäure in bernsteingelbe Nadeln verwaudclt. Eine
sehr charakteristische Reaction auf Chinolin ist die Röthlichfärbung durch Ferri-
cyankalium ; noch in einer Verdünnung von 1 : 3500 lässt sich Chinolin auf diese
Weise nachweisen.
Das Chinolin bildet den Ausgangspunkt für eine grosse Anzahl von Derivaten,
von denen eine Anzahl als schöne, beständige Farbstoffe fabrikmässig hergestellt
werden und unter dem Namen Chinolin- Farbstoffe bekannt sind. Der be-
kannteste ist das Alizarinblau, das Chinolin des Alizarius. Zur Darstellung des
C h i n o 1 i n s mischt man 24 g Nitrobenzol mit 38 g Anilin, 1 20 g Glycerin und 100 g
Schwefelsäure und erhitzt vorsichtig, da aufaugs die Reaction sehr stürmisch ist.
Dann erhitzt mau noch einige Stunden am Kühler, verdünnt mit Wasser, dcstillirt
das Nitrobenzol ab , gibt zum Rückstände Natron und dcstillirt das Chinolin mit
Wasserdämpfen über. Zur Reinigung wird dasselbe fractionirt und durch Lösen in
Alkohol und Zufügen von Schwefelsäure als saures Sulfat niedergeschlagen.
Wie bei diesem Vorgange der Process verläuft, darüber existiren mehrere An-
schauungen; am verbreitetsteu ist die SKRAur'sche Synthese, nach welcher zuerst
die Schwefelsäure wasserentziehend wirkt, und zwar so , dass aus dem Anilin
der Wasserstoff der Amidogruppe, aus dem Glycerin der Sauerstoff eliminirt wird ;
es resultirt Acrolein-Anilin, welches in der zweiten Phase des Processen durch De-
hydrogenation mittelst Nitrobenzol in Chinolin Ubergeführt wird. .
1. C, H, (NIL) f C, H„ 0, = C 6H, N (C1I)3 CII2 + 3 H2 0
Auiliu Glvcerin Acrolein-Anilin Wasser
2. Ce n , N CII), CH3 — 2 H = C H4 N (CI1 3
Acrolein-Anilin Chinolin
Ausser der vorstehenden SKRAnp'schen Syuthese sind noch einige andere be-
kannt, die mindestens das gleiche Interesse beanspruchen und von denen die Baykr-
sche Synthese, vom Hydrocarbostyril ausgebend, der Constitution des Chinolin»
wohl am meisten entspricht.
Das Chinolin ist eine starke Base, welche wohl eharakterisirte Salze und Doppel-
salze bildet, welche alle mehr oder minder leicht in Alkohol, Acther, Chioroform,
Benzol, Schwefelkohlenstoff und Chinolin löslich sind und in langen Nadeln oder
Prismen oder als krystallinische Niederschläge sich gewinnen lassen. Chlor, Brom
und Jod lagern sich einfach au, ohne zu substituiren, ebenso auch zwei- oder ein-
werthige Gruppen, z. B. Chinolinjodmcthylat C9 ll7 N . CH3 . J. Die Hydroxylgruppe
tritt dagegen Bubstituirend ein, z. B. Oxychinolin C9H6N.(0H). Ausser der obigen
Anlagerung der Halogene gibt es auch noch Substitutionsproducte , z. B. Chlor-
chinolin C, H6 Cl N ; Dibromchinolin C9 H-, Br2 N ; ferner : Nitrochinolin C9 H« (N(XJ N ;
Amidochinolin C„H0(NH2)N. Die oben bereits genannte Chi no Ii n säure hat die
Formel C9H9N03.
Das ß- Chinolin (Leukolin) kommt im Steinkohlenthecr vor und ist ein
unangenehm nach Bittermandelöl riechendes Oel ; dieses erstarrt bei 20° noch nicht
In meinen physikalischen und chemischen Eigenschaften verhält sich das Leukolin
ganz wie das Chinolin, es liefert dieselben Salze und dieselben Reactionen. Während
aber x-Chinolin beim Behandeln seines Jodisoamylats mit kochendem Kali Chino-
lincyanin bildet, denken schwefelsaures Salz einen prächtigen blauen Farb-
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I
CHIXOLJX. — CH1XOX. G7
stoff in Nadeln repräsentirt, gibt das Leukolin diesen Farbstoff nicht. Von ander-
weiten Leukolinderivateii ist nur noch die Leukolinsäure und auch diese nur wenig
bekannt. Ganswindt.
ChinOÜngelb. Ein durch Erhitzen von Chinaldin (x-Methylchinoliu C9 H6.CH3.N)
mit Phthalsäureanhydrid erhaltener gelber Farbstoff (Chinophthalon) oder dessen
Sulfosäure.
Das Chinophthalon bildet bei 235° schmelzende, gelbe Nadeln, welche in
Wasser unlöslich sind, sich in Alkohol auflösen und thierische Fasern gelb färben.
Die Chinophthalonsulfo säure ist in Wasser löslich und gibt auf Seide
und Wolle rein gelbe Färbungen.
Beide Farbstoffe finden nur geringe technische Verwendung. Benedikt.
Chinolinroth ist ein von E. Jacobson entdeckter Farbstoff, welcher nach
Analogie der Triphenylmethanfarbstoffe, insbesondere des Malachitgrüns, aus Benzo-
trichlorid und einem Gemisch von Chinolin und Chinaldin gewonnen wird. Der
Farbstoff ist in kaltem Wasser unlöslich, in heissem Wasser schwerlöslich. Die
alkoholische Lösung ist blauroth mit zinnoberrother Flnoresoenz und zeigt ein
charakteristisches Absorptionsspectrum. Mit concentrirter Schwefelsaure gibt das
Chinolinroth eine farblose Lösung, die beim Verdünnen mit Wasser carminroth wird.
In der Färberei hat der Farbstoff noch keine Verwendung gefunden , obwohl
er Seide sehr schön roth mit prächtiger Fluorescenz färbt. Dagegen sind in letzter
Zeit mit Chinolinroth seusibilisirte photographisehe Platten zur Anwendnug empfohlen
worden. Benedikt.
Chinolsäure, ». ch inaalkaloide, Bd. 11, pag. 687.
Chinon. Als Chinone bezeichnet man eine grosse Gruppe von Körpern, welche
mit wenigen Ausnahmen Derivate der Kohlenwasserstoffe der aromatischen Reihe
sind. Der erste Körper dieser Art wurde von Woscresknsky aus der Chinasäure
hergestellt und von ihm Chinoyl genannt ; die Bezeichnung Chinon ist später von
Berzeliüs eingeführt worden. Charakteristisch für die Chinone ist, dass sie aus
den Kohlenwasserstoffen der aromatischen Reihe entstehen durch Substitution zweier
Moleküle Wasserstoff durch 2 Moleküle Sauerstoff; so entspricht z. B. :
dem Benzol CG H0 das Benzochinon C„ H4 03
„ Toluol C7H8 „ Toluchinon C^O,
„ Xylol C8 H, 0 „ Xylochinon CA HB 0.
„ Thymol Cl0 IIU „ Tymochinon CjoH.ÖO.
„ Anthracen CM H10 „ Anthrachinon CuH80;J
„ Naphtalin Cl0 Hö „ Naphtochinon C^H^Os u. s. w.
In welcher Weise wir uns die Substitution zweier Wasserstoffmoleküle
durch zwei Sauerstoffmolekttle zu erklären haben, ist noch nicht genügend be-
kannt. Denkbar ist, dass die Chinone das Endproduct eines Oxydationsprocesses
sind, der (analog der Oxydation der Alkohole der Fettreihe in die correspon-
direnden Säuren) in zwei durchaus verschiedenen Stadien verlaufen würde, der-
gestalt, dass der erste Theil ein Dchydrogenationsprocess ist, durch welchen dem
Kohlenwasserstoff C.H,,,., zwei Moleküle Wasserstoff entzogen werden, so dass
ein Radical CnHa„_8 entstehen würde, welches dann im weiteren Vorlaufe des
Processes zwei Moleküle Sauerstoff an sich anlagern würde. Diese meine An-
schauung trifft thatsächlich bei einer Anzahl von Chinoneu zu, aber nur bei den-
jenigen, welche sich von den Homologen der Naphtalinreihe (Anthracen, Phenantren.
Fluoranthen, Pyren, Cbrysen, Picen u. s. w.) ableiten. In der That gehen die
Kohlenwasserstoffe der Naphtalinreihe bei Behandlung mit Kaliuradichromat und
Schwefelsäure verhältnissmässig leicht in die entsprechenden Chinone über, z. B.
Phenantren Sauerstoff Phenantrenchiuon Wasser.
C14H10 + 30 = CuH8.02 + H20.
-* zed by Google
68
CHIXOX.
Bei den Kohlenwasserstoffen der Benzolreibe trifft diese Theorie jedoch nicht
zu; eine directe Oxydation ist hier nicht möglich; nur auf dem Umwege der
Oxydation der Monosubstitutionsproducte , noch besser und leichter der Disub-
stitutionsproducte, welche die für Wasserstoff eingetretenen Gruppen OH, NH2
oder S02OH in der Parastellung enthalten. So geben die Para-Dioxyverbindungen
die Paradiamine und die Phenol- und Amin-Parasulfosäuren mit Leichtigkeit die
entsprechenden Chinone. Am leichtesten gelingt die Ueberführung der Dioxy-
verbindungen in das betreffende Chinon. Hier verläuft der oben erwähnte Process
in der Weise, dass zunächst eine Lockerung zweier Waaserstoffmoleküle erfolgt,
mit welchen sich 2 Mol. 8auerstoff zu 2 Mol. Hydroxyl verbinden. Beim Benzol
würde also die Oxydation in der Weise erfolgen, dass für je 2 Mol. Wasserstoff
2 Mol. Hydroxyl eintreten :
CH.+20 = C.H4<g{{.
Eine Dchydrogenation des Dioxybenzols (Hydrochinons) führt dann zum Chinon.
C6 H4 (OH>, — H = C6 H4<^
Diese Bildung der Chinone, oder besser die Bildung dieser Chinone durch Sub-
stitution führt nothgedrungen zu der Annahme einer theilweisen eigenen
Bindung der beiden Sauerstoffmoleküle, so, dass dieselben zur Hälfte sich sättigen
0 —
und einen zweiwerthigen Atomcomplex ^ bilden, der dann an das zweiwerthige
Radical C6 H4 sich anlagert. Diese theilweise und eigene Bindung der Sauerstoff-
moleküle würde genau derjenigen entsprechen , wie wir sie im Wasseretoffdioxyd
(Wasserstoffsuperoxyd) anzunehmen gezwungen sind. Ueberhaupt ist das Verhältniss
der Dioxysubstitutionsproducte zu den entsprechenden Chinonen genau dasselbe,
wie dasjenige zwischen Wasserstoffdioxyd und Wasser, z. B.:
0 nu
Wasserstoffdioxyd H3<ö Wasser H-^jJ
0 ()H
Toluchinon C7 Dioxytoluol C7 H6QJR.
Nach dieser Theorie müssten wir die Chinone in die Reihe derjenigen Körper
stellen, welche wie das Wasserstoffdioxyd, das Baryumsuperoxyd und ähnliche
stark oxydirende Eigenschaften besitzen. Thatsächlich oxydiren sie schweflige
Säure zu Schwefelsäure, und gehen dabei unter Aufnahme zweier Moleküle Wasser-
stoff in die entsprechenden Hydrochinone über, wie das Wasserstoff-Dioxyd in
Wasser.
Im Gegensatz zu den Chinonen der Benzolreihe können die Chinone der
Naphtalin- und Antbracenreihe nicht in die Kategorie der Dioxyde gerechnet
werden , welche oxydirende Eigenschaften besitzen ; diese Classe enthält den
Sauerstoff jedenfalls anderweitig gebunden, und man nimmt gegenwärtig an, dass
derselbe an Kohlenstoff gebunden, in denselben in Form zweier Carbonylgruppen
vorhanden sei. Dadurch würden sich diese Chinone als Di-Ketone darstellen, was
von dem Anthrachinon und dem isomeren Phenantrenchinon thatsächlich nachge-
wiesen ist , so dass für diese die Formel C, H^j^C« H4 lauten muss.
Fittig (Ber. d. deutsch, chem Gesellsch. 6, 167) will alle Chinone als Di-Ketone
betrachtet wissen und vindicirt z. B. dem Prototyp der Chinone, dem Benzochinon,
die Formel Ca H2\^Nc., H2. Das ist jedenfalls nicht richtig, denn wenn der
Sauerstoff als Carbonyl im Kern enthalten int, wäre die Aufnahme von Wasserstoff-
molekülen nicht zu erklären. Es scheint mir daher nur gerechtfertigt, wenn wir zwei
Chinongnippon unterscheiden, die sich vielleicht als Holochinone und Per-
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CHI XON.
G9
chinone bezeichnen Ii essen. Die letztere Classe würde denjenigen Metallsuper-
oxyden adäquat sein , welche erst auf Anregung anderer Agentien einen Theil
ihres Sauerstoffes abgeben, wie z. B. das Mangansuperoxyd, Bleisnperoxyd
u. dergl.
Die meisten Chinone sind Paraderivate , d. h. die Sauerstoffmoleküle befinden
sich an den Kohlenstoffmolekülen 1 und 4 der KEKULK'schen Benzolstructurformel.
Das ergibt für das Benzochinon folgende Structurformel :
C
CH ! CH
0
:
H ? CH
C
Einige der hoher molekularen Chinone sind dagegen Ortho- Verbindungen ; die
beiden Sauerstoffatome derselben befinden sich an zwei benachbarten Kohlenstoff-
atomen; hierher gehört z. B. das ß-Naphtochinon und Phenantrenchinon.
Die Chinone besitzen weder saure noch basische Eigenschaften; den Holo-
chinonen vornehmlich kommt die Eigenschaft zu, durch Reductionsmittel 2 Mol. H
aufzunehmen und dadurch in Hydrochinone überzugehen, welche durch Oxy-
dation wieder in Chinone übergeführt werden können. Bei unvollständiger Reduction
bilden sich intermediäre Verbindungen, Chinchinone; dieselben können auch
dnrch ungenügende Oxydation aus Hydrochinonen gewonnen werden , sowie auch
darch Mischen entsprechender Mengen des Chinons und Hydrochinons. Die Chinone
vereinigen Bich auch mit 1 Mol. eines anderen zweiwerthigen oder 2 Mol. eines
einwerthigen Phenols: derartige Verbindungen heissen Phenochinone. Die
Per-Chinone verbinden sich nach Art der Ketone mit saurem schwefligsaurem Natron.
Chlor und Brom wirken zunächst redneirend und lagern sich dann an das gebildete
Hydrochinon direct an
0 ,OHCl
CöH4<i + 2HCl = CüHtQ^.
Bei fortgesetztem Chloriren substituirt CI oder Br nach und nach den Wasser-
stoff in der Gruppe C« H, ; z. B. Ott H, . (OH)3 Cl2 + Ol = Cfl Hs Cl . (OH)2 Cl2.
Schliesslich lassen sich alle H-Mol. des Benzolkerns durch Cl oder Br ersetzen ;
es entsteht also zuletzt 0„ Cl4 . (OH)2 Cl». Derartige Substitutionsproduete ersetzen
sehr leicht 2 Halogenatome dnrch Hydroxyl ; es entsteht dann C6 Cl2 (OH)» . (OH)2 Cl2.
Derartige Verbindungen haben den Charakter einer Säure und heissen dann
Chinonsäuren; solche sind z. B. die Chloranilsäure.
Charakteristisch für die Chinone ist die Aufnahme von 1 oder 2 Mol. Amid
in den Benzolkern bei Behandlung mit Ammoniak — besser noch mit Aminbasen
— unter gleichzeitiger Bildung von Hydrochinon, z. B. :
0 \ i
3 C4 H4<^ + 2C6 H, . (NH») = C6 Ii, (NHC, H.)ä 02 + 2 0, H4 <^jj
Ohinon Amidobenzol (Anilin) Dianilidochinou Hydrochinon.
Die Chinone sind sämmtlich lebhaft gefärbt, desgleichen die Derivate, wie auch
die Chinchinone und die Phenochinone; die Hydrochinone sind dagegen farblos.
Die Farbe der Obinonverbindungen scheint mit der höheren Molekularisirung in
einem gewisieu Verhältniss zu stehen; die minder kohlenstoffreichen erseheinen
gelb, mit der Zunahme des Kohlenstoffgehaltes gebt die Farbe von Roth bis in's
Violett über.
Viele Chinouderivate finden ausgedehnte Anwendung in der Technik als ge-
schätzte Farbstoffe, so das Alizarin (Dioxy-Anthrachinon) und dessen Salze und die
sogenannten Cbinonfarbstofle.
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70
CHINON. — CHIOCOCCA.
Die Chiuone sind sämmtlich feste Körper, die der Benzolreihe sind alle ziem-
lich leicht in Wasser, «ehr leicht in Alkohol, Aether, Benzol etc. löslich, sie sub-
limiren unzersetzt und verflüchtigen sich schon bei gewöhnlicher Temperatur etwas;
sie besitzen einen starken, jodähnlichen Geruch und färben auch ähnlich wie dieses,
die Haut gelb. Mit der Zunahme der Intensität der Farbe nimmt diese Eigen-
schaft ab.
Gemeinhin bezeichnet man den Hauptvertreter dieser Gruppe, das Benzochinon,
0
als C h i n o n : ihm gehört die Formel C6 ? eR wird gewonnen durch Oxy-
dation von Hydrochinon oder Anilin mit Chromsäure. Es bildet lange gelbe
Prismen, sublimirt in goldgelben Nadeln, schmilzt bei 115 — 116°, riecht durch-
dringend chlorähnlich, die wässerige Lösung färbt die Haut braun. Spec. Gew.
1.307 — 1.318. Das Cbinon wird nachgewiesen durch Hydro-Coerulignon ; eine
wässrige ChinonlÖsung färbt sich auf Zusatz von 1 — 2 Tropfen einer alkalischen
Lösung dieses Reagens sofort gelbroth und scheidet unter Entfärbung stahlblau
schimmernde Nadeln von Coeruliguou ab; mittelst dieses Reagens lassen sich noeh
6 mg Chinon im Liter Wasser nachweisen.
Von den Derivaten sind am bekanntesten das Dichlorchinon , das Tetrachlor-
chinon (Chloranil) , das Di- und Tetrabromchinon (Bromanil), das Chinchinon
(oder Chinfaydron, grünes Hydrochinon), die Chloranilsäure und Bromanilsäure.
Ganswindt.
Chinoquinine, ein Gemenge der sämmtlichen fällbaren Basen von Cinchona
surcirubra , au Salzsäure gebunden, wurde als Ersatz der reinen Cbinabasen in
den Handel gebracht.
ChinOVagerbsäure, die Gerbsäure in der Rinde von China nova. Man fällt
das wässerige Decoct durch Bleizucker. Durchsichtige, bernsteingelbe Massen, lös-
lich in Wasser und Alkohol, unlöslich in Aether. Gibt mit Eisenchlorid eine grüne
Färbung und zerfällt beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure in Zucker und
Chinovaroth.
ChinOVaroth. In der Rinde von China nova (Cascarilla magnifolia Endl.). Fast
schwarzes, glänzendes Harz, unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol, Aether,
Alkalien, (übt mit Eisenchlorid keine Färbung.
Chinovasäure, c„ H^Oj, kommt in der Tormentillwurzel vor; bildet sich
beim Behandeln von Chinovin mit alkoholischer Salzsäure, noch leichter durch Be-
handeln mit Natriumamalgani in schwach alkoholischer Lösung. Unlöslich in Wasser,
sehr wenig löslich in kaltem Alkohol, wenig in Aether. Schwache Säure.
ChinOVill, Chiuovabitter, Cs0 H18 08. Ein in fast allen Chinarinden und im •
Holz und den Wurzeln fast aller Chinapflanzen vorkommendes Glycosid. Das durch
Kochen mit Kalkmilch , Fällen und Abkochung mit Salzsäure und wiederholtes
Reinigen dargestellte Chinovin bildet eine amorphe gummiähnliche Masse; leicht
löslich in Alkohol und Chloroform, weniger in Aether, kaum löslich in Wasser. Zer-
fällt beim Einleiten von Salzsäure in die heisse alkoholische Lösung in Chinova-
säure und einen Zucker. Ganswindt.
ChiOCOCCa, Gattung der nach ihr benannten Unterfanülie der Bubiaceae;
Sträuchcr des tropischen Amerika mit gegenständigen , tiederigen Blättern und
breiten, dreieckigen Nebenblättern. Die intloresceuzen sind achse^, und gegen-
ständig, die ltlüthen meist zwittrig, fünfzählig, Fruchtknoten zwei-, selten drei-
tiu herig, zu kleinen zweisamigeu, von dem gezähuten Kelchraude gekrönten Stein-
früchten sich entwickelnd.
Chiucoca racemosa Ja*'q. (Ch, braehiata liuiz uud Pav., Ch. pani-
cnluta und parviffor« W'ilhL) ein besonder* in Südamerika, Westindien, Mexico
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CH10C0CCA. — CHITIN.
71
and Florida einheimischer, kleiner, kletternder Strauch mit eiförmig zugespitzten,
glänzenden Blättern, achselständigen, in Trauben stehenden, weiss-gelblicheu, wohl-
riechenden Blütheu und schueewcissen (Chiococca von ^to>v Schnee und scö/jco; Beere)
iweisamigen Beeren, ist die Stammpflanze der Caluca- Wurzel (s. Bd. II, pag. 458
Von Ch. angtrifaga Marl, und Ch. densifolia Mart., stammt die ihr ähnliche
Radix Serpentartne brasiliensia.
Chionanthus, Gattu ng der Olcacme. — Holz^ewächse des nördlichen Amerika
und wärmeren Asien. Blätter gcgeustäudig, einfach; traubige Inflorescenzen und
gelben Blflthcn mit sehr kurzer Kronenröhre; Steinfrüchte. Aus der Rinde von
Cii. virginica L., Fringe-tree, wird ein FIuid-Extraet bereitet, welches als
Tonieum verwendet wird.
Chios-Terpentin, vor ein paar Jahren mit grosser Reelame, besonders von
England aus, als untrügliches Mittel gegen Krebs empfohlen, hat sich zu diesem
Zweck als völlig nutzlos erwiesen und gegenwärtig seine Rolle längst ausgespielt.
Der fragliche Terpentin sollte von der Insel Chios kommen und von Pistacia
Terelrinthus L. gewonnen werden.
Chiragra Hand uud xvpa, Falle, das Gefangene), die Handgicht.
Chiratin, ein in den Stengeln von Swertia Chirata vorkommendes Glycosid.
Man gewinnt es aus diesen durch Kochen mit Alkohol von GO Procent , Ab-
destilliren des Alkohols und Eindampfen mit Bleicarbouat zur Trockne. Der Rück-
stand wird mit Alkohol ausgekocht, der Alkohol abgedunstet und der Rest mit
Wasser behandelt. Das in Lösung Gehende ist Ophelia säure, der Rückstand
Chiratin. Dunkelgelbe, harzige Tropfen, die beim Stehen bräunlich krystallinisch
werden. Leicht löslich in Alkohol, Aether, Chloroform ; schwer in Wasser. Schmeckt
sehr bitter und zerfällt beim Erhitzen mit verdünnter Salzsäure in Opheliasäure
und Chiratogenin. Ganswind t.
ChiratOgenin, ein Spaltungsproduct des Chiratin« (s.d.). Gelbbraune
amorphe bittere Substanz, leicht löslich in Weingeist, fast unlöslich in Wasser,
neutral ; nicht fällbar durch Gerbsäure und FEHMXG'sche Lösung nicht reducirend.
Gans win dt.
Chiretta, Chi rata, ist das Kraut von Sicertia Chirata Grüeb. (Gentia-
naceae), einer ©, in den Gebirgen Nord -Indiens heimischen Pflanze, welche vor
Beginn der Fruchtbildung gesammelt uud als Bittermittel, wie bei uns Centaurium
(r. Bd. II, pag. 61o,j verwendet wird (Ph. Uu. St.). Die Blätter sind ei- oder herz-
eiförmig, zugespitzt, gegenständig sitzend, 5 — 7 nervig, die kleinen , gelben
vierzähligen Blütheu iu lockereu Trugdolden. Die wirksamen Bestandteile sind:
Chiratin (CSfi H48 016) und Opheliasäure (C1S H20 O10).
ChirOflia, GentianeenGntUing, deren Arten jetzt meist zu En/thraca Rieh.
gezogen werden.
Chirurgie (ysif, Hand uud spyw. ich wirke; ist die kuustgemässe Ausführung
von Operationen zu Heilzwecken, gleichgültig, ob mit oder ohne Instrumente.
Chiteniü, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 073.
Chitin (CB0 HI0, N„ Os8 4-n[H20]?) ist ein bei den Gliederthieren vorkom-
mender Gewebsbestandtheil von grosser Resistenz. Es wird aus den Panzern
grosser Krebse, aus den Flügeldecken von Maikäfern dargestellt, indem man zu-
nächst bei Krebsen die anorganischen Salze durch Waschen mit verdünnter Salz-
sflure entfernt, mit verdünnter Kalilange kocht, dann mit Wasser, Alkohol und
Aether auskocht und wäscht. Nach Behandeln des Rückstandes mit einer Lösung
von übermangansaurem Kali erhält man das Chitin vollkommen weiss. Das Chitin
kann nur unter Veränderung seiner Beschaffenheit gelöst werden. Bei längerer Ein-
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72
CHITIN. — CHLOR.
Wirkung von concentrirter Schwefelsäure und heisser concentrirter Salzsäure wird
es zu Glycosamin, C6H18N05, umgewandelt, daneben bilden sich Ameisensäure,
Essigsäure, Buttersäure. Nach Sundvik (Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. V) ver-
hält sich da« Chitin zum Glycosamin ähnlich wie Cellulpse zu Traubenzucker,
während man es früher für ein thierisches Glycosid hielt. Loe bisch.
ChitiQnd.no bei Arezzo, kalte alkalische Eisenquellen.
Chläenaceae, eine Familie der Cistißorae, zumeist der Flora Madagascars
angehörig. Es sind kleine Sträucher mit glänzenden Blättern. — Charakter : Kelch
klein. 3blätterig, Krone 5—6- (selten 11— 12)blätterig. Staubgefässe zahlreich.
Griffel 1. Frucht eine 1— 3fächerige Kapsel oder eine öfäcberige Beere.
Chlor. Cl = 35.37. Geschichtliches. Scheele, welcher 1774 das Chlor
bei Einwirkung von Salzsäure auf Braunstein entdeckte, nannte es der damals
herrschenden Theorie entsprechend „dephlogistisirte Salzsäure". 11 Jahre später
bezeichnete es Bertholet, als Antiphlogistiker, mit „oxydirter Salzsäure", weil er
darin Sauerstoff vermuthete. Nachdem Gay-Lussac und Thenard durch Experi-
mente den elementaren Charakter des Chlors nachgewiesen, erhielt es 1809 von
Davy seinen jetzigen Namen (//o>po;, grünlich).
Vorkommen. Wie alle Halogene (8alzbildner) findet sich Chlor wegen
seiner grossen Verwandtschaft zu anderen Elementen in der Natur nur in gebun-
denem Zustande, niemals frei , dann aber in allen drei Reichen , namentlich in
grosser Menge im Meerwasser, in Salzsoolen und Salzlagcrn als Chlornatrium, als
Carnallit (K Cl . Mg Cls . 6 H3 0) , Tachhydrit (Ca CI3 . 2 Mg Cl2 . 12 H2 0), Sylvin
(K Cl) in den Stassfnrter Abraumsalzen , in geringen Mengen an Blei , Silber,
Quecksilber , Kupfer und Eisen gebunden , als Salmiak und Salzsäure in den
Exhalationsproducten thätiger Vulcane. Die am Meeresufer wachsenden Pflanzen
sind besonders reich an Chlormetallen : im Thierkörper spielen die Chloralkalien
eine wichtige Rolle, ebenso freie Salzsäure (im Magensaft).
Darstellung: Diese geschieht in der Regel aus Braunstein und Salz-
säure, oder aus Kochsalz, Schwefelsäure und Braunstein (s. Art. Chlorkalk)
oder aus Kaliumdichromat und Salzsäure (s. Art. Chlorwasser) unter Er-
wärmen der genannten Substanzen, oder auch im (»rossen nach dem Verfahren
von Deacon (a Art. Chlorkalk}. Als Eutwickelungsgofässe nimmt man im
Kleinen Glaskolben, im Grossen Gefässe ans Steinzeug oder Chamottmasse, sog.
Bombonnes, in die ein thönerner Siebkorb mit Braunsteinstucken (in die Salzsäure)
eingesenkt wird ; ferner auch geschlossene Kasten von Sandstein, die mit Kautschuk-
einlagen gedichtet und mit Asphalt überstrichen sind. Das sich entwickelnde Gaa
wird weiter durch Zwischenflaschen geleitet, gewaschen und für die speciellen
Zwecke weiter verwandt.
Eigenschaften. Das Chlor ist bei gewöhnlichen Druck- und Temperatur-
verhältuissen ein gelbliebgrünes Gas , färbt sich beim Erwärmen dunkler und
besitzt in zusammengepresstem Zustande eine pomeranzengelbe Farbe (SchöNBELN).
Selbst stark verdünnt zeichnet Chlor sieh durch eiuen höchst charakteristischen
Geruch aus und erzeugt, eingeathmet, heftigen Husten und weiterhin Erstickungs-
anfälle, Bluts]>eien u. s. w. Als Gegenmittel werden Inhalationen von Alkohol- mit
und ohne Aetherdampf, ebenso Anilindampf empfohlen. Chlorgas ist selbst nicht
brennbar, aber eine Talgkerze oder Leuchtgasflaramc brennen, iu das Gas eingeführt,
mit stark russeuder Flamme unter Salzsilurebildung uud Abscheiduug von Kohle
weiter. Durch Abkühlung auf — 40° oder Druck von 4 Atmosphären bei 15°
verdichtet sich das Gas zu einer Flüssigkeit (spec. Gew. = 1.33). Das spec.
Gew. de* Gases ist 35.5 (H = 1) oder 2.45 (Luft = 1). 11 Chlorgas wiegt bei
0° und TGOnim Druck 3.1808 g. Wasser löst Chlor je nach der Temperatur in
grösserer oder geringerer Menge, z. B. bei 9 — 10° (Maximum) 2.585 Vol., bei 25a
1.050 Vol., bei 40» 1.3«5Vol., während die Lüsliehkeit bei 100° gleich Null ist.
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CHLOR. — CHLOR A ETHYLEN.
73
Chlor besitzt zu vielen Elementen energische Verwandtschaft, besonders zu
Wasserstoff und zu den Metallen, verbindet sich bei gewöhnlicher Temperatur mit
Phosphor, Arsen und Antimon unter Feuererscheinung. Je nach der Menge des Chlors
in seinen Verbindungen, speciell den mit Metallen, bezeichnet man dieselben als
Cblorüre oder Chloride oder auch als einfache und mehrfache Chlorver-
bindungen. Mit Wasserstoff vereinigt sich Chlor nicht im Dunkeln , wohl, aber
im zerstreuten Tageslicht, im Sonnenlicht sogar unter Explosion. Auf der grossen
Verwandtschaft des Chlors zum Wasserstoff beruht die bleichende und auch des-
inficirende Wirkung des ersteren, auch ist dieser Verwandtschaft die geringe Halt-
barkeit des Chlorwassers und die Substitution des Chlores in organischen Ver-
bindungen beizumessen, indem es sich u. a. mit dem Wasserstoff (organische
Farbstoffe und Miasmen) vereinigt, während der freiwerdende Sauerstoff oxydirend
und zersetzend wirkt. Desshalb lassen sich z. B. mit Chlor gebleichte Farben nicht
mehr wieder herstellen. Brom und Jod werden durch Chlor aus ihren Verbindungen
abgeschieden, worauf sich der
Nachweis des letzteren in erster Reihe stützt. Zu diesem Zweck versetzt
man entweder die zu untersuchende Flüssigkeit mit einigen Tropfen Jodkalium-
lösung und Chloroform und schüttelt durch, worauf sich letzteres bei Gegenwart
von Chlor violett (braunroth bei grosseren Mengen ausgeschiedenen Jods) färbt,
oder man gibt zu einer Jodzink- oder Jodkaliunistärkelösung einige Tropfen der
fraglichen Cblorlösung. Chlor erzeugt Bläuung zufolge Bildung von Jodstärke. In
beiden Fällen hat man jedoch einen üeberschuss an Chlor zn vermeiden, der
eventuell die Färbung zerstört.
Der Nachweis von gebundenem Chlor geschieht in salpetersaurer Lösung durch
Silbernitrat , welches einen weissen . beim Schütteln flockig käsigen Niederschlag
von Cblorsilber, AgCI, gibt, der unlöslich in Salpetersäure, leicht löslich in Am-
moniak, ebenso in Cyankalium und Natriumthiosulfat ist. Diese Eigenschaft des
Chlorsilbers wird gleichzeitig zur quantitativen Gewicbtsbeetimmung von gebundenem
Chlor benutzt ; maassanalytische Bestimmung des freien Chlors s. Chlorwasser
und Chlorkalk. In organischen Verbindungen wird Chlor durch Mischen der
Substanz mit Calciumoxyd , Glühen (wobei sich Chlorcalcium bildet). Lösen des
Rückstandes in verdünnter Salzsäure und Zusatz von Silbemitrat nachgewiesen.
Entzündbare, chlorhaltige organische Körper brennen mit grflu gesäumter Flamme.
K. T h ü mm e 1.
ChlOr-Alum, Chloratum, ist der Name eines zuerst von England aus in den
Handel gekommenen, flttssigen Desinfektionsmittels. Es wird dargestellt durch
Auflösen von Thon in roher Salzsäure oder dnreh Wecbselzersetzung von
rohem Thonerdesulfat mit Chlorcalcium und besteht sonach hauptsächlich aus
Aluminiumchlorid. Chloratum - Powder ist dasselbe Präparat in coneen-
trirter Form mit so viel Thonmergcl durchmischt, dass ein fast trockenes Pulver
entsteht. Aehnliche Präparate sind Brom-Chlor- Aluin und Jodobromide-Calcium-
Compound.
ChlOra, Gattuug der (lentianoceae, Uuterfamilie Gent-iawae. © Kräuter mit
Maugrünen, gegenständigen Blättern uud gelben 6 — 8zähligen Bltithen. Die Corolle
ist kurzröhrig, die Staubgefässe sind der Röhre eingefügt, der oberständige
Fruchtknoten trägt einen fadenförmigen Griffel mit zweilappiger Narbe, die Frucht
ist eine einfächerige Kapsel.
C/ilora perfoliataL. charakterisirt durch dreieckig-eiförmige, zusammen-
gewachsene Stengelblätter, war als Hrrba Centaitret lutei officinell und wird
im südlichen und westlichen Europa noch als Bittermittel verwendet. — S. C e n-
taurium, Bd. II, pag. 015.
Chloracetyl, *. Acetyi, Bd. i, Pag. «i.
Chloraethylen, s. Aeth ylenum chloratum. Bd. I. pag. 1»J7.
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74
CHLORAL - CHLORALHYDRAT.
Chloral, Trichloracetaldehyd, CCls.CHO, von Liebig als End-
product bei der Einwirkung von Chlor auf Alkohol erhalteu , C H3 . C H3 0 H +
4CL, = CC1S .CHO + 5 HG.
Darstellung. Man leitet einen langsamen, jedoch stetigen Strom trockenen
Chlorgases in 96procentigen Alkohol, bis ersteres nicht weiter aufgenommen wird,
resp. keine salzsaurcn Dampfe mehr austreten. Anfänglich wird das Gemisch ge-
kühlt, dann aber bis auf 60° erwärmt. Das Product behandelt man zur Abscheidung
des Chloralg (Zersetzung des gebildeten Chloralalkoholats und -hydrats) und zur
Zerstörung anderer Chlorderivate mit Schwefelsäure, trocknet und rectificirt über
Soda. Zunächst entsteht hierbei Aldehyd und Salzsäure, C Hs . C Ha OH + Cl2 =
CH3 . CHO + 2H Cl, dann wird Monochloräther aus Salzsäure und Alkohol
gebildet , welcher durch Chlor in Tetrachlorätber Ubergeht , um dann weiter
durch Alkohol in Salzsäure und Trieb loracetal und durch Wasser in Chloral
und Chloräthyl zu zerfallen (Jacobsen , Neumeister, Berl. Berichte. 15.
pag. 600).
Eigenschaften. Das Chloral ist eine bei 1»7.2U siedende, farblose, leicht
bewegliche Flüssigkeit von eigentümlich süsslichem , stechendem Geruch und
bitterem Geschmack. Es reagirt neutral, löst sich leicht in allen gebräuchlichen
Lösungsmitteln und besitzt bei 0° ein spec. Gew. von 1.548. Durch wässerige
Aetzalkalien wird es in Chloroform und ameisensaure Salze zerlegt, C Cl3 . CHO -r-
KOH = CHCI, + HCOOK.
Da es der Aldehyd der Trichloressigsäure, C Cl, . CO OH, ist, so zeigt es auch
fast alle typischen Eigenschaften der Aldehyde, reducirt ammoniakalische Silber-
lösung beim Erwärmen, wird von rauchender Salpetersäure zu Trichloressigsäure
oxydirt, verbindet sich mit Alkalidisulfiten u. s. w. In nicht reinem Zustande,
besondere rasch beim Mischen mit 6 Tb. Schwefelsäure, polymerisirt es sich zu
Metachloral (C Cl, . C HO) x , erstarrt dabei zu einer weissen , porzellanartigen
Masse, die bei der Destillation wieder in gewöhnliches Chloral übergeht. Polymere
Producto entstehen auch durch Contact mit Trimethylamin, N(CH3)j, und Fluorbor,
BoFl3, überhaupt wird es durch eine ganze Anzahl Körper zerlegt. Mit Wasser und
Alkohol zusammengebracht vereinigt es sich direct zu Chloralhydrat- und -alkoholat.
Chloraläthylalkoholat, c ci,<^J H .
Darstellung s. vor. Art. Weisse Prismen, in Wasser langsam, aber reichlich
löslich, Schmelzpunkt 46°. Siedepunkt 115°, wird durch Aeetylchlorid, CH,.C0C1.
/C H
in Clüoralessigäther , C ( \ . C H0\q£.q( , ^ , fibergeführt. Beim Erhitzen auf
Platinblech entzündet es sich und verbrennt mit russeuder , grüugesäumter
Flamme (Unterschied vom Chloralhydrat). Cbloralalkoholat ist als Verunreinigung
des Chloralhydrats vorgekommen, besitzt die schlafbringende Wirkung des letzteren.
Choralhydrat, Chloratum hydratum, Hydrate de Chloral, Chloral hydras,
oa,.CH<g«.
Darstellung. Diese geschieht durch Mischen äquivalenter Mengen reinen
Chlorais (100 Th. mit Wasser (7 — 7.5 Th. 1, wobei sich die Mischung stark
erwärmt, und nachfolgendes llmkrystallisiren der erstarrten Masse aus Chloroform
oder einem Gemenge von Aethylen- und Acthylideucblorid (Nebenproducte bei
der Fabrikation des Chlorais im Grossen).
Eigenschaften. Das Chloralhydrat erscheint in farblosen, luft beständigen
Krystallen (monokline Tafelu), von stechendem Geruch, schwach bitterem, ätzen-
dem Geschmack, die bei 57° schmelzen, bei 97.5 ' sieden, dabei in Chloral nnd
Wasser zerfallend. Letztere* geschieht auch beim l'ehergie-*en mit Schwefelsäure,
wobei sich das ausgeschiedene Chloral über der Saure ansammelt. Chloralhydrat
löst sieh leicht in Wasser. Alkohol und Aether, schwerer in Schwefelkohlenstoff,
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1
CHLORALHYDRAT. — CHL.ORALRE.HiEX;>. 75
Benzol, Ligroin u. s. w., nicht in kaltem Chloroform. Es verbindet sieb mit den
Alkoholen der Fettreihe, nicht aber mit denen der aromatischen Reihe. Aetzende
und kohlensaure Alkalien zerlegen es in Chloroform, ameisensaures Salz uud Wasser,
C Ol, . CH (0H)3 + Na OH = OH Cl3 + H 000 Na + H2 O, worauf seine titrimetrische
Bestimmung beruht (s. u.).
Prüfung. Beim Vorhandensein von Salzsäure röthet eine alkoholische Lösung
des Chloralhydrats (1:10) blaues Lackmuspapier und gibt mit Salpetersäure und
Silbernitrat versetzt Opalisirung. Chloraläthylalkoholat macht sich beim Erhitzen
auf Platinblech bemerkbar, indem es sich entzündet und mit rossender Flamme
brennt. Ebenso entsteht beim Uebergiessen und Erwärmen eines alkoholhaltigen
Chloralhydrats mit Salpetersäure (spee. Gew. 1.2} eine heftige Reaction und Ent-
wicklung braunrother Dämpfe. Da nach der vorigen Gleichung durch Einwirkung
von Aetzalkalieu auf Chloralhydrat 27.71» Procent (aus Cbloralalkobolat 23.77
Procent) Ameisensäure entstehen, so benutzt man die bezeichnete Wechselwirkung
zur quantitativen Bestimmung des Chloralhydrats. Man bringt 2— 3 g (genau
gewogen) desselben in ein passendes Fläschchen mit Glasstöpsel , lässt 20 — 30ccm
Normalalkalilauge zufliessen, verbindet das Gefäss und stellt es etwa eine halbe
Stunde in's Wasserbad. Nach dem Abkühlen wird mit Lackmus tingirt und die
überschüssig zugesetzte Lauge durch NormalRänre zurückgemessen.
K OH + C Cl3 . CH (OH), = H COO K + CH Cls -f H2 0.
56.1 165
leem Normalalkalilauge (=0.0561 KOH) steht mithin 0.165 g Chloralhydrat
gleich. Sind z. B. 2.*39 g Chloralhydrat und 20.2 cem Normalalkalilauge genommen,
dann nach der Umsetzung 3.1 cem Normalsäure zur Neutralisation des über-
Hchüssigen Alkalis gebraucht, so enthielt das untersuchte Präparat 99.3 Procent
Chloralhydrat, denn 20.2 — 3.1 = 17.1 x 0-165 = 2.8215 und 2.839:2.821 =
100 : x (x = 99.3).
Anwendung. Liebreich, welcher zuerst das Chloralhydrat in den Arznei-
schatz als Hypnoticum und Anaestheticum einführte, vermuthete, dass es im
Organismus durch Einwirkung der alkalischen Säfte desselben in Formiat und
Chloroform gespalten werde, und die Wirkung des letzteren dadurch weit sicherer
und günstiger sei, als wenn es als solches (Chloroform) dem Körper zugeführt
würde. Obwohl die Versuche Likbrkich's diese Voraussetzung zu bestätigen
schienen, so ist doch durch exaete Untersuchungen erwiesen, da*s sich keiu Chloro-
form in den Organen oder thierischen Secreten, wohl aber, wie z. B. im Harn,
unzersetztes Chloralhydrat nachweisen lässt. Sonach übt das Chloral wie viele
andere ehlorirte Fettkörper schon an sieh die charakteristische schlafbringende
Wirkung aus. Die Hauptmengo des genossenen Chloralhydrats geht in den Harn
als Urochloralsäure , C8 H, , C, 0; , über. Ferner wirkt das Chloralhydrat anti-
septisch , indem es mit Eiweisskörpern nicht faulende Verbindungen bildet. Man
wendet Chloralhydrat meist innerlich an in Gaben von 0.5 — 2.0 am besten mit
Salcp- oder Gumraiscbleirn und mit einem säuerlicheu Syrup als Corrigens. Maxi-
malgabe 3.0! bei Trinkern und Aufgeregten bis 8.0! Bei Anwendung im Clysma
?ilt dieselbe Dosirung, die subcutane Anwendung ist möglichst zu vermeiden, die
äussoriiehe ist irrationell. Als tödtliche Dosen bei Erwachsenen können 5 — 10 g
betrachtet werden, doch ist Rettung selbst bei 30 g nicht ausgeschlossen. Als
Antidot gegen das Auästheticum Chloral wirkt als Paralyticum Strychnin und
umgekehrt wird Chloralhydrat als Antidot bei Strychnin Vergiftungen gebraucht
(*. Bd. I, pag. 426}. K. T hü mtuel.
CtlloralreagertS empfiehlt Helm als Reagens für ätherische Oele und Harze, die
damit zusammengebracht , gewisse , zum Theile charakteristische Färbung zeigen ;
Myrrhaöl (z. B. der Verdunstungsrückstand des Pctrolätherauszuges der Myrrha)
wird dadurch violettroth gefärbt. Das Chloralreagens ist ein rohes Chloral und
wird von Helm in folgender Weise dargestellt. Kr sättigt 100 cem Alkohol mit
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76
♦
C HLORA LRE A GENS. — CHLORBROM.
Chlor, destillirt die gebildete Salzsäure theilweise ab, mengt den Rückstand mit
Schwefelsäure und destillirt das abgeschiedene Chloral über.
Chloralyde, eine englische Specialität, ist in der Hauptsache eine concentrirte
Lösung von Chloralhydrat, mit unwesentlichen Zusätzen, um den Geschmack zu
verdecken.
Chloral perle, heiss en kleine Gclatinecapsules von der Form der Perlen, in
welcho geschmolzenes Chloralhydrat eingegossen ist; jede enthält etwa 0.25 g
Chloralhydrat.
Chlorangilim, Gattung derFlechtenfannlieZmwu>r0«<'. — C/dorangiumJussufii
Müll, ist synonym mit Lecanora esculenta Everam. , der Mannaflechte. —
S. Lecanora.
Chloranodyne von Parke, Davis & Co. ist der Chlor odyne (s.d.) ähn-
lich zusammengesetzt aus 0.5 g Morphin, hydrochlor., je 2.5 g Tinct Cannabis
Jndic. und Tinct. Capsici, 15g Chloroform, 0 5g Oleum Mendta* pip , 2g
Acid. hydrocyan., 30 g Alkohol und 60 g Glycerin.
ChloranthUS, Gattung der nach ihr benannten, den Piperaceae verwandten,
tropischen Pflanzenfamilie. — Die Wurzel von Ch. officinalis BL, eines javani-
schen Strauches, ist angeblich ein Fiebermittel.
Chloras, im Französischen uud im Englischen C h 1 o r a t e , ist ein chlorsaures
Salz (Chlorat), z. B. Chloras kalicüs = Kalium chloricum. Abweichend hiervon
ist Chloras Calcariae eine veraltete Benennung für Calcaria chlorata.
Chlorbor. B o r t r i c h 1 o r i d, Bo Cl,, bildet sich beim Ueberleiteu von trockenem
Chlorgas über amorphes, in einer Röhre erhitztes Bor; Bortrichlorid entweicht
dabei als farbloser Dampf. Auch erhält man es beim Glühen eines innigen
Gemenges von Borsäureanhydrid und Kohle in einer Porzellanröhre unter gleich-
zeitigem Durcbleiten von trockenem Chlor durch letztere. In beiden Fällen werden
die entweichenden gasförmigen Producte in gut gekühlte Vorlagen geleitet und
durch Rectification gereinigt. Auch durch Einwirkung von Phospborpentachlorid
auf Borsäureauhydrid entsteht Chlorbor beim Erhitzen auf 150° 3—4 Tage hin-
durch in geschlossener Röhre.
Chlorbor stellt eine farblose, an der Luft stark rauchende Flüssigkeit dar, die
durch Wasser in Borsäure und Chlorwasserstoff zerlegt wird. Spec. Gew. 1.35,
Siedepunkt -f 18.23°.
Andere Verbindungen von Bor und Chlor sind nicht bekannt.
K. Thfimmel.
Chlorbrom. BrCl. Chlor und Brom vereinigen sich nicht nur bei gewöhn-
licher Temperatur, sondern selbst bei — 90° miteinander.
Zur Darstellung vou Chlorbrom leitet mau Chlor durch Brom und verdichtet
die Dämpfe in einer durch Kältemischung stark abgekühlten Vorlage. Die Ver-
bindung BrCl wird nur bei starker Abkühlung erhalten, andernfalls eine chlor-
ärmere.
Chlorbrom stellt eine rothgelbe, nur unter +10° beständige, leicht bewegliche
Flüssigkeit dar, welche dunkelgelbe, widrig riechende, die Augen zu Thräneu
reizende Dämpfe ausstößt. Wie Chlor und Brom gibt auch Chlorbrom mit Wasser
ein festes Hydrat. BrCl + 10HsO, welches iu hellgelben Blättcheu oder Nadeln
erscheint uud bei -f 7° zu einer gelben Flüssigkeit schmilzt. Die wässerige
Lösung des Chlorbroms wirkt wie Chlorwasser bleichend, wird aber durch Zusatz
von Phosphor. Sehwefel, Zink, schweflige Säure oder Ammoniak unter Abscheidung
von Brom, welches die Flüssigkeit bräunt, zersetzt.
Chlorbrom wurde neben Chlor jod eine Zeit lang in der Dagnerreotypie zum
Chloriren der Silberplatteu (AgClAgBr) benutzt. K. Thtlmmel.
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CHLORESSIGSÄUREN. — CHLORIREN.
ChloreSSigsäuren. In der Essigsflure kann der Wasserstoff der Methylgruppe
ganz oder nur zum Theil durch Chlor substituirt werden; es existiren somit drei
verschiedene Chlor-Essigsauren: Monochlor-Essigsäure CH8Cl.COOH
Dichlor- „ CH Cl3 . COOH
Trichlor- „ CCL..COOH.
Alle drei Chlorderivate der Essigsaure bilden sich bei der Einwirkung von
Chlorgas auf Essigsäure ini Sonnenlicht, entweder nach, vielleicht auch neben ein-
ander. Mit der Zunahme der Chloratome entfernen sich diese Derivate von der
eigentlichen Essigsäure ; während die Monochlor-Essigsäure noch bei gewöhnlicher
Temperatur erstarrt, thut die Dichlor-Essigsäure dies erst unter 0° und die Kry-
stalle des ganz gechlorten Productes verflüssigen sich sogar au der Luft; die
Siedepunkte steigen mit der Zunahme des Chlors, und zwar siedet die Mono-
chlorsäure bei 185—189°, die Dichlorsäure bei 189—191°, die Trichlorsäure
bei 195°. Das spec. Gew. nimmt gleichfalls zu, und zwar zeigt
C9H8C10, 0.3947 (bei 73°); CäHäClsOa 1.5216 (bei 15"); C3HCl8Oa
1.617 (bei 46°).
Alle drei Säuren sind als solche, wie auch in Form ihrer Salze sehr leicht lös-
lich in Wasser. Das Monochlorproduot zerfällt beim anhaltenden Erhitzen mit Wasser
vollständig in H Cl und Glyeolsäure. Das Trichlorprodnct zerfällt beim Kochen mit
Ammoniak oder Kali in COa und CHC18.
Die Bereitung der Monochlor-Essigsäure und Trichlor- Essigsäure ist in IUI. I,
pag. 83 und 94 beschrieben.
Die Dichlor-Essigsäure gewinnt man am besten, indem man 84g gelbes
Blut laugensalz, 50 g Cbloralhydrat und 1:50 g HaO 1 — 2 Stundeu lang am Rückfiuss-
ktthler erhitzt, filtrirt, mit 200 cc kochendem Wasser wäscht und kocht bis alles Blut-
laugensalz zerlegt ist. Hierauf wird zur Trockne verdampft und das dichlor-essig-
saure Kalium mit Alkohol ausgezogen. Man trocknet es und zerlegt es mit Salz-
säuregas.
Von allen drei Derivaten sind auch die entsprechenden Aldehyde, die Anhydride,
die Aethylester, die Chloride (z. B. CH3C1.C0C1), Bromide, Jodide, Amide (z.B.
CCl3.CONHa), die Nitrile (z. B. CHCl2.CN), die Phosphide, die Methyl- und
Aethylamide u. s. w. bekannt. Auch das Chloralhydrat gehört zu den Derivaten
der Trichlor-Essigsäure. Gangwind t.
Chlore tum, veraltete Benennung für Chlorid. Die Oxydationsstufe wurde durch
verschiedene adjectivische Endungen der betreffenden Metalle ausgedrückt, z. B.
Chloret um hydrnrgyricum, hydrargyrosum, ferrwtnn, stnnnosum. Auch Chlor-
wasscrstoffsalze der Alkaloide wurden so benannt, z. B. Chloratum chinicum,
morphtcum.
Chloride, ChlorÜre, sind Chlorverbindungen mit Metallen oder Radicalen,
oder Chlorwasserstoff- Verbindungen mit Metall-Oxyden, so zwar, dass die Chlor-
verbindung mit dem Metall-Oxydul Chlorür, die mit der entsprechenden Oxydver-
bindung abor Chlorid genannt werden. Ausführlicheres über die Constitution dieser
Verbindungen siehe unter Haloide, sowie Bd. III, pag. 73.
ChlOn'dulum, Chloridum (mit nachfolgendem Adjectiv), veraltete Bezeich-
nung für Chloride, z. B. Chloridum plntinu nm.
Chlorine = chiorum.
Chloriren. Unter Chi oriren, ebenso Bromiren und Jodiren, versteht
man die Einführung der Halogene in Kohlenwasserstoffe, in Kohlenstoffverbinduugen
überhaupt. Die entstehenden Körper werden Ilalogousubstitutionsproducto genannt.
Der Austausch in diesen hat seitens der Halogene stattgefunden entweder gegen
eine entsprechende Anzahl Wasserstoffatome, oder gegen Hydroxylgruppen, oder,
wie bei den Aldehyden und Ketonen, gegen Sauerstoff, oder auch gegen die Diazo-
gruppe. Ebenso gehört die Addition der Halogene an gesättigte und unge-
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7*
CHLORIREX.
sattigte Kohlenwasserstoffe hierher, deren Producte als Halogeuadditionsprodueto
bezeichnet werden. Die wichtigsten Methoden des Chlorirens etc. sind folgende.
1. Durch directe Einwirkung der Halogene anf die Kohlenwasserstoffe, wobei
ein bis alle Wasserstoffatome der Verbindung ersetzt werden können unter gleich-
zeitiger Bildung von Halogenwasserstoff.
Chlor zeigt sich bei diesen Substitutionen am wirksamsten, dann folgt Brom,
dessen Einwirkung durch Erwärmen beschleunigt wird. Jod wirkt gewöhnlich nicht
direct substitairend, da die etwa entstehenden Jodderivate durch gleichzeitige Bildung
von Jodwasserstoff wieder reducirt werden (C, H7 J + HJ = C3 Hg 4- J2).
Die Wirkung des Jodwasserstoffes wird meistens durch Zusatz von Jodsäure
oder Quecksilberoxyd aufgehoben. Beschleunigt, häufig bedingt, wird die Einwir-
kung von Chlor und Brom durch directes Sonnenlicht oder bei Gegenwart kleiner
Mengen Jod. Im letzteren Falle vermittelt die Entstehung von J Cl8 und die gleich-
zeitige Zersetzung desselben in J Cl und Cla die Uebertragung des Chlors. Ebeuso
chloriren Sb Clft . (Sb Cl3 + Cl3) und M0CI5. Wasserstoff der Benzolverbindungeu
wird durch Chlor und Brom leichter ersetzt als der der Fettkörper. Die Substi-
tution findet bei den homologen Benzolen, sowohl im Benzolrest als in den Seiten-
gruppen statt (z. B. C8 Hs Cl2 . CH, — C„ H, Cl . CH, Cl — C6 H6 . CH Cl3).
Am Benzolkern sind die Halogenatome besonders fest gebunden, weichen nicht
der Einwirkung von Aetzalkalien, Silberoxyd oder Natriumsulfid. Reactionsfähiger
werden Benzolhalogenderivate bei Eintritt von Nitrogruppen. In der Seitenkette
verhalten sich die Halogenatome wie diejenigen in den Fettkörpern.
Im Benzol und dessen Derivaten ersetzen in der Kälte, oder bei Gegenwart von
Jod und Mo Cls , Chlor und Brom nur Wasserstoffatome aus dem Benzolrest,
C6 H* . CH3 4- Clo = C(! Ht Cl . CH, + HCl , Jod wirkt nur ansnahmsweise snbsti-
tuirend.
Dagegen wird beim Einleiten von Chlor, z. B. in heisses Toluol oder dessen Homo-
loge, sonst nur die Seitenkette chlorirt, Cö II5 .CH, + CL, = C6 H. . CH2 Cl + H Cl.
Da bei fortschreitender Einwirkung die Substitution der Halogene nachlässt. so
erhitzt man zur Erlangung hoher Substitutionsproducte die Substanz mit PCIS,
PC16, M0CI5 oder mit J Cl8. Bei derartig energischer Chlorirung werden z.B. aus
Benzolhomologen unter Bildung von Hexachlorbenzol , C,; Cl^ , die Seitenketten als
CCI4 abgespalten. Aehnlich verhalten sich Naphtalin- und Anthracenderivate.
2. In den Alkoholen CnH,Jn + 1).OH ersetzen die Halogene die Gruppe OH;
vermittelt wird dies durch Erwärmen der Alkohole, nachdem sie mit Halogeu-
wasserstoffsäuren (HCl wird dampfförmig eingeleitet) gesättigt sind (C3 Hj . OH 4-
HCl = C, K„ Cl + IIa 0).
Doch hängt die vollständige Zersetzung (Substitution) theils von der Menge
der reagirenden Substanzen, theils von der Temperatur ab. Am leichtesten voll-
zieht sich die Umsetzung der Alkohole mit Jodwasserstoffsäure, hier stehen Chlor-
und Bromwasserstoffsäure ersterer nach. Dagegen geht bei Einwirkung von Chlorver-
bindungen des Phosphors der Austausch der OH-Gruppe leicht und vollständig vor sich :
C H6 . OH 4 PClä = Co H5 Cl 4- HCl + PO Cl3
3 C-, Hs . OH + PO Cl4 = 3 C. H6 Cl + PO (OH),
3 C, Hft . OH -f P Cl3 = 3 Ca Hfi Cl + P OH (0H)2.
Hierbei führeu phosphorige Säure und Phosphorsäure gleichzeitig einen Theil
der Alkohole in Aethersäuren über, die beim Abdestilliren der Chlorsubstitutions-
produete zurückbleiben.
In Phenolen und aromatischen Alkoholen wird beim Behandeln derselben mit
Chlor nicht nur die OH-Gruppe im Benzolrest, sondern auch die der Seitenkette
durch Chlor ersetzt:
C0H4.OH.CHS + P CL, = Cd H4 . Cl . CH, + H Cl +P0C1,,
C6 H5 . CII2 OH H- P Cl6 = Ce H, . CH2 Cl + H Cl + PO Cl3.
3. Charakteristisch für die Chlorirung etc. der Benzolderivate ist die Umsetzung
der Diazoverbindungen. Die Gruppe — N =: N — wird direct als solche durch
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CHLORIREN. - CHLOR JOD.
79
Cl, Br und J vertreten. Das bezügliche Verfahren dient dazu, um im Benzolrest
Nitro- oder Amidogruppen durch Zwischenstellung von Diazoverbindungen in
Halogensubstitntionsproducte überzuführen (CöHsN02 gibt C„ H8 NH, , letzteres
dauu 0, H6 N2 X und dies /.. B. mit Chlor Cfl Hß Cl).
Auch aus sub8tituirtcn Amidoproducten erhält man , indem die NH2-Gruppe
(durch Vermittelung der Diazoverbindung) durch H ersetzt wird, Halogenderivate
(z. B. < V, Hs . Cl, . NH, gibt Cfl II, CL i.
4. Bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Aldehyde und Ketone
substituiren 2 Chlor- 1 Sauorstoffatora :
CH3 . CHO + H Cl5 = CHj CH Cl, 4- PO Cl3,
CH? . CO . CH3 + P 01s — CH8 . C Cl, . CHj + PO 01, .
Die Reaction bei den Aldehyden spricht mit dafür, das« in letzteren das Sauer-
stoffatom zweiwerthig gebunden ist.
5. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe der Methanreihe addiren die Halogene, meist
schon bei gewöhnlicher Temperatur, sehr energisch, C, H4 -f 01, = Ca H, Cl,,
langsamer bei Abschluss des Lichtes, im Licht oft unter Bilduug von Substitutions-
producten. Brom addirt sich wie Chlor den mehrwerthigen Kohlenwasserstoffen,
Jod dagegen in alkoholischer Lösung meistens nur beim Erwärmen.
Mit Benzol oder Chlorbenzolen geben ('hlor und Brom z. B. im Sonnenlicht
ebenfalls Additiousproducte (0,, Hc Cl, bis C^ IL, Cl. und Cü n5 . 01 . Cl, bis
Ca Hj . Cl OL.), dieselben sind fest und nicht unzersctzt flüchtig, durch Aetzalkalien
theilweise zersetzbar. Benzol hexachlorid . Cfl H« 01fl, entsteht auch beim Einleiten
von Chlor in kochendes Benzol, wobei sich gleichzeitig Substitutionsproductc bilden,
in denen wiederum Chlor und Halogene überhaupt durch Einwirkung von nas-
cireudem Wasserstoff' (Xatriumaraalgam) ersetzt werden.
Ebenso addiren ungesättigte Kohlenwasserstoffe Halogenwasserstoffe, besondere
leicht concentrirte Jodwasserstoffsänre , HJ. Hierbei tritt das Halogenatom fast
stets an das wasserstoffärmere Kohlenstoffatom : CH3 . CH . CH, + H Cl =
CHS . OH Ol . CHS.
Halogensubstitutionsproducte der ungesättigten Kohlenwasserstoffe können meist
nicht durch directe Einwirkung der Halogene erhalten werden, da, wie bemerkt,
hierbei Additionsproducte entstehen. Erstere bilden sich bei massiger Einwirkung
von alkoholischer Kalilauge oder von Silberoxyd auf disubstituirte Kohlenwasser-
stoffe, CnHonX«, namentlich leicht auf die Additionsproducte der. Olefine:
C2 H4 Cl, -f K OH = C, H3 Cl + K Cl + H2 0.
Aethylenchlorid Monochloräthylen. K. Thümmel.
Chlorjod. Die Halogene vereinigen sich untereinander zu chemischen Ver-
bindungen, welche jedoch wegen der Aehnlicbkeit ihrer Elemente wenig beständig
sind (vergl. Chlorbrom) und von denen durch längere Einwirkung des einen
Elements auf das andere, wie bei Chlor und Jod, einfach oder mehrfach Chlorjod
entsteht. In diesen Verbindungen wirkt Chlor weit energischer, gleichsam in statu
nascendi snbstituirend auf Kohlenwasserstoffverbinduugen , ■ als reine* Chlor (s.
Chloriren).
Einfach Chlor jod, J Cl, erhält man neben J Cl, beim Ueberleiten von Chlor
über Jod. Es bildet eine rothe, krystallinische Masse, welche bei 27.4° schmilzt,
etwas über 100° destillirt und durch Wasser zersetzt wird.
Dreifach Ohio rj od, J Cl, , entsteht beim Mischen von Jodwasserstoffsänre
mit eoncentrirter Chlorwasserstoffsäure, ebenso durch Einwirkung von Phosphor-
pentachlorid (P Cl6) auf Jodsäureanhydrid (J, 06). Lange, gelbe Nadeln, die beim
Erhitzen in J Cl und 01, zerfallen. In wenig Wasser fast unverändert löslieh, durch
mehr Wasser wird es zersetzt.
Fünffach Chlor jod, J CL, , ist eine braune Flüssigkeit, die in der Kälte
mit wenig Wasser ein krystallinisches Hydrat bildet, ähnlich dem des Chlors und
Chlorbroms. K. Th
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80
CHLORKALI. — CHLORKALK.
Chlorkäli. Die Aerzte verstehen darunter zwar meist Kalium chlor icinn
(Kaliumchlorat), manchmal aber auch Chlorkalium (Kaiiumchlorid) ; es ist daher
diese zu schweren lrrtbümern leicht Anlass gebende Bezeichnung möglichst ganz
zu vermeiden, um so mehr , als auch in chemischer Beziehung „Chlorkali" ein
Unding ist. Aehnlich verhält es sich mit Bromkali und Jodkali.
Chlorkalk, Bleichkalk, unterchlorigsaures Calcium, Calcaria chlurata, Calcium
hi/pochlorosum, Calcaria hypochlorosa. Das unter diesem Namen fabrikmässig
dargestellte Präparat wird als ein Gemisch von unterchlorigsaurem Calcium und
Chlorcalcium mit mehr oder weniger Calciumhydroxyd und Wasser angesehen
(s. w. u.).
Darstellung. Fabrikmäßig wurde Chlorkalk im Jahre 1799 von Ch. Ten-
nant in Glasgow dargestellt. In Fabriken, in denen Soda und Chlorkalk gemein-
schaftlich fabricirt werden, entwickelt man das zur Darstellung erforderliche Chlor ent-
weder direct aus Salzsäure und Braunstein, Mn Os + 4 H Cl = Clä + 2 Ha 0 + Mn CL ,
oder aus Kochsalz, Schwefelsäure und Braunstein, resp. regenerirtem Braunstem (».
Braunstein), 2NaCl-f SHjSO^MnOj =Cl2-f 2NaHS04-f Mn804 + 2HaO,
oder nach dem seit 1867 bekannten Verfahren von Deacon in folgender Weise.
Salzsäuredampf wird mit atmosphärischer Luft gemischt über Thonröhren oder
Ziegelsteinstücke geleitet, welche mit Kupfersulfatlösung getränkt und dann ge-
trocknet waren und die in besonderen Kammern auf 360 — 400° erhitzt werden.
Bei dieser Temperatur tritt, entgegen dem sonstigen Verhalten des Chlors gegen
Wasserstoff, die Zersetzung der Salzsäure unter Bildung von Wasser und Abspaltuug
von Chlor ein, 2 H Cl + 0 = Cl, 4- H2 0.
Das GasgemeDge wird durch Wasser geleitet, welches unzersetzte Salzsäure und
einen Tbeil des Wasserdampfes zurückhält, dann wird es mittelst Calciumchlorid
oder Schwefelsäure getrocknet. Es enthält schliesslich ausser Chlor nur noch Stick-
gtoff und etwas Sauerstoff.
Zur Darstellung des Chlorkalks wird Chlorgas — sei es nach der einen
oder anderen Methode dargestellt — über Calciumhydroxyd (zu Pulver ge-
löschtem Kalk, der noch ausserdem 2 — 3 — 4 Procent Wasser enthält) geleitet,
wobei die Temperatur nicht über 25° steigen darf. Das Calciumhydroxyd wird in
Kammern aus Sandstein , Backsteinen oder Steinzeug , deren Wände mit Asphalt
überzogen sind , auf Platten ausgebreitet , von denen sich mehrere Etagen über-
einander befinden. Sobald kein Chlor mehr abaorbirt wird, krückt mau den fertigen
Chlorkalk aus und beschickt die Kammer von Neuem. Das fertige Präparat wird
für den Handel oft durch Kalkhydrat gestreckt.
Da es der Technik ohne Schwierigkeit gelingt, Chlorkalk von 42 — 43 Proeent
(Wagnkb), selbst von 44 Procent (Lunge und Schäppi) wirksamem Chlor
darzustellen, so ist eine Formel, welche die Zersetzungserscheinungen genügend
erklärt, zur Zeit nicht zu geben. Wir können zwar, nach Analogie der Ein-
wirkung von Chlor auf Alkalihydroxyde, die Reaction annähernd erklären durch:
2Ca(0H)a •+■ 2Cla = Ca(OCl), -f CaCla + 2Ha0, wonach Chlorkalk als ein
Gemenge von Calciumhypochlorid mit Calciumchlorid und Wasser anzusehen wäre.
Der ReactionBgleichung entsprechend müssto der vollständig mit Chlor gesättigte
Chlorkalk 48.9 Procent wirksames Chlor enthalten, was jedoch bis jetzt unerreich-
bar war, da man gefunden, dass stets ein Theil des Calciumhydroxyds unverändert
bleibt. Ebenso findet Bich Calciumchlorid nicht als solches im Chlorkalk (Alkohol
zieht kern CaCla aus Chlorkalk aus), und ferner lässt sich sämmtliches Chlor
durch Kohlensäure austreiben.
Odling und Lunge nehmen deshalb an, dass im Chlorkalk wahrscheinlich die
Verbindung Ca^^ enthalten sei, und wir müssen demnach die Zersetzungs-
Cl
erecheinnngen durch Ca (0 H)2 + Cl3 = Ca<^ft n -f Hs 0 ausdrücken.
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CHLORKALK.
81
Eigenschaften. Der Chlorkalk ist ein weisses, bröckliches Pulver, das au
feuchter Luft schmierig wird und einen schwachen Geruch nach unterchloriger
8äure (chlorähnlich ) besitzt. Chlorkalk ist mit Hinterlassung von Calciunihydroxyd
in circa 15 Th. Wasser löslich. Reibt man ihn mit wenig Wasser an, so schwillt
er unter Erwärmung zu einem voluminösen, aus mikroskopischen Nadeln bestehen-
den Brei an. Die tiltrirte wässerige Lösung ist farblos, besitzt einen herben Ge-
Kchmack und zeigt alkalische (Caf'OH),) Reaction; rothes Lackmuspapier wird
daher anfangs gebläut, dann aber gebleicht. Verdünnte Säuren, selbst die schwächsten,
entwickeln im Ueberschuss angewendet, aus Chlorkalk Chlor, worauf seine Anwendung
für Bleicherei- und Desinfectionszwecke beruht.
PI
2 CaQ 1 + 4 II Cl = 2 Cl, + 2 Ca Cl, + 2 Ha 0 und
2 Ca/j^ + 2 H, S 04 = 2 Cl, + 2 Ca S 04 + 2 H, 0.
Erhitzt man Chlorkalk oder setzt man ihn dem directen Sonnenlicht aus, so
gibt er theils Sauerstoff ab, theils zersetzt er sich in Calciumchlorat und -Chlorid.
Letzteres geschieht auch beim Kochen von Chlorkalklösungen. Besonders lebhaft
ist die Saucrstoffentwickluug in Berührung mit einzelnen Metalloxyden, z. B. Kobalt-
oxydulhydrat u. a. in erwärmten Chlorkalklösungeu.
Die Aufbewahrung des Chlorkalks geschieht in trockenen, kühlen Räumen vor
Lieht geschützt in verschlossenen Gefässen.
Chlorimetrie. Da bei der Verwendung des Chlorkalks nur die Menge des
durch verdünnte Salz- oder Schwefelsäure frei werdenden , d. h. wirksamen
Chlors in Betracht kommt, so bedingt lediglich dies wirksame Chlor seinen Werth.
Die Operation, durch welche der Gehalt an wirksamem Chlor ermittelt wird, be-
zeichnet man mit dem Namen Chlorimetrie.
Ph. Germ., Austr. , Suec. , Neerl. und Helv. verlangen 20 Procent wirksames
Chlor, Ph. Un. St. 25 Procent. Ph. Gall. 28.6 Procent (= 90 Grade, d. h. es
sollen aus 1 kg Chlorkalk 90 1 Chlorgas freigemacht werden können;, Ph. Brit.
30 Procent.
Da Ferrosulfat, welches zur titrimetrischen Bestimmung des Chlorgehalts von
mehreren Pharmakopoen (z. B. Ph. Suec, Neerl. und Helv.) vorgeschrieben wird,
mehr oder minder oxydhaltig ist, so verdient die jodometrische Methode nach
R. Wagnee für pharmaceutische Zwecke den Vorzug. (NB. es begnügen sich die
meisten Pharmakopoen mit einer Grenzbestiinmung.)
0.3 — 0.5 g (genau gewogen ) einer gut gemischten Durchschnittsprobo werden
von dem zu untersuchenden Chlorkalk in einen Porzellanmörser gegeben, dessen
Ausgu88 am Rande eingefettet ist. Nachdem der Chlorkalk mit etwas Wasser
zu einem zarten. Brei angerieben ist, wird der Inhalt des Mörsers unter nach-
herigem Abspritzen in ein Becherglas gegeben, das jodsäurefreie Jodkaliumlösung
(1 — 1.5:10 — 20) enthält. Man setzt dann 15 — 20 Tropfen Salzsäure zu und
titrirt das in Jodkaliumlösnng gelöste Jod durch 1 10 Normalnatriumthiosulfatlösung.
Indicator Stärkelösung oder Jodzinkstärkelösung, welche erst dann zugegeben wird,
sobald die Jodlösung durch Zusatz von Na, S, 03 - Lösung weingelb gefärbt
erscheint.
CaM)Cl + 2 HCl ~ <,aCla + Hs ° + C,a'
Cl, + 2 K J = 2 K Cl + J3 und
J, + 2Na,SaO,.10H20= 2NaJ + Na2S106 + 10H,O.
I »anach entsprechen J, = Cl,, ebenso
2 X 127 = 254 2 x 35.4 = 70.8
J, = 2Na.jS.3O3. 10 II, 0 oder
J = Na.S303.10HaO
127 248
R^l-tocyclopadie der ges. Pbannacie. III. 6 by Googk
82 CHLORKALK. — f'HLORKOHLEXSTOFF.
1 ccm 1 ,0 Nornialnatriumthiosulfatlösung (= 0.0248 g Na. Sä Oj . 10 lla O, ent-
spricht mithin 0.0127 g Jod oder 0.0035 g Chlor.
Bei Berechnung des (wirksamen) Chlorgehalt» ist daher die verbrauchte Anzahl
Cubikcentinieter 1/l0 NormaluatriumthiosulfatlösuDg mit 0.003 öl zu multipliciren
und der Quotient weiter auf Procente zu berechnen.
In der Technik wird meistens die titrimetrische Methode nach Gay-Lissac,
die raodificirt von der Ph. Austr. als Grenzbestimmung aufgenommen ist, ange-
wendet.
Danach werden 10 g einer Durchschnittsprobe Chlorkalk wie vorher mit Wasser
zu einem zarten Brei angerieben, dieser in eine Literflasche gespfllt und letztere
bis zur Marke aufgefüllt. Gleichzeitig bringt man 10 ccm einer salzsauren Arsenig-
sänrelösung ( 13.95 g As, 0, werden in Aetznatron lauge gelost, die Lösung wird
mit Salzsäure stark übersättigt und zum Liter aufgefüllt) in ein Becherglas, verdünnt
mit Walser, gibt als lndicator entweder Indigolösung oder Jodzinkstarkelösung zu
und lässt hierzu von der gut durchmischten Chlorkalklösung aus einer Bürette so
lange zumessen, bis entweder die blaue Farbe des Indigo verschwindet oder die
Blauung von Jodstärke bleibend ist.
10 ccm Arsenigsäurelösung i = 0.1395 As3Oa) stehen 0.1 Chlor gleich.
Ass 0:{ + 2 CL, + 2 H., O = As, 05 + 4 HCl
198 : 141.G = 0.1395 : x( = 0.1).
Wären z. B. 31.2 ccm Chlorkalklösung zur Oxydation erforderlich gewesen, so
würde der fragliehe Chlorkalk 32.05 Proeent wirksames Chlor enthalten haben:
31.2 : 100 = 100 : x . — 32.05). K. Thümmcl.
ChlOrkohlenOXyd, Carhonylchlorid, Phosgen, COCL, entsteht durch
direete Vereinigung von Kohlenoxyd mit Chlor im directen Sonneulicht (im zer-
streuten Lieht vereinigen sie sieh nur langsam), ferner beim Durchleiten von
Kohlenoxyd durch kochendes Antimonchlorid , Sb2Cl5, und bei der Oxydation von
Chloroform (s. d. Art.) mit einem Geraenge von concentrirter Schwefels:! ure
und Kaliumdiehromat. 2CIIC1, + 30= 2C0CI. + 11,0 + CL,.
Im Grossen wird es auch dargestellt durch Ueberleiteu eines Gemisches von
Chlor und Kohlenoxyd über gepulverte Knochenkohle. Entweder condensirt man
das Gas weiter in einer Kältemischung oder man fängt es in Beuzol auf. Bei ge-
wöhnlicher Temperatur stellt Chlorkohlenoxyd ein farbloses, erstickend riechendes
Gas dar, das sich iu einer Kältemischung zu einer farblosen Flüssigkeit verdichtet,
die bei + 8° siedet. Mit Wasser zersetzt es sich in Kohlensäure und Salzsäure,
mit wasserfreieu Alkoholen zusammengebracht, bilden sich die Ester der Chlor-
kohlen-, beziehungsweise der Chlorameisensäure, damit erhitzt, entstehen neutrale
Cl
Kohlensäureester >z. B. C'0<0(1 H = chlorkohlensaurer Aethylester).
Eingcatbmet wirkt Chlorkohlenoxyd schon in kleinen Mengen unter denselben
Erscheinungen wie Kohlenoxyd äusserst giftig (eigene Erfahrung). K. Thümmel.
Chlorkohlenstoff. Kohlenstofftetraehlorid , Tetrachlormetban , CC1, ist das
Endproduct der Einwirkung von Chlor auf Aethylalkohol oder Chloroform, und
repräsentirt ein Chloroform, in welchem das H-Atom, das letzte der Methylgruppe,
durch Cl ersetzt ist, oder ein Methan, in welchem alle 4 H-Atome durch Cl-Atome
ersetzt sind. Thatsächüch lässt sieh der Chlorkohlenstoft durch Behandeln von
Chloroform mit Chlor gewinnen , leichter durch Behandeln mit Chlorjod :
CHCls -I- C1J = CC14 -I- HJ. Zur Darstellung versetzt man nach Hofmann
Schwefelkohlenstoff mit Antimonchlorid und leitet in die siedende Mischung trockenes
Chlor; das unter 100u Siedende wird mit Aetzkalilösung gekocht und reetificirt.
— Es bildet eine farblose, bewegliche, angenehm gewürzhaft riechende Flüssigkeit
von 1.632 spec. Gew. und .".6. 5— ."»8° Siedepunkt. Dem Chloroform analog bewirkt
es Anästhesie. In alkoholischer Lösung mit Natriumamalgam behandelt, wird ea
zu Chloroform reducirt.
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CHLORKOH LEXSTOFF. — CHLOROFORM.
83
Ausser der obigen Verbindung CC14 wind noch zwei andere Verbindungen von
Kohlenstoff mit Chlor, C8 Cl4 und Ca Cl6 hergestellt worden, welche indessen wohl
nur als vorübergehende Dissociationsproducte angesehen werden dürfen.
Ganswind t.
Chlorodyne. eine in England sehr beliebte 8pecialität . die auch viel nach
dem Festlande ausgeführt wird. Chlorodyne wird innerlich und äusserlich ange-
wendet. Es existiren Präparate sehr verschiedener Zusammensetzung, alle haben
sie aber das gemeinsam, dass sie die heterogensten Mittel zusammengemischt ent-
halten. Nachstehend ein paar Vorschriften. Nach Farnham: 0.5 g Morphinum
hydrochlor., 16 g Aqua , 6 g Chloroform, 6 g Tinct. Cannabis Indic. , 24 g
Alkohol, 12 Tropfen Acut, hydrocyan. dil., 2 Tr. Oleum Menthae pip. und
10 Tr. Tinct. Capsici ann. — Nach Browne: 5g Acid. muriat. conc, je
10 g Aether^ Chloroform , Tinct. Cannahis Indic. und Tinct. Capsici ann., je
2 g Morphin und Acid. hydrocyan., 1 g Oleum M+nthae /«/>., 50 g Syrup
Sacchariy je 3 g Tinct. Hyoscyami und Tinct. Aconiti. — Nach einer ameri-
kanischen Vorschrift: je 120g Chloroform und Alkohol, 25g Aether, 75g Extr.
Liquiritiae, 650g Syrup. Sacchari, 0.5g Morphin, lg Oleum Menthae pip.,
60 g Acid. hydrocyan.
Chloroform, Trichlormethau, Formylchlorid, Chloroformium,
Formylum trichloratum, CHC13. Geschichtliches. Das Chloroform wurde
1831 gleichzeitig von Liebig (bei Behandlung von Aethylalkohol mit Chlor und
Zersetzung des I'roductes durch Aetzalkalii und von Soubeiran (bei der Ein-
wirkung von Chlorkalk auf Alkohol und Aceton) entdeckt. 1834 stellte Dumas
seine Zusammensetzung fest. Der Name Chloroform ist abgeleitet von Formylum
truhloratumy Formylchlorid, weil man darin das dreiwerthige Radikal C H, Foriuyl
genannt, annahm. 1847 führte 8iüi*son das Chloroform als Anastheticum in den
Arzneischatz ein.
Darstellung. Chloroform entsteht durch Chlorirung chlorärmerer Substitutions-
producte des Methans, besonders bei Gegenwart erhitzter Thierkohle, ebenso
durch Reduction von Perchlonuethan, ferner bei der Destillation von Aethylalkohol,
Aceton, Terpentinöl, von Acetaton u. m. a. organischer Verbindungen mit Chlor-
kalk, sowie bei der Zersetzung des Chlorais durch Aetzalkalien. Methylalkohol
liefert kein Chloroform.
Die Darstellung geschieht in Fabriken (Ph. Austr. verlegt sie noch in's pharma-
eeutische Laboratorium), welche dafür ihre eigenen Vorschriften haben. Es wird
angegeben, dass 20 Tb,. Chlorkalk mit 60 — 80 Th. heissem Wasser zu einem
glsichmässigen Brei angerührt, und dazu l Th. (Mich. 1'ettenkofer } 90 bis
Dlproceutiger oder 4 Th. (Schmidti 86procentiger Alkohol zugesetzt werden
Bollen. Die Destillation wird durch die bei der Zersetzung erzengte Wärme ein-
geleitet, später unterstützt man sie durch Dampf. Das gewonnene Rohchloroform
wird von dem mit übergegangenen wässerigen Destillat getrennt, zur Zerstörung
der vorhandenen Chlorderivate mit Schwefelsäure behandelt, dann mit Sodalösung
gewaschen, getrocknet und rectificirt.
Bezüglich des Verlaufes der Einwirkuug von Chlorkalk auf Aethylalkohol
ist mit Sicherheit nur Anfang und Ende bekannt, man weiss, dass sich zunächst
Aldehyd, dann wahrscheinlich Acctal und schliesslich Trichloraldehyd bildet, das
durch Aetzkalk in Chloroform und ameisensaures Salz gespalten wird.
2 C, H6 . 0 H + Ca < C1 0)2 = 2 C Hs . C H 0 4- Ca Cl2 + 2 H2 0,
2 i'll, . CHO -j- 3 CaiCIO .. = 2 CCI, . CHO + 3 CafOIIi.,,
2 CC1, . CHO + Ca (OH*, = Ca (HC 0,i., -f 2 CHC1S.
Chloralchloroform , das unter diesem Nameu im Handel vorkommt, stellt man
dar dureh Destillation von 1 Th. reinem Chloral mit 3 Th. Natronlauge (1.1 spec.
Gew.), Entwässern des Destillats uud Rectificiren desselben.
CC13 .CHO + NaOH = CHO, + HCOONa.
6*
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84
CHLOROFOKM.
Ph. Gall. und Un. St. lassen käufliches Chloroform durch Behandeln mit Schwefel-
säure, Waschen mit Sodalösung und nachherige Destillation besonders reinigen.
Eigenschaften. Das Chloroform ist eine farblose, bewegliche, neutrale
Flüssigkeit von eigenartig Ätherischem Geruch und süsslichem Geschmack; es
erstarrt in reinem Zustande bei —70°, siedet bei 61.2° und besitzt bei 15° das
spec. Gew. von 1.502, bei 0° von 1.526. Es ist in Wasser sehr wenig, in Alkohol
und Aether leicht löslich, löst Phosphor, Brom, Jod, Fette, Harze, Paraffin, Kaut-
schuk und besonders Alkaloide. An sich ist es nicht entzündlich, brennt aber mit
Alkohol gemischt mit rauchender, grüner Flamme. Erwärmt man nur wenige
Tropfen Chloroform mit etwas Anilin und alkoholischer Kalilauge, so tritt der
penetrante Geruch nach Phenylcarbylamin (Isonitril) , Ca Hö C N , auf. Dieselbe
Keaction geben auch Cbloral, Bromoform und Jodoform. Mit Chloroform geschütteltes
Wasser reducirt FEHLiNG'sche Lösung wie Traubenzucker. Durch dies Verhalten
ist, sobald man Fehling 'sehe Lösung mit Chloroform erwärmt, ein Verfahren zur
quantitativen Bestimmung des letzteren gegeben , C H Cls + 2 Cu 0 -f 5 KOH =
Cu3 0 + 3 KCl + Ka COs 4- 3 H2 0.
Chloroform bildet mit alkoholischer Alkalilauge Alkalichlorid, -formiat und
Wasser, wahrend bei Gegenwart von Ammoniak in diesem Gemisch Blausäure,
beziehungsweise Cyanammonium entsteht. (Ueber den Nachweis von Chloroform
im Organismus und in Vergiftungsfällen s. Lustgarten, Monatsschr. f. Ch. III,
pag. 715 und Vitali, Gaz. chim. IX, pag. 489). Durch Einwirkung von Licht und
feuchter Luft wird reines, alkoholfreies Chloroform unter Bildung von Chlor und
Chlorkohlenoxyd (Phosgen, COCla) rasch zersetzt, im Dunkeln langsamer; es
zeigt dann den widerlichen Geruch nach Phosgen , raucht an der Luft , reagirt
infolge gebildeter Salzsäure auf Lackmus und Silbernitrat. Ein derartig zersetztes
Chloroform lässt sich durch Schütteln mit Sodalösung, Waschen, Trocknen und
Rectificiren wieder brauchbar machen. Da ein Gehalt von mindestens 0.5 Procent
Alkohol erfahrnngsroässig diese Selbstzersetzung des Chloroforms in einer bis jetzt
unaufgeklärten Weise verhindert, so soll in den Officinen nur alkoholhaltiges Chloro-
form dispensirt werden. Die Forderungen der Pharmakopöen schwanken in dem
Alkoholgehalt zwischen 0.5—2 Procent. Nach Bri.TZ beträgt das speeifische Gewicht
des Chloroforms, nach Schmidt der Siedepunkt desselben bei einem Gebalt von:
SZ'll7 Siedepunkt
0.25 Procent Alkohol . . 1.4974 61.3 —61.9°
0.5 „ „ . . 1.4936 61.07—61.8»
1 „ „ . . 1.4851 60.27—61.60
2 „ „ . . 1.4702 59.0 —61.2°
Ph. Germ. II. verlangt ein spec. Gew. von 1.489, Siedepunkt 60 — 61, 1 Procent
Alkoholgehalt, Ph.Anstr. 1.49— 1.5, Siedepunkt 63.5, Ph.Suec. 1.485—1.493, 1—1.5
Procent Alkohol, Ph. Neerl. 1.492— 1.496, Ph. Helv. 1.492, Siedepunkt 62—63°,
Ph. Gall. f. Chlorof. venale 1.49, dep. 1.5°, Siedepunkt 60.8», Ph. Brit. 1.49,
Ph. Un. St. dep. 1.485 — 1.490, 2 Procent Alkohol. Eine Uebereinstimmung zwischen
diesen Forderungen und der vorigen Tabelle ist allerdings nicht vorhanden.
Alkoholhaltiges Chloroform färbt sich auf Zusatz von Fuchsin (bei 110° ge-
trocknet) roth, alkoholfreies, reines nicht. Ueber die Einwirkung von rauchender
Salpetersäure und Schwefelsäure s. Nitrochloroform.
Prüfung. 1. Wasser, das mit Chloroform geschüttelt worden, darf blaues
Lackmuspapier nicht röthen, ebenso soll ein Gemisch von einigen Tropfen Silber-
nitratlösung , 5 g Alkohol und 20 Tropfen Chloroform keine Trübung zeigen
(Salzsäure). 2. Wird Chloroform mit Jodzinkstärkelösung überschichtet, so zeigt
das Erscheinen einer blauen Zone Chlor an. In diesem Falle ist auch Chlor-
kohlenoxyd (Phosgen) vorhanden, das sich durch den eigenthümlichon Geruch
bemerkbar macht. 3. Chloroform mit einem halben Volumen Schwefelsäure in einem
staubfreien, durch Schwefelsäure gereinigten Stöpselglase von circa 3 cm Weite
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CHLOROFORM. — CHLORO PO R M V E RG IFT UNG.
85
öfter geschüttelt, darf nach einer Stunde die Säure nicht färben (Chlorderivate).
Bei dieser Prüfung" hat man allerdings nicht nur die angegebenen Cautelen zu
beachten , sondern man muss auch sicher sein, daas das Chloroform nicht vorher
mit organischen Stoffen in Berührung gewesen, etwa in Flaschen mit Korkstöpsel
aufbewahrt worden. In letzterem Falle wäre vor der Prüfung das zu untersuchende
Chloroform zu rectificiren.
Die Aufbewahrung des Chloroforms geschieht an einem kühlen, vor Licht
geschätzten Orte. K. Thomm el.
ChlorofOrmiC anOdyne, eine englische SpecialitiU , ist ein Gemisch aus
Chloroform, Opinmtinctur und Bittermandelwasser.
ChlOrOformirUng. Darunter versteht man das Betäuben mittelst Zuführung
von Chloroformdämpfen durch Mund und Nase. Das Chloroform wird auf ein Tuch
oder auf einen über ein Drahtgestell gespanuten Flanelllappen aufgeträufelt und
dem zu Narcotisirenden vor die Nasenöffnungen gebracht. Die Augen schützt man
durch ein aufgelegtes trockenes Tuch. In der Chloroformwirkung sind drei Stadien
zu unterscheiden. Im ersten, im Stadium der Willkür, besteht noch freies Bewusst-
sein bei herabgesetzter Schärfe der Sinne; es dauert 1 — 5, selten 15 Minuten.
Das zweite Stadium , das der Excitation , ist durch Hallucinationen , Irrereden,
Lachen, Singen, Weineu und Wehklagen charakterisirt. Mitunter kommt es zu
furibunden Delirien. Das zweite Stadium ist von sehr verschiedener Dauer und
besonders bei Trinkern stark ausgeprägt. Die Schmerzempfindung ist im zweiten
Stadium noch nicht völlig erloschen. Erst bei weiterer Zufuhr von Chloroforui-
dämpfen tritt der Patient in's dritte Stadium , in's Stadium der Toleranz , auch
chirurgisches Stadium genannt. Haut und Conjuuctiva bulbi werdeu unempfindlich ;
die Muskeln erschlaffen vollständig. Die Bewegung solcher Organe, die mit
organischen (glatten) Muskelfasern versehen sind , wie Darm oder Uterus, bleiben
ungestört.
Die Chloroformnarcosc tritt viel rascher und sicherer ein , wie die Aether-
narcose, ist aber gefährlicher. Ein Todesfall kommt auf 2873 Chlorotorranarcosen,
hingegen erst auf 23.204 Aethernarcosen ; bei Mischungen von Chloroform mit
Aether, ein Fall auf 5588 Nareosen. — S. auch Chloroformvergiftung.
ChlOrofOrmium albuminatum {gelatinatum). Gleiche Theile Chloroform
und Eiwttin» werden so lange kräftig zusammengeschüttet, bis eine gleichförmige
Masse entstanden ist.
ChlOrofOrmium CamphOratum ist Chloroform mit 10 bis 15 Procent
Kampfer.
Chloroformium cum Morphino Bernatzik. <>.:.- Morph in. pur. werden
bei gelinder Wärme mit Hilfe von 10 Tropfen Acid. aceticnm in 10 g Spiritus
gelöst und erkaltet mit 40 g Chloroform gemischt. Nach einer anderen Vorschrift :
0.5 g Morphin, aceticum , 5 Tr. Acid. aceticnm, 25 g Spiritus und 50 g
Chloroform.
Chloroformium gelatinatum = chloroformium albuminatum.
ChlOrofOrmium glyCerinatUm. 10 Th. Chloroform werden in 20 Tb.
Spirit. Saponia gelöst und mit 20 Th. Glijcerin gemischt.
Chloroformium phosphoratum ist Chloroform mit einem verschiedenen
Gehalte, 5—10 Procent, an Phosphor.
Chloroformöl heissen im Allgemeinen alle Mischungen von Chloroform mit
einem fetten Oele.
Chloroformvergiftung. Vergiftungen mit Chloroform kommen acut durch
Einathmung dea Dampfes oder durch Verschlucken der Substanz, und chronisch
bei solchen Individuen zu Stande, die Chloroform als Genussmittel cinathmeu.
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86
CHLOROFORM VERGIFTUNG. — CHLOROPHYLL.
Ein unglücklicher Ausgang der zu Operationszwecken vorgenommenen Chloro-
formiruag kann veranlasst werden : 1. Durch schlechte Beschaffenheit des Chloro-
forms, insofern dasselbe giftige, von der Darstellung oder durch Zersetzung her-
rührende Beimengungen enthält; 2. durch unzweckmässige Anwendung desselben,
vorzüglich, wenn es nicht genügend mit atmosphärischer Luft gemischt eingeathraet
wird, und 3. durch eine eigenartige individuelle Veranlagung oder durch gewisse
zur Zeit bestehende Krankheiten (Herzleiden, Schwäche etc.). Bei Einigen tritt
der Chlorofornitod nach wenigen Einathmungen durch Herzlähmung ein, bei Anderen
zeigen sich Blässe des Gesichts, Unregelmässigkeit der Athmung und der Tod
erfolgt unter den 8ymptomen der Erstickung.
Vom verschluckten Chloroform können schon 4 g tödtlich wirken. Wiederher-
stellungen sind noch nach 7.*» und 90 g beobachtet worden. Es entsteht intensive
Reizung vom Munde bis zum Magen, häufig Erbrechen und fast immer Betäubung,
blasse, kühle Haut und Athmungsstörnngen. Der gewöhnliche Ausgang der Ver-
giftung ist die Genesung. Der Tod kann aber auch noch nach einer scheinbaren
Besserung in den ersten 24 Stunden erfolgen.
Die künstliche Athmung mnss bei jeder Form der acuten Vergiftung angewendet
werden. Bei der Vergiftung vom Magen aus ist auch die Entleerung desselben
sowie die Verabfolguug entzündungsmildernder Stoffe (Gele, Gummi etc.] angezeigt.
Lewin.
Chlorogenin, noch wenig untersuchtes Alkaloid, aus der Riude von Ahiortia
eoitsti'icta dargestellt.
Chlorophyll (/^wpoe, grün, und (pO).Vjv, Blatt), Blattgrün, von Pelletier
und Cavextou 1817 für den grünen Farbstoff der Blätter eingeführter Name.
Man muss daher denselben für den Farbstoff selbst reserviren und darf nicht die
Cblorophyllk ö r n e r der pflanzlichen Zellen mit diesem Namen bezeichnen.
Chlorophyll kommt niemals in reiner Form in der pflanzlichen Zelle vor, sondern
ist stets reit eiuera anderen (gelben) Farbstoff, dem Xanthophyll, gemischt in
die Substanz kleiner aus Eiweisssubstanzen bestehender Körper eingelagert. Diese
sogenannten Chlorophyllkörper besitzen bei allen höheren Pflanzen, von
den Gefüsskryptogamen aufwärts, die Gestalt von Körnern (Chlorophyll-
körner) und sind selten in der Einzahl, ineist in der Vielzahl in den (grünen)
Zellen der Pflanzen enthalten. Nur einige Gruppen der Algen machen eine Aus-
nahme hiervon , indem bei ihnen die < 'hlorophyllkörper bald die Gestalt von
Bändern, Platten und Sternen besitzen, bald der Farbstoff gleichmässig Uber das
ganze Plasma vertheilt ist (sehr selten).
Bei den höheren Pflanzen finden sich < 'hlorophyllkörner in allen grünen Theilen,
in grösster Menge in den Blättern und hier namentlich in den Zellen der Ober-
seite (Paiissadeuzellen), die denn auch meist einen dunkleren Farbeton besitzt, als
die Unterseite. Da der pflanzliche Assimilationgprocess — d. h. die Fähigkeit, aus
Kohlensäure und Wasser kohlenstoffhaltige organische Substanzen aufzubauen —
allein auf die Chlorophyllkörper beschränkt ist, so sind nur grüne Organe
Assimilationsorgane, in erster Linie also die Blätter, bei denen bisweilen in
einer Zelle 50 — oO solcher Chlorophyllkörner liegen. Da andererseits der
Assimilationsproecss nur unter dem Einflüsse des Lichtes stattfindet, so sind
einmal die ehlorophyllführenden Zellen, andererseits die Cblorophyllkörner in ihnen
in die denkbar beste Lage zum Lichteinfall orientirt, so zwar, dass möglichst alle
Körner vom Liebte getroffen werdeu.
Die Chlorophyllkörner selbst besitzen meist eine runde, flach scheiben-
förmige Gestalt, von der Seite gesehen erseheiuen sie linsenförmig, von der Fläche
kreisrund. Sie bestehen aus einem , wahrscheinlich zwei Eiweisssubstanzen ent-
haltenden, schwammartigen Stroma, in dessen Maschenwerk das Farbstoffgemenge
in Verbindung mit anderen Substanzen (den Assimilationsprodueten, Oel etc.) ein-
gelagert ist, und einer zarten, das ganze Korn umgebeuden Plasmamembran.
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CHLOROPHYLL.
87
Diesen Chlorophyllkörneru lässt sich das Farbstoffgemenge auf's leichteste , z. B.
mittelst Alkohol, entziehen. Sie bleiben dann farblos zurück und zeigen alle Eiweiss-
reactionen auf's prägnanteste. Das Stroma ist ausserordentlich weich und dehnbar,
die Körner sind daher im Stande, ganz erhebliche Formveränderuugeu zu erleiden,
sich zu dehnen, sieh abzuplatten, abzurunden etc. Liegen zahlreiche derselben in
einer Zelle bei einander, so platten sie sich gegenseitig aneinander ab, werden
drei-, viereckig oder polyedriscb. Die Plasmamembran hindert sie aber am Zu-
sammen Hiesse n. Durch den Tod der Zelle verliert die letztere diese Eigenschaft,
alsdann flicsseu oft die sämmtlichen Körner einer Zelle zu einem formlosen,
grossen grünen Klumpen zusammen. So finden wir sie der Hegel nach iu den
Drosen, welche grüne Organe (Blätter etc.) enthalten, nur selten bleibt aus uns
anbekannten Gründen ihre Form anch nach dem Tode erhalten. Wie die tJestalt,
■o verlieren die Chlorophyllkörper beim Tode auch meist ihre reingrflne Farbe,
sie werden braungrün, daher kommt es, dass die meisten Drogen, besonders jene,
die unsorgfältig getrocknet wurden, kein frisehjrrünes, sondern eben jenes braun-
prflne Aussehen besitzen.
aßC 1)
;j 70 65 60
I Jl| il jrl Jr
Hl
In die sehr zarten Masehen des Stromas, der Gruudsnhstauz, ist uuu der Farb-
stoff selbst eingebettet.
Derselbe, das Rohchlorophyll, besteht, abgesehen von anderen Beimengungen,
deren chemische Natur noch nicht erkannt ist , aus zwei Farbstoffeu , einem rein
grünen, dem Reinchlorophyll i Chlorophyll), und einem gelben, dem Xantho-
p h y 1 1. Ihren spectral-analytischen Eigenschaften nach sind uus beide genau,
ihren chemischen Eigenschaften nach noch unvollkommen bekannt.
Wir wissen, dass die Lösungen des Reinchlorophylls (Tjschirch) , abge-
sehen von einer continnirlichen Absorption der blauen uud violetten Spectrurns-
hillfte (bis etwaX= 500) vier Bander besitzen (Fig. 8, Nr. 3 u. 4): ein sehr dunkles
(I)T ungefähr zwischen den FRAU.VHOKKu'sehen Linien B und C im Roth, zwei
mattere, aber ungefähr gleich starke, im Gelb (II u. III) und ein sehr mattes
(IV) , erst in dicker Schicht deutliches , etwa bei der Linie E. Die gleichen
Bänder in der gleichen relativen Intensität finden wir auch beim Blatte selbst
(Fig. 8, Nr. / u. 2), wenn wir dasselbe bei durchfallendem Liebte mit dem Spectral-
apparat prüfen, nur sind sie hier alle etwas ffegen Roth verschoben. Bei dem Blatte
treten aber noch zwei weitere Bänder auf. Dieselben (/ und Ji liefen im Blau
88
CHLOROPHYLL.
(Fig. 8, Nr. 1). Sie gehören dem zweiten Farbstoffe, dem Xanthophyll, an,
dessen Lösungen , abgesehen von der Endabsorption, ein Band bei F nnd eines
zwischen F und G besitzen. (Fig. 8, Nr. o u. 6).
Band 2 ist beim Blatte meistens schwer siehtbar. da die Endabsorption des
Reinchlorophylls sich über diesen ganzen Spectralbezirk lagert. Das Blatt-
spec t r u m ist also ein Mischspectrum.
Das Reinchlorophyll bildet rein grüne Lösungen (ohne einen Stich in 's
Gelbe), die lebhaft roth fluoresciren.
Die Lösungen des Xanthophylls sind rein gelb und fluoresciren nicht
Das Reinchlorophyll ist bis jetzt genau nur in seiner Zinkverbindung
bekannt. Dieselbe bildet dunkel stahlblaue Lamellen, die sich mit prächtig rein
grüner Farbe in Alkohol, Aether, Pctroläther, Chloroform, nicht in Wasser lösen.
Sie enthalt 13.8 Procent Zinkoxyd. Das darin enthaltene Chlorophyllmolektil ent-
spricht der Formel C28H47N30„. Chlorophyll enthält also wohl Stickstoff, aber
kein Eisen, ebensowenig wie andere Aschenbestandtheile. Die Zink Verbindung ist
relativ beständig.
Die genaue Zusammensetzung des Xanthophylls, des zweiten Farbstoffes
im Rohchlorophyll, ist zur Zeit noch nicht bekannt. Es enthält sicher keinen
Stickstoff.
In der Pflanze erleidet das Chlorophyll sehr leicht Zersetzungen; sobald die
Zelle abstirbt und der saure Zellsaft an die Chlorophyllkörner tritt, werden die-
selben braungrün. Bei dieser Zersetzung entsteht das braungrüne C h 1 o r o p h y 1 1 a n
(Hypoehlorin). Diesem Chlorophyllan verdanken alle durch Trockueu oder Kochen
braun gewordenen Blätter oder Drogen ihre Farbe. Um diese Umbildung, die schon
beim Extrahiren der Blätter mit Alkohol anhebt, zu vermeiden, genügt es, wenn
man vor der Extractiou dem Extractiousmittel kleine Mengen von Alkalien hinzufügt.
Pflanzenauszüge mit schwach ammoniakalischem Alkohol bereitet , sind rein grün
und bleiben es lange Zeit. Ebenso wirken Kali und Natron. Es entstehen hierbei
sogenannte Alkalichlorophylle, salzartige Verbindungen von Kali und Natron
mit einem Zersetzungsproducte des Chlorophylls.
Auf der Bildung derselben beruht auch der Zusatz von Natronearbonat zu
grünen Speisen (Spinatj um dieselben auch nach dem Kochen noch grün zu
erhalten.
Um in Drogen die grüne Farbe beim Trocknen zu erhalten, mnss man den
Farbstoff so schnell als möglich der Einwirkung des sauren Zellsaftes entziehen;
also rasch trocknen, denn nur in gelöstem Znstande wirken die Säuren zerstörend
auf den Farbstoff.
R o b c h 1 o r o p h y 1 1 löst sich in Alkohol, Aether, Chloroform,
fetten und ätherischen Oelen. Alle Tinctureu aus grünen Vegetabilien
enthalten daher dasselbe, aber selbst in Tinct. Arnicae ist Chlorophyll enthalten
(von den Fruchtknoten stammend). Das Bergamottöl des Handels enthält, da nicht
destillirt, ebenfalls den Farbstoff. Durch Destillation ist es, da nicht flüchtig, aus
allen diesen zu entfernen. Cajeputöl ist daher frei davon , die grünliehe Farbe
rührt von Kupfer her. Dagegen sind die sogenannten Olea cocta, besonders Ol.
Hyosc;i<w>t reich daran. Da der Farbstoff aber in den verwendeten Drogen selbst
meist schon durch Chlorophyllaubilduug braungrün geworden ist, so werden auch
die Gele ; besonders Ol. Hyoscyomi) nie reingrüu ausfallen.
Die Rohchlorophyllauszttge fluoresciren stark. Doch geht dem Chlorophyll unter
Umständen die Fluoreseenz verloren (Tschirch), besonders wenn man mit grossen
Massen operirt und mit Kupferblascn arbeitet. Es entsteht hierbei eine nicht
flnorescirende Kupferverbinduug.
Jedenfalls ist Fluoreseenz kein absolut sicheres Kennzeichen des Chlorophylls
in Gemischen. Weuu sie iu der charakteristischen Weise vorhanden , so ist auch
Chlorophyll nachgewiesen, wo sie fehlt, darf noch nicht das Gegentheil geschlossen
werden. Mit der verschwindenden Fluoreseenz geht auch eiue andere Eigenschaft des
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CHLOROPHYLL. - CHLORPHOSPHOIt.
89
liohcblorophyllB verloren, die partielle Löslichkeit in concentrirter Salzsaure. Taucht
man n&mlioh Blätter iu concentrirte Salzsäure so werden Bie blau. Eb entsteht aus
dem Chlorophyll das Phyllocyanin. Dasselbe ist leicht aus jedem alkoholischen
Blätterextract darzustellen, wenn man den Alkohol abdestillirt und den Rückstand mit
der Säure behandelt. Man erhält einen braunen Rest und eine rein blaue Lösung.
Fällt man die blaue Phyllocyaninlösung mit Wasser, so erhält man die Phyllo-
cyaninsäure; dieselbe krystallisirt in stahlblauen Lamellen und ist mit dem
Keinohlorophyll nahe verwandt.
Das sicherste Kennzeichen des Chlorophylls ist stets das Spectrum, kein
anderer grüner Farbstoff gibt die charakteristischen Ränder (s. oben). Doch ist
zu beachten, dass in den alkoholischen Chlorophyllauszügen stets, je älter und zer-
setzter dieselben sind um so mehr, durch Chlorophyllanbildung eine Veränderung
des Spectrums durch Uebereinanderlagerung eintritt.
Das Chlorophyllanspectrum ist namentlich durch ein dunkles Band bei X=500
charakterisirt, Je deutlicher dies Band bei einer Lösung auftritt, um so zersetzter
ist dieselbe. Da aber auch das Xanthophyll durch alle obigen Lösungsmittel
extrahirt wird, so ist in einem Blätterauszug stets die Uebereinanderlagerung
dreier Speetren (Chlorophyll, Chlorophyllan, Xanthophyll) zu beobachten. Nichts-
destoweniger bleiben auch in diesem Gemisch die für das Chlorophyll charakteristi-
Hchen Bänder I, II und III so vollständig deutlich erhalten , dass dieselben als
diagnostische Merkmale benutzt werden können.
So begegnet es denn keinen Schwierigkeiten Chlorophyll nachzuweisen.
Quantitativ bestimmt man Chlorophyll vergleichend colorimetrisch oder
mittelst der Baryum-, beziehungsweise Zinkverbindung (Tschirch). Blätter ent-
halten 2 — 4.5 Procent (der aschefreieu Trockensubstanz) Chlorophyll.
Aus Gemischen entfernt wird Chlorophyll leicht durch Blei und Barytsalze.
Die gebildeten Verbindungen sind unlöslich in Alkohol. Darauf beruht auch meine
Methode zur Conservirung grüner Pflanzeutheile in Alkohol.
Literatur: Tschirch, l'ntersuchungen über das Chlorophyll. Parey 1884 (dort die
£«s am rote Chlorophyllliteratur bis 1884). Tschirch.
Chlorosis (-/>.a>po;, blass), Bleichsucht (vergl. Bd. II, pag. 303) in Folge
verminderten Hämoglobingehaltes des Blutes, zum Unterschiede von Anämie
f». Bd. I, pag. 350 j und Leukämie (s. d.).
ChlOrOZOII (oder Chlorozone), ein Bleiehmittel, als Speeialität vertrieben, wird
erhalten durch Einleiten von Chlor in Natronlauge; es soll nicht identisch sein
mit unterchlorigsaurem Natron , kann aber wohl in allen Fällen durch letzteres
ersetzt werden.
ChlorphOSphOr. Phosphor vereinigt sich mit Chlor und den Halogenen über-
haupt in den Formen PX3 und PXft (X = 1 Halogenatom).
Phosphortrichlorid. Phosphorchlorür, PC13, entsteht, wenn
trockenes Chlorgas in eiue Retorte über schwach erhitzten Phosphor geleitet wird.
Letzterer verbrennt dabei zu PCI3, welches überdcstillirt und durch Rectifieiren
gereinigt wird.
Stark rauchende, farblose, liehtbreehende Flüssigkeit, die an feuchter Luft in
phosphorige Säure und Chlorwasserstoff zerfällt : P Cl3 + 3 H, 0 = Ha P03 4- 3H Cl.
Spee. Gew. l.tilli bei 0% Siedepunkt 74° , Dampfdichte 68. Ci (II = l). Mit
Schwefel verbindet sich Phosphortrichlorid beim Erhitzen auf 130° zu Phosphor-
sulfoehlorid , P 8 CL . eine ölige Flüssigkeit , die iu Wasser untersinkt und sich
gleichzeitig unter Bildung von H2 S und HCl in Metaphosphorsäure, HP0S, zersetzt.
Phosphorpentachlorid, Phosphorchlorid, PC15, entsteht bei der
Einwirkung von Chlor auf Phosphortrichlorid.
< telblichwewse , krystallinische Masse, die an der Luft stark raucht, beim
Erhitzen ohne zu schmelzen suhlimirt, und dabei theilweise iu PCI, und CL zer-
fallt. Bei hoher Temperatur dissoeiirt PCl^ vollständig, mit organischen Verbin-
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90
CHLORPHOSPHOR. — CHLORSÄUREN.
dangen gibt es Cblorsubstitutionsproducte (g. Chlor iren), in wenig Wasser
eingetragen wird es in Chlorwasserstoff and
Phosphoroxychlorid, POCI,, zerlegt (PC16 + H20 = POCl3 + 2 HCl).
Zweckmässig geschieht die Darstellung des Phosphoroxychlorids durch Destillation
von Phosphorpeutachlorid mit überschüssigem Phosphorsäureanhydrid , 3 P Clj +
P2Of, = 5 P0C13, oder durch Einleiten von Chlor in ein Gemenge von PhoBphor-
trichlorid und Phosphorsäureanhydrid. Auch beim Durchleiten von ozonisirter Luft
durch PC13 entsteht Phosphoroxychlorid.
Farblose, an der Luft stark rauchende Flüssigkeit. 8pec. Gew. 1.7 bei 12°,
Siedepunkt 110°, wird durch Wasser in Metaphosphorsäure und Salzsaure
zersetzt. POCI, + 2 H2 0 = It PO, + 3 H Cl. K. Thfimmel.
Chlorsäuren. Während sich Chlor mit Wasserstoff nur in einem Wrliiiltriiss
(HCl) verbindet, kennen wir mehrere Sauerstoffverbindungen, Säuren und Au-
hydride, welche jedoch im freien Zustande wenig Beständigkeit besitzen. Die
Säuren sind einbasisch.
Unterchlorigsäureanhydrid, Chlor oxyd, Cl, 0, entsteht beim Ueber-
leiten von trockenem Chlorgas über gefälltes, vorher auf 300 — 400° erhitztes
Quecksilberoxyd. Dasselbe stellt eine blutrothe, chlorähnlich riechende Flüssigkeit
dar, die bei ltt — 20° siedet, sich in gelben Dämpfen verflüchtigt und beim Er-
wärmen oft unter Explosion zersetzt wird.
Unterchlorige Säure, HC10, erhält man durchschütteln von 11 Chlor-
gas mit 15 g gefälltem, auf 300° erhitzt gewesenem Quecksilberoxyd und wenig
Wasser; ebeoso durch theilweise Zersetzung von Chlorkalk mit verdünnter Salpeter-
säure. In beiden Fällen destillirt man die Säure ab. — Die concentrirte Lösung
derselben hat eine orangegelbe Farbe, ätzt die Haut stärker wie Salpetersäure, zer-
setzt sich schnell im Sonnenlicht, im Dunkeln langsamer. Die Salze der unter
chlorigen Säure bezeichnet man als Hypochlorite. Sie sind im reinen Zustande
wenig bekannt, geben auf Zusatz von Salzsäure Chlor ab und werden, besonders
rasch am Tageslicht, in ihreu Lösungen unter Sauerstoffentwicklung in chlorsaure
Salze und Chloride übergeführt (vergl. Chlorkalk). Auf organische Färb- nud
Riechstoffe wirkt unterchlorige Säure zerstörend.
Chloriff säurean hydrid, C1.,03, scheint entgegen früheren Angaben nach
Garzakolu -THURXhACKH (Berl. Berichte, 14, pag. 2H) nicht zu existiren. vielmehr
soll das unter diesem Namen bisher dargestellte, bei — 18° condensirbarc. dunkel
grüngelbe Gas ein Gemenge von Chlordioxyd mit Chlor, beziehungsweise Sauerstoff
sein. Zur Darstellung erwärmt man ein Gemisch von Kaliumehlorat. Salpetersäure
und Arsentrioxyd.
Untcrchlorsäureanhydrid, Chlordioxyd, C10_,, entsteht bei der
Einwirkung von stark abgekühlter Schwefelsäure oder von Oxalsäure auf Kalium-
ehlorat. Die Darstellung darf nur unter Anwendung besonderer Vorsichtsmaßregeln
vorgenommen werden, da Chlordioxyd leicht von selbst mit grosser Gewalt explodirt.
Es ist eine lebhaft rothe Flüssigkeit, die bei +9'J (731mm Druck) siedtt und
bei — 7l»° krystallinisch erstarrt. Der Dampf bleicht energisch, die wässerige Lösung
aber enthält keine wirkliehe Unterchlorsäure, zersetzt sich schon im Dunkeln, und
mit Basen zusammengebracht entstehen keine dieser Säure entsprechende Salze,
sondern Gemische von chlorsauren und chlorigsanren Salzen.
Chlorsäure. H Cl Q3 , ist ebenso im reinen Zustande nicht bekannt , ein
Anhydrid noch nicht dargestellt. Chlorsäure bildet sich direct bei Zersetzung
wässeriger Lösungen der Hypochlorite, der chlorigen Säure oder des Chlordioxyds
im Tageslicht. Man stellt sie entweder durch Wechselwirkung von Kaliumehlorat
und Siliciumfluorwasserstoff. lLSiFI(i, oder durch Zersetzung äquivalenter Mengen
Baryumchlorat und (verdünnter) Schwefelsäure dar. Die so erhaltene Lösung «1er
Säure lässt sich im Vacuum zu einer farblosen , nicht ölartigeu Flüssigkeit von
1.282 spee. Gew., = 40.1 Procent HC10.S, eonceutriren. In diesem Zustande
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CHLORSÄUREN. — CHLORSTICKSTOFF.
91
besitzt sie einen stechenden, salpetersäureähnlichen Geruch, röthet Lackniuspapier
anfangs lebhaft und bleicht es darauf. Bei 4<>° zersetzt sich verdünnte Chlorsäure
in Chlor und Sauerstoff, concentrirt wirkt sie äusserst stark oxydirend, entzündet
eingetauchtes Fliesspapier, führt Schwefeldioxyd in Schwefelsäure, Jod in Jodsäure
über u. s. w. Die Salze der Chlorsäure nennt man Chlorate, die wichtigsten der-
selben gewinnt man durch Einleiten von Chlor in kochend heisse Lösungen der
Alkalien oder Erdalkalien, 6KOU + 3 Cla = 5 KCl + KC103 + 3 Ha 0.
Salzsäure entwickelt mit Chlorsäure oder aus Lösungen der Chlorate Chlor
(s. Kaliumchlorat), HC10S + 5 HCl = 3 Ha O 4- 3 Cla.
Die Salze der Chlorsäure sind meistens in Wasser löslich , geben beim Erhitzen
Sauerstoff ab, besonders leicht, sobald sie mit Eisenoxyd, Mangan- oder Blei-
snperoxyd vorher gemischt waren; im Rückstand bleiben Chloride. Ferner geben
Chlorate mit Phosphor, Kohle, Schwefel, Schwefelantimon, Zucker, Cyankalium und
anderen oxydirbaren Substanzen heftig verpuffende Gemenge.
Ueberchlorsäure, IIC104, entsteht bei der Destillation von Chlorsäure,
bei der Elektrolyse in Wasser gelöster Chlorate. Die Salze derselben, Perchlorate
oder Hyperchlorate genannt, bilden sich neben Chlorid beim Erhitzen der Chlorate,
2KC103 = 2 0 + KCl + KC104.
Durch Behandlung der Hyperchlorate mit Schwefelsäure (Destillation) lässt sich
reberehlorsäure rein darstellen. Sie erscheint concentrirt als farblose, an der Luft
stark rauchende Flüssigkeit (spec. Gew. 1.782), welche sich nicht unzersetzt
destilliren lässt und sich besonders leicht im concentrirten Zustande zersetzt,
wobei sie dann eine bromähnliche Farbe annimmt. Auf der Haut erzeugt sie
schmerzhafte und gefährliche Wunden, explodirt heftig mit Kohle, Aether, Papier,
Holz u. s. w. Hyperchlorate geben beim Erhitzen Sauerstoff, einige auch Chlor ab
mit Hinterlassung von Chloriden und auch von Metalloxyd, verpuffen auf glühende
Kohlen geworfen heftig und unterscheiden sieh von den Chloraten u. a. dadurch,
dass sie unter 100° weder von Salz- noch von concentrirter Schwefelsäure zer-
setzt werden. K. Thümmel.
ChlorSChwefel. Schwefel verbindet sich mit Chlor in drei Verhältnissen:
SsCla, SC1S und 8C14.
Einfach Chlorschwefel, Halbchlorschwefel, Sc Ii wefelmo uo-
chlorid, Schwefelchlorür, Ss CL,, erhält man, wenn trockenes Chlorgas in
eine Retorte über geschmolzenen Schwefel geleitet wird. Das gebildete Schwefel-
monochlorid destillirt über und wird durch Kühlung verdichtet. Das I*roduct wird
durch Rectificiren gereinigt. S2 Cla stellt eine an der Luft stark rauchende, roth-
gelbe Flüssigkeit dar von scharfem, die Augen zu Thränen reizendem Geruch.
Spec. Gew. 1.68, Siedepunkt 139°, Dampfdichte »57 (H = 1). Mit Wasser zusammen
zersetzt es sich : 2 S« Cl. + 2 Hs 0 = 8 0a + 4 H Cl -f 3 S.
Schwefclmonochlorid löst Schwefel leicht auf und dient zum Vulcaniniren des
Kautschuks.
Zweifach C h 1 o r sch wef el , Schwefoldi chlori d, SCL., entsteht beim
Sättigen von Halbchlorschwefel mit Chlor in der Kälte. Ueberschüssiges Chlor
wird durch Durchleiten eines Kohlensäurestromes entfernt. SCI, ist eine dunkel-
rothe Flüssigkeit. Spec. Gew. 1.02, Siedepunkt 64°, wobei es sich, ebenso wie
bei mittlerer Temperatur in S3 CL, und Cl2 zersetzt.
Vierfach Chlorschwefel, S chwefeltetra chlorid, S<'14, existirt nur
bei Temperaturen unter 0° und bildet sich beim Sättigen von SCL mit Chlor bei
—2ö bis 30°. Schon bei —20° beginnt seine Dissociatinn und ist diese bei -f6°
vollständig. Mit einigen Metalloidchloriden, z. B. SnCI4, AsCI3, SbCl3, gibt Schwefel-
tetraehlorid krystallinischc Verbindungen. K. Thttmmel.
ChlOrStickstOtT, Trichloramin, Nd3. Bei der Einwirkung von Chlor
auf überschüssiges Ammoniak entweicht Stickstoff, dagegen entgeht umgekehrt bei
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92 CHLORSTICKSTOFF. — CHLORWASSER.
Gegenwart von überschüssigem Chlor durch Zersetzung von anfangs gebildetem
Salmiak Chlorstickstoff und Salzsäure.
N H, -f 3 Cl = N 4- 3 H Ct,
3 Nils + 3 HCl = 3NH, Cl,
NH«C1 + 3C12 = NC1S + 4 HCl.
Zur Darstellung kleiner Mengen Chlorstickstoff taucht man einen mit Chlorgas
gefüllten Kolben mit der Oeffnung nach unten in eine auf 30° erwärmte Salmiak-
lösung. Bei der Absorption des Gases scheiden sich schwere Oeltropfen aus, die
man in einem untergestellten Bleischälchen auffängt.
Chlorstiekstoff ist eine ölige, gelbe Flüssigkeit von unangenehmem Geruch.
Spec. Gew. 1.65. Er ist von allen bekannteu chemischen Körpern der gefähr-
lichste , weil er sich nicht nur bei der leisesten Berührung , sondern auch schon
von selbst, besonders beim Erwärmen, unter äusserst heftiger Explosion zersetzt.
Wegen dieser seiner gefahrvollen Eigenschaft dürfen Chlor und chlorhaltige
Flüssigkeiten niemals mit Ammoniak oder Ammoniumhaloidsalzen zusammengebracht
und abgegeben werden. K. Thümroel.
ChlorÜre, s. Chloride.
ChlOrwaSSer, Aqua eklorata. Aqua Chlort, Solutio Chlori, Aqua oxy-
muriatica, ist eine mehr oder minder gesättigte, wässrige Chlorlösung.
Darstellung. Gewöhnlich wird das erforderliche Chlor aus Braunstein und
Salzsäure entwickelt, Mn Oa -4- 4 HCl = Cl2 + Mn Cl, + 2 H3 0.
Man füllt einen Kolben zu etwa 2'3 mit haselnnssgrossen Stücken Braunstein,
giesst ho viel Salzsäure hinein, dass der Braunstein zu * K bedeckt ist und vor-
schliefst die Oeffnung mit einem Kork, der mit einem Gasleitungsrohre versehen
ist. Letzteres wird mit einer Zwischenflasche verbunden und das Ganze im Sand-
bade oder über einem Drahtnetze durch eine Flamme allmälig bis zum Kochen
erhitzt.
Den nicht gelösten Braunstein wäscht man ab und bewahrt ihn zum ferneren
Gebrauch auf. 500g 25procentige Salzsänre geben nach Rechnung 60.8 g. Chlor
oder 27 1 Chlorwasser. Für pbarmaceutische Laboratorien empfiehlt sich ferner die
Chlorbereitung aus Kaliumdicbromat und Salzsänre, K2Cr207 + 14 HCl = 3 CL, +
Cr3 CL. -|- 2 KCl 4- 7 H2 0.
100g Kaliumdichromat und 540g 32procentige (rohe) Salzsäure geben 72.4g
Chlor, ein Quantum, welches theoretisch genügt, um 181 0.4pr<>eentiges Chlor-
wasser zu bereiten. Da jedoch in der Praxis die berechnete Ausbeute nicht erreicht
wird, so muss 1 , weniger Wasser in die Vorlagen gegeben werden. Um bei der
Bereitung des Chlorwassers möglichst wenig von Chlor belästigt zu werden, be-
dient man sich als Vorlagen der sogenannten DRECHSEL'schen Waschflaschen, die
man zu 2 s mit Wasser füllt, und von denen man 2 — 3 untereinander durch
GumnÜ8chläuche verbunden hat. Aus der letzten Flasche wird das nicht absorbirte
Gas durch Schlauch und Rohr in Natronlauge oder Sodalösung geleitet. Nachdem
die atmosphärische Luft aus dem Apparat verdrängt ist und Chlor den oberen
Raum der Vorlagen füllt , werden diese zur Beförderung der Gasabsorption Öfter
bewegt. Die erste Vorlage wird das stärkste , die letzte das schwächste Wasser
enthalten. Da sich bei niederer Temperatur, wenige (Jrade über 0°, Chlorhydrat
(Cl2 . 10HS0), eine blassgelbe, krystullinische Masse bildet, welches die Leitungs-
röhren verstopft, so muss das vorgelegte Wasser mindestens eine Temperatur von
9 — 10° haben. Auch werden zur Erhaltung der Gummischläuche diese sofort nach
dem Gebrauch in eine Lösung von Natriumhyposulfit gelegt und später gewaschen.
Eigenschaften. Das Chlorwasser besitzt alle Eigenschaften des Chlors , er-
stickenden Geruch und grüngelbe Farbe , wird durch dieselben Reageutien wie
letzteres erkannt. Bei der Aufbewahrung, namentlich rasch am Lichte, entwickelt
es 8auerstoß* unter Bildung von Salzsäure , wird färb- und geruchlos , so dass
schliesslich verdünnte Salzsäure zurückbleibt, CL + H2 0 — 0+2 HCl.
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CHLORWASSER. — CHLORWASSERSTOFFSÄURE.
Diese Zersetzung wird sofort eingeleitet so dass man in relativ frisehem Chlor-
wasser nach dem Sehüttelu mit Quecksilber durch Silbernitrat Salzsäure nach-
weisen kann. Mit Ammoniak gemischt darf Chlorwasser, wegen Bildung von explo-
sivem Chlorstickstoff, nicht dispensirt werden.
Aufbewahrung. Diese geschieht in gefüllten, kleinen Flaschen mit fest
schliessenden Glasstöpseln an einem dunklen Orte, und stellt man die Gefässe ge-
wöhnlich umgekehrt in Sand oder Sägespähne.
Prüfung. Bei 9—10° gesättigtes Wasser enthält 0.79 Gewichtsprocente
Chlor (8. C h 1 o r). Wenn auch die Forderungen der verschiedenen Pharmakopoen
eich mit einem geringeren Gehalt begnügen, so gelingt es doch nur durch ein
verhältnissmässig frisches Präparat diesen Forderungen zu genügen. Es verlangen
in Gewichtsprocenten Chlor: Ph. Germ. II. 0.4 Procent (Austr. und Helv. geben
keinen Gehalt an), Brit. 0.55 Procent (spec. Gew. 1.003), Suec. et Norv. 0.32 Pro-
cent, Neerl. 0.362 Procent, Un. St. 0.4 Procent, Gall. 0.68 Procent. Unerheblich
erscheint es, wenn sich die Prüfung, wie Ph. Helv. verlangt, auch auf Salzsäure
zu erstrecken hat.
Den Chlorgehalt ermittelt man auf die Weise, dass man 1 g jodsäurefreies Jod-
kalium in einem Becherglase in circa 10 — 15 g Wasser löst, das Ganze tarirt und
25 g Chlorwasser hinzuwiegt. Darauf lässt man so lange 1 10 Normalnatriumthio-
sulfatlösung zufliessen, bis die durch vorher ausgeschiedenes Jod braunrotb gefärbte
Jodkaliumlösung weingelb geworden, setzt nunmehr circa 10 Tropfen Jodzinkstärke-
lösung oder Stärkelösung zu und titrirt mit Thiosulfat, bis farblos.
Cl3 + 2 KJ = 2 KCl + J3 und 2 X 35.4 = 70.8,
J8 + 2 Naj S3 0, . 10 Ho 0 = 2 Na J + Na., S4 0e 4- 10 Ha 0
2 x 248 = 496.
Da 1 Molekül Chlor (= 70.8) 2 Molekül Natriumthiosulfat (= 496) (oder
35.4 = 248; gleichstehen, so hat man, da 1cm 1 l0 Normalnatriumthiosulfatlösung
0.0248 g Naa S3 0, . 10 H3 0 enthalten, die Anzahl der verbrauchten Cubikcentimeter
Thiosulfatlösung mit dem Chloräquivalent 0.00354 zu multipliciren, um den Chlorgehalt
zu erfahren ; Chlorprocente werden weiter durch Vervierfachen des Quotienten gefun-
den. Z.B. würden 29.8 cc 1 l0 Natriumthiosulfat in 25g Chlorwasser 0.42 Pro-
cent Chlor anzeigen (29.8 x 0.00354 = 0.105492 x 4 = 0.421968). — S. auch
Chlorkalk, Chlorimetrie. K. Thümmel.
CWorwaSSerStoffsäure, Salzsäure, HCl, ist eine wässerige Lösung von
Chlorwasserstoff — Mol. Gew. 36.4.
Vorkommen und Bildung. Chlorwasserstoffgas wird mit den Dampfen
vieler thätiger Vulcane ausgestossen, ebenso enthalten Quellen, welche vulcanischem
Boden entspringen, häufig das Gas gelöst. Die Laabdrüsen des Magens von Säuge-
thieren sondern Salzsäure ab; z. ß. enthalt der Magensaft des Hundes bis zu
3 Procent dieser Säure, der des Menschen 0.2 — 0.3 pro mille.
Die Bildung von Chlorwasserstoff kommt auf verschiedene Weise zu Stande,
entweder geschieht dies direct oder indirect. Direct aus Chlor und Wasserstoffgas
(Cblorknallgas), die sich beide im zerstreuten Tageslicht, bei Magnesium-, Schwefel-
kohlenstoff-Dampf-Stickoxyd oder besonders heftig im Sonnenlicht zu Chlorwasser
stoff vereinigen. Gleiche Vol. Chlor und Wasserstoff gebeu nach ihrer Verbindung
zwei Vol. Chlorwasserstoffgas, eine Verdichtung findet also nicht statt. Ferner
bildet sich Chlorwasserstoff beim Zusammentreffen von Chlor mit Verbindungen,
die Waaserstoff enthalten, so z. B. werden Jod- und Brom-, Schwefel-, Phosphor-
uud Arsenwasserstoff und Ammoniak schon bei gewöhnlicher Temperatur leicht
zersetzt, Wasser durch Einwirkung des Lichtes oder bei hoher Temperatur ; orga-
nische Verbindungen vertauschen durch Einwirkung von Chlor Wasserstoff gegen
letzteres unter Bildung von 8alzsäure. Manche Chlorverbindungen, z. Ii. die Chloride
vieler Metalloide, anorganische und organische Sänrechloride u. s. w., geben mit
Wasger oder Ammoniak zusammengebracht, Chlorwasserstoff. Eine wichtige Bildnngs-
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CHLO K W AS SEHSTOFFSÄÜBE.
weise desselben beruht anf der Einwirkung von starken und feuerbeständigen
Mineralsäuren, z. B. Schwefelsäure, Borsäure, Phosphorsäure, Kieselsäure u. s. w.,
auf Chlorroetalle, besonders auf Alkalichloride.
Darstellung. Die bequemste Art der Darstellung beruht auf der Zersetzung
von Chlornatrium mittelst Schwefelsäure. Im Kleinen nimmt man zur Bereitung von
officineller Salzsäure , Acidum fii/drochloricum, um das Chlorwasserstoffgas bei
möglichst niederer Temperatur auszutreiben, gleiche Moleküle Chlornatrium und
Schwefelsflure, Na Cl + H, SO, = HCl + Na HS04.
Gleichzeitig bat man bei diesem Verhältnis« der Substanzen den Vortheil, dass
sich der Salzkuchen, vermöge seiner leichteren Löslichkeit gegenüber Na2 S04,
besser aus dem Glaskolben entfernen lässt. Auf 100 Th. Chlornatrium werden
170 Th. mit V;s — 1 4 N asser verdünnte Schwefelsflure genommen und 200 bis
240 Th. Wasser vorgelegt. Nachdem man Chlornatriuin in einen geräumigen Glas-
kolben gebracht und die Oeffnung desselben mit einem doppelt durchbohrten Kork
verschlossen ist, durch den ein Gasleitungsrohr und eine sogenannte WKLTEB'scbe
Sicherheitsröhre gesteckt waren, giesst man durch den Trichter der letzteren das
erkaltete Säuregemisch. Die Leitungsröhre wird mit einer Waschflasche verbunden,
welche etwas Salzsäure oder Wasser enthält, während die Fortleitungsröhre der
Waschflasche in eine Vorlage taucht. Da das Gas begierig von Wasser aufge-
nommen wird, so lässt man zur Vermeidung unnöthigen Druckes die Leitungs-
röhre nur wenig unter die Oberfläche des vorgelegten und gekühlten Wassers ein-
tauchen, erwärmt ferner den Kolben im Sandbade so lange, bis die Absorption
des Gases aufhört, d. h. bis keine niedersinkenden Streifen von gelöster Säure
in der Vorlage bemerkbar sind. Nach dem Erkalten wird die Säure auf das
spec. Gew. gestellt.
Im (irossen gewinnt man Salzsäure als Nebenproduct bei der Sodafabrikation
nach Lebkanc Hier wird das Verbllltniss von Chlornatrium zu Schwefels:! ure
jedoch so genommen, dass neutrales Natriumsulfat zurückbleibt, 2NaCl -+ Ha804 =
2 HCl + Na2 S04, um letzteres dann weiter als solches, hauptsächlich aber zur
Sodafabrikation zu verwenden. Man leitet das aus dem Gemisch von Kochsalz und
Kammersäure ( — 50— t>0°B. = 1.52—1.7 spec. Gew.) sich entwickelnde Chlor-
wasserstoffgas aus den Sulfatöfen, in denen die Snlzmasse, anfänglich unter Durch-
krücken, bis zur Rotbgluth erhitzt wird, durch Thonröhren oder gemauerte Kanäle
zunächst in einen aus Stein gefertigten Thurm. Letzterer ist derartig construirt, dass
das (Jas von unten eintritt und oben durch Thonröhren in die Absorptionsgefässe,
Bombonnes genannt, weiter gefuhrt wird. In diesem Thurm befinden sich durchbrochene
Thonscheiben, welche mit Wasser befeuchtet werden, um nicht nur das durchströmende,
heisse Gas zu kühlen, sondern auch die leichter condensirbaren Schwefelsäure-
dämpfe zu verdichten und hier zurückzuhalten. Weiter durchstreicht das salzsaure
(Jas eine ganze Reihe zur Hälfte mit Wasser oder schwacher Säure gefüllter Bom-
bonnes, thönerue Ballons von 180—2001 Inhalt, die nach Art der Wui.FFsehen
Flaschen oben mit 2 — 3 Oeffnungen versehen, an den Seiten ebenfalls zweimal
tubulirt sind, um aus diesen Seitentuben, mittelst eines bis auf den Boden reichen-
den Rohres, die fertige Säure entleeren und die Borabonne wieder mit Wasser
«»der verdünnter Säure beschicken zu können. Unter sich sind diese Absorptions-
gefässe zur besseren Kühlung des durchströmenden Gases mit etwa Im hohen Thon-
röhren verbunden, welche mittelst Lehm in die Tuben lutirt werdeu. Aus der
letzten Vorlage gelangen die nicht absorbirten salzsauren Dämpfe in den unteren
Theil eines Thurmes, welcher innen mit Rosten versehen ist, auf denen durch-
löcherte Steinplatten und weiter nach oben Coaksstüeke liegen, die dauernd mit
Wasser berieselt werdeu.
Die so gewonnene Säure des Handels enthält verschiedene Verunreinigungen
(vergl. Arid um h // d r o r h I n r i r u m v r » d um , Bd. I. pag. 80). Um sie
von denselben zu befreien, verdünnt man die Säure auf das spec. Gew. von 1.12,
setzt, falls sie schweflige Sjiure enthalt, etwas Chlorwasser, oder sobald sie
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CHLORWASSERSTOFFSÄURE.
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chlorhaltig «ein sollte, etwas schweflige Süure zu und destillirt. Arsen lässt sieh
durch Erwärmen mit Zinnchlorflr, oder Einleiten von Schwefelwasserstoff im Ueber-
Hchuss und mehrtägige Maceration entfernen (ausgeschiedenes metallisches Arsen
(»der Arsentrisulfid müssen vor der Destillation abfiltrirt werden). Auch gibt Zu-
satz von Eisenehlorür, FeCLj, eine arsenfreie Salzsäure, nachdem das zuerst über-
gegangene Drittel abgenommen wurde; die Destillation darf nicht bis zur Trockne
fortgesetzt werden, um vor einer Verflüchtigung von Eisenchlorid sicher zu sein.
Eigenschaften. Cblorwasserstoffsäure stellt im reinen Zustande eine farb-
lose, flüchtige Flüssigkeit dar, rohe Säure ist theils durch organische Substanzen,
theils durch Eisenchlorid gelb gefärbt und hinterlegst beim Verdampfen kleine
Mengen fester Substanzen. Eine Säure, die über 25 Procent Chlorwasserstoff ent-
hält, raucht an der Luft wie Chlorwasserstoffgas, besonders stark in einer Atmo-
sphäre von Ammoniak unter Bildung von Salmiak. Chlorwasserstoff wird von Wasser
bei 0° und 0.76 mm Barometerstand = 525:1 Volum absorbirt. Eine solche
Losung besitzt ein spec. Gew. von 1.2257 und enthält 45 Procent HCl, während
Wasser bei 14° nur 462 Volumen HCl aufzunehmen imstande ist, die Lösung
wiegt dann 1.2074 und enthält 42 Procent HCl (über Löslichkeit des Chlorwasser-
stoffes 8. Deicke, Poggend. Ann. 119. pag. 156 und RoscOE und Dittmar, Ann.
d. Cb. 112, pag. 527). Reine concentrirte Salzsäure gesteht unter — 40° zu einer
huttcrartigen Masse. Die Dämpfe der concentrirten .Chlorwasserstoffsäure besitzen
wie da« Chlorwasserstoffgas selbst einen stechend erstickenden, zum Husten reizen-
den Geruch und stark sauren Geschmack. Letzteren behält die Säure auch bei
starker Verdünnung, ebenso die Röthuug von blauem Lackmuspapier. Wie alle
löslichen HaloYdvcrbindungen gibt Salzsäure mit Silbernitrat einen weissen, käsigen
Niederschlag, der schon durch zerstreutes Tageslicht grau gefärbt wird, sich leicht
in Ammoniak, ebenso in Cyankalium und Natriumthiosulfat, nicht in Salpetersäure
löst. Salzsäure wird durch eine Anzahl Metalle unter Wasserstoffentwickelung zer-
legt, besonders lebhaft durch Zink und Eisen, unter Bildung von Chloriden, ebenso
von Metalloxyden unter Wasserbildung. Superoxyde , übersättigte Verbindungen
entwickeln Chlor. Da Chlorwasserstoffgas in Wasser äusserst leicht löslich ist, so
wird es auch von letzterem heftig absorbirt — beim Oeffneu eines mit dem Gase
gefällten Gefässes unter Wasser stürzt dasselbe fast wie in einen luftleeren Raum
in daa Gefäss hinein. Bei 110° besitzt die Säure constanten Siedepunkt, wobei das
Destillat die Zusammensetzung HCl . 8 H2 0 bei einem Gehalt von 20.24 Procent HCl
hat. mit Erhöhung des Druckes sinkt, mit der Verminderung desselben steigt die Con-
centration der überdestillirenden Säure. Auf 400° erhitzt zerfällt Chlorwasserstoff-
gas zum grössteu Theil in Chlor und Wasserstoff (s. Art. Chlorkalk), beim
Sinken der Temperatur tritt Wiedervereinigung ein. Beim Stehen an der Luft
bleibt eine Säure von HCl . 6 H» 0 zurück (Bineau). Zulässig soll nach Piekrk
und Pi'CHOT die Aunahrae eines Hydrats, HC1.2H20, seiu , welches sich beim
Einleiten von Chlorwasserstoff in eine auf — 22u abgekühlte Salzsäure bildet.
Nachweis und Bestimmung. Letztere geschieht theils gewichts-, theils
maassaualytisch , theils durch Feststellung des spec. Gew. (vergl. u. A. J. Kolb,
C. r. 74, pag. 337, Dinglek's polyt. Journ. 204, pag. 322 und Wagner's Jahresb.
1872 , pag. 260), Das Verhalten der Chlorwasserstofl'säure gegen Silbernitrat ist
bereits erwähnt, die Reaction dient nicht nur zur qualitativen, sondern auch zur
quantitativen Bestimmung der Säure, indem mau das Reagens zur letzteren im
L'eberschuss zugibt und darauf das Ganze erwärmt ; weiter wird der Niederschlag
abfiltrirt und nach dem Waschen und Trocknen bis zum Schmelzen erhitzt und
gewogen, Ebenso genau lässt sich Chlor in der Säure durch Titriren mittelst
1 io Normalsilbernitrat bestimmen, indem mau letzteres unter Erwüruieu und
Schütteln der Säure so lange zugibt, bis ein weiterer Tropfen keine Fällung mehr
erzeugt oder auch, indem ein Ueberschuss von 8ilbernitrat zugesetzt und dieser
mit 1 l0 Normalchlornatrium oder mit Rhodanammonium unter Znsatz eines Eiscn-
"xydsalzes, z. B. FeJSO,),, zurücktitrirt wird.
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CHLORWASSERSTOFFSÄURE.
— CHOLAGOGA.
Neben Brom- und Jod- kann Chlorwasserstoffsäure nach der Neutralisation durch
Alkalien durch Zusammenschmelzen mit Kaliumdichromat und Destillation mit
Schwefelsaure nachgewiesen werden. Entwickeln sich dabei gelbrothe Dämpfe, die
sich in der Vorlage zu blutrothen Tröpfchen verdichten, so ist Chlor zugegen, da
nur dies eine flüchtige Chromverbindung, Chromylchlorid, Chromoxychlorid, CrO,CI4,
gibt. Nach dem Verdünnen des Destillates entsteht auf Zusatz von Bleiacetat
Chromgelb, PbCrCv Probe nach Vortmann, vergl. Berl. Ber. 13, pag. 324.
Verwendung. Die wässerige Lösung des Chlorwasserstoffes findet nicht nur
in der Pharmacie und Medicin, sondern auch in der analytischen, synthetischen
und technischen Chemie die aasgedehnteste Anwendung. Vielfach dient sie hier
als Lösungsmittel für unlösliche oder schwerlösliche Verbindungen, zum Lösen von
Metallen, ausser Silber, Arsen und Antimon; diese beiden, ebenso Gold und Platiu,
auch Schwefelquecksilber lösen sich nur in Königswasser, einer Mischung von
3 Th. Salzsäure und 1 Th. Salpetersäure. In der Technik werden grosse Mengen Salz-
säure zur Chlorkalkfabrikation, überhaupt zur Entwickelung von Chlor gebraucht.
2 Th. Schnee und 1 Th. concentrirte 8alzsäure liefern eine Kältemischung, deren
Temperatur bis — 32» beträgt.
Die Aufbewahrung der Salzsäure geschieht in Glas oder auch Thongefiissen
mit gut schliessenden, ebensolchen Stöpseln an einem kühlen Ort. k. T h ü m m e I.
ChlOrzinkjOd, Reagens auf Cellulose, s. Bd. II, pag. 607.
ChllOOphora, Gattung der Farnfamilie Cyatheaceae, synonym mit Trichiptcris
Prsl. — Chnoophora tomentosa Bl. auf Java ist eine der Stammpflanzen des Pa k o e-
Kidang. — S. Cibotium.
ChOCOladO, s. Cacao, Bd. II, pag. 432.
ChOCOladenpflaster, eine volksth. Bezeichnung von Emplastrum fuseum.
ChOirOmyceS, Gattung der Tuberaceae, mit aussen glatter, kahler, hellbrauucr,
innen fleischiger, weisser, reif zäher Peridie. Hymenium mit einerlei feinen, dunkleren
Adern und in eine Reihe gestellten, langgestiolten Schläuchen. Sporen gefärbt,
warzig. — Choiromycea maeandriformis Vitt. (Tuber album Sow., Rhi-
zopogon albus Fr.), weisse Trüffel. Unterirdisch wachsende, faustgrosse und
darüber unregelmässig knollige Pilze, mit schwach trüffelartigem Gerüche. Man
findet sie iu Eichen-, Buchen- und Kastanienwäldern bis 1 dm unter der Erde,
namentlich in Ungarn, der Lombardei und England, ferner in Oberschlet>ien,
Böhmen und bei Moskau (nach Jelesnow). Sie ist essbar und wohlschmeckend.
Sydo w.
Cholämie (y6>o?, Galle und xt^z, Blut) ist eine Ueberladung des Blutes mit
Gallensalzen, welche entsteht, wenn durch verhinderten Abfluss der Galle, Gallen-
bestandthcile vom Blute aufgenommen werden. Die Anwesenheit von Gallensalzen
(Cholaten) im entleerten Harn wird durch die Pettkx k OFER'sche Probe nachge-
wiesen ; ein Zusatz von Rohrzuckerlösung und concentrirter Schwefelsäure ertheilt
dem Harne eine purpurviolette Farbe, falls die Erwärmung nicht 70° übersteigt.
8trassbur<tER modiflcirte die Probe in folgender Weise : Man löse in dem zu
prüfenden Harne ein Stück Rohrzucker auf, tauche einen Streifen Fliesspapier ein
und trockne denselben. Betupft man das getrocknete Papier mittelst eines in
reine concentrirte Schwefelsäure getauchten Glasstabes, so bildet sich, wenn Galleu-
salze zugegen waren, nach einigen Minuten an der Berührungsstelle eine deutlich
carminfarbene oder purpurviolette Stelle , welche im durchfallenden Lichte ganz
besonders deutlich wird.
Cholagoga (^oM), Galle, ay<»>, treiben, abführen), gallentreibende Mittel. Von
Alters her bezeichnet man gewisse Mittel, welche bei Störung der Gallenfunction
und besonders bei der damit im Zusammenhange stehender Gelbsucht (Icterus; von
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CHOLAGOGA. — CHOLERA. 97
günstiger Wirkung sind, als Cholagoga, und schreibt denselben eine vermehrende
Wirkung auf die Abscheidung der Galle zu. Neuere Untersuchungen lassen die
Heileffecte der meisten auf eine mit der Steigerung der Bewegung des Darmes
im Zusammenhang stehende mechanisch entleerende Wirkung der in der Gallen-
blase und den Gallengäogen aufgestauten Galle zurückführen. Indessen ist es
unzweifelhaft, dass es einzelne Substanzen gibt, welche dircct durch Erregung der
Leberthätigkeit vermehrte Absonderung der Galle bedingen, sogenannte Hepatica
Stimulantia, wobei der Darm entweder in gleicher Weise oder Uberhaupt nicht
affieirt wird. Ueber die einzelnen Mittel sind die Ansichten auseinandergehend ; die
von alteren Aerzten als Cholagoga besonders geschätzten Stoffe (Calomel, Blue pills,
Löwenzahn) besitzen keine die GaUenseeretion anregende Wirkung, dagegen nach
Rütherford von abführenden Stoffen Aloe, Jalape, Colchicum, Rheum, Coloquinten
fvon Paschkis bestritten), verschiedene Salze (Natriumphosphat, Natriumsulfat,
Kaliumsulfat, Tart. natronatus), und verschiedene Cholagoga der nordamerikanischen
Eklektiker (Iridin, Evonymin, Podophyllin , Juglandin , Leptatidrin, Phytolacein,
Baptisin, Hydrastin, Sanguinarin) ; von nicht abführenden Stoffen Ipecacuanha,
Natrium- und Ammoniumbenzoat, Natrinmsalicylat, Ammoniumphosphat und Acidum
chloronitrosum. Sehr bedeutende Steigerung der GaUenseeretion bringen cholalsaures
und glycocholsaures Natrium hervor (Paschkis) , ebenso salicylsaures Natron,
das nach Lewaschew weit stärker als verschiedene, bei Leberaffectionen mit
Störung der Gallenfunction in grossem Ansehen stehende alkalische Mineral-
quollen (Vicby, Karlsbad] die Gallenmenge steigert. Bei starker Steigerung der
Danntbätigkeit wird die cholagoge Wirkung verschiedener Mittel, z. B. des Podo-
phyllins, aufgehoben. Th. HuRt'mann.
Ch0lelithia3i8 p.-K-, Stein}, Gallenstein-Krankheit.
Cholelit hin. isopathisch = Gallensteine in Verreibung mit Milchzucker.
Cholera (entweder von /oatj? Galle, oder vom hebräischen Cholera, „die
böse Krankheit'*) bedeutet ein rasch eintretendes massenhaftes Erbrechen und
Laxiren, einen Brechdurchfall. In den heissen Sommermonaten kommen nach Diät-
fehlern solche Zustände bei uns in jedem Jahre vor. ohne eine epidemische Ver-
breitung zu gewinnen; man bezeichnet diese Krankheit als Cholera noatras,
Cholera sporadica, Chol er ine. Trotzdem es auch bei Cholera nostras zu be-
drohlichen Erscheinungen kommt, tödtet sie doch Erwachsene nur selten. Die bei
Kindern im ersten Lebensjahre , und zwar fast ausschliesslich bei künstlich ge-
nährten, vorkommende Form: Cholera infantum fordert sehr zahlreiche Opfer.
Ein der Cholera nostras eigentümlicher Bacillus wurde 1884 von Prior und
FlXKLUR entdeckt. Die asiatische Cholera, Cholera morbus , Cholera
epidemica hat ihre Heimat in Ostindien. Obwohl seit undenklichen Zeiten daselbst
vorhanden, trat sie doch erst 1817 scuehenartig auf und verbreitete sich auf die
Xachb»rländer. 1830 erschien sie zuerst im östlichen Theile Europas ; 1831 drang
sie nach Centraleuropa vor: Wien und Berlin hatten in diesem Jahre die ersten
Epidemien; 1832 kam sie nach Eugland, Frankreich und Amerika. Von 1836 bis
1*46 blieb Europa frei. Von 1846 — 59 dauerte ihr zweiter Verheerungszug in
Europa: 1865 begann der dritte; die vierte, noch nicht ganz erloschene Epidemie
ging 1884 von Toulon aus, wohiu sie wieder aus Indien eingeschleppt wurde. Nach
den Erfahrungen über das Auftreten der asiatischen Cholera beruht jede neue
Epidemie auf einer Einschleppung der Seuche aus Indien. Die Träger des Cholera-
giftes sind höchst wahrscheinlich die von Rob. Koch 1883 in Egypten entdeckten
Co mmabacillen (s. Bd. II, pag. 87). Dafür spricht das constantc Vorkommen
in den Dejectionen der Cholerakranken und im Darminhalt von Choleraleichen
überall, wo der Bacillus gesucht wurde (Egypten, Indien, Frankreich, Italien). In
inficirten Ortschaften Indiens fand Koch die Bacillen in den Pfützen, ans welchen
die Bewohner trinken, während dasselbe Wasser in cholerafreien Orten keine Bacillen
enthielt. Vollkommen beweisende Thierexperimente mit dem Cholerabacillus sind
Re»l-Kncyclopadie der Kes. ^harmacie. III. 7
9S
CHOLERA. — CHOLERATROPFEN.
noch nicht gelungen. Die Ansteckung eines Individuums erfolgt bei der Nahrungs-
aufnahme: entweder mit dem Trinkwasser oder es werden feuchte Speisen ge-
nossen , auf welche Insecten den Krankheitskeim übertragen oder welche mit in-
ficirten Händen berührt wurden. Bei ungestörter Verdauung gehen die Krankheite-
keime im saueren Magensafte zu Grunde ; besteht dagegen eine Verdauungsstörung,
dann gelangen die Bacillen in den Darm und entfalten dort ihre speeiiische Thätig-
keit. Besonders wenn auch der Darmcanal durch die Verdauungsstörung gelitten
hat, vermehren sich die Bacillen ausserordentlich. In das Blut gelangen die Bacillen
selbst nicht, sondern wahrscheinlich ein von ihnen erzeugter Giftstoff. Eine Ueber-
tragung der Kraukheitskeime durch die Luft ist unwahrscheinlich, denn die Luft
kann nur trockene Bacillen fortführen und nach Koch gehen die Bacillen zu
Grunde, sobald sie austrocknen. Die oberste Massregel dor Choleraabwehr besteht
darin , den Grenzverkehr ärztlich überwachen zu lassen ; erkrankte Reisende an
der Grenze zurückzuhalten und zu isoliren ; das von ihnen benützte Vehikel sorg-
fältigst zu desinficiren. Sonst muss tiberall dafür gesorgt werden, dass das
Durchsickern fäcaler Stoffe in das Erdreich vormieden und dadurch das Brunnen-
wasser vor Verunreinigung geschützt werde. Alle Herbergen sind vor Ueberfüllung
zu bewahren und auf ihre Sauberkeit hin zu eontroliron. Die Marktpolizei muss
strengstens gehandhabt werden. Speisen und Getränke geniesse man nur nach
gründlichem Kochen ; sonst weiche der Einzelne von seiner gewohnten Lebensweise,
falls diese eine vernünftige war, nicht ab. Bei jeder Verdauungsstörung, auch wenn
dieselbe gering erscheint, soll ärztliche Hilfe gesucht werden.
Die Sterblichkeit ist bei der asiatischen Cholera eine ausserordentlich hohe ; in
Berlin starben bei jeder Epidemie über 60 Procent der Erkrankten. Ist auch der
Choleraanfall überstanden, so ist der Kranke noch nicht immer gerettet, denn oft
stellt sich nachher ein typhusähnlicher Zustand ein, das sogenannte Choleratyphoid,
welches das Leben in ernste Gefahr bringt. Ein »peeifisches Heilmittel gegen
Cholera gibt es nicht. Die FKRUAN'sche Choleraimpfling (1885) wurde ausserhalb
Spaniens mit grossem Misstrauen aufgenommen.
Nicht unerwähnt darf bleiben, dass die Symptome einer Arsonikvergiftung mit
denen der Cholera sehr grosse Aehnlichkeit haben.
Choleratropfen. Im Nachfolgenden werden Vorschriften zu cinigon der^ge-
bräuchlichsten Choleratropfen , wie sie sowohl von Aerzten verordnet , als auch
(im Nothfalle) im Handverkauf verabfolgt werden, gegeben: von Aufführung der
übergrossen Menge anderer „Choleramittcl" , wie z. B. Cholerabitter, -Essenz,
-Liqueur, -Medicin, -Mixtur, -Tinctur, -Wein u. s. w. kann um so mehr abgesehen
werden, als dieselben meist nichts weiter als aromatische bittere Schnäpse darstellen.
Choleratropfen nach Badt: 10 Th. Tinct. aromatica, je 5 Th. Tinct. Opii
simpl. und Tinct. Zingiberi*. — Choleratropfen nach Bastler: 24 Th. Tinct.
Cinnnmomi, 12 Tb. Spirit. aethereus, je 4 Th. Oleum Antut, OL Cajeptuti und
Ol. Juniperi, l Th. Elixit Hallen. — Choleratropfen nach Ewenius:
2 Th. Tinct. Strychni, 6 Th. Tinct. Valcrianae aeth. , 8 Th. Tinct. Arnicae,
2l „ Th. Tinet. L ßpii siiui >L , 1 Th. Oleum Menthne pip. — Choleratropfen
nach Hauck.' Jo 10 Th. Tinct. Opii simpl. , Tinct. Vnlerianae aeth. und Tinct.
aromatica, l Th. Oleum Mentha/ 'pip. — Choleratropfen nach Lorenz: 6 Th.
Tinct. Opii crocata, 4 Th. Vitium Ipecacuanhae, 12 Th. Tinct. Valcrianae
aeth., l Th. Oleum Menthne pip. — Choleratropfen nach Hiemeyer: 32 Th.
Tinct. Valerinnae aeth., IG Th. Vinum Ipecacuanhae, 5 Th. Tinct. Opii
compos., 1 Th. Oleum Menütae piper. — Choleratropfen, Petersburger, sind
den LoREN'z'8chen Tropfen ähnlich, mit noch 2 Th. Tinct. Strychni. — Cholera-
tropfen, russische: 30 Th. Tinct. Jihei vinosn, 3 Th. Tinct '.' Strychni, je 5 Th.
Tinct. Castorei, Tinct. Opii simpl., Tinct. Valeria», aeth. und Spirit. aetJiereus,
10 Th. Spirit. Menthne pip. — Choleratropfen nach Schäfer: 60 Th. Tinct.
aromatica, 12 Th. Mixt, oleoso-bals., 6 Th. Aeth er ncet., » 4 Th. Oleum Calami.
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CHOLERATHOI'i'EN.
— CHOLESTROPHAN.
99
— Choleratropfen nach Strogonoff: Je 8 Tb. Tinct. Valerianae aeth.. Intet.
Htrychni und Spirit. aetherma, 4 Th. Tinct. Amirae, G Th. Tinct. Opii Mi'mpl.,
12 Th. Tinct. Aconiti, 2 Th. Oleum Menthae pip. — Choleratropfen nach
Thielmann: 10 Th. Tinct. Valerianae aeth. , 2l a Th. 7Y/tc/. Opii crocata , je
5 Th. 7Ync*. Ipecacuanhae und 0/«t/m Menthae pip. — Choleratropfen nach
Wunderlich: 20 Th. Tinct. Valerianae aeth., 1 Th. Tinct. Opii simpl, 3 Th.
Fmum Ipecacuanfiae, 1 6 Th. Menthae pip. g. Hof mann.
Cholesterin, Cj6 h48 o, wurde zuerst in der Galle aufgefunden und hiernach
fälschlich als Gallenfett bezeichnet. Die meisten Gallensteine bestehen ihrer Haupt-
masse nach aus Cholesterin, welches übrigens im ganzen Thierkörper mehr weniger
reichlich verbreitet ist. Es kommt vor als normaler licstandtheil der Marksnbstanz
de« Gehirns und der Nerven, in den Face« aller Thiere, in vielen Transsudaten
und Cysten flüssigkeiten, in geringer Menge auch im Blute, schliesslich im Wollfett
(». Lanolin). In grösserer Menge stellt man das Cholesterin aus Gallensteinen
dar, welche man gepulvert mit siedendem Alkohol oder mit Alkohol und Aether
extrahirt; das aus der Lösung beim Erkalten des Alkohols oder Verdunsten dos
Aethers in Krystallen sich abscheidende Cholesterin wird durch Kochen mit alko-
holischer Kalilösung gereinigt und schliesslich, nach dem Waschen mit kaltem
Alkohol und Wasser, aus heissem Alkohol urokrystallisirt. Es ist unlöslich in Wasser,
verdünnten Säuren und concentrirten Alkalilaugen , auch in kaltem Alkohol, hin-
gegen leicht löslich in siedendem Alkohol, in Aether, Chloroform, Benzol, flüchtigen
und fetten Oelen, weniger löslich in den Lösungen gallensaurer Salze und sehr
wenig löslich in den wasserigen Lösungen von Seifen. Aug Chloroform, Benzol,
wasserfreiem Aether krystallisirt es in wasserfreien Nadeln, aus wasserhaltigem
Alkohol in Blättchen oder monokiinen Tafeln, welche 1 Mol. Kry stall wasser ent-
halten. Wasserfreies Cholesterin ist linksdrehend, schmilzt bei 145 — 146° nud do-
stillirt im Vacuum unzersetzt oberhalb 360°.
Zum Nachweise des Cholesterins dienen die folgenden Reactionen : 1. Durch
concentrirte Schwefelsäure und ein wenig Jod wird krystallisirtes Cholesterin bald
violett, blau, grün und roth gefärbt (mikroskopisches Erkennungsmittcl). 2. Man
löst einige Centigramm Cholesterin in 2 cem Chloroform , fügt 2 cem concentrirte
Schwefelsäure hinzu und schüttelt um, es färbt sich die Chloroformlösung schnell
blutroth, dann kirschroth und purpurfarbig. Giesst mau die Lösung in eine
Schale aus, so färbt sie sich bald blau, grün, endlich gelb. Die unter der Chloro-
formlösung befindliche Schwefelsäure zeigt hierbei grünliche Fluorescenz, verdünnt
man sie mit Eisessig, so wird die Lösung erst rosa bis purpurroth und behält die
grüne Fluorescenz (Salkowski).
Ueber die functionelle Bedeutung dieser im thierischen Körper stellenweise in
grösserer Menge auftretenden und sehr verbreiteten Substanz ist man noch nicht
im Klaren , möglich, dass das Cholesterin , welches wir durch Extraction mittelst
Aether erhalten, das Spaltungsproduct einer bis nnn unbekannten organischen Ver-
bindung ist , dafür spricht zunächst die Cnlöslichkeit des Cholesterins in Wasser,
verdünnten Säuren und Alkalien , auch der Umstand , dass es im thicrischen
Körper nur unter Umständen fertig gebildet vorkommt, wo eine regressive Meta-
morphose vor sich geht, z. B. in Geschwülsten, Gallensteinen, Exsudaten. Im Woll-
fett nimmt es die Stelle des Glycerins ein, so zwar, dass das Wollfett kein Fett-
säureestcr des Glycerins, sondern ein Ester des Cholesterins ist.
In den Pflanzen wurde ein dorn Cholesterin ähnlicher Körper bis jetzt nur im
reifen Samen, und zwar in den Erbsen , in der Calabarbohne und im Colchicum-
samen aufgefunden. — 8. Phytosterin. Loebiscb.
CholeStrophatl, Diniethylparabansüure, C^NjCv bildet sich beim Kochen
von Coffein mit Salpetersäure, oder beim Einleiten von Chlor in mit Wasser ange-
rührtes Coffein, oder durch Oxydation des Coffeins mit Chromsäure. Es bildet
Blitttchen, welche bei 145° schmelzen , bei 275° unzersetzt desrilliren. Löst sich
7*
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1
N:
100 CHOLESTROPHAN. — CHOLSÄURE.
im Wasser, schwerer in Alkohol. Zerfällt mit alkoholischem Natron schon in
der Kälte in Oxalsäure und Dimethylharnstoff und geht heim Erwärmen mit
Wasser und Baryumcarbonat in Diniethyloxamid Uber. Beim Erhitzen mit Salz-
säure auf 200° zerfallt es glatt in Kohlensäure, Oxalsäure und Methylamin.
Ganswindt.
Choletelin. Ein Gallenfarbstoff. Braunes amorphes Pulver, löslich in Alkohol,
Aether, Chloroform, sehr leicht in ätzenden kohlensauren Alkalien. Man gewinnt
es durch Behandeln von in Alkohol suspendirtem Bilirubin mit salpetriger Säure
und Fällen der Lösung mit Wasser. Ganswindt.
ChOÜn (Sinkalin, Bilineurin), C5H15N02, eine kräftige Ammoniumbase nach
ihrer Constitution Trimethylaethoxyliumhydrat
<CH3),
-C-, Hft 0,
I— OH
wurde zuerst aus der Galle dargestellt, später als Spaltungsproduct des aus der
Gehirnmasse isolirtcn Protagons gefunden; jedoch tritt es sowohl im Gehirn als
im Eidotter und Caviar als Rest des in diesen Organen sehr verbreiteten Leci-
thins (s. d.) auf, im Fliegenschwamm ist es neben Muscarin, in dem Samen von
Trigonella Fornum graccum neben Trigonellin (Jahns) enthalten und aus dem
Alkaloid des weissen Senf wird es durch Kochen mit Barytwasser abgespalten;
synthetisch wurde es von Wurtz aus Trimctbylamin und Glycolchlorhy drin durch
Erhitzen derselben bei 100° dargestellt. Aethylenoxyd verbindet sich mit concentrirter
Trimethylaminlösung schon bei gewöhnlicher Temperatur zu Cholin. In grösserer
Menge gewinnt man es am besten aus Eidotter. Diese werden mit Aether aus-
geschüttet, dann mit wannein Alkohol (40 — 45°) extrahirt. Die vereinigten Auszüge
werden abdestillirt und der Rückstand mit Barytwasser gekocht. Man fällt den Baryt-
Uberschuss durch Einleiten von Kohlensaure, filtrirt und verdampft die klare Lösung
auf dem Wasserbad zum Syrup, extrahirt diesen mit absolutem Alkohol und fällt
den alkoholischen Auszug nach dem Versetzen mit Salzsäure mit Platinchlorid.
Das Platiuchloriddoppelsalz wird in Wasser gelöst, durch Schwefelwasserstoff von
Platin befreit, filtrirt und die Lösung verdunstet, es bleibt Balzsaures Cholin zurück,
welches dorch Behandeln mit feuchtem Silberoxyd eine wässerige Lösung von
freiem Cholin gibt. Das Cholin löst Faserstotfmenibraneu sehr leicht und eine
5proeeutige Lösung desselben wurde wegen dieser Eigenschaft auf Empfehlung von
E. Ludwig bei Diphtheritis örtlich zur Lösung der Membranen angewendet (s.
auch Neurin). Loebisch.
Cholsälire, auch Cholal säure, CS1 H40 05. ist ein Spaltuugsproduct der
beideu in der Galle des Menschen, Ochseu und Hundes und der meisten big jetzt
darauf untersuchten Thiere vorkommenden gepaarten Gallensäuren, deren eine die
Glyeocholsäure, C<6 H4S NO0, schwcfelfrei. die andere Taurocholsäure, C26 H,6 NS07,
schwefelhaltig ist. Durch mehrtägiges Kochen mit Barytwasser spaltet sich die
erstere unter Wasseraufuahme in Glycoeoll- uud Cholsäure, die letztere in Taurin
und Cholsäure. Man versetzt das in der heissen Flüssigkeit gelöste Bariumsalz mit
Salzsäure, wobei die Cholalsäure als amorpher Niederschlag ausfällt. Dieser wird
mit Wasser gewaschen, in wenig Kalilauge gelöst und die Flüssigkeit nach Zusatz
von wenig Aether wieder mit Salzsäure augesäuert. Es scheidet sich nun die
Säure in Tetraedern ab. Durch Lösen in warmem Alkohol und Versetzen der
Lösung mit Wasser bis zur bleibenden Trübung wird die Säure umkrystalüsirt.
Man erhält entweder leicht verwitternde Tetraeder mit 2l , Molekül Krystall-
wasser oder luft beständige Prismen mit 1 Molekül Wasser. Die Cholsäure ist in
Wasser kaum, in Alkohol und Aether leicht löslich, die speeifisehe Drehung der
L" , ILO enthaltenden Säure beträgt ix) D = + 35. Von den Salzen sind die
der Alkalien in kaltem Wasser leicht, die des Barium schwer löslich, das Bleisalz
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CHOLSÄURE. — CHOP'S GEHÖRÖL.
101
ist in Wasser ganz unlöslich, löslich in heissem Wasser. Durch Erhitzen auf
190 — 200° oder durch Kochen mit Säuren spaltet die Cholalsäure 2 Moleküle
Wasser ab und bildet Dyslysin, Cat H?6 08 , welches durch Kochen mit alko-
holischer Kalilösung wieder in Cholalsäure zurückgeführt wird. Beim Schmelzen
mit Aetzkali entwickeln sich sehr angenehm (nach G a 1 b a n u m) riechende Dämpfe,
der Rückstand enthält flüchtige Fettsäuren. Die Cholsäure und ihre Salze geben
die PETTENKOFER'schc Gallenprobe (s. Galle). Spuren der Cholsäure finden sich
im Dünndarminhalt, reichlicher kommt sie im Dickdarminhalte und in den Excre-
menten von Rindern und Hunden vor. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin,
dass die Glycocholsäure des Menschen eine von der Rindsgalle verschiedene ist,
deren 8paltungsproduct, die Cholsäure, nicht die Eingangs angegebene Zusammen-
setzung hat, sondern Cl8 H2S 04 + 2HäO ist, sie wurde vou Bayer Anthropo-
cholalsänre genannt. Loebisch.
*
Chomel'S Mixtura purgativa (gegen Bleikolik) ist eine Mischung von 00 Th.
Oleum AmygdaL, 00 Th. Syrupus gummosns und 1 io Th. Oleum Crotoni*.
ChondodendrOn, Gattung der Menispermaceae , Unterfaniilie Pachygonra*.
Klimmende Sträncher mit handnervigen Blättern, diöcischen Blütben und gestielten
Steinfrüchten, deren einziger hufeisenförmig gekrümmter Samen fleischige Cotyledoncn,
aber kein Endosperm besitzt,
Ch. tomenlosum R. et P. (Cocculnx Chondodendron DC, Botryopsts
plntyphylla Miers) aus Brasilien und Peru ist die Stammpflanze der echten
Pareira (s. d.).
Chondrin, Knorpelleim, C 47.74, H 0.76, N 13.87, 0 31.04, S O.O Procent.
Der reine Knorpel besteht im Wesentlichen aus einer Substanz, welche durch
Kochen mit Wasser zu einer opalescirenden Flüssigkeit gelöst wird , welche heim
Erkalten gelatinirt. Diese Flüssigkeit enthält das Chondrin, welches aus der Lösung
bei Abwesenheit von Alkalisalzen durch Essigsäure (im Ueberschuss unlöslich)
gefällt wird. Die Substanz aber, welche beim Kochen mit Wasser das Chondrin
liefert, wird Chondrogen genannt. Das Chondrin ist auch durch sehr verdünnte
Mineralsäuren fällbar, jedoch im Ueberschuss der Säuren wieder löslieh, auch der
Niederschlag, den Alaun in Chondrin erzeugt, ist im Ueberschuss des Fällungsmittels
löslich. In Alkohol und Aether ist es uulöslich. Sowohl die wässerige, als die
alkalische Lösung des Chondrin .zeigt starke Circumpolarisation. Mit concentrirter
SalzBäure und mit verdünnter Schwefelsäure erhitzt, spaltet es sich unter Bildung
stickstoffhaltiger Körper, welche Kupferoxyd in alkalischer Lösung reduciren und
eines eiweissähnlichen Körpers. Die gleiche Zerlegung findet bei künstlicher Ver-
dauung des Chondrins und beim Faulen des Knorpels statt. Einige Chemiker
halten das Chondrin für ein Gemenge von gewöhnlichem Leim und Mucin.
Loebisch.
Chondritis KnorP
el), die Entzündung der Knorpel. — Chondrom,
eine Knorpelgeschwulst.
ChondrUS, Gattung der Florideen-Fanulic Gigartine.ae y charakterisirt durch
wiederholt flach-gabelig getkeiltcu Thallus mit eingesenkten oder nur weuig
prominenten Cystocarpien und kreuzförmig gelagerteu und als kleine Häufeheu
hervorragenden Tetrasporen.
Gh. crispus Lyngb. (Sphaerococcus crispus Ag.f Fucust crispus L.)
ist nebst Gigartina mamillosa Ag. das officinelle Car ragern (s. Bd. N,
pag. 570).
Choorie, Chorea-Butter, s. Bassia (Bd. n, pag. ig5>.
CtlOp'S GehÖrÖl ist (nach Schädiger) eine Mischung aus 2 Tb. Oleum Cn/e-
puti und 10 Th. Prournwöl.
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102
CHOPART S POTIO BALSAMICA. — CHRIST'S HAUSPFLASTER.
J
ChopartS PotiO balsamica ist eiue Mischung aus je 30 Th. Balsam*
Copaivae und Syrupus balsami Tolut. , 60 Th. Aqua Menthae pip. , 30 Th.
Spiritus und 4 Th. Spiritus nitrico-aethereus.
Chorda (/vfir^ die Saite). Dieses Wort wird als naheliegender Vergleich in
verschiedenen Gebieten der Medicin mit oder ohne erläuterndes Beiwort häufig
gebraucht. In der Entwicklungsgeschichte bezeichnet Chorda (dorsalis) einen
Streifen im mittleren Keimblatt, welcher sich am Aufbau der Wirbelsäule betheiligt.
Die Auatoraeu nennen Chorda (tympani) jenen Ast des mimischen Gesichtsnerven
(Nereus facialis), welcher die Unterkieferspeicheldrüse zur „Secretion veranlasst.
Die Physiologen unterscheiden den unter dem Einflüsse dieses Nerven reichlich
abgesonderten , aber sehr wässerigen Speichel als Chordaspeichel von dem zähen,
aber an speeifischen Bestandteilen reichen Sympathicusspeichel, der, wie der Name
besagt, unter dem Einflüsse des sympathischen Nerven secernirt wird. Die Kliniker
nennen Chorda (cenereaj eine Complication des Trippers, welche darin besteht,
das« in Folge von Febergreifeu der Entzündung von der Harnröhre auf die Schwell -
körper die Erectionen schmerzhaft werden und wobei das erigirte Glied geknickt
oder bogenförmig gekrümmt ist.
Chorda6 CailSticae hicssen Darmsaiten , welche behufs Aetzung schmaler
Fistelgänge mit Silbernitratlösuug getränkt waren : sie sind durch die sogenannten
LiEUKKK H'schen Sonden iSilberdraht mit geschmolzeuem Argentum nitricum tiber-
zogen) zweckmässig ersetzt worden.
Chorea (/opeta, der Tanz), Veitstanz, Ballismus, besteht iu uuwillktir-
liehen Zuckungen einzelner Muskeln und im coordiuationslosen Spiele der bei eom-
binirten Bewegungen betkeiligtcu Gruppeumuskeln.
Als Chorea vwgna bezeichnet man eine Erkrankung, die sich in Anfällen von
lebhaften choreatischen Bewegungen mit Hallucinationen uud Bewusstseinsstoruugeu
äussert.
ChONOidea (y/pwv, Haut) heisst die Netz- oder Aderhaut im Auge.
Choripetalae (inclusive Apetalae), Classc der Dicotyleae , charakterisirt
durch fehleude oder, wenn vorhanden, stets unter sieh freie, nicht mit einander
verwachsene Kronblätter.
Hierzu gehören die Amentaceae , L'rticinae , Centrospe rmae , Folycarpi'ce,
Bhoeadinac, Cistißorae , Columniferac } Gruiua/es , Terebinthinae ? Aesculinae,
Frangtdinae, Tricoecae) L'mbellifiorae, Saxifraginae, Opuntinae, Passifiorinae}
Myrtißorae} Thymi! inue, Iiosiftorae und Leguminosae. Sydow.
Chorise (/wp£siv = trennen; nennt mau das Auftreten eines oder mehrerer
Blattorgane an einer Stelle, wo normal kein Blatt stehen würde. Es tritt dieser
Fall namentlich oft ciu bei den Staubgefässkrciseu der Blüthen. — Vergl. auch
Diagramm. C. Mylius.
ChOUlatVt'S Abführmittel besteht aus 150 g Decoct. Torna rindo rum (1 : 5),
20 g Syrup. Mentha* pip. uud 30 g Sal Glauben. — Ch.'8 Asthmamixtur ist
ein lnfusum von 2 (f Folio Digitalis uud lg Bad. Jpecoeuanhae zu 120 g
mit 25 g Syrup. Althn* oc uud 2.5 g Liquor Ammonii anisatus. — Ch.'s BrüSt-
thee ist eine Mischung aus 45 Th. Faha Farfarae, 15 Th. Bad ix Althaeae und
je 71 2 Th. Früchts Foeuicu/i uud Fr. Anisi.
ChreStien'S PÜUlae auHferae bestehen aus 0.5 g Auro-Natrium chloratum
(Sal Auri Chrestien) . 2 g Amylum, 5 g Gummi Arabicum und Aqua q. s. zu
120 rillen.
ChriSma, eine Sorte Vaselin.
Christ's Hauspflaster, zu diesem in einigen Gegenden Deutschlands sehr,
beliebten Hausmittel lautet die ursprüngliche Vorschrift so, dass man Proveneertfl
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1
I
CHRIST S HAUSPFLASTER. — CHROM. 103
mit rothen Rosenblättern den Sommer hindurch der Sonne aussetzt, das so ge-
wonnene Rosenöl im Herbst mit dem frisch auBgepressten Saft weisser Rüben ver-
mischt und mit Mennige zu einem braunen Pflaster kocht, dem zuletzt noch
Kampfer und Perubabalsam zugesetzt werden. — Emplastrum ftiscnm carapho-
ratum mit einem Zusatz von 2—3 Procent Balsamum Peruvianum dürfte das ge-
nannte Pflaster zweckmässig ersetzen.
Chri3td0m ist Hex Aquifolium L. — ChriStholZ ist Liquidambar orientalis
MM. — ChristikreUZthee ist Herba Ceniaurü minoris. — Chri8twuTZ ist
Actaea spicata L. oder Adonis vernalis L. oder Helleborus.
ChriStie'S Ague Mixture ist (nach Churchill) ein schwach spirituöser
Chinarindenauszug mit Pulver von Fructus Capsici.
Christipalmöl ist oieum Ridni.
Chri8ti30n'8 Einreibung bei Hydrops ist eine Mischung aus je 15 Th.
Tinct. Scillae, Tinct. Digitalis und Oleum camphoratum.
Christophoriana eine ßanunculaceen-G&ttxmg Tourxefort's, synonym mit
Actaea L. , daher Radix Christophoriana« für die Wurzel von Actaea
(s. Bd. I, pag. 120).
Chrom. Cr = 52.45 (Meyer und Seubert). Dieses Element wurde im
Jahre 1797 von Vauquklin aus dem in Sibirien vorkommenden Rothbleierz
(chromsaurem Blei = PbCrO,) isolirt und von /p^* Farbe „Chrom" genannt,
weil die Satzverbindungen der Chroiiisäure sich durch lebhafte Färbung charak-
terisirten. Am reichlichsten findet sich das Chrom im R o t h b 1 e i e r z oder K r o k o i t,
Pb Cr 04 , und im C h r o m e i 8 e n s t e i n. Cr2 04 Fe ; in geringeren Mengen ist es
enthalten im Serpentin, Smaragd, Beryll, Chroinglimmer, deren
Färbung auf ihren Chromgehalt beruht.
Das metallische (freie) Chrom kann erhalten werden durch Glühen von Chrora-
oxyd mit Kohle im Knallgasgebläse oder durch Reduetion vou Bleichromat mit
Kohle und Behandeln des erhaltenen Rcgulus mit verdünnter Salpetersäure. Doch
erhält man nach beideu Methoden das Chrom nicht in geschmolzenem Zustande.
Durch Elektrolyse einer Lösung von Chromochlorid uud Cbromichlorid wurde es
in spröden glänzenden Blättchen erhalten (Runsen). Durch Erhitzen von violettem
Cbromichlorid mit Natrium gewann es Wühler in Pulverform. Fremy erhielt
dagegen Chrom in glänzenden, dem regulären System angehörigen Kry stallen, als
er Chromichlorid mit dampfförmigem Natrium im Wasserstoffstrome erhitzte. Nach
Molssaü erhält man Chrom, wenn man eine concentrirtc Lösung von Chromchlorür
mit Natriumamalgam schüttelt und das resultirende Chromamalgam bis zum Ver-
flüchtigen des Quecksilbers erhitzt.
Das Chrom bildet ein hellgraues, krystallinisches glänzendes Pulver; in ge-
schmolzenem Zustande ist es stahlgrau, glänzend und spröde, übrigens so hart,
dass es selbst Glas ritzt. Das speeifische Gewicht des geschmolzenen Chroms ist = G,
dasjenige des krystallisirteu = G.H1. — Bei gewöhnlicher Temperatur verändert
es sich au der Luft nicht, bei Rothgluth oxydirt es an der Luft zu grünem
Chromoxyd Cr3 0Ä , im Sanerstoffgebläse verbrennt es mit lebhaftem Fuukensprühen
(zu Cr3 0,). Es zersetzt das Wasser bei gewöhnlicher Temperatur nicht, wohl aber
bei Rothglühhitze. Von Salpetersäure, weder von verdünnter noch von concen-
trirter heisser , wird es nicht angegriffen , auch kalte concentrirtc Schwefelsäure
wirkt kaum ein : kalte verdünnte Schwefelsäure greift es langsam au , beim Er-
wärmen aber tritt nnter lebhafter Wasserstoffentwickelung Auflösung ein. In con-
centrirter Salzsäure löst es sich relativ leicht, im Chlorstrom erhitzt, verwandelt
es sich in violettes Chromchlorid, Cr. C1IS, durch Schmelzen mit Alkalien bei Gegen-
wart von Oxydationsmitteln (Salpeter, chlorsaures Kali; wird es in ehromsaure
Salze übergeführt.
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104
CHROM. — CHROM-NACHWEIS.
Bezüglich seiner Stellang im System wird das Chrom zu den Metallen, und
zwar zur Eisengruppe gerechnet. Das Chrom atom gilt für vi er werthig, doch
nimmt man an, dass in der Chromo-, sowie in der Chromireihe 4- beziehungs-
weise 6wertbige „Doppelatoroe" functioniren. Die zahlreichen Verbindungen des
Chroms lassen sich auf drei Sauerstoffverbindungen desselben zurückführen.
1. Chromo Verbindungen, Chromoxydul Verbindungen vom Chromo-
oxyd Cr, 02 oder Cbromoxydul. Das Chromatom fungirt hier zweiwerthig (das
Doppelatom vierwerthig). Die Verbindungen sind sehr unbeständig.
2. Chromiverbindungen, Chromoxydverbindungen vom Chromi-
oxyd Cr2 Os oder Chromoxyd. Das Chromatom fungirt hier dreiwerthig (das Doppel-
atom sechswertbig). Die Verbindungen sind beständig, lassen sich aber durch
geeignete Oxydationsprocesse in Verbindungen der höheren Oxydstufe (Säurereihe)
überführen.
3. Chrom Säureverbindungen, Chromate vom Chromtrioxyd Cr(V
oder Cbromsäurcanhydrid. Die Verbindungen sind beständig, lassen sich aber durch
geeignete Reductionsverfahren in die Verbindungen der vorigen (Chromoxyd-)
Reihe zurückführen. B. Fischer.
Chrom-NachW6i$ Und -Bestimmung. Die praktisch wichtigen Chromver-
bindungen gehören lediglich der Reihe des Cbromoxydes und derjenigen der Chrom-
säure an, die den übrigen Verbindungsstufen zugehörigen besitzen nur theoretisches
Interesse. Sowohl die Oxydreihe wie die Säurereihe besitzen beide durchaus charakte-
ristische Reaction, bei der Leichtigkeit indessen, mit welcher die Glieder dieser
beiden Reihen in einander übergeführt werden können, pflegt man den Nachweis
einer Chromverbindung sowohl im Zustand der Oxyd- als der Säurereihe zu führen.
Die löslichen wie die unlöslichen Chromoxydverbinduugen charakterisiren sich durch
lebhafte Färbung, welche im Allgemeinen eine grüne, bisweilen violette ist.
Chromoxydsalze geben, falls sie löslich sind, violette oder grün gefärbte Lösungen.
Die violetten Lösungen können durch Erhitzen in grüne übergeführt werden, die
grünen wandeln sich bei längerem Stehen in der Regel in violette um. Von
charakteristischen Reactionon wären für Chromoxydsalze die nachstehenden
anzuführen :
Die Phosphorsalz-, sowie die Boraxperle wird durch Chronioxydverbindungen
tief smaragdgrün gefärbt; die Färbung ist in der Oxydation»- wie in der Reduc-
tionsflamme die nämliche. Sogenannte Flammeufärbungen geben die Chromverbin-
dungen nicht.
Ammoniak, ebenso Schwefelammonium fällt graublaues Chromhydroxyd, welches
in überschüssigem Ammoniak mit röthlichcr Farbe ein wenig löslich ist. Die Fäll-
barkeit des Chromoxydes durch Ammoniak — ebenso durch kohlensaures Natron
— wird durch Anwesenheit von Weinsäure, Citronensäure , Zucker, auch Oxal-
säure beeinträchtigt, nicht selten vollkommen verhindert
Kalihydrat oder Natronhydrat erzeugen sowohl in grünen wie in
violetten Lösungen von Chromoxydsalzen einen grünen Niederschlag von Chrom-
hydroxyd, welcher sich bei gewöhnlicher Temperatur in einem Uebcrschusse der
ätzenden Alkalien zu einer smaragdgrünen Flüssigkeit (s. Chrom ite) löst. Wird
diese Lösung für sich oder unter Zusatz von Ammouiumchlorid erhitzt, so erfolgt
nahezu quantitativ die Abscheidung von Chromhydroxyd.
Kohlensaure Alkalien fällen basisch-kohlensaures Chromoxyd als grünen
Niederschlag, der sich im Ucberschuss der Fällungsmittel nur schwierig und
langsam löst.
Natriumphosp"hat erzeugt in violetten Lösungen einen violetten, in grünen
einen nach einiger Zeit entstehenden voluminösen grünen Niederschlag.
Baryumcarbonat fällt schon in der Kälte alles Chromoxyd als grünes
Chromhydroxyd, welches mit basischem Carbonat gemischt ist. Die Fällung ist erst
nach längerer Digestion eine vollständige. (Wichtig für die Trennung von Mangau
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CHROM-NACHWEIS.
105
und Zink, deren Salze in der Külte durch Baryumcarbonat nicht gefallt werden.)
Alle Chromoxydverbindungen können durch geeignete Oxydationsmittel in chrom-
saure Verbindungen übergeführt werden. Alkalische Lösungen von Chromoxyd
können durch Bleisuperoxyd , Kaliumpermanganat , saure durch Salpetersäure,
Königswasser, Chlor, Brom oxydirt werden. Am schnellsten und sichersten geschieht
die Ueberftthrung durch Schmelzen der Oxydverbindungen mit kohlensaurem
Katronkali unter Zusatz von Salpeter oder chlorsaurem Kali. Die Schmelze enthält
alsdann Alkalichromat , welches nach dem Ansäuern mit Essigsäure alle für die
Chromsäure giltigen Reactionen gibt.
Die Salze der Chrorasäure eharakterisiren sich durch lebhafte Färbung,
welche meist gelb bis roth ist. Sie sind in Wasser zum grösseren Theil unlöslich
and werden beim Glühen zum Theil zersetzt. Die Salze mit alkalischen Basen sind in
Wasser löslich. Ihre wässerigen Lösungen sind gelb, wenn ein Salz der normalen
Chromsäure vorliegt, roth, falls sie Di-, Tri- oder Tetrachromsäure enthalten. Beim
Ansäuern der Lösungen normaler Chromate geht die gelbe Farbe der Lösung in
Folge von Bildung di- etc. chromsauren Salzes in eine rothe über. Lösungen von
Chromaten geben die nachstehenden Reactionen:
Schwefelwasserstoff bringt in der angesäuerten Lösung eines Chromates
zunächst eine bräunliche, dann eine grüne Färbung hervor, welche durch Bildung
von Chromoxydsalz veranlasst wird; gleichzeitig wird Schwefel abgeschieden,
wodurch die Flüssigkeit ein milchiges Aussehen erhält. Erwärmen begünstigt die
Reaetion, ein Theil des Schwefels geht alsdann in Schwefelsäure über.
Schwefelammonium einer angesäuerten Chromatlösung zugesetzt, bewirkt
sofort einen bräunlich-graugrünen Niederschlag von wasserhaltigem chrorosaurem
Chromoxyd: beim Kochen scheidet sich alles Chrom als grünes Chromoxyd-
hydrat aus.
Chlorbaryum erzeugt in Lösungen normaler Chromate einen hellgelben
Niederschlag von Baryumchroniat, der in Wasser und Essigsäure unlöslich , in
mineralischen Säuren dagegen löslich ist. Anwesenheit von freier Essigsäure ist
nicht hinderlich; freie mineralische Säureu müssen durch Natriumacetat oder
Amnion iumaectat gebunden werden.
Silbernitrat bewirkt in normalen Chromatlösungen eiuen rothen Nieder-
schlag von Silberchromat Cr04Ag3, das sowohl in Salpetersäure wie in Ammoniak
leicht löslich ist.
Bleiacetat erzeugt in Chromatlösungen eiuen gelben Niederschlag von
Bleichromat Pb Cr 0, , der in Wasser , Alkohol , Essigsäure und verdünnter
Salpetersäure unlöslich, dagegen löslich ist in concentrirter Salpetersäure und in
Natronlauge.
Wasserstoffsuperoxyd. Fügt mau zu einer (mit verdünnter Schwefel-
säure) angesäuerten Chromatlösung etwas Wasserstoffsuperoxyd und hierauf Aether,
so färbt sich der letztere beim Uraschütteln prächtig kornblumenblau.
Die Bestimmung der Chromoxydverbindungen geschieht stets in Form von
Chromoxyd , diejenige der ChrorasSureverbindungen als chromsaures Blei oder
chromsaures Baryura. Da beide Reihen leicht in einander überzuführen sind, so
kann man für beide Reihen jede dieser Bestimmungen anwenden. Im Allgemeinen
bestimmt man das Chrom als Chromoxyd dann, wenn relativ grosse Mengen vor-
handen sind, als chromsaure« Blei oder Baryum dann, wenn die Menge des Chroms
nur klein ist.
a) Als Chromoxyd. Chromoxydsalze werden mit Ammoniak in der Hitze
gefällt, das überschüssige Ammoniak durch Erwärmen verjagt, alsdann das Chrom-
hydroxyd mit heissem Wasser gewaschen , getrocknet und nach dem Glühen als
CraOj gewogen. — Liegt ein lösliches Chromat vor, so wird dessen mit HCl oder
H, 8 04 angesäuerte Lösung mit Alkohol zu Chromoxydsalz reducirt und aus diesem
nach dem Verjagen des Alkohols durch Ammoniak das Oxydhydrat gefällt und,
wie obeu angeführt, in Chromoxyd umgewandelt. Enthalten die Lösungen fixe
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106
(H ROM-NACHWEIS. — CHROMALAUN.
Alkalien, bo füllt dag Resultat immer ein wenig zu hoch aus, da das Chromoxyd
hartnäckig Spuren von Alkali zurückhält.
b) Als chrorasaures Blei oder Baryum. Neutrale Chromsalzlösungen werden mit
Essigsäure angesäuert und alsdann mit Bleiacetat oder Baryumacetat versetzt. Sind
freie mineralische Säuren in der Lösung vorhanden , so setzt man Natriumacetat
oder Ammoniumacctat zu. Der entstandene Niederschlag wird nach 6 — 12 Stunden
abfiltrirt, mit verdünnter Essigsäure gewaschen, getrocknet und schwach geglüht.
Das Filter wird vor dem Trocknen zweckmässig mit etwas Ammouuitrat befeuchtet.
Auf diese Weise können natürlich auch kleine Mengen von Chromoxyd bestimmt
werden, nachdem dasselbe durch Schmelzen mit Soda und Salpeter in chromsaures
Alkali verwandelt wurde. Die mit Essigsäure angesäuerte Lösung der Schmelze
scheidet dann das Chrom auf Zusatz von Blei- oder Baryumacetat quantitativ als
Blei- oder Baryumchromat ab. B. Fischer.
Chromacichlorid, chiorch romsäure, Chromvlchlorid, chrom-
saures Chromhexachlorid, Cr02Cl2, ist als Chromsäurehydrat aufzufassen,
in welchem zwei Hydroxylgruppen durch Chlor ersetzt worden. Bildet sich beim
Erhitzen von violettem Chromchlorid mit Chromsäureanhydrid, beim Erhitzen von
wasserfreiem Eisenchlorid mit Cbromsäureauhydrid. Darstellung: Man erhitzt ein
geschmolzenes Gemenge von 10 Th. Kochsalz und 1 2 Th. Kaliumbiehromat
sehr vorsichtig mit 3< > Th. concentrirter Schwefelsäure und rectificirt
das Destillat, um freies Chlor zu entferneu, wiederholt in einem .Strome von
trockenem Kohle n sä nregas. Es ist eine blutrothe, bei auffallendem Lichte schwarz
erscheineude sehr bewegliche Flüssigkeit, die an der Luft stark raucht. Spec.
Gew. = 1.D13 bei 10°. Siedepunkt 118°. Mit Wasser zerlegt es sich uuter starker
Wärmeentwicklung in Chromsäure und Salzsäure. Feuchter Phosphor rcagirt mit
Chromacichlorid unter Feuererscheinung. Schwefelblumen mit Chromacichlorid be-
feuchtet entzünden sich. Auch mit vielen organischen Verbindungen reagirt es
ungemein heftig, wobei es häufig zu Entzündungen und Explosionen kommt. So
entzündet es Weingeist, Terpentinöl, zersetzt heftig Holzgeist, Kampfer, Olivenöl,
erzeugt aus Acthylen Aethyleuchlorid uud entzündet dieses bei Gegenwart von
Luft, dagegen wirkt es nicht ein auf Kohle, Indigo und Eisessig.
Die Bildung des Chromacichlorides ist namentlich in analytischer Be-
ziehung wichtig. Es gestattet dieselbe, Chloride neben Kromiden und Jodiden
auf das unzweifelhafteste nachzuweisen. Mischt man ein Gemeuge von Chloriden,
Bromideu und Jodiden mit Kaliumdiehromat und dcstillirt dasselbe mit concen-
trirter Schwefelsäure, sc» bildet sich flüchtiges Chromacichlorid, während Brom und
Jod eine analoge Cbromverbindung nicht eingehen, vielmehr in freiem Zustande
entweichen. Fängt man die flüchtigen Destillationsproducte iu Ammoniak auf, so
lösen sich Brom und Jod farblos auf, während übergegangenes Chromacichlorid
sich zu chromsaurem Anunou uud Ammouiumchlorid umsetzt. Eine Gelbfärbung
des vorgeschlagenen Ammoniak beweist daher die Gegenwart eines Chlorides.
B. Fischer.
ChrOmaCÖme, ein Pariser Haarfärbemittel, besteht aus zwei Flüssigkeiten;
die eine ist eine spirituöse Pyrogallnssäurelösung, die andere eine ammoniakalische
Silbernitratlösnng, beide Flüssigkeiten sind mit einer indifferenten Farbe bräunlich
gefärbt.
Chromalaun, Kaii ehr omahu n. Cr (SOj ,u K -f 12 H2 0 oder Cr2 (S04)4 K2 -f-
-f 24 H2 0. Das schwefelsaure Chromoxyd vereinigt sich ebenso wie das schwefel-
saure Aluminium mit Alkalisulfaten zu gut charakterisirten Doppelvcrbindungen.
Dieselben sind denjenigen den Aluminiumsulfates ganz analog constituirt (s. Alaun e),
sind ihnen ferner isomorph und krystallisiren wie diese mit 12, beziehungsweise
24 Molekülen Krystallwasser. Ihre allgemeine Formel ist Cr(80,)3M+ 12 ILO,
wobei für M einjreset/.t werden können Kaliuni, Natrium, Lithium, Rubidium,
Caesium und der Ammoniumrest N H,. Im die Analogien, welehe sie mit den
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<H ROM ALAUN. - CHEOMCHLORÜB.
107
entsprechenden Aluminiumverbindungen zeigen, zum Ausdruck zu bringen, werden
sie „Chromalanne" genannt und man bezeichnet durch Hinzufügung des betreffen-
den Namens dasjenige Alkalimetall , welches die Stelle von M in obiger Formel
vertritt, spricht also von Chromkaliumalaun. Chromnatriumalaun, Cbxomammonium-
alann u. s. w. Von allen diesen Verbindungen ist die wichtigste : der C h r o in-
kaliumalaun Cr (SOJj K + 12 H2 0. Man erhält diese Verbindung, wenn man
xu einer Lösung von Kaliumdiehromat in Wasser eine entsprechende Menge
Schwefelsaure zusetzt und alsdann schweflige Säure bis zur vollkommenen Reduction
einleitet. K2 Cra 0, + H2 SO, + 3 S02 = H3 0 + 2 (Cr [80J2 K).
An Stelle von Schwefligsäuregas können auch andere leicht oxydirbare Sub-
stanzen, wie Oxalsäure, Alkohol, treten. Wie die Verhältnisse heute liegen, wird
der Chromalann ausschliesslich als wohlfeiles Nebenproduct der chemischen Techuik
gewonnen. Die grössten Quantitäten liefern die Theerfarbenfabriken, in denen
Chromalaun stets bei Anwendung des bekannten oxydirenden Gemisches von
Kaliumbichronmt und Schwefelsäure — wie es beispielsweise zur Oxydation von
Anthracen in Anthraehinon verwendet wird — sich bildet.
Der Chromalaun krystallisirt aus »einer wässerigen Lösung in Form dunkel-
violetter Octaöder, die sich in etwa 7 Th. Wasser von 15° lösen. Die kalt be-
reitete Lösung hat eine violette Farbe, beim Erhitzen wird tue grün, nimmt aber
nach längerem Stehen die ursprüngliche violette Färbung wieder an.
Chromalaun dient in der Färberei und Druckerei als Beize, ferner in der Ger-
berei und zur Tintenfahrikation. Bei dieser letzteren benutzt man ihn entweder
io bereits fertigem Zustande oder lässt ihn sich — indem man Kaliumbichromat
anwendet — bei der Tintenbereitung erst bilden.
C h r o m n a t r i u m a 1 a u n. Cr (S04 )s Na 4- 12 IL 0 ist in Wasser sehr leicht
löslich uud deshalb schwer in krystallisirtem Zustande zu erhalten. Aus diesem
Grunde kommt seine Verwerthung in der Praxis kaum in Betraeht.
Chromammoniu nialau n , A in m o n i u m c h r o m s u lfa t, (^(SO^NHt +
-f 12 H2 0, kann durch Zusammenkrystallisiren äquivalenter Mengen von Chrom-
snlfat und Ammoniumsulfat oder durch Reduction von Animouiurabichromat wie
der Chromkaliumalaun erhalten werden. Er ist in Wasser weniger löslich als dieser
und krystallisirt in ausgezeichnet schönen dunkelrothen Octaedern. B. Fischer
Chromasie (yz&p.x, Farbe) bezeichnet die durch die chromatische Aberration
(s. Bd. 1, pag. 10) bedingte Färbung der von Linsen entworfenen Bilder.
Pitgch.
Chromate werden die von den Chromsäuren sich ableitenden Salze genannt.
Chromate schlechthin heissen die von der normalen Chromsäure, Cr04IL, sieh ab-
leitenden Salze, z. B. Kaliumchromat Cr04Ks.
Ausserdem kennt man noch Di-, Tri- und Tctraohromate, welche von der Di-,
Tri- und Tetrachromsäure deriviren. B. Fischer.
ChrOfTlbleierZ, auch Krokoit genannt, eines der seltensten Chrom , beziehungs-
weise Bleierze, wird namentlich im Ural gefunden. Zusammensetzung in reinem
Zustande PbCrO«. B. Fischer.
Chromchlorür, Cr Cl3 oder Cr2 Clt ,Chromochlorid, salzsan res Chrom-
oxydul, entsteht durch Auflösen von Chrom iu coucentrirtcr Salzsäure, durch
Glühen von Chrom im Chlorwasserstoffgas, durch Ueberleiten von trockenem sauer-
stoßfreiem Wasserstoffgas über schwach erhitztes violettes Chromchlorid, so lange
noch Chlorwasserstoff entweicht, durch Einwirkuug von Zink und anderen Reductioos-
nüttelti auf Chromchloridlösuug. Iu wasserfreiem Zustande weisse, leicht schmelz-
bare Nadeln, die an der Luft zerfliessen und sich grün färben. Es löst sich in
Wasser unter starker Wärmeentwicklung zu einer blauen Flüssigkeit , die durch
Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft schnell grlln wird , wobei sich Chromoxy-
chlorid, Cr2 0, Cl2, bildet. Das Chromchlorür ist auf Grund seiner leichten Oxydir-
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108
CITROMCOLORÜR. — CHROM I HYDROXYDE.
barkeit ein kräftiget! Reductionsmittel, die wässerige Lösung absorbirt — ähnlich
wie das Eisenchlorflr — reichlich Stickoxydgas und färbt sich dabei braun. Aus
Gold- und Silbersalzen scheidet es die Metalle ab, Kupferoxydsabte reducirt es zu
Kupferoxydulsalzen, Quecksilberoxydsalze zu Quecksilberoxydulsalzen.
Chromeisenstein, Chro meisenerz, Chromerz, Chromit, Eisen-
chrom ist ein in grösseren Massen mit Magneteisenstein, sowie mit Magnesium-
und Thonerdeverbindungen vorkommendes Mineral. Es krystallisirt in der Form
des Octaöders, ist aber in krystallinischem Zustande bisher nur in Barehills bei
Baltimore und auf kleinen Inseln um St. Domingo angetroffen worden. Sonst
kommt es in der Regel derb und — namentlich im Serpentin — eingesprengt vor.
Es ist dunkelschwarz, von halbmetallischem Glänze, unschmelzbar, bisweilen mag-
netisch, Härte = 5.5 — 6.0, Dichte = 4.5. Die chemische Zusammensetzung der
reinen Verbindung entspricht der Formel Cr« 04 Fe, doch ist ein Theil des Chroms
zuweilen durch Aluminium, ein Theil des Eisens durch Magnesium ersetzt. Man
kann den Chromeisenstein seiner empirischen Zusammensetzung nach als eine Ver-
bindung von Chromoxyd mit Eisenoxydul auffassen , ihn systematisch aber auch
zur Classe der Spinellc zählen (s. Aluminate, Bd. I, pag. 272).
Es ist dann ein Spinell, in welchem das dreiwerthige Element durch Chrom,
das zweiwerthige durch Eisen vertreten ist.
0 0
AI Cr
0 „ 0 „
M Fe
0 0
AI Cr
0 0
Allgemeine Formel der Spinelle. Chromeisenstein.
Hauptfundorte des Chromeisensteines sind : Silberberg und Groehau in Schlesien,
Hrubscbitz in Mähren, Roeraas in Norwegen, Schottland auf den Inseln Fetler und
linst, am Ural, in Kleinasien und in Nordamerika. B. Fischer.
Chromgelb, s. Chromsaures Blei, beziehungsweise chromsaure Salze.
ChrOmihydrOXyde. Dem normalen Chromihydroxyd wurde die Formel Cr(OH)s
oder Cra (011% zukommen. Es scheint jedoch, als ob mehrere Modifikationen des
Chromhydroxydes existirten.
n) Gewässertes, beziehungsweise gefälltes Chromhydroxyd.
Versetzt man die Lösung eines von fixem Alkali vollkommen freien Chromoxyd-
salzes in der Siedehitze mit Ammoniak , so erhält man einen grünlich-blauen
Niederschlag, welcher nach dem Trocknen Uber Schwefelsäure die Zusammen-
setzung Cr, (OH)„ + 4 H2 0 zeigt. Derselbe gibt im luftverdünnten Räume
oder beim Erhitzen im Wasserstoffstrome auf 200° 3 Moleküle Wasser
ab und geht in die Verbindung Cr, 03 (OII)3 über , welches bei Rothgluth
unter Feuererscheinung sich iu Chromoxyd Cr2 Os verwandelt, lieber 200° au
der Luft erhitzt, nimmt es Sauerstoff auf und geht in ein schwarzes Pulver
über, welches neben Chromoxyd auch Chromsäure enthält. In frischgefälltem Zu-
stande ist das Chromhydroxyd in Säuren ziemlich leicht löslich, in dem Grade
aber, wie es Wasser verliert, wird es in Säuren immer unlöslicher. Die Verbindung
Cra 02 (Olli, löst sich beispielsweise in kochender verdünnter Salzsäure schon nicht
mehr auf. Frisch gefällt löst es sich ferner in Chromchlorid (es existiren hier
analoge Verhältnisse wie beim Eisenhydroxyd} und auch in kalter Natronlauge
auf. Aus der letzteren Lösung wird es durch Erhitzen in unlöslicher Form wieder
abgeschieden.
b) Lösliches Ch romh ydr oxyd. Durch Auflösen von frisch gefälltem
Ghromhydroxyd in wässerigem ChroniehWid wird eine tiefgrüne Lösung erhalten,
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CHROMIHYDROXYDE. - CHROMITE. 109
welche nach 30tägiger Dialyse 4.3 Th. Salzsäure auf 95.7 Chromoxyd enthält
(Graham). Man betrachtet dieselbe als eine wässerige Chromhydroxydlösung, in-
dessen dürften hier ähnliche Verhältnisse wie beim Eiseuoxycblorid statthaben.
c) Guignet's Grün, Cr20(0H)o ebenfalls ein Hydroxyd des Chroms, wird
erhalten, indem man 1 Th. Kaliumdichromat und 3 Th. krystallinische Borsäure
in feingepulvertem Zustande langsam und vorsichtig bis zur Rothgluth erhitzt. Die
Masse bläht sich auf und färbt sich dunkelgrün. Sie wird mit siedendem Wasser
ausgelaugt uud alsdann der unlösliche grüne Rückstand fein gemahlen. Guignet's
Grün ist ein lebhaft grünes Pulver, welches als Oelfarbe und als Druckfarbe im
Kattundruck , ferner zum Färben des Papieres ausgedehnte Verwendung findet.
Mit PicrinBäure gemischt, dient es als ungiftiger Ersatz des giftigen Schweinfurter
Grüns (NaturgrUn).
Wird frisch gefälltes Chromh)rdroxyd längere Zeit mit starkem Ammoniak digerirt,
so bildet sich ein dunkelblaues Pulver von der Zusammensetzung Cra 02 (ONH4)2,
das sich in Salzsäure mit rubinrother Farbe löst. Aus einer solchen Lösung kry-
stallisirt R o s e o c h r o m c h 1 o r i d , Cr2 Cl6 (XHj)< + 2 Ha 0 , welches sich mit
mehr Ammoniak zu einem in Wasser mit violetter Farbe löslichen Körper ver-
bindet. Auf Grund dieser Thatsachen wurde früher angenommen, dass eine im
Ammoniak lösliche Modifikation des Chromhydroxydes existire. eine Ansicht, welche
zur Zeit in der oben angegebenen Weise ihre Aufklärung gefunden hat. B. Fischer.
ChrOITlitS. Das Zinkhydroxyd und das Aluminiumhydroxyd verhalten sich
starken Basen gegenüber wie schwache Säuren, d. h. sie lösen sich in starken
Basen, z. B. in Kalihydrat, Natronhydrat auf und gehen dabei salzartige Verbin-
dungen ein, in denen Zinkhydroxyd wie Aluminiumhydroxyd die Rolle von Säuren
spielen. Die entsprechenden Verbindungen des Aluminiunis werden bekanntlich
Aluminate (s. d.) genannt.
/O H HO Na /ONa
AI— OH + HO Na = 3HsO + AI- ONa
N.IH JIONa ^ONa
Aluminium- Natron- Natrium-
hydroxyd hydrat alumiuat
Ein ganz ähnliches Verhalten zeigt nun das Chromhydroxyd. Versetzt man eine
Chromoxyd- (Chromi-j Salzlösung mit Natronhydrat, so erhält man zunächst einen
grünen Niederschlag von Chromhydroxyd, welcher sich in einem Ueberschuss von
Natronlauge zu eiuem Salze verbindet,- in welchem das Chromhydroxyd die Rolle
einer Säure spielt. Solche Verbindungen heissen Chromite.
/ Cl Na OH /OH
Cr Cl + Na;OH = 3 Na Cl -f Cr OH
^ Cl Na OH "^OH
Chromchlorid Natronbydrat Chromihydroxyd
^OH HO Na /ONa
Cr OH + HO Na = 3H.,0 + Cr 0 Na
^0 H HO Na "~0 Na
Chromihydroxyd Natriumchromit
Die meisten „Chromite" leiten sich indessen nicht von dem uormalen Chromi-
hydroxyd her, sondern von einer wasserarmeren Verbindung, dem Ch ro m i me t a-
bydroxyd, CrOaH.
/OH 0
Cr qU = H.,0 + Cr
^0 H OH.
Dieses verbindet sich mit einer gewissen Vorliebe besonders mit zwei werthigen
Metallen, wobei natürlich 2 Moleküle CrOaH in Action treten müssen. Es ent-
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110 CHBOMITE. — CHROMLEIM.
stehen alsdann durch Ersetzung der Wasserstoffatome mit zweiwerthigen Metallen
die wichtigeren Chromite:
0 0 0
Cr Crf Cr
M Zn
OH 0 0
Cr Cr Cr
0 0 0
Allgemeine Chromit- Zinkchromit
formel
Die meisten Chromitc sind unlösliche Verbindungen; dicselbeu sind deswegen
wichtig, weil sie sich bisweilen bei der qualitativen Analyse bilden und dann das
Arbeiten sehr erschweren. Sie entstehen beim Versetzen der Lösungen von Chrom-
oxydsalzen und Zink-, Magnesium-, Mangan- und Nickel-, Kobalt-, Eisensalzen mit
Kali- oder Natronhydrat als Niederschlage, die im Ueberechuss der ätzenden Alka-
lien unlöslich sind, ferner beim Glühen der vermischten Oxyde mit Borsaure.
Natrium chromit, Cr3 0 » Naa , entsteht durch Auflösen von Chromhydroxyd
in kalter Natronlauge. Die klare grüne Lösung scheidet beim Erhitzen Chromhy-
droxyd nahezu quantitativ ab.
Magnesiumchromit, Crs 04 Mg , wird durch Fällen einer Lösung von
Chromoxydsalz und Magncsiumsulfat mit Natriumhydrat erhalten. Unlöslicher grün-
licher Niederschlag.
Zinkchromit, Cr3 0, Zn , entsteht durch Versetzen einer Chromoxyd- und
Zinksulfatlösung mit Natronlauge als unlöslicher Niederschlag. Auch durch Zu-
sammenschmelzen von Chromoxyd mit Zinkoxyd bei Gegenwart vou Borsäure.
Ferro chromit, Cra04Fe, ist die als Chromeisenstein natürlich vorkom-
mende Chromverbindung, welche somit den Chromiten zuzuzählen Ist.
B. Fischer.
Chromkohlenstoff (Cr4C3?) bildet sich wahrscheinlich bei Darstellung des
Chroms, falls überschüssige Kohle angewendet wird. Wurde glänzend und schön
krystallisirt bei Reduclion von chromhaltigem Rutheniumsesquioxydhydrat im Koble-
tiegel erhalten. B. Fischer.
Chromleim. Versetzt man eine Leimlösung mit Kaliumdichromat und unter-
wirft alsdann diese Mischung der Einwirkung des Sonnenlichtes, so wird die
Chromsäure zu Chromoxyd redueirt und zugleich die Leimmasse in Wasser unlös-
lich und unquellbar. Man beuutzt daher solche als „Chroraleim" bezeichnete Coni-
positionen als Kitt und Klebeniaterial, auch für Anstriche überall da, wo es sich
um Undurehdringlichkoit gegen Feuchtigkeit handelt ; also zum Kitten von Licht
durchlassenden Gegenständen, zur Herstellung wasserdichter Gewebe, bei denen
eine gewisse Steifigkeit nicht hinderlich ist (z. B. zum Ueberziehen von Gespinnsten
für Reisekoffer, Stöcke, Peitschen), zum Leimen von Pergamentpapier (für Düten,
Beutel und dialytische Membranen). Die letztere Anwendung hat 1870 — 1871 eine
classische Verwendung gefunden, indem Chromleim damals zum Kleben der für die
Erbswurst bestimmten Pergamenthülsen von Jacobsen vorgeschlagen wurde.
Die Vorschrift zu solchem Chromleim lautet: 10 Th. Leim, 100 Th. Wasser,
2 Th. K al i um bi Chromat. An Stelle des Leimes kann auch Gelatine angewendet
werden. Wichtig für den guten Ausfall der Klebeoperation ist, dass die Ijeira-
lösung frisch bereitet, erst unmittelbar vor dem Gebrauche mit dem Chromsalz
versetzt wird und dass alsdann eine genügende Insolation des betreffenden Gegen-
standes stattfindet. Eine wichtige und ausgedehnte Anweudung findet der Chrom-
leim ferner bei dem Lichtdruck, dem Verfahren, in welchem mit Hilfe der Drucker-
presse Photographien vervielfältigt werden. B. Fischer.
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CHBOMOGENE. - CHBOMOXYCHLORIDE. 111
Chrom Ogene (/jh^x, Farbe und ^vnxuij ich erzeuge) nennt man sowohl im
Pflanzenreiche als im Thierreiche vorkommende farblose Substanzen, welche
beim Kochen mit verdünnten Mineralsauren, auch bei Einwirkung von verdünnten
Alkalien oder in Folge fermentativer Zersetzungen , und zwar in beiden Fällen
nur bei Zutritt von Sauerstoff* oder unter Mitwirkung eines Oxydationsmittels,
entweder ein farbiges Spaltungsproduct liefern oder als Ganzes in einen Farbstoff
Obergehen.
Von den im Pflanzenreiche vorkommenden Chromogenen seien hier das Pflanzen-
indican und das Hämatoxylin erwähnt. Ersteres, von Schenk aus der Isatis
tinctort'a dargestellt , ist eine glycosidartige Substanz , ein hellbrauner Syrup,
welcher beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure in Indigoblau und Indiglncin
zerfällt. Hingegen wird beim Behandeln des Indicans mit Salzsäure im Vacuum
kein Indigblau abgeschieden , fügt man aber zur Salzsäure Eisenchlorid , so geht
die Bildung von Indigblau auch im Vacuum vor sich. Zur Gewinnung des Indigos
im Grossen Uberlässt man die Stengel und Blätter der verschiedenen subtropischen
und tropischen lndigofera Arten mit Wasser Übergossen der Gährung. Während
der Bildung des Indigos aus dem Indican eine Spaltung des Moleküls vorangeht,
findet bei der Bildung des dunkelgrünen Hämateius aus den farblosen Hämatoxylin-
krystallen nur Austritt von 2 Atomen Wasserstoff aus dem Molekül statt. Es
zeigen nämlich die aus dem Blauholzextract leicht darstellbaren farblosen Häma-
toxvlinkrystalle die Zusammensetzung C,„ Hn 0,,. Die farblose wässerige Lösung
dieser Krystalle wird durch Spuren von Alkalien bei Zutritt der Luft veilchen-
blau, dann pnrpurroth und braun, hierbei wird Hämatcin gebildet, welches ge-
trocknet aus metallglänzenden dunkelgrünen Blättcheu von der Zusammensetzung
Ci« Hu Oc besteht. Das Chromogen der meisten Orseillcfarbstoffe nnd auch des
au» Lemnora tartnrm bereiteten Lackmusfarbstoffes bildet Orcin (s. d.) und
Derivate desselben.
Viel weniger als die im Pflanzenreich vorkommenden Chromogene sind die im
Tbierkörper auftretenden bekannt. Aus der Beobachtung, dass der normale Harn
bei längerem Stehen an der Luft eine dunklere Färbung annimmt , wird auf das
^ orkommen eines bisher noch nicht isolirteu Chromogens in demselben geschlossen.
Als Chromogen des Harnindigos wurde von E. Baumann die Indoxylschwefel-
**ure erkannt. Von grosser Wichtigkeit ist auch da« Auftreten eines Chromogens
im Harne von Kranken mit raelanotischem Carcinoui. Beim Stehen an der Luft
oder durch oxydironde Agentien — Salpetersäure, wässerige Lösung von Chrom-
"<iure, beziehungsweise von Kaliunibichromat und verdünnter Schwefelsäure geht
dieses Chromogen in einen schwarzen Farbstoff — Melanin — über, demgemäss
wird in solchen Fällen der mit normaler Färbung entleerte Harn nach kurzem
Stehen an der Luft von oben her schwarz gefärbt erscheinen. Diese Dunkelfärbung
des Harnes ist von derjenigen zu unterscheiden, welche manchmal nach inner-
licher oder äusserlicher Anwendung von Phenolen — namentlich von Carbolsäure
nnd Resorcin — auftritt. Loe bisch.
Chromograph, s. Copirapparate.
Chromophore sind in organischen Verbindungen die Gruppen N0lt N2, 02
genannt worden, weil sie es häufig sind , welche die Verbindungen, in denen sie
enthalten sind, zu Chromogenen machen, die durch Einführung von OH oder
NHj Farbstoffe bilden.
Chromorange heissen Gemenge von basisch-chromsaurera Blei mit Bleichromat,
welche als Malerfarbe verwendet werdeu. — S. chromsaures Blei.
B. Fischer.
ChrOmOXVChlOride. Beim Erhitzen von gewässertem grünem Chromchlorid auf
120° bleibt ein zerfliesslicher blassrother Rückstand, der sich in Wasser völlig löst
nnd nach 8chiff die Zusammensetzung Cra Cl5 (OH). 4 H20 besitzt. — Wurde das
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112
L'HROMOXYCHLORl J>E. — CHROMOXYDSALZE.
Chromchlorid dagegen auf 150° erhitzt, so hinterbleibt ein graurothes Pulver, dessen
wässerige Lösung beim Abdunsten einen rothen, der Formel Cr2 Clj (0 H)2 . 2 H2 0
entsprechenden Rückstand hinterlässt. Durch Erwärmen vou grüner Chromchlorid-
lösung mit Chromhydroxyd und Eindampfen der Lösung wird eine grüne Ver-
bindung Cr2Cla(OH)4 erhalten. B. Fischer.
Chromoxyd, Chromioxyd, Cbromsesquioxyd, Cra Os , bildet sich in
wasserfreiem Zustande beim Glühen der höheren Oxyde des Chroms an der Luft,
beim Glühen der dichromsauren Alkalien im WassersttfFstrom , durch Reduction
der Chromsflure, durch starkes Glühen von Chromchlorid, durch Erhitzen vou
Chromoxydhydrat. Je nach der Bereitungsweise kann es in amorphem oder in
krvstallisirtem Zustande erhalten werden.
a) Amorphes Chromoxyd. Darstellung. I. Durch Glühen von chroni-
saurem Quecksilberoxydul. 2. Durch Erhitzen von chromsaurem oder dichromsaurem
Ammonium Cr2 07 (N H4)a = 4 H2 0 -f + Cra03. 3. Durch Glühen von chrom-
saurem Kali mit Schwefel und Auslaugen des Gltthproductes mit Wasser. 4. Durch
Glühen von Kaliumchromat mit Salmiak. ö. Durch Glühen von Kaliumdicbromat
mit Stärke. 6. Durch Erhitzen von Chromihydroxyd. Das letztere Verfahren wird
in der Technik znr Gewinnung des Chromoxydes benutzt. Dabei hat man es in
der Hand, durch Innehaltung geeigneter Temperaturen verschiedene Farbennuancen
zu erzielen. — Das amorphe Chromoxyd bildet ein grünes Pulver, welches, falls
es stark geglüht wurde, in Säuren und ätzenden Alkalien fast unlöslich ist. Um
es, beispielsweise zu analytischen Zwecken, in Lösung zu bringen, muss es mit
concentrirter Schwefelsflure längere Zeit erhitzt oder mit saurem Kaliumsulfat
zusammengeschmolzen werden. Durch Zusammenschmelzen mit Kaliumbisulfat ent-
steht lösliches Cbromkaliumsulfat, durch Schmelzen mit Soda nnd Salpeter lösliche
Chromate etc. In der Glühhitze ist es durchaus beständig, im Knallgasgebläse dagegen
schmilzt es und erstarrt alsdann zu einer fast schwarzen krystallmischen Masse.
Technische Verwendung findet das amorphe Chromoxyd als ungiftige grüne
Farbe: das bei niederer Temperatur geglühte ist dunkelgrün, das höheren Hitze-
graden ausgesetzt gewesene mehr hellgrün. Auf Grund seiner Eigenschaft , Glas-
flüssen eine schöne grüne Färbung zu ertheilen , wird es in der Glasfabrikation,
besonders aber in der Porzellanmalerei verwendet.
b) Krystallisirtes Chromoxyd wird erhalten durch Zersetzen des Chrom-
oxychlorides, Cr02Cl2, in starker Glühhitze, ferner verwandelt sich das amorphe
Oxyd in das krystallisirte durch Schmelzen im Gebläsefeuer , durch Erhitzen im
Sauerstoftstrom und durch anhaltendes heftiges Erhitzen mit kohlensaurem Kalk
und geschmolzener Borsäure. — Es bildet hexagonale metallglflnzende schwarze
Krystalle, welche so hart sind, dass sie Quarz und Topas ritzen. Ihr speeifisches
Gewicht beträgt 5.21. B. Fischer.
Chromoxydsalze, Chromisalze, sind diejenigen vom Chromoxvd derivirenden
Verbindungen, in denen das Chromoxyd die Holle einer Base spielt. Dieselben
krystallisiren meist gut , sind in Wasser ziemlich löslich und kommen meist in
zwei Modificationeu vor, welche sich nicht chemisch, wohl aber physikalisch
von einander unterscheiden. Coneentrirte Lösungen der einen Modification sind violett,
die der anderen Modification grün gefärbt. Krystallisirte Verbindungen liefert nur
die. violette Modification. Violette Lösungen werden beim Erwärmen auf 100° mehr
oder weniger leicht grün, während grüne Lösungen bei längerem Stehen allmälig
wieder in violette übergehen. Beim Verdampfen geben die Lösungen der grünen
Modificationeu amorphe Massen.
Von den Chromsänreverbindungen unterscheiden sich die Chromoxydverbindungen
dadurch, dass sie keine oxydirenden Eigenschaften besitzen. Die wässerigen Lösungen
werden durch Zusatz vou Ammoniak unter Ausscheidung von graugrünem Chrom-
hydroxyd getrübt , welches in überschüssigein Ammoniak etwas löslich ist. Zur
quantitativen Bestimmung des Cbromoxydes fällt man daher die wässerige Lösung in
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CH ROMOXYDSALZE.
113
der Siedehitze mit Ammoniak, verjagt den Ueberschuss des letzteren durch längeres
Kochen, sammelt das Chromoxyd durch Filtrirung, wäscht mit heisseiu Wasser
aus und führt es nach dem Trocknen durch Glühen in Chromoxyd über. Sind in
der Flüssigkeit fixe Alkalien anwesend, so lassen sieh diese durch Auswaschen nie
ganx beseitige^, die Resultate fallen alsdann etwas zu hoch ans.
Durch geeignete Oxydationsmittel kann man die Verbindungen des Chromoxydes
sowohl in wässeriger Lösung als auch auf trockenem Wege (durch Schmelzung)
in Verbindungen der Chrorasäurereihe überführen. In wässeriger, freies Alkali
enthaltender Lösuug wirken oxydirend : Uebermangansaures Alkali, Bleibyperoxyd,
Manganhyperoxyd, Chlorkalk, besonders aher Brom ; ein Gemenge von chlorsaurem
Kali und Salpetersäure oxydirt selbst scharf geglühtes Chromoxyd zu Chromsäure.
Salpetersaures Chromoxyd wird durch salpetersaures Ceroxyd sofort in Chromsäure
verwandelt.
Schmilzt man Chromoxyd oder Chromoxydsalzc mit ätzenden oder kohlensauren
Alkalien, auch mit Erdalkalien an der Luft .zusammen, so absorbirt die Schmelze
Sauerstoff aus der Luft, daB Chromoxyd geht in Chromsäure Uber, welche selbst-
verständlich bei dem Ueberschuss an Alkali als chromsaures Alkali vorhanden ist.
Sehr schnell kann man diese Ueberführung bewerkstelligen, wenn man der Schmelze
leicht Sauerstoff abgebende Substanzen, wie Salpeter, chlorsaures Kali zufügt.
Chromisulfat, Chromsulfat, schwefelsaures Chromoxyd, Cr,(S04)8.
a) Blaues oder violettes. Man mischt gleiche Theile conceutrirter Schwefel-
säure und Chromhydroxyd, welches bei 100° getrocknet wurde und lttsst die
Mischung einige Zeit stehen. Die anfänglich grüne Lösung wird allmälig blau und
erstarrt nach einigen Wochen zu einer grünblauen Krystallmasse ; man löst diese
in Wasser und setzt zur concentrirteu Lösung Alkohol, welcher ein blassviolettes
Krystallpulver ausfällt, während die überschüssige Säure und die grüne Modifi-
cation in Lösung bleiben. Man löst nun das Krystallpulver in Wasser, fügt so
viel Alkohol zu, dass die Flüssigkeit eben noch klar bleibt und überlässt sie sich
selbst in einem mit Blase tectirten Gefäss. Indem nun die Flüssigkeit durch Ver-
dunstung von Wasser alkoholreicher wird, scheiden sich hübsche rothviolette
Oetaöder der Zusammensetzung Cr3 (SO,)3 -f 15 Ha 0 ab. Dieselben lösen sich
etwa im gleichen Gewichte Wasser auf.
b) Grünes Chromisulfat entsteht durch Auflösen von Chromihydroxyd in cou-
centrirter Schwefelsäure unter Erhitzen ; ferner durch Erhitzen der violetten Modifi-
cation auf 100°, die letztere schmilzt dabei zu einer grünen Flüssigkeit, die später
ein grünes Gummi bildet, welches 5 — 6 Mol. Wasser enthält. Die Lösung der
grünen Modifikation liefert weder beim Abdampfen, noch beim Versetzen mit Alkohol
Krystalle.
c) Rothes unlösliches Chromisulfat. Erhitzt man Chromihydroxyd mit
Vitriolöl bis zum anfangenden Verdampfen der Schwefelsäure, so wird es auf einmal
blass pfirsichblüthenroth. Wird leicht durch schmelzendes oder kochendes Kali- oder
Natronhydrat zerlegt, sehr langsam und unvollständig von kohlensaurem Alkali.
In Wasser, Salzsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure, Königswasser ist es unlöslich.
Das Chromisulfat bildet mit den Sulfaten der Alkalien Doppelverbindungen,
welche denen des Aluminiumsulfates entsprechen und daher Chromalaune ge-
nannt werden. — 8. Chromalaun.
ChrominHrat, salpetersaures Chromoxyd, Cr„(N03)Ä + 18 H2 0. Wird
durch Auflösen von Chromihydroxyd iu Salpetersäure erhalten. Die Lösung ist im
auffallenden Lichte blau , im durchfallenden roth und krystallisirt bei Zusatz von
viel conceutrirter Salpetersäure bei guter Abkühlung in schief rhombischen; purpur-
farbenen Prismen.
Chromiphosphat , Chromphosphat, phosphorsaures Chromoxyd,
Cr, (POJj, wird durch Zusatz von Dinatriumphospbat zu Chromchloridlösung als
grüner, beim Trocknen dunkelblau werdender Niederschlag erhalten. Durch Zusatz
von Dinatriumphoflphat zu einer Chromalaunlösung entsteht ein dunkel violettes
Real-Encyclopftdie der ge«. Pharmacie. III.
s
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114 CHROMOXYDSALZE. — CHROMOXYDULHYDRAT.
Phosphat, Or,(P04)a 4- 12HsO, durch Auflösen von Chromihydroxyd in Phosphor-
säure, Eindampfen und Erhitzen aut Ober 300*» grünes unlösliches Chromimeta-
phosphat, Cr2 (P 03 )6 .
Chromfluorid, Chroniifluorid, And erthalbfluorchrom, Cr2FL,, wird
in wasserfreiem Zustande durch Behandeln von trockenem, nicht geglühtem Chrom-
oxyd mit überschüssiger Fluorwasserstoffsäure und starkes Erhitzen der getrock-
neten Masse erhalten. — Dunkelgrün, sublimirt nur bei den höchsten Temperaturen
in glänzenden Octaedern. Durch Auflösung von Chromihydroxyd in wasseriger
Fluorwasserstoffsäure resultirt eine dunkelgrüne Lösung von Chromfluorid.
ChromichloHd , Chromchlorid, Anderthalbchlorchrom, Cr2Cl«;
a) Wasserfreies bildet sich beim Erhitzen von Chrom im Chloratrom, auch
beim Ueberleiten von trockenem Chlorgas über ein erhitztes inniges Gemenge von
Chromoxyd mit Kohle. Es bildet violette, glänzende Plättchen, die auf der Haut
wie Tale, venet. verreibbar und bei heftiger Glühhitze im Chlorstrom flüchtig
sind. In kaltem, ebenso in heissero Wasser ist es unlöslich; wird es dagegen im
geschlossenen Rohr mit Wasser auf 150 — 200° erhitzt, so entsteht eine grüne
Lösung. In verdünnten Alkalien ist es unlöslich, coneentrirte Alkalilösungen
wirken gleichfalls nur wenig ein. Rochende Salzsäure, Salpetersäure oder Salpeter-
salzsäure (Königswasser) sind gleichfalls ohne Einwirkung. Heisse coneentrirte
Schwefelsäure bewirkt Entwickelung von Chlorwasserstoff und hinterlässt eine grüne,
mit Wasser mischbare Flüssigkeit. — Bei Gegenwart von Chromchlorür , dessen
Menge nur 1 40000 vom Chlorid zu betragen braucht, löst es sich iu Wasser zu
einer grünen Flüssigkeit. Aehnlich wie Chromchlorür wirken Zinnchlorür und
Kupferchlorür.
b) Gewässertes, ac) Violettes. Ist nur in wässeriger Lösung bekannt.
Man erhält die letztere durch Umsetzen von violettem Chromsulfat mit Baryum-
chlorid. Durch einfaches Erhitzen geht die violette Lösung in grün über.
ß) Grünes. Entsteht durch Auflösen von Chromchlorid iu Wasser bei Gegen-
wart von Chromehlorür (s. vorher), durch Auflösen des Chromhydroxydes in
Salzsäure, durch Keduction salzsaurer Chromsäurelösungeu mit Alkohol, durch
Erhitzen von Chromsäureanhydrid mit Salzsäure 2 Cr03 4 12HC1 = 6H30 4
6 Cl 4 Cr2CL,. Die grüne Lösung gibt beim vorsichtigen Abdunsten ein in grünen
Nadeln krystallisirendes, hygroskopisches Hydrat, Cra Cl« 4- 12H..O, welches beim
Erwärmen unterhalb 100° in das gleichfalls grüne Hydrat Cra CIa + 6H40 über-
geht. Werden die grünen Hydrate im Chlor- oder Salzsäurestrom auf über 250°
erhitzt , so spalten sie Wasser ab und sublimiren als violettes wasserfreies Chrom-
ehlorid. Die Losungen des grünen Chromchlorides sind nur in auffallendem Lichte
grün, in durchfallendem Lichte erscheinen sie roth. Wässerige oder salzsaure
Lösungen von Chromchlorid (Auflösungen von Chromhydroxyd in Salzsäure) scheiden
beim Eindampfen unlösliche basische Chloride ab. B. Fischer.
Chromoxydul, Chrommonoxyd. <>
0 oder Cr3 Oa, ist in wasserfreiem Zu-
stande bisher nicht bekannt. Nach Mobeeo soll es im Chromeisenstein enthalten sein.
Chromoxydulhydrat, Chromohydroxyd, chromhydroxydui,cr (oh),
oder Cr« (OH),, wird aus einer Lösung von Chromchlorür in luftfreiem Wasser
durch frisch ausgekochte Kalilauge als gelber Niederschlag gefällt, der nach dem
Trocknen im Wasserstoff- oder Kohlensäurestrom ein dunkelbraunes Pulver dar-
stellt. An trockener Luft ist es beständig, beim Glühen zerfällt es in Wasser,
Wasserstoff und Chromoxyd. Cr, (OH)» = H* 0 4 Hs 4- Crs 03.
In verdünnten Säuren ist es fast gar nicht, in concentrirten auch nur wenig lös-
lich. Die Lösungen sind durch beigemengtes Chromoxydsalz stets grün gefärbt.
Die Salze des Chromoxyduls, welche beiläufig raeist unlöslich sind,
werden in der Weise dargestellt, dass man eiue Lösung von Chromehlorür mit den
Kali- oder Natronsalzen der entsprechenden Säuren versetzt und die entstandenen
Niederschläge auswäscht; alle Operationen haben, um einer Oxydatiou durch den
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CHROMOXYDULHYDRAT. — CHROMSÄURE. 115
Luftsauerstoff vorzubeugen, unter mißlichstem Ausschluss von Luft vor sich zu
gehen. Die Salze sind meist roth, seltener blau gefärbt, lösen sich mit Ausnahme
des Chromchlorürs wenig in kaltem Wasser. In heissem Wasser sind sie entweder
etwas löslicher oder sie werden durch dasselbe zersetzt. B. Fischer.
ChrOITlOXydulOXyd, Cr3 0< (dem Magneteisenstein und dem Hausmannit ent-
sprechend) wird durch Elektrolyse einer chromchlorid haltigen Chromchlorlirlösung
mittelst eines schwachen Stromes als dunkelschwarzes, amorphes Pulver erhalten,
das beim Erhitzen an der Luft zu grünem Chromoxyd verglimmt. Ist in Säuren
unlöslich.
Das Hydrat, Cr3 04 . H.2 0, entsteht als tief rostbrauner Niederschlag, wenn man
eine Lösung von Chromchlorür bei unvollständigem Luftabschluss mit Kalilauge
versetzt. Es ist in Säuren gleichfalls nur wenig löslich. B. Fischer.
ChromOXydulsalze. Dieselben sind sehr unbeständig und gehen schon durch
Oxydation an der Luft in Chromoxydsalze Aber. Unter denselben sind als die
wichtigsten folgende anzusehen:
Chromosulfit, CrS03 oder Cr3(SÜ3)3, schwefligsaures Chromoxydul,
durch Umsetzen von Chromchlorür mit schwefligsaurem Kalium zu erhalten. Ziegel-
rother Niederschlag, der sich an der Luft bald zu bläulich-grünem basisch-sehweflig-
saurem Chromoxyd oxydirt.
Cbromosulfat, Cr SO, oder Cra(SO,) 3, schwefelsaures Chromoxydul,
ist nur in Lösung bekannt. Man erhält dieselbe durch Auflösen von metallischem
Chrom in verdünnter Schwefelsäure. Die mit Ammoniak und Salmiak versetzte
blaue Lösung absorbirt nicht blos Sauerstoff und Stickoxyd, sondern auch Acetylen.
Bei Absorption des letzteren Gases entfärbt sie sich; nach einiger Zeit färbt sie
sich wieder unter Aethylenentwiokelung.
Chromophosphat, Cr8(P04)i, phosphorsaures Chromoxydul, durch
Wechselwirkung von Chrornchlorid mit Natriumphosphat entstanden, ist ein blauer
Niederschlag der sich an der Luft — unter Sauerstoffaufnahme — grün färbt.
Chromocarbonat, Cr CO,, kohlensauresChromoxydul, wird durch Fällen
einer Cbromchlorürlösung mit Kaliumcarbonat erhalten. In der Kälte erzeugt, ist
der Niederschlag gelb bis grünlich, bei höherer Temperatur fällt es rothbraun aus.
Chromor yanid, Cr(CN)3 oder Cra (CN)M eyanwasserstoffsaures Chromoxydul, durch
Fällen ans ChromcblorUrlösung mit Cyankalium erhalten. Weisser Niederschlag, im
Ueberschuss von Cyankalium unlöslich, oxydirt sich an der Luft sehr leicht unter
Grünfärbung.
Chromoacetat, Cr (CH3 C00)2 + H3 0, essigsauresChromoxydul, scheidet
sich aus Cbromchlorürlösung auf Zusatz von Natriumacetat als krystaUinischer
rotber Niederschlag ab. Dasselbe absorbirt Sauerstoff so rasch, dass oft Entzün-
dung eintritt. 3. Finch er.
Chromphosphor, Chrom phosphid, Cr3 P._., bildet sich, wenn man Phosphor-
wasserstoffgas über erhitztes Chromchlorid leitet. Cr2 CL, + 2 PH3 = Cr3 Pa 4- 6 HCl.
Desgleichen, wenn man über glühendes normales (gelbes) Kaliumchromat
Phosphordämpfe leitet oder phosphorsaures Chromoxyd im Kohlentiegel im fie-
bläsefeuer erhitzt. Ein fein krystallinisches, metallgnänzcndes Pulver, welches sehr
schwer schmelzbar ist. B. Fischer.
Chromroth, s. chromsaure Salze, beziehungsweise chromsaures Blei.
Chromsäure, Chromsäureanhydrid, Chromtrioxyd, Cr03. Für die
Darstellung dieser Verbindung existiren eine ganze Reihe von Vorschriften. So
de*tillirte Unverdorben Bleichmmat mit Flunsspat und concentrirter Schwefel-
säure und zersetzte das gebildete, flüchtige Chromfluorid, CrFI^, mit Wasser. Thomsrn
erhielt es durch Zersetzen von Silberchromat mit Salzsäure. Die praktische
Darstellung erfolgt in der Weise, das« man Kaliumbichromat mit concentrirter
Schwefelsäure oder mit Salpetersäure zersetzt.
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I
115 CHROM SÄURE. — CHROMSÄUREHYDRAT.
I. Man löst 2Th. Kaliunfbiehromicum unter Erwärmen in 7 Th. con-
centrirter Schwefelsäure und 5 Th. Wasser, läset die Flüssigkeit einen
Tag über stehen und giesst sie alsdann von den ausgeschiedenen Kaliumbisulfat-
krystalleu ab. Hierauf setzt man zur klaren Flüssigkeit nochmals 8 Th. concen-
trirter Schwefelsäure und sammelt nach Verlauf einiger Stunden die ausgeschie-
denen Krystalle von Chromsäureanhydrid. Dies geschieht am besten auf einer mit
der Wassert uftpumpe in Verbindung stehenden Bimsteinplatte , auf welcher man
die von der Mutterlauge durch Absaugen befreiten Krystalle mit kleineu Mengen
farbloser Salpetersäure nach und nach auswaschen kann bis die Schwefelsäure
vollkommen entfernt ist. Durch Erwärmen auf 70° kann man später die Salpeter-
säure beseitigen.
II. 10 Th. Baryumchroniat werden mit 10 Th. Wasser und 14 Th.
Salpetersäure von 1.3S spee. Gew. angerieben und unter Zusatz von 20 Th.
Wasser zum Sieden erhitzt. Während des Erkaltens scheidet sich der grösste
Theil des gebildeten Baryumnitrates ab. Die abgegossene Flüssigkeit liefert beim
Eindampfen zuerst noch etwas Barynnmitrat , dann mit kleinen Mengeu Baryum-
nitrat verunreinigte Cbromsäure.
III. Neuerdings ist empfohlen worden, die Chromsäure durch Zerlegen von
Strontium Chromat mittelst Schwefelsäure darzustellen, doch fehlen hier-
über noch praktische Erfahrungen.
Das Chromsäureanhydrid bildet in reinem Zustande schön rothe stahlglänzende
rhombische Prismen, die nur weuig hygroskopisch sind. Dunkelgefärbte Präparate
sind meist weniger rein . hygroskopische Präparate durch Schwefelsäure verun-
reinigt. Es löst sich in weniger als dem gleichen Gewicht kalten Wassers auf;
auch in Eisessig ist es leicht löslich. Die meisten anderen organischen Lösungsmittel
dagegen, wie Alkohol, Aether u. s. w., kommen für Chromsäure nicht in Betracht,
da dieselbe ungemein heftig oxydirend auf dieselben einwirkt. Es schmilzt bei 190°
und erstarrt beim Erkalten krystallinisch. Bei 250° zerfällt es in grünes Chrora-
oxyd und Sauerstoff. 2 Cr Os = Cr, 03 + 3 0.
Von concentrirter Schwefelsäure und Salpetersäure wird es reichlich gelöst. Die
Lösungen entwickeln beim Erwärmen Sauerstoff, indem sie zu Chromoxydsalzen
reducirt werden. Die gleiche Reduction der Chromsäure zu Verbindungen der Chrom-
oxydreihe geschieht in wässeriger Lösung durch Einwirkung solcher Verbindungen,
welche leicht Sauerstoff aufnehmen , z. B. Schwefelwasserstoff, Eisenoxydulsalze,
schweflige Säure, Alkohol, Zucker, Oxalsäure, Papier etc.
Erfolgt die Reduction bei Gegenwart von Säuren, so verbinden sich diese zu
entsprechenden Chromoxydsalzen.
Bei Abwesenheit von Säuren scheiden sich sogenannte Chromsuperoxyde als
dunkle Niederschläge ab.
Die wässerige Auflösung des < 'hroinsäureanhydrides enthält wahrscheinlich das
Chromsflurehydrat, CrC\ H2, doch ist es bisher nicht gelungen, diese Ver-
bindung zu isoliren. Chromsäureanhydridlösungen geben beim Eindampfen wieder
Chromsfl ureanhy drid .
R e a c t i o n für C h r o m s ii u r e. Versetzt man die wässerige Lösung von
Chromsäure oder eiues löslichen Chromates mit verdünnter Schwefelsäure und
Wasserstoffsuperoxyd und schüttelt die Flüssigkeit sofort mit Aether aus, so färbt
sich der letztere schön blau. Die Blaufärbung wird auf Bildung von Ueber-
chroinsflureanhydrid, Cr, 07 oder Cr 04, zurückgeführt, doch ist auch diese
Verbindung noch nicht isoürt worden. Molssau hält den blauen Körper für eine
Verbindung von Chromsflure mit Wasserstoffsuperoxyd, Cr Os . H, 02.
B. Fischer.
Chromsäurehydrat, cm, Ha. ist als soi ches noch nicht isolirt worden.
wahrscheinlich aber in einer wiisserigen Auflösung von Chromsäureanhydrid ent-
halten. B. Fischer.
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CHROMSAURE SALZE. 117
ChrOmSaure Salze. Jene krystallisirte Verbindung, welche gemeiniglich
Chrom säure genannt wird, ist keine Säure, vielmehr ihrer Formel OO^ ent-
sprechend ein Säureanhydrid, nämlich „Chrorasäureanbydrid".
Das diesem letzteren entsprechende Chrom sä urehy drat, CrO, H,. ist als
Rolehes nicht bekannt, da es bei allen Versuchen, es abzuscheiden, in da* Anhydrid
und in Wasser zerfällt. Dagegen existiren eine Reihe von Salzen, welche sieh von
diesem Hydrat ableiten; sie werden Chro mate schlechthin oder normale oder
neutrale Chromate genannt. Ihre allgemeine Formel ist. wenn M ein ein-
wert h ige s Metall bedeutet, CrO, M3.
Cr 04 Ha ( r 0, M,
Hypothetische Chronisäure Chromsaures Metall.
Diese Salze wären nach unseren heutigen Anschauungen als secundäre
oder neutrale zu betrachten. Sie reagiren in wässeriger Lösung schwach
alkalisch. Hemerkenswerth ist jedoch. dass sieh primäre oder saure Salze
von der normalen Chromsäure, Cr 0 , H, . nicht ableiten, dass die secundäreu
Chromate dagegen unter günstigon Hcdingungen basische Chromate zu bilden
im Staude sind.
Ausser diesen normalen Chromaten kennt man noch chromsaure Salz«', welche
früher als die sauren Salze der normalen Chromsäurc galten und demgemäß
benannt wurden, welcho indessen nach der heutigen Auflassung als die neutralen
Salze mehrerer Polychromsäuren zu betrachteu sind , welche Analogien mit der
Schwefelsäure und den Kieselsäuren aufweisen. Diese Polychromsäuren sind in
freiem Zustande gleichfalls nicht bekannt, bilden ausschliesslich secundäre (neu-
trale) Salze, welche in wässeriger Lösuug sauer reagiren. Die Säuren selbst kauu
man sich entstanden denken durch Addition von Chromsäureanhydrid zum normaleu
Chromsäurehydrat, und zwar in nachstehender Weise:
Cr (^H, Cr 0, H2 Cr 04 II,
4- Cr Os_ + Cr 0, Cr 03
Cr,0;H, CrCV ^r0»
Dichromsäure oder Pyro- 0,0,0^ 0r Oa
ehromsäure Trichromsäure Cr4013 H2
Die Lösungen sämmtlicher polychromsaurer Salze verhalten sich praktisch etwa
wie Mischungen von normalen chromsaureu Salzen mit mehr oder weniger freier
Chromaäure ; durch Einwirkung von Alkalien werden sie auch leicht in normale
Chromate Ubergeführt. ♦
Chrom8aures Ammonium, Ammoniumchromat (normales), Ammonium chro-
micmti. CrO, (XH4)3, wird durch Verduusten aus mit überschüssigem Ammoniak ver-
setzter < 'hromsäurelösung als citronengelbe , alkalisch reagirende , salzig-stechend
schmeckende , luftbeständige , leicht lösliche Nadeln erhalten, gibt an der Luft
Ammoniak ab und geht an der Luft raxch erhitzt, unter Feuererscheinung in
grünes Chromoxyd über.
Ammoniumdichromat , saures chromsaures Ammouium, Ammonium hichro-
mtcum, Cr, 07 (NH,)^, bildet sich durch Eindampfen einer Chromsäurelösung, die zur
Hälfte mit Ammoniak gesättigt ist. Morgeurothe Krystalle des monoklinen Systemes,
zersetzen sich beim raschen Erhitzen unter Feuererscheinung in Stickstoff, Wasser
nnd Chromoxyd , welches letztere unter starkem Aufblähen das Aussehen von
grünem Thee annimmt.
Ammoniumtrichromat , Cr, Ol0 NH,),, kryrtallisirt aus einer Lösung des
Ammoniumdichromates in Salpetersäure; dunkelgrauatrothe Säulen, die beim Er-
hitzen sehr heftig verpuffen.
Chromsaures Natrium , N a t r i u m c h r o m a t , Natrium chromicum,
CrO, Na. + 10 H, 0. Zur Darstellung glüht man gepulverten Chromeisenstein mit
Natriumnitrat oder neutralisirt Chromsäurelösung mit Natriumcarbonat. Citronen-
gelbe — dem Glaubersalz isomorphe — Prismen, die schon bei 20 — "J 1 0 schmelzen.
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118 CHROMSAURE SALZE.
Die wslseerige Lösung reagirt alkalisch und scheidet schon beim Erhitzen an
30° wasserfreies Salz ab. ,
Natriumdi Chromat , saures chromsaures Natrium, pyrochromsanres Natrium,
Natrium bichromicum. Cr« 07 Na2 + 2 H2 0, wird dargestellt durch Vermischen
einer Lösung von Natriumehromat mit viel überschüssiger Chromsäure und Ab-
dunsteu neben Schwefelsäure. Hyacinthrothe, dünne, zerfliessliehe Säulen.
Chromsaures Kalium . normales oder gelbes Kaliumchroraat,
Kalium chromicitm fflavum oder citrinum), K2Cr04. Man neutralisirt eine
wässerige Lösung von Kaliumbichromat mit Kaliumcarbonat oder Kalilauge und
dampft zur Trockne. Es bildet citronengelbe, rhombische Krystalle, die denen des
Kaliumsulfates isomorph sind. Beim jedesmaligen Erhitzen färbt es sich morgen-
roth, zeigt bis auf 204° erhitzt sonst keine Veränderung und schmilzt erst in der
Glühhitze nach heftigem Verknistern. 100 Tb. Wasser lösen bei
0° 10° 20° 30« 40" 50° 60° 70" 80° 90° 100°
58.0 60.92 62.94 64.96 66.9* 69.00 71.02 75.04 75.06 77.08 79.10 Th.
K3CrOt.
Die wässerige Lösung ist citronengelb und reagirt schwach alkalisch. Das Salz
dient in der Tintenfabrikation und als Jndicator bei der Titrirung des Chlors und
der Oy an wasserstoffsäure mittelst Silbernitrat. Für technische Zwecke ist es durch-
wegs durch das leichter krystallisirende und mehr Chromsäure enthaltende Kalium-
bichromat ersetzt.
Saur68 chrom8aures Kall , saures Kalium Chromat, Kalium-
bichromat, Di chrom sau res Kali, Pyrochromsaures Kali, K2Cr207,
ist den modernen Anschauungen nach als das neutrale Salz der Dichromsäure (»der
Pyroehrorasäure, Cr, 07 R,. zu betrachten, welche allerdings in freiem Zustande
nicht btkannt ist. Zur Darstellung dieses wichtigsten unter den Chrom sä uresalzen
wird eine innige Mischung von 7 Th. frisch gebranntem Kalk und 2.25 Tb. Pot-
asche mit 4.5 Th. gepulvertem Chromeiscnstein versetzt und dieses Gemenge im
oxydirendeu Feuer eines Flammeuofens mehrere Stunden bei beller Rotbgluth unter
bisweiligem Umkrüeken erhitzt. Die resultirende Masse wird dann mit Wasser aus-
gelaugt und von den unlöslichen Bestandteilen durch die Filterpresse befreit.
Darauf versetzt man die Lösung, welche chromsauren Kalk enthält, mit einer
heiss gesättigten Lösung von Kaliumsulfat, lässt den Kalk sieh in Form von Cal-
ciumsulfat abscheiden und versetzt die geklärte Lösung alsdann mit berechneten
Mengen von Schwefelsäure, welche vorher mit dem doppelten Volumen Wasser
verdünnt wurde. Nach dem Erkalten scheiden sich Krystalle von rothem chrom-
saurem Kali aus, welche durch Umkrystallisiren gereinigt werden. Es bildet grosse
gelbrothe, luftbeständige Prismen oder Tafeln, die bei heller Rothgluth ohne Zer-
setzung schmelzen : die Schmelze ist nach dem Erkalten wieder krystallinisch. Bei
Weissgluth zersetzt es sich in Sauerstoff. Chromoxyd und neutrales Kaliumchromat.
100 Theile Wasser lösen bei
Oo I0y 20° 30° 40" 50° 60° 70° 80° 90« 100°
4.6 7.4 12.4 18.4 25.9 35 45 56.7 68.6 81.1 1)4.1
Die wässerige Lösung reagirt sauer und besitzt ätzende Eigenschaften. Das
Kaliumbichromat gehört zu den wichtigsten Chroinverbindungen. Da os leicht iu
reinem Zustande zu erhalten ist, dient es als Ausgangsmaterial zur Darstellung
der meisten anderen Chromverbinduugen. Auf Grund seines hohen Gehaltes au
Chromsäure benutzt mau es in Verbindung mit Schwefelsäure oder Eisessig als
kräftig wirkendes Oxydationsmittel (ChromRäuregemisch) in der Laboratoriums-
praxis, wie in der chemischen Technik (Alizarinfabrikation). Es dient ferner zur
Füllung eoustanter chemischer Elemente (Zink + Schwefelsäure und Kohle -f Kalium-
bichromat -t Schwefelsäure, Element nach Bt'KF-Bi:x\SKX), ferner in der Tinteu-
fabrikation, als Reagens in der Analyse, zum Anfertigen mikroskopischer Präparat©
und zu anderen Zwecken mehr.
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CHROMSAURE SALZE.
119
Kaliumtrichromat . CrsO,oKj, scheidet sich beim Erkalten einer bei 60 « dar-
gestellten Lösung von Kaliumdichromat in Salpetersäure in dunkelrothen, glänzenden
Prismen aug.
Kaliumletrachromat, Cr<0lsK3, entsteht durch andauerndes Erwarmen
des vorhergehenden Salzes mit concentrirter Salpetersäure. Dünne, rothe Blättchen.
Chrom saures Calcium, Calciumchromat, chromsaurer Kalk, Cr 04 Ca + H3 0,
wird durch Auflösen von Calciumcarbonat in wässeriger Chromsäure und Ver-
dunsten der Losung im Vacuum in Form undurchsichtiger gelber Säulen erhalten,
die erst bei starkem Glühen alles Wasser verlieren und bei jedesmaligem Erhitzen
zinnoberroth werden. 1 Th. löst sieh in etwa 240 Th. Wasser von 15°; es unter-
scheidet sich hierdurch das Calciumchromat sehr charakteristisch vom unlöslichen
Baryumchromat.
Calciumdichromat, Cr2 07 Ca, krystallisirt aus einer Auflösung von Calcium-
chromat in Chromsäure in Form kleiner, gelblich-brauner Schuppen.
Qhromsaures Strontium, Strontiumchromat , chromsaurer Srrontian, Cr 04 Sr,
bildet sich durch Versetzen einer coneentrirten Strontiumchloridlösung mit Kaliuiu-
chromat als gelber pulverförmiger Niederschlag, der in Wasser, Essigsäure, Salz-
säure, Salpetersäure und Chromsäure leicht löslich ist (Unterschied vom Baryum-
chromat). Verdünnte oder angesäuerte 8trontiumsalzlösungeu werden nicht gefällt.
StrontiumdichrOlliat, Cra 07 Sr + 3 ITS 0 , bildet sich durch Auflösen von
Strontiumchromat in Chromsäure. Dunkle, schief rhombische Krystalle.
Chromsaurer Baryt, Baryumchromat, BaCr04, wird durch Fällen von
Chromsäuresalzlösung mittelst Baryurasalzlösungen als blassgelber Niederschlag er-
halten. Neutrales Kaliumchromat mit Barvumchlorid oder -iiitrat versetzt, gibt quanti-
tative Abscheidung von Baryumchromat, auch bei Anwesenheit freier Essigsäure. Ent-
hält die Flüssigkeit aber freie Mineralsäure (HCl oder HNO,) oder aber Kalium-
dichromat, beziehungsweise freie Chrorasäure, so muss zur quantitativen Abschei-
dung Natrium- oder Ammouiumacetat zugesetzt werden oder besser noch mit
Baryumacetat gefällt werden. Gelbes, schweres Pulver, in Wasser unlöslich, leicht
löslich in Salpetersäure oder Salzsäure, auch in wässeriger Chromsäure ; aus letzterer
Lösung krystallisirt Baryumdicln-omat. Cr, 0, Ba + 2 Ha 0, in gelben Nadeln.
Die Bildung von Baryumchromat wird in der Analyse zur Erkennung und Be-
stimmung der Verbindungen der Chromsäure und des Baryunis verwendet, umso-
mehr , als es bei schwachem Glühen sich nicht verändert. In der Technik wird
es namentlich in der Zündholzindustrie als sauerstofflieferndes Material für Zünd-
massen zu Sehwedenhölzern benützt. Es führt im Handel den Namen „gelbes
Ultramarin".
Chromsaures Magnesium, Magnesinmchromat, Magnesium cliromicwn,
Mg Cr 04 + 7 Hs 0. Krystallisirt aus einer Auflösung von Magnesiunihydroxyd in
Chromsäure in Form citronengelber, leicht löslicher Säulen, die dem Bittersalz und
Zinkvitriol isomorph sind. Durch Auflösen äquivalenter Mengen von Magnesium-
ebromat in Ammoniumchromat resultirt A m m on i u m mag u esi u mc bro m a t,
Mg Cr 0, + (NH,), Cr 0, + 6 H3 O.
Cnromsaures Zink. Durch Versetzen einer Zinksulfntlosung mit neutralem
Kaliumchromat entsteht das basische Zinkchronoat , Cr 04 Zu . Zn fOH)2 -f H_ 0,
als poraeranzengelber Niederschlag; durch Erhitzen von witsseriger Chromsänre-
l«»sun*r mit Zinkoxyd die der vorigen ähnliche Verbindung, Cr O, Zn . Zu OH ;._,+
+ 1 3 Hs 0. Unlösliche Zinkchromate bilden sich häufig im Verfolg des qualitativen
analytischen GangeR und sind, falls verhältnismässig viel Chrom anwesend ist, die
Ursache, dass Zink nicht gefunden wird.
Chromsaures Blei, Bleichromat, Pbf.'rO^ kommt natttrlich als glänzende
rothe Prismen, als Rothbleierz (Krokoitj in Ungar», Sibirien, Brasilien und auf den
Philippinen vor. Dieselben können durch Zusammenschmelzen von Kleichlorid mit
Kaliumdichromat künstlich nachgebildet werden. In amorphem Zustande wird es als
schön gelb gefärbter, schwerer Niederschlag durch Füllen einer Rleinitrat- oder Acctat-
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120
CHROMSAURE SALZE.
lösung mit neutralem Kaliumchromat erhalten. Da« gefällte Rlciebromat is*t iu
Wasser, in Alkohol und in verdünnter Essigsäure so gut wie unlöslich, dagegen
löst es sich ziemlieh leicht in Salpetersaure und in Natron- oder Kalilauge auf.
Verdünnte Schwefelsaure verwandelt es in Bleisulfat. Salzsäure in Bleiehlorid. Die
Bildung des gelbeu Bleiebromates wird analytisch zum Nachweis und zur quanti-
tativen Bestimmung der Bleisalze sowohl wie der Chrorasäure benutzt. Die Fällung
geschieht in sehwach essigsaurer Lösung; sind andere Säuren, z. B. Salpetersäure,
in freiem Zustande vorhandeu, so bindet man dieselben durch Zusatz von Natrium-
acetat oder Ammoniumacetat. Beim vorsichtigen Erhitzen schmilzt das Bleichroinat
fast ohne Zersetzung zu einer braunen Flüssigkeit , die beim Erkalten zu einer
gelbrothen strahlig-krystallinischen Masse erstarrt. Beim Glühen mit organischen
Substanzen gibt dieselbe Sauerstort' ab und verbrennt die letzteren, indem es selbst
in ein Gemisch von Chronioxyd und basischem Bleichroinat übergeht. Es wird da-
her geschmolzenes Bleichromat in der Elementaranalyse, besonders zum Verbrennen
solcher Substanzen benutzt, welche Chlor. Brom, Jod oder Schwefel enthalten.
Das amorphe gelbe Bleichromat findet ausgedehnte Verwendung als Malerfarbe
unter den Namen Chromgel b. Neugelb, Citrongelb, österreichischer
Zinnober, Königsgelb, Parisergelb u. s. w.
Basisches Bleictiromat, CrO.Pb.PbO, eutstcht. wenn man ueutrales
Bleichromat mit kalter Natronlauge behandelt oder mit einer Lösung von neutralem
Kaliumchromat erhitzt. Es bildet ein lebhaft roth gefärbtes Pulver , welches als
Chrom zinnober als Malerfarbe verwendet wird. Gemenge von Chromgelb mit
Chromzinnober heissen C h r o m o r a n g e.
Ein Bleidichromat existirt nicht, vielmehr bildet sich auch bei Einwirkung
dichromsauren Kalis auf Bleisalzlösungen das normale Bleichromat, PbCr04.
Chromsaures Kupfer. Das normale Chromat. (CrO, Cu) . ist unbekannt.
Ein Kupferdichromat , Cr2 07 Cu + 2H3 0, entsteht durch Auflösen thd Kupfer-
hydroxyd in concontrirter Chromsäurelösung. Dunkle, hygroskopische Krystalle.
Chromsaures Silber, Silber Chromat, Ag, Cr<)4. entsteht durch Um-
setzen von Silbersalzlösungen mit neutralem Kaliumchromat als rotber krystalli-
nischer Niederschlag, der sich aus heisseu Lösungen in feinen Krvstallnadeln aus-
scheidet. Ks ist in Wasser unlöslich, dagegen löslich in Ammoniak sowohl, wie
auch in Salpetersäure und in chromsauren Alkalien. Durch Salzsäure oder lösliche
Chloride wird es in Chlorsilber, durch Cyanide in Cyansilber übergeführt. Auf
dieser Thatsache und der lebhaften Färbung des Salzes beruht die Anwendung
des Kaliumehromates als Indicator bei der ti tri metrischen Bestimmung der Chlor-
wasserstoft'säurc und CvanwasserstofTsänre mittelst Silbernitrat in neutraler Lösung.
Aus einer Lösung des chromsauren Silbers in Ammoniak krystallisirt beim Ver
dunsten 8 i 1 b e r c h ro m a t a in m o n i a k, Ag._, Cr O, -4- NH;. in gelben Krystallen-
Dichromsaures Silber, Cr.> 0: Ag, , bildet sich beim Umsetzen einer Silber*
Salzlösung mit Kaliumdichromat als dnnkelrother Niederschlag, der in Wasser etwa,
löslich ist. beim Kochen in Chromsäure und normales Silberchromat zerlegt wird.
Chr«msaurcs Queuksilberuxydul, Mercurochroma t. Cr 0,11g,, entsteht
durch Vermischen vou Kaliumdichromatlösung mit Mercuronitrntlösung als rother
Niederschlag, der beim Glühen schön grünes Chromoxyd hinterlässt.
Chrorr.saure8 Quecksilberoxyd , Merenriehromat, CrO, Hg. Neutrale-*
chromsaures Kali gibt mit salpctersaurem Quecksilberoxyd oder Quecksilberchlorid
einen gelben Niederschlag: die Flüssigkeit enthält alsdann Kaliumdichromat. Der
Niederschlag ist im Ucberschuss des Quecksilbersalzes mit gelber Farbe löslich.
Chromsaures EiSdHOXyd, Ferrichromat. (Cr 0,)- . Fe2 , entsteht durch
Fällen einer neutralen Eisenchloridlösung mit einer heiss gesättigten Lösung von
Kaliumdichromat als feuritrgclber Niederschlag, der als Sideringelb be-
kannt ist.
Chromsaures Aluminium. Die Salze der Chromsäure mit der Thonerde sind
nur schlecht eharakterisirte Körper. Basische Verbindungen bilden sich al*
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<"H ROMSAURE SALZE. — CHRYSANILIN.
121
Niederschläge beim Versetzen einer concentrirten Alaunlösung mit Kaliumdichromat-
lösung, »aure Balze als harzartige Massen beim Auflösen von Aluminiumhydroxyd
in Chromsäure und Eindampfeu der resultirenden Flüssigkeit. b. Fischer.
Chromschwefel. eh romsulfür, Einfach Schwefelchrom, Cr 8
oder Cr2 Sa , ist als schwarzer Daubrelit in einem mexikanischen Meteoreisen
enthalten. Chromchlorid liefert mit Schwefelkalium oder Schwefelammouinm einen
schwarzen Niederschlag, der wahrscheinlich Chroinsulfttr ist.
b) Chrom sulfid, Anderthalbfach Schwefelchrom, Cr. S3. eutstebt beini Ueber-
leiten von Schwefelkohlenstoffdampf über weissglühendes Chromoxyd, oder beim
Ueberleiten von trockenem Schwefelwasserstoff über weissglühendes Chromoxyd oder
erhitztes Chromchlorid. Lebhaft metallglänzende, grauschwarze, biegsame Blättchen
von 3.77 spec. Gew. Verbrennen beim Erbitzeu an der Luft unter Feuererschei-
nung zu Chromoxyd.
c) C h r o m p e r s u 1 f i d , Cr2 S7, bildet sich beim Einleiten von Schwefelwasser-
stoff in eine aramoniakalische Lösung von Kaliumdichromat als brauner Nieder-
schlag, dem durch Schwefelkohlenstoff kein Schwefel eutzogeu wird. Die Verbin-
dung wird durch Wasser langsamer, schneller durch verdünnte Säuren zerlegt.
B. Fischer.
Chromstahl. Durch Zusatz einer Legirung von Chromkohlenstoff zu geschmol-
zenem Gassstahl wird ein sehr harter, gut zu bearbeitender Stahl erhalten, welcher
durch Behandeln mit verdünnter Schwefelsäure schöne damascirte Zeichnuugen mit
eilberweisseu Adern sichtbar werden lässt. B. Fischer.
Chromstickstoflf. <},,-.. mnitrid. Cr, N,. Metallisches Chrom wird anhal-
tend und unter wiederholtem Zerreiben im Stick stoffstrome zu Weissgluth erhitzt.
Das erzeugte Product gibt beim Behandeln mit Salzsäure Chrom ab und hinter-
läßt Chromstickstoff als schweres schwarzes Pulver. Bildet sich auch beim Ein-
leiten von Ammoniak in Chromylchlorid oder beim Ueberleiten von Ammoniak über
erhitztes Chromchlorid. B. Fischer.
Chromzinnober, s. chromsaure Salze, beziehungsweise ehromsaures Blei.
ChronOSkop (/j;6vg;, Zeit. <7xo7;eo>, ich sehe) ist ein Apparat zur Messung
ausserordentlich kleiner Zeiträume. Am verbreitesten ist das von Hipp construirte
Chronoskop, bei welchem ein Uhrwerk zwei Zeiger in Bewegung setzt, von M'elchen
der eine auf einem Zifferblatt Tausendtel und Hundertel, der andere Zehntel von
Secunden angibt. Mit dem Uhrwerk steht ein Elektromagnet derart in Verbindung,
das« die Zeiger gehemmt werden, wenn ihn ein Strom umfliegst, dass sie sich aber
so lange bewegen, als der Strom unterbrochen ist. Der Anfang und das Ende des
zu messenden Zeitraumes muss also durch Oeffneu und Scbliesseu eines elektrischen
Stromes raarkirt werde, die zwischen beiden Procedurcn verflossene Zeit gibt dann
der Stand der Zeiger vor und nach dem Versuch. Pitsch.
ChrOOCOCCUS. eine Spaltpilzform Xaegkli's . charakterisirt durch kugelige,
freie Zellen.
ChrySaminSälire, Tetrauitrochrysazin, CX4 H^NU,), 0„ eine kräftige, zwei-
basische Säure, bildet sich bei der Oxydation von Aloe mit kochender Salpeter-
säure neben Aloötinsäure, welche letztere durch erneutes Erhitzen mit Salpetersäure
definitiv in Chrysaminsäure übergeführt werden kann. Diese bildet grosse, gold-
jrlänzende Blättchen, schmeckt bitter, ist löslich in Alkohol und Aether und fast
unlöslich in Wasser. Beim Kochen mit rauchender Salpetersäure wird sie in
Picrinsäure übergeführt. Ihre Salze haben alle mehr oder minder gelben, rothen
•der grfluen Goldgjanz. Ganswindt.
Chrysanilin,
^'i9 Hü -^3 un,l C3o H17 N3 , heissen die in dem schön orange-
jrelben Farbstoff Phosphin enthalteneu Farbbasen. Sie bilden eiu Nebenproduct
der Fnchsinfabrikation. — S. Fuchsin und Phosphiu.
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122 CHRYSANTHEMUM.
Chrysanthemum, Gattung der Compositae, Abtheilung Anthemideae, charak-
terisirt durch meist raittelgroase , vielblflthige Köpfe mit dachziegelartig »ich
deckenden Hüllblättern, ohne Spreublätter ; Randblflthen meist weiblich, in der
Regel zungenförniig (weiss, roth oder gelb), selten fehlend; Scheibenblüthen meist
gelb, meist zwittrig, mit meist zusammengedrückter Röhre; Staubbeutel unge-
schwänzt, gelb ; Pappus kronenförmig , einseitig oder fehlend. Meist krautartige,
selten holzige, in der Mehrzahl ausdauernde Gewächse mit meist verschiedenartig
einfach oder mehrfach fiederförmig eingeschnittenen Blättern, welche vorzugsweise
die beiden gemässigten Zonen bewohnen, indess auch in die arktische Zone und die
alpine Region hineinreichen. Folgende Unterabtheilungen enthalten pharmakologisch
bemerkenswertho Arten :
Tanacetum (L.) Schultz Bip. Meist ausdauernd; Köpfe mit halbkugelförmiger
Axe; Randblflthen zungenförniig (PyreÜira Benth. et Hook.) oder röhrenförmig
(Tanacetum L.). Früchte ungeflügelt, cyliudrisch, gleichmässig 5- oder lOrippig.
Matricaria L. Einjährig oder ausdauernd ; Köpfe mit halbkugelförmiger bis
verlängert - kegelförmiger Axe ; Randblflthen zungenförniig , röhrenförmig oder
fehlend ; Früchte uugeflflgelt , oft gekrümmt, auf der Innenseite abgeflacht , 3 bis
örippig, auf der Aussenseite gewölbt.
Aryyranthemum (Webb) Beruh, et Book. Strauch- oder halbstrauchartig;
Randblflthen zungenfönnig; randständige Früchte häufig dreikantig, 2—3 Kanten
geflügelt. Nur auf den nordatlantischen Inseln.
Goleostephus (Cosa.) Benth. et Hook. Einjährig; Randblüthen meist zungen-
förniig; Früchte stumpf- oder undeutlich 4 — lOrippig, ungeflügelt oder zweige-
flügelt.
Pinardia (Cats.) Benth. et Hook. Einjährig; Randblflthen meist zungenförniig ;
randständige Früchte häufig dreikantig oder dreigeflügelt.
I. C. (Tanarttum) Leucanthemum h. (Leucanthemum vulgare Lam.f
Tanacetum Leuc. Schultz Bip.) Grosse Gänse- oder Geissblume, St. Jo-
hannisblume, Grande Marguerite, Ox-cye, Crow's foot. Europa und
Nordasien. Ausdauernd, zerstreut kurzhaarig oder kahl. Stengel aufrecht, unter-
wflrt8 beblättert, einköpfig oder mit einigen langen einköpfigen Aesteu; Stengel-
blfitter länglieh lanzettlich, entfernt gesägt ; Köpfe gross, strahlend ; Früchte
lOrippig, meist alle ohne, oder mir die randständigen mit einseitigem oder schief-
kronenförmigem Pappus.
Das blühende Kraut, früher als Herba et Flore» Bellidis majori» offieinell,
jetzt ungebräuchlich. Die jungen Triebe werden in Italien als Salat benutzt.
II. C. ('Tanacetum) eine rar iifol tum (Trev.) Vi». (Pyrethrum ein. Trev.,
Chrysanthemum Turreanum Vis., 'Tanacetum ein. Schultz Bip., C. WilU-motü
Buche itre.) Oestliches Küstengebiet des adriatisehen Meeres von Süd-Kroatieu bis
Montenegro und von der dalmatinischen Küste bis zur Hercegovina ; wird dort auch
cultivirt. Ausdauerd, bis auf die kahle mit sitzenden Drüsen bestreute Blattoberseit«»
seidig- filzig; Stengel aufrecht, einköpfig, zuweilen mit einzelneu einköpfigeu Aesteu,
unterseits entfernt beblättert; Blätter meist grundständig, doppelt liederig getheilt,
mit länglich linealcn bis linealen spitzen Zipfeln , die Steugelblätter albnälig au
Grösse, Lauge des Stiels und Theilung abnehmend; Köpfe lein im Durchmesser,
strahlend, mit eirea 15 weissen Zungenblüthen ; Hüllblätter am Rande bleich;
Früchte orippig , mit kronenförmigom, gezähuelteu Pappus. an der Bluinenkronen-
röhre mit sitzenden, vierzelligen Drüsen besetzt.
Die Köpfe kommen als dalmatinische Insectenblflthe . häufig in gemahlenem
Znstande als dalmatinisches Inseetenpulver in den Handel, und wird diese Droge
der kaukasischen vorgezogen.
III. C. (Tannt'fituin) rose um Web. et Mohr. (C. coeeineum ! und C. tanaeeti-
Jolium Willd.! Pyrethrum car neuin M. B., Tanucttum c. Schultz. BijK)
Hochgebirge des kaukasischen Isthmus und Nord-Persiens : neuerdings in Europa
als Zierpflanze mit „gefüllten" Köpfen verbreitet („Frühlings- Aster14). Ausdauernd,
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CHRYSANTHEMUM.
123
kahl; Stengel aufrecht beblättert, einköpfig oder mit wenigen einköpfigen Aesten;
Blatter (vom Ansehen unseres Chrys. vulgare !) fiederig getheilt mit länglich lanzett-
lichen , spitzen, eingeschnitten-gesägten Abschnitten; Köpfe gross, strahlend, mit
'20—30 rosenrothen Zungenblütheu ; Hüllblätter bräunlich berandet; Früchte
lOrippig mit kurzkronenförmigero gezähnelten Pappus, wie die Blumenkronenröhre
mit Drüsen bestreut. Benützung wie bei der vorigen Art als kaukasische Insecten-
blflthe, respcctivo kaukasisches oder gewöhnlich persisches Insektenpulver.
Das nahe verwandte, in denselben Gebieten vorkommende C. (Tanacetum)
Mo rschaüii Aschers. (Pyrethmm roseum M. B.), das sich durch niedrigere stete
cinköpfigc, nur unterwärts beblätterte Stengel, etwas kleinere Köpfe und tiefer
getheilte Blatter mit kleineren Abschnitten unterscheidet, liefert ebenfalls kauka-
sisches Insectenpulvcr.
IV. C. (Tanacetum) B al samita L. var. majus (Desf.) Aschers. (Tana-
cetum Ba's. L., Bals. major Desf., Pyrethrum Tanacetum DG, Chrysanthemum
Tanacetum Vis. nec Karsch, 0. suaveolens Karsch nec Aschers., (J. majus Aschers.,
P. Balsamita ti. tanacetoides Boiss.) Frauenmünze, Maricnblatt, Morgen-
blatt, römische Mllnze, Römische oder grosse Salbei, Pfannkuchenkraut, Grand
bäume, Menthe de coq, Ale-cost, Cost-mary, Sugar-sbell. Die pharma-
kologisch nicht in Betracht kommende Hauptart im östlichen Kleinasien, den süd-
lichen Kaukasusländern und Persien einheimisch ; die Varietät in denselben Ländern
wild , aber wohl seit uralten Zciteu in den Gärten Europas angebaut ; in Mittel-
europa in Dorfgärten seit Karl's des Grossen Capitularen verbreitet, nicht selten ver-
wildert. Ausdauernd, angedrückt-kurzhaarig, Rhizora kriechend; Stengel aufrecht,
beblättert, kräftig, bis 1.3 m hoch, Öfter doldenrispig-ästig ; Blätter elliptisch, stumpf,
kerbig gesägt, die unteren und mittleren gestielt und oft geöhrt, von Oelbehältern
eingestochen-punktirt ; Köpfe zahlreich, doldenrispig, ziemlich klein (bei der Haupt-
art mit weissen Zungenblütheu) , mit wenigen röhrenförmigen, weiblichen Rand-
blüthen oder ohne solche; Hüllblätter stumpf, die inneren länglich, oberwärts breit
hautrandig; Früchte kreiseiförmig, örippig, mit kurz
kronenförmigem, gezähnten Pappus.
Das angenehm aromatische Kraut, früher als Herha
Balsamitae s. Menthae hortensis , s. Costi hortorum
l^A [Y "\M officinell , ist als Hausmittel , sowie auch als Gewürz
t und als Zuthat zu Speisen (wie die wahren Salbei-
blätter von Sahna officinalis L.) gebräuchlich.
V. C. (Tanacetum) vulgare (L.) Beruh. (Ta-
nacetum v. L. , Chrysanthemum Tanacetum Karsch
nec Vis.) Rainfarn, Kraftkraut, Revierkraut,
Wurmkraut, Tan ai sie, Herbe aux vers, Tansy.
Europa und Nordasien: in Nordamerika eingebürgert;
in einer krausblättrigen Varietät {ß crispum HC.) auch
in Gärten gezogen. Ausdauernd, fast kahl ; Stengel auf-
reent, beblättert, bis 1.3m hoch: öfter doldeurispig
ästig ; Blätter von Oelbehältern eingestochen punktirt,
am Grunde geöhrt, die unteren und mittleren gestielt,
^Äyiuhe,,IÜth"- ficdertbeilig mit oberwärts verbreitertem, gesägtem
Mittelstreif und länglich lanzettlichen , stumpflichen,
fiederspaltigen bis eingeschnitten-gesägten Abschnitten. Blüthcnstand , Hüllblätter
und Früchte wie bei der vorigen : weibliche Randblüthen (Fig. 9 a) röhrenförmig,
dreizähnig, gelb.
Die unangenehm kampferähnlich riechenden Köpfe, früher als Flore* Tanaceti
officinell. sind auch jetzt noch als Wurmmittel gebräuchlich.
VI. C. (Tanacetum; annuum (L.) Aschers. (Tanacetum a. L.) Südwest-
europa und westliches Nordafrika. Einjährig, kurzhaarig: Stengel aufrecht, be-
blättert, doldenrispig-ästig; untere Blätter gestielt, doppelt-, die oberen sitzend
Fig. 9.
< Hty$a*Armum vulgare it..) Ilernh.
iubcIi Kerg und .Schmidt).
« Kohrenfbri
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124
C II R YS ANTHEMUM.
geöhrt, einfach fiedertheilig. alle mit linealen, spitzen, eingestochen-drüsig punktirteu
Zipfeln : Köpfe klein, doldenrispig ; Hüllblätter, Blüthen uud Früchte wie vorige.
Ersetzt in ihrer Heimat in pharmakologischer Hinsicht die vorige Art; die
I>roge wurde auch neuerdings versuchsweise in Deutachland eingeführt.
VII. C. (Tanacetum) Parthenium (L.) Beruh. (Matricaria P. L., Pyre-
thrum P. Sm., Tanacetum P. Schultz Bip.) Mutterkrant ( fälschlich : Römi-
sche Kamille), Matrieaire, Espargoutte, Feverfew. In Gebirgen
Süd-Europas uud des nördlichen Oriente einheimisch, seit alten Zeiten im übrigen
Europa als Arznei- und Zierpflanze in Gärten (oft mit gefüllten Köpfen) cultivirt
uud verwildert; neuerdings besonders eine Zwergform als Blattpflanze beliebt.
Ausdauernd, zerstreut kurzhaarig; Stengel aufrecht, doldenrispig ästig : Blätter
zart , fiedertheilig, von Oelbehältern eingestochen - punktirt , mit länglichen fiodor-
spaltigen stumpflichen Abschnitten, länglichen stumpflichen, meist eingeschnitten-
gesägten Zipfeln und nach oben verbreitertem, nicht gesägtem Mittelstreif; Köpfe
doldenrispig, mittelgross, strahlend; Znngenblüthen weiss, wenig länger als die
Hülle; Früchte lOrippig, harzig-puuktirt , mit kurz kronenförmigem , gezähntem
Pappus.
Das unangenehm aromatische, 0.04 Procent eines gelbgrüuen ätherischen Gels
enthaltende Kraut, früher als Horba Matricariae officinell und auch jetzt noch
beim Volke nicht ungebräuchlich ; die Namen Mutterkraut und Matricaria (welche
ursprünglich nur dieser Pflauze augehörten) beziehen sich auf Anwendung in Krank-
heiten der weiblichen Geschlechtsorgane, wie Leucorrhoe , Amenorrhoe etc. Eine
Verwechslung der Köpfe mit denen der ähnlich riechenden wahren römischen
Kamille (vergl. Anthemis, Bd. I, pag. 403) leicht au der geringereu Grösse und der
halbkugelförmigen (nicht kegelförmigen) Axe derselbeu , sowie am Mangel der
Spreublätter zu erkennen.
Das gleichfalls im nördlicheren Orient vorkommende G. (Tanacetum) praealtum
Vent. ( l'urethrum parthenifoUum Willd.) . durch höheren Wuchs, doppeltfieder-
theilige Blätter mit schmäleren Zipfeln, lockeren Blüthenstand und Zungenblüthen
von doppelter Länge der Hülle verschieden, und seine stärker behaarte Abart
niveum (La;/., als Art) Aschers, ebenso wie C. Parthenium benutzt.
VIII. C. (Tanacetum) in die um L. ( Fyrethrum i. Gass., Tanacetum i. Schultz
Bip.) Das bekannte „Chrysanthemum" unserer Gärten, aus Ostindien und China
eingeführt, wo es auch nur cultivirt (in der Regel mit gefüllten Köpfen) vor-
kommt; stammt vielleicht von dem nahe verwandten ebenfalls viel cultivirten. in
Ostasien einheimischen G. sinense Sabine ab. Strauchartig; Blätter gestielt,
dünnhäutig, eiförmig, eingeschnitten bis fiedcrspaltig; Hüllblätter stumpf, am Rande
breit troekeubäutig ; Zuugenblüthou wenig länger als die Hülle fgelb, weiss, rosa,
braun ete.i. Pappus krönen förmig.
Die Köpfe werden in China wie unsere Kamille angewendet.
IX. C. (Matricaria) Ghamomilla (L.) Beruh. (Matricaria G.L., Chamo-
mdla ofßcinalis C. Koch). Europa, Westsibirion . Orient. Canarische Inseln, ver-
schleppt in überseeischen Ländern, z. B. in Nordamerika : in Australien lästiges Un-
kraut. Einjährig, kahl ; Stengel ästig, meist aufrecht, beblättert: Blätter doppelt fieder-
theilig mit linealischen . von einander entfernteu Abschnitten : Köpfe auf ziemlich
langen, hohlen Stielen, mittelgross, strahlend; Hüllblätter stumpf, häutig berandet;
Köpfehenaxe zuletzt kegelförmig, bis f> mm lang, hohl; Zunge der 12 — 18 Rand-
blilthen weiss, länger als die Hülle, ihre Röhre, besonders die der Scheibcnblüthen,
mit mehrzelligen Drüsen bestreut : Früchte auf der Innenseite mit b feinen Rippen,
meist ohne Pappus; seltener mit halbseitigem (Matricaria Kochiana Schultz
Bip.) oder kronenförmigen (M. Coariuntiana DG, M. coronata Gay) Pappus.
M. ttuaceoffiis L. ist eine besonders im Orient verbreitete (sehr aromatische) Form
mit kleineren Köpfen.
Die echte Kamille is Chamomilla. II. Bd. . pag. 645) unterscheidet sich
von den Ar.'hemis- ArN n (die *m gewöhnlichen Leben ebenfalls Kamillen genannt
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CHRYSANTHEMUM.
125
Chrysanth*
Cka
a b
omüla (LJ Hemh. (nach Berg
und Schmidt)
« Zimeenförmige Randbliithe, * Schcibenblüthe.
werden), durch den Mangel der Spreublätter und die hohle Köpfchenaxe; letzteres
Merkmal trennt sie auch von den übrigen« fast ganz geruchlosen Arten Ö.
(Matricaria) inodorum L. (fast gauz Europa, Kaukagnsländer) und C. (Matri-
cur in) maritimum (L.) Per*, (atlantische Küsten Europas, wohl nur eine robustere
Abart von C. tnodorum), mit denen noch
^ Flt'- 1W- am leichtesten eine Verwechslung möglich
wäre : bei beiden ist überdies die mar-
kige Köpfchenaxe halbkugelförmig und
iler Bau der Frucht durchaus abweichend ;
dieselbe zeigt auf der Innenseite drei
starke kork artige Rippen (daher Tri'
pleurof>permum Schultz Bip.) und oben
zwei vertiefte anfangs gelbe, zuletzt
schwärzliche Drüsen.
X. C. (Matricaria) capense (L.)
Asciiers. (Cotula und Matricaria ca-
penais L., M. africana Bergius.) In
der Cap-Colouie. Einjährig, ausgebreitet
ästig, zerstreut behaart oder kahl ; untere
Blätter doppelt- obere einfach fiederig
getheilt, Zipfel lineal; Blüthenstiele lang;
Köpfe strahlend; Pappus gezähnt, ein-
seitig oder ungleichseitig.
Wird in Südafrika wie unsere Kamille als krampfstillendes Mittel benuzt.
XI. C /Matricaria ) fr u tic » sunt (L.) Aschers. (Tanacrtum f. L., T.multi-
ßorum Thunb., Matricaria m. Fenzl.) Im westlichen Theile Südafrikas. Tracht
unserer Achillea Millefolium ! Einjährig , spärlich kurzhaarig, oberwärts dolden-
rispig; Blätter doppelt fiederig getheilt, mit kurzen, linealen Zipfeln; Köpfe klein,
nicht strahlend ; Pappus ein undeutlicher Saum.
Wie vorige ; gilt für wirksamer als die europäische Kamille.
XII. C. ( Argyranthemum) frutescensL. (Argyranthemum f. Scliultz Bip.)
Canarische Inseln; im Mittelmeergebiet, seltener in Mitteleuropa als Zierpflanze
enltivirt. Strauchartig , meist kahl ; Blätter ficdertheilig mit wenigen entfernten,
linealischen, eingeschnitten gezähnten Abschnitten : Köpfe ziemlich gross , lang
gestielt; randständige Früchte schmal geflügelt.
Die Wurzeln sollen mituuter statt der Bertramwurzel (Anacyclus Pyrethrum
(L.) DG.) in den Handel kommen.
XIII. C. i Coleostephus) Myconis L. (Pyrethrum M. Mnch., Coleostephus
M. Cass.) Mittelmeergebiet. Kahl, grasgrün; Stengel ästig; Blätter länglich-ver-
kehrt-eiförmig bis lineal-lanzettlioh , stumpf, gesägt; Köpfe ziemlich gross; Strahl-
blflthen gelb (selten weiss), unfruchtbar; Früchte der Scheibe stielrund, 7 — lOrippig,
mit häutigem, schief gestutztem Pappus.
Die Köpfe waren einst als Flores Bellidis luteae officinell.
XIV. C. (Coleostephus) s eye tum L. ( Xanthophthalmum ». Schultz Bip.)
Wucherblume, Quadeblume, Corninarigold. Europa , Nordafrika,
Orient, Nordasien, in manchen Gegenden gefürchtetes Unkraut. Kahl, graugrün;
Stengel meist etwas ästig; Blätter nach vorn verbreitert, länglich-verkehrt-eiförmig
bis lanoettlich, entfernt grob gesägt, die unteren fast fiederspaltig ; Köpfe ziemlich
gross, Strahlblüthen gelb, fruchtbar ; Früchte ohne Pappus, die randständigen beider-
seits mit hornartigem Flügel, aussen meist 3-, innen 5rippig, die übrigen stielrund,
lOrippig.
Die Blüthen werden zum Gelbfärben benützt. Das Kraut hat getrocknet einen
aromatischen, Kamillen ähnlichen Geruch.
XV. C. (Pinardia) coronarium L. (Pinardia coronaria Less., Matricaria
oleracea Hamilt.) Goldblume. Mittelmeergebiet; ausserhalb desselben häufig
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CHRYSANTBEMUM. — CHRYSIN.
(schon im alten Egypten !) als Zierpflanze cultivirt und eingebürgert. Kahl, gras-
grün ; Stengel aufrecht, ästig ; Blätter doppelt tiedortheilig mit lineal-lancettlichen
Abschnitten; Köpfe gross; Raudblflthen gelb, seltener weiss; Früchte harzig
punktirt, ohne Pappus , die randständigen dreikantig mit geflügelten Kanten , die
übrigen zusammengedrückt kreiseiförmig, nach innen geflügelt.
Die Köpfe werden in Südeuropa gegen Gelbsucht etc. angewendet; die junge
Pflanze wird gegessen. P. Ascherson.
ChrysarObifl (Ph. Genn., Un. St.). Hauptbestandteil des A r a r o b a p u l v e r s
(s. Bd. I, pag. 555), ursprünglich von Kemp für dieses selbst eingeführt, hat man
später den zu 60 bis 80 Procent in der Araroba enthaltenen Körper, den Attkikld
für Chrysophansäure hielt, der aber ein Reductionsproduct derselben ist (Lieber-
hann und Seidler), mit diesem Namen belegt. Es hat die Formel
C(„Hi,0J = 0(CH<^f;;(-c^OH)>CH.OHK
und wird durch Umkrystallisiren der Arnroba depurata i s. d.) aus Eisessig
dargestellt. Chrysarobin bildet gelbe Nadeln oder Blättcheu (Schmelzpunkt 170
bis 178°;, die in Benzol, Chloroform, Eisessig löslich, dagegen iu WasBer und ver-
dünnter Kalilauge fast unlöslich sind. In coneeotrirter Kalilauge löst es sich mit
gelber Farbe. Die stark grün fluorescirende Lösung wird, namentlich in der Wärme,
durch Sauerstoffaufnahme bald roth und lässt. mit Salzsäure übersättigt, brauue
Flocken von Chrysophan fallen. Von Chrysophansäure (s.d.) unterscheidet
es sich dadurch , dass es von concentrirter Schwefelsäure mit gelber ( jene mit
rother) Farbe gelöst wird und mit Kali eine braune fjeue eine blaue) Schmelze
gibt. Chrysophansäure löst sich auch mit rother Farbe in verdüunter Kalilauge.
Es geht durch Oxydation leicht in Chrysophansäure über CA0 Hso 0- 4- 4 0 =
2(Cl6H10 OJ + 3Ha0. Tschirch.
Chrysen, CIfiH,3, findet sich uuter den Destillationsproducten vieler Substanzen
organischen Ursprunges, so auch in ziemlich reichlicher Menge in den letzten
Fractionen des Steinkoklentheers. Da es noch keinerlei Auweudung findet, wird
es nicht technisch gewonneu. Zu seiner Darstellung kann man deu bei der Sub-
limation des Rohanthracens verbleibenden , Pyren, Carbazol , Chrysen etc. ent-
haltenden Rückstand der Destillation unterwerfen , die letzte Fraction besteht aus
ziemlich reinem Chrysen. Dasselbe ist, auch nach dem Umkrystallisiren, goldgelb
gefärbt (daher der Name). Die Farbe rührt von einer Verunreinigung her, welche
durch Schmelzen mit Aetzkali eutfernt werden kann.
Das Chrysen krystallisirt in rhombischen Blättchen, schmilzt bei '250° und
siedet bei 436°.
Von seinen Derivaten sei noch das Chrysochinon, C,8 H, , 0.,, erwähnt, welches
bei der Oxydation von Chrysen mit Chromsäure entsteht. Es bildet rothe, bei 235°
schmelzende Nadeln, die sich in concentrirter Schwefelsäure mit blauer Farbe lösen.
Benedikt.
Chrysin. Gelber Farbstoff, welcher sich in den Knospen von Populus nigra,
pyramidalis und halsamea findet. — Zur Darstellung desselben wird der wein-
geistige Auszug von 100 Gewichtstheilen frischer Knospen mit 12 Th. krystal-
Usirtem Bleizucker in weingeistiger Lösung von 70 Procent versetzt, am anderen
Tage vom gelblich braunen, schlammigen Niederschlag abliltrirt, mit Schwefel-
wasserstoff vom Blei befreit und der Alkohol abdestillirt. Nach dem Erkalten
giesst man die überstehende, stark essigsaure Flüssigkeit ab und löst das dick-
flüssige Harz in wenig heissem Spiritus, aus dem beim Erkalten das rohe Chrysin
sich abscheidet. Zur Reinigung wird das rohe Chrysin am besten zuerst mit
wenig absolutem Alkohol, dann mit Aether und Schwefelkohlenstoff behandelt, um
wachsartige Fette, Harze und etwaigen Schwefel zu entfernen. Kochendes Wasser
entzieht ihm Salicin und Populin ; kochendes Benzin nimmt einen Tectochrysin
genannten Körper auf; durch Schmelzen bei 275,J werden verschiedene Verun-
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CHRYSIN. — CHKYSOMELA.
127
reinigungen verkohlt und zur Entfärbung endlich kann man die weiugeistige
Lösung mit einigeu Tropfen basischen Bleiessigs versetzen und vom flockigen
Niederschlag abfiltriren, der alle fremden Farbstoffe niederreisst. Nach Entfernung
des Bleies mit Schwefelwasserstoff und zweimaliger Krystallisation aus Weingeist
irt das Chrysin dann vollkommen rein. Das Chrysin stellt hellgelbe, millimeter-
lange, dünne, glänzende Kry stall tafeln dar, welche bei 275° ohne Zersetzung
schmelzen und weiter erhitzt snblimiren. Es löst sich in 50 Th. siedenden , in
180 Th. kalten Alkohols. Leicht löslich in kochendem Eisessig, wenig in Aether,
kaum in Schwefelkohlenstoff, Petroleum, Chloroform, sowie in Benzin, unlöslich in
Wasser. In wässerigen Alkalien mit gelber Farbe löslich, wird es durch Säuren
unverändert wieder abgeschieden. Längeres Kochen mit fixen Alkalien zersetzt es.
Aus einer ammoniakalischen Lösung wird es durch Baryum- uud Calciumchlorid
in Form einer schön chromgelben, krystallinischen Verbindung gefällt. In alko- ^
bolischer Lösung wird das Chrysin' durch Bleizucker oder Bleiessig theilweise
gefällt, löst sich aber im Ueberschuss des Fällungsraittels. Eisenchlorid erzeugt in
der alkalischen Lösung eine schmutzig violette Färbung. Die alkoholischen Lösungen
geben mit Chlor, Brom und Jod Verbindungen. Salpetersäure erzeugt ein Nitro-
produet. Das Chrysin hat die Formel CJSHl0C% und ist als ein Phenolderivat
anzusehen , als ein Phloroglucin , in welchem 1 Atom Essigsäure und 1 Atom
Benzoesäure eingetreten und 3 Atome H3 0 ausgetreten sind. v. Schröder.
Chrysobalaneae, Unterfamilie der Iiosaceae , charakterisirt durch meist
asymmetrische Blflthen mit einem einzigen freien Carpell , Steinfrüchte und
einfache, ganzrandige Blätter.
Chrysoberyll ist ein geschätzter Edelstein , durchsichtig smaragdgrün, seiner
Zusammensetzung nach eine Doppel Verbindung von Beryllerde und Thonerde.
Be O, AL 03.
ChrySOCal, Ghrysokalk, sind bronzeähuliche Legirungen, bestehend entweder
aus 90.5 Th. Kupfer. 7.!> Th. Zink und 1.6 Th. Blei oder aus 05 Th. Kupfer
und 5 Tb. Zinn. Dieselben lassen sich leicht vergolden und werden daher zu
Bijouterie waaren benutzt.
dirySOidill, Ca H5 — N = N — Cfl Hs (N Ha)a . HCl, ist ein Amidoazofarbstoff,
welcher entsteht, wenn man eine Lösung von m-Pbenylendiamin in eine sehr ver-
dünnte Lösung der äquivalenten Menge Diazobenzolchlorid eingiesst:
C6H0.N N.C1 + Q.H^NH,), = C6H5.N N . C„ H3 (N Hä)ä . H Cl
Diazobenzolchlorid Phenylendiamin Chrvsoldin.
Er färbt Seide und Wolle aus neutralen Bädern schön orangegelb und kann auf
Baumwolle mit Tannin fixirt werden.
Die wässerige Lösung des ChrysoTdins zeigt folgeude Keactionen :
Ammoniak und Aetznatron fällen die orangegelbe Flüssigkeit, der Niederschlag
i*t hellgelb. Salzsäure färbt die Flüssigkeit gelbroth, in düuuen Schichten earmowiu.
Concentrirte Schwefelsäure löst Chrvsoldin mit gelbbrauner Farbe auf. Zinnchlorür
entfärbt. Bleiessig gibt einen orangegelben Niederschlag.
Mit ChrysoTdin gefärbte Fasern werden mit Salzsäure roth , mit Ammoniak
bellgelb , durch Zinnchlorür und Salzsäure entfärbt , von Schwefelsäure gelb
abgezogen. Benedikt.
ChrySOYn, 8. Azofarb Stoffe, Bd. II, pag. 65.
ChrVSOlin, ist das Natronsalz des Bonzylfluorcscems, C20 Hl0 03 (0 C, H7) 0 H.
F>s findet zum Färben von Seide und zum Schönen der Baumwolle als gelber
Farbstoff eine beschränkte Anwendung (vergl. Fluorescöin). Benedikt.
ChrySOmela. Käfergattung, aus der Gruppe der Btt raten fttssl er (Scopitarsin*),
charakterisirt durch den in den breiten Halsschild eingezogenen Kopf mit einfachen,
keulig verdickten Fühlern, den kahlen Körper und die mit Bürsten besetzten Füsse.
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128
CHRYSOMELA. - CHULAMSKY.
■
Dazu gehört der Coloradokäfer, Chr. (Doryphora) decemlineata Say. uud
der in zerquetschtem Zustande als Zahnwehmittel benutzte Pappelblattkäfer,
Chr. Populi L. (mit ziegelrothen , an den äussersten Spitzen schwarzbraunen
Flügeldecken), dessen Larven Salieylaldehyd enthalten. Chrysomela fantuoaa ist
zwischen Canthariden zu 16 Procent vorgekommen. Th. Husemann.
ChrySOphanin findet sich fertig gebildet in den Sennesblättern und wird aus
dem wasserigen Decoct derselben erst mit Alkohol . dann mit Bleizucker gefällt.
Es ist ein indifferenter weisser Körper.
ChrySOphaitSäure, Cu H& (CH3)(OH)30„ findet sich in der Natur vielfach
fertig gebildet; so in gewissen Flechten (Parmeh'a parietina, Squamaria rlegans),
in den Wurzeln verschiedener Rheumarten, in der Rinde von Rhamnus Frangular
der Wurzel xon Rumex oUusifolius und in den Sennesblättern. Man erhält sie
rein durch einfache Oxydation des Chrysarobins . indem man dieses in ziemlich
verdünnter Kalilauge löst uud atmosphärische Luft so lange durchleitet, bis die
Farbe eine gleichmässig rothe geworden ist, dann fällt man mit Salzsäure, zieht
mit Benzol aus und lässt wiederholt aus Benzol oder Alkohol umkrystallisiren. So-
dargestellt, bildet die Chrysophansäure schön goldgelbe Nadeln oder Tafeln; sie
ist in Waaser kaum , in 224 Th. siedendem Alkohol lÖRÜch , leichter löslich in
Aether, Benzol und Eisessig. Sie löst sich ferner in Schwefelsäure ohne Zersetzung mit
tiefrother Farbe, in Kalilauge sehr leicht mit dunkelrother Farbe , schwieriger in
Ammoniak. Sie schmilzt bei 162°, sublimirt später unter theilweiser Verkohlung
in Nadeln, mit Kali geschmolzen gibt sie eine blaue Masse. Die Chrysophansäure
kann auch aus dem Rhabarber dargestellt werden. Als rohe Chrysophan-
säure wird der zur Trockene verdunstete Benzolauazug aus der Araroba be-
zeichnet. Die Chrysophansäure bildet Salze, welche meist schwer löslich sind; das
Baryt- und Bleisalz sind unlöslich; sie ist eine sehr schwache Säure und wird aus
ihren Verbindungen schon durch Kohlensäure verdrängt. Ganswind t.
Chrysophyllum, Gattung der Sapotaeeae, charakterisirt durch nebenblattlose
Blätter und kleine Büthenbüschel an den Knoten vorjähriger Zweige.
Chrysophyllum glycyphloeum Casar. (Ch. Buranhem Riedel), ein brasilia-
nischer Baum, ist die Stammpflanze der Monesia (s.d.). Die Beere u fruchte
anderer, ebenfalls im tropischen Amerika heimischer Arten sind geniessbar.
ChrySOpraS ist apfelgrfln gefärbter Chalcedon.
ChrySOrin, Legirung aus 100 Tb. Kupfer und 51 Th. Zink, goldähnlich, fein-
körnig, hält sieh gut an der Luft, lässt sich gut vergolden und dient zu Luxus-
artikeln.
ChrySOSpleniUm, Gattung der Saxifragaceae, charakterisirt durch kleine,
blumenblattlose Blttthen. — Ch. alternifolium L. und Ch. oppositifolium L., an der
in den Namen ausgedrückten Blattstellung leicht unterscheidbar, lieferten die einst
als geliude Abführmittel gebräuchliche Herba Chrysosplenii s. Nasturtii petraei
8. Saxifragae aureae.
Chrysotoluidin wurde eine beim Erhitzen vou arsensaurem Toluidin ent-
stehende Base genannt, welche wabrBebeinlich mit dem Chrysanilin identisch ist.
Benedikt.
Chthonoblastus, eine Spaltpilzforra. charakterisirt durch cylindrisehe, phyco-
chromhaltige, unverzweigte, zu Schleimfamilien vereinigte Fäden.
Chuchu ist der brasilianische Volksname für Nierenher gia hippomanica Mrs.
(Solanaceae) und einer durch diese Pflanze bei Pferden hervorgerufenen fieber-
haften Erkrankung.
ChulamSky ist eine Sorte Kefyr (s. d.).
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CHÜR. — CHYLURIE.
Chlir in Graubündten besitzt drei Quellen, welche versendet werden: Nou-
Belvedraquelle (I), Ulricusquelle (II), Theophilsquelle (III), von folgender Zusammen-
setzung:
i <r 2)
n (8° i)
III <u")
( 'liloinatrium
0 29
8.37
2.22
Chlorlithium
O.06
005
Triilnatrinm
o.oi
Spur
Kalisulfat
. 0.24
1.57
1.34
. 0.35
0.86
1.97
0.07
Aramoniuin-Büarbonat . .
. 0.14
0.21
0.01
Natrinm-Bicarbonat . , .
. 3.02
53.70!
19.12
5.77
4 33
Kalk-Bicarbonat
. 20.87 !
10.26
10.16
Eisenoxydul-Bicarbonat . .
. 0.30
Cll
0.14
Mangan oxydul-Bicarbonat
. 0.02
0.01
. 0.23
0.19
0.11
Phosphors. Thonerde . . .
0.07
Feste Theile . .
. 27.70
81.34!
39.42
incl. 2. Atom CO,
0.954 Vol.
1.118 Vol.
bei Quell temperatur.
ChurChill'S HypOphOSphitepräparate sind Mischungen (meist in Form von
Syrupen) mit den Hypophogphiten des Kalkes, Natrons, Eisens u. s. w. ; sie werden
vom Erfinder unter viel Reclame als „chemische Nahrung" angepriesen.
Chylari086 ist eine Art Schleimzucker und gleichbedeutend mit Levulose,
Fruchtzucker, eine flüssige, nicht krystallisirbare Zuckerart. — S. auch Lev u lose.
Chyllirie, auch (lalacturie neunt man im Allgemeinen das Entleeren eines
milchigen Harnes , dessen chylusilhnliches Aussehen durch Beimengung von Fett
bedingt ist. Im engeren Sinne des Wortes bezeichnet man mit Chylurie nur jene
Falle, in denen der Harn neben Fett auch Eiweiss enthält, bei Abwesenheit von
Formelementen, welche auf das Vorhandensein eines Nierenleidens schliessen lassen,
in denen man also annehmen kann , dass das milchige Aussehen des Harnes von
einer Beimengung von wirklichem Chylus (s. d.) herrührt. Alle übrigen Arten
fetthaltigen Urins fasst man besser als Fülle von Lipurie zusammen. Der frisch
entleerte Harn gleicht bei der Chylurie einer Emulsion von milchweisser , gelb-
licher, auch durch beigemengtes Blut schwach - rüthlicher Farbe, oder er zeigt
ein mehr molkiges Ausehen*; nach längerem Stehen scheiden sich häufig lockere
Fibringerinnsel ab, manchmal auch eine rahmartige Fettschicht au der Oberfläche
des Harnes. Wie schon oben angedeutet, enthält der chylöse Harn neben Fett
auch stets Eiweissköper , auch Cholesterin und Lecithin wurden darin gefunden,
jedoch kein Zucker.
Das Fett kann man dem Harn durch Schütteln mit Aether direct oder nach
vorherigem Zusatz von Kalilauge entziehen. Man unterscheidet eine parasitäre
Form der Chylurie, welche in gewissen tropischen Gegenden — Brasilien, auf
den Antillen, in Indien, Aegypten, an der Küste von Zanzibar — endemisch ist
und eine nicht parasitäre Form, die bei Individuen beobachtet wurde, welche
Europa nie verlassen haben. Die entere Form wird durch die Filaria sanguinis
hominis (einem zur Classe der Nematoden gehörenden Parasiten in der Länge
von 0.3 mm und der Breite von 0.0.14 mm) bedingt, welcher bei der mikroskopi-
schen Untersuchung des chylösen Harnes gewöhnlich in Fibringerinnsol einge-
schlossen als charakteristischer Bestandteil gefunden wird. Diese Filaria sanguinis
hominis ist jedoch nur der Embryo des reifen Parasiten, welcher eine Länge von
8— 10 cm und eine Breite von 0.3 mm hat und identisch mit der beim Hunde vor-
kommenden Filaria sanguinolenta sein soll-
Real-Encyclopädie der *ea. Pharmacie. III. %igitized by Google
130
CHYLUKIE. - CHYMUS.
Ueber die Ursache der nicht parasitären Chylurie ist man noch ganz im Unklaren,
man weiss nur, dass eine tiefere Erkrankung der Niere derselben nicht zu
Grunde liegt. Loebisch.
ChyllJS oder Milchsaft nennt man die weissliche, undurchsichtige, milch-
artige Flüssigkeit, welche auf der Höhe der Verdauungszeit — 2 bis 4 Stunden nach
genommener Mahlzeit — die Lymphgefässo der DarmschleimUaut erfüllt. Während
der Inhalt der übrigen Lymphgcfässe des Körpers — die Lymphe — aus einer
leicht gelblichen, fast durchsichtigen Flüssigkeit besteht, sind die Lymphgefässe der
Darmschleinihaut wahrend der Vcrdauuugszeit mit dem Milchsafte gefüllt und
werden demgemSss auch Chylnsgcfässe genannt.
Von den zahlreichen Stoffen, welche den Inhalt des Speisebreics im Dünndarm
bilden (s. C h y m u s) können wohl die in Wasser leicht löslichen Salze und Zucker-
arten durch Aufsaugung direet in dio Blutbahn gelangen, nicht aber die Eiwciss-
stoffe, beziehungsweise deren Verdauungsproducte, die Peptone, und auch nicht die
Fette. Man nahm daher an, dass die Resorption dieser erst auf dem Wege durch
die Chylusgefässe vermittelt werde, ohne dass man über die Art des Vorganges
eine klare Vorstellung gehabt hätte. Nach neueren Untersuchungen sind es jedoch
die im Bindegewebe der Darmsehleimhaut reichlich vorhandenen Lymphzellen,
welche auf der Höhe der Verdauuug auswandern , auf die Oberfläche der Darm-
schleimhaut gelangen, sich dort mit Peptonen und Fett sättigen und dann in die
Schleimhaut und in die Anfänge der Chylusgefässe wieder zurückgelangen. Dem-
nach unterscheidet sich die Zusammensetzung des Chylus von der der Lymphe
( '«. d.) nur in Bezog auf den Gehalt an Fett und Eiwcisa , welche beide in
erstereni in grösserer Menge enthalten sind. Wahrend die Lymphe 4 — 7 Procent
feste Stoffe tnthält , enthält der Chylus deren 7 — 10 Procent, wobei das Plus
hauptsächlich auf Rechnung des Fettgehaltes kommt. Der Chylus reagirt alkalisch,
zeigt salzigen Geschmack und hat ein spec. Gewicht von 1.018 — 1.027; kurze
Zeit nach seiner Entfernung aus dem Körper gerinnt er ähnlich wie Blut, wobei
das Fibringerinnsel nach 2 — 4 Stunden ein mehr weniger milchweisses Serum aus-
presst. An Formelcmenten enthält der Chylus reichlich Lymphkörperchen. Ucberdies
enthält er sehr reichlich Fett in feinster Vertheilung, durch dieses lässt sich Chylus
von der Lymphe schon mikroskopisch unterscheiden. Schüttelt man das Chylus-
Kerum mit Aether, so wird es vollkommen klar, es sind also die Fettkörper
des Chylus durch Aether vollständig extrahirbar. Der Actherextract enthält
ausser Neutralfett noch geringe Mengen von Cholesterin und Lecithin.
Loebisch.
Chymus nennt man den nach beendeter Magenverdauung vorhandenen Speise-
brei, welcher aus dem Magen zunächst in den Zwölffingerdarm übertritt. Er stellt
eiu schwach sauer reagirendes, dickflüssiges, hellgraues Gemenge von verdauten,
halbverdauten und im Mageu unverdaulichen Stoffen dar, dessen Zusammensetzung
je nach der Qualität der Nahrung eine sehr verschiedene ist. Durch die Magenver-
dauung werden nämlich nur die Eiweiss- und Leimstoffe gelöst und in Pepton
übergeführt, während der saure Magensaft auf Amylaeeen, Cellulose, Fette. Horn-
gewebe (Nägel , Haare) , stärkere elastische Membranen keiuer Wirkung fähig
ist, daher findet man bei gemischter Nahrung im Chymus Muskelfasern , Sehuen-
stückchen, Fetttropfen, Knochen- und Knorpelreste, Pflanzengewebe und elastisches
Gewebe aufgeschwemmt.
Schon beim Eintritt in den Zwölffingerdarm trifft die alkalisch reagirende Galle mit
dem sauren Chymus zusammen, im ersten Momente (Iberwiegt namentlich bei Fleisch-
kost die Acidität des Gemisches und es werden zunächst aus der Galle die Gallen-
säuren, der Sehleimstoff. Cholesterin, ausgefüllt. Diese bilden einen dicken,
harzigen Niederschlag auf der Schleimhaut. Zugleich wird das Magenferment Pepsin
mechanisch präpicitirt, wodurch die Wirkung desselben aufhört, hingegen tritt das
Ferment der Bauchspeicheldrüse, welches in den Zwölffingerdarm ergossen wird,
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CHYMUS. — CIBOTIÜM.
131
in Wirksamkeit. Auf dem Wege vom Zwölffingerdarm zum Dünndarm geht allmälig
in Folge Sättigung der freien Säure durch die Alkalien der Galle und des Bauch-
speichels, die Reaction des Speisehreies in die neutrale und weiterhin in die
alkalische Ober.
Im untersten Stück des Dünndarmes und im Dickdarm kann jedoch die Reaction
de* Speisebreies, insbesondere bei stärkercicher Kost, in Folge auftretender Milch-
säure und Buttersäuregährung wieder sauer werden. Im Darme wirkt nun die
Galle theils als Fett emulgirend, theils die Resorption desselben durch die Darm-
zotten erleichternd. Die Fermente der Bauchspeicheldrüse wirken in dreifacher
Weise, die Amylaceen in Dextrin und Zucker umwandelnd, die Eiweisskörper
peptonisirend und die Fette zum Theil in Fettsäure und Glycerin spaltend, zum
Theil emulgirend. Es werden daher die verdaulichen Bestandtheilc des Speisebreies
im Darmcanale immer mehr verflüssigt, die gelösten Stoffe treten aus dem Darm-
rohr in das Blut und in die Lymphgefässe der Darmschleimhaut Uber, so dass
die Menge des Speisebreies in Folge Aufsaugung des löslichen Antheils von dem-
selben beim Hinabrücken nach dem Dickdarm immer geringer, die Consistenz zu-
nehmend fester wird. Der unlösliche Rückstand des Speisebreies im Dickdarm
bildet den Koth (Fäces). Der Chymus des Magens und Dünndarmes enthält auch
Gase absorbirt, u. zw. reichlich Stickstoff von mit der Nahrung verschluckter Luft,
Kohlensäure und Wasserstoff, von den im Darmchymus vor sich gehenden Gährungs-
proeessen, überdies Schwefelwasserstoff von der Zersetzung der Eiweisskörper
herrührend. Loe bisch.
Ci, früher gebrauchtes chemisches Zeichen für Citronensäure.
CL früher gebrauchtes chemisches Zeichen für Cinchonin.
Cibotium. Gattung der Famfamilie Cyatheaceae. Der Stamm nicht eigentlich
, baumartig, meistens wurzelstockartig und nur in einigen Fälleu aufrecht. Sori am
Fig. n.
Typische Ciboh um- Formen ; a, d, t Schuppen; e, h, / echte Haare. Stark vergr.
Blattrande, Indusium unterständig, muschel förmig, mit 2 derben, lederigen Klappen
sich öffnend. Die Sporangien sitzend «der kurz gestielt, mit einem vollständigen
schiefen Ringe, durch Qnerriss sich öffnend.
1. Cibotium Barometz J. Sm. Kein eigentlicher Baumfarn, wie meist
angegeben. Stamm nur 30 cm lang, 5 cm dick, niederliegend rhizomartig, mit fast
3 m langen, 1.3 m breiten, doppelt gefiederten Blättern, deren letzte Segmente zu
9 *
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132
CIBOTIÜM. — CICEB.
beiden Seiten der Mittelrippe die Sori tragen, einheimisch in Anam auf den
Philippinen, Marianen, Formosa und den Sundainseln, besonders auf Borneo.
Liefert in den Haaren des Stammes und der Wedelbasen die Hauptmasse der
als Palette Cibotii , Paleae stypticae, oder Penghawar Djambe (Heilmittel
von Djambe) in den Handel kommenden Droge. Die goldbraunen 5 — 6cm langen,
O.lmm breiten Haargebilde bestehen aus einfachen Zellen, welche durch faltige,
etwas verdickte Wände getrennt und oft an den Querwänden um die Aie ge-
dreht sind. Es sind somit echte Haare, keine Schuppen, Squamae, Lapides oder
Paleae , denn diese sind immer flächenhaft entwickelte Trichome. Der Name der
Droge würde daher richtiger sein FUi Cibotii.
Im Mittelalter war der Stamm mit den Haaren als FnUex tartaricus , oder
mit einigen Blattstielen versehen und so die Form eines Thieres annehmend als
Agnus scyticus bekannt.
2. Ci bot tum g laue um Hook, et Arn., G. Chamüsoi Kaulf. und C. Men-
ziesii Hook, auf den Sandwichinseln, C. Schiedet Schlecht, in Mexico liefern auch
das unter dem Namen Pulu zum Stopfen von Kissen bekannte Material.
Statt der arzneilich angewandten Cibotiumhaare (Ph. Kubs.] sind oft die Haare
anderer Species der Cyatheaceae im Handel, speciell die einiger javanischer Arten,
Alsophila lurida Hook, und Dicksonia Blumei Moore (Balanthium chryso-
trichum Hassk.), welche als Pakoe\ Palkoe" oder Paku Kidang bezeichnet
werden (Kidang, das javanische Reh).
Auch Pakoe* Kidang kann als Stypticum verwendet werden, so lange die Waare
aus wirklichen Haaren besteht : denn es ist wohl anzunehmen , dass diejenigen
Trichome, welche als Zellflächen auftreten, also die eigentlichen Schuppen, weniger
geeignet sind, sich Wunden dicht anzulegen und das Blut aufzusaugen, als eigent-
liche Haare. Jedenfalls ist aber eine Waare zu verwerfen, welche, wie z. B. die
Schuppen von Cyathea insignü Hook., mit Stacheln versehen sind (Fig. 11, a).
Diese Stacheln sind in vielen Fällen so hart, dass man ihre Schärfe schon mit dem
Finger fühlt. Die mikroskopische Untersuchung hat also ihr Augenmerk hierauf
zu richten. ProMi us.
CicatriX (lat.), die aus Bindegewebe bestehende Narbe, welche einen Substanz-
verlust ersetzt.
Cicer, Gattung der Papüionaceae , Unterfamilie Vicieae. Drüsig - haarige
Kräuter des Mittelmeergcbietes mit paarig oder unpaarig gefiederten Blattern und
Fig. 12. Fig. 18.
Querschnitt durch die Samenschale der Richer ; p Paliaaadenzellen, Paliasadenzellen der Richer
t Träger/eilen, m Parenchym. Vergr. 160. in der Flächenannicht.
kleinen, in den Achseln stehenden Blüthen. Hülse bauchig aufgetrieben ein- bis
vielsamig.
Cicer arietinum L., die Kichererbsc, ein 0 Kraut mit unpaar ge-
fiederten, 13- bis 17jochigen Blättern, ovalen, gesägten Blättchen, einzelnständigen
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CICER. - CICHORIENKAFFEE.
133
rothen Blüthen, deren Kelchzipfel so lang sind wie die Fitigel, und zweisaraigen
Hfllsen. Wird in wärmeren Gegenden als Hülsenfrucht gebaut.
Die Samen , deren rundlich - höckerige Form angeblich an einen Widderkopf
erinnert (daher arietinum)y werden auch als Kaffeesurrogat verarbeitet. Sie
sind mikroskopisch ausgezeichnet charakterisirt durch die ungleiche Länge
der in ihrem mittleren Abschnitte dünnhäutigen Palissaden-
zellen (Fig. 12). j. Moeller.
ClChOrienblÜthe, volksth. Bez. für Flores Malvae silvestris. — Cichorien-
saft für Syrupus Rhet.
Cichorienkaffee. Das älteste im Grossen dargestellte Kaffeesurrogat ist die
Wurzel des Cichorium Intyfms L. (Compoaitae) } deshalb nennt man häufig
Kaffeesurrogate überhaupt, ohne Rücksicht auf ihre Bestandteile , Cichorien-
kaffee. Wodurch das gemeine, an Wegrändern tiberall wachsende Unkraut zur
Auszeichnung gekommen ist, als Ersatz des edlen Kaffees zu dienen, lässt sich
nicht sagen. Major v. Heine und 0. G. Fürsteu führten 1703 den Cichorien-
kaffee ein und nahmen 1770 ein Privilegium für den Anbau der Pflanze und den
Vertrieb ihrer Wurzel in Preussen. Um dieselbe Zeit tauchte dieses Surrogat auch
in Frankreich auf. Vennuthlich gab der bittere Geschmack der als Volksheilmittel
bekannten Wurzel den Anlass zu einem Versuche, und als dieser Beifall fand,
entwickelte sich bald eine schwunghafte Industrie. Obwohl in neuerer Zeit die
Cichorie von anderen Surrogaten vielfach verdrängt wurde , behauptet sie doch
noch ihren Rang, und der Bedarf ist so gross, dass er durch die wild wachsende
Pflanze nicht gedeckt werden kann. Die Cichorie ist eine Culturpflanze geworden,
welche für manche Gegenden, wie z. B. für Mitteldeutschland (Magdeburg), von
wirthschaftlicher Bedeutung ist. Sie ist ausdauernd, ihre spindelige, wenig verästigte,
in frischem Zustande derbfleischige und milchende Wurzel schrumpft beim Trocknen
sehr stark und wird hart, hornartig.
Die Oberfläche der Wurzel ist braun , oft spiralig-runzelig. Am Querschnitte
unterscheidet man mit freiem Auge unter dem dJinnen, braunen Korke die schmal e
weisse Rinde und den eitronengelben Holzkörper mit einem eckigen Mark.
Unter der Lupe sieht man in der Rinde an der Grenze des Holzes die dunklere
Cambialzone , von welcher schwänzchenartig
F5ß u- die Markstrahlen ausgehen. Im Holze erkennt man
die Gefässporen und zarte helle Markstrahlen
in grosser Zahl als feine Radialstreifuug.
Zum Zwecke der Surrogatfabrikatiou wird die
Wurzel in Streifen geschnitten und getrocknet, so-
dann eingefettet, geröstet und gemahlen. In diesem
Zustande ist sie nur durch die mikroskopische Unter-
suchung erkennbar.
Die K o r k s c h i c h t besteht aus wenigen Reihen
mässig flacher, zarthäutiger, braun gefärbter Zellen,
Kork der et chor i eii welche in der Flächenansieht (Fig. 14) ein ziem-
w n r z e 1 in der Flachenansicht. ... , . 2; , _ \.x . „
Vorgr. itto. licn unregelmässiges Gewirr darbieten. Die primäre
Rinde sowohl wie der Bast entbehrt der scleroti-
schen Elemente vollständig. Beide sind reichlich von 0.006 — 0.01 mm weiten
Milchsaft Schläue hen durchzogen, welche untereinander mittelst spitz- oder
rechtwinkelig abzweigender Aeste in Verbindung stehen (Fig. lö). Man er-
kennt sie ohne weiters bei aufmerksamem Suchen an ihrem körnigen Inhalt,
erleichtert wird ihre Auftindung durch Färbung des Präparates. Nur darf man
sie nicht mit den Siebröhren verwechseln, welche Farbstoffe ebenfalls stärker
speichern, als das Parcnchym. Die Siebröhren kommen immer bündelweise vor,
sind nicht verzweigt, sondern aus etwa 0.12 mm laugen Gliedern zusammengesetzt.
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134 CICHORIENKAFFEE.
deren Enden callös verdickt sind (Fig. 16, •); ihr Inhalt erscheint nicht
granulirt.
Charakteristischer, weil augenfälliger als dio beiden genannten Elemente, die
doch nur von geübteren Beobachtern aufgefunden zu werden pflegen, sind die
Elemente des Holzes, welche auch quantitativ überwiegen. Namentlich dieGefässe
sind nicht zu tibersehen. Sie sind aus kurzen (am häufigsten gegen 0.2 nun .
massig weiten (am häufigsten 0.02 — 0.05 mm) Gliedern aufgebaut , deren schief
gestellte Querwände nicht oder vollkommen perforirt sind (Fig. 15). Die Seiten-
wände sind dicht mit quergestreckten, bei stärkeren Vergrößerungen als beböft
erkennbaren Tupfein besetzt. Die Gefässe sind oft radial gereiht oder doch zu
Bündeln vereinigt, selten isolirt. Sie werden durch Fuchsin am ersten und am
intensivsten roth gefärbt.
Fl*. 15. Fig. 16.
Von geringerem diagnostischen Werthe sind die beiden anderen Formelemente
des Holzes. Die Parencbym zollen sind dicht porös, die wenig derbwandigeren
Holzfasern von spärlichen schiefen Spalten durchsetzt (Fig. 15, /). Ein bei
Tangentialansichten, wie sie in Fragmenten oft sieh darbieten, Rehr brauchbares
Merkmal ist die geringe Breite der Markstrahlen; sie sind meist ein- oder zwei-,
selten dreireihig.
Der wichtigste chemische Bestandteil der Oichorienwurzel ist Zucker, ausser-
dem enthält sie einen dem Taraxacin ähnlichen Bitterstoff und Inulin.
welch letzteres im Laufe der Vegetationsperiode au Menge bedeutend zunimmt und
im Herbste gegen 50 Procent betragen kann. Bei dem Mangel an speeifischen In-
haltsstoffen ist der chemische Nachweis der Cichorie schwierig, wenn nicht gar
unmöglich.
Die nachstehenden Tabellen geben die Resultate der neuesten Untersuchungen
von Beckurts und Kaudeb (Pharm. Centralh. 1885):
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C I C II 0 R I K N K A F F E E .
135
I. Tabelle.
Berechnet auf 100 Theile des lufttrockenen Pulvera.
In Wasser lösliche Substanzen
In Wasser unlösliche Substanzen
68.54
19.1
12.38
4.01
2.2
5.65
»5.84
Asche
Fett
Stickstoffhaltige Substanzen . . .
Traubenzucker
Traubenzucker nach der Inversion
der in Wasser löslichen Sub-
stanzen
Traubenzucker nach der Inversion
der ursprünglichen Substanz
Holzfaser
Zu beachten ist, dass den Handelspräparate
der Röstung absichtlich Feuchtigkeit zugeführt
Käufliche
Cichorie.
Nr. II.
68.37
21.57
10.06
4.55
3.09
4.57
7.49
I
Käufliche
Cichorie.
Nr. III.
45.84
47.0
7.16
6.25
1.2
4.7
9.5
Gerottete
Cichorien-
wurzel.
Nr. IV.
58.85
40.25
0.95
4.62
0.7*
7.05
4.31
J. Konig's
Durch-
| Bchütta-
zahlen
1 ireröBteter
| Cichorien-
i wurzel.
Nr. V.
63.05
24.79
12.16
6.12
2.05
6.09
15.87
15.15
12.91
ll.l
9.59
>
27.26
15.52
36.7
i 12.3
y
7.01
7.53
9.65
25.98
11.0
n durch längeres Liegenlassen in Kellern nach
wird.
II. Tabelle.
Berechnet auf 100 Theile bei 107° getrockneter Substanz.
Xr. I.
I
:
In Wasser lösliche Substanzen . ' 78.3
In Wasser unlösliche Substanzen i 21.7
Asche ! 4.5
Fett ! 2.51
Stickstoffhaltige Substanzen ... 1 H.4
Tranbenzucker 7.8
Traubenzucker nach der Inversion
der in Wasser löslichen Sub-
stanzen
Traubenzucker nach der Inversion I
des ursprünglichen Präparates . i 31.1
■i-'— 8.00
,1
17.3
Xr. II.
76.01
23.99
5.06
3.42
5.08
8.33
14.24
17.25
8.38
Xr. III. , Xr. IV.
Xr. V.
47.22
50.6
6.73
1.29
5.06
10.2
11.9
39.5
10.4
57.4
41.9
4.66
0.73
7.12
4.35
9.68
12.4
26.*3
71.78
28 22
6.97
2.33
6.93
18.07
y
12.5
III. Tabelle.
Analyse der Asche.
Xr. I.
Xr. II. Xr. III. Xr. IV.
Xr. V.
Kali (K, O)
Natron (Na, O) . . .
Phosphoreanre (Pa O.)
28.25
14.60
13.25
i
22.75
16.76
10.85
18.5
6.53
6.19
38.48
8.93
16.7
38.3
15.63
12.49
IV. Tabelle.
In 100 Theilen des lufttrockenen Pulvers sind enthalten:
Xr. I.
Xr. II.
Xr. nr.
Xr. IV.
12.38
10.06
7.16
0.95
4.01
4.55
6.25
4.62
2.2
3.09
1.2
0.72
Stickstoffhaltige Substanzen . . .
5.65
4.57
4.7
7.05
Traubenzucker
6.84
7.49
9.5
4.31
8.31
5.32
1.6
5.28
Starke
10.89
2.44
23.04
2.44
Sonstige N-freie Substanzen . . .
42.71
54.95
36.9U
48.65
7.01
•7.53
9.65
*5.9S
Xr. V.
12.16
6.12
2.05
6.09
15.87
46.71
11.00
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136
CICH ORIENK AFFEE. — CICHORIUM.
V. TabeUe.
In 100 Theilen bei 107° getrockneter Substanz.
Nr. I. I Xr. II.
Asche
Fett
Stickstoffhaltige Substanzen .
Tniubenxacker
Rohrzucker, Dextrin etc. . .
Stärke
Sonstige N-freie Substanzen .
4.5
2.51
6.4
7.8
9.5
12.42
48.87
8.00
I
5.06
3.42
5.08
8.33
5.91
2.71
61.11
8.38
Nr. III.
6.73
1.29
5.06
10.2
1.7
24.81
39.78
10.4
Nr. IV.
4.66
0.73
7.12
4.35
5.33
2.45
49.13
26.53
Nr. V.
6.97
2.33
6.93
| 18.07
| 53.20
12.5
Fälschungen des sogenannten Cichorienkaffees sind sehr gewöhnlich. Man
benutzt dazu andere leicht erhältliche fleischige Wurzeln, wie die des Löwen-
zahns (Lrcmtcdon Taraxacum L.) und der verschiedenen Rübenarten
(l)ancus Carota L., Brauste t Iiapa L.y Beta vulgaris L.), am häufigsten wohl
die bei der Zuckerfabrikation abfallenden „Rnbeuscbnitzel". Der mikroskopische
Nachweis dieser und anderer Verfälschungen wird sich darauf stützen müssen, die
Merkmale der Cichorien wurzel aufzufinden und fremdartige als solche zu erkennen.
Die leitenden Kennzeichen sind die Gefässe. Beim Löwenzahn sind sie schmal
und breit (spaltenfönnig) getüpfelt, bei den Rübenarten sind sie gleich den Parcnchym-
zellen bedeutend grösser und viel spärlicher; die Rübeu ermangeln überdies der
Milchsaftgefässe.
Wie wenig diesbezüglich von der chemischen Analyse zu erwarten ist, geht
aus der folgenden , nach Künii; (Nahrungsmittel , II. Aufl.) zusammengestellten
Tabelle hervor:
In Ii
Th
1
Stick-
!' ^off-
Wasser haltis*
SiUr
stanzen
Fett
Son-
ptige
Zurkvr X freit
1 Sub
1 stanzei
Hol*
>
Asche
In 1
Wasser
löf»lioho i
Stoffe ;
Cichorie (geröstet) . .
. . . 12.16 Ü.09
2.05
15.87 46.71
. n.o
6.12
63.05
Cichorie (frisch) 75.09
Zuckerrübe S3.91
Futterrunkel 87.71
Möhren 87.05
I.
1.01
2.08
1.09
1.04
049
0.11
0.11
0.2 L
I
? 3.44
9.31 -
? 6.53
2.51 4.23
17.62 ; 0.97
2.41
2.73
1.14
0.98
2.60 1.40
0.78
1.04
0.95
0.90
J. Moellor.
Cichorium. Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Compositae. Sparrig-
ästige Kriluter mit fiederspaltigen oder grobgezähnten Blättern und blauen Blnthen-
köpfen , deren Hüllkelch zweireihig (die 5 äusseren kurz , die 5 inneren länger,
aufrecht und am Grunde verwachsen;, Blütbeu zungenförnüg, mehrreihig sind. »Sie
sitzen auf einem fast bieneuzelligen Fruchtboden, besitzen kreiseiförmige, unge-
schnäbelte Acbänien mit kronenförniigem , aus vielen Spreublättchen gebildetem
Pappus.
1. Cichorium Intybus L. } Wegwart, Cichorie, Chicoree,
Chicory, Succory, ist ein ausdauerndes Kraut mit spindelförmiger Wurzel
uud vielköpfigem Stengel, der unten mit schrotsägefönnigen, gestielten , obeu mit
lanzettlichen, sitzenden Blättern besetzt ist. Die Wurzel schmeckt bitter und milcht
im frischen Zustande.
llerba und Itailix Cicharii sind bei uns als Heilmittel nicht mehr oder höchstens
noch hie und da zu Frühlingscurcn in Verwendung; der Cod. med. bedient sich
der Wurzel zur Bereitung eines Es trautes und der Blätter als Tisane und Bestand-
teil des Sirup de Rhubarbe conqtoHe.
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CICHORIUM. — CIGARETTES ANTIASTHMATIQUES. 137
Um so ausgedehnter ist die Anwendung der durch Cultur stark vergrösserten
Wurzel als Kaffeesurrogat (vergl. den vorausgehenden Artikel).
2. Cichorium Endivia L., ein zweijähriges Kraut mit buchtig gezähnten,
oben stengelunifassenden Blättern, ist eine beliebte Salatpflanze und wird in mehreren
Spielarten cultivirt. j. Mo eller.
CiCllta, Gattung der Umbelliferae , Unterfamilie Ammieae. Ausdauernde,
hohe, kahle Kräuter mit gefiederten Blättern, zusammengesetzten Dolden ohne Hülle,
aber mit vielblätterigen Hüllchen und weissen Blüthen mit fünfzähnigem Kelch. Die
Früchte sind fast kugelig, zweiknöpfig, die Früchtchen an dem zweitheiligen Träger
haben 5 stumpfe, ungeflügelte Rippen, einstriemige Thälchen und auf
der Fugenfläche zwei genäherte Striemen.
Cicuta virosa L (Cicutaria aquatica Lam.J, Wasserschierling,
Oiftwütherich, die einzige bei uns heimische Art, ist ausgezeichnet durch
einen weissen, von Querwänden gefächerten, milchendeu Wurzelstock, dreifach
gefiederte Blätter mit schmalen, spitzen, scharf gesagten Blättchen.
Das frische Kraut hat ein schwaches Aroma, trocken riecht es gar nicht mehr,
schmeckt aber gleich dem Rhizom nach Petersilie.
In allen Theilen der Pflanze, besonders aber in dem Wurzolstock, ist das höchst
giftige Cicutoxin (s. d.) enthalten, und es sind durch Verwechslung mit anderen,
genieasbareu Rhizomen schon Todesfälle eingetreten.
Früher wurde Herba CictUae aquaticae auch als Arzneipflanze (Jiusserlich) ver-
wendet. Die
Herba Cicuta e der gegenwärtigen Pharmakopoen ist Conium (s.d.).
Cicutaöl. Das ätherische Oel der Samen von Cicuta virosa (nicht zu ver-
wechseln mit dem der Wurzel) besteht vorwiegend aus Cymol Cl0Hn und Cunün-
aldehyd C10 H13 0.
Cl'CUtaria, UmbelUfercn -Gattung Toikxefokts, synonym mit Cicuta L.
CiCUtSD, C10 Hi(j, ist das Terpcu des ätherischen Oclcs aus der Wurzel von
Cicuta virosa. Es siedet bei 166° und ist rechtsdrehend. Wie alle Terpene liefert es
mit H CI ein einfaches Additionsproduct, Cl0 Hlü . H Cl, als flüssige, in eiuem Kälte-
gemisch erstarrende Verbindung. Mit Chlor entsteht ein dickflüssiges Product,
Cl0 H,2 Cl4. Ganswindt.
CiCUtifl. Mit obigem Namen ist ein flüchtiges Alkaloid benannt worden,
welches bei der Destillation des Wasserschierlings, Cicuta virosa, gewonnen werden
soll, dessen Existenz aber sehr fraglich ist. — Das durch Destillation der Wurzeln
des Wasserschierlings mit Wasserdampf erhaltene ätherische Oel ist neutral und
enthält ein Terpen, C10II1C, welches auch Cicutin genannt wird. Es ist reebts-
drehend, hat das spec. Gew. 0.87, den Siedepunkt 1(50° und gibt mit Chlor-
wasserstoff feste Verbindungen. v. Schroeder.
CiCUtOXin ist von Böhm das active P rineip des Wasserschierlings genannt
worden ; es ist von ihm dargestellt worden als zähflüssige, amorphe, nicht trocknende,
sauer reagirende, wenig riechende, aber widrig schmeckende Substanz, durch Be-
handeln des ätherischen Extractes mit Petroleumather , in welchem sich dieselbe
nicht löst. Die trockene Wurzel gibt etwa 3.5, die frische 0.2 Procent Cicutoxiu.
Ganswindt.
CiechOCinek in Russisch-Polen, nahe der preußischen Grenze, besitzt Soolen,
welche im Liter bis zu 50 Salz enthalten , ausser Na CI hauptsächlich Mg Cl3
CaC'lj, MgBr, Ca SO,, Mg CO,, Ca C03.
Cigarettes antiasthmatiques, indiennes, pectorales d'Espic etc.,
8. unter A sthma mittel, I, pag. 690.
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138 CILIÄTA. — CINA.
C Hielt 3, Wimperinfusorien , nennt man jene grosse Abtheilung von Aufguss-
thierchen, welche ohne Geigsein und nur mit Flimmer- oder anderen Bewegungs-
haaren versehen sind. Sie haben fast stets einen Mund.
Cilieil heiasen die W imperhaare und die verschiedenartigsten , ihnen
liehen Gebilde , wie z. B. die haarfeinen Protoplasmafaden gewisser Fortpflanzungs-
zellen, die Wimpern des Blattrandes u. A. m.
CimeX leCtlllariUS (homöopathisch), alkoholische Tinctur aus der Bett-
wanze (Acanthia lectularia L.).
Cimicifuga, LiNXE'sche Gattung der Ranunculaceae , Paeonieae , welche in
neuerer Zeit mit Actaea L. vereinigt wird. — Radix Cimicifugae, Black Snake
root der Amerikaner, s. bei Actaea, Bd. I, 120.
Cimicifligin (Hacrotin) ist eine Concentration nach amerikanischer Art aus
Cimicifuga racemosa Bart. Das Cimicifugin wird in Dosen von 0.06—0.25 g als
Tonicum, Antispasmodicum, Nervinum gegeben. — S. Concentrationen.
Cina, Artname einer zur Abtheilung Seriphidium Hess, gehörigen Ar le-
rntsia (s. Bd. I, pag. 619), die Berg für die Stamrapflanze des Wurmsamens
hielt — er gründete die Diagnose auf die in der Droge enthaltenen morphologischen
Elemente — und die jedenfalls sehr nahe verwandt, wenn nicht identisch, mit
der Artemisia maritima L. oder der Var. Stechmann iana ist , welche die
neueren Autoren (Flückjoer, Hanbury nnd Besser) für die Stammpflanze der
Cina halten. Den Namen Art. Cina Berg hat auch Willkomm für die aus
Turkestan ihm mitgebrachte Wurmsamenpflanze beibehalten , die bis auf die
Anzahl der Hüllkelch blätter (hier 12, in der Droge bis 18) mit der A. maritima
L. übereinstimmt.
Artemisia Cina Berg (von der Pb. Gall., Hisp., Russ. als Stammpflanzo
der Flor. Cinae angegeben), in Turkestan einheimischer Halbstrauch mit ge-
wundenem Rhizom, zahlreichen 30 — 50 cm hohen Stengeln. Hauptinflorescenz eine
in Folge der fast anliegenden Axen besenförmige Rispe. Partialinflorescenzen
(Köpfchen, Körbchen) an den Axen in lockeren Aehren angeordnet. Basale Blätter
zur Blüthezeit bereits abgestorben, Stengelblätter ziemlich nahe bei einander, die
unteren graugrün, mit einzelnen Haaren besetzt, sonst vollständig kahl, einschliess-
lich des langen dünnen Stieles 4— 6 cm lang, im Umriss länglich, doppelt-fieder-
schnittig. Abschnitte lineal, stumpfspitzig, ziemlich lang, bis 0.5 mm breit, dicklich
mit umgerollten Räudern und starken Mittelnerven; mitt
lere und obere Stengelblätter allmälig kürzer gestielt bis
sitzend, weniger getheilt bis einfach fiederschnittig, dann
drcithcilig und zuletzt (die Hochblätter) lineal. Letztere
sehr stumpf uud kürzer als ihre achselständigen Köpfchen.
Blätter in den Achseln mit Büscheln von in der Jugend
grauweissfilzigen , zuletzt kahlen Blättern (Kurztrieben).
Die unentfaltcten Blüthenkörbchen gegen die Blüthezeit
3mm lang, länglich. Hüllkelchblättchen 12, locker
zusaramenschliessend, dachzicgelig sich deckend, sehr stumpf,
concav, mit breitem, durchsichtig trockenhäutigem Räude Cinn. geschlossen und lon
und grünem Mittelstreifen, sonst grau oder gelblichbrauu, Ptudi™1 >'«lb^- v^gr. so.
die untersten eiförmig-elliptisch, die obersten, etwa dreimal längeren, lineallänglich
und am oberen Rande mit einigen Wimperhaaren besetzt , im Uebrigen alle Blätt-
chen kahl, glänzend und auf dem Mittelstreifen sowohl aussen wie innen mit zahl-
reichen, goldgelben, harzftihrenden Papillen dicht besetzt. Die obersten Hüllkelch-
blätter schliessen 3 — 6 Blüthen ein, die zur Zeit des Aufblühens 1 — 2.4 mm lang
sind (Fig. 17). Die Blüthen sind hermaphrodit. Das Receptaculum ist flach und
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CINA.
1:J9
nackt. Der Fruchtknoten verkehrt eiförmig und kaum ein Viertel so lang, als die
umgekehrt-kegelförmige gamojx»tale Corolle, deren stumpfdreieckige Abschnitte,
Bowie die Kronenröhre zahlreiche kleinere, gelbe Papillen tragen.
Artemisia maritima L. var. StecJtmanniana Besser (A. Lercheann
Karel et Kiril, A. maritima var. a paueißora Weber, von der Ph. Brit., Un. 8t.
und Gall. als Stammpflanze der Flor. Cinae angegeben), weicht von der vorigen,
wie es scheint, nur dadurch ab, dass sie (nicht 12, sondern) 18 Hüllkelchblätter
besitzt. Doch wechselt diese Zahl uud kann hierauf wohl kaum eine Unterscheidung
gegründet werden. In der Droge finden sich meistens mehr wie 12 Hüllkelchblätter,
doch sind auch 12 nicht gerade selten anzutreffen. Jedenfalls stimmt die Droge,
wie zuerst Besser zeigte, am meisten mit den Körbchen der A. maritima L. var.
Stechmanniana überein.
Die Hauptart maritima L. ist stellenweise verbreitet über den grössten Theil
der gemässigten Gegenden Nordeuropas und Nord- und Mittelasiens, besonders an
den Küsten (daher maritima) und an salzreichen Stellen des Binnenlandes in West-
europa, Südengland, der baltischen Küste, in Südrussland, der Mongolei etc. Die
var. Stechmanniana scheint aber eine viel beschränktere Verbreitung zu haben,
wenn anders sie die Stammpflanze des Wurmsamens ist, denn letzterer kommt und
kam nur aus der Kirgisensteppe, aus dem Gebiete des Don, der unteren Wolga
(8arepta) und Turkestan, besonders dem Flussgebiete des Arys-su, stets in gleicher
Beschaffenheit zu uns, nirgends sonst her. In ungeheurer Menge wächst sie
in der verbältnissmässig feuchten Umgegend von Tschenken t. Diese Varietät unter-
scheidet sich von der reinen maritima durch niedrigeren Wuchs und wenig be-
blätterte, kahle Blüthenstände. Ledeboür hält sie für eine eigene Art.
Bextley and Trimex geben von dar A. mar itima var. Stech-
manniana, die sie als synonym mit A. paueißora Weber, A. marit. var.
paueißora Ledeb. A. Lercheana Kar. u. Kir. (non Weber) bezeichnen, unter
Voranstellung des Namens A. paueißora Weber (non Willd. nec Bieb.) folgende
(von einer Abbildung begleitete) Beschreibung:
Eine kleine, halb strauchartige perennirende Pflanze mit einem geknoteten, faserigen Wurzel-
stock, der sich nach oben verzweigt und ans welchem zahlreiche kurze blätterige Schösslinge
nnd viele aufrechte Stengel, ungefähr 1 Fuss hoch, entstehen. Die Stengel sind schlank, zart,
cylindrisch , zuerst gleichmässig mit einem feinen weissen Filz bedeckt, später kahl und nur
stellenweise wollig, zuerst am unteren Theile beblättert, später kahl, oben reich verzweigt;
die Zweige sind anfrecht. Die Blätter klein, die grössten bis zu 1 Zoll lang, alternirend, die
der blätterigen Schösslinge lang gestielt, tief doppelt flederspaltig, die Segmente stumpf linear;
manchmal wieder dreitheilig, eingerollt und sehr wollig, wenn sie jung sind, nachher grau;
die Stengelblätter an kürzeren Stielen und mit engeren Segmenten, bald abwelkend, die obersten
einfach. Die Köpfe klein, ungefähr '/,„ Zoll lang, oval-oblong, stumpf, sitzend oder kurz ge-
stielt, in den Achseln von kürzeren, linearen Blättern, anfrecht, etwas dicht um den oberen
Theil der schlanken ruthenfönnigen Zweige gereiht, unterbrochene, verlängerte, spitze Rispen
bildend; das Ganze zeigt eine ziemlich dichte, aufrechte, besenartigo Inflorescenz; die Reihen
der Hüllkelchblätter lü — 18, ziegelig übereinander gelegt, die äusseren die kürzesten, die
innersten die längsten, oblong, stumpf, concav, die inneren an der Spitze eingekerbt, alle mit
einer breiten, dicken, gelblichgrünen Mittelrippe, gewöhnlich mit kurzer, grauer Wolle bedeckt
nnd (die änssersten ausgenommen) mit einem durchscheinenden, trockenen, kahlen Rande ver-
sehen (am breitesten in der inneren Reihe), an welchem zahlreiche, zerstreute Drüsen sitzen.
Blüthen 3 bis 5 in jedem Kopfe; Kelch ein blosser Kand; Blumenkrone röhrenförmig, alhnälig
an der Basis verengt, mit 5 kurzen dreieckigen Segmenten , die Röhre änsserlich mit Drüsen
bedeckt ; Stamina mit einem terminalen Spitzchen ; der Griffel mit 'i kurzen dicken Schenkeln,
oberwärts breiter mit büschligen Enden.
Sollte sich die Identität der A. Cina mit der A. maritima L. var. Stech-
manniana herausstellen, so müsste der letztere Name aus Prioritätsgründeu voran-
gestellt werden.
Auch A. pauciflora Weber wird von Einigen (Bextley and Trimex) als
identisch mit A. maritima L., und A. Lercheana als eine Varietät der A. mari-
tima betrachtet (Boisseer).
FLtCKlGEK fand, dass Willkmom's A. Cina Berg mit der Artnnisia paueißora
bei Bextley and Trimex (aus der Dsungurei), ferner mit den ihm aus Sarepta
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140
CINA.
und Zaritzin (an der unteren Wolga) gesandten, als wurmsamenliefernd bezeichneten
Pflanzen, sowie mit der Droge des deutschen und russischen Marktes übereinstimmt.
Ihm folgend gibt die Ph. Genn. 11. als Stammpflanze der Flor. Cinae Artemisia
maritima vor. , die Ph. Brit. , Un. St. und Gall. A. maritima var. Stech-
manniana an.
Sicher ist, dass der Wurmsamen des deutschen und russischen Handels, wie
schon Berg nachwies, weder von Artemisia Vahliana Kosteletzky (A.
Contra Vahl) , wie Treviraxus und Nees glaubten und die Ph. Austr., Hung.
und Rom. noch jetzt irrthtlmlich angehen , noch von Art. Sieberi Betts, oder Art.
inculta Delile (Berg), noch \on Artemisia Contra L.f wie die Ph. Belg, und
Graec. meinen, stammt (Tschircb). Reine der beiden Pflanzen liefert irgend
welchen Wurmsamen. Die Ph. Dan., Fenn., Helv., Ncerl., Norv., Suec. lassen es
unbestimmt, welches die Stammpflanzc ist und bezeichnen nur verschiedene Species
der Gattung Artemisia als Cina liefernd. Bei der Unsicherheit, die zur Zeit über
die Stammpflanze noch herrscht , dürfte es das Richtigste sein, dieselbe in folgen-
der Weise zu bezeichnen: Artemisia -Arten der Abtheilung Seriphi-
dium (A. maritima var. Stee/tmatniiana?).
Floren Cinae oder Striae (von dem italienischen Hcmenza [Samen], senien-
zina. Sementina [Diminutiv davon] abzuleiten, also Samen **t' icfiyr^), Cina
anthodia , Capitule Cina , Semen Cinae , Semen Contra , Semen Santontei,
Semen sonetum, Santonica, Simiente de Alejandria, Semcncinc ou
Barbotine, Cina, Sem. Zedoariae, Zittwersamen, Wurms amen, Worm-
seed. Scmi da vermi, Semente da vertni. In allen Pharmakopoen.
1. Die levantische Cina (richtiger russische Cina), alleppische oder
alexandrinische Cina, igt der jetzt al lein in Gebrauch gezogene Wurm-
samen. Er kommt in Sacken zur Ztit vornehmlich aus der Kirgisensteppe, be-
sonders dem Bezirke Semipolatinsk, über Orenburg n*eh Nischni-Nowgorod f während
der grossen Messe, 15. Juli bis 27. August, der Hauptstapelplatz für Cina) und
von dort uaeh Moskau, Reval, St. Petersburg und Stettin, aber auch aus dem
eigentlichen Turkestan, wo die Wnrmsamenpflanze im Thaie des in den Syr-
Darja mündenden Gebirgsflusses Arys-su (Arissi) im Tschenkent'sehen Kreise (dort
heisst die Pflanze Darmena > sogar cultivirt wird, in den Handel. Um die theuren
Transportkosten zu sparen (U8 Procent der Droge sind Ballast, da sie nur 2 Procent
Santonin liefert), wurden vor einiger Zeit Santouinfabrikcu in Orenburg (188G ein-
gegangen) und in Taschkent und Tschenkeut (Ivaxoff & Ssawinkoff) im Sir Darja-
gebiete eingerichtet, die den grössten Theil der Ernte sofort verarbeiten. In der
Gegend von Sarepta wird zur Zeit koiu Wurmsamen mehr gesammelt (Flückiger).
Auch in Südamerika soll jetzt Cina cultivirt werden. Auf der südamerikanischen
Ausstellung in Berlin 1886 sah ich keine Proben davon. Auf Santonin wird die
Cina ausser in Deutschland (Boehr 1 x < j kr) wenig, angeblich nur in New- York und
Edinburgh (und den oben genannten Orteu) verarbeitet. Eine gute Methode zur
Santoninbestimmuug in der Cina gab Ehlinger (1886).
Die Droge des heutigen Handels ist sehr gleichförmig und rein, in den besseren
Sorten sogar noch von schön grüner Farbe. Sie wird fast ausschliesslich von den
(in verschiedenen Stadien der Entwicklung befindlichen) unaufgeblüthen, daher noch
geschlossenen, länglich prismatischen Blüthenkörbchen gebildet, nur wenige dünne,
kable, 2 — 3 mm lange Blüthenstielehen oder Stengelreste und lineale, drüsige, kahle,
rinnige Blattzipfel oder Blattreste finden sich hier und da darunter (nach der I*h.
Germ, dürfen sie nicht darin sein). Niemals fand ich darin die Körbchen anderer
Artemisieu. Die (einzeln oder seltener zu zweien an kurzen Stielen sitzenden) Blüthen-
körbchen sind 2 — 4 mm lang (2 mm Ph. Austr., Dann., Hung., Neerl., Un. .St.,
2.5 mm Ph. Brit., 3 mm Ph. Hisp.), 0.5 — 1.5 mm breit, fast kahl, etwas glänzend,
grün, graugrün, die schlechteren und Alteren Sorten braungrtin (die Droge dunkelt
nach), beiderseits verschmälert. Der dachziegelige Hüllkelch umschiiesst 3 — 5 Bltitheu,
die noch unentwickelt sind : ihre Narben sind noch nicht getrennt. Die Blüthen sind
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CINTA.
vollständig in dem Hüllkelch verborgen und oft so klein, dass man sie kaum
wahrnimmt. Sie besitzen einen glockenförmigen, bräunlichen Saum. Die 12 — 20
(12 — 18 Ph. Germ.) Hüllkelchblätter sind anliegend, die unteren kleiner (daher
ist das ganze Köpfchen nach unten verschmälert) « entfernter und eiförmig, die
oberen dichter gedrängt, mehr länglich und spitzlich, auf dem Rücken stark ge-
kielt und dort an dem zarten , bis dicht an die stumpfe Blattspitze verlaufenden
Mittelnerven mit (besonders bei den jüngsten Körbchen sehr zahlreichen) kleinen,
glänzenden Oeldrüschen besetzt, am Rande farblos durchscheinend, häutig, drüsen-
los, feingestreift, hier und da an der Spitze etwas ansgebissen. In Folge der
Kielung der Hüllkelchblätter erhält das Köpfchen ein unregoltuässiges höckeriges
and gerundet-kantiges Aussehen.
Die Anatomie der Deckblätter ist einfach. Der Kiel besteht aus einem kleinen
Bündel, um welches sich grünes Palissadenparenohym lagert. Die Flügel sind ein-
zellig. Wo diese dem Mitteitheile ansitzen, sind besonders auf der Aussenseite die
kleinen Oeldrüsen der Epidermis eingefügt. Sie besitzen den Bau der Labiateu-
drüsen, haben aber nur zwei Secernirungszellen. Die bei Artemisia-Arten sonst so
verbreiteten T-förmigen Haare fehlen der Abtheilung Seriphidium.
Die Droge besitzt eine körnige Beschaffenheit, d. h. die einzelnen Blüthen-
körbchen hängen, da sie kahl sind, nicht durch Filzhaare zusammen. Nur sehr
selten ist ein schwach behaartes Köpfchen beigemengt. 100 Köpfeben wiegen nur
0.08 g (FlCckigbb).
Sic besitzt einen eigentümlichen , durchdringenden , kräftig widerlich aroma-
tischen Genich und einen bitteren, ekelerregenden, etwas kühlend gewürzhaften
(Ph. Germ.) Geschmack.
Die Cina aus Sarepta und Zaritzin, die Fllckigrr von dort erhielt und die
wohl mit der früher einmal von dort in den Handel gebrachten übereinstimmt,
zeigt schön rothe, aus dem Fruchtkelche hervorragende aufgeblühte Corollen. Einer
anderen thut Bbbg Erwähnung mit dem Vermerk , dass dieselbe als levantische
Cina über Petersburg in den Handel kam und angeblich von Kalmücken nach
lüscbni-Nowgorod gebracht worden war. Sie hatte ein matteres, verstäubtes, nicht
lebhaft grünes Aussehen und schien unter der Lupe etwas behaart. Bebg glaubt,
dass sie von der gleichen Stammpflanze abzuleiten sei.
Die indischen Bazare führen eine Cina, die von der levantischen nicht wesent-
lich abweicht ( Fi.Cckiger-Hanbuby). Sie heisst in Bombay Kinnänee owa und
wird aus Afghanistan, Persien und Cabul nach Bombay gebracht (Dymockj.
Die levantische Cina, deren beste, gesiebte und vom Staub befreite
Sorte wohl als FLores Cinae in granis s. depurati geführt wird, ist die einzige,
die für uns in Betracht kommt. Die anderen Sorten sind, seitdem das Santonin
in Fabriken dargestellt wird, aus dem Handel verschwunden oder doch sehr selten
geworden. Es sind dies:
2. Floren Cinae rossici a. indici, indische Cina (verboten von der Ph. Austr., Dan.,
Uung., Runs ). Dieselben wurden in den Steppen an den Ufern der Wolga bei Sarepta und
Saratow gesammelt. Sie besitzen eine mehr odor minder entwickelte, spinnwebige Haarbekleidung,
die Droge ist daher nicht voji körniger Beschaffenheit. Die indische Cina ist breiter und grösser
als die levantische, oft schon anfgeblüht und mit grösseren Drüsen besetzt. Die mir vorliegende
Droge ist sehr unrein.
Berg unterschied davon 2 Sorten:
a) Florea Arteminiae pauciflorae s. Cinae Indici s. Semen Cinae Indicttm von
Artemütia patteiflora Stechm. und Art. monogyna Waldst. <£ Kit. microeephala DC. Die
Bluthenkörbchen sind theils geschlossen und länglich, theils geöffnet und dann becherförmig,
braun, 3 — 4 mm lang, 1 — 2 mm breit, mit zarten, weisslichen, längeren oder kürzeren, spinn-
webigen Wollhaaren locker besetzt, so dass sie auch erst nnter der Lupe sichtbar werden.
Die inneren Hüllkclchschuppen sind schmal lanzettlich, glänzend, mit starkem, fast auslaufen-
dem Kiel , an diesem mit grösseren , gewöhnlich orangerothen Oeldrüsen besetzt , am Ende
häutig, durchscheinend, die aufgeblütheu BlUthen haben eine schön rothe Farbe. Diese Sorte
ist nie so rein, wie die vorige und enthält noch reichlich spinnwebig wollige Aestcheu und
auch fremde Beimengungen; in Masse gesehen hat sie eine gelbbräunliche Farbe.
b) Flor es Artetnisiae Lercheanae von Artemisia Lercheana Stechm., Gmelittiana
DC. Sie unterscheiden sich von der vorhergehenden Art durch den dichten grauweissen Ueberzug.
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CINA.
3. Flores Cinae barbarici, Sem. Cin. barbaric. e. a/riean., afrikanische oder
berberische Cina (verboten von der Ph. Belg., Austr.. Dan., Hang., Rns8.), von Artemisia
ramosa Smith (?J. Diese Sorte kommt jetzt gar nicht oder nur noch äusserst selten ans Nordwest-
Afrika in ovalen, umflochtenen Ballen über Livorno in den Handel. »Sie bildet ein bräunlich-
weissgraues, durch reichliche Behaarung locker zusammenhängendes und leichtes Gemenge von
zerbrochenen Aestchen, Blättern und sehr unentwickelten, gehäuft sitzenden Blüthenküpfchen.
Die älteren Köpfchen sind rundlicheiförmig, graubräunlich, durch starke Behaarung fast weiss-
lieh grau , mit stumpfen Hüllkelchblättern , deren untere rundlich , deren obere eiförmig sind
und 1—3 sehr kleine Blüthenknospen einschliessen (Berg). Rosenthal leitet den afrika-
nischen Zittwersaincn von A Sieberi Hess. (A. ylomerata Sieb., A. contra Lj, Schleiden
von A. inculta Del. ab. Die berberische Cina ist durch Granfilzigkeit uharakterisirt (Ph.
Austr.. Dan., Hang.). Bichl i fand (1885) Sem. Cin. burbur. santoninfrei.
4. Flor, Cinae ostitidici, jetzt nicht mehr im Handel, auch früher sehr selten, von
dunkelgraubrauner Farbe. Die Köpfchen gleichen in Grösse und Umriss fast den lovantischen,
die Hüllkelchblätter sind aber ohne Röckenleiste, glänzend, mit wenigen, aber etwas grösseren
Drüsen als bei der levantischen Sorte, mit geringem Haarüberzug, die innersten vollständig
durchscheinend-häutig. Die Blütheu sind aufgeblüht und fast 2.5 mm lang (Schleiden).
Die Blüthenkörbchen der Artem. gallica JU., in denen Santouin enthalten ist,
werden seit altershcr in Frankreich als Wurmmittel benutzt (Flockiger), ebenso
andere Arten in anderen Ländern (Rosenthal). Unter dem Namen Sem. Ginac
hungaricae besitze ich eine Droge fraglichen Ursprungs, die fast nur aus ent-
wickelten Blflthen untermischt mit Hüllkelchblattern besteht.
Ausdrücklich lovautische Cina verlangen die Ph. Austr., Dan., Fenn., Norv.,
Russ., Neerl., Suec. letztere beide noch ausdrücklich die über Russland eingeführte
Waare (Hirsch^. Nach dem Wortlaut des Textes ist auch nur diese von der
Ph. Germ. II. erlaubt. Verboten werden von der Ph. Belg, die berberische, von
der Ph. Austr., Dan., Hung., Russ. diese und die indische Cina.
Die jetzt im Handel befindliche levantische Cina ist sehr rein. Verfälschungen
kommen kaum vor, man hat nur darauf zu sehen, dass die Farbe der Droge mög-
lichst grün ist, ein sicheres Kennzeichen frischer Waare.
Von möglichen Verfälschungen seien genannt: Flor. Tanäceti, Santolinae,
Artemisiae camjtestris (wohl am ehesten % möglich), Fruct. At/jotcanae und Petro-
selini. Alle diese Verfälschungen sind 'leicht zu erkennen, mir aber noch nie
begegnet.
Zu verwerfen ist eine dumpfig riechende, bleiche oder braune oder mit zu vielen
Stengeln, Blättern i Ph. Germ., Russ.) oder Sand vermischte Waare. Letztere Ob-
jecte sind eventuell auszulesen (Ph. Belg.. Rom.).
Die Hauptmenge der Droge geht nach Deutschland, besonders wohl zur Santonin-
fabrikation. Die Sendungeu waren 1885 schon spärlicher geworden (Gehe).
Aufbewahrt wird die Droge in Blech- oder Glasgefässen vor Licht geschützt.
Behufs Pnlverung trocknet man zuvor bei 30°. Bei 50 — tiO° getrocknete wird er-
fahrungsgemäss von Kindern besser vertragen. Flor. Cinae ejaticeatt\ heiss prä-
parirte Zittwersamen , ausgetrocknete Cinablütheu , bereitet man in der Weise,
dass man 2—3 Tage im Trockenschrank, hierauf 12 Stunden im Wasserbade
trocknet und daun pulvert , auch diese Cina wird besser vertragen. Durch die
Manipulation wird das ätherische Oel zum Theil entfernt.
Die levantische Cina enthält 1 — 3 Pr*»eent ätherisches Oel < 0.910 — 0.915 spee.
Gew., Flückigkri . vornehmlich wohl aus C10 II10 0 besteheud. von demselben
Gerüche wie die Droge, und zu 1.5— 2 Procent das (von Apotheker Kahler 1830
entdeckte) die wurmtreibende Wirkung der Droge bedingende Santouin, ClfV Hia 03?
einen Körper, der ausser iu der Abtheilung Seriphidium der Gattung Artemixia
(A. gallica gehört in dieselbe j in keiuor anderon Pflanze bisher gefunden wurde.
Es fiudet sich schon in der Droge selbst krystallisirt vor und kann durch Auf-
weichen derselben in einem Tropfen Wasser und Auseinanderlegen der Hüllkelch -
blätter leicht mit dein Polarisationsmikroskop erkannt werden. Die levantische Cina
enthält nach Fr.f < kk;kr und Ehlixger): im Mai 0.151 Procent. Jnni 0.470 Pro-
cent, Anfang Juli l.OOii Procent, Ende Juli 1.315 Pr«>cent, August 1.141 Procent,
September nichts (russischen Kalenders;. Santouin ist nur in den oberirdischen
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CINA. — CINCHONA.
143
Theilen vorhanden, nicht in der Wurzel. Ferner enthält die levantische Cina Cinen,
C'inaben, Harz, Malatc, Schleim, Bitterstoff, Cerin , Zucker (Wackenkodkb). Die
Droge enthält etwa 10 Procent Wasser (Flückiger) und 6.5 Procent Asche, darin
18 Procent Kieselerde (Jahns).
Man verwendet Cina als Wurmmittel vorzüglich gegen Nematoden (Ascan's
Unnbricoide*), doch wird die Droge selbst oder die daraus bereiteten Oonfectio
Cinae, Extractum Cinae aethereum, Syrupus Cinae immer mehr durch das Santonin
selbst ersetzt, welche« eine sichere, gleichmäesigere und reinere Wirkung übt.
Dem letzteren sind auch die wiederholt vorgekommenen Vergiftungen zuzu-
schreiben. Einzelgaben von Flores Cinae sind 0.5 — 2.0, nach 10.0 hat man
schon tödtlicbe Vergiftung beobachtet. Als Gegenmittel ist vor Allem die Ent-
leerung des Magens vorzunehmen , dann können Analeptica gereicht werden.
Eine gewöhnliche, noch nicht als toxisches Symptom zu deutende, aber immerhin
zur Vorsieht mahnende Erscheinung beim Gebrauche der Cina ist das Gelbsehen.
Auch ist der Harn (bei saurer Reaction) oft gelb gefärbt und wird bei Zusatz von
Alkalien purpnrroth.
Literatur: Bentley and Trimen, Medic. plant*. Nr. 157. — Besser, Ball. Soc.
imp. d. Mose. VII. 1834. — Boissier, Flor, orientalig. III. — Berg-Schmidt, Atlas.
Tat". XXIX c. — Will komm, Ueber die Stammpflanse der Flor. Cinae leianticae. Botan.
Zeit 1872. — Faust o. Horn ev er, Ber. ehem. Ges. 1874. — Jehn, Arch. d. Pharm. 32.
— Kahler, ebenda 34. — R. Mayer, über das Santonin, Inaug.-Wssert. Tübingen 1838.
— Vogl. Commentar zur Österr. Pharm. — Schleiden, Handb. d. medic.-pharjj. Bot. 18 >2.
— Flockiger, Pharmacognosie und Arch. Pharm. 1886. — Flückiger-Hanbury,
Pharmacograpbia. — Dymock, Veget. mat. med. of West. Ind. — Die chemische Literatur in
Hasemana-Hilger, Pflauzeostoffe. Tschircb.
Cinchamidin, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 695.
Cinchen, s. ch i n a a I k a 1 o i d e, Bd. II, pag. 688.
CinchOCerOtl'n, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 695.
CinChOÜn, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 695.
Cinchomeron säure. 8. chinaalkaloide, Bd. n, pag. 673.
•
CinChOna, Gattung der Rubiaceae, Cnterfamilie Cinchoneae, Section Eucin-
choneae. Die Schreibweise Cinchona ist aus Rücksichten des Wohllautes jetzt
allgemein eingebürgert, obwohl sie, da die Pflanze zur Erinnerung an Anna von
Osorio, Gräfin von Chinchon, Vicekönigin von Peru (1629 — 1 639 ), benannt wurde,
richtiger Chinchona (Tschin Schöna) heissen müsste, welche Schreibweise Makkham
''1*74; in einer besonderen Streitschrift warm verfocht.
Die Cinchonen sind in der Andenkette des westlichen Südamerika einheimisch,
die gute Chinarinden liefernden jedoch auf einen t>estimniten Höhenbezirk be-
schrankt und an eigenartige klimatische Verhältnisse gebunden i's. Chinarinden;.
Durch Cultur sind sie nach Java, Ostindien, Ceylon . .lamaica und andere Orte
verpflanzt.
Die Cinchonen sind hübsche (habituell unserer Syringe ähnliche), immergrüne
Gewächse von Strauch- oder (meistens; baumartigem Wuchs und bitterer Rinde, die
gegenstandigen Zweige sind cylindrisch und stumpf-4kantig. Der Habitus der
südamerikanischen Cinchonen ist vortrefflich ö<-'i Wei>dkll, der der Culturbiiume in
Java sehr charakteristisch bei Mokxs ( photographisch ) wiedergegeben. Die selbst am
gleichen Baume bisweilen in Gestalt und Grosse veränderlichen Blätter sind entweder
krautig oder etwa^ lederig, glänzend, gegenständig, gestielt, eiförmig, verkehrt-eiförmig
elliptisch, lanzettlich, selten herzförmig, stets ganzrandig, glatt oder höchstens am
Rande etwas zurflekgebogen, feingeadert und in den Winkeln der Nerven der l'nter-
seite oftmals mit je einem, oberseits beulenartig hervortretenden, mit einem Haar-
büschel versehenen und durch diese* verhüllten Grübchen i Ki xtzk's Blattscropheln,
Folia scrobiculata der Autoren; ausgestattet. Die grübchenblüttrigeu Cinchonen
sind im Allgemeinen die chininreichsten. Den chtninarmeu pflegen dieselben zu
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144
CINCHONA.
fehlen. Jugendliche Blätter sind bisweilen Unterseite purpurn , bei einigen Arten
färben sich die Blätter vor dem Abfallen purpurfarben. Die hinfälligen Nebenblätter
sind innen am Grunde drüsig. Der kräftige, oft schön purpurfarbene Blattstiel
erreicht im Maximum ein Drittel der Länge des Blattes, meist ist er kürzer.
Die Blüthen stehen in reichblüthigen , endständigen, ansehnlichen, oft etwas
sparrigen Rispen, die in der unteren Hälfte meist Hochblätter tragen. Die Blüthen
selbst sind weiss, rosa-, violett- oder purpurfarben, schwach riechend, meist özählig,
hermaphrodit , actinomorph , heterostyl-diuiorph (selten triniorphj. Blüthenformel
K (5) C (5) A 5 G j. Der Kelch ist kurzglockig, meistens özähnig uud stete bleibend.
Fig. 18.
Cinehona Üali$aya ß Joirpkima Waid. A Stück des blühenden Zweiges in natürl. Grösse ;
H Hlüthe ' Krone aufgeschlitzt; O reife Kapseln natürl. Grosse; £ eine Kapsel mit zur
Hälfte abgetragener Schale, um die Lage der Samen zu zeigen; t' Kapsel quer durchschnitten;
9 Same im Längsschnitte (Lach Lueraseio.i
Die Corollc ist BtMtellerförmig, oftmals weichbehaart, mit langer, gerader, cylindrischer
oder in der Mitte oder am Grunde etwas bauchiger, runder oder stumpft'ünfkantiger
Röhre und kahlem oder behaartem Schlünde. Die 5 kurzen, zarten Corollenlappen
sind in der Knospe klappig (für die Eucinchonen charakteristisch), bei der aufge-
blühten Blllthe stehen sie horizontal ab. Sie sind am Rande lang gewimpert. Das
Androeceum besteht aus 5, der Corollenröhre ziemlich tief inserirten Staubfäden.
Dieselben besitzen bei der langgrifHigen Form kurze Filamente und sind alsdann
in der Kronröhre eingeschlos-eu, bei der kurzgriffligen Form dagegen lange Fila-
mente und ragen alsdann aus der Kronröhre hervor. Bei der, übrigens nur bei
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CINCHONA.
145
zwei Exemplaren beobachteten, Mittelform sind die Narben fast sitzend und die
Stamina mittellang (Kuntze). Die Antheren sind länglich oder lineal, am Racken
angeheftet. Der epigyne Discns ist polsterförmig, der behaarte Fmchtknoten kreisel-
formig-ellipsoid. Er ist zweifächerig und enthält zahlreiche Ovula, die einer linealen
Pbcenta aufsitzen. Der Griffel ist fadenförmig; er ist bei der knrzgriffligen Form
in der Kronröhre eingeschlossen, bei der langgriffligen Form dagegen ragt er eben
aus der Corollenröhre hervor. Die zweifächerige, aus 2 Carpellen entstandene
Frucht ist eine trockene Kapsel, sie ist eiförmig bis cylindrisch, vom bleibenden
Kelche bekrönt, beiderseits mit je einer Längsfurche versehen, im Uebrigen glatt
cxler mit 4 — 6 (meist 6) Längsfurchen auf jedem Carpell. Die Kapsel springt von
unten nach oben wandspaltig (Unterschied von Ladenbergia) auf, oben werden die
Fächer durch den Kelch zusammengehalten. Die zahlreichen Samen sind dachziegelig
auf der kantig-fltlgcligen Placenta (für die Eucinchonen charakteristisch) angeheftet.
Sie sind schildförmig und ringsum mit einem eiförmigen, länglich elliptischen,
netzigen, am Rande etwas unregelmässig zerschlitzten Flügel versehen. Endosperm
reichlich vorhanden, fleischig, Embryo gerade, axil, Cotyledonen eiförmig. Radicula
cylindrisch, abwärts gekehrt.
Bei der Diagnose der Cinchonen kommt es an auf Grösse, Form und Farbe
der Blatter, Vorhandensein oder Fehlen, sowie Vertheilong der Blattgrübchen, Form
der Nebenblätter , Farbe der Rinde, Form., Grösse und Farbe der Corollenröhre,
Querschnitt derselben, Form und Grösse der Kapsel, Vorhandeuseiu oder Fehlen
Ton Rippen an der Kapeel. Form und Anordnung der Kelchzähne, — wie man
siebt, fast Alles nebensächliche Unterscheidungsmerkmale.
Die Cinchonen haben heterostyle Blüthen , d. h. es finden sich bei jeder Art
oder Hybride Biluine. deren Blüthen nur lange Griffel und kurze Staubgefässe
haben (makrostvle Form) und zugleich Bäume, deren Blüthen nur kurze Griffel
und lange, beziehungsweise höherstehende Staubgefässe besitzen (mikrostyle Form).
Eine dritte Form kommt als sehr selten nicht in Betracht. Die heterostylen Blüthen
Kind nun in der Regel auf wechselseitige Befruchtung angewiesen, um guten, reich-
liehen Samen (in manchen Fallen, wie bei anderen Pflanzen nachgewiesen, um
Oberhaupt Samen) hervorzubringen. Daraus folgt, dass man umgekehrt die Unregel-
mässigkeit der Hybridation steigern kann, wenn man mit laugen Staubgefässen
der mikrostylen Form eines Bastardes die kurzen Griffel derselben Blüthenform
einer echten Art befruchtet, beziehungsweise im anderen Falle, mit dem Pollen der
luakrostylen Form eines Bastardes die Griffel der mikrostylen Form einer echten
Art. Die künstliche Befruchtung selbst geht leicht vor sich, wenn mau die Corollen
der zu befruchtenden Sorte halbentwickelt, also mit noch nicht stäubenden Pollen,
etwa im Zustande der Blüthenknospeuentfaltung, abzieht und dafür die entwickeltere
Corolle mit stäubenden Pollen der anderen Sorte über den frei gewordenen Griffel
schiebt. Dieses Verfahren hat Kuntzk vorgeschlagen, um durch Züchtung irregu-
lärer Hybriden den Chiningehalt der Rinden, der nach Kiwtze's Erfahrungen
durch Hybridation, besonders irreguläre, wachst, zu steigern. Andererseits ist
Kuntzk zu dem merkwürdigen Resultat gekommen, dass die Cinchonen trotz der
Heterostylie nicht auf Insectenbefruchtung angewiesen sind: sie haben nämlich
keinen cohärenten, grossen oder klebrigen Pollen, sondern winzig kleinen, losen,
staubenden Pollen, der auf Windbestäubung folgern lässt; ausserdem besitzen
die Cinchonen keinen auffallenden Geruch, wie auch De Vrij bestätigte, und keine
prellen Blüthenfarben ; aber eiue der letzteren Eigenschaften pflegen auf Insecten-
befruchtung angewiesene Blüthen stets zu besitzen. Dann ist die Fruchtbarkeit der Cin-
chonen mit wenigen Ausnahmen (C. Ledijeriana) eine so ausserordentliche, wie man
sie bei Insectenbefruchtung kaum erklären kann; liefert doch ein einziger müssig grosser
Baum in den Culturen 15—20 Pfund Samen und rechnet man doch 80000—250000
Samen auf 1 Pfund. Grosse wilde Bäume dürften das Vierfache produciren.
Der Samen ist geflügelt, klein, sehr leicht und demgemflss zur Verbreitung durch
den Wind ausschliesslich angepasst; trotz der ungeheuren Samenverbreitung durch den
B-Ü-Kncyelopädi* der ge«, Püunuucie. HI. ■ 10Digitized by GoQgle
146
CINCHONA.
Wind ist die freiwillige Samenkeimung dennoch eine recht beschränkte; man fand
die Samen auf Java freiwillig nur in vermoderten Baumstfimmen keimend, im Glas-
kasten des Gewächshauses keimen sie dagegen massenhaft.
Die Cinchonen blühen fast das ganze Jahr hindurch, so dass Blüthen und Früchte
neben einander am gleichen Baume vorkommen.
80 ausgeprägt die Gattungscharaktere der Cinchona anderen verwandten
Gattungen gegenüber sind, so wenig scharf sind die Charaktere der einzelnen Arten
festzustellen. Selbst die WEDDELL'schen Reihen (s. unten) kann man im günstigsten
Falle als Abkömmlinge mehrerer dicht nebeneinander herlaufender Reihen be-
trachten. Allerorten finden sich Uebergänge und trotz der zahlreichsten Bemühungen
ist es bisher noch nicht gelungen, in völlig befriedigender Weise die Systematik
der Cinchonen ihres Wirrwarrs zu berauben.
In de Candolle's Prodromus finden wir 16 Arten, bei Howard 38, bei
Triana 35, bei Wbddell 33 und 18 Subspecies, bei Baillon 20 und Kuntze
kennt nur 4. Am weitesten fasst Karsten, an den Eintheilungsprincipien Linne's
und Endlicher's festhaltend, die Gattung Cinchona. 8eine Eintheilung ist:
Cinchona L. \. Kapsel öffnet sich vom Grunde an, die Klappen bleiben mittelst des
Kelchsauines lange vereinigt. Blume ögliederig. Quinquina Cond.
a) Kinakina Adanson. Blume klein, Kronsaum bartig, Blätter meist kleiner, oft drüsen-
grubig, Kapsel klein.
Cinchona Calisaya, Trianae , lancifolia , pubescens , cordi/olia, tucujensis , succirubra,
coccinea, officinalis, macrocalyx, glandulifera, nitida, pur pur ea, corymbosa.
b) Muzonia Weddell. Blume gross, Kronensaum bartlos, Blätter und Kapseln gros», erstere
krautig, ohne Drüsengruben.
Cinchona Muzonensis, Hookeriana, Hettleana.
2. Kapsel öffnet sich bald vom Grunde, bald von der Spitze an. Heterasca Erst.
Cinchona micrantha, lucumaefolia, heterocarpa, pedunculata, Moritziana,
3. Kapsel öffnet sich von der Spitze an; Blätter gross, drüsengrubenlos , Kronensaum
bartlos. Ladenbergia Kl. em.
a) Buena Pohl. Blume gross, 5 — Ögliederig, Blüthen meist endständig, Bäume.
Cinchona macrocarpa, hexandra, bogotensis.
b) Cascarilla Endl. Blume gross, ögliederig, lederig. orangeblfithenartig duftend, Blüthen
endständig, Bäume.
Cinchona magnifolia, oblongifolia, prismatostylis.
c) liemijia DC. Blume klein, ögliederig, in gedrungenen Trugdolden achselständig lang-
gestielte, kurzäatige, unterbrochene Rispen bildend. Sträucher und Bäumchen.
Cinchona Purdieana, ferruginea, macrophylla.
Alle anderen Autoren fassen die Gattung enger, unter Ausscheidung von
Hemijia, Cascarilla, Buena.
Weddell führt alle echten Cinchonen auf 5 neben einander liegende Grund-
formen oder Stämme fStirpsy nouche) zurück. Seine Stirpes sind:
1. Stirps Cinchonae officinalis (nach Kuntze Hybriden von C. Weddelliana
[Calisaya] mit C. Pavoniana [micrantha] und Howardiana): \. Cinchona officinalis Hook.,
2. C. macrocalyx Pav., 3. C. lucumaefolia Pav., 4. C. lanceolata R. et Pav. (?), ö. C. lanci-
folia Mutis, 6. G amygdalifoliu Wedd.
2. Stirps Cinchonae rugosae (nach Kuntze C. Pahudiana [carabayensis] und
verwandte Bastarde): 7. C. pitayensis Wedd., 8. C. rugosa Pav., 9. C. Mutisii Lamb.,
JO. C. hirsuta R. et. Pav., 11. C. carabayensis Wedd., 12. G Pahudiana How., 13. C.
asperifolia Wedd., 14. C. umbellifera Pav., lö. C glandulifera R. et. Pav.. 16. G Hum-
boldtiana Lamb.
3. Stirps Cinchonae tnicranthae (nach Kuntze C. Pavoniana [micrantha] und
Abkömmlinge) : 17. C. amtralis Wedd., 18. C. scrobiculata H. et B., 19. C peruviana How.,
20. C. nitida R. et Pav., 21. G micrantha R. et Pav.
4. Stirps Cinchonae Calisayae (nach Kuntze C. Weddelliana [Calisaya] und
Bastarde): 22. G Calisaya Wedd., 23. G eUiptica Wedd.
ö. Stirps Cinchonae ovatae (nach Kuntze C. Howardiana [succirubra] nnd Ba-
starde): 24 G purpurea R. et Pav., 25. G rufinervis Wedd., 26. G »uccirubra Pav.t
27. G ovata R. et Pav., 28. C. cordifolia Mutis, G tucujensis Karst., 30. G pubescens
Vahl, 31. G purpurascens Wedd.
Doch selbst Weddell und Howard sind schliesslich an der Systematik der
Cinchona- Arten fast verzweifelt. Weddell sagt : „Ich stimme völlig mit Mr. Howard
tlber die grosse Veränderlichkeit der Arten dieses sehr natürlichen Genus Überein,
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C1NCH0NA.
147
so dass man mit etwas Uebertreibung sagen könnte, alle beschriebenen Arten seien
blos Varietäten oder Rassen, die einer tropischen Form entspringen. In der That,
nicht eine einzige Art kann von ihrem Nachbar dnroh ein absolutes Merkmal
unterschieden werden; es ist dies blos durch ein Ensemble möglich, welches das
Auge nicht aus einem Herbariumexemplar ersehen kann." Howard erhoffte schliess-
lich Aufklarung durch die Cultur. Kuxtzb war der erste Botaniker, welcher Ge-
legenheit hatte, die Cinohonenculturen auf Java und in Sikkim-Himalaya vergleichend
zu studiren, seitdem diese prosperiren; er hat seine Untersuchungen an frischem
Material angestellt und, soweit es möglich war, dort ausgearbeitet. Das ist insofern
wichtig , als an getrockneten Herbarienexemplaren manche Charaktere verschwinden
oder sich verändern, nämlich: 1. die Farbe der Blatter und 2. die Farbe der
Blüthen, da alle Cinchonen subnigricante Pflanzen sind; 3. die Rantenlosigkeit der
Corollenröhre und 4. die Rippenlosigkeit der fast reifen Kapseln einiger Arten;
5. die Winkelabwesenheit zwischen Fruchtkelch und halbreifer Kapsel; 6. die
bauchige Gestalt der Corollenröhre; 7. dunkeln die Kelchzipfel manchmal ausser-
gewöhnlioh nach, was zur falschen Angabe gefärbter Kelchzipfel führte.
Kdntzk will nur vier gute Arten anerkennen und vertritt die Ansicht, dass
alle Übrigen Bastarde sind.
Er unterscheidet:
1. Cinchona Weddelliaha Ktze., jetzt von ihm G. Calisaya Wedd. em.
2. C Pavoniana Ktze. „ „ „ C. micrantha Prv. em.
3. G. Hownrdiana Ktze. n „ „ C. succirubra Pav. em.
4. G. PaJiudiana Ktze. „ „ „ G. carabayensis Wedd. em.
genannt (Briefl. Mittheil. Dec. 1880).
Die Merkmale sind :
A. Cinchonen mit dunklem, fönt lederigem, kleinem Blatte, gerippten regulären Kapseln
nnd trichterförmigem Frachtkelche; beide Arten haben proportionale Blattstiele.
1. C Calisaya , völlig kahl mit dunkelgrünem, eiförmigem Blatte, mit Grübchen in den
Nervenwinkeln besetzt, mit fast stielrunder, in der Mitte etwas bauchiger, kantenbser
Corollenröhre. mit fast kugeliger Kapsel und kleinem, d. h. ein Viertel de* Fruchtdurchmessers
breitem Frnchtkelch.
2. C. carabayensis, überall schwachfilzig mit graugrünem, verkehrt eiförmigem Blatte,
cylindriseher, kantig gefurchter Corollenröhre, mit länglicher Kapsel und grossem Frnchtkelch,
der so breit als die Frucht ist.
B. Cinchonen mit hellfarbigen, dünnen , mehrfach grösseren Blättern (an der Basis der
Blutbenzweige) nnd bauchigen geschnäbelten, rippenlosen Kapseln, welche halbreif (frisch) ohne
Winkel oder Einschnürung in den kleinen , cylindrischen , aufrechten Fruchtkelch übergehen ;
beide Arten sind kahl nnd haben keine kantige Corollenröhre.
3. C. succirubra mit proportionalen Blattstielen und gelbgrünen, auch im Blüthenstande
grossen Blättern . die ohne Grübchen in den Aderwinkeln sind , mit normal grossen Corollen
nnd stielrnnder, in der Mitte schwachbauchiger Corollenröhre nnJ bleichen, grossen .Samen*
Angeln. — Die anderen drei Arten haben kleine, ockerfarbige Samenilügel.
4. C micrantha mit unproportionalen Blattstielen , d. h. die sehr grossen Blätter an der
Basis des Blüthenzweiges haben fast gar keine Blattstiele, nnd je kleiner die Blätter bis zur
Spitze des Blüthenstandes bin werden, desto länger wird der Blattstiel. Diese Art hat gras-
grüne Blätter mit Grübchen in den Aderwinkeln, halb no lange Corollenröhre als die anderen
drei Arten, welche an der Basis bauchig ist nnd gelblichweisse Blüthenfarbo hat. Die anderen
Arten haben schmutzig blassrothe Bluthen nnd keine an der Basis bauchige Corollenröhre.
Folgende Hybriden dieser vier Arten hat Knntze beobachtet (die ältesten Synonyme,
bezw. die Namen der von anderen Autoren als Arten betrachteten Cinchonen sind beigesetzt) :
C. Calisaya X carabayensis = C. Humboldtiuna Lambert,
C. Calisaya x micrantha — ('. ofßcinalis L. als regelmässige und <\ L*d/eriana als unregeN
massige Hybride,
C. Calisana X succirubra^ C. laneifolia Mut in,
C. carabayensis X micrantha = C. ocata Wedd.,
C. carabayensis X succirubra = C. pubescens Vtthl,
C. micrantha x succirubra — C. heterophylla Fav.,
C. Calisaya X carabayensis x micrantha = C. Coccinea Pav.,
C. Calisaya X carabayensis X succirubra,
C. Calisaya X micrantha X succirubra = C. Mac Iroriana 0. Ktze ,
C. carabayensis X micrantha X succirubra,
C. Calisaya X carabayensis X micrantha X succirubra — C. mirtissima O. Ktze.
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148
CINCnONA.
Er waren vor Erscheinen von Knntzo's Werk bereite folgende künstliche Hybriden er-
zeugt worden: C. Calisaya X carabayensis (welche die Holländer C. Hasskarliana nennen)
durch de Vrij; C. Calisaya X carabayensis x succirubra dnrch Ph. Anderson und
Iloveling an« C. Calisaya und C. caloptera = carabayensis X succirubra; die hollandischen
«Diviellen Berichte führen als rindenliefernd C. ofßcinalis x Pahudiana auf = C. Calisaya
X carabayensis X micrantha; Mac-Ivor züchtete C. succirubra X officinalis = C. Calisaya
X micrantha X succirubra.
Bei Küxtze's Ansicht spielt die Möglichkeit leichter Bastard irung eine grosse
Rolle. Dass dieselbe wirklich vorliegt, ist ausser Zweifel. Gesetzt den Fall,
Kuntzk habe Recht — bis jetzt hat er mehrfach Widerspruch erfahren — und die
von ihm auf Java und in Britisch-Sikkim beobachteten Cinchonen seien wirklich
nur die Bastarde jener vier Arten, respective diese selbst, so ist damit noch nicht
erwiesen, und darin schliesse ich mich Flückiger an, dass das nun auch für alle
südamerikanischen Cinchonen, die Weddell an Ort und Stelle beobachtete, gelte,
wenngleich nicht zu leugnen ist, dass die Wahrscheinlichkeit eine sehr grosse nicht
ist. dass sich diese so ganzlich anders verhalten werden. Beide müssen noch einmal
von demselben Forscher an Ort und 8telle beobachtet und mit einander verglichen
werden.
Jedenfalls erschwert die Leichtigkeit der Bastardbildung die Systematik der
Cinchonen ganz ausserordentlich. Darüber ist man aber jetzt wohl allgemein einig,
dass C. Calisaya Wf>dd., C. succirubra Pav. und C. micrantha Pav. gute
Arten sind.
Kuntze gibt für die eigentümliche Verbreitung der südamerikanischen Arten
im Süden und der Hybriden namentlich im Norden vom Acquator folgende Er-
klärung: „Für die erfolgreiche Verbreitung der Samen kommen nur solche Winde
in Betracht, die weder nach heissen Zonen führen , noch zu hoch gehen und ab-
gelenkt werden. Da nun längs der Cinchonaregion im Süden mit 22° durchschnitt-
licher Wärme in Bolivien bis nach Nordcolumbien mit 26 — 27° jährlicher Wärme
eine von Süd nach Nord gehende Temperatursteigeruug stattfindet, so werden zur
A Ungleichung der Temperatur auch von Columbien nach Bolivien hochgehende
leichte wanne Winde wehen, die für die Verbreitung der ohnehin schwer keimenden
Cinchonen als hochgehende Winde wirkungslos sind. Dagegen die zum Temperatur-
ausgleich von Bolivien nach Columbien gerichteten kühleren schweren Winde, die als
tietergehend für die Cinchonenverbreitung geeignet erscheinen, werden die im
Süden gebildeten Samen der zur Kreuzung geneigten Elternarten allmälig nach
Norden verbreiten, so dass in Nordcolumbien das ausschliessliche Vorkommen der
buntest gemischten Hybriden nicht unerwartet sein kann."
Die wichtigsten CYnc/<o«a-Arten (beziehungsweise Hybriden) sind:
1. Cinchona C alit»a ya Weddell (C. Calisaya r. vera Wedd.J, hoher,
alle anderen Bäume der Urwälder überragender Baum mit aufrechtem Stamme und
dicht belaubter Krone, in Bolivia (Provinz Enquisivi , Yungas, Larecaja Cau-
polican; aber auf die zwischen 1500 — 1800 m über dem Meer gelegenen Hoch-
thiiler bis zum 17.° sfldl. Breite beschränkt vin der höheren Region strauchig). In
Peru in der Provinz Carabaya. Verbreitungsgebiet: Cordilleren zwischen 13 und
17° südl. Breite und 68 — 72° westl. Länge.
Blätter auf circa 1 cm langem, bisweilen röthliehem Stiel. 8 — 15 cm lang und
y, — 6 cm breit, verkehrt ei-lanzettförmig länglich, stumpf, am Grunde verschmälert,
hart, kahl, selten behaart, oberseits sanimtglänzend-dunkelgrün mit blasseren
Adern, unterseits blass smaragdgrün, mit deutlich entwickelten bärtigen
Grübchen in den Winkeln der Nerven. Nebenblätter so lang oder länger
als der Blattstiel, länglich, stumpf, am Gruude der Innenseite spärlich drüsig,
sonst kahl. Inflorescenzen eiförmig oder doldentraubig, nicht sehr reichblüthig. Inflores-
t enzaxen weichhaarig. Kelch weich behaart. Kelchzühne kurz, dreieckig. Corolle
;i — 10 mm lang, Röhre am Grunde fast fünfkantig, Abschnitte (Saumlappen) lanzett-
liib. oberseits rosenroth, weiss gewimpert. Narben lineal. Fruchtknoten behaart,
Kapsel 8 — 12 mm lang und 5— 6 mm breit, kurz eiförmig oder elliptisch-eiförmig,
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C1NCH0NA.
U9
fast kahl, rippenlos, reif rostfarben, Fruchtkelchzähne aufrecht. Samenflügel
elliptisch, am Rande gefranst gezähnt, nicht durchbohrt (siehe auch oben Küntze's
Diagnose).
Abarten Weddkll's (Hybriden Küntze) :
a) Var. microcarpa Wedd. Blätter länglich-eiförmig oder e'liptiach, stumpf, beider-
seits grtn, Unterseite weichhaarig, nicht selten purpurn, Blattgrühchen fehlend oder klein.
Kapseln 8— 10 mm.
b) Var. y> hol i via na Wedd. Blätter meist grösser als bei a vera. verkehrt-eiformig-
länglich oder elliptisch, beiderseits kahl, unterseits purpurn, Blattgräbchen vereinzelt oder
fehlend, Kapseln grosser als bei a) und at vera, I vi— 15 mm lang, lanzettlich-eiförmig, nach
oben verschmälert, mit Untervarietät: pubescert» Wedd.
e) Var. 8. oblong if olia Wedd. Blätter kleiner als bei a vera, schmallänglich, stumpf,
beiderseits grün, Unterseite weichbaarig, fast grübchenlos, Kapseln wie bei ? Boliviana.
d) Var. e. pal Ii da Wedd. Blätter mehr elliptisch als bei « vera, sehr stumpf, zarter,
bleicher grün, grnbchcnlos. Die Blüthen kleiner nnd in schlafferer Rispe (Luerssen).
Subspecies :
C. Josephiana Wedd. (auch als C. Calisaya var. Josephiana), Strauch
von 2 — 3 m Höhe mit schlankem, 3 — 5 cm dickem , wie die aufrechten Aeste
ziemlich glatt-berindeten Stammchen. Blätter länglich oder eiförmig-lanzettlich,
zugespitzt oder stumpf, beiderseits kahl, ziemlich steif, mit oder ohne Grübchen.
Kapsel grösser und oberwärta meist verschmälert (Fig. 1 8). Diese Cinchone liefert
die Cort. Calisayae Schuhkraft Javas.
Mit Snbvarietät pubescens Wedd. und ducolor Wedd.
Calisaya neigt sehr, wenn auch nicht in dem gleichen Maasse wie meciruhro,
zur Bastardirung. C. ffasskarliana = G. Calisaga x carabayemis ist ein solcher
durch DE Vrij erzeugter, viel cultivirter Bastard , ebenso soll C. ofßcinalis L.
nach Küntze C. Calisaya x micrantha und C. laneifolia Mutis ein Bastard C.
Calisaya X succirubra sein.
Die werthvollste Cinchone , ausser C. Mac Tvoriana (s. unten), ist zur Zeit
(1886)
Cinchona Ledgeriana Moens mansept. How., als Art sehr fraglich,
daher richtiger als C. Calisaya var. Ledgeriana Howard (oder als irregulärer
Bastard von C. Calisaya x micrantha [Kuntze] aufzufassen). Ausgewachsene
Blätter lanzettlich-oval (lineal-lanzettlich oder länglich-oval) , nach beiden Enden
verschmälert, spitzlich oder fast stumpf, am Grunde stark in den kurzen Stiel
verschmälert, mit oft welligem Rande, beiderseits kahl, fast lederig, oberseits tief
grün und schwach glänzend, unterseits blasser, der Stiel oft orangefarben, Blatt-
gräbchen raeist nur in den oberen Aderachseln. Nebenblätter sehr hinfällig, lanzett-
lich länglich, fast spitz, gekielt.
Blüthen klein, wohlriechend , an den Enden der Rispenzweige gedrängt,
auf kurzen, gekrümmten Stielen und daher nickend. Cor olle mit kurzer,
weiter, grünlicher Röhre und weissen oder rahm f arbenen, dicht
und lang gewimperten Saum läppen. Kapsel eiförmig-länglich, meist 9 mm, nie aber
12 mm, Kelchzähne aufrecht (Trimex, Morns, Luek^skx).
Viel auf Java, aber auch in Ostindien u. And. cultivirt. 1884 war die Led-
geriana auf Java noch nicht in vorherrschender Zahl vorhanden , aber man be-
strebte sich dies Ziel zu erreichen. Neuerdings sind auch die indischen Ver-
waltungen mit einer Vermehrung der Ledgerianabestände vorgegangen.
Ein anderer Calisaya- Bastard, die C. Hasskarliana (C. Calisaya x cara-
bayensis), der früher in grosser Menge auf Java cultivirt wurde, ist dort jetzt,
weil chininarm, aufgegeben worden.
Die Samen der Ledgeriana brachte Ledger vom Rio Mamore (Bolivien) nach
London. Von dort kamen sie nach Java, von dort nach Cevlon und in die
Nilagiris.
Kuntze hält die C. Ledgeriana für eine unregelmäßige Hybride. C. Culisaya
X micranüia, und sagt: „Sie ist in den Culturcii Sikkims nachweislich aus Samen
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150
CINCHONA.
Btraucbiger C. Calisaya entstanden und hocbstrauchig, wahrend die aus Südamerika
nach Java iniportirte C. Ledgeriana Bäume lieferte. Sonst ist aber die Ueber-
einstimraung vollständig. Sie ist bei reiner Zucht sanienarm, während sonst alle
Cinchoneu sehr fruchtbar sind ; sie ist ebenso chininreich und vereinigt in sich die
elterlichen Eigenschaften nicht intermediär verschmolzen, sondern wechselseitig aus-
getauscht, namentlich hat sie die kleinen, blassen, eigenartig gestalteten BlUthen
der C. micrantha und die Fruchtform der Calisaya. Solchen Austausch der elter-
lichen Eigenschaften findet man bei irregulären Hybriden, das sind solche, die
durch Befruchtung der elterlichen Pflanze durch Bastardpollen entstanden sind.
Deshalb halte ich C. Ledgerxana für eine irreguläre Hybride. Auf Veranlassung
von Bernelot Moens möchte zwar der Botaniker Trimex C. Ledgenana für eine
Art nehmen, aber die zweifellose geringe Beständigkeit und seltene Fruchtbarkeit,
ihre notorische Bevorzugung fremdartigen Pollens lässt diese Annahme unrichtig
erscheinen 5 die anderen Kenner nehmen mehrere Sorten von Ledgeriana an, die
Varietäten oder Hybriden seien und bald der Calisaya, bald der micrantha näher
stehen oder, wie nach Holme**, zum Theil Bastarde von Calisaya und officinalis
sein sollen ; letzteres würde aber, da C. officinalis meiner Ansicht nach zweifellos
eine C. Calisaya X micrantha ist, auch nur auf C. Calisaya und C. micrantha
als Eltern hinführen."
Die auf Java cultivirte werthvolle C. Schuh Jcraftiana ist. ebenso wie C. ITass-
knrliana , ebenfalls eine Varietät (beziehungsweise Hybride) der C. Calisaya.
Die sogenannte C. Calisaya anglica ist wahrscheinlich ein Bastard von C. Calisaya
und t>uccirnbra.
Abbildungen der C. Calisaya, beziehungsweise ihrer Varietäten (Hybriden): Berg-
Schmidt. Atlas. Taf. XIV d. — Howard, Quinologv of the East Indiau Plantations.
P. III, Taf. IV- VI. — Weddel I, Tab. III. — Bentley and Trimen. 1U. — Baillon,
Hittüre d. plantes. 338. — Flückiger, Chinarinden. Taf. II u. III. — Luerssen, Medic.
pharm. Bot. II, Fig 217. — Karsten und And. Kuntzo, Cinchona-Artcn etc. Phototypie
Nr 1.— Die neueste Publication Moens': Kinacultuur in Azie, bildet C. Ledgeriana Moens,
C. Calisaya Wtdd , ('. Joseph ia na Wedd., C. Hasskarliana Miq. ab.
2. Cinchona succirubra Pav. (C ovata y. erythroderma Wedd.),
Ecuador im Gebirgsstock des Chimborazo, besonders 600 — 1500 m über dein
Meer. Steigt vom westlichen Abfalle des Chimborazo durch Riobamba Ouenca bis
Nordperu tief in die Thäler hinab. Ist wetterhart (vertragt noch + 3°C.) und
wächst sehr schnell. Jetzt vielfach, besonders in Ostindien f Nilgeris 5000 — 7500 Fuss)
und Ceylon (2000 — 5000 Fussi, aber auch auf Java u. A. cultivirter Baum von
15 — 25 m Höhe, mit dicker, rothbrauner, borkebedeckter Rinde und reichbelaubter
Krone. Jüngere Zweige stumpfkantig weichhaarig. Blätter dünn, krautig,
sehr gross, iuclusive des 2 cm langen Stiels 18.5cm (bis 50 crai lang und 11.5 cm
(bis 85 cm) breit, eiförmig (bisweilen fast rundlich ), am Rande etwas umgebogen,
beiderseits sehr kurz verschmälert , stumpflich, oberseits sattgrün, kahl und fast
glänzend , unterseits bleicher , schwach flaumhaarig , auf deu Nerven weich-
haarig. D r ti 8 e u g r n b e 11 fehlen. Die alten Blatter blntroth überlaufen ;
Nebenblätter läugliehntumpf , schwach behaart. Rispe pyramidal, ziemlich reich-
blüthig. Infloresccnzaxen weichhaarig. Die Tragblätter der unteren Rispenästc der-
selben den Laubblättern ähnlich, aber kleiner, die der oberen länglieh-lineal , die
Deckblätter lanzettlich-pfriemlich. Kelch becherförmig, dicht- weichhaarig , purpurn,
mit kurzen, dreieckigen, spitzen, gekielten Zähnen, Corolle circa 14 mm lang, pur-
purn, kurzhaarig, mit eiförmigen spitzen Saumlappen. Kapsel länglich, circa 34 mm
lang und 1 1 mm breit, unreif hochroth, rippcnlos i'Lukrsskx). Samenflügelsaura
zerschlitzt. Sie ist sehr geeignet zur Veredelung durch Pfropfung oder Kreuzung.
Eine solche Hybride ist die sehr chininreiche C. officinalis x succirulrra der
Cultivatcure = C. Calisaya X micrantha x succirubra Ktze. — C.Mac Jvoriana
Kfz ., von Tkimex nachmals C. robusta benannt, welche in FlüCKIGEr's „China-
riuden", Taf. I und V. unter dem Namen der Elternpflanzen , aus denen sie ent-
stand, abgebildet ist Ki xtzfj.
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CINCHONA.
151
Der beim Anschneiden der Rinde von C. succirubra austretende weisse Milch-
saft wird (durch Oxydation der Chinagerbsäure) sofort roth.
C. succirubra ist die zur Zeit wichtigste Cinchone, sie allein wird auch
von der Ph. Germ. IL als Stammpflanze der Chinarinden namentlich aufgeführt.
Sie herrscht in den ostindischen Culturen, besonders auf Ceylon, bei weitem vor.
Abbildungen: Bentley and Trimen, Media Plauts. 142. — Howard, Nueva
Quinologia. Taf. VIII. — Baillon, Hiatoire des plant. 342. — Moens, Kinacultnur, Taf. VIII.
— Knntze, Cinchona- Arten etc. Phototypie Nr. 3. — Lue rasen, Die Pflanzen der Pharm.
Germ. Fig. 322.
3. Ci nchona micr antha R. et Pav., von Karsten zur Section Heterasca
gestellt, in Bolivia (Larecaja und Caupolican) und Peru (Carabaya). Baum von
6— 20m Höhe, Rinde ziemlich dick, mehr oder weniger glatt, braun, Krone
ziemlich belaubt, Blätter krautig, bis 23 cm lang und 15 cm breit, breit-eiförmig
oval, ziemlich stumpf, am Grunde mehr oder weniger keilförmig in den 2 — 3 cm
langen oft röthlichen Blattstiel verschmälert, oberseits kahl, etwas glänzend, unterseits
matt, auf den Nerven kurz und dicht behaart, sonst sehr zerstreut kurzhaarig, in
den Aderachseln grtlbchenlos, aber mit etwas stärkerem Haar-
büschel (unterseits an den Nerven flaumig). Nebenblätter eiförmig-länglich,
ziemlich stumpf, aussen weichhaarig, sehr hinfällig. Rispe gross pyramidal, reich-
blflthig. Kelch kurzglockig, mit dreieckigen spitzen Zähnen. Corolle 5 — 7 mm lang,
weiss, mit cylindrischer, in der Mitte etwas erweiterter Röhre und länglich-lanzett-
liehen Saumlappen. KapBel länglich- lanzettlich oder lanzettlich, 25 — 30mm lang
und 5 — 7 mm breit, an beiden Enden verschmälert, kahl, glatt.
Variirt als oblong ifolia Wedd., rotundifolia Wedd. und roseifiora Wedd.
ßastardirt leicht und gibt besonders mit C. Calisaya, succirubra und cara-
boyensis werthvolle Bastarde (s. oben;.
Abbildungen: Berg-Schmidt, Taf. XIV/. — Bentley and Trimen. — Moens.
Kinacultnur in A«ie. Taf. IX. — Howard, Quiuologia. Taf. V. — Weddel], Taf. XIV. —
Knntze, Cinchona- Arten etc. Phototypie Nr. 2.
Die vorstehenden drei Arten sind als solche relativ gut erkannt und von den
Chinologen anerkannt. Zweifelhafter schon sind:
4. C. Trianae Krst., in der Gegend von Popayan bei Pitayo. der Calisaya
sehr nahe verwandt, durch lanzettförmige Blätter und eine innen behaarte
Corolle von ihr verschieden (Karsten).
5. C. lanetfolia Mutis (nach KuXTZK Bastard zwischen Calisaya X succi-
rubra), Tuna. Tunita der Bogotenser. Auf Columbia beschränkt, besonders im
Soden, von Bogota bis Popayan 2500 — 3000 m über dem Meer, aber auch nörd-
lich in den Gebirgen des Magdalenas. Wird jetzt versuchsweise cultivirt. Ueber
24 m hoher Baum, von den vorigen durch schmäler spitzlanzettliche (ledcrige, meist
12 cm bis 36 cm lange, variable) Blätter, innen kahle Krone und längliche Samen,
deren Flügelsaum an beiden Enden zerschlitzt, gezähnelt und porös durchlöchert
ist unterschieden (Karsten).
Variirt sehr (besonders in den Blättern), z. B. var. discolor.
Abbildungen: Karsten, Flor. Columb. Tab. XI u. XII. — Flückiger, Chinarinden.
Taf. IV. — Moens, Kinacultnur. Taf. VII.
G. Cinchona officinalis L. cm. Hoch: fil. (nach Kuntzk Bastard C.
Calisaya x micrantha), in Ecuador, Provinz Loxa und Peru, 1600 — 2400 m Uber
dem Meer. Wird viel auf Java, aber auch in Ostindien cultivirt. 10 — 15 m hoher
Baum. Rinde dick, braunschwarz, Krone dicht laubig, fast eiförmig. Blätter 5 bis
12 cm lang und 3 — 5 cm breit, eilanzettlich oder lanzettlich, spitzlich, am Grunde
etwas verschmälert, beiderseits kahl, nur die jüngeren zart flaumhaarig. Grübchen
vorhanden. Blattstiel 6 — 15 mm lang, purpurn. Nebenblätter länglich oder eiförmig,
stumpf oder fast spitz, kahl. Blüthenrispe fast doldentraubig mit weichhaarigen
Zweigen und Blüthenstielen. Blüthen schmutzig-carminroth. Kelch schwach weich-
baarig, fast glockig. Corolle 10 — 12 mm lang, fleischfarben mit cylindrischer oder
ökantiger Röhre und lanzettlichen, oberseits rosenrotben, weiws gewimperten Saum-
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152 CINCHONA. — CINCHONIDINÜM SULFURICUM.
Uppen. Kapsel 12 — 25 mm lang, länglich, gestreift:, gerippt, mit gewöhnlich ab-
stehenden Kelchzähnen.
Sehr veränderlich, als Varietäten sind zu nennen: Var. x Uritusinga Wedd.
(C. Uritusinga Pav., G. macrocalyx $ Un'tu»inga DC.) und Var. ß Conda-
minea How. (C. Gondaminea H. et B. ex parte, G. Condammen var. Ghahuar-
guera DC. , C. Chahuarguera Pav.J. Weddell vereinigt damit auch G. Bon-
plandiana und C. crispa. Auch mit C. lancifolia ist C. ofßcinalis sehr nahe
verwandt.
Abbildungen: Fl fiele ig er, Chinarinden. Taf. V. — Hooker, Bot. Mag. 5364. —
Howard, N. Qninologia. I, 19. — Howard, Ea«t Ind. Plant., Taf. IX. — Bentley and
Trimen, 140. — Baillon, Hist. des plant. 340, 341. — Luerssen, Die Pflanzen der
Pharm. Germ. Fig. 323 und 324. — Moens, Kinacultunr. Taf. VI.
Nahe verwandt mit C. ofßcinalis ist ferner C. lucumaefolia Pav., G. glan-
dulifera R. et Pav., G. nitida R. et Pav., C. purpurea R. et Pav., C. corym-
boaa Kr st., alle in den Hochcordilleren des mittleren Cinchonengebietes , dessen
Centrum Loxa ist, circa 2000 m über dem Meer einheimisch (Kaesten).
7. Cinchona pub esc ens Vahl (C. lutea Pav.), 8. Cinchona cordi-
folia MuH», 9. C.Tucuj ensi s Krst. Diese drei Arten haben (nach Karstex)
grosse, krautige, behaarte Blätter ohne Drüsengruben. Die der bolivianischen
pubescens sind oval , an dem Stiel berablaufend , oberseits kahl , die der neu-
granadischen cordifolia herzförmig, deren kahle Kapseln kürzer als bei pubescenn,
wo sie behaart sind ; die gleichfalls beiderseits behaarten Blätter der venezuelanischen
tueujensis sind elliptisch oder eiförmig-elliptisch, ihre Kapseln von der Länge
derjenigen der pubescens, aber kahl: der längliche Samenflügelsaum dieser drei
Arten ist zum Theil gezähnt und unterwärts gespalten.
10. Cinchona Pahudiana war diejenige Cinchone, die wohl als erste in Java
angepflanzt wurde, jetzt aber (ebenso wie Hasskarliana), weil chininarm, auf-
gegeben ist. Immerhin sind jetzt noch tausende von Bäumen in den javanischen
Gebirgen vorhanden (abgebildet bei Moexs).
Die anderen Arten sind weniger wichtig.
In Java wurden seither cultivirt: C. Galisaya Wedd., C. Ledger in na,
C. Josephiana Wedd.. C. Pahudiana How., C. Hasskarliana Miq., G. ofßcinalis
L., G. lancifolia Mutis, C. succirubra Pav., C. micratitha Ruiz et Pav., G. calop-
tera Miq., C. cordifolia Mutis. In Indien und Ceylon besonders: 0. succirubra,
C. Ledgeriana, C. officinalis.
Vergl. auch die Artikel Chinarinden, Remijia. Tschirch.
Cinchona febrifuga, ein an Stelle der reinen Chinabasen in den Handel
gebrachtes Gemenge der gesammten ausgefällten Alkaloide von Cinchona
»ucci rubra.
CinChOnamin, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 695.
CiriChOnicin, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 687.
CinChOnidin, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 689.
CinChOllidinum SUlfiiriCUm (Ph. Gall..Un. St. u. A.), Cinehonidinsulfat,
Schwefelsaures Cinohonidin. Weisse, seidengläuzende, an der Luft ver-
witternde Nadeln (Ph. Gall.) oder harte, quadratische Säulen (Ph. Un. St.) von
bitterem Geschmacke, ohne Gerueh. Sie verkohlen beim Erhitzen und verbrennen
beim Glflben ohne Rückstand. Sie lösen sieh mit neutraler Reaction in etwa
100 Th. kaltem, in 4 Tb. siedendem Wasser, in 70 Th. kaltem, in 12 Th. sieden-
dem Weingeist, leicht in angesäuertem Wasser oder Weingeist. In reinem Chloro-
form löst sieh das Salz sehr schwierig, damit gallertartig aufquellend; dagegen
wird es leicht aufgenommen von einer Mischung aus 2 Volumen Chloroform und
1 Volum wasserfreiem Weingeist. Die Lösungen drehen das polarisirte Licht nach
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CINCHONTDINUM SULFURICUM. — CINCHONINUM.
153
links. — Identitätsreactionen : Die mit etwas verdünnter Schwefelsäure be-
wirkte wässerige Lösung zeigt keine Fluoresoenz und färbt sich auf Zusatz von
Chlorwasser und Ammoniak nicht grün (Unterschied von Chinin und Chinidin).
Die rein wässerige Lösung trübt sich mit Natriumkaliumtartrat, weisses, schwer-
lösliches Tartrat abscheidend (Unterschied von Cinchonin und Chinidin). Baryum-
nitrat fällt sie weiss, pulverig. — Zusammensetzung: Das Salz in verwittern-
den, feinen Nadeln, aus verdünnter wässeriger Lösung krystallisirt, mit 6 Molekül
(13.6 Procent) Krystallwasser = (C19 H38 N, 0), H3 S04 t ßH,0. Das Salz in
harten Prismen, aus oonoentrirter wässeriger Lösung krystallisirt, mit S Molekül
(7.3 Procent) Krystallwasser = (C19 H?a Ns 0)a Ha S04 + 3 Ha 0. Aus weingei-
stiger Lösung krystallisirt das Salz mit 2 Molekül (4.8 Procent) Wasser. —
Darstellung: Das Cinchonidin begleitet zwar das Chinin in den meisten China-
rinden, findet sich jedoch vorzugsweise in der Bogota-China (der Rinde von CVn-
chona laneifolia). Da sein Sulfat viel leichter löslich ist, als das Chininsulfat,
ist es grösstenteils nach Abscheidung des letzteren in der Mutterlauge enthalten,
aus der es durch Seignettesalz als schwerlösliches Tartrat abgeschieden wird. Man
löst dasselbe in verdünnter Salzsäure, fällt das Cinchonidin mit Ammoniak aus,
wäscht es mit Aether (zur völligen Entfernung des Chinins), neutralisirt es darauf
mit Schwefelsäure und krystallisirt das Sulfat aus heisser Lösung. — Prüfung:
In concentrirter Schwefelsäure löse sich das Präparat farblos oder nur mit schwach
gelblicher Farbe auf (Röthung : Salicin, Bräunung oder Schwärzung : fremde orga-
nische Stoffe); einige Tropfen Salpetersäure dürfen diese Lösung nicht verändern
(Röthung: Morphin). Die mässig verdünnte wässerige Lösung soll bei Zusatz ver-
dünnter Schwefelsäure nicht oder nur schwach blau schillern (nur Spuren von Chinin
oder Chinidin). Wird 0.5 g des Salzes mit 20ccm Wasser erhitzt und nach Zu-
gabe von 1.5 g gepulvertem Kaliumnatriumtartrat eine Stunde lang kalt gestellt,
so darf das Filtrat durch 1 — 2 Tropfen Ammoniak nicht oder nur ganz schwach
getrübt werden (Ausscheidung : Chinidin, Cinchonin ; eine schwache Trübung ge-
stattet bis 1 3 Procent Chinidinsulfat, respective xl% Procent Cinchoninsnlfat). 1 g
des Salzes löse sich leicht und vollständig in 8 com (10 g) eines mit dem halben
Volum absoluten Weingeistes vermischten Chloroforms (Prüfung auf fremdartige
Substanzen). — Aufbewahrung: In wohl verschlossenen Gefässen. Das wasser-
reichere, in feinen Nadeln krystallisirende Salz verwittert an der Luft. — Ge-
brauch: Aehnlich dem Chininsulfat, dem es aber in der Wirkung nachsteht
(6 Th. Cinchonidin = 4 Th. Chinin). Schliekum.
CillChOmn, s. Chinaalkaloidej, Bd. 11, pag. 686.
CinchOninsäure, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 687.
Cinchoninum (Ph. Germ. i. u. a.), c i n c h o n i n. Weisse, glänzende Krystall-
nadeln oder ziemlich dicke rhombische Säulen, luftbeständig, geruchlos, anfangs
von wenig wahrnehmbarem, später eigentümlich bitterem Geschmacke und alka-
lischer Reaction. Beim Erhitzen an der Luft verkohlen sie und verbrennen in der
Glühhitze ohne Rückstand. Sie lösen sich kaum sowohl in kaltem wie in beissem
Wasser, in 110 Th. kaltem, in 28 Tb. siedendem Weingeist, wenig in Aether oder
Chloroform. Angesäuertes Wasser nimmt das Cinchonin leicht auf ; diese Losungen
drehen das polarisirte Licht nach rechts. — Identitätsreactionen: Die
mittelst verdünnter Schwefelsäure bewirkte wässerige Lösung schillert nicht, färbt sich
auch nicht grün nach Zusatz von Chlorwasser und Ammoniak. Gibt man zur Lösung
Ammoniak im Ueberschnss und schüttelt die Mischung mit Aether, so erfolgt keiue
Auflösung des ausgeschiedenen Alkaloids. — Zusammensetzung: CClft H2I N2 O)
ohne Krystallwasser. — Darstellung: Aus der mit Hilfe verdünnter Schwefel-
säure bewirkten, nicht zu verdünnten wässerigen Lösung des Cinehoninsulf'ates
(1 : 50) wird durch überschüssiges Ammoniak oder Natronlauge das Cinchonin aus-
geschieden, der Niederschlag wohl ausgewaschen, getrocknet und dann aus sieden-
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154
CIlICHONIiJUM. — CINIS.
der alkoholischer Lösung (1:30) umkrystallisirt. — Prüfung: Die mit ver-
dünnter Schwefelsäure bewirkte verdünnte wässerige Lösung schillere nicht oder
nur sehr wenig (Spuren von Chinin, respective Chinidin); der daraus mittelst
Ammoniak hervorgerufene Niederschlag löse sich nicht wahrnehmbar in Aether
oder überschüssigem Ammoniak. Concentrirte Schwefelsäure löse das Präparat ohne
oder mit nur schwach gelblicher Färbung auf (Röthung: Salicin, Bräunung oder
Schwärzung : Zucker u. a. organische Materien) ; auch auf Zusatz einiger Tropfen
Salpetersäure darf keine Färbung eintreten (Röthung : Morphin). — Gebrauch:
Zur Darstellung von Cinchoninsalzen ; wegen seiner ünlöslichkeit kaum zur directen
medicinischen Anwendung. Schliekum.
CillChOninUm SUlfuHCUm (Ph. Germ. I. u. A.), Cinchoninsulfat,
Schwefelsaures Cinchonin. Weisse, glänzende, harte, schiefe rhombische
Säulen von bitterem Geschmack, ohne Geruch, luftbeständig. Beim Erhitzen ver-
kohlen sie und verbrennen in der Glühhitze ohne Rückstand. Sie lösen sich mit
neutraler Reaction in etwa 70 Th. kaltem, 14 Th. siedendem Wasser, in 6 Th.
Weingeist, schwierig in Chloroform, nicht in Aether. Angesäuertes Wasser nimmt
das Salz leicht auf. Die Salzlösungen drehen das polarisirte Licht nach rechts.
— Identitätsreactionen: Die wässerige Lösung schillert auf Zusatz ver-
dünnter Schwefelsäure nicht ; mit Chlorwasser und darauf mit Ammoniak ver-
setzt, färbt sie sich nicht grün (Unterschiede vom Chinin- und Chiuidinsulfate).
Ammoniak scheidet aus der wässerigen Salzlösung einen weissen Niederschlag,
der sich weder in überschüssigem Ammoniak, noch iu Aether auflöst. Kalium-
natriumtartrat, sowie Jodkalium trüben die wässerige Salzlösung nicht; Barynin-
nitrat fällt sie weiss, pulverig. — Zusammensetzung: (C19 H23 N, 0)2 Ha SO< -4-
+ 2H20 (4.90 Procent Krystallwasser). — Darstelluug: Bei der Chinin-
bereitung aus den braunen Chinarinden, welche gewöhnlich reich an Cinchonin
sind, bleibt dasselbe vermöge der grösseren Löslichkeit des Sulfates in der Mutter-
lauge, aus denen das Chininsulfat auskrystallisirt. Auch scheidet sich aus der wein-
geistigen Lösung des Rohchinins, nach Abdcstillirung von zwei Drittel des Wein-
geistes, der grösste Theil des begleitenden Cinchonins krystallinisch ab, während
das Chinin in dem verdünnten Weingeiste gelöst bleibt. Etwa vorhandenes Cin-
chonidin wird durch Seignettesalz entfernt. Schliesslich Ifisst man das Cinchonin-
sulfat aus der genau neutralisirten, heiss gesättigten schwefelsauren Lösung kry-
stallisiren. — Prüfung: In concentrirter Schwefelsäure löse sich das Salz ohne
Färbung auf (Röthung: Salicin, Bräunung oder Schwärzung: fremde organische
Stoffe) : einige Tropfen Salpetersäure dürfen diese Lösung nicht verändern (Röthung :
Morphin). Bei 100° getrocknet, rnugs 0.1g Salz von 7 g Chloroform klar gelftst
werden (ein Rückstand, der auf Zusatz von etwas Weingeist zur Lösung gelangt,
verräth Chinin- und Cinchouidinsulfat). — Gebrauch: Weniger als das Chinin-
sulfat, weil es trotz grösserer Gaben langsamer und weniger sicher wirkt.
Schliekum.
Cinchoquinine, ». ch inaalkaloide, Bd. II, pag. 672.
Cinchotenicin, s. Chi naalkaloide, Bd. II, pag. 087.
CinChotenidin, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 6 HO.
CinChOtenill, s. Chinaalkaloide. Bd. II, pag. 687.
CinChotifl, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 695.
Cincinnus (lat.), ein cymöscr Blllthenstand. — S. Bd. II, Fig. 68, pag, 321.
CiniflUm = Santoninum.
Cinis (Cineres) Antimonii, Antimonaschc , nennt man den bebufs Dar-
stellung von Antimonglas so lange gerösteten Spiessglanz, bis derselbe eine graue
Farbe angenommen hat und dann wesentlich aus antimonsaurem Antimonoxyd
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CINIS. — CINNAMOMUM. 155
besteht. — Cinerea Clavellati ist ein nicht mehr gebräuchlicher Name für (aus
Holzasche dargestelltes) rohes Kalium carbonicum. — Cinis Jovis oder Stanni ist
Stannum oxydatum.
Cinnabari8, Zinnober, s. Hydra ryyrum sulfuratum rubrum.
Cinnabaris Antimonii wird erhalten durch Erhitzen von Antimonsulfid mit
Quecksilberchlorid, wobei Zinnober zurückbleibt und Antimonchlorür abdestillirt.
Antimonzinnober ist etwas Anderes, s. d.
Cinnamein, PerubalBamöl, ist Zimmtsäurebenzyläthcr (s. Perubai Barn).
CinnamOdendrOtl, Gattung der Canellac«ae. Tropische Bäume mit un-
geteilten , ganzrandigen , drüsig punktirten Blättern , achselständigen I n Horns -
eenzen , deren zwitterige Blüthen ausgezeichnet sind
durch einen Kranz blumenblattartigor .Schuppen in der
Corolle.
Cinnamodendron corticosum Mteri auf Jamaika
liefert eine der als Cortex Winteranus 8 pur im im Han-
del vorkommenden aromatischen Rinden. Sie bildet
harte, schwere, bis 6 mm dicke, ledergelbe , aussen mit
rostbraunen Narben bedeckte Stücke. Ihr Periderm be-
steht aus kubischen, an der Innenseitc stark verdickten
Zellen (vergl. Fig. 101 in Bd. II bei Canella), im
Rindenparenchym finden sich erweiterte Oel räume und
zahlreiche Krystalldrusen. Der Bast enthält zerstreut
sclerotische Fasern (Fig. 19), durch welche, sowie durch
die mehrreihigen markstrahligeu die Rinde leicht
Badialachnitt durch den Baat und sicher von der ihr äusserlich ähnlichen Canella-Kmde
von Citmamoätndrvn eortteotam ^ fgg^ggffj^f^f/^ [g{
Mit der echten, von Drimyx stammenden Winters-
rinde (s. Wintera) hat sie keine äussere, noch weniger eine anatomische
Aehnlichkeit.
Cinnamol. syn. Cinnamen. Gerhard bezeichnete früher den Zimmtsäurealdehyd
als Cinnaiuol.
Cinnamomum. Gattung der Lattraccae, Unterfamilie Laurineai', Gruppe
Perseaceae. Holzgewächse mit gegen- oder wechselständigen, immergrünen, aroma-
tischen Blättern ohne Nebenblätter, meist handnervig, selten liedernervig (Cam-
phora). Blüthen in nackten Rispen mit dreigliederigen Quirlen, klein, grünlich,
weiss oder gelb, zwittrig oder polygam. Perigon trichterig, . meist (itheilig, seine
Abschnitte nach dem Verblühen ganz (Camphora) oder unter Hinterlassung ge-
stutzter Zähne (Untergattung Malabathrum) abfallend und die Frucht sonach mit
einem ganzrandigen oder gezähnten Becherchen stützend. Von den 12 Staub-
grefässen sind die 3 äusseren steril, die 0 fruchtbaren stehen in :\ Wirtein ; die
innersten haben extrorse , vierkämmerige Antheren und Drüsen an der Basis der
Filamente. Der oberständige Fruchtknoten wird zu einer dünnhäutigen ein-
samigen Beere. Der Same ist eiweisslos, die Keimblätter des Embryo sind
planconvex.
1. Cinnamom um Cassia Bl. (C. aromaticum F. Nrrs, Laurm Cassia
C. O. Nte$, Perttca Cassia S)>r.) ist ein Baum mit ganzrandigen . zweifarbig
grünen, unterseits weichhaarigen , dreinervigen Blättern und gelblich-weissen
Inflorescenzen. Perigon gegen 4 mm (kleiner als bei C. cey/anicum) , seiden-
haarig, nach dem Abfallen der Segmente ein Beeherchen mit sechsk erbigem
Rande bildend. Seine Heimat ist das südliche China, doch wird er auf Ceylon,
den Sunda-Inseln und der Küste von Malabar cultivirt.
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156
CINNAMOMÜM.
Die Cultur und Ernte dieser minderwerthigen Zimratsorte (vergl. die nächste
Art) wird weniger sorgfältig betrieben. Sie liefert die officinelle Rinde und in den
vor der Fruchtreife gesammelten abgeblühten Perigonen die Flores Cassia«
(8. Bd. II, pag. 588).
Gortex Cinnamomi chinensis s. Cassia cinnamomea , Cassia vera,
Cassia lignea der Drogisten, Zimmtcassia, Caneel, Chinesischer
Zimmt, Canelle de Chine, Cassia bar k. Die Rinde kommt in meist
einfachen, einseitig gerollten, 1 — 3mm dicken, stellenweise von Kork
bedeckten, matt rothbraunen Stücken vor, welche korkig eben brechen.
Sie riecht und schmeckt gewürzhaft, zugleich aber adstringirend und schleimig.
Der Querschnitt wird durch eine
belle Zone in einen äusseren und in
einen inneren, häufig breiteren Theil
geschieden.
Der erstere besteht aus dem pri-
mären Rindenparenchym, bedeckt von
geschichtetem Periderm. Die Kork-
zellen sind massig abgeflacht, gegen
0.03 mm breit, von der Fläche gesehen
(Fig. 22, P) ziemlich regelmässig poly-
gonal, die sclerotischen Zellen sind
von dunkel-rothbrauner Masse erfüllt.
Einige Reihen zartwandiger Korkzellen
vermitteln den Uebergang zur primä-
ren Rinde (Fig. 21). deren Parenchyni
dickwandig, mässig tangential gestreckt,
von kleinen Steinzellengroppcn mehr
oder weniger reichlich durchsetzt ist.
Diese Steiuzellen sind nur schwach
(0.008 mm), häufig nur an der Innen-
seite, also hufeisenförmig verdickt. Ein
Stein zellenring trennt sie von
dem Baste , dessen Dicke nach dem
Alter der Rinde sehwankt, in der Regel
aber nicht über 1.5 mm beträgt. Der
8teinzellenring ist zusammengesetzt aus
den primären Bastfaserbündeln
(Fig. 21, pb) und den zwischen ihnen
sich entwickelnden Steiuzellen. Ist der
Abstand zwischen den ersteren gross,
so bleibt eine Lücke im Steiuzellen-
riug. Die Bastfasern in den primären
Bündeln sind von denen des secundären Bastes verschieden; sie sind länger,
geschmeidiger und deutlicher geschichtet. Die Steinzelleu im Ringe sind im
Allgemeinen grösser und stärker verdickt als jene der primären Rinde. Ihre
Membranen sind farblos, zart geschichtet und von ästigen Porencanälen durch-
setzt. Die Markstrahlen sind nach aussen verbreitert, im Baste höchstens drei-
reihig. Das Bastpareuchy m ist etwas kleinzelliger und dünnwandiger als das
Parcnchym der primären Rinde, axial gestreckt und radial gereiht. Die Verschieden-
heit ist auf Längsschnitten besonders klar (Fig. 20), weil hier die tangential ge-
streckten Hindenzellen (pr) mit rundlichem Querschnitt, die Bastzelleu (bp) da-
gegen in ihrer größten Dimension erscheinen. — im Bastparenchym sind spär-
lich und regellos, meist isolirt, die Bastfasern eingesprengt. Sie sind etwa
0.6 mm lang, in der Mitte 0.035 mm breit, spindelförmig, stumpf-
spitzig, selten abgestutzt oder gegabelt. Ihr Querschnitt ist breit gerundet
sch
Rmlialschnitt durch chinesische Zimmt-
r i nd c.
bp Parenchyni des Baste», 6 Bastfasern, ** Stein-
der Mittelrinde, «<* Schleimzellen, «Sieb-
röhrrn, m Mark strahl. Vergr. i«0.
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CINNAMOMÜM.
157
Fig. U,
rechteckig, das Lumen Rehr enge, höchst selten ein Drittel der Faser-
breite betragend (Fig. 22, bf) , die Verdickung merklich geschichtet mit deut-
lich abgegrenzter Primär-
membran, porenfrei. —
Die Siebröhren kommen
bündelweise vor, in Quer-
schnitten erkennt man sie an
den weichen , geschlängelten,
oft zusammengefallenen Mem-
branen (Fig. 21, s), in Längs-
schnitten an den callösen Quer-
platten (Fig. 20, s). — Gering
an Zahl , aber durch ihre
Grösse auffallend sind die
r(i'l\F) „7, Schleimzell e n , oft zu
mehreren senkrecht überein-
ander stehend. Ihr klumpiger
Inhalt scheint den Löslich
keitsverhältnissen zu Folge
ein Gemenge von Schleim und
ätherischem Gel zu sein. Alle
parenchymatösen Zellen sind
mit Stärke erfüllt. Die
Körner sind meist zusammen-
gesetzt ( Fig. 22), ihre Theile
am häufigsten 0.008 mm, nicht
selten 0.02 mm, sogar darüber
gross . mit deutlichem Kern.
Neben Stärke enthalten die
Zellen Gerbstoff. Nach der Ver-
kleisterung der Stärke (durch
Kalilauge) sieht man auch
reichlich winzige Krystall-
n ad ein aus Kalkoxalat.
Der wichtigste Bestand-
teil der Zimmtrinde ist das
ätherische Gel, das ofticinelle
Oleum Ci nnamomi (s.
d.), dessen Menge um 1 Pro-
cent seh wankt.
Der Chinesische Zimmt ist
von der neuen deutschen
Keichspharmakopöe an die
Stelle des früher officinellen
Ceylon-Zinimtes gesetzt wor-
den. Ausserdem schreiben ihn
ausschliesslich vor Ph. Austr..
Ph. Hung., Ph. Rom.
Die von mehreren Pharma-
kopoen gestellte Forderung,
dass sie ohne sehleimigen Bei-
geschmack sei, ist unerfüllbar.
Specifische Heilwirkungen
besitzt der Zimmt nicht, obwohl er häufig als Stomachicum verwendet wird. Man
benützt ihn hauptsächlich als Corrigens für Geschmack und Geruch.
Querschnitt durch chinesischen Zimmt.
^ Steinkork, vT Rindenpatenchym, « unterbrochener Stein-
?-fU---:; r;ns mit dem IlH»t fns«Tbünd«-l /•'• , "*|l< S. hlchn/.Hlen, *
* Markstrahlen. Vergr. 160.
Fig. ii.
Hostandtlipilfl des 7. i m m ♦ p •■ I \ e rs.
rn, *i Steinzellen, pr Parenchym der Mittclrinde,
nehym, f Steinkork. Zerstreut S "
und Krystallnadeln. Vergr. 160.
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158
CINNAMOMUM.
Präparate: Aqua Cinnamomi, Decoct. Sarsaparillae comp, mit., Elixir
Aurantii comp., Mixt, oleoso-baham. , Ol. Cinnamomt, Spir. Melüsae comp.,
Syr. Cinnamomt, Syr. Rhei, Tinct. aromatica, Tinct. Cinnamomt, Tinct. Chinae
comp., Tinct. Opii crocata, Tinct. Rhei aquosa. Pulvis aromaticue u. v. a.
2. Cinnamomum ceylantcum Breyne (Laurun Cinnamomum L.,
Persea Cinnamomum Spr.J ist ein kleiner Baum, in der Cultur meist ein Strauch
mit ganzrandigen, in der Jugend rothen, später ergrünenden, 3 — 7nervigen, lede-
rigen Blättern und reichen , weissblflthigen Inüorescenzen , die nicht gerade ange-
nehm riechen sollen. Auf Ceylon* ihrer Heimat, und fast überall in den Tropen
wird diese vielfach variirende Art cultivirt , doch gedeiht ihr Aroma nirgends so
gut wie auf der südwestlichen Küste Ceylons.
Zweimal im Jahre finden Ernten statt, im Mai und Juni die Haupternte, im
November bis Jänner die Nachlese. Man entlaubt die abgeschnittenen Schösslinge,
schneidet ihre Rinde in Entfernungen von etwa 30 cm durch, schlitzt sie der Länge
nach auf und zieht sie in einem Stücke ab. Dann erst schabt man die äusseren,
adstringirend schmeckenden Rindenschichten ab, schiebt 8 — 10 Röhren in einander,
schneidet sie gleich und trocknet sie langsam im Schatten. Dabei wird die nach
dem Schälen fast weisse Rinde braun und rollt sich von beiden Seiten ein. End-
lich werden die Röhren sortirt, gebündelt und in Ballen, „Fardelen", verpackt.
Ein Theil des Abfalles wird in der Mitte der Bündel versorgt, was übrig bleibt,
bildet als „Bruch" oder „Chips" einen selbstständigen Handelsartikel.
C ort ex Cinnamomi ceylanici, Cinnamomum acutum, Ceylon-
Zimmt, Cannel, Cannelle de Ceylon, Cinnamon wird von Ph. Brit.,
Gall., Germ. I., Neerl., Norv. et Suec. ausschliesslich, von Ph. Belg., Dan., Fenn.,
Graee., Helv., Hisp., Russ. et ün. St. neben der vorigen vorgeschrieben.
Die Rinde ist leicht, brüchig, kaum über 0.5mm dick, aussen glatt, gelb-
lichbraun, längsstreifig, innen etwas dunkler, matt, mitunter warzig. Der
Bruch ist kurzfaserig, am Querschnitte unterscheidet man eine äussere helle
und eine innere dunklere Hälfte in scharfer Abgrenzung.
Unter dem Mikroskope zeigt sie zu äusserst einen in der Regel geschlossenen,
den primären Markstrahlen gegenüber jedoch merklich schwächeren Solerenchym-
ring, an dessen Aussenseite die primären Bastfaserbündel ueben spärlichen
Parenchymresten liegen. Die Steinzelleu sind gross (tangential bis 0.2 mm gestreckt),
stark und ziemlich gleicbmässig verdickt, obwohl auch an ihnen die vorherrschende
Verdickung der Innenseite bemerkbar ist. Die Grösse der Zellen ist um so auf-
fallender, als die übrigen Elemente des Ceylon-Zimmts zarter sind als im Chine-
sischen Zimmt, was ohne Messung auf den ersten Blick erkennbar ist. Innerhalb
des Sclerenchyraringes, aber nur im äusseren Theile des Bastes, kommen vereinzelt
ebenfalls Steinzellen zur Entwicklung (Fig. 21). Die Innenrinde oder der Bast
wird durch ein-, zwei-, höchstens dreireihige Markstrahlen in schmale radiale
Streifen abgetheilt. Die breiten primären Markstrahlen sind gegen den Steinzeiten -
ring zu ein wenig verbreitert. Auf Querschnitten treten sie nicht sehr deutlich
hervor, weil ihre Zellen dem Bastparenchym sehr ähnlich sind, nur um weniges
grösser, zartwandiger und radial gestreckt.
Bastfasern linden sich in Menge, besonders in den inneren Schichten, sowohl
in tangentialen wie in radialen Reihen. Sie sind kaum 0.02mm breit.
Die Siebröhren bilden tangentiale Stränge oft durch die ganze Breite der
Baststrahlen. In den äusseren Lagen sind sie gewöhnlich zusammengefallen und
braun , im jüngeren (inneren^ sind ihre Lumina offen , ihre Wände farblos.
Schleim zellen von bedeutender Grösse (ganz gewöhnlich 0.2 mm lang und
0.05mm breit) kommen in allen Theilen des Bastes reichlich vor, oft 6 — !>
auf einer Fläche von 0.5 qrani. Der Inhalt ist ein schwach gelblich gefärbter,
in Wasser und Alkohol unvollkommen löslicher Klumpen oder ein farbloser, die
Zellen vollkommen ausfüllender Schleim, in welchem oft winzige Krystallnadeln
von oxalsaurem Kalk eingebettet liegen, die übrigens auch im Bastparenchym
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CINNAMOMUM. — CIRCASSIA WASSER.
159
und in den Markstrahlen vorkommen. Spezifische Oelz eilen, welche überall an-
gegeben, aber nirgends beschrieben werden , kommen nieht vor ; es scheint viel-
mehr das ätherische Oel ein allgemeiner Zellinhalt zu sein, wie auch Oude-
maxs (Pharmakognosie, pag. 213) meint. Die blassgelben Klumpen, welche man in
den Sehleimzellen antrifft, dürften ein balsamischer Schleim oder eine Art von
Gummiharz sein.
Die Parenchymzellen und Markstrahlen, mitunter auch die Steinzellen sind mit
Stärke erfüllt. Die Stärkekörnchen sind meist zusammengesetzt, zu dreien,
zweien oder vieren (Fig. 22). Sie sind zumeist nur 0.06 mm gross und solche
von doppelter Grosse gehören zu den Seltenheiten.
Der Ceylon-Zimmt ist der feinste von allen. Das ätherische Oel, von dem es
bis 1.5 Procent enthält, gleicht in seinen Eigenschaften und in der Zusammen-
setzung dem Cassia-Oel (s. Oleum Cinnam omi).
Er dient gleich dem Chinesischen Zimmt vorzüglich zu pharmaceutischem Ge-
brauch, seltener als Gewürz im Haushalt.
Das eigentliche Küchengewflrz, Cassia schlechtweg, auch Cassia lignea,
Xylocassia, Holzzimmt, Malabar-Zimmt, Holzcassia, im continentalen
Droguenhandel Cassia vera genannt, umfasst verschiedene geringwertige
Sorten, die einerseits von den ostindisohen Varietäten des Ceylon - Zimmtes,
andererseits von dem nach den Sunda-Inseln und den Philippinen verpflanzten
chinesischen Zimmtbaume, endlich wohl auch von anderen Zimmtbäumen
(Cinnamomum Burmani Bl., C. obtusifolium Nees , C. pauciflorum Nees,
C. Tamal i Nees et Eb.) stammen.
Im Aussehen und im Baue schwankt diese Sorte,, ihrer Abstammung ent-
sprechend, zwischen Ceylon- und Chinesischem Zimmt, nähert sich aber in der
gegenwärtig häufigsten Waare mehr dem ersteren. Sie ist es, welche als die wohl-
feilste Sorte den gestossenen Zimmt des Kleinhandels bildet Ueber den Nachweis
von Verfälschungen s. Zimmt.
3. Cinnamomum G ulilawan Bl. auf den Molukken liefert die Culi-
/awmn-Rinde (s. d.). Ein hoher Baum mit kahlen, dreinervigen, unterseits see-
grünen Blättern, armblütbigen , achselständigen Inflorescenzen , aus denen sich
grüne, kleinen Eicheln ähnliche Früchte entwickeln.
4. Cinnamomum in er 8 Reinw. (C. Malabathrum Botka, C. nitidum
Nees, Laurus Malabathrum Wall.) und wahrscheinlich einige andere indische
Arten (Cinnamomum eucalyptoides Nees, C. nitidum Hook, C. obtusifolium
Nees, C. Tamala Nees) gelten als die Stammpflanzen der Malabathrum*
Blätter (s. d.).
5. Cinnamomum Camphora Nees (Laurus Camphora L., Persea
Camphora Spr., Camphora officinarum Bauh.) ist ein kleiner Baum mit lang-
stieligen, drei- bis fünfnervigen, kahlen, unterseits bläulichen, häutigen bis lederigen
JUättern und achselständigen, schwach verzweigten, gelben Inflorescenzen. Das
Perigon ist innen sammt den Staubgefässen flaumig behaart, die Zipfel sind
stumpf. Die kugeligen, in der flachen, ganzrandigen Perigonbasis sitzenden
Beeren sind erbsengross, glänzend schwarzroth. Seine Heimat ist die Insel Formosa,
China und das südliche Japan. Er ist die Mutterpflanze des K a m p f e rs (s. Bd. DI,
pag. 510). J. Moeller.
CinnamylaJkohol, *. zi m m t a 1 k o h o 1.
Cinnamylsäure, s. Zimmtsänre.
CinnamylVVaSSerStoff, s. Zimmtsäurealdehyd.
CirCaSSian Hair-RejUVenatOr ist ein amerikanisches, Bleizucker ent-
haltendes Haarfärbemittel.
CirCaSSiawaSSer, RllOfTS, ein Cosmeticum, ähnlich der Mixtur« oleoso-
balsamica zusammengesetzt.
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160
CIRCULARPOLARISATION. - CIS3AMPELOS.
CirCUlarpolarisatiOII nennt man die Erscheinung der Drehung der Polarisa-
tionscbene linear polarisirten Lichtes beim Durchgang durch gewisse Substanzen,
wie Zuckerlösungen, Terpentinöl u. a. Je nachdem diese Drehung für einen den
Lichtstrahlen entgegen blickenden Beobachter im Bewegungssinne der Uhr-
zeiger oder demselben entgegen stattfindet, heisst die Substanz rechts- oder links-
drehend.
Lichtstrahlen bezeichnet man als circular polarisirt , wenn bei ihrer Er-
zeugung die schwingenden Aetherthcilehen kreisförmige Bahnen beschreiben. Man
unterscheidet rechts und links gedrehte, circularpolarisirte Strahlen, je nachdem
die Theilchen für einen dem Strahl entgegenblickenden Beobachter ihre Bahn im
Sinne der Bewegung eines Uhrzeigers durchlaufen oder nicht. — S. auch Polari-
sation und Sacc harimetrie. Pitsch.
CirCUlatlOn, s. Kreislauf.
Circumcision, Beschneidung. Die operative Entfernung der Vorhaut des
männlichen Gliedes ist entweder eine chirurgische Massnahme gegen Erkrankungen
diese« Organes oder sie ist ein ritueller Act. Als solcher wird die Circumcision
bei den Juden am achten Tage nach der Geburt, bei den Mohamedanern gewöhn-
lich im dreizehnten Lebensjahre ausgeführt. Auch bei vielen uncultivirten Völker-
schaften wird die Circumcision geübt , so bei den meisten afrikanischen Stammen,
bei den Eingeborenen Australiens, sowie bei einzelnen amerikanischen Volksstammen,
im Ganzen wohl an 200 Millionen Menschen. Reisende berichten auch von Ver-
stümmlungen an den weiblichen Genitalien. Ueber die Art und den Zweck der
Ausführung ist jedoch nichts Zuverlässige« bekannt.
Cirrhose fciüfe, gelb) ist eine entzündliche Wucheruug des Bindegewebes
zwischen den Leberläppchen, in deren Folge die Leber bedeutend anschwillt. Im
spateren Stadium des Krankheitsprocesses schrumpft das gewucherte Bindegewebe
und bringt die Leberläppchen durch Druck zum 8chwunde, die Leber wird ver-
kleinert und erhält eine feinhöckerige Oberfläche („granulirte" Leber). Die Leber-
cirrhose ist eine chronische Erkrankung, deren Ursache häufig Alkoholmissbrauch
ist („Gin drinkers liver"). Cirrhosen kommen auch in anderen Organen, sogar im
Gehirne vor: die progressive Paralyse soll auf einer derartigen Erkrankung des
Gehirnes beruhen.
CirsiUlTl. Gattung der Composüae, Unterfamilie Cardueae, charakterisirt durch
deu borstlich-spreuigen Fruchtooden und den federigen Pappus.
In den Blüthenköpfen von Cirsium arvense Scop., einer durch Diöcie aus-
gezeichneten Art, will neuerlich Schüttleworth ein Alkaloid, C i r s i u , gefunden
haben.
ClSSarnpslOS, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Menisper-
maceae. Diöcische Sträucher: $ Bltithen in sehr verzweigten Trugdolden, aus einem
kurz becherförmigen Pcrigon und einer oben schildförmig verbreiterten Antheren-
saule bestehend: 9 Blflthen in Trauben, ausser dem Fruchtknoteu aus je einem
einzigen Kelch- und Blumenblatt gebildet und zu einer kugeligen cinsamigen Stein-
frucht sich entwickelnd.
1. C i ssampelos Pareira L. aus dem tropischen Amerika besitzt
dicke holzige Wurzeln und windende stielrunde Stengel mit fast kreisrunden,
am Grunde nierenförmigen , langstieligen , haarigen Blättern. Die kleinerbsen-
grossen Früchte sind scbarlachroth, dicht mit langen, weissen Haaren besetzt —
Diese Art -galt früher als die Stammpflanze der Pareira -Wurzel (s. d.). Die
echte Part ira hrava stammt jedoch von Chondodeiidron tomentosum R. et P.
(s. pag. 101).
2. Cis sampelos Caapeba L. aus Westindien besitzt eine nur federkiel-
dicke Wurzel, streitige Stengel und ebenfalls schildförmige, unterseits weichhaarige
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CISSAMPELOS. — CITKONENKRAUT.
161
Blatter. Die Früchte sind viel kleiner, nierenförraig. Die Wurzel dient gleich
der Pareira in der Heimat als Heilmittel, besonders als Dinreticum.
3. C ias ampelos ovalifolia VC, das Unzenohr, in Brasilien heimisch,
schlingt kaum, die Blatter sind oval, lederig, unterseits weisshaarig, die Ö In-
floreacenzen sind mehrmals länger als der Blattstiel. Die Wurzel dieser und
anderer Arten (C. mauritiana Dup. Th., C. glaberrima St. Hü., C. ebracteata
tk. Hü., C. capensis Thbg.) gilt ebenfaUs als heilkräftig.
ClSt., auf Recepten vorkommende Abkürzung für cista oder cistula, Schachtel.
CistaCeae, Familie der Gistiflorae, zumeist in den Mediterranländern. Cha-
rakter : Blätter gegenständig, quirlig oder spiralig, ungetheilt, zuweilen mit Neben-
blättern. Blüthen zwitterig, regelmässig, oft in Wickeln. Kelch öblättrig, bleibend,
in der Knospenlage zusammengedreht ; äussere zwei Blätter meist kleiner oder auch
fehlend. Krone öblättrig, abfallend, in der Knospeulage in einer den Kelchblättern
entgegengesetzten Richtung zusammengedreht. Staubgefässe zahlreich, frei. Griffel
verwachsen, mir oberwarts 3 — ötheilig. Kapsel durch Mitteltheilung aufspringend,
entweder lfflcherig oder durch halbirtc Scheidewände 3-, selten 6— lOfficherig,
vielsamig. Sydow.
CiSÜfloräe, Abtheilung der Chortpetalae, umfassend die Familien der Reseda-
ceae, Violaceae, Ihoseraceae, Sarraceniaceae, Nepmthaceae, Cistaceae, Bixa-
ceae, Hypericaceae, Frankeniacear, Elatinaceae, Tamaricaceae, Temstroemia-
etat, Dilleniaceae, Cluaiaceae, Ochnaceae, Chlaenaceae und Dipterocarpaccae.
Sydow.
CiStUS, Gattung der nach ihr benannten Familie. Sträucher oder Halbst räucher
mit gegenständigen Blättern ohne Nebenblätter. Blüthen endständig, einzeln oder
zu mehreren, zu 5 — 10- fächerigen Kapseln sich entwickelnd. Mehrere im Mittel-
meergebiete heimische Arten (C.creticus L., C. cyprhis Lam., C. ladan iferus L.)
sind Mutterpflanzen des Ladanum (s. d.j.
Citraconsäure ist ein Zersetzungsproduct der trockenen Destillation der
Citr onensäure (s. d.).
Citras, Citrate (franz., engl.), ist ein eitronensaures Salz (Citrat).
Citratlöslich nennt man diejenige Phosphorsäure, welche in Superphosphaten
nicht mehr im freien Zustande vorhanden, sondern zum Theil in neutrales Calcium-
phosphat übergegangen („zurückgegangen") ist. Dieselbe ist immerhin noch als
assimilirbar zu betrachten, da das neutrale Calciumphosphat von der Kohlensäure
der Liift allmälig zersetzt wird. Um die „citratlösliche" Phosphorsäure zu bestimmen,
extrahirt man zuerst die wasserlösliche und hierauf mit einer Lösung von
Ammoniumeitrat die citratlösliche Phosphorssure. Die als Tricalciumphosphat und
Ferriphosphat vorhandene Phosphorsäure, die nur in Mineralsäuren löslich ist,
wird „Säurelösliche" genannt. — 8. Phosphorsäurebestimmung.
Cftrüen, s. unter Cit ronenöl.
Citrinamentum. s. Tinten.
Citronellaöl. Aethorisches, wohlriechendes Oel, welches aus einigen indischen
Arten Andropogon dargestellt wird. Es hat bei 20° das spec. Gew. 0.874 und
siedet bei etwa 200°. Es besteht hauptsächlich aus einem bei 200° siedenden
Oel Cl0 H1S 0. Bei Behandlung des Citronellaöles mit Chlorzink wird ein ibei
170 — 180° siedender Kohlenwasserstoff erhalten. Brom gibt neben harzigen Producten
ein Additionsproduct C10Hl8Br2O, welches beim Erhitzen in Wasser, Bromwasser-
stoff und Cymol C10 Hu zerfällt. v. Schröder.
CitrOnen-Mell'SSenÖl, das ätherische Gel von Melissa officinalis, s. Melissen öl.
CftrOnenkrailt ist Herba Melisme.
Keal-Encyolopädle der gea. Pharaade. III. «Digitized by Google
162
CITEONENÖL. - CITEONENSiUEE.
CitrOnenÖl, Oleum Citri s. de Öedro, Oleum Ianumis, Esselice de Citron.
Es findet sich in den Citronenschalen, den Fruchtschalen von Citrus Linwnumy
und wird durch Zerreissen und Auspressen der Schalen, seltener durch Destillation,
gewonnen. Es wird hauptsächlich in Calabrien, Nizza, Sioilien etc. im November
und December gewonnen. 100 Fruchte geben 60— 100g Oel. Das Oel ist dünn-
flüssig, gewöhnlich grünlich oder gelb, nach Rectification mit Wasser farblos.
Nach längerem Stehen wird es dunkelgelb , dickflüssig und hat dann das spec.
Gew. 0.88, während es fast eine Dichte von 0.84 bis 0.86 besitzt. Riecht ange-
nehm. Wenig löslich in Wasser, leicht löslich in Schwefelkohlenstoff und absolutem
Alkohol. Mischt sich mit ätherischen und fetten Oelen, löst Fette, Harze, auch
Schwefel und Phosphor. Beim Stehen an der Luft bildet sich ein Absatz von
Citropten (Citronenkampfer) und verharzt es allmälig. Chlorgas zersetzt es unter
Wärmeentwickclung ; Baumwolle oder Papier mit Citronenöl getränkt, erhitzt sich, in
Chlorgas gebracht, bis zur Verkohlung, selbst bis zur Entzündung. Wässeriges
Brom verbindet sich mit dem Oel; bei Zusatz von hinreichend viel Brom bildet
sich ein farbloses Dibromid Cl0H,öBr,, welches mit Anilin erhitzt Cymol C10HU
gibt. Beim Behandeln mit Wasser und Salpetersäure entsteht ein farbloses Hydrat,
C,0HaoOa 4- H,0. Es bildet Verbindungen mit Salzsäure, von denen das Bihydro-
chlorat, C,0H,0 2C1H, theils in weissen, gewürzhaft riechenden Blättchen und Säulen
krystallisirt, theils als farbloses Oel erhalten wird. Die erstere Form liefert beim Er-
hitzen mit Kali oder Kalk das optisch indifferente, bei 165° siedende Camphen,
Citren oder Citronyl, die letztere bei gleicher Behandlung das ebenfalls inactive
Camphen, Citrilen oder Citryl, das bei 168° siedet. Das Citronenöl ist rechtsdrehend
(a) D = + 109.32° und hat den Siedepunkt 177°. Nach Blanchet und Sell
ist das Citronenöl ein Gemenge von zwei Camphenen, dem Citren oder Citronyl
und dem Citrilen oder Citryl. Wenn man Citronenöl, welches Citronenkampfer
enthält, destillirt, so schiesst letzterer aus dem Rückstände in farblosen, glänzenden
Säulen an, welche bei 45° schmelzen, unzersetzt sublimiren, sich reichlich in
kochendem Wasser lösen und die Zusammensetzung Cl0Hll}Oö haben.
v. Schröder.
CftronenpflaSter, volksth. Bezeichnung für Ceratum citrinnra, Citronensalbe
für Unguentum Hydrargyri citrinum (auch für üngt. flavuin).
Citronensälire, C, H^ 0, * H, 0. Die Oitronensäure gehört zu denjenigen
organischen Säuren, welche im Pflanzenkörper theils allein, theils in Begleitung
anderer Säuren (Aepfelsäure, Weinsäure, Oxalsäure), theils in Form von Salzen,
an Kali, Kalk und Magnesia gebunden, vielfach verbreitet vorkommen.
Am reichlichsten findet sie sich in den Früchten von Citrus medica L. und
Citrus Aurantium L. Der frisch gepresste Citroneusaft ist, abgesehen von etwas
Pectin , eine ziemlich reine Auflösung von Citronensäure. Im Citroneusaft hat
Scheele die Säure im Jahre 1784 entdeckt und ihr in Folge ihres Ursprunges
den Namen gegeben. Seitdem ist sie als weitverbreitet nachgewiesen worden, und
zwar rein in den Früchten von Vaccinium vitis Idnea und Vaccinium Oxycoccos
(Preisseibeere und Moosbeere); neben Aepfelsäure in den Früchten von Ribes
Grossularin (Stachelbeere), Ribes rubrum (Johannisbeere), Vaccinium Myrtillus
(Heidelbeere), Ritbus Idaeus (Himbeere), Rubus ckamnemorus; neben Aepfel- und
Weinsäure in dem Mark von Tamarindus indica und in den Früchten von Sorbus
Aucujtaria (Vogelbeere), Prunus Cerasus (Kirsche), Prunus Padus (Vogelkirsche),
Fragaria vesca (Erdbeere), Sambucus nigra (Hollunderbeere) , Cerasus acidn
(Sauerkirsche), Rosa canina (Hagebutten). In kleineren Mengen findet sie sich
noch in einer grossen Anzahl von Pflanzen, entweder in den Früchten, Wurzeln,
Blättern, Rinden, im Milchsaft u. 8. w. ; z. B. in Drosera intermedia, Solanum
Dulcamara, Nicotin na Tabacum und vielen anderen , deren Aufzählung hier zu
weit führen würde.
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CITRONENSÄ URE.
163
Zur Darstellung und Gewinnung eignen sieb unter den genannten
Frachten hauptsächlich die Ottronen, deren Saft im Durchschnitt 10 Procent reine
Citronensäure enthält; von einheimischen Früchten eignen sich die rothen
Johannisbeeren, Stachelbeeren und Preisselbeeren, welche im Durchschnitte 1 Pro-
cent Ausbeute an Säure geben. Die Bereitung geschieht in der Weise, dass man
die meistens etwas beschädigten oder angefaulten Citronen, Bergamotten oder
Limonen presst und den trüben Saft zum Zweck der Klärung und Filtration
jrähren lässt. Dann filtrirt man und sättigt ihn kochend heisa mit Calcium-
carbonat und zuletzt, um vollständige Sättigung zu bewirken, mit Kalkmilch. Die
freie Citronensäure bindet sich dabei an den Kalk zu Calciumcitrat , welches die
merkwürdige Eigenschaft besitzt, in siedendem Wasser fast unlöslich, in kaltem
jedoch wesentlich löslicher zu sein. Dieses Calciumcitrat wird noch siedend auf ein Seih-
tuch gebracht und mit siedendem Wasser so lange ausgewaschen, bis das Wasser
nicht mehr trübe abläuft. Dann wird das gewasehene rohe Citrat mit verdünnter
Schwefelsäure im geringen Ueberschuss unter gelindem Erwärmen und beständigem
Umrühren zersetzt; man nimmt auf je 4 Th. der verwendeten Kreide 5 Th.
Schwefelsäure, welche man mit 25 Th. Wasser verdünnt und vor dem Zusatz
erkalten lässt. Das Calcium scheidet sich als Sulfat ab und die Citronensäure
geht in Lösung. Man filtrirt ab, wäscht das Sulfat fleissig aus und dampft das
Filtrat und die Waschwässer zuerst über freiem Feuer in Bleipfannen bis zum
apec Gew. 1.13, dann weiter im Wasserbade bis zur Bildung der Krystallhaut
ein. Die von den Krystallen abgegossene Mutterlauge wird nach dem Verdünnen mit
Wasser wieder wie Citronensaft behandelt. Die gewonnenen rohen Krystalle siud
meistens gelt) gd'iirbt und werden durch Behandeln mit Thierkohle und Umkry-
stalliairen gereinigt. Bei der Gewinnung aus Johannisbeeren, Stachel-
beeren und Preissei beer e n sammelt man die Früchte kurz vor ihrer Reife,
presst den Saft aus und lässt denselben zur Zerstörung des Zuckers gähren (der
gebildete Alkohol kann durch Destillation gewonnen werden). Den gegohrenen
alkoholfreien Saft sättigt man noch heiss mit Kreide. Der Niederschlag ist ein
Gemenge von Citrat und Malat. Die Zersetzung mit Schwefelsäure ist dann die
gleiche, wie oben bei der Darstellung aus Citronen angegeben; nur wiederholt
man die Operation der Sättigung öfter, um den in siedendem Wasser leichter lös-
lichen äpfelsauren Kalk thunlichst vom Citrat zu trennen. . Die Ausbeute an
Citronensäure beträgt aus Citronen 5.5 Procent, aus Johannisbeeren und Preissel-
beeren 1 — 1.2 Procent.
Synthese: Die Citronensäure lässt sich auch synthetisch herstellen. Vom
Dichlorhydrin gelangt man durch Oxydation zum entsprechenden Diehloraeeton,
C j H4 Cl, 0. Dieses wird durch concentrirte Blausäure in Dichloracetoncyanhydrin
CH,C1.C0H<™C1
und dieses durch Behandeln mit Chlorwasserstoff in Dichloracetonsäure umgewandelt :
CH,C,.COH<™™
Das Natronsalz dieser Säure gibt beim Erhitzen mit 2 Vol. Cyankalium in eon-
eentrirter Lösung ein Dicyanid, ans dem sich mit Salzsäure Citronensäure bildet.
Eigenschaften: Die Citronensäure krystallisirt aus heiss gesättigter wässeriger
Lösung wasserfrei, aus kalter wässeriger Lösung mit 1 Atom Krystallwasaer
in Form von grossen , wasserhellen , orthorhombischen Säulen oder Prismen von
1.55 spec. Gew. Letztere Modification ist die Handelswaare. Die Krystalle sind
geruchlos, von angenehmem, stark saurem Geschmack, in 3 , Th. kaltem, in 1 a Th.
heissem Wasser zu einer syrupdicken Flüssigkeit löajjch. Sie lösen sieh ferner
ungemein leicht in 80procentigem Alkohol , in Aether und in weniger als dem
gleichen Gewichte Kreosot.
Die speeifischen Gewichte wässeriger Citronensäurelösungen stellen sich bei 15°
nach Gerlach:
11*
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164
CITRONENSÄURE.
bei 10 Procent Gehalt 1.0392
20
r>
n
30
n
. . . 1.1244
40
»
n
60
n
. . . 1.2204
n
60
66.1
. . . 1.3076.
Prüfung: Die Citronensäure kann Verunreinigungen enthalten, welche
von der Darstellung herrühren, und zwar: Kalk, Schwefelsäure, Blei und Eisen
(event. Kupfer). Schwefelsäure ist leicht durch BaCl2, Kalk mit Ammoninm-
oxalat, Blei, Kupfer und Zinn mit H2 8, Eisen mit gelbem Blutlaugensalz nach-
zuweisen.
Als absichtliche Verfälschung wird nicht selten Weinsäure in geringeren oder
grösseren Mengen zugesetzt ; der Nachweis der Weinsäure beruht auf der geringeren
Löslicbkeit des Kalisalzes : man mischt gleiche Volumina einer Citronensäurelösnng
(1:3) und einer alkoholischen Kaliumacetatlösung ; es darf kein krystallinischer
Niederschlag entstehen. Noch schärfer wird die Reaction bei Verwendung von
Magnesiuniacctat : man erhitzt 2 g der zu prüfenden Säure mit 1 g Magnesium-
carbonat und 20 g Wasser zum Sieden : entsteht schon dabei eine Abscheidung,
so ist viel Weinsäure vorhanden ; bleibt die Lösung klar , so vermischt man sie
nach dem vollständigen Erkalten mit 60 g 90procentigem Alkohol und schüttelt
tüchtig; erfolgt auch jetzt keine Trübung, so war die Säure frei von Weinsäure,
da schon geringfügige Spuren eine Trübung durch abgeschiedenes Magnesi uni-
tartrat bewirken würden. Auch die Lösung der Citronensäure in concentrirter
Schwefelsäure kann zum Nachweis von Weinsäure dienen ; reine Säure löst
sich farblos und wird, 1 Stunde im Wasserbade erhitzt, höchstens gelblich;
bei Anwesenheit von Weinsäure färbt sich die Lösung jedoch bald mehr oder
minder braun.
Reactionen: Die Citronensäure ist durch ihre grossen , harten , farblosen
Kry stalle , die leichte Löslichkeit und den angenehm sauren Geschmack wohl
charakterisirt ; die Weinsäure zeigt in ihren physikalischen Eigenschaften Aehnlicb>
keit und gibt zu Verwechslungen Anlass. Die Citronensäure und ihre Lösungen
sind zum Unterschiede von der Weinsäure optisch inactiv; sie bildet mit Kali,
Ammoniak und Magnesia keine schwerlöslichen Salze. Selbst Alkoholzusatz fällt
dieselben nicht. Kalkwasser bewirkt in wässeriger Citronensäurelösung erst beim
Kochen einen Niederschlag, der sich beim Erkalten wieder
löst. Die Lösungen citronensaurer Alkalien geben mit Chlorcalcium erst beim
Erhitzen eine Fällung von Calciumcitrat, welches in Kali- und Natronlauge
unlöslich, löslich dagegen in Salmiak ist. Erhitzt mau diese Lösuug in Salmiak
zum Kochen, so fällt das Calciumcitrat wieder aus und löst sich nicht wieder in
Salmiak. Bleizucker gibt einen weissen Niederschlag von Bleicitrat, welches nach
dem Auswascheu sich in Ammoniak löst. Silbernitrat gibt einen weissen flockigen
Niederschlag, der sieh in kochendem Wasser ohne Schwärzung löst. Charak-
teristisch für die Citronensäure ist dasßaryumsalz. Die Citronen-
säure wird durch Baryumacotat sowohl in wässeriger, wie alkoholischer Lösung
gefällt als amorpher Niederschlag von der Zusammensetzung Bas (C6 H- 07)3 + 7 H2 0.
Erhitzt man dieses länger mit Baryumacetat im Wasserbade, so verliert es die
Hälfte des Hydratwassers und geht in ein Salz von der Formel Ba3 (C6 H&07)2 +
3.5 Hj 0 Uber, welches mikrochemische Kryställehen bildet.
Bestimmung und Trennung. Wo keine Trennung erforderlich ist, fällt
man die citronensauren Alkalien mit Baryumacetat und mit dem doppelten Volum
Alkohol von 95 Proeent. Nach 24 Stunden wird filtrirt, das Baryumcitrat mit
Alkohol von 65 Procent ausgewaschen, mit S 04 H3 zersetzt und als Sulfat ge-
wogen. Ist eine Trennung von Weinsäure erforderlich, so versetzt man mit Kalium-
acetat und dann mit dem doppelten Volum Alkohol von 95 Procent. Nach einer
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CITRONENSÄURE.
Stuude filtrirt man das gebildete Bitartrat ab, wascht mit einem Gemenge von
1 Vol. Wasser und 2 Vol. Alkohol; das Filtrat fallt man mit Bleizacker, wäscht
den Niederschlag mit Weingeist von 50 Procent, zerlegt ihn mit Ha S und titrirt
die in Freiheit gesetzte Citronensäure mit 1 3 Normalammoniak.
Constitution: Die Citronensäure ist eine dreiatomige Säure von der Formel
/COOH
Cj H4 . OH / COOH.
M300H
Je nachdem das Wasserstoffatom in einer, zwei oder allen drei Carboxylgruppen
durch Metalle vertreten wird, entstehen drei Reihen citronensaurer Salze. Die
Salze der Alkalien sind sämmtlich leicht löslich; die der übrigen Metalle mehr
oder minder schwer löslich, aber moist löslich in verdünnter Saure, oft schon in
Citronensäure selbst. Die Citronensäure bildet mit Vorliebe Doppelsalze, welche
sich in Alkalien und Ammoniak leicht lösen. Die Gegenwart von Citronensäure
verhindert daher die Fällung der Salze vieler schwerer Metalle durch Alkalien oder
kohlensaure Alkalien. Von den Salzen ist eine grosse Anzahl bekannt ; dieselben
finden indessen fast nirgends Verwendung in der Technik, sondern raeist die Säure
selbst. Von pharmaceutischem Interesse sind besonders das Magnesiumsalz, das
Eisensabc und das Eisenammoniumdoppelsalz. Näheres über diese siehe unter
Ferro- Ammonium citricum, Ferrum citricum und Mag neu in
citrica.
Derivate: Erhitzt man Citronensäure an der Luft , so entzündet sie sich
leicht und verbrennt vollständig zu Kohlensäure und Wasser. Beim Erhitzen in
einer Retorte schmilzt sie , und zwar die krystallisirte bei 100° , die wasserfreie
bei 153 — 154°; wird die Erhitzung bis auf 175° gesteigert, so tritt Zersetzung
ein und unter Abspaltung von Wasser resultirt Aconitsäure (C6 H,, 0, =
H« Oa + H3 0) , welche aus dem erkalteten Rückstände durch Extrahireu mit
Aetber und weitere Behandlung von der unzersetzt gebliebeneu Citronensäure
getrennt werden kann. Wird dagegen die Erhitzung bis auf 200° fortgesetzt, so
entweichen zunächst C0S und Aceton, dann tritt Kochen ein und es destillirt eine
farblose, schwere Flüssigkeit, die in der Vorlage zu einem Krystallbrei erstarrt,
welcher aus zwei isomeren Säuren : Itaconsäure und Ci t r a c o n 8 ä u r e C4 H4 04
besteht. C8 H„ 0, = C4 H6 O, + C0a.
Die Itaconsäure krystallisirt in farblosen Rhombenoctaedern , die sich in
17 Th. Wasser von 10°, reichlicher in heissem Wasser, sowie auch in Alkohol
und Aether lösen und bei 161° schmelzen.
DieCitraconsäure bildet hygroskopische vierseitige Säulen, welche in Wasser
und Alkohol leicht löslich sind, bei 80° schmelzen und sich bei anhaltendem Er-
hitzen auf 100° in Itaconsäure umwandeln. Beide Säuren zerfallen, der trockenen
Destillation unterworfen , unter Abscheidung von Wasser in Citracousäure-
anhydrid, C4 H6 04 — H, 0 = C4 H, Os, ein farbloses Gel von 1.24 epec. Gew.
und 212° 8iedepunkt. Wird die trockene Destillation noch weiter fortgesetzt, so
zerfällt das Anhydrid schliesslich in CO, C()a und brenzliche Producte unter Ab-
scheidung von Kohle. Die Brenzproducte liefern mit Natriumamalgam Brenz-
weinsäure.
Bei der Oxydation durch concentrirte Salpetersäure wird die Citronensäure
in Oxalsäure übergeführt; mit einem Gemisch von Salpeter- und Schwefelsaure
hingegen bildet sich Nitrocitronensäure. Kaliumpermanganat in saurer
Lösung oxydirt zu Kohlensäure und Aceton : dasselbe in neutraler Lösung oxydirt
zu Oxalsäure ohne Acetonbildung. Ein Gemenge von Braunstein und Schwefelsäure
oxydirt zu Kohlensäure und Aceton. Ozon oxydirt bei Gegenwart eines freien
Alkalis zunächst zu Oxalsäure, dann zu Kohlensäure und Wasser. Beim Erhitzen
der Citronensäure mit syrupdicker Phosphorsäure oder Schwefelsäure entweicht ein
Gasgemenge, bestehend aus 1 Vol. Kohlenoxyd und 2 Vol. Kohlensilure. Chlor in
eine wässerige Citronensäurelösung geleitet, zersetzt dieselbe und erzeugt eiu
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CITRONENSÄURE. — CITRUS.
Aceton , in dem sämmtliche H- Atome durch Cl substituirt sind , Pereblor-
a c e t o n , C, CL, 0. Wirkt Chlor dagegen auf eine Lösung von Natriumeitrat , so
entstehen Pentachloracetoo, G, HCI6 0, Chloroform, CHC13 und Kohlensäure.
Brom wirkt auf Citronensäure auch bei Siedetemperatur und im directen Sonnenlicht
nicht ein ; in einer Lösung von Calciumcitrat wird dagegen Pentabromaceton
gebildet. Bei Behandlung mit Phosphorpentachlorid bildet sich C Uro nensflu re-
ch lorid. C0 H8 0« .Cl,, als weisse, seideglänzende Nadeln. Mit Kalihydrat ge-
schmolzen zerfällt sie in Oxalsäure und Essigsäure.
Die concentrirte wässerige Lösung der Citronensäure hält sich unverändert ;
verdünnte Lösungen dagegen zersetzen sich unter Schimmelbildung selbst in
verschlossenen Gefässen.
Anwendung: Die Citronensäure wird hauptsächlich in der Kattundruckerei
verwendet. In der Medicin und bei Bereitung von Limonaden und ähnlichen
erfrischenden Getränken benutzt man häufiger den Citronensaft. Ganswindt.
Citronensaft, frischer. Der ausgepreiste Saft des Fleisches der Citronen,
Limonen und Bergamotten ist in der Hauptsache eine wässerige Lösung von
Citronensäure mit etwas Pectin und Eiweiss ; ein guter echter Citronensaft hat ein
spec. Gew. von 1.045 und einen Durchscbnittsgehalt von 93,4 Procent krystallisirter
Säure. Eine gute Citrone liefert im Durchschnitt 25 g Satt und 2.5 g Säure. Nach
VYarrixgtox enthalten die Citronensäfte des Handels verschiedene Säuremengen ;
nach ihm enthält eine Gallone im Gewichte von durchschnittlich 3190g Saft 373 g
bis herab zu 186 g Citronensäure neben 2.5 Proceut fremden Säuren ; der Berga-
mottensaft enthält durchschnittlich 450 g, der Limonensaft 360 g Säure per Gallone,
ersterer mit 12—13, letzterer mit 7— 8 Procent fremden Säuren. Nach Stoddart
sollen alte Citronen keine Citronensäure, sondern nur noch Essigsäure enthalten.
Citronensaft gilt als das wirksamste Mittel gegen Scorbut, weshalb sich in
England und Amerika Schiffe für längere Fahrten vorschriftsmässig mit demselben
verproviantiren müssen. Citronensäure ist erfahrungsgeiuäss viel weniger wirksam.
Für den Großhandel wird Citronensaft namentlich von Italien von Citrus Limonum
Jtisso und von der westindischen Insel Montserrat geliefert, wo C. Limetta lüsso
cultivirt wird. Ganswindt.
Citmllin ist eine aus den Coloquinthen, den Früchten von Citrullus Colocyntfiis
von Merck dargestellte harzartige Substanz, die in Wasser unlöslich ist. Innerlich
genommen, wirkt es zu 0.005 — O.Ol abführend, desgleichen auch, wenn es sub-
cutan (in gleichen Theilen Alkohol, Glycerin und WaHscr gelöst) eingeführt wird.
Ganswindt.
CitmllUS, Gattung der Cucurbitaccae , Unterfamilie Cucumerineae . Nieder-
liegende oder kletternde Kräuter mit Ranken und lappigen Blättern von eigen-
thümlichem Gerüche; Blüthen gelb, monöcisch, einzeln in den Achseln. Die Ö mit
3 Staubgeffissen, darunter 2 gepaart, das Connectiv nicht verlängert; die (y mit
dreifächerigem, vielsamigem Fruchtknoteu, welcher sich zu einer meist kugeligen
Beere entwickelt.
Citrullus C olocynthxs Schrad. (Cucumis Colocynthis L. , Colocyn-
this officinarum Schrad.), Koloquinthe, ist 4, mit kantig gefurchtem, von
brüchigen Haaren rauhem, warzigem Stengel , gestielten , haarigen , bandförmig
gelappten Blättern, in deren Achseln die kurzgeatielten Blüthen sitzen. Die Früchte
sind die officiuelle Colocynthis (s. d.).
Citrullus vulgaris Schrad. (Cucumis Citrullus <SVr. , Cucurbita
Citrullus L.), die Wassermelone oder Pasteke, ist 0, wird wegen ihrer
grossen, süsstleischigen Früchte gezogen. Ihre Samen sind die ehemals als Wurm-
mittel gebräuchlichen Sem. Amjuriae s. Cucunuris aquaticae.
CitrUS, Gattung der Aurantieae, welche in neuerer Zeit als Unterfamilic der
Hutaceae aufgefaßt werden.
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CITBÜS. 167
Holzgewächse, oft dornig, mit alternirenden, immergrünen, lederigen Blattern,
deren Spreite von dem häufig geflügelten Blattstiele abgegliedert ist, dadurch
verrathend , dass die Blätter der Anlage nach dreizählig sind und durch Abort
der Seitenblätter einfach erscheinen. Inflorescenzen achselständig , aus weissen,
wohlriechenden, meist fünfzähligen Blütben, deren Kelch verwachsenblätterig,
die Krone 4— 8blätterig , die zahlreichen (20—60) Staubgefässe zu Bündeln
verwachsen sind. Der oberständige, aus zahlreichen Carpellen verwachsene
Fruchtknoten entwickelt sich zu den bekannten grossen, vielfächerigen Beeren
t„Aepfel der Hesperiden"), deren Fächer durch häutige Scheidewände getrennt
und mit saftiger Pulpa erfüllt sind. Im Fruchtknoten birgt jedes Fach zahl-
reiche Samenknospen in zwei Reihen, in der reifen Frucht liegen in jedem Fache
nur wenige, bei manchen Culturformen („Mandarinen") gar keine Samen. Die Samen
besitzen kein Endosperm, oft mehrere Embryonen.
Die Gattung ist formenreich und durch Cultur veränderlich. Lixnk Hess für
die Formen der Citrone und Orange nur 2 Arten gelten: C. ntedien , Blattstiel
ungeflflgelt, Staubgefflsse 30 oder mehr, Früchte oval; C. Aurantium, Blattstiel
fcetitlgelt, Staubgefflsse 20 — 25. Früchte rundlieh, ungenabelt. Man unterscheidet
jetzt folgende wichtigere Arten, die sflmmtlich in Asien beimisch sind:
1. Citrus Lim ort um Iiisso (C. medica var. ß L.), die Limone oder
Citrone des Handels, ist ein höchstens 5 m hohes Bäuinchen mit kerbig ge-
sägten Blättern, deren Blattstiel kaum merklich geflügelt ist. Die Blüthen sind
aussen rüthlich und zählen meist 35 Staubgefflsse. Die Früchte sind oblong,
kaum über 8 cm lang, eitronengelb, dünnschalig, am Scheitel, oft auch an beiden
Polen gebuckelt, 10 — 12fächerig, mit 2 — 3 Samen in jedem Fache, sehr sauer.
fr u et- us Citri sind von Ph. Belg., Dan., (lall., Graec. , Hisp. , Korn.,
Russ. aufgenommen.
Die frischen Citronen dienen im grossen Massstabe zur Gewinnung des C i t r o n e n-
Baftes (8. d.) und des Citronenöles (s. pag. 102), ferner bilden sie für den
Kflchengebrauch einen wichtigen Handelsartikel. Zu pharmaeeutischen Zwecken
dient Succus recens selten fSi/r. acetositatis Citri Ph. Austr.), häutiger
Cor t ex Fructus Citri (Ph. Austr., Germ., Helv., Belg., Brit., Fenn.,
Hung., Xeerl., Russ., Suec., Un. St.), die in höchstens 2 mm dicken Spiralbändern
abgeschälte Rinde, welche beim Trocknen sieh an den Rändern stark umbiegt und die
Oelräume deutlich hervortreten lägst. Dir Inhalt aber geht zum grossen Theil verloren,
sie riechen und schmecken weniger aromatisch als im frischen Zustande. Im Baue
stimmen sie mit den Pomeranzenschalen überein (s. Auranti um, Bd. II, pag. 30).
Ihr wichtigster Bestandteil ist das C i t r o n e n ö 1 , auch enthalten sie H e s p e r i d i n.
Ph. Germ. II. verwendet die Citronenschalen nur zum Deeoetum Sarsaparülae
comp, mitius, Ph. Austr. bedient sich ihrer ausserdem zur Bereitung der Aqua
carmiuativa und des Spiritus aromaticus.
Die Samen der Citronen werden angeblich (Hager) hier und da als fieber-
und wurmwidriges Mittel angewendet. Sie enthalten das stark bitter schmeckende,
neutrale, mikrokrystallinische Limonin.
2. Citrus vulgaris Risso (C. Bigaradia Duh., C. Aurantium var. y. L.),
die Pomeranze, ist ein kleiner Baum mit elliptischen Blättern, deren Spreite
von dem breit geflügelten Blattstiel deutlich abgegliedert ist. Die Blüthen haben
20 Staubgefflsse ; die Früchte sind kugelig, rauh- und dünnschalig, meist 8fflcherig,
ihr Fleisch ist bitter. Ceber die von dieser Art stammenden Drogen (Folia, Flores,
Fructus) s. Aurantium, Bd. II, pag. 30.
3; Citrus Aurantium Risso (C. Aurantium var. ß L.) , die Apfel-
sine, unterscheidet sich von der Pomeranze wesentlich nur durch die fast un-
geflügelten Blattstiele (2 — 3.5 mm) und durch die süssen Früchte. Liefert Cortex
Aurantii dulcis der Ph. Belg., Gall., Graec, Hisp., Un. St.
4. Citrus Berg am ia Risso ( ('. Aurantium var. v L.) , die B e r g a m o 1 1 c,
besitzt schmal geflügelte Blätter, birnförmige oder von oben her abgeflachte, wulstige
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168
CITRUS. — CLAIRET DES S1X GR AINES.
Früchte mit glatter dünner Schale und grünlichem, säuerlich-bitterem Fleische.
Durch Auspressen der Fruchtschalen, seltener durch Destillation wird das
Bergarootteöl (s. Bd. IL, pag. 220) gewonnen.
5. Citrus medica Risso (G. medica var. a L.), die echte Citrone, hat
zugespitzt oblonge Blätter mit ungeflügelten Stielen, aussen rüthliche Blüthen mit
etwa 40 Staubgefassen, den Limonen ähnliche Früchte, aber viel grösser und dick-
schaliger. Diese Art dient vorzüglich zur Bereitung des Citronat. Sie ist nur
von Ph. Hisp. aufgenommen, welche als Stammpflanze Citrus Cedra OaUesio
angibt.
6. Citrus Limetta Risso (G. medica var. y L.) besitzt eirunde, gesägte
Blätter mit ungeflügelten Stielen, weisse Blüthen mit etwa 30 Staubgefassen ind
ellipsoide, blassgelbe , dickschalige , süsse Früchte. Diese in Ostindien heimische
Art wird im Grossen nicht cultivirt. Ihre Fruchtschalen enthalten das Limettöl.
7. Citrus decumana L., Pompelmus, ist der Pomeranze ähnlich, aus-
gezeichnet durch die grossen , grünlichgelben, dickschaligen , bis 6 kg schweren,
angenehm schmeckenden Früchte. J. Mo eil er.
Cl, chemisches Symbol für Chlor.
Cladodien sind blattähnliche Zweige mit begrenztem Längen wach sthum , die
sich aus den Achseln meist schuppenförmiger Blatter entwickeln und von Ungeübten
leicht mit echten Blattern verwechselt werden können (z. B. Ruscus, Phyllocladus).
Cladonia, Gattung der nach ihr benannten Flechtenfamilie. Die bekannteste,
durch strauchartig sich erhebenden Thallus ausgezeichnete Art ist Cl. rangiferina
Hoffm., dieKenthicrflechte. Zu der Formengruppe mit schuppig-blattartigem
Thallus und becherförmigen Aesten (Podetien) gehören CL pyxidata Fr. uud
Cl. coccifera Flk. Erstere (mit derbhäutigem, gelapptem Thallus, körnig-schuppigen
Podetien und braunen Apothecien) war als Liehen pyxidatus oder Herba Musei
pyxidati in arzneilicher Verwendung gleich der zweiten (durch kleinblättrigen
Thallus und scharlachrothe Apothecien charakterisirt), die als Liehen s. Muscus
coeeiferus oder Herba ignis in den Apotheken gehalten wurde.
CladOphora, zu den Confervaceae gehörige Algengattung, charakterisirt durch
den wiederholt fiederästigen Thallus, dessen Gliederzellcu mehrmals länger als breit
sind. Während manche Autoren (Kützing) eine grosse Zahl von Arten (über 200)
annehmen, werden von anderen dieselben auf nur wenige reducirt. Sie bilden fest-
gewachsene, gestreckte, fluthende Rasen oder schwimmende, verworrene Massen, selten
polsterförmige Räschen in süssem und salzigem Wasser.
Cladophora prolifera Ktz., braune, buschige Rasen bildend, kommt häufig im
mittelländischen Meere vor und ist eiu Bestandteil des Wurmmooses.
C. fracta Ktz. (Conferva fracta Dillw.) findet sich in stehenden Gewässern
und bildet beim Austrocknen derselben das sogenannte Meteorpapier.
Sydow.
Cladothrix gehört sowie Crenothrix und Beggiatoa zu jenen pleomorphen und
arthrosporeu Bacterien , welche als Saprophyten in an unorganischen Substanzen
reiebeu Gewässern vegetiren; besonders in Schmutzwäasern , in Fabriksabflüssen,
aber auch in Bächen bildet Cladothrix am Ufer reichliche, grauweisse, flottirende
Flocken. Ihre Fäden sind dadurch ausgezeichnet, dass sie verzweigt sind und eine
Scheide besitzeu , welche durch eingelagertes Eisenoxyd hell- bis dunkelbraun ge-
färbt erscheint. Die in eisenhaltigen Wässern vorkommenden ockerfarbigen Schlamm-
massen werden gewöhnlich von Cladot/irix gebildet. — S. Bacterien.
Weichsel bäum.
Clairet des SiX graineS ist (nach Dorvaui.Ti ein Liqueur, gewonnen durch
Maceration von Angelicasamen , Anis , Coriauder und Fenchel mit Alkohol und
nachherigem Zusatz von Zucker. In manchen Gegenden Deutschlands heisst Clairet
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C LAIRET DES SIX GR A INES. — CLAVELLI CASSIAE.
160
oder Ciaret ein nach Art des „Bischof" (s. d.) aromatisirter und versttsster
Rothwein.
Claon'S Brillantine ist ein, hauptsächlich Trippel enthaltendes, Polirmittel
für Metalle.
Claridat von G. Behrendt, eine „Naturhaarfarbe", ist eine Lösung von Blei-
zucker, in welcher Schwefelmilch suspendirt igt.
ClariSSima von Walberer, ein Zahnschmerzmittel, ist eine Tinctur von Herba
Spilanthis oleraceae.
Clark'S BlOOd MixtUre, eine amerikanische Specialität, ist (nach Ph. Centralh.)
eine Mischung von 4g Jodkalium, 15g Alkohol, lg Chloroform, 2g Liquor
Kali caust. (spec. Gew. 1.06) und 225 g Wasser, durch Zuckercouleur braun
gefärbt.
Clark'8 Distilled Restorative for the hair ist eines von den vielen
sur Amerika oder England kommenden, Bleizucker enthaltenden Haarfärbemitteln.
Clark'S PÜUlae Rhei bestehen aus 4.0 g Radix Rhei, 3.0 g Aloe, 2.0 g
Myrrha , 0.5 g Sapo medicatus und 0.2 g Oleum Carvi zu 100 Pillen, die mit
Lycopodium conspergirt werden.
Clathrocystis roseo-persicina ist die von Zopf so genannte Zoogloea von
Beggiatoa roseo-persicina. — S. B e g g i a t o e n Bd. II, pag. 183. Weichselbaum.
Clauder's Elixir aperitivum, früher sehr beliebt, wird bereitet durch Diges-
tion von 5 Th. Myrrha, 5 Th. Aloe, 21/, Th. Crocux und 10 Th. Kalium carbon.
mit 70 Th. Aqua Sambuci und io Th. Spiritus. — Clauder's Tinctura Fuliginis
wird bereitet durch Digestion von 50 Th. Fnligo splendens, 150 Th. Kalium
carbon. und 25 Th. Amuionium chloratum mit 900 Th. Aqua destillata.
Clavaethyl, ein Hühneraugenvertilgungsmittel von Koxcz Andräs, ist (nach
Pharm. Centralh.) Collodium elasticum mit einem Zusatz von etwa 2 Procent
Acidum salicylicum.
Ciavaria, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Hymenomycetes.
Fruchtkörper von fleischiger Consistenz, cylindrisch oder keulenförmig, einfach
oder strauchartig verzweigt, ohne deutlichen Stiel. Basidien mit 4 gipfelstän-
digen Aesten.
Als Speiseschwämme sind beliebt:
C. Botrytes Pers., rother Hirschschwamm, Bärentatze, kenntlich an den kurzen,
stumpfen, ungleichen, an der Spitze röthlichen Aesten und weissen Sporen. Der
Pilz wird bis 8 cm hoch bei einem Durchmesser bis IC cm.
C. flava Pers., gelber Hirschschwamm, Ziegenbart ; Fruchtkörper bis 11 cm hoch
und 16 cm im Durchmesser, gelb oder gelbröthlich , mit nach unten verjüngtem
Stamme und aufrechten, stielrunden, büsoheligen, gelben Aestchen. Sporen weiss.
C. coralloides L., Korallenschwainm ; Fruchtkörper weiss, innen hohl, mit wieder-
holt und unrcgelmässig verästeltem Stamm, ungleichen, nach oben erweiterten Aesten,
mit zahlreichen, dichtstehenden Aestchen. Sporen weiss.
C. aurea Scliaeß., goldgelber Keulenschwamm , 8 — 12 ein hoch, mit dickem,
elastischem, blassem Stamm und dichotom vieltheiligen , cylindrischeu , stumpfeu,
schwach gezähnten, gelben Aesten. Sporen gefärbt.
C. formosa Pers., schöner Keulenschwamm, mit dickem, fast bauchigem, sehr
istigem , weisslichem Stamm und verlängerten , orange-rosenfarbigen Aesten und
stumpfen, gelblichen Aesteheu. Sporen gelb oder braun. Sydow.
Clavelti CaSSiae (Zimmtnägelchen), ein nicht mehr gebräuchlicher Name für
Flores Cassiae.
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170 CLAVICEPS. — CLA VIERSAITENDRAHT.
ClaviCepS. Gattung der Pyrenomyceten-Fsmüie Nectrieae, eharakterisirt durch
ein fleischiges freies Stroma.
Claviceps purpurea Tulasne (Cordyceps purpurea Fr., Sphaeria purpurea
Fr,, Kentroftporium mitratum Watlr., Sphaeropus fungorum Ouib.) besitzt
fadenförmige Sporen, welche auf den Blüthen verschiedener Gräser keimen und ein den
Fruchtknoten umhüllendes Mycelium entwickeln. Aus diesem schimmelartigen Mycelium
(Fig. 23) entstehen einerseits Sporen, durch welche der Pilz auf andere Blüthen
Fig. 23.
übertragen wird und auf diesen die früher als selbstständige Pilzform anfgefasste
Spltacelia bildet ; anderseits verdichtet sich das Mycelium zu einem harten Körper,
dem sogenannten Seiet otium, welches überwintert und unter günstigen Bedingungen
Fruchtkörper in Gestalt gestielter Köpfchen (Fig. 24) entwickelt. In den Köpfchen
entstehen jene fadenförmigen Sporen . aus denen wieder die Sphvcel in -Form des
Pilzes hervorgeht. Von pharmaceutischem Interesse ist das in den Blüthen des
Roggens sich bildende Sclerotium, denn dieses ist das Seeale cornutum (s. d.%
Claviceps purpurea nennen die Homöopathen eine aus dem Mutterkorn dar-
gestellte Tinctur.
Claviersaitendraflt wird benutzt als Material zur Titerstellung der Per-
mauganatlösungen. Man bevorzugt diesen Draht, da er ein sehr reines Material
darstellt und in sich sehr gleichmässig ist, ferner auch, weil es leicht ist, beliebige
Stücke abzubrechen, die sich ihrer grossen Fläche wegen leicht auflösen. Immerhin
ist es nöthig, seinen Vorrath an Claviersaitendraht auf den Gehalt an wirklichem
Eisen zu untersuchen und den Befund zu notiren. Der Gehalt an Kohlenstoff
schwankt in den Grenzen von 0.1 — 1.5 Procent.
«
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CLAVUS. — CLINOPODIUM.
171
ClavUS (lat.), Leichdorn oder Hühnerauge. — ClavUS 86CalinU8 ist gleich-
bedeutend mit Seeale cornutum.
Clay'8 PÜUlae aperienteS bestehen aus 10g Fei Tauri inspiss. und
12 Tropfen Oleum Carvi mit so viel als nöthig Magnesia carbon. zu 50 Pillen bereitet.
Clearing nuts heissen in Ostindien die Samen von Strychnos potatorum L.,
welche angeblich kein Strychnin enthalten, aber zur Klärung schlammigen Wassere,
auch als Heilmittel verwendet werden.
ClematiS. Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Jtanunculacea^,
eharakterisirt durch blumenblattartigen Kelch, fehlende Blumenkrone, zahlreiche
ein Kam ige Nüsschen auf einem gewölbten Fruchtboden.
Clematis recta L., eine krautige, weissblüthige Art, lieferte Herba Glematidis
s. Flamulae Jörns : — OL Vitalba L., ein klimmender Strauch mit einfach gefiederten
Blättern, ebenfalls weissen Rlüthen und bärtig geschwänzten Früchten war als
H*rba Clematidis Vitalbae 8. sylvestris in Gebrauch ; — Cl. Flammula L., von der
Torigen durch doppelt gefiederte Blätter verschieden, wurde als Herba Flammulae
geführt. Jetzt sind alle drei obsolet.
Clematiskampfer wird aus Clematis-Arten durch Destillation mit Wasser-
dämpfen erhalteu.
Clemens' Liquor Arsenici bromati, Liquor arseuicalis (lemeus. 1 g
Acidum arsenicosum und lg Kalium carbonicum werden in 3 g Aqua in der
Warme gelöst, dann mit so viel Aqua gemischt, dass das Ganze 100g beträgt.
Mau fügt 2 g Brom hinzu und stellt in einem verschlossenen GefUsse so lange bei
Seite, bis die Flüssigkeit wieder farblos erscheint. — Clemexs glaubte auf diese
Weise eine wirkliche Verbindung von Brom mit arsenigsaurem Kali zu erhalten
and hielt die Verbindung für perfect, sobald die durch das freie Brom braun
gefärbte Flüssigkeit wieder farblos geworden war; thatsächlich bildet sich aber
nur etwas Bromkalium, falls nämlich noch freies kohlensaures Alkali vorhanden
war. und die Flüssigkeit wird um so länger gefärbt erscheinen , je fester dag
Gefäss verschlossen bleibt, aber in Folge der Verflüchtigung des Broms bald ent-
färbt sein, wenn das Gefäss öfter geöffuet wird. G. Hof mann.
Clerambourg's Grains (Pilules) de vie sind verdauungsbefördemde Piiicu
mit Aloe, Chinaextract, Zimmt u. s. w.
Clerk'S InjeCtiO BalSami Copaivae ist eine Emulsion aus 1 g Balsam.
Cupaivae, 10g Viteilum Ovi und 120 g Aqua.
Clermont-Ferrand im Departement Tuy-de Dome besitzt Eisensäuerlinge
von 19 — 24°.
CÜfF'S Antiseptl'SChe Flüssigkeit ist (nach Hagebj eine mit CarboMure
versetzte spirituöse Lösung von grüner 8eife.
Clifton in der Grafschaft Glocestorshire besitzt Thermen von 23° mit nur
0.7 pro Liter Salzgehalt.
ClimaCterium (xAiaa;, Stufej , die Wechselpause, d. i. die Zeit, in welcher
die Frauen regelmässig zu menstruiren aufhören.
CliflOpodium, Gattung der Labiatae , Unterfamilie Satureineae, auch mit
Calamintha Riv. vereinigt, von welcher Bie sich wesentlich nur durch den nackten
Schlund der Kelchröhre und durch die von borstlichen Hüllblättern umgebenen
Blüthenquirle unterscheidet.
Clinopodium vulgare L. Wirbelborste, ein 4, rauhhaariges Kraut mit
purpurrotb.cn, selten weissen Blüthen , war früher unter der Bezeichnung Herba
Clinopodii majoris s. Ocimi aiteestris als „Brustthee" in Verwendung.
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CL1N0PODIUM. - CLIIPEA.
Unter Herba Clinopodii minoris verstand man Calamintha Acinos Claim. y
charakterisirt durch die an der Spitze zusammengezogenen und die durch auf-
einanderlicgende Zähne geschlossenen Fruchtkelche.
Unter Herba Clinopodii montani , Alpenthymian, verstand man Cala-
mintha alpina Lam., charakterisirt durch offene Fruehtkelche mit aufrecht ab-
stehenden Zähnen.
ClOSetS sind Vorrichtungen, die es verhindern, dass aus den Abtritten übel-
riechende Stoffe in unsere Wohnungen gelangen; sie erfüllen diesen Zweck auf
zweifache Weise. Entweder dadurch, dass sie einen Verschluss repräsentiren, der
die Gase nicht entweichen lägst, oder aber, dass sie den Excrementen Stoffe bei-
mischen, die im Stande sind, die Excremente zu desodorisiren.
Zu der ersten Art gehören die sogenannten Waterclosets. Das Wasser vermittelt
hier den Verschluss und ist also zur Application derselben eine Wasserspülung
unerlässlich. Der Verschluss wird dadurch bewirkt, dass die Verbindung zwischen
Abfallrohr und Sitzrohr durch ein S-förmig gekrümmtes Zwischenstück von Eisen
oder Steingut etc., einen Syphon, hergestellt wird. Hierbei ist hervorzuheben, dass der
Verschfuss umso sicherer ist gegenüber etwaigen Drucksteigerungen im Canalnetz,
wenn der zum Fallrohr abgehende Schenkel des Syphons weiter ist, als der vom
Abtritteitz einmündende. Störungen , insbesondere Leersaugen des Syphons oder
Durchbrechen vermeidet man, indem man das Abfallrohr über Dach offen münden
lässt und ausserdem von jedem Syphon an der höchsten 8telle, an der Uebergangs-
stelle zum abführenden Rohr, ein Ventilationsrohr abzweigt, oder aber an irgend
einer Stelle des Syphons eine Verengerung anbringt. Meist wird die Wirkung
des Wasserverschlusses auch noch durch eine Klappe verstärkt. Dort, wo kein
Wasser zur Spülung verwendet wird, etablirt sich ein Kothverschluss, der natürlich
den eigentlichen Zweck des Closets illusorisch macht.
Bei der zweiten Methode werden die Excremente in einem unterhalb des Sitzes
befindlichen Behälter sofort nach ihrer Entleerung mit einem Material vermischt,
welches Flüssigkeit stark absorbirt und gleichzeitig desodorisirt. Die Vermischung
erfolgt jetzt meist automatisch, indem aus einem seitlich befindlichen Reservoir
durch Lüften einer Klappe stets eine bestimmte Menge des Materials hereiufällt.
Zuerst hat Moüle ein sogenanntes Erdcloset construirt , er bediente sich der
Erde, besonders einer an wasserhaltigen Doppelsilicaten reichen, thonhaltigen, sorg-
fältig getrockneten Ackererde, und setzt die Menge für eine gewöhnliche Defacation
von 125— 150g Koth, 250 — 300g Urin auf circa lk fest. Das MüLLEit-ScHüR'scbe
Closet, das die Trennung der festen von den flüssigen Excrementen postulirt,
wendet Torfgrus an, welcher mit dem Abgange aus Sodafabriken oder mit einer
schwefelsauren Magnesia gemischt ist; auch Asche, Kalk, Sägespäne und Sand
werden verwendet.
In neuester Zeit wird in den Torfclosets der Torf als Torfmull mit grossem
Erfolge verwendet.
Literatur: Blasius, Die Verwendung der Torfstreu. Monatsb). f. off. Gesundheitspflege.
Braunschweig 1884. — Kassie, Healthy and unhoalthy Ho'ises. International Health Exhi-
bition, Handbook. 1SKI. — Erisman, Entfernung der Abfallstofle. Pettenkofer-Ziemssen's
Handbuch der Hygiene. — Gerhard, Anlaue von Hausentwässerungen. — Pettenkofer,
Vortrag über Canalisation und Abfuhr. — Henk. Die Canalgase. München 188Ü. — Soyka,
Die Verwendung des Torfes zu Zwecken der Absorption und Desinfection. Prager medicin.
Wochenschritt. 188b'. — P. Teale, Dangers to Health, London 188.1 Soyka.
Clostridium butyriCUm «. Bacillus butifricu» s. B. amylobacier gehört zu
den Anaerobien und ist das Ferment jener (Jährungen der Zuckerarten, bei denen
Buttersäure als Hauptproduct gebildet wird. — S. Bactorien, Bd. II, pag. 82.
Weichselbaum.
Cllipea. Fischgattung aus der Abtheilung der Edelfische (Physostomi) und
aus der Familie der Häringe (Clnpeidae) , mit seitlich zusammengedrücktem Körper
und gesagter Bancbkante, massig weiter Mundspalte mit verkümmerten Zähnen, massig
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CLUPEA.
173
langer, aus weniger als 30 Strahlen gebildeter Afterflosse, den Bauchflossen gegen-
überstehender Rückenflosse und gegabelter Schwanzflosse. Unter den 60 Arten be-
finden sieh viele ab) Nahrungsmittel wichtige, in erster Linie
Clupea Harengus L., der Hit ring, der früher durch die Testes Harengi,
gewöhnlich Milch genannt, welche als Specificum der Schwindsucht galten, direct
Interesse für die Pharmacie hatte. Die Häringe, welche bei Lebzeiten schön blau-
jrrüne , an Seiten und Bauch in allen Regenbogenfarben schildernde, 20 — 35 cm
lange Fische sind, leben den grössten Theil des Jahres, zu grösseren oder kleineren
Stämmen vereinigt, im nordatlantischen Ocean, in der Nord und Ostsee, in der Tiefe
des Meeres, theils, und zwar die grössten und für die Fischerei wichtigsten, in einer
Entfernung von 400—600 Seemeilen von der Küste (sogenannte Hochsee-
stämme), theils stets in der Nahe des Strandes (sogenannte Küstenstämme),
was besonders in der Ostsee der Fall ist, in deren östlichem Theile auch eine sehr
kleine Häringsvarietät, Strömlinge genannt, vorkommt. Zur Laichzeit , welche
übrigens zweimal im Jahre stattfindet, oder auch schon einige Wochen vor dem
Beginne derselben, während der Entwicklung von Rogen und Sperma, ziehen auch
die üdchseestämme in grossen Schwärmen auf dem Meere und längs den Küsten
hin, und zwar in der Zeit und dem Orte nach regelmässigen Bahnen, so dass sie zu-
erst an den Shetlandsinseln erscheinen , dann Wochen oder Monate später der
Reihe nach an den schottischen, englischen, norwegischen Küsten u. s. w. auftreten.
Die Grenze ihrer Bahnen bilden nach Süden die holländische und nordfranzösische
Koste, wo die Qualität meist eine schlechtere ist und viele Hohlhäringe
(lhlen oder Schotten, von engl, »hotten, d.i. entlaicht) enthält, so genannt im
Gegensätze zu den Vollhäringeu (mit Rogen gefüllten Häringen) und den noch
nicht mit Rogen oder Milch gefüllten, noch in der Entwicklung begriffenen
Matjeshäringen. Der früher von den Holländern fast ausschliesslich besorgte
Häriugsfang bildet jetzt eine wesentliche Einnahmsquelle der gesammten Küsten-
gebiete, welche die Häringszüge passiren; doch wird Hochseefischerei noch jetzt
vorzugsweise von den Holländern (neuerdings auch von Deutschen von Emden
aus) betrieben. Für die Ausdehnung der Häringstischerei spricht der Umstand,
dass an der englischen Ostküste in der Hauptfangzeit mindestens 1000 Millionen
Stück gefangen werden und dass Londou jährlich etwa 900000 Fässer a 700 Stück
frische oder grüne Häringe consumirt. Der grösste Theil der Häringe wird indess
in den bekannten verschiedenen Formen der Aufbewahrung, theils eingesalzen
Salz- oder Pöckelhäringe), theils nach vorherigem Ausweiden geräuchert
(B ü c k i n g e) , theils mit Essig und Gewürzen conservirt (marinirte Häringe
oder nordische G ewürzhä ringe) verbraucht.
Clupea ( Harengula) Sp rattus , Sprott, Breitling, eine kleinere, nur
10 — 15cm lange Art. im Canal, in der Nordsee bis zu den Lofoden nnd in
der westlichen Ostsee verbreitet , bildet in geräuchertem Zustande die als
Delicatesse geschätzten Sprotten, gewöhnlich nach der besten Sorte Kieler
Sprotten genannt, unter denen sich übrigens nicht selten auch junge Häringe
finden. Mit diesen zusammen bilden sie aueh die russischen und deutschen
Sardinen des Handels, während die echte Sardine, ein ebenfalls dem Häring
verwandter und diesem ähnlieh gefärbter, zuweilen mit schwarzen Flecken längs
der Seitenlinie gezeichneter, 15 — 25cm langer Fisch aus der durch zahnlosen
Gaumen eharakterisirten Untergattung Atom, Clupea (Alma) Pilchardus Wallt.,
der sogenannte Pilchard ist, der in der Ostsee fehlt, in der Nordsee selten
vorkommt, dagegen für die Mittelmeer- und Südwestkttsten Euroj>as, zu denen sich
die Pilcharde zur Leichzeit in grossen Sehaaren drangen, eine ähnliche Bedeutung
wie Häring und Sprott hat. und theils gesalzen , theils marinirt , theils in zuge-
sebmolzenen Büchsen in Oel (Sardines ä l'huile) in den Handel kommt. Ver-
schieden von dieser ist die in denselben Meereegebietcn vorkommende, von CrmKR
ebenfalls der Gattung Clupea als G. Sart/ma zugerechnete Sardelle, Engraulü
encrasicholua L. (mit vorspringendem Oberkiefer) grünlichem, Rücken , der durch
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CLUPEA. — CLVSMA.
einen schwärzlichen Streif von den silberglänzenden Seiten getrennt wird, silber-
glänzendein Bauche, und sonst von azurblauer Farbe. Man nennt die eingesalzenen
Fische dieser Art Sardellen, die marinirten Anchovis (früher oft für eine eigene
Fischart gehalten), doch kommen unter beiden Bezeichnungen auch junge Pilcharde
und Sprotten vor, und die sogenannten Christiania-Anchovis sind sehr fein marinirte
Sprotten.
In den Tropenmeeren leben auch den Sardinen verwandte giftige Arten, so
Clupea Thristta Bloch. (Meletta Thrissa Cirv. et Vol.), die für die allergiftigste
Fischart gehaltene Goldsardelle (Sardine doree) der Antillen (s. Fise hgif t).
Th. Husemann.
ClUSiaceae, Familie der Gistiftorae. Meist schön blühende, ausschliesslich der
tropischen Flora angehörende Holzgewächse , die zumeist balsamischen Saft ent-
halten. Charakter: Blätter lederartig. Blüthen meist einzelstehend, zwitterig oder
polygam. Kelch und Krone 4 — Sblätterig. Staubgefässe zahlreich. Griffel 1.
Kapsel mehrfächerig, aufspringend. Samen zahlreich, klein, schleimig. Sydow.
Clirtfe, Gattung der Euphorbia ceae, Unterfamilie Grotoneae. — Clutia Elutert'a
L., ist synonym mit Groton Elutert'a Bennett.
Clysma, Glyster, Kly stier (von xAu^w, bespülen, waschen, ursprünglich
identisch mit Lotio oder Lavanwntum, Waschung, aber auch bei den Griechen
bereits in dem heutigen beschränkten Sinne gebraucht, welche den französischen
Ausdruck Lavement charaktcrisirt) oder Enetna nennen wir diejenige Arzneiform,
"oei welcher tropfbar und elastisch flüssige Substanzen durch den Mastdarm in die
dicken Gedärme eingeführt werden.
Die Klystiere aus tropfbaren Flüssigkeiten bilden eine Unterabtheilung der Iu-
jectionen, insofern dieselben mit einer Spritze oder analogen Apparaten unter höhcrem
Drucke eingetrieben werden. Man trennt davon in der Regel die Darminfusionen
(s. d.), bei denen grössere Mengen Flüssigkeit unter keinem höheren Drucke als
ihrem eigenen Gewichte in den Dickdarm oder selbst in die untere Partie des,
Dünndarms eingeführt werden. Die gewöhnlichen Klystiere au» tropfbaren Flüssig-
keiten zerfallen nach dem Zwecke, den man bei ihrer Application vor Auge hat,
in zwei Hauptabtheilungen. Man beabsichtigt entweder durch dieselben Stuhlentleeniug
herbeizuführen, wobei dann die in den Mastdarm eingeführte Flüssigkeit wieder
mit abgeht, oder man bezweckt die Erzielung örtlicher oder entfernter Wirkungen
in dein Klystier enthaltener wirksamer Stoffe, wozu eine längere Berührung mit
der Dickdarraschleimhaut nothwendig ist und frühzeitiges Abgehen verhütet
werden rauss.
Klystiere der ersten Art stellen die ausleerenden Klystiere, Glysmata
evacuantia s. eecoprotica dar, deren Wirkung theils auf Erweichung angesammelter
Kothmassen, theils auf Anregung der Peristaltik durch Reizung des Mastdarms beruht
und welche sich von den zur Erzielung anderer Effecte benutzten Klystieren sehr
wesentlich durch die dabei verwendete Flüssigkeitsmenge unterscheidet. Diese beträgt
das Doppelte der bei letzteren verwendeten, nämlich für Erwachsene 200 — 300 g, für
grössere Kinder 100 — 150 g, für Säuglinge 50 — 100 g. Zu ausleerenden Klystieren
kann gewöhnliches lauwarmes Wasser benutzt werden, doch wird der Effect auf
den Stuhlgang wesentlich durch Erniedrigung der Temperatnr (Kaltwasser-
klystiere), aber auch durch Erhöhung auf 43 — 44° (Heiss wasserkly stiere)
erhöht und beschleunigt. Fast noch häufiger, besonders, wo es sich um ein-
malige Entleerung handelt, wendet man jedoch lauwarme aromatische Aufgüsse
(lnfusum Chamomillae oder Inf. Valerianae) mit Zusatz von Oel (Baumöl, Rüböl,
Leinöl, Mohnöl), um die Passage harter Kothballen zu erleichtern, an. Auch ver-
stärkt man die Reizung auf die Mastdarmschleimhaut durch Zusatz von Kochsalz,
Honig, Zucker, von Essig (Essigklyßtiere) oder von Abführmitteln (RicinusÖl,
Magnesiumsulfat, Seife, Alog) oder mau applicirt geradezu wässerige Aufgüsse von
Sennesblättern, in denen man, wie im Lavement purgafif des Cod. Fr., auch
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CLYSMA.
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Glaubersalz oder Bittersalz auflösen kann. Auch die durch Emulsion von Terpentinöl
Weiteten Terpentinölklystiere und die ans Tabaksaufguss bereiteten
Tahaksklystiere gehören zu den Clysmata evaeuantia', desgleichen die jetzt
obsoleten, aber historisch interessanten, aus bitteren, aromatischen und schleimigen
Krautern bereiteten Visceralklystierevon Kämpf, die im vorigen Jahrhundert
selbst zu Hunderten gegen chronische Unterleibsleiden und Verstopfung gebraucht
wurden.
Den zu längerem Aufenthalte im Darme bestimmten Klystieren, zweckmässig
Dauerklystiere, Clysmata remanentia genannt, gibt man gewöhnlich den
Namen der medicinischen Klystiere, Clysmata medicata, doch ist dieser
Ausdruck unzweckmässig, da einerseits Arzneimittel auch zu den eröffnenden
Klystieren benutzt werden, andererseits auch bleibende Kaltwasserklystiere zur
Krzielung entfernter Wirkungen in Anwendung kommen. Richtiger ist die Be-
nennung Halbklystiere, Hemiclysmata , da ihr Volumen die Hälfte des als
Oanzklystier benutzten Clysma eecoproticum oder noch weniger (60 — 90 g)
beträgt Diese Massenverringerung ist für die Retention des Klystiers unumgäng-
lich nothwendig; gewöhnlich wird aber ausserdem der auf die Schleimhaut des
Mastdarms ausgeübte Reiz dadurch verringert, dass man dem Klystier schleimige
Substanzen (Gummi, Traganth, Salep oder dünnen Stärkekleister) zusetzt oder
Abkochungen solcher (Weizenkleie, Hafergrütze, Reis) als Vehikel benutzt, was
bei an und für sich reizenden Stoffen (Chloralhydrat, Chloroform, Phenol u. A.)
unumgänglich nöthig ist. Manche dieser Substanzen werden auch zweckmässig
emulgirt angewendet und nicht selten wird zur Hemmung der Darmbewegung
ein Zusatz von Opium, gewöhnlich in Tinctur, gemacht. Eine vollständige Trennung
der entleerenden und medicamentösen Klystiere ist übrigens auch deshalb nicht
möglich, weil die aus Arzneistoffen bereiteten Clysmata ecc>protici nicht selten
zu anderen therapeutischen Zwecken dienen. So dienen Wasserklystiere von
sehr niederer Temperatur (Eisklystiore), Essigkly stiere, Seifen klystiere und
das Lavement purgatif auch als sogenannte ableitende Klystiere, Clys-
mata revulsiva, Terpentin klystiere (analog wie Abkochungen^ oder Aufgüsse
ton Knoblauch, Wurmmoos, Wermut, Wurmsamen, Calomel- und" Benzinklystiere,
Höllensteinklystiere) zur Tödtung von Helminthen (Clysmata anthelmintkica) .
Ausser diesen beiden Unterabtheilungen der medicinischen Klystiere hat man noch
eine grössere Anzahl anderer unterschieden, von denen die adstringirenden
Klystiere, Clysmata adstrtngentia , zu welchen Tannin oder gerbsäurehaltige
Pflanzenstoffe, diverse Metallsalze, insbesondere Alaun, Eisenchlorid , auch Wismut-
nitrat und Zinkoxyd, endlich Mutterkorn dienen, locale, die übrigen vorwaltend
entfernte Wirkung haben. Doch dienen auch die beruhigenden Klystiere,
Clysmata Sedativa, aus narcotischen (Opium, Morphium, Belladonna, Hyoscyamus,
Atropin , Chloroform , Chloralhydrat) oder antispasmodischen Stoffen (Kamillen,
Baldrian, Asa foetida, Castoreum) bereitet, oft zur Beseitigung von Schmerzen oder
Krämpfen im Mastdarm oder den benachbarten Geschlechtsorganen. Andere Arznei-
klystiere Rind die erregenden Klystiere, Clysmata analeptica, aus Kampfer,
Moschus, Fleischbrühe oder am zweckmässigsten aus alkoholreichem Wein, die
a n ti septischen und antipyretischen Klystiere, wozu namentlich
Carbolsäure viel verwendet ist und die ernährenden Klystiere, Clysmata
nutrumtia, die jedoch mehr Diätetica als eigentliche Medicamente enthalten. Diese
letzteren, welche bei erschwerter oder aufgehobener Ernährung durch den Magen
da* Leben wesentlich zu verlängern im Stande sind, sind seit dem Aufkommen
der aus fein zerhacktem Rindfleisch mit der Hälfte Pancreas vom Rinde oder
Schweine bereiteten Pancreasklystiere von L EURE und der analog bereiteten
Poptonklystiere von L allier die wichtigsten unter allen geworden. Die früher
. Üblichen nährenden Klystiere aus Milch und Eiern , aus Fleischextract oder mit
Aniylum und Gelbei abgerührter Bouillon , aus flüssiger Gallerte mit Eiweiss oder
Milch (ebenso wie die ueuestens empfohlenen Blutklystiere) werden im Dickdarme,
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CLYSMA. - CLY80P0MP.
dessen Secret weder auf Eiweiss noch auf Fette und Amylaceen verdauend wirkt,
nur zum kleinen Theil resorbirt und sind durch jene beiden fast ganz verdrängt.
Die Cli/smata medicata müssen mit Ausnahme der Gl. revulsiva stete lauwarm
applicirt werden; jeder Reiz der Schleimhaut ist hier zu vermeiden. Bei der Be-
reitung der Pancreasklystiere kann schon ein geringes Ueberschreiten der Kochsalzgrenze
zu Darmentleerung fahren und den Zweck des Klystiers vereitern. Die Aerzte sind
daher auch hierbei von der Bereitung im Hanse abgekommen , die früher für die
meisten Klystiere flblieh war, welche aber selbstverständlich für jedes Klystier mit
starkwirkenden »Stoffen ausgeschlossen ist. Letztere dürfen übrigens in keiner, die
maximale Einzelgabe überschreitenden Menge dem Klystiere beigefügt werden, da
die Resorption im Mastdarme derjenigen im Magen nicht nachsteht, wie verschiedene
durch Nichtbeobachtung dieser Vorschrift vorgekommene Vergiftungsfalle beweisen.
Ks dürfte angemessen sein, dass der Apotheker, obschon hierzu nicht verpflichtet,
bei erheblicher Ueberschreitung der Dose den Arzt darauf aufmerksam macht.
Mehrere Intoxicationen , selbst Todesfälle , sind durch domestike Bereitung von
Tabaksklystieren entstanden.
Die Application der Klystiere gesehah im Alterthum mittelst eines an ein Rohr
befestigten Schlauches, später meist mittelst der in der Hälfte des 15. Jahrhunderts
von Gatenabia erfundenen Klystierspritze (Syrinx, seringue), deren
Handhabung im 16. und 17. Jahrhunderte in Frankreich Sache der Apotheker
war . und diesen bei der damals herrschenden Vorliebe für diese Arzueiform , die
man als Verjungungsmittcl betrachtete, zwar viel Geld, aber auch viel Spott ein-
brachte. Den Gefahren , welche Verletzungen des Mastdarms dureh unvorsichtige
Manipulation der Klystierspritzo mit sich bringen, entgeht man dadurch, dass man
zwischen dem Schraubengewinde der Ausflussmündung und dem knöchernen Afterrohr
der Spritze einen circa a 3 m langen Kautschukschlauch anbringt , wodurch auch
die Selbstbenutzung des Instruments ermöglicht wird. Bequemer wird letztere indess
durch verschiedene andere Apparate, wie die dem Clyster des Alterthums nach-
gebildete Ballonspritze aus Kautschuk mit Afterrohr, die verschiedenen Arten
des Clysopompe (s.d.) oder den Irrigateur von 1<!guisirr, bewerkstelligt.
Zur Einführung medicamentöser Klystiere benutzt man, um dieselben in die höher
gelegenen Partien des Dickdarms gelangen zu lassen, ein etwa \'2 m langes, elastisches
Rohr (Darmrohr), das man mit einem geeigneten Clysopompe in Verbindung setzt.
Ernährende Klystiere erfordern wegen ihrer breiartigen Oonsistenz ein ausreichend
weites Dannrohr und, was auch bei den meisten anderen medieamentösen Klystieren
zweckmässig ist , vorherige Entleerung des Mastdarms durch lauwarme Wasser-
klystierc.
Gas- und Darapfklystiere kommen im Ganzen selten in Verwendung;
namentlich sind die früher üblichen Tabaksrauchklysticre oder die Ein-
blasungen von Luft bei Darraverschliessungen , wozu man sich eines Doppelblase-
balges bedient, durch dio Danninfiision ersetzt. Die Einleitung von Aetherdampf
oder Chloroformdampf zur allgemeinen und behufs localer Anästhesie von Kohlen-
saure in den Mastdarm sind von geringer Bedeutung.
Von allzuhäufiger Anwendung von Klystieren , auch von Kaltwasserklystieren,
wie solche bei habitueller Verstopfung oft vorkommt , ist zu warnen , da sie mit-
unter zu Erschlaffung des Mastdarmscblicssmuskels führt. Th. Husemann.
ClySOpOmp. Ursprünglich französische Benennung (Cly»opomp*>) für ver-
schiedenartige, aus einer Druckpumpe und einem langen beweglichen Schlauche
zusammengesetzte Apparate zur Selbstapplicatiou von Flüssigkeiten in den Mast-
darm, als Ersatz der Klystierspritze (s. Clysma), von dieser durch das stoss-
weise Eintreiben der Flüssigkeit und den dadurch bedingten länger anhaltenden
Reiz der Mastdarmschleimhaut verschieden. Sie dienen vorzugsweise für Kalt-
wasserklystierc , sind aber auch unter Beseitigung des Schlauches zum Einleiten
von Wasser zur Ausspülung höher gelegener Darmpartien benutzt, "wo man sie
jedoch neuerdings durch den Heg Ansehen Trichter und ähnliche zur Darminfusion
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CLYSÜPOMP.
— COAGULATJOX.
177
geeignete Apparate ersetzt hat. Die besteh sind die ans einer einfachen Säug-
pumpe ohne besondere Reservoirs bestehenden, die man einfach in ein gefülltes
Waschbecken stellt. Th. Husemann.
Cly8ter antiCOÜCUS Vogler. 4 Tropfen Oleum Cajeputi mit 2.5 g Spiritus
nitrieo-aetkereus gemischt werden einem Klystier aus 300 g Kamillenihee zugesetzt.
Olli, Abkürzung für Ceotimeter.
CfliCill, C49 HftS 0,s. In den Blättern von Cnicus benedictus und Centaurea
Calcitrapa. Seidenglänzende Nadeln von neutraler Reaction und sehr bitterem
Geschmack. Schwer löslich in Wasser nnd Aether, leicht in Alkohol. Rechtsdrehend.
Kalte concentrirte Schwefelsflure färbt Cnicin roth unter Lösung, Wasserzusatz be-
wirkt violette, Ammoniak gelbe Färbung. Concentrirte Salzsfture löst es mit grüner
Farbe. v. Schröder.
Cni&IS, Gattung der Compositaey Unterfamilie Centaureae. Kräuter mit
alternirenden Blättern und einzelnen endständigen Blflthenköpfen. Randblüthen
steril mit dreispaltigem Saume, Scheibenblüthen zwitterig mit fttnfspaltigem Saume
auf flachem, borstigen Boden. Acbflnen rippig, Pappus zweireihig, zu einem
zehukerbigen Kranze verwachsen. Die einzige Art
Cnicus b enedictus L. (Centaurea benedicta L.) ist als Herba Cardui
Unedicti in die meisten Pharmakopöen aufgenommen. — S. Carduus, Bd. II,
pag. 557.
Cnidium. Gattung der Umbelliferae , Unterfamilie Seselineae. — Cnidium
Silaus Spr. ist synonym mit Silaus pratensis Bess.
CO, chemisches Symbol für Kobalt (Cobaltum).
CoagulatiOIl, Gerinnung, nennt man den Uebergang einer Flüssigkeit in
eine feste, nicht krystallinisehe Form , häufig unter Bildung von Klumpen , ohne
dass das Lösungsmittel eine Verminderung erfahren hätte. Die Ursachen , welche
die Gerinnung herbeiführen, sind je nach der Natur des gelösten Stoffes sehr ver-
schieden. In der Hitze zu coaguliren ist eiue Eigentümlichkeit der Albuminkörper.
Das Casein der Milch ist ein Alkalialbuminat und fällt in der Hitze nicht aus,
wohl aber wenn der Milch Laab zugesetzt wird; oder wenn ihre Reaction eine
sauere geworden ist, sei es durch Säurezusatz oder durch die von Mikroorganismen
vermittelte Umwandlung des Milchzuckers in Milchsäure.
Blut gerinnt sehr bald, nachdem es die Blutgefässe verlassen , ohne weiteres
Hinzuthun, unter Abscheidung von Fibrin. Man glaubte früher, dass das Fibrin
als gelöster Eiweisskörper im Bluto vorhanden sei, jedoch nur so lange flüssig
bleibe, als das Blut im geschlossenen Gefilsssysteme circulirt. Seit den Untersuchungen
von A. Schmidt weiss man, dass sich im Blute zwei Eiweisskörper, die fibrinogene
und die fibrinoplastische Substanz, getrennt nebeneinander befinden; unter dem
Einflüsse eines Fermentes, welches erst beim Absterben des Blutes zur Wirkung
kommt, entsteht aus der Verbindung jener zwei Fibringeneratoren das Fibrin.
Die Fibringeneratoren oder einer derselben sind auch in anderen normalen und
pathologischen Flüssigkeiten entbalton. Lymphe und Chylus coaguliren spontan,
wenn auch langsamer als Blut; sie bilden also auch das nöthige Ferment. Die
Herzbeutel- und die Hydroceleflüssigkeit u. A. euthalten nur die fibrinogene Substanz
nnd kein Ferment; sie gerinnen auf Zusatz von Blut.
Die Frage, warum das Blut während des Lebens innerhalb der Gefässe nicht
gerinnt, hat die Physiologen vielfach beschäftigt. Brücke hat durch Bchlagende
Experimente nachgewiesen , dass ausschliesslich die Berührung mit der lebenden
Gefässwand das Blut vor Gerinnung schützt , während 'Berührung mit fremden
Körpern das Blut zur Gerinnung bringt. Im Sinne der SCHMlDT'schen Theorie
würde der Einfluss der lebenden Gefässwand die Bildung des Fermentes überhaupt
verhindern, oder die Wirkung vorhandenen Fermentes hintanhalten. — Neuere
Real-EncyclopAdie der gea. Pbaraacie. III. 12
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178
COAGCLATJON. — COCA.
Untersuchungen haben gelehrt, dass jener Einfluss der lebenden Gefasswand kein
vitaler, sondern ein mechanischer ist. Schon Grüenhagen hat gezeigt, daas in
Glycerin aufgefangenes Blut nicht gerinnt, so lange es sich mit dem Glycerin
nicht mischt. Nach Ernst Fkbcnd's Versuchen (Wiener medic. Blätter, 1886 und
Wiener medic. Jahrb.) wirken fremde Körper nur dann coagulirend , wenn das
Blut an ihnen adhärirt ; in einem mit Vaselin sorgfältig ausgegossenen Glasgefässe
bleibt das Blut tagelang flüssig, wenn die oberste Blutschicht vor Austrocknung
geschützt und jede Verunreinigung mit Staub hintangehalten wird; auch darf an
den Wanden des Glasgefässes nirgends eine Adhäsion ausübende Stelle vorkommen.
An den Wänden eines entleerten Blutgefässes adharirt das Blut in der That nicht,
man nimmt nirgends eine Spur von Blut wahr.
Zu unterscheiden von der Gerinnung ist das G e 1 a t i n i r e n (s. d.) , welches
beim Abkühlen mancher Flüssigkeiten oder bei grösserer Ooncentrirung der-
selben eintritt.
Coak, Coke oder Koks ist der bei der trockenen Destillation von Stein-
kohlen in den Retorten zurückbleibende amorphe, poröse, harte, klingende, bleigrau
bis schwarzgrau aussehende Körper, welcher bei der Leuchtgasfabrikation in grossen
Mengen als Nebenproduct gewonnen wird. Koke steht zur Steinkohle genau in dem
gleichen Verbältniss, wie die Holzkohle zum Holz. Koke reprflsentirt somit eine ge-
wissermaßen concentrirte Kohle, eine Kohle, die ihrer den Wärmewerth verringernden
Beimischungen beraubt, somit als Heizmaterial werthvoller geworden ist. Koks
enthalten 91 — 05 Procent reinen Kohleoston", je nach der Beschaffenheit der ver-
wendeten Steinkohle ; der Rest entfällt fast durchweg auf die Aschenbestandtheile.
Die Flammbarkeit ist bei dem Koks auf ein Minimum reducirt, der Heizeffect da-
gegen ist ein weit höherer. Bei richtig geleiteter Luftzufuhr verbrennen die Koks
ohne Flamme und ohne Rauch vollständig zu Kohlensäure und Asche. Der
Brennwerth beträgt je nach Höhe des Gehalts an reinem Kohlenstoff und je nach
der mehr oder minder vollständigen Verbrennung zu C03 7000—7500 Wärme-
einheiten. Ganswindt.
Coaltar, richtiger Coaltar, ist eine aus dem Englischen stammende Bezeichnung
des Steinkohlentheers.
Coaltar Saponatum, Coaltar saponine, eine von französischen Aerzten als
Desinficiens empfohlene Mischung von gleichen Theilen Coaltar, Sapo und Spiritus
oder von 10 Th. Coaltar mit 25 Th. Tinctura Quillajae hat in Deutschland keinen
Eingang gefunden.
Cobalti- und Cobaltoverbindungen, s. unter Kobalt.
Cobaltum, Co = Kobalt; mit demselben Namen wird auch metallisches
Arsen belegt. — S. unter Arsen, Bd. 1, pag. 580.
Cobaltum chloratum = Kobaitchiorür.
Cobaltum nitricum = Kobai t n i t r a t.
Coca (spanisch), Cuca (peruanisch), Ypadu (brasilianisch), Peru vi an
tobaeco (englisch) sind Bezeichnungen für die Blatter des im westlichen Süd-
Amerika einheimischen und cultivirten Erythroxylon Coca Lam. Die Pflanze
folgt dem Zug der Anden bis zu 1800 m Höhe, geht im Norden etwa bis zum
11° nördlicher Breite, östlich bis zum 64° westlicher Länge und im 8llden etwa
bis zum 24° südlicher Breite. Der Centraipunkt der Cultur liegt in Peru (Provinz :
Carabaya, Convenciam, Huanucti), dann folgt Bolivien (Provinz : Yungas, Larecaja).
Weniger in's Gewicht fallen Ecuador , Columbien , Brasilien. Gegenwärtig unter-
scheidet man im Handel die Sorten von Bolivia , Peru und Truxillo und schätzt
die Bolivia-Coca am höchsten. Seit einigen Jahren hat man auch, besonders von
Kew aus, versucht, den Cocastraueh in anderen Gegenden zu cultiviren, nämlich
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COCA.
179
Fig. 28.
Westindien (Jamaica), Ceylon, Sansibar, Australien (Brisbane). Aus Venezuela im-
portirte Blatter erwiesen sich als ungeeignet für die Coc*Tndarstellung (Gehe 1886).
Die Coea ist ein bis 1.6 ra hoher Strauch mit hellrothbrauner Rinde. Die kleinen
gestielten Bluthen Bind einzeln oder in Büscheln blattwinkelständig , mit zwei
Vorblattern. Der Kelch ist bleibend, fünftheilig. Dio Corolle ist gelblichweiss,
mit 4 mm langen Kronblättern, die den Kelchzipfeln alterniren und mit einer auf-
rechten, Uber dem kurzen Nagel befindlichen doppeltspreitigen Ligula versehen
sind. Staubgefässe zehn, langer als die Corolle, am Grunde
zu einer Röhre verwachsen. Fruchtknoten oberständig,
dreifächrig, mit zwei fruchtbaren Fachern, jedes mit einer
anatrop-epitropen Samenknospe. Griffel drei. Narben kopf-
förmig. Frucht eine kleine, einsamige, rothe Steinfrucht
mit dünnem Endocarp. Samen mit knorpligem Endosperm.
Embryo mit planconvexen Cotyledonen und kurzer, nach
oben gerichteter Radicula.
Die Blätter sind wechselständig, sie sitzen an 5— 7 mm
langen Stielen, mit kleinen Nebenblättern, die später braun
und hornartig werden. Sie sind eiförmig bis elliptisch,
kahl, 4 — 8 cm lang, 2 — 4 cm breit, an der Spitze stumpf
oder ausgerandet mit einem kleinen Stachelspitzchen (wel-
ches in der getrockneten Droge oft abgebrochen ist), ganz-
randig, der Rand etwas nach unten umgerollt, oberseits
olivengrün, unterseits gelblich graugrün. Von dem be-
sonders unterseits stark hervortretenden Primärnerven
gehen schwächere und stärkere Seitennerven ab, die sehr
Coca-Blatt in nat. Grosse, reichlich anastomosiren und Schlingen bilden. Neben den
Priraämerven verlaufen auf der Unterseite in einem Hachen
Bogen bei den meisten Blättern zwei feine Streifen (Fig. 26), die leicht ebenfalls
für Nerven gehalten werden können. Sie cntHtehen dadurch , dass die Ränder
des Matte* in der Knospenlage an diesen Stellen nach oben umgeknickt sind.
Die Epidermis der Oberseite besteht aus unregclmässig polygonalen , schwach
«nticnlarisirten Zellen. An sie sehliesst sich ein Palissadcnparenchym aus mässig
Fi*. «.
Fig. 28.
Epidermis der Oberseite de« Cocablattes.
mm,
Epidermis der I'nterseite des Cocablattes.
*P Spaltöffnung (nach Mo eil er).
Vergr. 1«).
gestreckten Zellen und lockeres Schwammparenchym. Die Zollen der Epidermis der
Unterseite sind etwas stärker gewellt, wie die der Oberseite, jede Zelle hat einen
Kreil», der sich auf dem Querschnitt des Blattes als papillöse Erhöhung zeigt. Die
Stomatien sind klein (0.02 — 0.03 mm), von zwei Neben/eilen eingeschlossen. Die
Nerven enthalten Spiral- und Treppengefilsne und Krystallkammerfasern. Kalk-
oxalat findet sich auch sonst im Mesophyll in monoklinischen Krystallen.
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180
COCA. — COCAIN.
Die ein/ein abgepflückten Blatter werden mit grosser Vorsicht getrocknet und
in wollene Säcke gepackt, oder mit Pressen in Ziegelform gebracht. Sie sind dem
Verderben durch Feuchtigkeit sehr ausgesetzt. Die jährliche Production von Peru
und Bolivien beträgt ungefähr zehn Millionen Kilo , wovon gegenwärtig etwa
000000 Kilo ausgeführt werden.
Die Blütter dienten in Peru schon bei Ankunft der Spanier als ein ganz allge-
mein benutztes Genussmittel, welches die Eingebornen besonders befilh igte , auch bei
unzureichender Nahrung grosse Strapazen zu ertragen. Sie kauen eine Anzahl
der Blätter unter Zusatz von Llipta oder Yucta (Asche von Ghenopodium Quinoa L.
und anderen Pflanzen). Seltener, besonders von den Weissen, wird ein Infusum
der Blfitter benutzt. Der Geruch ist schwach aromatisch, der Geschmack bitter
aromatisch und etwas adstringirend.
1855 entdeckte Gaedicke in den Blättern ein Alkaloid, Erythros y Ii n,
1860 stellte Niemann es rein dar und nannte es Cocain, 1882 Lossen ein
zweites, Hygrin, 1885 will Bender noch ein drittes, Cocairin, aufgefunden
haben. Von diesen ist das Cocain is. d.) seiner local anästhesirenden Wirkung
wcgon in neuester Zeit von grosser Bedeutung geworden. Ausserdem enthalten sie
Cocagerbsänre, Wachs und Spuren ätherischen Oeles.
Die Blätter dienen in der Pharmacie zur Herstellung des Cocain, ferner bereitet
man daraus ein Extractum Erythroxyli (Ph. Un. St.), verwendet sie auch
in Form von Infusen, Deeocten und als Tinctur.
Ueber die Cocablfttter von verwandten Arten s. Erythroxylon.
Literatur: Nevinny, Das Cocablatt. 1886 — Moeller, Mikroskopie der Nahrangs-
und Genussmittel. 1886. — Hoffmann, Pharm. Zeitung. 1884. Hartwich.
Cocäthylin. C,8 Has N04, ein von W. Merck dargestellter Körper, der ent-
steht, wenn in Benzoylecgonin vermittelst Jodäthyl die Aethylgruppe eingeführt
wird. Es unterscheidet sich daher vom Cocain, dass es an Stelle des Methyls (im
Cocain) Aethyl (im Cocäthyün) enthält. Die Base löst sich leicht in Alkohol und
Aether, ist fast unlöslich in Wasser und schmilzt bei 109°. Die physiologische
Wirkung des Cocäthylins ist qualitativ gleich der des Cocains, quantitativ jedoch
verschieden, da das Cocäthylin schwächer und ungiftiger als Cocain wirkt und
nach Falk daher bei besonders nervösen Personen empfehlenswerth erscheint.
COCclin. In den Fünfziger-Jahren dieses Jahrhunderts wurde von verschiedenen,
unabhängig von einander arbeitenden Forschern die Isolirung des wirksamen
Principe der Cocablätter (s. d. und Erythroxylon) angestrebt und 1860 von
Niemaxn erreicht, welcher aus diesem Materiale ein Alkaloid, das Cocain, Cl7 H„ N04,
zuerst rein darstellte. Dasselbe ist in den Cocablättern noch von wechselnden
Mengen zweier anderer basischer Körper, Hygrin und Benzoylecgonin, begleitet,
welche jedoch nach Ansicht verschiedener Autoren keineswegs gleich von Anfang
an in den Blättern enthalten, sondern als Spaltungsproducte oder sonstige Derivate
des sehr leicht zersetzbaren Cocains zu betrachten sein sollen.
Die Menge, in welcher sich das Cocain selbst in frischen und besterhaltenen
trockenen Blättern findet, ist eine sehr geringe und scheint 0.75 Procent fast
nie zu übersteigen, wohl aber häufig auf 0.2 Procent, in schlecht behandelter
und nachlässig verpackter, braun gewordener Waare aber auf Null herab-
zusinken.
Zur Werthbestimmung der Cocablätter wird folgendes Verfahren angegeben.
Man befeuchtet 50 g ihres Pulvers mit einer Mischung von 0.8 g Schwefelsäure,
1.6 g Salzsäure und 40 g Weingeist, percolirt nach zwölfstündigem Stehen mittelst
nicht angesäuerten Alkohols, verjagt letzteren , schüttelt den extractartigen Rück-
stand mit einer Mischung von 1 — 2 cem einer zehnprocentigen Säure, 25 cem
Wasser und ebensoviel Aether, die abgenommene Aetherschicht nochmals mit 10 com
angesäuertem Wasser, die vereinigten wässerigen Auszüge aber mehrmals mit Aether
auH. Nun wird zu dem auf diese Weise von anderen Stoffen befreiten wässerigen
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COCAIN. 181
Auszöge Natriumcarbonat nebst lOccm Aether gebracht und mit einer mehrmals
erneuten gleichen Aethermenge ausgeschüttelt, welche ätherischen Auszüge dann
beim Verdunsten in einem tarirten Becherglase das Cocain in der Regel krystallinisch
hinterlassen, so dass nnr noch das Gewicht zu bestimmen bleibt. Selbstredend wird
man zur Werthbestimmung der Cocablätter auch alle anderen nachfolgend er-
wähnten BereituiifTHinethoden verwenden können.
Die in Fabriken, und zwar neuerdings in den Productionsländern selbst betriebene
Herstellung des Cocains erfolgte bisher, so weit bekannt, nach vier verschiedenen
Methoden, welche hier in thunlichster Kflrze beschrieben werden sollen und von
denen die beiden ersten zu Gunsten der beiden letzteren allmälig verlassen worden
zn sein scheinen.
Nach dem Verfahren von Squibb wird der extractartige Verdunstungsrttckstand
des durch Peroolation mit schwefelsäurehaltigem Alkohol gewonnenen Blätteraus-
zuges mit Wasser gemischt, die beim Stehen sich sondernde untere Schicht nach
der Filtration mit Natriumcarbonat alkalisch gemacht, das Alkaloid in Aether auf-
genommen , dann wieder aus diesem in saures Wasser übergeführt , nach dem
Alkalischmachen mit Natriumcarbonat wieder in Aether aufgenommen und diese
wechselseitige AusschUttelung einigemal wiederholt. Durch partielle Fällung
mit Natriumcarbonat beseitigt man nunmehr das Hygrin und fällt, nachdem
dieses durch Aether weggenommen, dann weiterhin erst das Cocain aus. Filtration
seiner Losung durch Thierkohle thut vor der definitiven Krystallisation das
üebrige.
Einen anderen Weg schlägt Castaino ein. Er percolirt die mit 8 Th. kochen-
dem Wasser ttbergossenen gepulverten Blätter nach halbstündigem Maoeriren und
Abtropfen der Flüssigkeit mit 8 Th. Alkohol , fällt die vereinigten Auszüge mit
Bleiacetat, das überschüssige Blei mit Natrinmsulfat, das ziemlich eingeengte Filtrat
aber mit Natriumcarbonat und zieht nun letzteren Niederschlag mit Aether aus,
welcher beim Verdunsten das noch durch Waschen mit wenig Alkohol zn reinigende
Cocain hinterlässt.
Wesentlich verschieden ist das Verfahren von Truphkme, welcher die gepul-
verten Cocablätter direct mit Aether auszieht, wobei das Hygrin zurückbleibt,
während man vom Auszug den Aether abdestillirt, den Rückstand mit kochendem
Wasser erschöpft, diesen Auszug mit Magnesia gemischt zur Trockne verdampft
und nun dem Rückstand durch Amylalkohol das Cocain entzieht, welches man beim
Verdunsten gelblich und durch Umkrystallisiren farblos erhält.
Noch anders geht Bignon zu Werke. Er macerirt die Blätter 24 Stunden in
20procentiger Sodalösung und erschöpft sie nach dem Trocknen in besonderen
Apparaten mit Petroläther, welcher Auszug dann mit salzsäurehaltigem Wasser
geschüttelt wird, wobei Verunreinigungen im Petroläther zurückbleiben, während
Cocainhydrochlorat in die wässerige Lösung geht und, hier mit Natriurabicarbonat
zersetzt, direct ein 90procentiges Cocain liefern soll.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass diejenige Methode das beste und meiste
Cocain liefern wird, bei welcher wässerige Lösungen, chemische Agentien und
Wärme möglichst vermieden sind, zu einer Zersetzung des Cocains also die mindeste
Gelegenheit geboten ist.
Neuerdings hat Merck auch die künstliche Synthese des Cocains ausgeführt,
und zwar auf zwei verschiedenen Wegen. Das neben Cocain und Hygrin in den Coca-
blättern enthaltene Benzoylecgonin liefert nämlich in Methylalkohol gelöst und im
geschlossenen Rohre mit Jodmethyl und Kaliumhydroxyd auf höhere Temperatur
gebracht ein mit dem natürlichen vollkommen identisches Cocain. Und ferner wird
ein solches erhalten , wenn man ein Spaltungsproduct des Cocains , das Ecgonin,
mit Benzoesäureanhydrid und Jodmethyl zehn Stunden laug im geschlossenen Hohr
auf 100° erhitzt.
Bei Verwendung von Jodäthyl statt Jodmethyl erhült man durch diese Procedur
ein Homologon des Cocains, das Cocäthylin.
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]S2
COCAIN.
Es führt dieses zur Frage nach der Constitution des Cocains. Auf Grund seines
soeben beschriebenen synthetischen Aufbaues einerseits und im Hinblick auf die
spater zu erwähnenden Spaltungsproducte andererseits wird dasselbe als Benzoyl-
methylecgonin, noch weiter zergliedernd aber als Methylbenzometholäthyltetrahydro-
pyridincarbonat aufzufassen sein.
Das reine Cocain krystallisirt ans Weingeist und Aether in ansehnlichen, farb-
losen vier- und sechsseitigen Prismen, ist vielleicht im reinsten Zustand geruchlos,
besitzt aber in der Regel einen mehr oder minder starken, durchaus eigentüm-
lichen Geruch, hat einen bitterlichen Geschmack, welchem rasch Empfindungslosig-
keit des berührten Zungcntheües folgt, schmilzt bei »8° zu einer klaren, beim
Abkühlen krystallinisch erstarrenden Flüssigkeit und beginnt schon bei 113° sich
zu zersetzen/ Es bedarf zur Lösung bei 0*900, bei 12° 700 Tb. Wasser, löst sich
dagegen leicht in Weingeist, Aether, Vaselin, Oelen und Oelsäure: Die wässerige
Lösung reagirt nicht nur auf Lackmus stark alkalisch, sondern röthet auch
Phenolphtalein.
Die Lösungen des Cocains uud seiner 8alze werden durch die bekannten all-
gemeinen Alkaloidreagentien gefällt, dagegen fehlt es an ausgesprochenen speciellen
Identitätsreactionen zur Zeit noch sehr, so dass man zu solchen zweiten Ranges zu
greifen genöthigt ist. Hierher gehört die reducirende Wirkung auf Ferricyankalium.
Wenn man nämlich weisses Filtrirpapier, welches mit einer Lösung von reinem
Ferricyankalium und Ferrichlorid befeuchtet wurde, mit Cocainlösung betupft, so
entsteht, noch bevor zwei Minuten verflossen, ein deutlicher blauer Fleck. Wenn
man ferner 0.5 g Cocain mit 1 ccm Schwefelsäure zwei Minuten lang in 's siedende
Wasserbad taucht und die bei reinem Cocain farblose Lösung nach dem Erkalten
mit 3 ccm Wasser verdünnt, so scheiden sieh nach halbstündigem Stehen Krystalle
von Benzoesäure aus, welche beim Erwärmen verschwinden, um nach dem Erkalten
wieder zu erscheinen. Endlich geben nicht zu verdünnte Cocainlösungen mit Kalium-
permanganat einen violettrothen Niederschlag, welcher aus Krystallcn vou Cocaiu-
permanganat besteht , aber nicht sehr persistent ist , sondern bald einer tiefer
eingreifenden Oxydation unter Bräunung anheimfällt.
Als besonders bemerkenswert!! darf die leichte Zersetzbarkeit des Cocains an-
gesehen werden, welche sogar in der weingeistigen Lösung der reinen Basis nach
längerer Zeit Platz greift und deren Alkalinität, sowie anästhesirende Wirkung
herabmindert. In der wässerigen Lösung wird eine theilweise Zersetzung des
Cocains durch die Thätigkeit von Mikroorganismen bald herbeigeführt, desgleichen
durch Wärme und iu noch höherem Grade und rascherem Tempo durch Einwirkung
von Säuren und Alkalien.
In allen diesen Fällen findet unter Wasseraufnahme eine Spaltung des Cocains
Btatt, wobei Eegonin, Benzoesäure und Methvlalkohol entstehen nach der Gleichung
Cl7 H2l NO, + 2 H, 0 = Ca H16 N03 -f CHt 0 + C; H0 02.
Das Cocain liefert mit einer Reihe von Säuren meist gut krystallisirbare, in
Wasser und Weingeist leicht, in Aether wenig oder gar nicht lösliche Sake. Das
Sulfat bildet eine gummiartige Masse. Abgesehen von dem eingehender zu be-
sprechenden Hydrochlorat und den analytisch wichtigen Doppelsalzen desselben mit
Goldchlorid und Platinchlorid sind als therapeutisch versucht oder im Handel be-
findlich zu erwähnen: Cocoinum benzoicuui, boracicum, ettricum, hydrobromicum>
nitrirum , soUcylicuvi, sulfuricum . tartaricum und oletnicum , letzteres in drei
verschiedenen Sorten erhältlich, nämlich mit einem Gehalt von 5, 10 und 50 Pro-
cent, reinem Alkaloid.
Die nicht zu verdünnten Lösungen der Cocainsalze geben mit reiuen und kohlen-
sauren fixen Alkalien , mit Ammoniak nnd Ammoncarbonat weisse , im Ueber-
schusse der beiden letzteren lösliche Fällungen, mit Platinchlorid und Goldchlorid
einen gelben, mit Quecksilberchlorid, ebenso mit Ziunchlorür einen weissen, mit
Pierinsäure einen gelben, mit Phosphormolybdänsäure einen weissen, mit Jodwasser
oder Jodjodkalium einen braunen Niederschlag.
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COCAIN.
183
Dae medicinisch weitaus wichtigste Salz ist bis heute das Hydrochlorat,
Cocainum hydrochloricnm, C17 Hai N04 . HCl, welches man durch Neutralisation des
Cocains mit Salzsäure gewinnt und durch KryBtallisation aus Weingeist in Säulen, aus
Wasser in gruppirten Nadeln erhält, während weniger reine Sorten durch einfaches
Abdampfen der Lösungen zur Trockene dargestellt werden. Krystallisirtes reines
Cocainhydrochlorat ist völlig farblos. Es besitzt in der Regel einen eigenartigen
leichten Blflthenduft , welcher jedoch nur bei grosseren Mengen wahrnehmbar ist,
bei den nicht krystallisirten pulverförmigen Handelssorten dagegen viel stärker
hervortritt und keineswegs dem Cocain als solchem eigen zu sein, vielmehr von
einem begleitenden und schwer zu trennenden Riechstoffe der Cocablätter herzu-
rühren scheint.
Der Geschmack ist bitterlich, bald von Empfindungslosigkeit der Geschmacks-
organe gefolgt.
Das Salz löst sich schon in der Hälfte seines Gewichtes Wasser und auch sehr
leicht in Weingeist auf, nicht in Aether, ohne Färbung in 8alzsäure, wie in Sal-
petersäure und unter Äufschänmeu in concentrirter Schwefelsäure.
Im (Tebrigen zeigt seine Lösung die oben angegebenen Reaotionen der Cocain-
salze und, wenn absolut rein und unzersetzt, neutrale Reaction.
Diese letztere spielt auch bei der Prüfung den Präparates , welches aus deut-
lichen Krystallen bestehen soll und selbstverständlich beim Erhitzen auf Platinblech
keinen unverbrennlicben Rückstand hinterlassen darf, eine Hauptrolle, doch zeigen
schön krystallisirte farblose Sorten mitunter eine sehr geringe saure Reaction, wenn
man das Salz auf befeuchtetes blaues Lackmuspapier bringt , was eben mit der
ausserordentlich leicht eintretenden Zersetzung kleiner Antheile unter Abspaltung
von Benzoesäure zusammenzuhängen scheint. Unter keinen Umständen aber soll
die saure Reaction einen sehr deutlich ausgesprochenen Charakter haben, sich viel
mehr auf der Grenze der Wahrnehmbarkeit halten.
Man darf ferner verlangen , dasB 0.01 g des Salzes auf 0.5 cem coneentrirte
Schwefelsäure geworfen zu keinerlei Färbung Veranlassung gibt, sowie dass in
einer Lösung von 0.01 g Cocainhydrochlorat in 0.5 cem Wasser durch 3 Tropfeu
Kaliumpermanganatlösung (1 : 1000) innerhalb einer Minute keine bräunliche Aus-
scheidung, sondern nur Rothfärbuug, diese aber in ausgesprochener Weise ent-
steht, während in etwas coueentrirterer Lösung durch eine grössere Menge des
genannten Rcageus ein violettrotber krystallinischer Niederschlag hervorgerufen
wird. Endlich darf sich nach dem Kochen der letzteren Mischung in einem lo-«e
mit Baumwolle verschlosseueu Reagircylinder nach dem Erkalten beim Oeffneu kein
Bittermandelölgeruch bemerklich macheu.
Ist so die Reinheit des Salzes ermittelt, so kann man eine eigentliche Gchalts-
bestimmung desselben in der Weise ausfuhren, dass man 0.1 g des Cocainhydro
chlorates in 1 cem Wasser löst , 5 cera Petrolbenzin und 5 Tropfen Ammoniak-
flüssigkeit zugibt, schüttelt, nach der Trennung die obere Schicht abbebt, die Aus-
schUttelung mit gleichen Benzinmengen noch zweimal wiederholt und die vereinigten
Auszüge im tarirten Becherglase verdunsten lüsst, wo dann der aus reinem Cocain
bestehende Rückstand nicht unter 0.080 g betragen soll.
Die viel verwendeten wässerigen Lösungen des Cocainhydrochlorates neigen
stark zur Zersetzung, welche man durch geringe Zusätze von Kampferwasser,
Aether, Borsäure, am besten aber von 8alicylsäure verhindert.
Auch zur Sterilisirung der Lösung mittelst zweistündigen Erhitzens auf 100°
und nachherige Unterbringung in sterilisirten und entweder loso mit .Baumwolle
verstopften oder nachträglich zugeschmolzenen Gläschen hat man gegriffen. Während
zur Anwendung des Cocains in Salben- oder Suppositorienform das Ölsäure Salz,
<L h. seine Lösung in Oelsäure benützt zu werden pflegt, dient zur sonstigen innerlichen,
äusserlichen oder subcutanen Application die wässerige Lösung des Hydrochlorates.
Innerlieh wird das Cocain bei verschiedenen Formen nervöser Erregtheit als herab-
stimmendes, beruhigendes Mittel in selten 0.1 g überschreitenden Dosen verwendet.
184
COCAIN. — COCCI KELLA.
Es vermag in einen angenehmen Empfindungszustand zn versetzen, das Schlaf-
bcdttrfniss für eine bestimmte Zeit aufzuheben und für eine gewisse Zeitdauer zu
ausserordentlichen körperlichen Leistungen, sowie zum Ertragen von Hunger und
Durst zu befähigen.
Bei der auf Entwöhnung basirten Behandlung der Morphiomanie und ihrer
Folgen hat es sehr gute Dienste geleistet, doch ist leider auch umgekehrt der
Gebrauch des Cocains vielfach zur schildlichen Gewohnheit, neben dem Morphinis-
mus ein Cocainismus häufig geworden. Als Antidot gegen Zufälle durch über-
mässigen Cocaingebrauch wird Einathmung von 3 bis 4 Tropfen Amylnitrit an-
gewendet.
Seine höchste Bedeutung und einen gar nicht hoch genug anzuschlagenden
Werth aber hat das Cocainhydrochlorat als local wirkendes Anästheticum gewonnen
und hier wieder ganz besonders bei Operationen am Auge, in Nase und Kehlkopf,
sowie am Zahnfleische, da es in meist 2 — 4procentiger, doch auch bis zu 10 und
20 Procent verstärkter wässeriger Lösung eingeträufelt oder mit dem Pinsel auf
die betreffenden Schleimhäute aufgetragen, die behandelte Stelle für die Dauer von
5 bis 10 Minuten völlig unempfindlich macht und hierdurch die Vornahme einzelner
chirurgischer Operationen ohne Zuhilfenahme der Chloroformnarcose ermöglicht. Auf
der intacten Epidermis, sowie in die Tiofe der Gewebe hinein vermag jedoch das
Cocain nicht anästhesirend zu wirken. Sein Effect als locales Anästheticum soll
auf eine durch das Cocain bewirkte Contraction der Capillaren, dadurch hervor-
gerufene Blutleere und daraus resultircnde Unempfindlichkeit, ähnlich derjenigen bei
hoher Kälte, zurückzuführen sein, woraus sich denn auch seine Unwirksamkeit in
jenen Fällen erklärt, wo, wie in den tiefer liegenden Geweben, grössere Blutgefässe
in's Spiel kommen.
Schliesslich mag noch die statistische Notiz eine Stelle finden, dass der Preis
eines Grammes Cocainhydrochlorat in den ersten Zeiten seiner Einführung in die
ärztliche Praxis, also im Winter 1884 — 85, durch Monopol isirung des wenigen vor-
handenen, brauchbaren Rohmateriales bis zu 28 Mark gestiegen war, im Lanfe
eines Jahres aber auf 1.25 Mark, später sogar bis auf 0*85 Mark zurückging.
V n 1 p i u s.
Cocapräparate. Sampson's, als Geheimmittel von Dr. Strauss in Mainz
vertrieben , bestehen in Cocaspiritus , Cocawein und 3 Sorten Cocapillen ; letztere,
angeblich nur aus Coeapulver und Cocaextract bestehend, enthalten daneben noch
Morphium, Opium und Goldschwefel.
COCawein, ein gegenwärtig sehr beliebtes Präparat, erhält man in sehr guter
Qualität nach folgender Vorschrift : 2 Th. Folia Cocae gro#«o pulv., 1 Th. Gly-
cerin, 8 Th. Vitium Xereme und 7 Th. Spiritus dilutus (1 : 2) werden percolirt
und das PercoUt mit Xereswein auf 16 Th. gebracht.
COCCBIl. Man versteht darunter jene Wuehsform dor Bacterien, bei welcher die
Zellen eine runde oder ovale Gestalt besitzen. Es bezeichnet also der Ausdruck
Coccen nicht etwa eine naturhistorische Species der Bacterien, sondern Mos eine
Vegetationsfonn derselben. Früher spranh man auch, je nach der Grösse der Cocceu,
von Mikro-, Meso- und Megacoccen. Die Coccenform kommt sowohl bei den arthro-
sporen als endosporen Bacterien vor. Sind die Coccen paarweise angeordnet, so nennt
man sie Diploeocceu. — S. Bacterien, Bd. II, pag. 75. Weich sei bäum.
COCCldien, s. G regarinose.
CoCCineamentUm = Rothe Carrain-Tiute, s. Tinte.
Coccinella. Der unter dem Namen Marienkäfer. G ot t esl ä m mc h e n,
8 o n n e n k ä f c r . S o n n e n k it 1 h c h e n bekannte , zn den Blattlausfressern ge-
hörende kleine Küfer. Coccinella septempunetata L., welcher l>ei Berührung einen
gelblichen, unangenehm wie Opium riechenden, reizenden Satt, der in sehr reich-
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COCCINELLA. — COCCIONELLA.
185
lieber Menge im Abdomen vorhanden ist , durch die Bauchringe entleert , diente
früher als solcher, zerquetscht und in Form einer Tinctur, Tinctura Coccinellae,
als Süsseres Mittel bei Zahn- und Gesichtsschmerz. Das durch fast ganz Europa
häutige Insect ist durch seine fast halbkugelige Form und seine grossen, sehr ge-
wölbten, fast kreisrunden, den Hinterleib völlig bedeckenden, blutrothen, an jeder
8eite des Schildehens weissen Flügeldecken, welche jederseits drei schwarze Punkte
und ausserdem einen auf dem Berührungsrande unter dem Schildchen liegenden
zeigen, leicht zu erkennen. Kopf, HalsKehild, Schildchen und die platte Unterseite,
sowie die einziehbaren , mit 3 Tarsengliedern versehenen Fttsse sind schwarz ;
die vor den Augen eingelenkten, unter den Kopf zurückziehbaren, llgliederigen
Fühler sind bis auf das schwarze Basalglied und die dunkelbraunen Endglieder
rostroth. Die Käfer lassen sich in mit Erde gefüllten, durchlöcherten Schachteln
über Vj Jahr lebend erhalten und selbst überwintern. Horngkg und Bley wollen
aus Coccinella mehrere Harze, Fette und Farbstoffe, ausserdem Ameisensäure, er-
halten haben ; ob letztere als das scharfe Princip anzusehen ist, bleibt indess sehr
fraglich. Das Volk benutzt übrigens von den zahlreichen Species der Gattung
Coccinella auch G. quinquepunctata, C. bi punctata , C. ocellata, C. conglobata
u.a.m. ohne Unterschied. Th. Husemann.
Coccinella septempunctata (h omöopathisch) ; alkoholische Tinctur aus
dem Thier gleichen Namens (Marienkäfer). Nicht zu verwechseln mit Coccus
Cacti = Coccionella, Cochenille.
Coccionella (Cochenille). Die getrockneten Weibchen der ursprünglich in
Mexico und dem nördlichen Theile von Südamerika einheimischen, auf verschiedenen
Cacteen, besonders Opuntia coccinellifera MM., 0. Tuna MM., 0. elatior MM.,
0. decumana ffow. lebenden Cochenillelaus oder Nopalschi Idlaus,
Coccus Cacti L. (Hemiptera, Fam. Goccidae). Dieselben sind ungeflügelt,
Manroth, reifartig mit einer wachsartigen Substanz überzogen, vor der Befruchtung
2 mm lang, eirund ; ihr mit kurzem Säugrüssel , sehr kleinen Augen und kurzen,
dicken, 8gliederigen, seitwärts gerichteten Fühlern versehener Kopf schliesst sich
unmittelbar an die drei Fusspaare tragenden Körpersegmente; der Hinterleib ist
6— 8gliederig. Die nicht officinellen Männchen sind nur 1.5 mm lang, von etwas
hellerer Farbe und haben 1 1 gliederige Fühler, zwei milchweisse Flügel und zwei
sehr lauge weisse Schwanzborsten. Nach der Befruchtung schwellen die Weibchen
um mehr als das Doppelte ihres Volumens an , wobei der Kopf nach unten ge-
drängt wird.
Die Cochenille wurde in Mexico ihres Farbstoffes wegen schon vor der Ent-
deckung von Amerika künstlich gezüchtet, wie dies auch jetzt noch in den soge-
nannten Nopalerien (nach der als Nopal bezeichneten Opuntia) in den Provinzen
Tascala und Oaxaca geschieht. Analoge Culturen bestehen in Guatemala und
Honduras, sowie auf den Canarischen Inseln, besonders Teneriffa, wohin das Insect
aus Amerika gebracht worden ist. In anderen Ländern (Ostindien, Java, Spanien,
Sfldfrankreich) sind diese Culturen jetzt ganz eingegangen oder doch für den Handel
ohne Bedeutung. In den Nopalerien besetzt man nach Ablauf der Regenzeit die
Cactuspnanzen mit trächtigen Weibchen, welche man auf abgebrochenen Nopal-
zweigen sorgsam durch Ueberdaehung während der Regenzeit aufbewahrt hat und
deren zahlreiche Brut nach dem Auskriechen aus den Eiern die Pflanze rasch
Uberzieht. Die ausgeschlüpften Weibchen bohren sich nach der Befruchtung durch
die der Zahl nach weit geringeren (1 : 300) und bald nach der Begattung absterbenden
Männchen mit ihrem Säugrüssel fest und schwellen unter Bildung zahlreicher Jungen
an, die in Mexico und Centralauierika in sechs Wochen ihre Reife erlangen. Kurz
vor dem Absetzen der Brut findet das Einsammeln der Cochenille statt, wobei man
mit Pinseln von Rosshaaren, Feder oder Messer die Thiere unter Schonung so vieler,
wie zur folgenden Zucht erforderlich sind, von den Pflanzen entfernt und auf
untergelegten Tüchern oder in irdenen Schalen zusammenkehrt oder in Körben
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186
COCCIONELLA.
sammelt, dieselben tödtet und trocknet. Bei der öwöchentlicben Daner der Gene-
rationszeit können in tropischen Ländern 5 Ernten stattfinden, doch beschränkt
sich die Zahl der Ernten in Mexico in der Kegel anf drei , in Teneriffa
auf zwei und im nördlichen Theile dieser Insel selbst nur auf eine. Das Prodnct
der ersten Ernte, die im Januar oder Februar stattfindet und ausschliesslich aus
lebenden neuen Cochenillemüttern besteht, ist die am höchsten in Werth stehende
Z a c c a t i 1 1 a. Die zweite Ernte, bei der auch unbefruchtete M (Itter mitgesämmelt
werden, und namentlich die dritte, wobei auch Häute mitgesammelt werden, scheinen
die weniger geschätzte G r a n i 1 1 a zu liefern. Man tödtet die Thiere entweder durch
Eintauchen der in Körbe gebrachten Thiere in heisses Wasser oder durch Ein-
wirkung heisser Wasserdämpfe oder in besonderen Oefen. Die Art des Trocknens
zeigt grosse Verschiedenheiten , wodurch , wie aus der verschiedenen Manier der
Tödtung, Differenzen des Products sich ergeben, die auch eigene Benennungen ver-
anlassten, z. ß. Ponegridn für braunrothe, an der Sonne und Luft auf Matten
getrocknete Thiere, Jaspeada für die in eigens dazu erbauten Oefen (Tamas-
eales) bei bestimmten Hitzegraden getrocknete, Nigra oder Negrilla für die
anf Metallplatten getrocknete und dadurch schwärzlich gewordene Cochenille. Im
Handel entspricht die Grana Jaspeada der silbergrauen Cochenille, die man
gewöhnlich als das durch die Prflparation nicht ihres natürlichen reifähnlichen l'eber-
zuges beraubte Inject betrachtet. Dieser Ueberzug, der in allen Vertiefungen des
Körpers sich deutlich manifestirt und aus eigentümlichem Wachs besteht, wird bei
Anwendung grösserer Hitze aufgelöst, worauf dann die eigentliche rothe oder bei
Einwirkung stärkerer Temperatur in's Schwarzliehe übergegangene Farbe des Thieres
hervortritt. Ob indess die. Farbenvarietäten so zu erklären sind, steht keineswegs
vollkommen fest; nach Aitken* sind die silbergrauen die befruchteten Weibchen, die
schwarzen die Coccusweibchen naeh der Ablage der Eier, während Grauilla die unbe-
fruchteten Weibchen seien. Die von den eultivirteru Coccus Cactt abstammende Coche-
nille wird als Grana tina motica, Mestequ e-Coc h en il le, iu Gegensatz zu einer
schlechteren Sorte auf einer anderen Cactnsspecies lebender wilder Schildläuse, so-
genannter Gratia süvestre oder capeciane, gesetzt, die jedoch kaum im europäischen
Handel vorkommt und vermuthlich von einer von Cuecm Cacti verschiedenen, nicht
cultivirten Schildlaus abstammt. Die meiste und geschätzteste Cochenille ist die
Zaccatilla von Honduras, und zwar die schwarze Sorte. Trotz der Concurrenz der
Thonfarben hat die Cochenille noch ein sehr bedeutendes Absatzgebiet, besonder«
in England, wohin z. B. von den Canarischen Inseln jährlich 2 — 'S, oft mehr als
3 Millionen Pfund gehen , wahrend der ganze Export sich auf 5 Millionen und
darüber belauft. Der Export aus Mexico (Veracruz) und Honduras, von wo die
Cochenille in Tonnen von 140 Pfund versandt werden, erreicht zusammen dieselbe
Höbe oder geht noch darüber hinaus , so dass die Zahl der alljährlich getödteten
Cochenilleweibchen, 70000 auf 1 «Pfund gerechnet, eine enorme ist. Der Gesanimt-
werth der in Deutschland eingeführten Cochenille belief sich 1880 auf 15111000 Mark.
Die fast in allen Pharmakopöen, nicht in Germ, und Austr., officinelle Coccio-
nella entspricht den besten Sorten der Cochenille des Handels (schwarze und
silborweisse Zaccatilla) und stellt fast eiförmige , meist gegen 5 mm lange , ober-
halb convexe , unterhalb flache oder coneave , mit vielen parallelen Querfurchen
versehene, schwarz-purpurrothe oder graue, meist mit weisslichem Pulver bestreute
Körner dar, die im Innern mit einer dunkelrothen körnigen Masse ganz angefüllt
sind und beim Zerreiben im Porzellanmörser ein schön dunkelrothes Pulver geben.
Die Coccionella hat einen ganz unbedeutenden Geruch und eiuen etwas bitterlichen
Geschmack und schwillt beim Maceriren im Wasser, dem sie dabei hochrothe Farbe
ertheilt, zu einem kugelig-eiförmigen Körper an, dessen animalische Xatur schon
durch das Hervortreten der Ringeln und der drei Fusspaare an der I.'nterfläche
sich zu erkennen gibt. Die Zugehörigkeit der bei ihrer Einführung in Europa
für Samenkörner gehaltenen Droge zum Thierreiche wurde schon 1530 durch
Acosta dargethau.
COOCIONELLA
187
Der wesentlichste Bestandteil der Cochenille ist der als Coccusroth oder als
Carminsäure bezeichnete rothe Farbstoff, der von Wasser, Weingeist, Am-
moniak , in geringer Menge von Aether , nicht von fetten und ätherischen Oelen
aufgenommen wird, nach Hlasiwetz ein krystallisirbares Glycosid, das beim
Kochen mit verdünnter Schwefelsäure sich in Zucker und Carminroth spaltet.
(Nach ScbOtzenberger ist Coccusroth ein Gemenge von 4 verschiedenen
Körpern von differentem O-Gehalte.) Die Menge des Farbstoffes variirt in den ein-
zelnen Sorten ; die Angabe von Mene, dass dieser in den besten Sorten 49, in anderen
nur 26 — 33 Procent ausmacht, bezieht sich jedenfalls auf ein sehr unreines Pro-
dnet ; Liebermann konnte aus guter Silbercochenille nur etwa 10 Procent extra-
hiren. Ausserdem enthält die Cochenille viel Fett, aus welchem Liebekmann (1885)
ein (in der Granilla zu 4.2 Procent, in besseren Sorten nur zu 0.5 — 1.5 Procent
vorhandenes) eigentümliches Wachs , C o c c e r i n , isolirte , das beim Verseifen
sich in zwei eigentümliche Körper (Coccerylsäure und Coecerylalkohol) spaltet.
Mexe fand bei 4 Sorten den Wassergehalt 4.1—8.0 und den Aschengehalt
3.3—6.2. Die Asche enthält Kali, Kalk, Phosphorsäure und Chlor. Warkkv de
la Rük will auch Tyrosin in Cochenille gefunden habeu.
Abgesehen von der technischen Verwerthung als Farbmittel (Carmin , rothe
Tinte) rindet Cochenille medicinisehe Benutzung als Farbe für Zahnpulver und
Mundwasser, selten bei uns als Specificum gegen Keuchhusten. Da« Pulvern muss
im Porzellanmörser (nach Absieben und Trocknen bei gelinder Wärme) geschehen ;
sehr feine Pulver sind wegen des Fettgehalte« schwer herstellbar.
Die Cochenille ist ihres hohen Preises wegen mannigfacher Verfälschung aus-
gesetzt. Völlig unverfälschte Cochenille existirt im englischen Handel nicht f Aitken).
Mat hat selbst künstliche Cochenille aus Thon, Fernambukabkochuug und Tragauth
fabricirt, die beim Eintauchen in heisses Wasser leicht an den fehlenden Ringeln
und Füsseu erkannt wird. Noch häufiger hat mau den Keif auf der silbergrauen
Cochenille, den man früher für ein Kriteriuni der Echtheit ansah, während er den
besten Honduras fehlt, nachgeahmt oder zur Vermehrung des Gewichts mit vege-
tabilischen oder mineralischen Pulvern (Amylum, Bleiweiss, Bleimetall, Zinkoxyd,
Schwerspat und Graphit) versetzt. Man erkeunt diese Verfälschungen, die zum Theil
bei der medieinischen Verwendung und beim Gebrauche zum Färben von Backwerk
sehr gesundheitsgefäbrlieh sind, ebenfalls bei Maceration im Wasser, indem sich die-'
selben als Pulver absondern, oder durch Durchschütteln mit Chloroform, auf welchem
echte Cochenille schwimmt, wührmd verfälschte untersinkt; die mineralischen auch
durch Schütteln mit Aether, der den natürlichen Cochenilleüberzug auflöst, oder
Bestimmung des Aschengehaltes, der nicht über 6 Procent hinausgehen darf. Mau
hat den Grad des Blei- oder Schwerspatgehalteft von Cochenille zu 12— 2o Pro-
cent in einzelnen Füllen gefunden. Das alte Verfahren der Fälscher, die Pulver
mit Gummilösung zu befestigeu, ist langst aufgegeben, man bringt die durch heisse
Wa.«iserdämpfe aufgequollenen Thierc in eine Trommel mit dem Besehwerungs-
mittel und dreht bis zur völligen Bindung des letzteren, worauf man sie wieder in
einem warmen Luftstrome auf das ursprüngli he Volumen eintrocknen lässt, wobei
das Heschwerungsmittel in allen Falten und Knoten Platz findet. Mässige Er-
schwerung kann auch durch blosse Einwirkung von Feuchtigkeit geschehen, was
durch Austrocknen im Wasserbade festgestellt werdeu kann, wodurch nicht mehr
als 8 Procent verloren gehen dürfen. Im Handel scheint auch ihres Farbstoffes
theil weise ' durch vorherige Extraction beraubte Cochenille vorzukommen, welche
ein niedriges speeifisches Gewicht besitzt und durch die Chloroformprobe nicht er-
kannt werden kann. Man wendet hier am besten die Methode von Penny (Oxy-
dation des Farbstoffes in alkalischer Lösung mit Ferridcyankaliuni) zur Bestimmung
der Farbekraft an , welche übrigens Controle mit guter Cochenille voraussetzt.
Zu derselben digerirt man 1.0 Üoccionella trita mit 5.0— 0.0 in 20 cem destillirtem
Wassers gelösten Aetzkali 1 Stunde lang, verdünnt mit Wasser auf lOOccm und
versetzt so lange mit 1 Procent wässeriger Ferridcyankaliumlösung , bis die
188
COCCIONELLA. — COCCOLOBA.
Purpurfarbe in Gelbbraun übergegangen ist. Branchbar, aber umständlicher, ist
das 1877 von Löwenstein angegebene Verfahren des Titrirens mit Kalium-
permanganat.
Die Bezeichnungen Coocionella und Cochenille werden noch auf zwei Arten
Schildläuge angewendet, welche den gleichen rothen Farbstoff einschliessen und
früher ebenfalls zu Farbenzwecken dienten. Es sind dies die deutsche oder
polnische Cochenille, Goccionella germanica s. polonica, auch Johannis-
blut genannt, und die armenische oder Wurzelcochenille, auch Coche-
nille vom Ararat genannt. Beide gehören der Gattung Porphyrophora
an ; die erstere, P. polonica Br., lebt an der Wurzel von 8cleranthus, Herniaria,
Hieracium u. A. in Deutschland, Polen und Russland, die zweite, P. Duhamelii Br.
in Armenien auf Poa pungens. Sie sind weit grösser als Coccus Cacti (3 mm
lang), aber von geringerem Handelswerthe und pharmaoeutisch irrelevant.
Tb. Eusemann.
CoCCObacteria Septica ist eine von Billroth gebrauchte Collectivbezeichnung
für alle Formen von Bacterien , die er bei den Wundinfectionakrankheiten und
der Fäulniss fand. Billroth hielt nämlich alle die von ihm untersuchten
und sehr mannigfaltigen Formen von Bacterien nicht für verschiedene Arten,
sondern blos für Vegetationsformen einer und derselben Species, welcher
er den Namen Coccobacteria septica gab. Weichselbau na.
COCCOgnidÜ baCCa. Ursprünglicher Name der spitzei formigen, rothen Beeren
der im südlichen Europa heimischen Daphne Gnidium L. (Cocca Gnidii). Der
Name ging später auch auf die Früchte anderer Daphne-Arten, besonders Daphne
Mezereum L., über. Es sind frisch scharlachrothe, trocken netzig-runzelige, grau-
braune oder gelbliche Steinfrüchte von Pfeffergrösse. Nach Th. Haxausrk
(Dammer's Lex. d. Verfälschungen, pag. 719) unterscheidet man an denselben eine
Fruchthaut ; ein dünnes gelbes Häufchen, das die schwarze, sehr harte Steinschale
überzieht; ferner ein ausserordentlich zartes Samenhäntohen, welches den aus den
beiden Cotyledonen gebildeten 8amenkern überzieht. Das Parenchym der Frncht-
haut besteht aus stark porösen Zellen, die vollständig mit Fett, Aleuron, Farbstoff
und je eioem grossen Stärkeklumpen erfüllt sind. Die Steinschale besteht aus
innig verschmolzenen sclerotischen Zellen, deren Contouren an Tangentialschnitteu
erst nach Aufhellung in Form kreisrunder Wülste in der scheinbar homogenen
Grundmasse sichtbar werden. Als das best charakterisirende Gewebe bezeichnet
Hanausek die Samenhaut, deren rundlich-polygonale, etwas emporgewölbte Zellen
eine zarte Netzverdickung zeigen. Das Gewebe der Keimlappen ist dicht mit
Fett erfüllt.
Die Seidelbast fr flehte, auch Kellerhalsbeereu, deutscher oder Berg-
pfeffer genannt, enthalten Coccognin, das vielleicht mit Daphnin identisch ist.
Medicinisch werden sie nicht mehr angewendet, auch nicht zur Fälschung des
Pfeffers, wie vielfach angegeben wird.
COCCOgnill. Casselmann erhielt aus den Früchten von Daphne Mezereum ein
fettes Oel, dem eine scharfe Substanz durch Digestion mit Alkohol entzogen wurde.
Nach Verseifen des Oeles wurde durch Aether aus dem Presskuchen ein Harz,
durch 9.r>procentigen Alkohol ein harzartiger Körper ausgezogen, der nach Be-
handlung mit 7 Oproeen tigern Alkohol aus heissem Alkohol in sternförmigen Gruppen
krystallisirte. Beim Erhitzen schmelzen die KrystaHe und verflüchtigen sich bei
vorsichtigem Erhitzen unzersetzt. Diese vom Daphnin verschiedene Substanz nennt
Casselmann Coccognin. Aus 100 Th. getrockneten Seidelbast früchten erhielt er
0.38 Th. Coccognin. v. Schröder.
COCCOloba, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Polygonaceae.
Tropische Holzgewächse mit Zwitterblüthen, deren Perigon fleischig auswichst und
bei der Reife die Nuss bcerenartig einschliesst.
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COCCOLOBA. — COCCUM BAPHICUM.
189
Coccoloba uvifera Jqu., ein im tropischen Amerika wachsender Banm mit
grossen lederigen Blättern, ist die Mutterpflanze des gegenwärtig im Handel nicht
wehr vorkommenden westindischen oder Jamaika-Kino.
CoCCIllin. E. Schmidt und Lövenhardt haben aus den Kokkelskörnern einen
nicht bitter schmeckenden Körper isolirt, welcher in feinen, weissen Nadeln kry-
stallisirt, die in heissem Wasser nur schwer, in kaltem Wasser, Alkohol und Aether
nahezu unlöslich sind. Diesem Körper geben sie den Namen Cocculin , eine Be-
zeichnung, die früher auch für das Pikrotoxin benützt wurde. Die Analysen führten
zur vorläufigen Formel C„ H26 O10. Concentrirte Schwefelsäure färbt das Cocculin
nur schwach gelb, beim Reiben mit einem Glasstabe verschwindet die Färbung.
Die Las gley' sehe Salpeterreaction , welche das Pikrotoxin und besonders das
Pikrotoxinin, scharf kennzeichnen, liefert das Cocculin gar nicht. Ob das Cocculin
mit dem Anamertin von Bakth identisch ist, ist noch nicht entschieden.
v. Schröder.
COCClllUS, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Menispemia-
ceae, deren pharmaceutisch wichtige Arten jetzt zu anderen Gattungen gezogen
werden.
Fructus Cocculi s. Coccult indici s. levantici 8. piscatorii, Coque du
Levant (Ph. Gall.), Coca de Levante (Ph. Hisp.), sind die als Kockeiskörner
bekannten Früchte von Anamirta paniculata Colebr. (A. Cocculus W. et A.}
Menifipermum Cocculus L.), einem schlingenden, grossblätterigen Strauche, welcher
in Ost- und Hinterindien, auf Ceylon und den malayischen Inseln verbreitet ist.
Die Blätter sind lederig, eirund, mit gestutzter oder herzförmiger Basis, in der
Jugend flaumig. Von den älteren Zweigen hängen die grossen, aus vielen kleinen
dreizühligen, kronenlosen Blüthen zusammengesetzten diöcischen Rispen herab. Der
oberständige, dreifächerige Fruchtknoten der 9 Blüthen entwickelt sich zu ge-
stielten Steinfrüchten.
Diese sind ei- oder niorenförmig, 10 mm gross, durch den Griffelrest seitlich von
der Stielnarbe kurz bespitzt, graubraun bis schwarz (frisch purpurn), grobrunzlig,
dünnschalig. Ueber den Rücken zieht die kaum sichtbare Raphe. Die Steinschale
stülpt sich an der Bauchseite bis in die Mitte der Frucht zu einem Doppel-
leisten ein , an welchem der einzige Same kuppelartig und kaum ablösbar
angewachsen ist. Dieser erscheint auf Verticalschnitten halbmondförmig, an Quer-
schnitten ringförmig. In seinem ölig-fleischigen Endosperm sind die zwei häutigen
Cotyledonen des Embryo ausgebreitet.
Die Frucbtschale ist geruch- und geschmacklos, die Samen schmecken bitter
nnd sind giftig.
Erstere enthält die Alkaloide Menispermin und Paramenispermin,
beide nicht giftig. Der Samenkern enthält neben dem nicht giftigen A na mirt in
{%. Bd. I, pag. 363) das stark giftige Picrotoxin, früher Cocculin genannt,
wflhrend man jetzt unter Cocculin (r. d.) einen anderen, nicht bitteren Körper
versteht. Die 8amen bestehen zur Hälfte aus Fett, dessen Säuren als KryBtall-
gruppen schon unter der Loupe erkennbar sind.
Die Kockeiskörner kommen zumeist Uber Calcutta und Bombay in den Handel.
Sie werden zur Darstellung des Picrotoxin gebraucht und als Hopfensnrrogat und
zum Fischfange missbraucht. In der Medicin werden sie gar nicht mehr ange-
wendet, einst dienten sie oder die aus ihnen dargestellte Tinctnr gegen Kopf-
läuse und Hautkrankheiten.
Man hat schon Vergiftuugserscheinungen nach 2 Körnern und den Tod nach
etwa 2.4 g des Pulvers eintreten gesehen.
Die antidotarische Behandlung erfordert zunächst Entfernung des Giftes, so-
dann Morphin oder Chloralhydrat gegen die Krämpfe, endlich Analeptica.
COCClim baphiCUm, eine wenig gebräuchliche Bezeichnung für Kermes.
190
COCCUS. — CUCHENILLETINCTUR.
COCCUS (Sch ildlaus). Insectengattung , zur Abtheilung der Schnabelkerfe
(Rhynchota s. Hemiptera) gehörig, aus der Unterordnung der Pflanzenläuse (Phy-
tophthires) und der Familie der Schildläuse (Coccidae), von welcher verschiedene
Arten durch den in ihrem Leibe erzeugten Farbstoff, durch Ausschwitzungen,
welche ihr Stich an gewissen Pflanzen hervorruft, und durch von ihnen producirte
wachsähnliche Substanzen pharmaceutisches Interesse besitzen. Vorzugsweise von
Bedeutung sind die ungeflflgelten weiblichen Insecten, auffällig durch ihre beeren-
artig aufgeschwollene, randliche, halbkugelförmige Gestalt, und ihre eigentümliche
Lebensweise, indem sie nach der Befruchtung sich mit ihrem Rüssel in das Parenchym
der Pflanzen einsenken, auf denen sie leben, dort ihre Eier unter sich legen und
auch noch nach dem Tode wie ein Schutzdach bedecken. Die Männchen, die im
ausgebildeten Zustande grosso Vorderflügel und verkümmerte Hinterflügel besitzen,
dagegen des Rüssels entbehren, und die eine vollkommene Metamorphose durch-
machen , sind weit kleiner als die Weibchen , deren Eier sich bei einigen Schild-
lausarten partbenogenetisch entwickeln. Die neueren Entomologen haben die
LiNNK'sche Gattung Coccus in mehrere zerlegt und den Namen nur für diejenigen
Schildläuse beibehalten, deren Weibchen bestäubt oder bereift sind und deren
Männchen mit zwei langen Schwanzborsten versehen sind. Hierher gehört vor
Allem die wichtigste Coccusart, die als Coccionella(s. pag. 1 85) officinelle Coche-
nillelaus; ausserdem zählt man dahin als C. manniparus Ehrbg. die in der Um-
gegend des Sinai auf Tamarix mnnnifera vorkommende und durch ihren Stich
die Tamariskenmanna erzeugende Mannaschildlaus , ferner als Coccus Lacca Kerr.
die in Ostindien auf verschiedenen Pflanzen lebende und das Gummilack (s. Lacca)
producirende Gummilacksehildlaus, als Coccus Ptla Westw. die in China lebende
Wachsschildlaus (s. Pela) und als Coccus Axtn eine ein ähnliches Product
liefernde ( s. Axin, Bd. II, pag. 64) mexikanische Species. Die Kermesschildlaus,
Coccus Ilicis L. (s. Kermes), wird jetzt zur Gattung Lecanium (mit zwei
Schwanzborsten und parthenogenetischer Entwicklung der Eier) gezogen, wovon
auch eine Art in Australien bei der Production gewisser Sorten von Eucalyptus-
manna betheiligt scheint, ebenso die polnische Schildlaus oder deutsche Cochenille,
Coccus polonicus, während man die armenische Cochenille zur Gattung
Porphyropfiora rechnet, zu welchen Gattungen vermuthlich auch einzelne der ge-
nannten asiatischen und amerikanischen Schildläuse gehören, welche bisher nur sehr
nngeuau bekannt sind.
In England ist Coccus die officinelle Benennung für Cochenille.
Tl>. Husemann.
COCCUS CaCtl" (homöopathisch); alkoholische Tinctur aus CoccioneHü, Co-
chenille.
CfJChenilletinCtUr (Tinctura Coccionellae), wird nach Ph. Germ. ed. alt.,
folgendermassen bereitet : 3.0 g gepulverter Cochenille werden mit 50 cem Spiritus
90» und 200 cem Wasser macerirt und filtrirt. Die fertige Tinctur ist rothgelb
und wird als Indicator bei volumetrischen Bestimmungen benützt. Saure oder neu-
trale Flüssigkeiten färbt die Cochenilletinctur gelbroth, alkalische violett; sie
besitzt den Vorzug vor andereu Indicatoren, dass die violette Färbung sowohl
durch Aetzalkalien als auch durch Alkalicarbonate hervorgerufen und ferner durch
freie Kohlensäure kaum verändert wird. Sie findet deshalb besonders dann vor-
theilhafte Anwendung, wenn Alkalicarbonate titrirt werden sollen, ebenso stört ein
geringer Gehalt der Nonnalkalilauge an Carbonat auch nicht. Nicht verwendbar
hingegen ist die Cochenilletinctur bei Gegenwart von Acetaten und Metallsalzen
^besonders Eisen- und Thonerdeverbindungeu), denn diese wirken störend auf die
violette Färbung ein. Da durch Einwirkung von SauerstofF die Cochenilletinctur
allmalig zersetzt wird, so muss dieselbe in gut verschlossenen Gefässen aufbe-
wahrt werden, und da in alkalischer Flüssigkeit die Zersetzung ebenfalls stattfindet,
die Titration ohne unnöthigen Aufenthalt ausgeführt werden. — S. Indicatoren.
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( ' OC H E N'l I i L ETI NCT ö K. — COCHLEARIA.
191
Cochenilletinctur wird in der Mikroskopie als Tinctionsmittel bentttzt,
vorzüglich zum Färben von Protoplasma und Gellnlose. Die wässerige Lösung wird
jedoch durch Sehimmelvegetationen rasch zersetzt, weshalb man ihr zweckmässig
etwas Carbolsäure zusetzt Eine längere Zeit haltbare Lösung bereitet Csokor fol-
gendermassen : 1 g Cochenille wird mit 1 g gebranntem Alaun zu einem feinem
Pulver zerrieben, mit 100 cm destill. Wasser gekocht und auf etwa 60 cm eingeengt.
Die abgekühlte Lösung erhält einen ganz kleinen Zusatz von Carbolsäure und wird
mehrmals filtrirt. Wenn nach mehreren Monaten die Lösung sich trübt, kann sie
durch Zusatz von Carbolsäure und Filtration wieder geklärt und brauchbar ge-
macht werden.
COCheilX'S GichttinCtlir ist eine verdünnte Tinctura teminü Colchici.
COChl., eine auf Recepten vorkommende Abkürzung von cochlear, Löffel. Ein
Esslöffel wird gleich 15g, ein Kinderlöffel = 10g und ein Theelöffel = 5g
Flüssigkeit gerechnet.
COChlearia. Gattung der Cruciferae, Unterfamilie Alyssineae. Kahle Kräuter
mit ganzen oder fiedertheiligen Blättern. Blüthcn weiss, gelb oder violett, in meist
traubigen Bltttbenständen , selten einzeln. Kronblätter kurz genagelt, mit ganzer
Platte. Filamente gerade oder gekniet, zahnlos, zu beiden Seiten der kürzeren
Stauhgefässe je eine Drüse. Schötchen gedunsen , zuweilen kurz gestielt , Narbe
einfach kopiig.
1. Cochlear ia o fficinalis L., Löffelkraut, Scharbockskraut,
Herbe aux cuillers, Scurvy grass), 0, mit kantig gestreiftem, wenig
beblättertem Stengel. Wurzelblätter gestielt, breit herzförmig oder rundlich nieren-
fönnig, am Rande ganz oder ausgeschweift, etwas fleischig. Stengelblätter sitzend,
rundlich oder eiförmig, etwas gezähnt, mit herz- oder herzpfeilförmigem 0 runde
stengelumfassend. Blüthen weiss. Schötchen fast kugelig , 5 mm Diameter , auf
1 — 2 cm langen, dünnen Stielen. Samen oval, rothbraun, feinwarzig, 1 — 4 in jedem
Fache. An feuchten , besonders salzhaltigen Orten durch ganz Europa bis zum
höchsten Norden wild, oft in Gärten zum arzneilichen Gebrauch cultivirt.
Verwendung findet das frische und das getrocknete blühende Kraut (Ph. Austr.,
Belg., Gall., Germ., Graec., Hisp., Neerl., Russ.). Frisch ist es, besonders ge-
quetscht, von schwach senfartigem Geruch und etwas scharfem , salzigbitterliehem
Gesch mack. Heim Trocknen verliert es den Geruch. 10 Th. frisches Kraut geben
1 Th. trockenes.
Es enthält 0.25—0.5 pro Mille ätherisches Oel, dessen Siedepunkt bei 159 — 160°
liegt, spec Gew. 0.942. Es besteht hauptsächlich aus dem Isosulfocyanat des
secundären Butylalkohols.
Man stellt aus dem frischen Kraute den Spirtt. Cochleariae dar, ferner dient
es bei der Herstellung der Syrup. Cochleariae, Syrup. antiscorbutic, dmaerva
Cocitleariae. •
Wird zuweilen mit der an denselben Standorten wachsenden (nach Ph. Neerl.
zulässigen), weniger scharfen Coclilearia anglica L. verwechselt, die eiförmige
Wurzel- und länglich-lanzettliche bis herzförmige Stengelblätter hat. Da Oochlearia
blühend gesammelt werden soll , kann sie nicht verwechselt werden mit der die-
selben Volksnamen führenden Ficaria ranuneuloides L., deren Blätter langgestielt
herzförmig und deren Blüthen gelb sind.
Die von Ph. Hisp. bevorzugte Cocklearia Draba L. wird jetzt zu Lepidium
gezogen. Sie ist grösser, stärker behaart, besitzt länglich eiförmige Blätter, von
denen die grundständigen ausgebuchtet, die stengelständigen gezähnt sind. Die
Schötchen sind gestielt , herzförmig , mit fadenförmigem , stehenbleibendem Griffel.
2. Co chlearia Armoracia L. ( Nasturtium Armoracia Fr.), Meer-
rettich, Mährrettich, Kren, Pfefferwurzel, franz. Raifort, engl.
Horse-radish. Wurzel und unterirdische Axen oft Im tief senkrecht hinab-
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192 COCHLEARIA. — COCOS.
steigend, cylindrisch, bis 6 cm dick. Stengel Im hoch, ästig. Grundständige Blätter
gross, oblong, am Rande gekerbt, ho^gestielt. Untere Steogelblätter fiederspaltig,
obere lanzettlich, gekerbt gesägt, mit verschmälertem Grunde sitzend. In fast
ganz Europa an feuchten Orten, doch oft nur verwildert; in Gärten der Wurzel
wegen angebaut.
Letztere (Radix Armoraciae seu Raphani rusticanij enthält ein ätherisches
Oel. welches nach Hubatka mit dem Senföl fast identisch ist. Sie findet für euli-
narische Zwecke hin und wieder auch Verwendung wie CochUaria. Hart wich.
CochlOSpermUm. Gattung der Bixaceae. Holzgewächse oder Halbsträucher
mit alternirenden, lappigen Blättern , hinfälligen Nebenblättern und ansehnlichen
Inflorescenzen aus fünfzähligen Blüthen mit zahlreichen freien Staubgefässen und
einem oberständigen Fruchtknoten , der sich zu 3 — 5fächerigen , fachspaltigen
Kapseln entwickelt.
Mehrere Arten gelten in ihrer tropischen Heimat als heilkräftig. Von Cochlo-
spermum Oossypium DC, einem Baume Ostindiens, wird das K atera -Gummi,
ein bassorinreiches Product, abgeleitet.
C0Ckl68' antiblliOUS PHI8 enthalten in der Hauptsache Coloquinthen, Aloe
und Rhabarber.
COCO ist gepulverter, mit Anisöl oder dergleichen parfümirter Lakritzensaft
und dient als Zusatz zum Trinkwasser, welches dann ebenfalls „Coco" genannt
wird und ein im Süden Frankreichs viel consumirtes Getränk bildet
COCOna, ein dem Ejlerui ähnliches, mit Caranna identisches Burseraceen-
Harz.
COCOS, Gattung der nach ihr benannten Abtheilung der Palmae, mit mittel-
hohem bis sehr hohem Stamme, der mit Blattstielresten besetzt, inwendig weich
und schwammig ist. Blfithen monöcisch. Aeusseres Perigon der männlichen Blflthen
dreiblätterig , an der Basis oft verwachsen , Blätter lanzettlich ; inneres Perigon
dreiblätterig, die Blätter aufrecht oder zusammenneigend, ebenfalls lanzettlich.
Sechs Staubblätter mit pfriemen förmigen Filamenten und fast pfeilförmigen Antheren.
Perigon der weiblichen Blüthe ebenfalls aus 2 dreiblätterigen Kreisen bestehend,
die Blätter fast kreisförmig. Fruchtknoten eiförmig oder abgeflacht kugelig. Griffel
kurz oder fehlend. Narben 3. Steinfrucht elliptisch bis stumpf dreikantig, mit
dickem faserigen Mesocarp und knochenhartem , an der Basis dreiporigem Steine.
Endosperni hohl.
Co cos nucifera L., Cocospalme. Stamm bis 26 m hoch, etwas gebogen,
an der Basis schwach verdickt. Blätter gefiedert, 4 — 5 m lang, die Fiedern schmal
lanzettlich, zuge*pitzt. Kolben bis 2 m lang , in viele Aeste getheilt , mit tief ge-
falteten Scheiden. Steinfrucht (C'ocosnuss) mit glattem Rxocarp, zähfaserigem Meso-
carp und eiförmigem, im oberen Theile liegenden Steine mit 3 Längsrippen. Endo-
derm fleischig, weiss, radial gefasert, Embryo klein, am Grunde des Endosperms.
Vielleicht in Südost-Asien heimisch, jetzt in allen Tropen, doch auf die Küsten,
wo sie Wälder bildet, beschränkt. Bringt vom 8. Jahre ab, fast das ganze Jahr
hindurch, Früchte.
Wohl die dem Menschen nützlichste Pflanze, die in allen ihren Theilen technische
Verwendung findet.
Der Stamm dient in seinen äusseren, sehr dichten Theilen zu Bauholz, die
äussersten, rindenartigen Partien zum Gerben, die Blätter zum Bedecken der
Hütten, zu Flechtarbeiten etc., ihre Mittelrippe liefert eine grobe Faser, aus der
man Besen macht. Das viele Gefässbündel enthaltende Mesocarp der Varietäten :
Rutila, cupuliformis, stupposa liefert in denselben die Cocosfaser (s. CoTrj.
Die Steinschale des Samens dient in ihrer Heimat zu Gefässen, in Europa
wird sie zu kleinen Drechplerarbeiten verwendet.
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COCOS. — COCOSNUSSÖL.
193
Das wichtigste Product der Cocospalme ist das Cocosnuasöl, welches man
ans dem Endosperni gewinnt, indem man dasselbe gleich an Ort und Stelle ans
den gekochten und zerkleinerten Kernen auspresst oder dieselben unter dem
Namen Copra nach Europa bringt, um sie hier einer rationelleren Bearbeitung zu
unterwerfen.
Der Cocosgummi („Haari tapan" und Taluti) soll von der Rinde ausge-
schieden werden. Er bildet stalactitenartige Massen von rothbrauner Farbe, welche
70 — 90 Procent Bassorin enthalten.
Aus dem Saft der Cocospalme, wie aus dem mancher anderen Palmen, gewinnt
man Zucker (Jaggery) oder bereitet daraus durch Gährenlassen ein weiuartiges
Getränk (Toddy), das, der Destillation unterworfen, Arrac liefert; aus dem unreif
milchigen Eudosperm, das frisch kühlend schmeckt , gewinnt man ebenfalls durch
Gährenlassen etc. einen Branntwein. Die jungen Schosse liefern Palmkohl.
Cocospflaume ist die essbare, wegen der mandelartigen Samen besonders
geschätzte Frucht von Chryaobalanw Icaco L. (Rosaceae, Unterfamilie Gkri/so-
öalaneae), die in Westindien und Südamerika wild und cultivirt vorkommt.
Hartwich.
COCOSmatlthUS, Gattung der Sapotaceae. — öoeosmanthus tnacropkyllus
Eassk. ist ein Guttapercha liefernder Baum auf Java.
C0C08nU88Öl, COCOSÖI, COCOSblltter, Oleum Cocois, Huile, Beurre de coco,
Cocoa-nut oil, Coco-nut oil, wird aus den Samen der Cocospalme gewonnen. Die
Samenkernc, welche den Namen Copra führen, enthalten 60 — 70 Procent Fett,
welches durch Auspressen gewonnen wird. 8pec. Gew. bei 18°: 0.9250 (Stilurell),
bei 98—99° (Wasser von 15.5° = 1), 0.868—0.874 (Allen). Schmelzpunkt
20—28°. Erstarrungspunkt 15—20°. Schmelzpunkt der Fettsäuren 24.6°. Er-
starrungspunkt der Fettsäuren 19—22°. Verseifungszabl 261.3 (Valenta), 250.3
(Moore). Reich KRT'sche Zahl 3.70. Jodzahl des Fettes: 8.9, der freien Fettsäuren
8.4 — 8.8. Die Cocosbutter zeigt uuter dem Mikroskop lange, sehr feine Krystall-
nadeln und Büscheln solcher.
Cocosöl hat die Consistenz von Butter. Es lässt sich durch hydraulische Pressen
in zwei Antheilc, in bei gewöhnlicher Temperatur flüssiges Cocosnuss-OleYn und in
bei 28.5° schmelzendes Cocosnuss-Stearin trennen. Es ist weiss oder gelblich, hat
im frischen Zustande einen charakteristischen Geschmack und Geruch nach Cocos-
oÜHsen und wird rasch ranzig.
In seiner chemischen Zusammensetzung unterscheidet sich das Cocosöl von fast
allen anderen Fetten durch seinen sehr grossen Gehalt, an Glyceriden von Fett-
säuren von mittlerem Molekulargewichte, insbesondere an Laurin. Auch sein Ge-
halt an Glyceriden der flüchtigen Fettsäuren (Capronsäure, Caprylsäure und Caprin-
eäure) wird nur von dem der Kuhbutter übertroffen. Daraus erklären sich die
ungewöhnlich hoben Verseifungs- und RRJCHEBT'schen Zahlen, deren Ermittlung
somit zur sicheren Erkennung des Cocosöles und zur Prüfung auf seine Reinheit
dienen kann. Ausserdem sind im Cocosöl noch Myristin, Palmitin und Stearin ent-
halten. Die sehr niedrige Jodzahl deutet auf einen nur geringen Olefngehalt.
Cocosöl besitzt ein ungewöhnlich hohes spec. Gew., so dass Zusätze von anderen
Fetten auch an dem erniedrigten spec. Gew., welches am besten bei 100° ermittelt
wird, erkannt werden könnten.
Nur für den Nachweis einer Beimengung von Palmkernöl, welches ganz ähn-
liche Eigenschaften wie das Cocosöl hat, fehlen bisher die Anhaltspunkte.
Von den Anwendungen des Cocosöles seien die Verarbeitung des Cocosnuss-
Stearins zu Kerzen und der in Amerika gebräuchliche Zusatz von Cocosöl zu
Kunstbutter erwähnt, seine Hauptanwendung findet es aber zur Fabrikation sehr
stark wasserhaltiger, „gefüllter" Seifen. Die Cocosölseifo lässt sich nämUch nicht
aussalzen, sondern erstarrt mit der ganzen Wassermenge, in welcher das Aetznatron
gelöst war, zu einer weissen, harten Masse, welche ausserdem noch das bei der Ver-
Keal-Encyclopädie der ges. Pharmacie. III. 13
194
COCO.SNUSSÖL. - CODEIN.
seiluug gebildete Glyeerin (circa 14 Procent vom Gewichte des Fettes) onthfilt. Zur
Verarbeitung des Cocosöles auf Seife bedient man sich am besten der sogenannten
„kalten Verscifung", welche schon bei 70 bis 80 eintritt.
Ein grosser Theil der Toiletteseifen besteht aus parfilinirtcr und gefärbter
Cocosölseife. Ebenso eignet sich diese Seile in Folge ihrer Löslichkeit in Seewasser
zu Schiffseifen (Marine soap). — S. Seifen.
Cocosölseife, Cocosseife, s. seifen.
CoCOSpflaiime ist die Frucht des im tropischen Amerika heimischen und dort
auch eultivirten CUryxobalanuii leaco L.f Ronaceaej , eines den Pruneae zunächst
verwandten Raumes, ausgezeichnet durch ganzrandige Mütter und asymmetrische
Blüthen. Sowohl das Fruchtfleisch wie die mandelartigen Samen der Cocospflaume
werden gegesseu.
Codamin, c^h^no,. Eine von Hkssu im Jahre 1870 gleichzeitig mit dem
Laudauin, Lauthopiu und Meconidiu im Opium in sehr geringer Menge (in einem
Falle zu 0.0003 Procent bestimmt) aufgefundene Base.
Darstellung. Man fällt den wässerigen Opiumauszug durch einen l'eber-
sch\iss von Soda oder Kalk, zieht das Filtrat mit Aether aus, schüttelt den Aether
mit vcrdtl unter Essigsäure und trügt die saure Flüssigkeit in verdünnte Natron-
lauge ein. Der entstehende Niederschlag enthalt Narcotin, Thcbam und Papavcrin.
Da» Filtrat von diesem wird angesäuert, mit überschüssigem Ammoniak versetzt
und mit Chloroform ausgeschüttelt. Das Chloroform behandelt man nun mit Essig-
säure enthaltendem Wasser und neutralisirt genau mit Ammoniak, wodurch all
mälig das Lauthopin ausgeschieden wird. Das Filtrat wird in eine möglichst
geringe, aber zur Zersetzung des Ammoniaksalzes ausreichende Menge Kalilauge
eingetragen. Der alkalischen Flüssigkeit wird das Codeiu durch Aether entzogen
und darauf die übrigen Basen durch Zusatz von Salmiak freigemacht und mit
Aether extrahirt. Au« der ätherischen Lösung krystnllisirt zuerst das Laudauin
und aus der mit Aether verdünnten und mit einer Losung vou etwas doppelt
kohlensaurem Natrium gewaschenen Mutterlauge das Codamin, während in den
nicht mehr krystnllisireudeu Mutterlaugen von diesem das Meconidiu enthalten ist.
Eigenschaften. Das < 'otlamin bildet grosse, farblose sechsseitige Prismen,
ist leicht in Alkohol, Aether. Chloroform und Henzin löslich.
Von Wasser, Ammouiak und saurem kohlensauren Natrium wird es wonig
gelost, Kalilauge und Natronlauge lösen es leicht, wenn kein zu grosser L'eber-
schuss angewandt wird. Schmelzpunkt liegt bei 12t»°.
Salpetersäure löst es mit dunkelgrüner Farbe, Eisenehlorid färbt es dunkel
grün, eisenoxydhaltige Schwefelsäure ruft bei 20° eine grünlichblauc , bei 150''
eine dunkel violette Färbung hervor. Die Salze siud amorph. h. Beck tut.«.
Codein, C,8H2lNOa + ILO. Das sich zu 0.2—0.5, nach einigen Angaben
sogar bis 0.75 Procent im Opium rindende Alkaloid wurde im Jahre 1832 von
Koiuqukt entdeckt und nach x<üo*:iz (Mohnkopf) benannt.
Darstellung. Das Codein wird als Nebenproduct bei der Darstellung des
Morphins gewonnen. Aus dem nach Guegouy's Methode (s. unter Morphin
erhaltenen Gemisch von salzsaurem Morphin und salzsaurem Codein wird das
Morphin durch Ammouiak gefällt. Das sich aus dem Filtrat e beim Eindampfen
ausscheidende, mit wenig salzsaurem Morphin verunreinigte Codeineblorhydrat wird
durch Umkrystallisiren aus Wasser vom anhaftenden Salmiak befreit und sodann
in wässeriger Lösung mit überschüssiger concentrirter Kalilauge zerlegt und da*
sich Anfangs als zflhe Masse abscheidende, später pulverig werdende Alkaloid
durch Auflösen in Aether und Krystaltisircn aus demselben gereinigt. Grimaux
lehrte die künstliche Darstellung des Codeins aus Morphin durch Erhitzen mit
Methyl jodid und Natriumhydroxyd, wonach das Codein als ein Monomcthyläthcr
des Morphins (CIT H18 [C H3]N 0.,) zu betrachten ist.
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CODEIN.
195
Eigenschaften. Da« Codein scheidet sich aiiR Aether und Benzol in kleinen
wasserfreien stark glänzenden Krystallen ans, aus Wasser und wässerigem Wcin-
{rcist krystallisirt es in farblosen durchsichtigen Prismen des rhombischen Systems,
aus wasserhaltigem Aether in durchsichtigen rhombischen Oetaedern von oft be-
trächtlicher Grösse und dem spec. Gew. 1.300, welche ein Molekül Krystallwasser
enthalten. Die Krystalle verwittern etwas an der Luft, werden dabei mattglänzend
und undurchsichtig, verlieren bei 120° das Krystallwasser vollständig und schmelzen
in wasserfreiem Zustande bei 155°. Auch unter kochendem Wasser schmelzen sie
unter Verlust ihres Krystallwasser* zu farblosen Oeltropfen , die beim Erkalten
krystiillinisch erstarren.
Das Codein ist geruchlos, schmeckt schwach bitter, ist leicht löslich in Wein-
geist, Aether, Chloroform und Amylalkohol, fast unlöslich in Petroleumäther.
100 Th. Amylalkohol lösen bei gewöhnlicher Temperatur 15.68 Tb. , 100 Th.
Henzol 9.6 Tb. Codein. In verdünnten .Säuren löst sich da« Codein leicht, in
Ammoniak ebenso leicht, wie in Wasser, in eoncentrirten Alkalilaugen ist es
unlöslich. Es lenkt in seinen Lösungen die Ebene des polarisirten Lichtes nach
links ab, und zwar beträgt bei 15° in 97piocentigem Alkohol («) D = — 136.8°,
in 80procentigem Alkohol (a) D m — 137.75°, in Chloroform bei 2 p (a) D =
— 111.5°.
Die. Lösungen des Codeins und seiner Salze werden durch die allgemeinen
Alkaloidreagentien , wie Phosphormolybdänsäure , Phosphorwolframsäure , Jod jod-
kalium. Kaliumwismutjodid selbst noch in sehr verdünntem Zustande gefällt.
Das Codein ist stark giftig, in kleinen Dosen wirkt e* ähnlich dem Morphin
achlal'erregend, nur weit milder. Es soll einen ruhigen Schlaf verursachen , keine
Schwere des Kopfes hinterlassen und die dem Morphin anhaftende verstopfende
Wirkung nicht besitzen.
In coocentrirter Schwefelsäure löst sich das Codein in der Kälte farblos, beim
Erwärmen grün. Erwärmt man das Codein mit Schwefelsäure, welche eine Spur
Eisenchlorid, Salpetersäure oder arsensaures Natrium enthält, so nimmt die Lösung
eine tief blaue Färbung an. Die auf etwa 150° erhitzte Lösung des Alkaloids in
Schwefelsäure färbt sich nach dein Erkalten auf Znsatz eines Tropfens Salpeter-
saure blutroth. In Fröhdk's Reagens löst sich das Codein Anfangs mit gelblicher,
alsbald in tiefes Grün und endlich in Königsblau übergehender Färbung. Bei ge-
lindem Erwärmen treten die gleichen Erscheinungen, nur in rascher Aufeinander-
folge ein. Conceutrirte Salpetersäure löst das Codein mit braunrother Farbe. Chlor-
was«;r löst farblos, die Lösung färbt sich mit Ammoniak schön braunroth.
Salze. Das Codein ist eine starke Base, welche alkalisch reagirt, Ammoniak
aus dessen Salzen austreibt und deshalb aus seinen Salzlösungen durch Ammoniak nur
nehr schwierig und unvollständig gefällt wird. Die Salze sind meist krystalfisirbar.
Das salzsaure Codein, CJ8H21 N0S HCl + 2 H2 O, bildet neutral reagirende
und bitter schmeckende, sternförmig gruppirte Nadeln, welche bei 15° in 20 Th.,
bei l»K)° in weniger als einem Theilc Wasser löslich sind. Die wässerige Lösung
wird durch Alkalilange, nicht durch Ammoniak gefällt.
Jodwasserstoffsaures Codein, Cl8 H„ N03 HJ -f H, 0 , bildet lange,
in 60 Th. kaltem Wasser lösliche Nadeln.
Salpetersauros Codoi u , CJ8 H9l N()3 . N03 H , entsteht bei Zusatz von
^alpetersänre vom spec. Gew. 1,06 unter Vermeidung eines Ueberschusses zu ge-
pulvertem Codein und bildet kleine, prismatische, in kochendem Wasser leicht
lösliche Krystalle.
Das aus seidenglänzonden, büschelförmigen Krystallen bestehende Uberchlor-
saure Codein ist in Wasser und Alkohol leicht löslich und beim Erhitzen
explodirend.
SehwefelsanresCodein, (C,8 HS1 N03)2 Hs S04 -f 5 Hs SO. Strahlig gruppirte
lange Prismen des rhombischen Systems. In 30 Th. kaltem Wasser, viel leichter
in beissem Wasser löslich.
*3* 3 igitiz ed by Google
196
CODE IN.
UnterBchwefligsaures Codein, (C18 H21 N03)2 Ha Sa Os + 5 Ha 0, ent-
steht bei der Oxydation einer mit Schwefelammonium versetzten alkoholischen
Codeinlösung an der Luft.
Oxalsaures Codein, (C18 H21 N03)a Ca Ha04 + 3H,0, bildet kurze Prismen
oder Schuppen.
Weinsaures Codein bildet meist eine syrupartige Masse, zuweilen auch
grosse Krystalle.
Pikrinsäure s Codoin ist ein schwefelgelbes Pulver.
Das Platindoppelsalz, 2 (C18H21 NO, HCl)PtCl4 + 4 Ha 0 , bildet ein
blassgelbes, allmälig dunkler werdendes, krystallinisches Pulver und ist in siedendem
Wasser unter Zersetzung löslich.
Das Golddoppelsalz bildet einen röfhlichbraunen, in Salzsäure löslichen
Niederschlag.
Beim Erhitzen des Codeins mit Aetzkali oder Behr concentrirter Kalilauge ent-
steht Methylamin, Trimethylamin und eine wie Benzoesäure sublimirende, an der
Luft sich braun färbende, nicht näher studirte Base. Beim Kochen mit Übermangan-
saurem Kalium in alkalischer Lösung gibt Codein die Hälfte seines Stickstoffes
als Ammouiak aus. Beim Erhitzen mit concentrirter Salzsäure Über 140° spaltet
sich das Codein in Methylchlorid, Wasser und Apomorphin, eventuell entsteht als
Zwisehenproduct durch blosse Wasserabspaltung eine alsChlorocodid bezeichnete
Base C18H,0ClNOa.
Von den bislang dargestellten Derivaten des Codeins sind die wichtigsten das
Chlorocodein Cl8 lH20 Cl NOs , erhalten aus einer salzsauren Lösung des Codeins
und chlorsaurem Kalium ;MonobromcodeinC18 H20 Br N08, aus Codein und Brom-
wasser : T r i b r o m c o d e i n C,8 Hi8 Br3 N03 aus bromwasserstoffsaurem Monobrom-
codein und Brom in wässeriger Lösung ; Nitrocodein C,8 H30 (N02) N0S durch
Eintragen von gepulvertem Codein in erwärmte Salpetersäure dargestellt. Beim Erhitzen
von Codein mit Aethy^jodid und Alkohol auf 100° entsteht Aethylcodeinjodid
C,8 H7, N03 . C2 Hr, Jt seidenglänzende, leicht lösliche Nadeln, beim Erhitzen mit
Methyl jodid Methylcodeinjodid Cl8 H3, N03 . CH3 J , welche Verbindungen
durch Silberoxyd nicht in Methylcodeinhydroxyd und Aethylcodeinhydroxyd, sondern
in um ein H20 ärmere tertiäre Basen in Methocodeiu C18HaoCH8NOs und
in Aethocodein C18 H20 (C^ H(,)N0S umgewandelt werden.
Durch Behandeln von Codein mit einem Oemenge von Phosphorpentachlorid
und Phosphoroxychlorid wurde Codeylchlorid, C^HjoClNO*, in farblosen,
perlmutterglänzenden Blättern, welche bei 147 — 148° schmelzen, erhalten, woraus
man schliessen kann, dass in dem Codein nur eine Hydroxylgruppe enthalten ist.
Bei intensiver Einwirkung von Phosphorpentachlorid, nämlich, wenn man dieses
gemengt mit Codein rasch in Phosphoroxychlorid einträgt und die Körper unter
Vermeidung einer höheren Temperatur bei 60 — 70° einwirken lässt, erhält man
Chlorocodeylchlorid, C18 H19 Cl2 NO,,, diamautglänzeude Prismen, welche bei
196— 197<» schmelzen. Bro mcodeylchlorid, Cl8 H19 Br C1N02, entsteht aus
Broracodein und einem Gemenge von Phosphorpentachlorid und Phosphoroxychlorid.
Es bildet derbe farblose Prismen, welche bei 131° schmelzen. Aus Codein und
Essigsäure , Buttersäure etc. sind Acetylcodein Cl8 H20 (C2 H8 0) NOs , B u t y-
rylcodein CI8 H20 (C4 H7 0) N08 , Benzoy leodein , Succinylcodein etc.
dargestellt worden. Während beim Erhitzen mit Salzsäure Chlorocodid (s. oben),
später Apomorphin entsteht, bewirkt das Erhitzen des Codeins mit Bromwasser-
stoff Bildung von Bromocodid CJ8H20BrNO2, Desoxycodein C,8 H2l NOa
und Bromtetracodein (CM4 H166 Br2 N8 024) (Wright) , und Einwirkung von
mässig concentrirter Schwefelsäure Bildung von Codenin C18 H21 N0S (nach
Wright „Di codein" = C72H81N40|2) und bei fortgesetzter Einwirkung von
Schwefelsäure auf Codein Bildung von Coden icin C18H3tN03 (nach Wright
Tricodein C10HHiaoN0 OJ.
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CODEIN. — COENURUS.
197
Prüfung. Das Codein muss verglühen ohne eine Spur Asche zu hinterlassen
und frei von mehr als Spuren Morphin sein.
Die Aufbewahrung des Codeins geschieht unter den stark wirkenden
Arzneimitteln.
Maximaleinzelgabe = 0.05, Maximaltagesgabe = 0.2. H. Becknrts.
Codeinum hydrochloricum, . unter Codein.
Codi 3. = Captta Papaverts.
CodÖl ist eine bestimmte Sorte Harzöl, Cod-oil (richtiger Cod-Liver-oil)
dagegen ist Leberthran.
Coefficient heisst in mathematischen Ausdrücken jede unveränderliche oder
gegebene Grösse, welche mit anderen, die einer Veränderung fähig oder unbe-
kannt aind, als Factor (durch Multiplication) verbunden ist. Genau in diesem
8inne bezeichnet man auch in manchen physikalischen Formeln, die nur eine
solche nicht willkürlich veränderliche Grösse enthalten, diese Grösse als Coefficient
der Formel, wobei man noch durch HinzufUgung eines Wortes die Formel näher
bezeichnet, auf die er sich bezieht.
Die am häufigsten gebrauchten Ausdrücke dieser Art sind: Ausdehnungs-,
Brechungs-, Elasticitäts-, Reibungs-Coöfficient. Pitsch.
CÖlestin ist der natürlich vorkommende schwefelsaure Strontian. Er kommt
entweder in säulenförmigen oder tafelförmigen Krystallen des rhombischen Systemes
vor, oder faserig, feinkörnig bis dicht. Seine Farbe ist meist blau {coelestis, himmel-
blau) oder woiss. Er findet sich sehr schön in Deutschland, z. B. in der Nähe von
Ratibor und in faserigen Zwischenlagern von blauer Färbung im Muschelkalk von
Dornburg. Er wird als Hauptmaterial zur Bereitung der Strontianpräparate ver-
wendet.
Colin, s. Coeruleum, pag. 199.
CoelOSphaerium, eine Spaltpilzf onn aus cylindrisch keilförmigen Zellen,
welche zu einschichtigen Schleimgruppen vereinigt sind.
Coenurinum ovium (isopathisch) ; der Drehwurm der Schafe (Coenti-
rus cerebralia R.) in Verreibung mit Milchzucker.
CoenurUS ist eine früher als Gattung der Blasenwürmer (CysticaJ aufgefasste,
jetzt als eine Entwicklungsform
im Generationswechsel der Üesto-
den erkannte Bildung, welche da-
durch charakterisirt ist, dass auf
einer oft bis htihnereigrossen
Blase mehrere Bandwurmköpfe
sitzen.
Coeiiurus cerebralisR.,
Dr eh wurm, Quese, lebt im
. Gehirn und Rückenmark des
Schafes und erzeugt bei diesen
Fig. 2.1.
£. 30.
Hin Stückchen der Blase
des Cotnurut eerebrolit
vergr. (nach Schmarda).
Jüngere nnd ältere Knospe. Thieren die Drehkrankheit. Der
zugehörige Bandwurm ist Taenin
coejiurua Küchenm. , welcher im Darmcanal des Hundes
und des Wolfes lebt. Das Gehirn drehkranker Schafe
wird aus Unkenntniss oft den Hunden vorgeworfen; diese BchmltiS 'mt. GrSsS
inficiren sich mit Toenia coenurvs , und wenn die Die einzelnen Knospen als
Excremente solcher Hunde und mit ihnen die Eier ihres
kleine Körner.
Bandwurmes auf Schafweiden gelangen, inficiren die Schafe sich wieder mit Dreh-
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198 COERCIBEL. - COERULEINSCHWEFELSÄURE.
CoerCibel nannte man diejenigen Gase, im Gegensatz zu den permanenten
(nicht verdiehtbaren), welche sich verdichten Hessen. Bis vor einigen Jahren zahlten
zu den permanenten Gasen noch Wasserstoff, Hauerstoff, Stickstoff. Mittlerweile ist
auch die Verdichtung jener geuannten durch hohen Druck und Kälte gelungen.
Coeruleamentum, 8. Tinten.
Coenileill, C20 Hfl Os. Das Material zur Darstellung des Coeruleins bildet ein
zu den Phtaleinen gehöriger Farbstoff, das G a 1 1 e i u.
Man erhält das letztere durch Erhitzen von Phtalsäureanhydrid mit Pyrogallol
auf 100 — 200°. Die erkaltete Masse wird mit Wasser ausgekocht, der Rückstand
in Soda gelöst, abfiltrirt und mit einer Säure ausgefällt. Die Bildung des Gallems
geht unter Wasseraustritt und gleichzeitiger Oxydation nach folgender Gleichung
vor sich:
JOH
Co H, J*L>0 + 2 V, H, |OH + 0 = C
-tu lOH
Phtalsäure- Pyrogallol
anhydrid
C H l°H
o/ + 3H30
OH
C*H4.CO
!
0
Galleiu
Reines G a 1 1 e i n besteht aus grünglänzenden Kystallcn, welche sich sehr schwer
in Wasser, leicht in Alkohol lösen. Es löst sich in Alkalien mit blauer, in Am-
moniak mit violetter Farbe und gibt violette Farblacke.
Es hat in der Kattundruckerei vorübergehende Anwendung gefunden.
Erhitzt man 1 Th. Gallein mit 20 Th. englischer Schwefelsäure, so bildet sich
eine grüne Lösung, die, nach dem Erkalten iu Wasser eingegossen, einen schwarzen
Niederschlag gibt:
<m H10O7— H20 = Cs„ H80,
Galleui Coerulein
Das Coerulein kommt ebenso wie das Gallein iu Pastenform iu den Handel.
Es Inst sich in Alkalien mit grüner Farbe und gibt mit Metalloxydeu sehr be-
ständige Lacke. Mit Natriumbisulfit (H Na SU,) vereinigt sich reines Coerulein zu
einer in Wasser löslichen farblosen Doppelverbindung, welche in unreiner Form unter
dem Namen Coerulein S. in den Handel kommt.
Dieser Farbstoff wird fast ausschliesslich zum Bedrucken von Baumwolle ver-
wendet, wobei man ihn mit essigsaurem Chrom aufdruckt und durch Dämpfen
fixirt. In der Hitze des Dampfraumes zersetzt sich das Coeruleinsufit ; der in sehr
fein vertheiltem Zustande ausgeschiedene Farbstoff wirkt auf das Chromacetat ein,
indem er sich mit dem C'hromoxyd zu einem grünen Lack verbindet und Essig-
säure austreibt. Die auf diese Weise erzielte Färbung ist angenehm olivengrün
und sehr echt.
Pas Coerulein hat somit in seinem Verhalten gegeu Beizen grosse Aehnlichkeit
mit den Autbraeeufarbstoffeu, denen es auch nach Buchka, welcher seine Formel
vom Phenylanthracen ableitet, zugezählt werden soll.
Zur Erkeuuung von Coerulein auf Baumwolleugeweben erwärmt man eine Zeug-
probe mit saurer Zinnchlorürlösung, wodurch die Färbung in Braunroth übergeht.
Beim anhaltendem Waschen mit Wasser oder Eintauchen in verdünnte Chlor kalk-
lösung stellt sich die ursprüngliche grüne Farbe wieder her.
Coerulein wird auch der blaugefärbte Bestandteil einiger ätherischer Oele
genannt, s. Azuleu, Bd. II, pag. 72. Benedikt.
CoeruleinSChwefelsäure = Indigoschwefelsäure, s. Indigo.
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COERULEUM. — COFFKIDIN.
199
Coeruleum (tun in), eine blaue Mineralfarbe, im Wesentlichen aus zinnsaurem
Kobaltoxydul und Gyps bestehend.
Coemlignon, (\ü Uu. <>,. , ist der Tetrametbyläther eines Phenols von der
Formel Ci2 H10 06. Es bildet sich beim Behandeln einer essigsauren Losung von
Pyrogalloldimctbyläther mit Kaliumdichromat. Man stellt es dar durch Versetzen von
roher Holzepsigsflure mit Kaliumdichromat. Das nach einigeu Tagen ausgeschiedene
Coemlignon löst man in nicht über 30° warmem Benzol und fallt die filtrirte
Losung mit Alkohol. Ks bildet dunkel stahlblaue Nadeln, welche in den meisteu
Lösungsmitteln unlöslich sind; im Phenol ist es löslich, in Schwefelsflure löst es
sich mit intensiv kornblumenblauer Farbe. Oanswindt.
Coerulinschwefel säure, i n d i g od i s u l f o n sä u r e, Cie Hs Na Oa (S0.{ H)3,
bildet als Natriumsalz den sogenannten Indigoearmin, der in Teigform im Handel
vorkommt. Zur Darstellung der Coerulinschwefelsäure wird Indigo in rauchender
Schwefelsaure gelöst, durch Zusatz von Wasser die Indigomonosulfonsäure ausge-
füllt und die Indigodisulf'onsäure auf eingelegter Wolle niedergeschlagen, aus der
sie durch Ammoniumcarbonat extrahirt wird. — S. Indigo.
Coflfea, Gattung der nach ihr benannten Lnterfamilic der Rttbiaceae. Holz-
gewflchse mit ganzrandigen Blattern und Nebenblättern, weissen Zwitterblüthen, die
sich zu zweisamigen Steinfrüchten entwickeln. Von den ungefähr 25 im tropischen
Afrika, zum geringeren Theile in Asieu (C. bengalmsix Rxb.) und in Südamerika
(C. racemosd Lour.) heimischen Arten behauptet blos Coffea arnbica L. als Mutter-
pflanze eines internationalen Genussinittels einen hervorragenden Plate; ihr zu-
nächst, aber doch durch eine breite Kluft von ihr getrennt, steht Coffea liberica
lliem., welche erst seit 1871 eine < 'ulturpflanze geworden ist, und dieser schliesat
sich in neuester Zeit ('offen stenophylla Don. an.
('offen arabica L. ist ein kleiner Baum mit grussen, lederigeu , kahlen, zu-
gespitzten, kurzgestielten Blattern und ei deltaförmigen , pfriemlich zugespitzten
Nebenblättern. Die fünfzähligen Blüthen stehen in den Blattachseln zu 3—7 ge-
büscbclt. Die Anfangs grünen , dann durch roth in violett übergehenden Stein-
früchte mit süssem Fruchtfleische sind oval, bis 15 mm lang und etwa halb so
breit , bekrönt , trocken der Länge nach gofurcht. Eine pergamentartige Stein-
schale umgibt die dünnhäutigen Samen, welche mit ihren beiden Rändern derart
eingerollt sind, dass der eine Rand den anderen Überdeckt. In der so outstehendeu
Forche sitzt der im Verhältniss zum Endogperm kleine Embryo.
Die Heimat dieser Art ist Afrika (Abessinien, der Sudan, die Küste von Guinea
und Mozambique). In sagenhafter Zeit wurde sie nach Arabien verpflanzt und
von hier verbreitete sich ihr Anbau Über den ganzen tropischen und subtropischen
Gürtel der Erde. Die gegenwärtigen Grenzen ihrer Oultur sind in Afrika der
12. (in Senegambieu der 17.), in Asien und Amerika der 26. nördliche Parallel-
kreis Die südlichen Grenzen sind in Westafrika der 13., au der Ostküste von
Afrika der 30., an der Ostküste von Amerika der 25., an der Westküste der
5. Parallel, in der Südsee die Fidschi-Samoa-Hawai-Inaeln und Neu-Caledonien.
Coffea liben'ca Hiern. hat 6 — Ozählige, karg bebüschelte Bltithen und kugelige
Früchte mit faserigem Fleische, welche bei der Reife nicht abfallen. C. steno-
phylla Don. ist ihr ähnlich, aber reichblütbiger und grossfrüchtiger.
Die Kaffeebohnen haben nur soweit pbarmaceutisches Interesse, als sie der
wichtigste Rohstoff der C off eTn - Fabrikation sind. Der Cod. med. und die Un.
8t. Ph. haben Seinen Coffeae aufgenommen, während sonst nur das CoffeYu
(s. d.) offieinell ist. — S. auch Kaffee. J. Moellor.
CotTeidill, C7H,,N40. Entsteht beim längeren Kochen von Coffein mit Baryt-
wasscr unter Abspaltung von C0S nach der Gleichung:
Cö H,o N, 0, + H2 0 = C7 H1S N4 0 + COa
Coffein Coffeidin
COFFEIDIN. — COFFEIN.
Zur Darstellung des Coffeidins kocht man 1 Tb. Coffein mit 10 Th. krystalli-
sirtcm Barythydrat bis zur starken Ammoniak- und Methylaminentwicklung. Nach
Abscheidung des überschüssigen Barythydrates mit verdünnter Schwefelsäure und
Eindampfen der schwach sauren Lösung zum dünnen Syrup scheidet sich das
schwefelsaure Coffeidin allmälig in dicken Krystallnadeln aus, die durch Umkry-
stallisiren ans verdünntem Alkohol zu reinigen sind. Das schwefelsaure Coffeidin
bildet farblose lange Nadeln, ist in Wasser leicht löslich und von saurer Reaction.
Mit Ammoniak oder Kalilauge gibt es keinen Niederschlag. Setzt man aber ein
Stückchen festes Aetzkali zu der wässerigen Lösung des Salzes, so scheidet sich
das Coffeidin in ölartigen Tropfen auf der Oberfläche der Flüssigkeit aus. Das
Coffeidin ist in Wasser, Alkohol und Chloroform sehr leicht, in Aether nur wenig
löslich und reagirt stark alkalisch. Es ist nicht unzersetzt destillirbar. Das salz-
saure Coffeidin, C7 H1S N4 0 . Cl H, krystallisirt in farblosen, leichtlöslichen nadei-
förmigen Kry stallen. Das Platinchloridcoffeidin bildet grosse, orangegelbe, nadei-
förmige Krystalle, die 2 oder 4 Mol. Krystallwasser enthalten. Das freie Coffeidin
vereinigt sich schon in der Kälte mit Jodäthyl zu jodwasserstoffaaurem Aethyl-
coffeidin. v. Schröder.
Coffein, C8 Hl0 N, 0, 4- H, 0. Synonym: Caffein, Thein, Guaranin. Vor-
kommen. In der Frucht und den Blättern des Kaffeebaumes (Goffea arabica),
im Tbee (Blätter und Blüthen von Thea chinensix), im Paraguaythee (den
Blättern und Zweigen von 7/«r paraguayemis) , in der Guarana (dem getrock-
neten Fruchtmus von l'aulinia horbilis) , ferner in den Kola- oder Gorunflssen
(den im westlichen Centraiafrika im frischen Zustande als Nahrung»- und Arznei-
mittel verwendeten Samen von Cola acuminata). — Nach Stenhousk enthielten
verschiedene Proben von Kaffeebohnen 0.5 — 1 Procent Coffein, Kaffeeblätter von
Sumatra 1.15 — 1.25 Procent, Theeblätter 2 — 2.1 Procent, Paraguaytheo 1.1 bis
1.2 Procent, Guarana 5.07 Procent. Durch das Rösten der Kaffeebohnen geht
nur ein Theil des Coffeins verloren. So wurden z. B. aus den rohen Bohnen
0.75 Procent, nach deren Röstung 0.4 Procent Coffein erhalten. Die schlechteren
Theesorten enthalten oft mehr Coffein, wie die theureren, wohlriechenden.
Darstellung. 1. Aus Kaffeebohnen. Nach Robiqukt digerirt man den kalten,
wässerigen Anszug der rohen Kaffeebohnen mit Magnesia, dampft das Filtrat ab
und reinigt das herauskrystallisirende Coffein durch Umkrystallisiren aus Wasser
oder Alkohol. — Pelletier zog das alkoholische Extract der rohen Bohnen mit
Wasser aus, erhitzte die vom Fett getrennte wässerige Lösung mit Magnesia,
brachte das Filtrat zur Trockne, erschöpfte den Rückstand mit Alkohol, aus welchem
nach Behandeln mit Thierkohle und hinreichender Concentration das Coffein beim
Erkalten auskrystalUsirt. — Rünge fällt den kalten wässerigen Auszug der Bohnen
mit Bleizucker und Bleiessig, entfernt aus dem Filtrat das Blei durch Schwefel-
wasserstoff, dampft zur Trockne und extrahirt das Coffein aus dem Rückstand mit
Alkohol. — Verswann verwandelt 2 Pfund Aetzkalk durch Besprengen mit Wasser
in Kalkhydrat und mengt dasselbe mit 10 Pfund gepulvertem Kaffee. Das Gemenge
wird im Verdrängungsapparat mit Weingeist von *0° (Richter) bis zur Coffein-
freiheit extrahirt. Die alkoholischen Auszüge unterwirft er der Destillation, spült
den Rückstand in der Destillirblasc mit warmem Wasser gut aus und trennt das
ausgeschiedene Oel von der daruuterstehenden Flüssigkeit. Diese dampft er ab,
bis sie in der Kälte zu einer krystallinisehen Masse erstarrt, welche er von der
Flüssigkeit, die noch etwas rohes Coffein beim Concentriren liefert, trennt. Alle«
rohe Coffein wird durch Pressen zwischen Fliesspapier von anhängendem Oel mog
liehst befreit und aus Wasser unter Anwendung von Thierkohle umkrystallisirt. —
Nach Vogel werden gepulverte Kaffeebohnen mit käuflichem Benzol erschöpft. Die
Benzollösung wird abgedampft und (1er Rtlckstaud mit heissem Wasser geschüttelt,
worin sich das Coffein unter Zurücklassung des Oeles löst. Die wässerige Coffein-
lösung wird durch Einengen zur Krystallisation gebracht. 2. Ans Theeblättern lässt
sich Coffein nach den nämlichen Methoden gewinnen, ebenso aus Guarana.
COFFEIN.
Eigenschaften. Coffein krystallisirt in schneeweissen , langen seidenartigen
Nadeln von 1.23 spec. Gew.; es ist geruchlos, schmeckt wenig bitter; krystalli-
sirtes Coffein löst sich wenig in kaltem (1 Th. in circa 95 Th.), reichlich aber in
kochendem Wasser, so dass die heiss gesättigte Lösung beim Erkalten zu einem
Krystallbrei erstarrt. Es löst sich wenig in kaltem (1 Th. in 160 Th.), leichter in
kochendem Alkohol ; weniger als in Wasser und Alkohol ist es in Aether löslich ;
in Schwefelkohlenstoff, Benzol und Chloroform ist es leicht löslich. Das aus Wasser
krystallisirte Coffein enthalt 1 Atom H20, welches erst Aber 120° vollständig
entweicht , wobei die Krystalle matt und leicht zerreiblieh werden ; sie schmelzen
dann bei 178° zu einer farblosen Flüssigkeit und sablimiren, wenn sie rein sind,
bei vorsichtigem Erhitzen vollständig bei 184° in feinen Nadeln; es siedet bei
384 ' unter theilweiser Zersetzung. Seine Reaction ist neutral. Bei der Einwirkung
von Chlor auf in Wasser suspendirtes Coffein entsteht zuerst Chlorcoffein , dann
erfolgt Spaltung in Dimetbylalloxan und Methylharnstoff. Das Dimethylalloxan zer-
fallt dann weiter in Chlorcyan, Methylamin, Anialinsäure und Cholestrophan.
Aehnlich wirkt Salpetersäure. Erhitzt man Coffein mit Brom auf 100°, so ent-
stehen Bromcoffein, Amalinsäure und Cholestrophan, während Brom in der Kälte
nur ein unbeständiges Additionsproduct liefert. Beim Kochen mit Baryt oder
alkoholischem Kali zerfällt Coffein zunächst in CO, und Coffeidin und dann in
CO* , NH3 , Methylamin , Ameisensäure und Sarkosia. Conoentrirte Salzsäure ist
bei 200° ohne Wirkung, bei 240—250' entstehen COa , Ammoniak, Methyl-
amin etc.
Salze. Nach E. Schmidt und Biedermann erhält man einheitliche Coffeinsalze
nur dann , wenn man mit concentrirten Säuren arbeitet; schon durch Wasser,
Alkohol und Aether werden diese Salze zersetzt. — Salzsaures Coffein, Cö H10 N4 Oa,
Cl H + 2 H2 0, besteht aus farblosen prismatischen Krystallen, die einen Theil der
iSäure schon beim Liegen an der Luft verlieren. — Das bromwasserstoffsaure Salz
bildet farblose Krystalle, C8 Hl0 N, 0, Br H + 2 H, 0. — C„ Hl0 N4 0,, HNOs •+ H3 0,
gelbliche, dicke, nadeiförmige Krystalle. — CA Hl0 Nt 0„ H,S04 besteht aus glän-
zenden Nadeln, die manchmal ein Mol. H, 0 enthalten. — Auch Verbindungen des
Coffeins mit organischen Säuren sind dargestellt, so das essigsaure, norraalbutter-
saure und isovaleriansaure Coffein. Das citronensaure Coffein lässt sich nicht dar-
stellen ; das als solches noch in manchen Preiscouranten aufgeführte ist ein Gemenge
von Citronensäure und Coffein. — (C^ HI0 N4 02, C1H), -f PtClt, kleine pomeranzen-
gelbe Krystalle, die sieh in 20 Th. kaltem Wasser und 50 Th. Weingeist lösen.
— C8 Hl0 N4 04 Cl II, Au CI8 , schön citronengelber Krystallbrei, welcher nach
Lösung in Weingeist in langen gelben Nadeln anschienst, aber in warmer wässeriger
Lösung allmälig Gold abscheidet. — Sowohl aus wässeriger und weingeistiger,
wie auch salzsaurer Lösung des Coffeins scheiden sieh auf Zusatz von Quecksilber-
chlorid kleine , weisse , setdeuglftnzende , durch Umkrystallisiren aus Wasser oder
Weingeist zu reinigende, in Aether fast unlösliche Nadeln aus von Coffeinqueck-
«Iberchlorid.
Paykx's ehlorogensaures Coffeinkali, welches zu 3.5 — 5 I*rocent in der Kaffee-
bohne präformirt vorkommen soll und von seinem Entdecker in weissen kugelig
gruppirten Nadeln erhalten wurde, ist in Bezug auf seine Zusammensetzung un-
sicher. Eine grosse Bedeutung für die medicinische Praxis bat die Entdeckung
von Tanket , dass Coffein mit den Natronsalzen einer ganzen Reihe von Säuren
leicht lösliche Doppelsalze bildet, gewonnen. In Gegenwart von benzoesaurem,
zimmtsaurem oder salicylsaurem Natron löst sich Coffein in einer sehr geringen
Menge Wasser, indem es Doppelverbindungen bildet, welche sehr reich au Coffein sind.
Coffcinbenzoesaures Natron besteht aus zwei Aequivalenten des Natrousalzes
und einem Aequivalent Coffein; es enthält 48.5 Procent Coffein. Das an Coffein
reichste Doppelsalz (61 Proceut) erhält man aus gleichen Aequfvaleuteu Coffein
und salicylsaurem Natron. Die Löslichkeit dieser Doppelsalze ist so gross, dass
man mit Leichtigkeit Lösungen erhalten kann, die 20 eg (von der Zimmtsfiure-
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202
COFFEIN. - COGNAC.
und Benzoesäureverbindung) und 30 cg (von der Salieylsäureverbindung) im Cnbik-
ccnlimetcr enthalten.
Nachweis und Bestimmung. Coffein mit Chlorwasser (oder 'einem Ge-
misch von Salzsäure und chlorsaurem Kali) erwärmt , so das» die Flüssigkeit all-
mälig verdunstet, hinterlässt eine rothbraune Masse, welche mit Ammoniak eine
prachtvolle purpurviolette Farbe annimmt. Am besten verdunstet man, wenn kleine
Mengen vorhanden sind, die mit Chlorwasser erhaltene Flüssigkeit in einem Uhr-
gläschen und deckt dieses, wenn der Rückstand erkaltet und dann etwas befeuchtet
ist, über eine Glasplatte, auf welcher man einen Tropfen starken Aetzammoniaks
verdunsten lässt. Uebersebuss von Ammoniak hebt die Ileaction wieder auf < Dragex-
dorkf).
Wird Coffein mit rauchender Salpetersäure erwärmt und dann die Flüssigkeit
langsam verdunstet, so hinterbleibt ein rothgelber Rückstand, der sich mit Ammoniak
purpurviolett färbt. Aus concentrirten Lösungen von Coffein fällt salpetersaures
Silber einen weissen, kugelig krystallinischeu Niederschlag.
Chlorpalladium fällt einen gelben, schuppigen Niederschlag. Alkoholische Lösung
von Coffein gibt mit Quecksilberjodid einen krystallinischeu Niederschlag.
Zur quantitativen Bestimmung des Coffeins kocht man die zu analysirende
Substanz mit Wasser wiederholentlich aus, dampft die Auszüge bis zur Syrup-
consistenz ein, fügt Magnesia hinzu und extrahirt mit Chloroform. Letztere
Extraction kann auch mit Benzol gemacht werden. Das Coffein wird bei 1<>0°
getrocknet und gewogen. v. Schröder.
Coffeinum CitriCUm, C o f f e i n c i t r a t, C i t r o u e n * a u r e s C o f f e i ; n. Eine
Ful Vermischung aus 7.5 Th. Coffein und 2.5 Th. Citroucnsäure. Würde man das
Cofl'eni in einer heissen Lösung der Citronen.*äure lösen, um das Salz durch Ab-
kühluug zur Krystallisation zu bringen (wie dies Ph. Hisp. vorschreibt), so erhielte
man ein mit wechselnden Mengen der Säure vermischtes CoffeYn. Letztere Salzbase
bildet mit den schwächeren Säuren koine krystallisirbaren Verbindungen, so dass
sie weh aus verdünnter citroneusaurer Lösung beim Abdampfen als reines Coffein
wieder ausscheidet. Wasser, wie Weingeist, trennen das Coffemeitrat in Base und
'Säure. Schlick um.
Coffeon, Kaffeon. So bezeichneten Boutron und Fremy die ölige Substanz,
welche sie erhielten, wenn sie die flüchtigen Röstproducte der gebrannten Kaffee-
bohne mit Aether extrahirten. Es ist offenbar ein Gemenge verschiedener Substanzen.
v. Schröder.
CognaC. Der Cognac ist eiu Destillat des Weines und wird vorzugsweise in
Frankreich (Cognac, Charente, Bordeaux, Angouleme, Languedoc, La Rochelle),
weniger in Spanien und Portugal , neuerdings auch iu Deutschland uud Ungarn
erzeugt. Die Güte des Coguacs ist durchaus abhängig von der Beschaffenheit des
Weines, aus welcheui er hervorgegangen und von dem Grade der Sorgfalt, mit
welcher er bereitet wurde. Einzig hierdurch wird auch der Preis bediugt. Cuter
Cognac wird eiu aus den besten französischen Weinen in Frankreich bereitetes
Destillat verstanden, niiuderwerthige Sorten werden als Franzbranntwein be-
zeichnet. Armagnac ist der iu der gleichlautenden Provinz bereitete Cognac.
Ausser diesen echten Sorten laufen im Handel mehr oder weniger gut imitirte
Producte um, die als Fa^on cognac bezeichnet werden. Die besteu dieser Gattung
werden durch Verschneiden von gutem Cognac mit gewassertem Alkohol uud längere«
Lagern bereitet. Minderwertige sind Lösungen von Cognacöl oder -ICsseuz iu Korn-
brauntweiu unter Zusatz von Galläpfeltiuctur und Zuckercouleur. Die ganz ordinären
Sorten sind vollständige Kunstproducte, zu dessen Herstellung Johannesbrot- und
Veilchenwurzeltinctur, Essig- und Salpeteräther , aromatische und Galläpfeltinitur,
Spiritus und Wasser Verwenduug finden. Echter Cognac ist fast farblos; er erhält
erst durch Fasslager eine schwach gelbliche Färbung uud gibt dann mit Eiseu-
chloridlösung eine grünliche bis schwarze Färbung. Er reagirt sehr schwach
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COGNAC. - COHÄSION.
203
sauer, entwickelt ein Uberaus augenchmes , wcinartiges Bouquet , schmeekt trotz
hohen Alkoholgehalte« milde, nicht kratzend und hinterlässt beim Abdampfen kaum
Spuren eines herb schmeckenden Rückstandes. Bei nochmaliger Destillatiou aus
dein Wasserbade wird das Bouquet in verfeinerter Form und ohne ätherische
Nebengertiehe erhalten. Ausser den Destillationsproducten des Weines kommen auch
solche in den Handel, die aus Weiurückstäuden bereitet worden sind. So liefern
io Gährung versetzte Weintreber einen an Cognac erinnernden Branntwein von
schlechtem kratzendem Geschmack. Auch aus Weinhefe wird ein Branntwein ge-
wonnen, indessen findet dieselbe mehr zur Herstellung de» Cognacöles Verwendung.
Die Prüfung des Aroms ist von grosser Wichtigkeit für die Beurtheilung der Güte
eines Cognacs. Mau führt sie am besten dadurch aus, dass man den Cognac auf
warnies Wasser zu schichten sucht , zunächst die sich entwickelnden Dämpfe auf-
riecht und dann das Gemisch , für sich und mit Zucker versetzt , kostet. Um
mehrere Sorten mit einander zu vergleichen , gitsst man von jeder soviel in ein
Wunglas, dass die Innenwand benässt ist und riecht von halber zu halber Stunde
in die signirten Gläser hinein. Man wird hierdurch nicht allein feststellen können,
welche Sorte den feinsten Geruch habe, sondern auch, wie lange das Aroma an-
hält, was bei feinen Sorten 24 — 30 Stunden dauert. Für den zum arzneilichen
Gehrauch bestimmten Cognac fordert die deutsche Reichspbarmakopöe einen Ge-
halt von 50 Procent Alkohol ; dieser Gehalt ist aber in feinen und reinen Cognacs
oftmals erheblich überschritten. E lau er.
CognaCÖl, Cognac äther, Cog nac essen z , Wein öl, Drusen öl. Das
Cognaeöl kann durch Dampfdestillation der mit Wasser angerührten Weiuhefe,
welche den Namen Druse führt, erhalten werden , und zwar bildet es, nachdem
eine Quantität cognacähnlichen Branntweins übergegangen ist, das letzte Destilla-
tionsproduet in Form einer tiefdunklen öligen Flüssigkeit. Ergiebiger ist die Destil-
latiou der Druse unter Zusatz vou 1 Procent Schwefelsäure, wodurch aus 2500 kg
Druse 1 kg CognacÖl gewonnen werden soll. Auch hier wird dasselbe zunächst als
ein dunkles, auf dem Destillat schwimmendes Oel erhalten, welches erst durch
Keetifieation entfärbt werden muss. Das CognacÖl ist eine farblose Flüssigkeit, iu
reinem Zustande von stark weinartigem , betäubendem Gerüche und scharfem,
widerlichem Gescbmacke, mit Alkohol stark verdünnt, demselben ein angenehmes,
weiuartiges Bouquet ertheileud.
Es ist klar mischbar mit Aether, absolutem Alkohol, fetten und ätherischen
Oeleu. Eine Verfälschung mit Alkohol ist durch Mischen mit Olivenöl zu ent-
decken; eine derartige Mischung wird durch Ausscheidung von Alkohol getrübt.
Der Siedepunkt liegt bei 225°, indessen ist es mit Wasser- oder Weingeistdümpfeu
tei viel geringerer Temperatur flüchtig. Spec. Gew. 0.860. Seiner chemischen
Zusammensetzung nach scheint es identisch zu sein mit dem Oenanthäther des
Weines, der wiederum als nahe verwandt mit dem Pelargonsäureäthyl-
C H 0
Äther, 9 >0, angesehen wird. Derselbe Aether ist auch auf künstlichem
Wege herzustellen, und zwar durch anhaltende Behandlung von Oenanthsäure mit
Itherschwefelsaurem Kalium, Abstumpfung der überschüssigen Säure mit Sodalauge
und Rectification ; oder, nach Wagner, durch Behandlung des Rautenöls mit sehr
verdünnter Salpetersäure und Digcstiou der hierbei entstehenden unteren Schicht
mit Alkohol. Nachdem schon von Wagnkk darauf hingewiesen worden, dass
niöglieherweise auch statt des Rautenöls von der Oelsäure ausgegangen werden
k<innc, ist es neuerdings gelungen, eine dem CognacÖl ähnliche, aber auch nur
entfernt ähnliche, Flüssigkeit aus Cocosöl herzustellen. Man destillirt alkoholische
Cocdsseifelösung unter Zufuhr von Salzsäuregas in die Lösung und rectificirt das
mit Sodalösnng entsäuerte Destillat. Elsner.
CohäsiOll (ioLaertre, zusammenhängen) nennt man die Kraft, mit welcher
die kleinsten Theilehen eines Körpers anziehend auf einander eiu wirken und den
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i>04
conAsiON,
Zusammenhang desselben erhalten. Zwischen Cohäsion und Adhäsion wird nicht
immer genau unterschieden , doch ist es jetzt üblich geworden , die Wechsel-
wirkung der Thoilchen eines und desselben Körpers als Cohäsion, jene der Theil-
chen verschiedener Körper als Adhäsion au bezeichnen.
Der Ausdruck Cohäsion wird auch im Sinne von Festigkeit gebraucht und
bezeichnet dann den Widerstand, den ein Körper der Aufhebung seines Zusammen-
hanges durch Zerreissen, Zerdrücken, Zerbrechen oder Zerdrehen entgegensetzt.
Die Cohäsionskräfte gehören in die Kategorie der Molekularkräfte, die nur auf
unmessbar kloine Distanzen wirken. Getrennte Theile eines festen Körpers können
daher nur in seltenen Fällen durch Aufeinanderdrücken wieder vereinigt werden,
da es eben in den meisten Fällen unmöglich ist, sie so nahe aneinander zu
bringen, dass die Molekulark rillte wieder in grösserer Ausdehnung zu wirken be-
ginnen. Doch gelingt dies zuweilen bei Bleiplatten, die unter starkem Druck auf-
einandergepresst werden.
Im Verein mit jener Kraft, welche die kleinsten Theilchen eines Körpers zu
trennen strebt und deren letzte Ursache wahrscheinlich in der Wärme liegt,
bedingt die Cohäsion den Aggregatzustand (s. Bd. 1, pag. 181) der Körper.
In ähnlicher Weise wie bei flüssigen (s. Capillaritätserscheinungen,
Bd. 11, pag. 532) bewirken die Cohäsionskräfte auch bei festen Körpern eine
Oberflächenspannung, nur entzieht sich dieselbe, eben wegen der Starrheit des
Körpers, gewöhnlich der Beobachtung. Ist die Cohäsion in einem Körper nach
gewissen Richtungen merklich geringer als nach anderen, wie beispielsweise bei
Glimmer und Holz, so schreibt man dem Körper die Eigenschaft der Spalt-
barkeit zu.
Flüssigkeiten besitzen nur eine geringe Cohäsion. Die Existenz einer solchen
wird aber durch das Vorkommen der Flüssigkeiten in Tropfenform, ferner durch
die Capillaritätserscheinungen bewiesen , welche eben in der Cohäsion und ihrer
Wechselwirkung mit der Adhäsion ihre Erklärung finden. Da die Oberflächen-
spannung einer Flüssigkeit von den Cohäsionskräften derselben herrührt, bezeichnet
man die von dieser Spannung abhängige Capillaritätsconstante x (s. C a p i 1 1 a r i t ä t s-
erscheinungen) auch als absoluteCohäsion der betreffenden Flüssigkeit,
während die mit a? bezeichnete Constante auch den Namen speeifische Cohäsion
führt.
Gasförmige Körper zeigen keine Cohäsion.
Ueber die Aufhebung der Cohäsion durch Einwirkung von Adhäsionskräften
siehe Lösung und Diffusion (von Flüssigkeiten).
Vergleiche auch Elasticität. Pitsch.
Die Cohäsion organischer Verbindungen ist das Product von spe-
eifischem Gewicht und Capillaritätscoöfficicnt. Man könnte beide füglich mit
„speeifischer Cohäsion" bezeichnen, zum Unterschiede von dem Prodnct aus
dem Melekulargewicht und dem Capillaritätscoefficienten, welche von Mkndklej eff
als Molekularcohäsion bezeichnet wird. Der Capillaritätscofifficieut wird aus
der Höhe abgeleitet, bis zu welcher der unterste Menisci» in einer Capillarröhre vom
Radius gehoben wird. Die Zahl, welche die Molekularcohäsion einer Verbindung
ausdrückt, ist indessen nicht gleich der Summe der Molekularcohäsionen der Elemente.
Die Molekularcohäsion wächst bei homologen Substanzen proportional der Zunahme
des Molekulargewichts. Die Grösseneinheit, um welche die Molekularcohäsion wächst,
ist für die verschiedenen homologen Reinen auch eine verschiedene.
Bei Flüssigkeiten ist die Molekularcohäsion im Allgemeinen eine geringe, während
die Adhfision überwiegt. Wird z. B. ein starrer Körper in eine Flüssigkeit ge-
taucht , so bleibt entweder ein Theil der Flüssigkeit an dem starren Körper
haften oder er wird überhaupt nicht benetzt. Im ersteren Falle war somit die
Molekularcohäsion uiebt stark genug, um der Adhäsion an dem starren Körper zu
widerstehen; im letzteren Falle war die Cohäsion der flüssigen Theilchen unter
einander grösser als die Adhäsion zwischen dem flüssigen und dem starren Körper.
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C0HÄS10N. - COLA.
^5
Es würde jedoch falsch sein, daraus zn schliessen , daas in solchen Fällen eine
Adhäsion überhaupt nicht stattfinde. Lässt man z. B. eine an einem Waage-
balken hängende horizontale Glasplatte ein Quecksilberniveau berühren, so bedarf
es eines starken Uebergewichts am anderen Arm des Balkens, um die Adhäsion
zu überwinden. Ob bei Flüssigkeiten die Cohäsion sich mächtiger erweist, als die
Adhäsion, hängt sowohl von der Natur der Flüssigkeit selber, als auch von der
des starren Körpers ab. Ganswindt.
Cohn'8 StyptlCUm, ein Geheimmittel, ist (nach Schädleh) eine Lösung von
1 g Zinksulfat und 5 Th. Gummi arabicum in 120 Th. Wasser.
CotlObiren. Mit Cohobiren oder Cohobation bezeichnet man das Anreichern
eines Wassers mit ätherischem Oel behufs nochmaliger Destillation. Es handelt sich
dabei stets um solche Wasser, welche ein verbältnisamässig leicht lösliches äthe-
risches Oel in geringer Menge gelöst enthalten. Der eigentliche Zweck des Coho-
birens ist die Abscheiduug des Oeles ans seiner wässerigen Lösung ; diesen Zweck
erreicht man bei sehr leicht löslichen Oelen (z. B. Lindenblüthenöl, Hollunderöl)
durch wiederholtes Destilliren desselben Wassers über neue Mengen von Vege-
tabilien, oder, bei minder leicht löslichen, durch vorsichtiges Abdestilliren des
fragUchen Wassers über leicht lösliche Salze.
CoVr, Cocosnussfaser, besteht aus den Gefiissliündoln der Mittollruchtsehichto
der Cocosnuss (Cocua nucifera L. , Palmae) und wird in grossen Mengen von
Ceylon, Ostindien und dem südasiatischen Archipel nach Ruropa (London) gebracht.
Die faserige Fruchtrinde, Roya genannt, wird nach längerem Aufweichen in
Wasser gewaschen und getrocknet und schliesslich so lange geklopft, bis sie in
die Fasern zerfällt; zugleich wird durch diese Behandlung der grösste Thcil des
braunen parenchymatischen Füllgewebes entfernt. Die rohe Cocosfaser wird gegen
3 dm lang, ist röthlichbraun , sehr fest , elastisch , aber auch etwas spröde , in
hohem Grade widerstandsfähig im Wasser, sehr leicht, ziemlich raub und grob,
zu feinen Gespinnsten untauglich. Sie setzt sich aus kleinen, vcrkieaelten Paren-
ehymzellen, Spiralgefässcn , porösen Leitzellen und Bastfaserzellen zusammen.
Letztere sind farblos oder gelblich, ziemlich dünnwandig, 0.01 — 0.016 mm breit,
stark verbolzt (sie werden durch schwefelsaures Anilin gelb gefärbt), mit kurzen
spitzen Enden versehen und durch eine schief - spiralige Streifuug (Verdickung?)
ausgezeichnet. Mit Jod und Schwefelsaure behandelt, färben sich die meisten
Bastzellen goldgelb; doch findet man auch solche, deren Iunenschicht blau oder
blaugrün erscheint. Colr ist schon an seiner Farbe und seinem sonstigen Aus-
sehen auf den ersten Blick zu erkennen. Verwendung findet es zu Matten, Tep-
pichen , Bürsten , zu Schiffstauen , Seilen , zu Netzschnüren und Maschincntreib-
rienien. T. F. Hanansek.
Coise Oder CoeZO, kalte Quelle in Savoyen mit Natronbioarbonat- und
etwas Jodgehalt.
CoiX, Gattung der Granrineae, Cnterfamilie Phalarideae, charakterisirt durch
zweiblüthige Aehrchen, grannenlose Spelzen, griffeltragende Fruchtknoten und fast
kugelige beinharte Früchte.
Coix Lacryma L. besitzt mehlreiche Früchte, welche früher unter dem Namen
Sem. Lacrymae Jobi, Hiobsthränen (s. d.), als Diureticum benützt wurden
und neuerdings wieder als Emolliens empfohlen werden.
COl., auf Recepten vorkommende Abkürzung für cola oder colatura.
Cola, eine Sterculiaceen-Gattvmg Baühin's, die jetzt mit Sterculia L. ver-
einigt wird. Von Cola acuminata Schott efe Endl. (Sterculia acuminata Beauv.)
stammt die echte, coffeYnhaltige Kola (s. d.), während die gleichnamigen, von
Oarcinia Kola (Clusiaceae) stammenden Samen kein Alkaloid, sondern nur
einen Bitterstoff, Harze und Tannin enthalten.
*06
COLATOTUEN. — COLCHICIN.
Colatorien sind viereckige Durchseihtflcher , welche ciu möglichst schnelle*
Trennen einer Flüssigkeit von darin suspendirten grobkörnigen , flockigen, schlei-
migen Substanzen, oft auch nur eine rein mechanische Trennung von den mittelst
der Flüssigkeit extrahirten Vegetabilieu oder nur von Verunreinigungen bezwecken.
Je nach dem Zweck, den die Colatorien erfüllen sollen, wendet man die verschieden-
sten Gewebe dazu au, vornehmlieh Nessel, Krepp, Leinen und Flanell, und fertigt
sie in verschiedenen Grössen au.
ColatUr heisst die beim f'oliren gewonnene Flüssigkeit.
Colchicin. Das Colchicin findet sich in allen Theilen der Herbstzeitlose, Col-
chicum a ut iimnale L. . nach Rochettk auch in anderen Colehieumarten
(C. nenpolitanum, C. montan um, C. arenarium, C. aipinumj. Am reichlichsten
kommt es in den reifen Samen (0.2 — 0.4 Procent) und in den Zwiebelknollen
(Ü.Otf — 0.2 Procent) vor, während die frischen Blüthen und BiAtter geringere
Mengen (O.Ol — 0.02, resp. 0.03 Procent) enthalten.
Ks wurde zuerst von Pelletjb* und Caventou im Jahre 1820 beobachtet,
aber für identisch mit Veratrin gehalten, Gkigkr und Hesse erkannten es erst
im Jahre 1H88 als eigentümliches Alkaloid.
Nach Hühl Ell wird die Zusammensetzung des Colchicins durch die Formel
Cl7 H,„ NO-, , nach Hertel durch die Formel» C,7 H2, NO,, ausgedrückt, welche
Formel auch Bender aeeeptirt hat. Zbiskl stellte dagegen die Formel zu
C^IK.N ), fest.
Zur Darstellung des Colchicins werden nach Hkktel und Bender die
zerkleinerten Samen mit 85proeentigeni Weingeist wiederholt, am besten in einem
Verdrängungsapparate ausgezogen, die vereinigten Auszüge mit Magnesia versetzt
und nach der Filtration in massiger Wärme bis zur Syrnpconsistenz verdunstet.
Der Rückstand wird zur Abscheidung von fettem Oel mit Wasser reichlich verdünnt,
die wässerige Lösung vom Oelc getrenut und mehrmals mit Chloroform aus
geschüttelt. Die so erhaltenen Lösungen des Colchicins in Chloroform werden
durch Abdestilliren vom Chloroform befreit . und der Rückstand bei mässurer
Wärme ausgetrocknet, hierauf von Neuem in Wasser gelöst und die filtrirte Lösung
abermals mit Chloroform geschüttelt. Diese Operationen werden st» oft wiederholt,
bis der nach dem Verdunsten des Chloroforms bleibeude Rückstand sich vollständig
klar in Wasser löst. Auch die Fällbarkeit des Colchicins durch Gerbsäure wird
zur Reinigung desselben benutzt; mau scheidet das Colchicin aus wässeriger Lösung
durch fractionirte Fälluug mit Gerbsäure ab, wobei die ersten und letzten An-
theile des Niederschlages als weniger rein gesondert werden, zerlegt den gut aus
gewaschenen Niederschlag mit geschlämmtem Bleioxyd und txtrahirt die Masse mit
Alkohol.
Eigenschaften. Amorphes gelblich weisses, am Lichte sich dunkler färben-
des Pulver, welches in Wasser, Alkohol, Chloroform und Benzol, je na?h seiner
Reinheit, mit mehr oder weniger gelber Farbe leicht, in Aether nur wenig löslich,
in Petroleumäther fast unlöslich ist, bei 145° sehniilzt, in höherar Teuperatur sieh
zersetzt , optisch inactiv ist , beim Reiben elektrisch wird , und nur sehr schwach
basische Eigenschaften besitzt, so dass es mit Säuren nur sehr unbeständige Salze
bildet, welche sich in fester Form nicht dantellea lasseu. Nur das gerbsaure
Coleb iein (s. oben) ist ein weisses amorphes, in Wasser wenig lödiches Pulver,
besitzt aber nach Bender keine constante Zusammensetzung. Mit Chloroform
gibt das Colchicin eine in gelben Nadeln krystallisirende Verbindung der Formel
C.J2 H25 NO^ . 2 C HC13. Der Geschmack des C dchicins ist anhaltend bitter, ssine
Wirkung entschieden drastisch giftig. Nach eingehenden Untersuchungen von Hertel
sind die käuflichen Colchieinpräparate häutig- sehr unrein und enthalten oft nur
10 — 20 Procent der reinen Bnse.
Reactionen. Die Lösung des Colchicins in coneentrirter Schwefelsäure ist
intensiv gelb und wird auf Zusatz eines Tropfens Salpetersäure blauviolett. Con-
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COLCHICIN.
¥07
ccntrirte Salpetersäure vom specifischen Gewichte 1.4 — 1.5 gibt eine blauvioljtte,
Hpäter in braun und braungelb übergebende Färbung. Durch Verdünnen mit Wasser
geht diese rasch in gelb und dann durch Zusatz von Natronlauge in ziegelrot!)
ilber. Chlorwasser verursacht in Colehieinlösungen einen gelblichen Niederschlag,
welcher sich in Ammoniak mit gclbrother Farbe löst. Phenol wasscr gibt eine stark
weisse Fallung, welche auf Zusatz von Sauren verschwindet. Colchicinlösungen
werden ausserdem gefallt durch Phosphormolybdänsäure, Gerbsäure, Jodjodkalium,
Kalimnwismutjodid . nur schwach und langsam durch Gold- und Platineblorid,
nicht durch Quecksilberchlorid, nur bei Gegenwart von Mineralsituren durch Pikrin-
säure, Kalium-, Cadmium- und Kaliumquccksilberjodid.
1 >ic quantitative Bestimmung des Colchicins geschieht am besten
auf gewiehtsanalytischem Wege. Colchicumsamen werden im Extractionsapparate
mit 'JOprocen tigern Alkohol erschöpft. Der Alkohol wird nach Znsatz von etwas
Walser verdunstet, der Rückstand filtrirt und dabei drei- bis viermal mit Chloro
form ausgeschüttelt. Das Chloroform wird verdunstet, der Rückstand in Wasser
aufgenommen, die Lösung abermals mit Wasser aufgenommen und mit Chloroform
ausgeschüttelt. Der Rückstand von den unter Zusatz von Waaser (zur Zerstörung
gebildeter Chloroformverbindung) eingedampften Chloroformnuszflgen wird über
Schwefelsaure getrocknet und gewogen. Um in der Thictttra Colchici den Gehalt
an Colchiciu zu bestimmen , wird ein abgewogener Theil derselben cingedunstet,
der wässerige Rückstand nach dem Filtrireu mit Chloroform aufgeschüttelt und
wie eben geschildert weiter behandelt.
I>ie Titration mit Kaliumquccksilberjodid ist von Dragkxdokff ausgeführt; sie
ist mir bei Anwesenheit eiues Uebersekusses an .Saure ausführbar. Uebrigens ändert
sich der Wirkungswerth des Quecksilberreagens mit der Coneentration der Colchicin-
Iptingen.
I* ms et z u n ge u. Durch Einwirkung verdünnter Mineralsaurcn , sowie durch
Kochen mit Barytwasser geht das Colchicin unter Abgabe von Wasser in C o 1 c h i c e i n
über H.rNO« = Ci; HSI NO„ + U2 0). Nach Zkiskj. entsteht das Colchicein
nach der Gleichung C2J H,"ö NO0 + H, 0 — C^H^NO,; + CH, OH unter Bildung
von Methylalkohol. Gleicherzeit entsteht bei Luftzutritt eine amorphe, iu W.-tsser
unlösliche, bei !H)° schmelzende Substanz, das [i-Colchieoresiu (Ci4 1L0 N()l0).
Hei langerein Aufbewahren an der Luft oder beim Erhitzen im feuchten Zustande
verwandelt sich das Colchicin unter Verlust von Ammoniak und Wasser in einen
hurtigen brauneu Körper, das Colehicoresin (3[Cl7 1I„ NO„] — OiX H,t0 V (>,,.
r NH, 4- 5 H, 0), welches auch in den getrockneten Zwiebel knollen und in de:»
raien Samen das Colchicin begleitet.
Für den forensisch-chemischen Nachweis des Colchicins ist es wichtig,
<Uss dasselbe schon der sauren Lösung durch Schütteln mit Aether, Chloroform
oder Amylalkohol , nicht aber mit Pctroleumäther entzogen wird. Die Reinigung
des beim Verdunsten dieser Lösungsmittel bleibenden Rückstandes geschieht iu der
Weise, dass man denselben in Wasser auflöst, das Colchicin durch GerbsHurc fallt,
deu Niederschlag uach dem Abfiltriren und Auswasehen mit feuchtem Bleioxyd
zerlegt und die Masse mit Alkohol, Aether oder Chloroform von Neuem aus „ich t.
Mit dem jetzt beim Vordonsten dieser Lösungsmittel verbleibenden Rückstände
werden die charakteristischen Reactionen für Colchicin angestellt. Gegen Fäulnis*
tliierischer Substanzen, wie auch gegen saure GRhrung ist das Colchicin wenigstens
bis zu drei Monaten, nach Versuchen von Daxnenbehg, widerstandsfähig.
Angewandt wird das Colchicin nicht selten bei Gicht, sowohl prophylactHeh
als auch zur Bekämpfung der Anfälle, auch bei ehronischem Gelenksrheumatismus
und rheumatischen Neuralgien werden subcutane Einspritzungen von Colchicin
empfohlen. Jedenfalls hat man bislang nur selten das Colchicin in Dosen zu
1—3 mg p. d. in Lösung oder Pillenform gegebon, resp. auf subcutanem Wege
»pplictrt; die Anwendung desselben wird auch dann erst rathsam sein, wenn nur
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20S
COLCHICIN. - COLCHICUM.
zuverlässige Präparate in den Handel gebracht werden, was zur Zeit nicht der Fall
sein soll (s. oben).
Ma ximal-Einzel- und Tagesgabe werden von der Ph. Helv. , Hung.
und Russ. zu 0.002—0.003, bezw. 0.00Ü— 0.01 angegeben.
Aufbewahrung: Sehr vorsichtig.
Col chic ein, C17 H21 NO>. + 2 H2 0 [(C21 H38 N06), + Ha 0], wird aus Col-
chicin durch Erhitzen mit 30 Theilen Wasser und 2 Theilen 25procentiger Salzsäure
auf 100° erhalten. Die vom Harz abfiltrirte Flüssigkeit liefert nach dem Eindampfen
Krystalle von Colchicein. Farblose, perlmutterglänzende Blättchen oder zu Warzen
vereinigte Nadeln, welche weniger bitter schmecken, als das Colchicin, sich schwer
in kaltem Wasser und in Aether, leicht in kochendem Wasser, Alkohol und Chloro-
form lösen. Schmelzpunkt 155°. Linksdrehend (a)$= — 31.6. Es besitzt nach
Hektel schwach alkalischen Charakter und bildet amorphe Salze. Zeisef. stellte
eine Doppel Verbindung mit Goldchlorid Cit Hss NO„ . HCl . AuCls dar, während
Oberlin neutrale und Hübleu saure Reaction der Base zuschrieben.
Gegen Reagentien verhält es sich dem Colchicin ähnlich. h. Becknrts.
Colchicum, Gattung der Lilinceae, Unterfamilie Melanthnceae, ausgezeichnet
durch Knollen, verwachsenblättriges Perigon, reif zweifäcberige, lineale oder oblonge
extrorse Anthcren, freie Griffel und an der Xahttheilung scheidewandspaltig
aufspringende, dreifächerige Kapseln.
Colchicum (i u t u m h n l ? L , Zeitlose, Herbstzeitlose, Wiesensafran.
Meadow, Saffron, auf fruchtbaren und feuchten Wiesen durch ganz Europa
mit Ausschluss des Nordens und im Mittelmeergebiete.
Krautige Pflanze mit sehr verkürztem Stengel und einem
tief im Boden verborgenen, mit einer braunen, häutigen
Schale (Laubblattacheide) umgebenen Knollen (Bulbotuber),
der bis 35 mm lang und 25 mm dick wird, schief eiförmig,
auf dem Rücken stark gewölbt, auf der Vorderseite flach
oder schwach gewölbt ist und von einer flachen mittleren
Längsfurche durchzogen wird, in welcher der kurze
Stengel ganz und die lange BlüthenrÖhre wenigstens in
ihrem untereu, den Fruchtknoten umschliessenden Theile
halb eingeschlossen ruht. Der Knollen steht mit dem
blüthentragenden Stengel nur in einer kleinen, basalen
Region in Verbindung. Die Basis des Stengels ist zur
Blüthezeit im Herbst kaum verdickt. Sie trägt an der
nnteren Seite ein Büschel weisser Wurzeln und wird von
einem etwas über der Insertionsstelle der obersten Wur-
zeln eingefügten , kürzeren , äusseren und einem etwas
höher inserirten, verlängerten, inneren Scheideublatte um-
geben, die beide auch noch einen grossen Theil der
Perigonröhre umgeben. Auf diese basalen Niederblätter
folgen die im Herbste noch nicht entwickelten , sondern
scheidenartig Fruchtknoten und basale Perigonröhre um-
gebenden Laubblätter. Sie sind spiralig an der kurzen
Axe angeordnet. Das unterste derselben trägt in seiner
Achsel die Knospe für den nächstjährigen blüthentragen-
den Stengel, das oberste die (oder bei mehrblüthigen
Exemplaren die 2 — 3 obersten je eine) kurzgestielte BlUthe.
Die BlUthe verwelkt im Herbst nach vollzogener Be-
fruchtung, ohne dasB die Ausbildung der Frucht schon
in diesem Jahre erfolgt. Erst im darauffolgenden Früh-
jahr entwickeln sich die Laubblätter und wachsen über den Boden empor. Das
zwischen dem zweiten und dritten Blatte liegende Stengelglied (bei mehreren
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Flg. 31.
Colchicum autumnalt, Läntra-
Rchnitt durch den harnlen
Theil. * Knollon, i Xieder-
blatt (beide zusammen dio
Knollzwiebel bildend) . «?
Wurzeln , / Fruchtknoteu,
b Blätter, t Griffel.
COLCHICUM.
200
Fruchtknoten ein entsprechend tiefer liegendes) streckt sich stark in die Länge
und hebt die Frucht weit über den Boden. Oer zwischen dem ersten und zweiten
Laubblatte liegende Stengeltheil wird im Frühjahr zum neuen Knollen, welcher
tm Grunde die Hauptknospe und oberwärts die Knospe des zweiten Laubblattes
tragt, welche sich erst spater oder gar nicht entwickelt. Die Scheide des ersten
untersten Laubblattes wird zu einer derben , trockenen , dunkelbraunen , oben
röhrig verlängerten und zerschlitzten, den Knollen mit der nächstjährigen blühenden
Pflauze einschließenden Hülle, welche oft mehrere Jahre bleibt und innerhalb welcher
noch ein paar trockene, braune, von den Scheidenblättern herrührende Häute liegen.
Während der Entwicklung der Blätter und Frucht wird, da hierzu die vor-
handenen im (alten) Knollen aufgespeicherten Reservestoffe verbraucht werden, der
von den Resten des vertrockneten Stengels des zweitvorhergehenden Jahres auf
dem Scheitel bekrönte Knollen allmälig entleert und stirbt ab. Die Assimilations-
thätigkeit der Blätter sorgt dafür, dass der neue Knollen sich allmälig mit Reserve-
rtoffen ÖlUt.
So trifft man also im ersten Jahre einen prall mit Reservestoffen gefüllten,
die kurzgestielte Blüthe, aber keine Blätter seitlich tragenden Knollen an, im
zweiten dagegen auf einem allmälig sich entleerenden Knollen neben der neuen, all-
mälig erstarkenden Knollenanlage den langen Stengel und die zwischen den Blättern
liegende Frucht der vorjährigen Blüthe. Der fruchttragende Spross liegt also auf
der Spitze der Knollen, während die Blüthe ans der seitlichen Rinne hervortritt.
Die Lanbblätter sind nieist in der Zahl 3 — 4 (selten bis 6) vorhanden, fast
aufrecht, oblong-lanzettlich, stumpf- verschmälert, glänzend grün. Die Blüthen, meist
1 — 4 (selten 5 — 6), besitzen ein gamophylles Perigon. Die besonders an der Basis
bleiche, bis 25 cm lange Perigonröhre ist im unteren Theile noch im Boden versteckt .
Der Perigonsaum ist glockig, hell-lila-rosafarben, selten weiss und kaum Über 4 cm
lang. Die Segmente sind elliptisch-lanzettlich, die inneren etwas kleiner, alle 15 — 20-
nervig mit hervortretenden Mittelnerven. Sie sind in der Zahl 6 vorhanden und
entsprechen 2 trimeren, alternirenden Blattkreisen. (! Staubfäden sind in 2 alter-
nirenden, trimeren Kreisen angeordnet. Die Stamina des innereu Wirteis sind
etwas länger und höher inserirt als die des äusseren. Alle tragen am Grunde ein
kleines Nectarium, sind dem Schlünde des Perigons eingefügt und in dieses ein-
geschlossen. Sie "sind V'2— 1 3 so lang als die Perigonabschnitte und werden oft
von den Narben überragt. Die zwei fächerigen, lineal-oblongen Antheren sind über
der Basis der Innenseite den fadenförmigen , freien Filamenten angeheftet und
daher schaukelnd. Sie springen am Rande auf. Das Gynaeceum besteht aus drei
«Verständigen Carpellen und ist dreifächerig. In jedem Fache liegen zahlreiche
aaatrope Ovula. Der Fruchtknoten liegt an der Spitze des^ Stengelehens neben
der Knollenbasis tief in der Erde. Sind mehrere vorhanden, so krönen dieselben
in einen Kreis gestellt den kurzen Stengel. Die drei sehr langen , freien, faden-
förmigen Griffel ragen aus der Perigonröhre hervor, bleiben aber in der Glocke
eingeschlossen. Die Narben sind schwach nach Aussen gekrümmt. Die im Juni
reifenden, noch mit den Griffelresten bekrönten Kapseln sind oblong, weit auf-
geblasen, bis 65 mm lang, hellbraun, aussen unregelmässig querrunzelig, au der
oberen Seite von oben nach unten scheidewandspaltig (septicid) aufspringend, die
zahlreichen, an der Innenseite der Carpelle angehefteten 8amen sind rundlich und
besitzen eine Caruncnla.
Die Herbstzeitlose blüht bei uns Ende August bis November, sehr selten und
dann meist mit kleineren Blüthen im Frühling (V. Vernum Sc/trk. , C. veniale
Hoffm., G. praecox Spenn.). Eine in Transsylvanien und Croatien einheimische
robustere Varietät (C. pannonicum Griseh. et Hehle.) besitzt grössere Knollen,
breitere Blätter und zahlreichere Blüthen.
In arzneilicher Anwendung sind der Knollen und der Same.
1. Tubera Golchici (Ph. Belg., Brit, Galt, Graec, Hisp., Neerl., Un. St.)
«nd eiförmig, 3— 5 cm lang, 3— 4cm dick, auf der einen Seite flach, auf der
R-al-Encyclopädie der ge«. fctaarmacie. III. . 14
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210
COLCHICUM.
anderen convex und von einer braunen häutigen Sehale umkleidet, die nach oben
in eine Seheide ausläuft. Im Herbst sind sie auf der ilachen Seite mit einer nicht
gauz herabreichenden Längsrinne versehen, an deren Basis sich der kurze Steugel
findet (s. oben). Bis zum Mai des der Blüthe folgenden Jahres ist der alte Knollen
entleert. Der dann in der Bildung begriffene Knollen zeigt im Frühjahr noch keiue
Läugsrinne, sondern an der Stelle, wo dieselbe später entstehen soll, eine kleine
Knospe, die bis zum Herbst zur Blüthe wird. Beim Trocknen collabirt auch
die junge Frühjahrszwiebel an dieser Stelle und zeigt alsdann ebenfalls die Längs
rinne deutlich angedeutet.
Neben diesen regelmässig gestalteten finden sich bisweileu auch mehr oder
weniger unregelmässige. Vollkommen ausgebildet sind die Kuollcn oft fast rund
oder birnförmig und der Querschnitt ist dann fast kreisförmig. In Entleerung be-
griffene Knollen haben einen unregelmässigen Querschnitt und sind durch Sehrum-
pfuug mehr oder weniger collabirt. Oft sitzen 2 Knollen beisammen, von denen
der eine (der vorjährige) geschrumpft und stark runzlig, der andere (der diesjährige)
prall, fest, innen weiss, dicht und fleischig ist. Dieser allein ist in Anwendung zu
ziehen, der andere ist zu verwerfen.
Frisch riecht der Zeitlosenknollen stark unangenehm widerlich, rettigartig, beim
Trocknen verschwindet aber dieser Geruch bald. Der Geschmack ist süsslieh,
bitterlich, scharf kratzend. Beim Trocknen schrumpft der Knollen, wird aussen
braun und runzlich — der alte Kuollen fällt fast ganz zusammen — innen bleibt
er vlicht und weiss und behält auch den ursprünglichen Geschmack.
Das Lupenbild des Querschnittes zeigt besonders gegen das Centruin zahlreiche
Punkte. Anatomisch erweisen sich dieselben als Gcfässbündel, die aus neben einander
liegendem Gefäss- und Siebtheil bestehen und zerstreut zwischen düuuwandigem,
isodiametrischem Parenchym liegen. Letzteres ist dicht mit Stärke erfüllt, dessen
meist zu 2 , 3 und 4 zusammengesetzte Körner einen ceutralen , strahligen Spalt
zeigen.
Man sammelt die Knollzwiebel zu der Zeit, die dem Höhepunkt ihrer Entwick-
lung entspricht, also im Spätsommer (Ende Juli bis Anfangs August) oder Früh-
herbst von der blühenden Pflanze oder kurz bevor die Blüthe aufbricht. Nach dein
Verblühen und im Frühjahr ist der Kuollen unwirksam, der ältere ist entleert
und der jüngere noch nicht ausgebildet.
Man bringt den Zeitlosenknollen jetzt oft in nierenförmigen oder mehr weniger
rundlichen, nicht sehr dicken, harten, zerbrechliehen, mehligen Querscheiben in den
Handel. Man bewahrt sie unter Tabula C vorsichtig und nicht über ein Jahr lang
(Ph. Belg.) auf.
Die Wirksamkeit ist am grössten kurz vor der Blüthezeit im Frühherbst oder im
Frühjahr vor Entwicklung des fruchttragenden Stengels. Daher schreiben als Ein-
sammlungszeit vor Ph. Brit. Ende Juni , Ph. Neerl. Juli und August , Ph. Belg.
Ende des Frühlings oder Anfang des Sommers , wenn die Blätter welk sind oder
im Herbst bei beginnender Blüthe. Die Ph. Boruss. ed. VI. gibt als Einsammlung«-
zeit den Herbst (zur Blüthezeit) oder den Anfang des Frühlings (beim Erseheinen
von Stengel und Blättern! an. Um Verwechslungen vorzubeugen, wählt man am
besten erstere Zeit.
Frisch soll der Knollen nach Ph. Brit. und Boruss. VI., getrocknet nach Ph.
Neerl. und Un. St. verwendet werden. Die anderen Pharmakopoen enthalten
darüber keine Bestimmungen. Zu den officinellen Präparaten sehreiben nur frische
Zwiebeln vor die Ph. Boruss. VI. und Gall., nnr trockene die Ph. Belg., Graec.,
Neerl. und Un. St., theils frische, theils trockene die Ph. Brit. und Hisp. (IIiksch >.
Vor dem Gebrauch ist sie von der braunen Hülle und den Wurzeln zu befreien.
Als freilich bei näherer Betrachtung kaum mögliche Verwechslungen
werden die echten Zwiebeln der Tulpe und anderer Liliaceen genannt
Anwendung findet der Knollen in Deutsehland und Oesterreich kaum noch,
häufiger verwendet man ihn in Frankreich und Belgien, aber auch dort wohl meist
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COLCHICUM. : /
211
nur als Acetum , Oxymcl , Mellitum ,. Tjüctur: und ', Vimiüi ', den hauptsächlichsten
Knollenpräparaten. Zu 10.0 wirkt der! frische .Knüllen schon tödthch. ,
Der Knollen enthält frisch nicht 'u«eVhe4jtiche:Mengere jColehiein (im Juli und
August das meiste), 0.066 — 0.0t»5 Pröeent >('1.4.-r- K&8 Procent, Johansox), trocken
weniger, viel Stärke ( 20 Procent ra dem frischen.,' 30: Procent in dem trockenen
Knollen), Zucker, Harz, Fett. •/»••...
2. Semen Col eh i c i (Phi Gerni J, Austr.,i iüing.. Russ., HcJv., Gall., Belg.,
Neerl., Brit., Dan., Suec., Un.JStj). • lAie im Mai und Juni völlig reifen Samen der
Zeitlose sind rundlich verkebrteiförmig ,. fast rund,, oft im unteren Theile durch
gegenseitigen Druck etwas kantig, .1— 3mra gross, frisch. weisslich, trocken dunkel-
braun, sehr fein und dicht körnig-höckerig und .dadurch grubig punktirt, weuig
runzlig, matt i wenn nicht i zu alt ,: aiisßen üi Folge Ausschwitzens von Zucker
schmierig, mit einer helleren
! ! *». 'iOaruncula (in den Beschrei-
bungen raeist Xabelwulst oder
Samenschwiele genannt) ver-
sehen , die hn frischen Zu-
stande weiss, fleischig und
sehr gross ist, beim Trocknen
aber sehr stark schrumpft.
Im Innern sind sie weiss,
homartig hart, zähe.
Der kleine, ungetheilte,
blattlose Embryo liegt in dem,
die Hauptmasse des Samens
ausmachenden grauen, horni-
gen Endosperm schief exeen-
trisch , der Samenschale ge-
nähert, an dem der Caruncula
abgekehrten Ende.
Die Samenhaut besteht aus
dllnnwandigeu , im trockenen
Samen stark collabirten, bräun-
lichen Zellen, von denen eine
der äusseren Reihen meist er-
heblich grösser als die der
anderen ist und deren innere
Reihen tangential gestreckt
erscheinen. An der Caruncula
wird dies Gewebe erheblich
mächtiger, auch wird dassclbo
dort von einem Gefässbündel
durchzogen und enthält (wie
auch an den übrigen Stellen)
Stärkemehl von der Form des
in den Knollen vorkommenden. Die Pigmentschicht besteht aus 2 — 3 Reihen
tangential gestreckter, mit braunem Inhalt versehener Zellen, die innere Samenhaut
ist derb, zusammenhängend und mit dem Endosperm verwachsen. Das Endosperm
zeigt einen deutlich strahligen Bau. Die Zellen des Endosperms sind dickwandig
und grob getüpfelt. Sie enthalten neben fettem Oel schön ausgebildete Aleuron-
körner. Die Zellen des Embryos sind klein, dünnwandig und enthalten kleine
Aleuronkörnchen.
Die Colchicumsamen sind auch im frischen Zustande geruchlos, schmecken aber
Mhr bitter und widerlich kratzend. Sie enthalten reif und unreif Colchicin,
0.2—0.4 Procent (1.27 Procent, Johanson), dessen Spaltuugsprodncte (Jolehieein,
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'olcMemm autumnale
Querschnitt durch die Kand]>Arttt .
Samen*. « AeiiKnere Sumenhsut. p Pijfineut»chicht. «Endo-
»penn mit a Aleuronkörneru.
212
COLCHICUM. — COLD-CREAM.
Colchicoresin , Apocolchicein in den Präparaten , dem Vitium Colchici beispiels-
weise, ebenfalls enthalten sind. Ausser Colehicin findet sich im Samen 5 Procent
nicht polarisirender Zucker (Flückiger), 6 — 8 Prooent fettes Oel, 7 — 20 Procent
Eiweisssubstanzen (Bley), in der Samenschale Gerbstoff und Stärke.
Neben der anatomischen Analyse bietet der Nachweis des Colchicins den besten
Anhalt zur Beurtbeilung der Identität. Behufs Ausführung dieses Nachweises kocht
man einige Samen mit verdünntem Alkohol aus, dampft zur Syrupsdicke, nimmt
mit absolutem Alkohol auf, dampft wieder ein und nimmt mit wenig Wasser auf.
Diese Lösung wird mit Salpetersäure gelb. Lässt man einen Tropfen Schwefelsäure
auf die gelbe Lösung fliessen, so umgibt er sieh mit blauvioletten Kreisen.
Mikrochemischer Nachweis: Mit Salzsäure und unterchlorigsaurein
Natron färben sich Schnitte aus Knollen und Samen rosenroth , darauf körniger
Niederschlag (Paschkis).
Da sich das Colehicin in den Samen länger unzersetzt hält als in den Knolleu,
so zieht man erstere (seit 1820) der letzteren vor. Auch die Blüthen und Blätter
enthalten Colehicin (Geiger, Hesse, Bley, Reithned), schmecken daher ebenfalls
kratzend bitter; erstere sind sogar von der Ph. Gall. reeipirt worden. Am meisten
ist davon aber in den Samen enthalten, die denn auch zur Zeit fast allein in An-
wendung sind. Der Hauptsitz des Colchicins soll die Samenhaut sein (HChler,
Morris). Auch andere Colchicnmarten enthalten es (Rochette).
Die Zeitlosensaraen sollen alljährlich erneuert werden und müssen mit der Hand
zusammengeballt an einander kleben. Man sammelt sie im Juni, trocknet unter
Ausschluss des Lichtes an einem lauwarmen Orte und bewahrt sie in gut ver-
schlossenen Blech- oder Glasbüchsen auf. Unreife und blasse Samen sind zu ver-
werfen. Cm das Pulver daraus (meist nur ex tempore) darzustellen, schrotet mau
sie zuvor auf einer Mühle. 8ie pulvern sich sehr schlecht.
Sie gehören zu den scharfnarcotischen Giften und erzeugen in grösseren Dogen
Würgen, Erbrechen und Abführen, brennenden Durst, häufig die Symptome der
Cholera. Sie sind in der Form ihrer Präparate — Tinct. Colchici (1.0 ! Ph. Austr.,
2.0 ! Ph. Germ.), Vitium Colchici in derselben Dosirung — gegenwärtig fast nur
noch gegen Gicht und Rheumatismus in Anwendung.
Vergiftungen durch den Genuss der Früchte, Samen und Blätter (als Salat),
sowie medicinale Vergiftungen sind nicht gerade selten. Als tödtliche Dosi.s der
Samen können 3 — 5 g, der Blätter 60 g, der Tinctur 30 g, des Weines 14 — 60 g
angesehen werden. Das Extract tödtete in einem Falle schon zu 1.5 g.
Das Colehicin wird langsam resorbirt, die Vergiftungserscheinungen pflegen des-
halb erst nach mehreren Stunden aufzutreten. Bei medicinalen Dosen ist auf die
cumulative Wirkung zu achten.
Die antidotarische Behandlung hat vor Allem die Entleerung des Magens zu
bewerkstelligen, dann sind Gerbstoffe, Opium , Analeptica angezeigt , endlich wird
der Arzt die Symptome bekämpfen. Tschirch.
ColCOthar (VitriOli) = Caput mortuum; s. d. pag. 541.
Cold-Cream der Ph. g erm. s. Uuguentum leniens, der Ph. Austr.
s. Unguentum emolliens. Andere gute Vorschriften zu Cold-Cream, Creme
Celeste, sind: 8 Th. Cera alba, 8 Th. Cetaceum und 50 Th. Oleum Amygda-
larum schmilzt man, lässt nahezu erkalten, rührt nun, bis die Masse schön schaumig
und weiss ist, setzt dann unter fortgesetztem Agitiren 25 Th. Wasser, in welchem
1 a Th. Borax gelöst ist , nach und nach zu und parfümirt zuletzt beliebig. —
Oder (mit Glycerin): 8 Th. Wachs, 8 Th. Cetaceum, 50 Th. Mandelöl,
1213Th. Glyzerin, 121 3 Th. Wasser und 1 a Th. Borax. — Oder (ohne
Wasser): 25 Th. Wachs, 50 Th. Cetaceum, 160 Th. Mandelöl werden ge-
schmolzen und erkalten gelassen, tüchtig agitirt und nun unter fortgesetztem
Rühren noch 50 Th. Mandelöl beigemischt. — Oder (mit Vaseline): 8 Th.
Wachs, 8 Th. Cetaceum, 50 Th. Mandelöl, 20 Th. Vaseline (gelbe oder weiss«),
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COLÜ-CREAM. — COLLECTIVLINSE.
213
20 Th. Wasser und 1 Th. Borax. — Einen einfachen, aber sehr guten Cold-
Cream stellt Oleum Cocos opt. mit Oleum Rosae parfümirt dar.
G Ho f Di a d n.
Coler's Kampfermilch, ein Gebeimmittel , besteht (nach Schädler) aus
10 g Zinkoxyd in 180 g Rosenwasser suspendirt mit 5 g Kampferspiritus.
ColiC RoOt, das Rhizom von Alletris fart'nosa L. (Haemodoraceae) , ein
in Amerika gebräuchliches Bittermittel. Ebenso beisst das Rhizom von Liatris
spicata Willd. (Compositae) und von Apocynum androsaemifolium L.
Colignon's Kropfbalsam. iog Kai htm bromatum werden in je 20 g
Spiritus dilutus und Aqua, anderseits 20 g Sapo medicatus in 40 g Spiritus
ailutus gelöst : die Lösungen werden gemischt und daun noch 20 g Tinctura
Conii hinzugegeben.
ColirSn nennt man die Operation des Trennens einer Flüssigkeit von einem
festen Körper durch Abseihen der Flüssigkeit durch ein Seihtuch oder Colirtueh,
Colatorium, so dass der feste (meist extrahirte oder infundirte) Körper auf dem
Colatorium zurückbleibt. Das Coliren ist mithin ein primitives Filtriren.
Colla (xoAAaj, Leim. — G. animalis, s. Gelatina; C. piscium, s. lchthyo-
colla. Th. Hnsemann.
Collagen, leimgebendes Gewebe, welches beim Kochen mit Wasser eine Leim-
lösung gibt, die genügend concentrirt, nach dem Erkalten erstarrt. Collagen tritt
bei sämmtlichen Wirbelthieren, mit Ausnahme des Ampkioxus lanceolatus (Hoppb-
Sbyleb), in den verschiedensten , mikroskopisch wenig charakterisirten Formen
auf. Sehnen, Fascien, Bänder, Haut, Drüsen gehören dazu. Von den wirbellosen
Thieren sind es nur die Cephalopoden , deren Fleisch beim Kochen Leim liefert.
CollapS (lat.), eine plötzliche Herabsetzung der Lebensthätigkeit in Folge
verminderter Herzthätigkeit.
C0lla8' Fer reduit, Fer-Collas, ein angeblich durch Elektricitat reducirtes
Eisen, kommt von Paris aus in kleinen Gelatinekapseln von der Form der
Aetherperlen in deu Handel ; jede Kapsel enthält 0.1 g Eisen. — Collas' Pilllles
Alegres contre les hämorrhoides sind mit Silber überzogene Pillen, welche (nach
Hager) Extractum Capsici enthalten.
Collectivtinse ist eine planconvexe Sammellinse am unteren Ende des Oculars
des neueren Mikroskope« und des Teleskopes, durch welche dieselben ihre jetzige
Vollkommenheit erst erreichen konnten. Das alte Mikroskop bestand aus einer
kleinen biconvexen Objectivlinse mit kurzer Brennweite, welche im oberen Theile
des Tubus ein vergrössertes, umgekehrtes, reelles (wirkliches) Bild lieferte. Das-
selbe wurde durch ein biconvexes , als Lupe dienendes Ocular zum zweiten Male
vergrößert und bot sich dann dem Auge mit stark gewölbter Bildfläche dar. Das
Objectirbild konnte nur durch einen kleinen Theil der durch das Objectiv füllen-
den Strahlen, durch die mittleren derselben, gebildet werden, wenn es das Gesichts-
feld des Oculars nicht überschreiten sollte, und blieb daher so lichtsebwach, dass
starke Vergrösserungen aufgeschlossen waren. Das Collectivglas der neueren In-
strumente liegt unterhalb der Brennweite des Objectives im Tubus und nöthigt
sämmtliche durch das letztere gehende Strahlen durch Sammlung zu einem im
Gesichtsfelde des Oculares liegenden Bilde zusammenzutreten , welches nach der
zweiten Yergrösserung durch das planconvexe Augen/rlas des Oculars ein möglichst
ebenes und lichtstarkes Bild des Objectes liefert.
Der verfügbare Raum gestattet nicht, näher hierauf einzugehen. Jedoch dürfen
wir nicht unterlassen hervorzuheben , dass dieses von Huyghen erfundene und
von Campaxi am Mikroskop eingeführte Ocular nicht einmal achromatischer Linsen
bedarf, ausser zum Photographiren mikroskopischer Bilder mit sogenannten ortho-
214
COLLECTIVLINSE. — COLLODIUM;
skopischen Ocnlaren. Denn die Krümmungshalbmesser und der Abstand des Augen-
glases von der Collectivlinse (die Hälfte der Summe ihrer Brennweiten) sind so
gewählt worden, dass die chromatische Aberration den letzteren durch die sphärische
Aberration des ersteren nahezu aufgehoben wird. Die stärker durch das Collectiv-
glas gebrochenen, violotten Strahlen treffen das Augenglas mehr central und
werden dort weniger gebrochen ; die schwächer in jenem gebrochenen , rothen
Strahlen treffen letzteres mehr am Rande und werden dort stärker gebrochen, so
dass sämmtliche von jedem einzelnen Objectpunkte ausgegangenen Strahlen nach
ihrer mannigfachen Ablenkung in den verschiedenen brechenden Medien sich in
je einem Bildpunkte wieder vereinigen und dass die sämmtlichen Bildpunkte in
derselben symmetrischen Anordnung, wie diejenige der Objectpunkte, sich auf der
Netzhaut des Auges projiciren, worauf die Correctheit des Bildes beruht.
Gänge.
Collenchym (xö).Xz, Leim und cy/ jax, das Gegossene) ist das mechanische Ge-
webe wachsender Pflanzeuorgane, Collenchynizellen sind gestreckt cylindrisch, besitzen
horizontale Querwände und führen fast stets noch Inhalt (Chlorophyllkörner, Zell-
saft, selbst Zellkern). Sie sind ausgezeichnet durch starke Verdickung der
Ecken, bei verhältnissniässig geringer Verdickung der Berührungsflächen. Die
Membran besteht (auch in den Verdickungen) stets aus reiner Cellulose. Sie ist
zart geschichtet , stark lichtbrechend , aber wenig quellbar und das Collenchym
trägt daher seinen Namen : Gallertgewebe mit Unrecht (Ambronn). Die Zellen ver-
einigen vielmehr grosse Festigkeit mit leichter Dehnbarkeit, sind daher ihrer
Function, wachsenden Organen die nöthige Festigkeit zu verleihen, sehr vortheil-
haft angepasst. Die ältere Anatomie rechnete das Collenchym seiner topographischen
Anordnung unter der Epidermis wegen zu dem Hypoderra. Man findet Collenchym
in den Stengeln krautiger Pflanzen , den Rinden der üolzpflanzen (in der Mittel-
rinde), Blattstieleu und Blattrippen, überall nach mechanischen Grundsätzen ange-
ordnet. Von Drogen zeigen junge Chinarinden (Loxa), Stipites Dulcamare, die
Axen der Kräuter und die Mittelrippen der Blätter (Mentha, Digitalis u. a.) wohl
ausgebildetes Collenchym. Das mechanische Gewebe älterer Organe ist das Stereom
(Stereiden, Bastzcllcn). Tschirch.
Colleteren (*o "jüujto;, zusammengekittet) heissen die Drttsenhaare , weil sie
oft untereinander verklebt sind.
ColHdin, Trimethylpyridin, (C H3)3 . C5 H3 N , ist eine der sogenannten
Pyridinbascn (s.d.). Verschiedene Collidiue (x- und £-) sind in den Producten
der trockenen Destillation von Knochen, Schiefer, Torf, sowie durch Destillation
von Cinchonin und anderen Alkaloiden mit Aetzkali erhalten worden. Aldehyd-
c o 1 1 i d i n (A l d e h y d i n) findet sich an Essigsäure gebunden im Vorlauf des Fuselöls
vom Ilobspiritus und bildet sich durch Erhitzen von Aethylidenchlorid öder -Bromid mit
alkoholischem Ammoniak auf 160° (4 C,, H4 Cl . Cl 4- NH3 = C* Hn N + 8 H Ol),
ferner auch durch Erhitzen einer alkoholischen Lösung von Aldehydammoniak auf
ILM»" neben Paracollidi n. Paracollidin siedet bei 200 — 2-'0°, die anderen
Collidiue bei 179°.
CollinSOnia, Gattung der Labiatae , Unterfamilie Satnre/eae. Ausdauernde,
dem Salbei ähnliche, aromatische Kräuter mit drüsigen Blättern und gipfelständigen
Inflorescenzen. Die Unterlippe der Corollenröhre ist dreilappig, zerschlitzt.
Die Wurzel von <'oUin*onia canadensis L. ist in Nord-Amerika als Store-
root ein Volksmittel gegen Blasenleiden, besonders gegen Harnsteine.
Collodium (Ph. omnes t, Collodium. Eine farblose oder nur schwach gelblich
gefärbte, säurefreie, leicht entzündliche Flüssigkeit von Syrupdicke, in dünnen
Schichten rasch eintrocknend zu einer farblosen, fest zusammenhängenden Maut,
welche sich weder in Wasser, noch in Weingeist auflöst. — Zusammensetzung:
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COLLODIUil.
215
Das Oollodium ist eine Lösung der Collodiumwolle (Colloxylin , Pyroxylin) iu
weingeisthaltigem Aether. Die Collodiumwolle wird von den Einen als Trinitro-
cellulose , von den Anderen als Dinitrocellulose betrachtet : ersterer kommt die
Formel Cu H7 (NO,)s 0M letzterer die Formel C(t H„ fXOa)3 05 zu. Die viel explo-
sivere eigentliche „Schiessbaumwolle" (Pyroxylin im engeren Sinne) wird hiernach
bald ala Trinitro-. bald als Pentanitrocellulose angesehen. Ebenso verschieden
wird die Constitution dieser Verbindungen beurtheilt. Während man sie bisher als
einen Nitrokörper ansah, d. i. als Oellulose, in welcher mehrere Atome Wasser-
stoö' durch ebeu so viele Moleküle der Atomgrnppe NO, (Untersalpetersilure) sub-
stituirt sind , neigt eine neuere Anschauung dahin , die Nitrocellulose als einen
Aether der Salpetersäure anzusprechen. Letztere Ansicht wird durch das Verhalten
der Nitrocellulose gegen concentrirte Schwefelsäure, Aetzalkalien und reducirende
Mittel, z. B. Eisenoxydulsalze, begründet. Sowohl concentrirte Schwefelsäure, wie
Aetzalkalien entziehen nSmlich der Nitrocellulose Salpetersäure, Eisenoxydulsalze
oxydiren sich unter Entwicklung von Stickoxyd; iu allen diesen Fällen wird
Oellulose. regenerirt. Auch charakterisiren sich die eigentlichen Nitroverbindungen
(bei denen die NOj-Gruppe durch das Stickstoffatom an ein Kohleatom gebunden
ist) durch gelbe Färbung , wie wir sie beim Nitrobenzol (Mirbauöl) , dem Trini-
trophenol (Pikrinsäure) sehen ; diese zerlegen sieh mit Alkalien nicht in Nitrate
derselben, unter Regeueration des Körpers, aus dem sie sich gebildet haben. Bei
der Nitrocellulose ist dagegen, wie auch beim Nitroglycerin, die NO,-Gruppe durch
ein Sauerstoffatom mit dem Kohleatom verbunden, wie dies iu den Nitraten allent-
halben der Fall ist.
Die Bildung der Nitrocellulose aus der Cellulose geschieht durch die Einwirkung
starker Salpetersäure und unter gleichzeitiger Bildung und Austritt von Wasser.
Nämlich
I. CttH10O5 + 2 HNO., = C„ H8 (N03), 05 + 2 H, 0
(Cellulose) (Salpetersäure) (Dinitrocellulose) (Wasser)
II. C0 Hi0 0, + 3 HNO., = Ce H7 (NO,), 06 + 3 H, 0
(Tri n itrocel 1 u lo se)
Die Bereitungsweise des Collodiums wird von den verschiedenen Pharma-
kopoen nicht ganz gleich angegebeu. Nach Ph. Germ, löst man 2 Th. Collodium-
wolle in einer Mipchung aus 42 Th. Aether (spec. Gew. 0.724) und 6 Th. Wein-
geist (spec. Gew. 0.832) , nach Ph. Gail. in einer Mischung aus 30 Th. Aether
und 8 Th. Weingeist (von 05°), nach Ph. Un. St. in einer Mischung aus 35 Th.
Aether und 1 3 Th. Weingeist (spec. Gew. 0.820). Da die Collodiumwolle selten
klar und vollständig vou dem weingeisthaltigen Aether aufgenommen wird , ist
die Mischung einige Zeit bei Seite zu stellen und die geklärte Lösung von dem
abgeschiedenen Bodensatze zu decantiren. Auch empfiehlt es sich, die Collodium-
wolle zuvor mit der anzuwendenden Menge des Weingeistes anzufeuchten , bevor
man den Aether zufügt. Es kommen auch Fälle vor, wo eine grössere Menge
Weingeist nöthig ist , um eine vollkommene Lösung zu erzielen. — Die Dar-
stellung der Collodiumwolle kann in verschiedener Weise geschohon. Zu-
nächst gibt es zwei Hauptwege: 1. Die Anwendung eines Gemisches von Salpeter-
säure und Schwefelsäure; 2. die Anwendung einer Mischung zerstossenen Kalisalpeters
mit concentrirter Schwefelsäure. Im letzteren Falle wird die Salpetersäure erst er-
zeugt, welche auf die Cellulose wirken soll. Als Material benutzt man reine,
entfettete (resp. mit verdünnter Sodalösung gewaschene, dann ausgewaschene
und bei 100° getrocknete) Baumwolle. Dieselbe wird zerzupft und in die voll-
zogene und bis auf 15 — 20° abgekühlte Säuremischung eingetragen. Ph. Germ. II.
gibt 55 Th. Baumwolle in eine Mischung aus 400 Th. roher Salpetersäure vom
spec. Gew. 1.380 (sogenanntes doppeltes Scheidewasser des Handels) und 1000 Th.
roher Schwefelsäure vom spec. Gew. 1.830. Ph. Gall. verwendet bei sonst gleichen
Verhältnissen 500 Th. rohe Salpetersäure vom spec. Gew. 1.3!>0. In dieses Säure-
gemisch (bei dessen Darstellung der Zusatz dor Schwefelsäure, die den Zweck hat,
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-
216 COLLODIUM.
die Salpetersäure zu concentriren, portionenweise zu derselben geschehen rauss, um
eine stärkere Erhitzung zu vermeiden) taucht man nach dem Abkühlen die Baum-
wolle mittelst eines Glasstabes oder Porzellanpistills gleichmässig ein und lässt
24 Stunden (Ph. Germ.) bei mittlerer Temperatur (15— 20») stehen. Nicht immer
ist alsdann die Nitrirung so weit vorgeschritten, dass das Product sich in dem
weingeisthaltigen Aetber vollständig löst. Man hat also, bevor die Behandlung der
Baumwolle mit der Säuremischung zu beenden ist, ein kleines Pröbchen der ge-
bildeten Nitrocellulose herauszunehmen , mit Wasser wohl auszuwaschen , dann
kräftig auszudrücken, mit etwas Weingeist anzufeuchten, nochmals auszudrucken
und in eine Mischung aus 1 Aether und V« Weingeist zu bringen. Tritt in kurzer
Zeit Lösung ein. so ist die Behandlung mit der Säure zu beenden ; anderenfalls setze
man sie noch weiter fort, bis bei einer neueu Probe Lösung erzielt wird. Ph. Gall.
schreibt bei 35° eine 24stündige, bei 25° eine 36stttndige, bei 15° eine 48stündige
Maceration der Baumwolle mit der Säuremischung vor. Bei der oben angegebenen
Stärke der zur Verwendung kommenden Säuren liegt die Gefahr einer höheren
Nitrirung, das ist der theilweisen oder gänzlichen Ueberführung in „Schiessbaum-
wolle" (Tri-, respeetive Pentanitrocellulose), welche in weingeisthaltigem Aether sich
nicht aufzulösen vermag, nicht nahe. Würde man aber, nach Vorschrift der Ph.
Germ. I., eine stärkere Salpetersäure anwenden , nämlich auf 1 Th. Baumwolle
eine Mischung aus 7 Th. Salpetersäure vom spec. Gew. 1.420 und 8 Th. englischer
Schwefelsäure, so läuft man, selbst bei nur 12stündiger Maceration, viel mehr
Gefahr, eine schwerer lösliche Collodiumwolle zu erzielen. Auch Ph. Brit. lässt eine
llhnliche Mischung der stärkeren Salpetersäure in Anwendung ziehen , aber auch
nur 3 Minuten lang auf die Baumwolle einwirken. Sowie uun die Bildung der
Collodiumwolle beendigt ist, bringt man dieselbe aus der Säuremischung mittelst
eines Glasstabes auf einen Trichter , lässt sie kurze Zeit (nicht 24 Stunden , wie
Ph. Germ, angibt i abtropfen, taucht sie alsdann in ein Gefäss mit vielem Wasser
und wäscht sie darin aufs Sorgfältigste aus , zuui&r "darauf Rücksicht nehmend,
dass keine Knöllchen in der Collodiumwolle bleiben. Das Wasch wasser wird öfters
erneuert, bis es nicht mehr sauren Geschmack annimmt; dann setzt man das Aus-
waschen mit heissem Wasser so lange fort, bis blaues Lackmuspapier durch die
Nitrocellulose nicht mehr geröthet wird. Man drückt darauf die letztere aus und
trocknet sie bei 25° (nach Ph. Un. St. und Ph.* Brit. im Wasserbade). Das Aua-
trocknen lässt sich sehr beschleunigen, wenn man die ausgedrückte Collodiumwolle
mit Weingeist befeuchtet und nochmals auspresst. — Die Darstellung der Nitrocellu-
lose mittelst einer Mischung aus zerstossenem Salpeter und englischer Schwefel-
säure vollzieht sich in kürzerer Zeit, nämlich in einer halben bis ganzen Stunde,
selten erfordert sie eine längere Behandlung. Man läuft daher mehr Gefahr, die
unlösliche „Schiessbaumwolle" zu erhalten . weun mau nicht sorgsam achtet und
zeitig prüft, ob ,ein herausgenommenes Portiönchen nach dem Auswaschen von wein-
geisthaltigem Aether aufgenommen wird. Auf 1 Th. gereinigte Baumwolle schreiben
mehrere Pharmakopoen eine Mischung aus 20 Th. Kalisalpeter und 30 Th. eng-
lischer Schwefelsäure vor. Besser verfährt man, etwas mehr Schwefelsäure (34 bis
36 Th.) anzuwenden ; auch kann man mehr Baumwolle auf diese Portion nehmen,
nämlich so viel , als sich vollkommen durchtränken lässt. Nach Verlauf einer
halben Stuude prüft man die Baumwolle auf ihre Löslichkeit in weingeisthaltigem
Aether : bei negativem Ausfall der Prüfuug wird dieselbe nach Verlauf einer Stunde
wiederholt, nöthigeufalls nochmals nach einer etwas längeren Frist. Darauf folgt
das Auswaschen, was in diesem Falle mit erhöhter Sorgfalt zu geschehen hat. dann
das Ausdrücken uud Trockneu in der vorher angegebenen Weise. — Die gewonnene
Collodiumwolle (Pyroxylin) lilsst sich in nicht zu grosse* Partien und lockerer
Verpackung, in wohl verschlossenen Glasgelässen au einem kühlen, trockenen
Orte, vor Licht geschützt, aufbewahren. Sobald sich in ihr gelbe Stellen zeigen,
von einer beginnendeu Zersetzung herrührend, sind dieselben sofort herauszu-
nehmen.
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j
COLLODIÜM. — COLLODIUM ELASTICUM.
217
Prüfung des Collodiums : Die Flüssigkeit darf weder trübe, noch gefärbt, auch
nicht zu dünn, dazu muss sie von Säure völlig frei sein.
Aufbewahrung: In sorgfältig verschlossenen Flaschen an einem kflhlen
Orte. Wegen des hohen Aethergehaltes ist jede Annäherung von Feuer ängstlich
zu meiden. Zu dick gewordenes Collodium ist mit einer Mischung aus 7 Th. Aether
und 1 Th. Weingeist aufzudttnnen.
Anwendung: Medicinisch zur Bedeckung wunder Hautstellen ; zugleich mit
der Bildung einer zusammenhängenden Haut findet eine Contraction statt, daher
sich das Collodium besonders zum Verkleben kleinerer Schnittwunden eignet. Ebenso
dient es zu Compressivverbänden, gegen Frostbeulen, bei Verbrennungen. Weil
die Collodiumhaut etwas spröde ist, setzt man dem Collodium etwas Oel oder
Balsam zu (s. Collodium elasticum). Die spätere Beseitigung der Collodium-
haut gelingt am besten durch Essigäther. Ferner dient das Collodium vielfach
als Lösungsmittel verschiedener, auf die Haut oder Wunden zu applicirender
Arzneimittel, zumal von Jodoform, von Quecksilberchlorid, Tannin u. a. Pbarma-
ceutisch benutzt man es zum Ueberziehen von Pillen, die man an Nadeln be-
festigt mit dem Mittel bepinselt, um sie geschmacklos zu macheu. Technische
Verwendung findet es vorzugsweise in der Photographie zum Ueberziehen der
präparirten Platten; man verfertigt aus ihm kleine Ballons, überzieht mit ihm
Papier, um es vor Wasser zu schützen u. dergl. Da es einen auch von Säuren
wenig angreifbaren Ueberzug erzeugt, kann man zweckmässiger Weise Papier-
schilder für Säuregefässe durch recht häufig wiederholtes Ueberpinseln (bis ein
glänzeuder Ueberzug geschaffen ist) mit einer Collodiumschicht bedecken.
Schliekum.
Collodium antephelidicum Hager. 1 Th. zineum mifocarhoUcum wird
in 40 Th. Collodium und 10 Th. Spiritus gelöst und dann 1 Th. Oleum Citri
hinzugegeben (gegen Sommersprossen).
Collodium amicatUm. Eine Mischung aus 1 Th. Tinctura Arnicae mit
2 Th. Collodium.
Collodium Cantharidini Dieterich. (An steile von Collodium canthan-
datumi. 0.1b g Cantharidin werden mit 4 g Oleum Rapae fein abgerieben, dann
in 96 g Collodium eingetragen und durch Schütteln gelöst.
Collodium Carbolisatum, Collodium odontalgicum , Zahncollodium. 1 Th.
Acidum carbolicum wird mit 19 Th. Collodium elasticum gemischt.
Collodium ChrySarObinatUm. 2 Th. Chrysarobinum werden mit 15 Th.
Collodium gemischt.
Collodium Cinereum Richter. 1 Tb. Hydrargyrum oxydulatum nigrum
wird mit 30 Th. Collodium sorgfältig gemischt (anstatt des Mercurialpflasters).
Collodium COrrOSiVUm. C. causticum, C. escharoticum. 1 Th. Hydrargyrum
bichloratum wird in 10 bis 15 bis 20 Th. Collodium gelöst.
Collodium CrOtOnatUm. l Th. Oleum Crotonis wird mit 9 Th. Collodium
gemischt.
Collodium diachylOSUm Richter, C. clatnieo • plumbicum , Bleieollodium.
Emplnstrum Lithnrgyri wird bis zur Sättigung in Aether digerirt und in diesem
dann Collodiumirolle gelöst; oder man mischt die Aetherlösung mit der doppelten
Menge Collodium duplex.
C0ll0diUm elaStiCUm, C. flexile, <\ ricinatum. Eine Mischuug von 98 Th.
Collodium mit 2 Th. Oleum Ricini — Oder: !»7 Th. Collodium, 2 Th. Tere-
hinthinn veneta und 1 Th. Oleum Ricini. — Oder: 92l 8 Th. Collodium, 5 Th.
Balsamnm Canadenae und 21 a Th. Oleum Ricini.
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218 COLLODIUM FERRATUM. — COLLOXYLIN.
Collodium ferratlim, C. haemostatieum , C. martiaturo, C. stypticum. 1 Th.
Ferrum sesquichloratum wird in 6 bis 1) Th. Collodium gelöst.
Collodium jodatum. 1 Th. Jod wird in 9 Th. Collodium gelöst.
Collodium jodoformatum. 1 Th. Jodoform wird in 10 Th. Colhdium
gelöst.
Collodium mercuriale = Coiiodium corrosivum.
Collodium mOrphinatUm. l Th. Morphinum hifdrocJdoratum und 30 Tb.
Collodium.
Collodium odontalgicum, s. c. carboü« a t u m.
Collodium plumbicum s. saturninum m eine Mischung von 1 Th. Acer
tum Flximhi mit 20 bis 25 Th. Collodium. Man versteht darunter aber auch das
Collodium diachylosum, s.d.
Collodium SaÜCylatUm. 10 Th. Acidum mliculicum (und 1 Th. Extractum
Cannnbis) werden in 90 Th. Collodium elagticum gelöst nnd noch 2 Th. Acidum
aceticum glnciale hinzugegeben. Ist ein sehr gutes Hühneraugenmittel.
Collodium StyptiCUm, C. tannatura. Man löst 5 Tb. Tannin in 15 Th.
Alkohol, vermischt die Lösung mit ?0 Th. Collodium duplex uud parfürairt mit
einigen Tropfen Tinct. Benzoes. — Oder (nach einer amerikanischen Vorschrift i :
5 Th. Tannin, 5 Th. Benzoesäure und 10 Th. Carhohäure werden mitlOOTh.
Collodium gemischt. — Vergl. auch Collodium f errat um. G Hofmann.
Collograph, s. Copirap parate.
Colloide sind diejenigen Snbstauzen, welche thierische Membranen nicht zu
durchdringen vermögen. — 8. Dialyse.
CollOidOntartung nennt man im Allgemeinen eine pathologische Veränderung
der Gewebe, sowohl in Organen des Körpers als in Geschwülsten vorkommend,
wobei diese eine gallertig weiche oder mehr zähe, klebrige und selbst feste Con-
sistenz bei durchscheinender Beschaffenheit oder in dickeren Schichten mit weisslich-
gelber Farbe annehmen. Ob dieses Aussehen der Organe uud Geschwülste durch
einen bestimmten chemischen Körper bewirkt wird, oder ob es blos als Ausdruck
der anatomischen Veränderungen der Gewebe erscheint, ist bis jetzt noch uicht
entschieden. Man hat jedoch im Laufe der Zeit mehrere Substanzen von dem
Begriffe „Colloid" ausgeschieden, welche charakteristische Eigenschaften haben und
nur unter gewissen Bedingungen vorkommen — wie z. B. das Amyloid , das
Paralbumin — nnd das Gebiet desselben immer mehr eingeschränkt. Morphologisch
tritt diejenige Substanz, welche noch auf die Bezeichnung „Colloid" Anspruch
machen kann, entweder in Form tropfen- oder körnerartiger hyaliner Gebilde frei
in den Geweben oder in Gestalt kugeliger und uuregelmässiger Klumpen Al9
Inhalt cystischer Räume auf. Loebisch.
Colloidin nennen Gactier, Cazeneuve nnd Daremberg eine au« dem faden-
ziehenden gallertigen Inhalt einer Colloidcyste durch Contact desselben mit
destillirtem Wasser während 24 Stunden gewonnene Substanz , welche aus der
wässerigen Lösung durch Alkohol in weissen Flocken fällbar ist und nach ihren
Reactionen zu den Albuminoiden (s. Bd. I, pag. 202) zu zählen wäre. Diese
Substanz soll die gallertartige Consistenz der sogenannten Colloidsubstanzen bewirken.
Uie Formel, welche die obgenannten Autoren für dieselbe angeben, C9 H16 NO,,
unterscheidet sich von der des Tyrosins merkwürdiger Weise nur durch ein Mehr
von Ha 0 + 0. Loebisch.
Colloidsubstanzen, 8. Dialyse.
CollOXylin, Collodiumwolle ; s. Collodium.
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COLLUTORIUM. — COLOCYNTHIN.
219
CollutOrium (colluo, ausspülen), Mundwasser, Mundspfllvasser, heisst
jede zum Ausspülen des Munde« bei Entzündungen und Geschwüren verordnete
Flüssigkeit. Als solche dienen concentrirte wässerige Aufgüsse oder Abkochungen
aromatischer , adstringirender und erweichender Pflanzenthcile oder Lösungen
adstringirender und antiseptischer Stoffe (Phenol , Kaliumpermanganat , Kalium
chloricum, Borax), meist zweckmässig mit Zusatz eines Gesehraackcorrigens (Pfeffer-
minzöl, aromatische Tincturen, Cognac, Rosenhonig). Das Verschlucken von Mund-
wässern aus stark wirkenden Substanzen kann üble Folgen haben, besonders bei
Kindern, zumal da die Dosis raeist doppelt so hoch wie bei interner Anwendung
genommen wird oder wenn der Ersparniss wegen concentrirtere Mundwässer behufs
Verdünnung im Hause verschrieben werden. Die zum jedesmaligen Mundausspülen
angewendete Menge beträgt 15.0—25.0.
Coli utoi res nennt die französische Pharmakopöe gewisse Arzneiformen,
welche dem unter Collutorium angegebenen Zwecke durchaus entsprechen.
Th. Hasemann.
Collyrium. Die griechische Benennung xoXX-jptov wird jetzt bei uns aus-
schliesslich auf Augenwässer, d.h. Lösungen und Mischungen, welche theils
zur Waschung, theils zu feuchten Ueberschlägen am Auge dienen, bezogen. In
weiterem Sinne begreift man darunter auch Augentropfen, Quttae ophthalmicae,
Augensalben, Unguenia ophthalmica und Augenstreupulver, Pulvere« adspersurii
Ophthalmia' und überhaupt alle zur Application auf das Auge bestimmten Arznei-
fonnen, die man in älterer Zeit als feuchte Collyrien, Hygrocollyria, und trockene
Collyrien, Xerocollyria unterschied. In Frankreich ist noch jetzt die Bezeichnung
Collyre sec für Calomel a vapeur üblich. Die Ableitung des Wortes ist fraglich,
ursprünglich scheint es mit co-'lyra, klebriger Teig groben Brotes, zusammenzu-
hängen und medicinisch zur Bezeichnung von Arzneicylindern gedient zu haben,
die man in Mastdarm, Scheide, Ohren und Nase einführte.
Das Collyrium adstringens luteum der Ph. Austr. besteht aus 12.5 Th.
Ammonium chloratum und 25 Th. Zincum sulfuricum in 2000 Th. Aqua,
andererseits 7.5 Th. Gamphora in 400 Th. 70procentigem Spirüus gelöst; die
Lösungen werden gemischt, mit 2 Th. Grocus einen Tag digerirt, dann filtrirt.
Th. Hasemann.
Coloboma (xoXo^ow, verstümmeln) beisst eine angeborene, verticale Spalte im
8ehorgan (Augenlider, Regenbogenhaut oder Aderhaut). Ebenso bezeichnet man
jedoch auch eine durch Iridectomie, also auf operativem Wege, erzeugte Spalte
in der Regenbogenhaut. Die Colobome verursachen keine so grossen Sehstörungen,
wie man sie nach diesem anatomischen Defect des Auges erwarten könnte.
Colocynthidin. Findet sich nach Walz im alkoholischen Extraet der Colo-
quinthen und bleibt beim Ausziehen derselben mit kaltem Wasser zurück. Wird
der Rückstand mit Aether ausgezogen, die Lösung mit Thierkohle behandelt, ab-
gedampft und der Rückstand mit heissem absoluten Alkohol ausgezogen, so scheidet
sich beim Erkalten Colocynthidiu in weissen mikroskopischen Krystallen ab. Es
löst sich in Aether, wie in heissem Alkohol und scheidet sich beim Erkalten der
Losung theils krystalliuisch, theils als Gallerte ab, welche letztere allmälig in den
krystalUnischen Zustand übergeht. v. Schröder.
ColOCynthifl, Glucosid der Coloquinthen, welche dasselbe reichlicher im Mark
als in den Kernen enthalten.
Nach Walz zieht man das alkoholische Extraet der Früchte mit Wasser aus,
fällt die Lösung mit Bleiessig und das entbleite Filtrat mit Gerbsäure. Der naeh
dem Erwärmen harzig zusammenballende Niederschlag wird in Alkohol gelöst, mit
Bleioxyd zerlegt. Die abfiltrirte Flüssigkeit wird mit Schwefelwasserstoff von Blei
befreit und nach Behandlung mit Thierkohle der freiwilligen Verdunstung über-
lassen. Das zurückbleibende Colocynthin wird mit Aether gewaschen. Auch aus
220 COLOCYNTHIN. — COLOCYNTHIS.
dem im Wasser unlöslichen Rückstände des alkoholischen Extractes kann durch
Ausziehen mit Aether, Abdampfen der Lösung und Ausziehen mit absolutem
Alkohol noch Colocynthin erhalten werden. Nach Walz besteht es aus weissen,
feinen mikroskopischen Krystallen, welche sehr bitter schmecken, in 8 Th. kaltem,
6 Th. heissem Wasser löslich sind. Es löst sich ferner in 10 Th. absolutem Alkohol,
leichter in Aether. Die wässerige Lösung wird nicht durch Metallsalze, wohl aber
durch Gerbsäure gefällt. Nach Henke ist das Colocynthin ein amorphes, gelbes
Pulver, löslich in 20 Th. kaltem Wasser, leicht in Alkohol und Ammoniak, nicht
in Aether, Benzol, Chloroform und Schwefelkohlenstoff. Concentrirte Schwefelsäure
löst das Colocynthin mit rother Farbe, die bald in's Braune übergeht. Beim
Kochen mit verdünnten Mineralsäurtn spaltet es sich in Zucker und eine harzartige,
Colocynthein genannte Substanz. Goldchlorid wird langsam von Colocynthin
reducirt. Es ist giftig und ein energisches Abführmittel. v. Schröder.
ColOCynttliS, von Tourxefort aufgestellte, jetzt mit Citrullus Fmk. ver-
einigte Gattung der Cucurbitaceae.
Fr uctus, B accae s. Po ma Colocy n th id is, C 0 1 o q u i n t h e n, Bitter
apples (Ph. oiniics, sind die Früchte von Citrullus Colocynthin Schrat/.
(Cucumis Colocynthis L.), besonders in Afrika, Südwestasien, Ostindien, Ceylon
einheimisch und über ein grosses Gebiet verbreitet, dessen Grenzen die Coromandel-
küste, Ceylon, Caspisee, Syrien. Cap Verde, Senegambien, Somali und Südarabien
sind. In grosser Menge kommt diese gesellig wachsende Wüstenpflanze in der
Bajudahsteppe in Nubien , bei Korosko am Nil und am rothen Meer bei Kosseir
vor (FlÜCKIGER). Sie fehlt in Kleinasien. Ob sie im südlichen Mittelmeergebiet,
Fig. SS. Fig. »4.
wo sie vielfach (Cypern, Südspanien) cultivirt wird, einheimisch ist, erscheint frag-
lich. Möglicherweise ist sie dorthin vor langer Zeit eingeführt. Jetzt hat sie sich
auch dort heimisch gemacht.
Der dreifücherige , unterständige Fruchtknoten der weiblichen Blüthc wird zu
einer kugeligen (nicht aufspringenden) Beere von der Grösse einer Apfelsine. Die-
selbe besitzt einen Durchmesser von 5 — 10 cm (meist etwa 5 — 8 , nach mehreren
Pharmakopoen von der Grösse eines Apfels, nach Ph. Brit. 2 Zoll, nach Ph, Un. St.
5 — 10 cm) und ist bedeckt von einer 0.5—1 mm dicken, anfangs grünen und frelb-
gefleckten, spater glcichmässig gold- oder lichtgelben, glatten, sehr fein einjrestor hen-
punktirten, lederigen, pergamentartigen, spröden Schale, die fest an dem Innern
anhaftet, in der Jugend behaart, im Alter kahl ist. Das Fruchtfleisch igt
blas», weiss, gelblichweiss , schwammig oder blätterig, trocken. Der Fruchtknoten
ist, entsprechend der Dreizahl der Carpelle. dreifächerig. Die eingeschlagenen, die
Scheidewände bildenden Seitentheilc der Carpelle sind sehr vollständig miteinander
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COLOCYNTHIS. - 221
verschmolzen, so dass ihre Nähte bei der fertigen Frucht kaum oder nicht mehr
erkennbar sind. Die axilen (nicht wandständigen ^ Placenten sind zweiachenkelig,
ihre Schenkel liegen aber in dem Fruchtknoten dicht aneinander (Fig. 33). Erst
zur Reifezeit klaffen sie von einander (Fig. 34) und bewirken die unten erwähnte
Spaltung der Frucht in 3 Längstheile. Diese Placenten bilden die „falschen Scheide-
wände" , durch welche der Fruchtknoten falsch 6fächerig wird. An der Spitze
gabeln sie sich auseinander und die Schenkel krümmen sich nach Innen bogen-
förmig zurück. An den gegen die echten Scheidewände hin gerichteten Endigungen
sitzen in mehreren Verticalreihen die zahlreichen (200 — 300) Samen, bisweilen
in ein lockeres Mus gebettet. Es ist daher nicht richtig, dass man die Placenten
als parietal und im Centrum des Ovars zusammenfassend betrachtet. Die Scheide-
winde und das Fruchtgehäuse sind anfangs fleischig, trocknen aber zur Reifezeit
tu einem lockeren , schwammig porösen , elastisch-zähen, leichten Marke aus. In
diesem Stadium trennen sich auch die die falschen Scheidewände bildenden beiden
Placentarschenkel von einander.
Es ist Handelsbrauch, die Droge zu schälen. Man entfernt hierbei die frische
Frucht von der gelben Schale und schneidet dabei oft so tief, dass die 8amen in
den Fächern zu Tage treten. Die geschälte Frucht spaltet sich leicht in drei nach
Innen scharfkantige oder flache Längstheile, da das locker markige Gewebe der
3 Placenten durch eine bis zur Mitte reichende dreistrahlige oder dreieckige, oft
bedentend erweiterte Kluft frühzeitig sich theilt. Diese Längstheile spalten sich aber
erst dann, wenn die sie zusammenhaltende innere Schicht der Fruchtscbale entfernt
wird. Jeder der Längstheile wird durch die echte Scheidewand (die Carpellränder^
in zwei Abtheilungen halbirt.
Die aus anatropen Ovulis entstehenden Samen sind verkehrt-eiförmig, ziemlich
flaeb, mit abgerundetem . ungerandetem , weder verdicktem, noch scharfem Rande
vergehen , 6 — 7 mm lang und 2 mm dick, am spitzen Ende, etwas unterhalb des
Scheitels, durch den weissen, 2 mm langen Funiculns mit der Placenta verbunden.
Auf jeder Fläche ist die Samenschale in zwei kurzen, ziemlich tief eingestochenen
Gruben aufgerisseu , welche gegen die Spitze zusammenlaufen (Flückigkr). Die
Schale ist spröde, hart, steinschalenartig , blassbräunlich, grünlichbräunlich oder
gelblich. Sie umschliesst den endospermlosen , weissen , ölig-fleischigen Embryo.
Letzterer ist gerade und kehrt sein Radicularende dem Hilum (der Mikropylarseite
de« Ovulums) zu. Die dickblätterigen Cotyledonen machen die Hauptmasse des Samens
auu. Die Samen betragen gegen drei Viertel des Gewichtes der geschälten Droge
(ftfiCKUiER).
Die Epidermis der Fruchtschale (Epiearp) ist einreihig. Die Zellen sind radial
gestreckt und aussen erheblich stärker als Innen verdickt, da und dort rinden sich
Spaltöffnungen. Die unter der Epidermis liegende Schicht (Mittelschicht, Mesocarp)
besteht aus dünnwandigem, tangential-gestrecktem Parenchym; das Endocarp
dagegen wird von zahlreichen, kurzen , isodiametrischen Steinzellen gebildet , die
Mark verdickte nnd poröse Wandungen besitzen. Je weiter die Zellen dieser, in
ihrer Mächtigkeit etwa dem Mesocarp gleichkommenden Schicht nach Innen liegen,
um so weiter wird ihr Lumen und um so dünner ihre Membran. Endlich gehen
sie allmälig in das Placentargewebe über. An der Grenze des Endocarps und der Pla-
centen. aber noch innerhalb des letzteren, liegt ein Kreis zarter Gefässbündel. Die an
Weite nach Innen hin zunehmenden ovalen oder isodiametrischen Zellen des Placentar-
gewebes und der Carpelle sind oft durch weite luftführende Jntercellularen von ein-
ander getrennt, daher ist das Gewebe locker und schwammig und lässt sich leicht
zusammendrücken (ist aber nicht elastisch). Sie sind dünnwandig, aber selbst bei
der Droge nicht zusammengefallen , an den Berührungsstellen zweier mit einer
Tflpfelplatte versehen. Sie führen Luft, daher erscheint das Gewebe weiss. Zahl-
reiche gelbliche Gefässbündel durchziehen dies Parenchym, dieselben führen zu
den Funiculis. An den Rändern der drei Radialspalten der Frucht besitzt das
Parenchym ein dichteres Gefüge.
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222
„COLOCYNTHIS.
Die Samenschale besitzt (nach Haetwich) im Wesentlichen folgende Schichten. Zu
äusserst ein aus der inneren Auskleidung der Carpelle hervorgegangenes Häutchen,
dann eine einreihige Epidermis, eine Schicht unregelmässiger, B^ark verdickter
Steinzellen, der eine Schicht eigentümlich verzweigter, ebenfalls stark verdickter
Steinzellen folgt ; hierauf eine dünne Schicht von Zellen mit netzförmig verdickten
Wanden, die da und dort aufgedunsen erscheinen. Endosperm fehlt.
In den Zellen des Samens sind neben fettem Ocl Aleuronkörner vorhanden.
Die Goloquinthen sind geruchlos und schmecken ausserordentlich und anhaltend
bitter. Sie sind ein drastisches Purgans. , .
Die cbemischenBestaudtbeile der Coloquinthen bedürfen erneuter Unter-
suchung. Gut bekannt ist der die Wirkung bedingende Bitterstoff, das Colo-
cynthjn, C68 H81 Oas, welches aber Flückioer nicht krystallisirt erhalten konnte.
Das Gewebe der Frucht ist besonders reich daran, doch auch die (ebenfalls, aber
schwächer bitteren; Samen euthalten dasselbe, . Walz will noch einen zweiten
Körper in den Coloquinthen gefunden haben, den er Colocynthidi n nennt.
Das samenfreie Fruchtgewebe bei* 100° getrocknet gab 11 Procent, die Samen
2.4 — 2.7 Procent Asche. (Flückigeb).
Die Samen enthalten 16.9 Procent fettes Oel (als Oleum de (Jolocynthide
e.epres8uvi ehedem verwendet) und gegen 6 Procent Eiweiss (FlCckiger). Sie
dienen geröstet oder gekocht in der Sahara als armseliges Genussmittel.
Das bittere Harz der Coloquinthen ist durchsichtig, gelbbraun, sehr bitter, un-
löslich in Aether, leicht löslich bereits in 70procentigem Alkohol.
Von Handelssorten unterschied Berg:
1. Aegyptische Coloquinthen. Gross, weniger weiss, leicht, armsamig
und im Innern mit grossen Höhlungen verschen , geschält (von der Ph. Belg.,
Dan., Hung., Neerl., Russ. bevorzugt). Jetzt kommen keine Coloquinthen mehr aus
Alexandrien. Ehedem Wessen die Coloquinthen geradezu Alexandriaäpfel, Cucurbita
alexnndria. t '
2. Cyprische Coloquinthen, klein, 4cm im Durchmesser, meist sehr zer-
drückt, schwer, reichsamig, im Innern fast weiss, geschält (nach Ph. Russ. zu verwerfen).
3. Syrische Coloquinthen, ebenso gross als die cyprischen, ungeschält,
reichsamig, im lunern schwammig, weiss (nach Ph. Russ. zu verwerfen).
Jetzt, kommen Coloquinthen aus M a r o c c o (Ausfuhrhafen : Mogador) , aus
Spanien und Syrien (die letzteren sind meistens klein). Man unterscheidet
daher wohl auch maroccanische, spanische und syrische, ohne die
Handelssorten jedoch scharf zu trennen. In neuerer Zeit kommen auch comprimirte
Coloquinthen aus Persien. Die Ph. Germ. II. schreibt keine bestimmte 8orte
vor, doch wird man gut thun, die kleinen (etwa 4cm grossen) ungeschälten
Früchte nicht in Anwendung zu ziehen. Die Ph. Gall. und Hisp. ordnen die Ent-
fernung der äusseren gelben Schale nicht an.
Die Entfernung der Samen, die nach der Ph. Russ. 60 — 75 Procent der Droge aus
machen und die eine weit geringere Wirkung als das Fruchtfleisch besitzen, wäre
wohl anzuempfehlen. Einige Pharmakopoen verlangen sie auch, die Ph. Germ. II.,
Fenn., Gall., Graec. dagegen lassen die Droge mit dem Samen verwenden, doch
empfiehlt es sich , wenn Coloquinthen (in Decoct oder Infus) verordnet werden,
um stets eine Arznei gleicher Wirksamkeit zu erhalten, nur das Fruchtfleisch
zu verwenden. Jedenfalls ist die Wirkung des betreffenden Präparates von der
Menge etwa mitverwendeter Samen abhängig.
Das markige Innere der Frucht trägt, wenn von den Samen befreit, den Namen
Pulpa Colocyntkidh.
Als Verwechslungen, beziehungsweise Vermischungen wurden von Pfaff Früchte
beobachtet, die ebenfalls bitter, aber mit durch ovale Erhabenheiten rauher Schale
versehen waren.
Auch Martiüs berichtet von falschen, weniger bitteren Coloquinthen. Ebenso
sind aus Brasilien und England Früchte als Coloquinthen in den Handel gekommen,
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C0L0CYNTHI8. — COLOMBO.
die Hanbury und Bentley als von Luffa purgons und dranticn stammend, er-
kannten. Nach der Pli. Austr. sollen achtfächerige , bräunliche und weniger
Uttere, nach der Pb. Un. St. harte und dunkelfarbige Coloquintheu verworfen
werden.
FlCckiger und Hanbury geben als Verwechslung au die bitteren Früchte von
Cuoumin trigonus Roxb. (C. Pseudocolocynthis Uoyle) , auch C. Hardtrickii,
die sogenannte Hill colocynth hat bittere Früchte.
Ich habe niemals derartige Verfälschungen oder Verwechslungen in der Droge
auftiuden können.
Man bewahrt die Coloquinthen in toto in Hol«- oder Blechkisten unter den
*tar* wirkeuden Arzneien auf.
Medicinisch angewendet werden die Coloquinthen hur noch wenig. Sie gehören
zu den wirksamsten, darum nicht gefahrlosen Abführmitteln ; Todesfälle sind schon
nach 2 — 5 g beobachtet worden. Die grösste Einzelgabe der gepulverten Früchte
ist 0.3!, des Extractes 0.05, der Tinetur 1.0!
Die Abkochung auf Möbel und Tapeten gepinselt, ist ein gutes Mittel gegen
Wanzen.
L'nter dem Namen Fructu« Golocynthidis prarparata , Ti-ochisci Älhandal,
Coloquiuthenpulver (ein sehr altes Mittel, zu dem schon die arabischen Aerzte
eine Vorschrift gaben ; Ph. Gall., Germ. I., Gracc, Helv., Hisp., Rus*.), werden
{repiilvertc oder gepulverte und mit Gummi vermischte, von den Samen befreite
Coloquinthen verstanden. Die Ph. Gall. und Hisp. befreien die Coloquinthen von
<leu Samen, trocknen das Fruchtfleisch (bei 4<i°, Pb. Gall.), pulverisiren im
liedcckteu, eiserneu Mörser und sehlagen durch ein feines Sieb, ohne einen
Uikkstand zu lassen. Wegen der schwammigen Beschaffenheit der Pulpa ist das
Pulvern sehr schwierig. Die übrigen Pharmakopoen stossen das zerschnittene,
von den Samen befreite Fruchtfleisch mit Gummipulver und Wasser zu einem
gleichmäßigen Teige, trocknen denselben (bei 40—60', Hager) und pulverisiren
dann. Das Verhältniss des Gummis zu der Pulpa ist bei der Ph. Graec. 1:3,
bei Ph. Rus8. 1:4, bei der Ph. Germ, und Helv. 1:5 (Hiksch). Das Pulver
wird dann nochmals getrocknet und , da es sehr hygroskopisch , in kleine,
fmt (mit Kork) verschließbare Glasflaschen gebracht. Es besitzt eine gelbliehe
Farbe.
Literatur; Flückiger. Arch. d. Pharm. 1872. — Hart wich, Arch. d. Pharm. 1882.
— Hflhschmann, Schweiz. Zeitschr. f. Pharm. 1858. — Henke, Arch. d. Pharm. I88H.
— Her berger, Repert. Pharm. 35. — Bastick. Pharm. Journ. Trans. 10. — Walz,
N. Jahrb. Pharm. 9 und 16. — Meissner, Ebenda, 1818. — Vauqnelin, Ebenda, 1818.
Tschireh.
Cologne Sprit (nicht zu verwechseln mit Eau de Cologne) bedeutet im
amerikanischen Handel einen hoehprocentigen , gut entfuselten Alkohol . welcher
häufig für Parfümerien Verwendung findet.
ColombO Oder Columba ist der aus dem ostafrikaniscben „Kalumb" abge-
leitete Name für die Wurzel von J ateorrhiza palmata Miers (s. d.),
einer Schlingpflanze aus der Familie der Menispermaceae.
Von dem kurzen, dieken, fleischigen Wurzelstocke entspringen einige rüben-
artige, etwas gegliederte, bis 30 cm lauge und bis 8 cm dicke , derbfleischige , im
frischen Zustande schön gelbe Wurzeln. Diese allein bilden, in Querscheiben
geschnitten (selten der Länge nach gespalten), die Droge. Die Scheiben; sind
elliptisch oder fast kreisrund , meist mit einem Durchmesser von 4 — 6 cm, Ii der
Dicke von 5 — 20 mm variirend, beide Querflächen sind gegen die Mitte hin etwas
eingesunken, oft grobfaserig von den herausragenden Gefässbflndoln, die Aussen -
seite iat grob längsrunzelig.
Der geglättete Querschnitt zeigt eine etwa 5 mm (», :, bis V'8 des Durchmessers)
breite, sehön citronengelbe Rinde mit papierdünner branner Aussenschicht und
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224
COLOMBO.
K
M
Fig. 33.
M1
WH
durch eine schmale braune Cambialzone von dem grünlich-blassgelben marklosen
Holzkörper getrennt. Vom Cambium aus streichen sowohl
gegen die Riude, als auch gegen den Holzkörper schwänz-
chenartige, dunkle Partien und bedingen eiue radiale
Streifnng. Im Innern ist der Holzkörper spärlich und
regellos punktirt, am Rande mitunter coneentrisch ge-
schichtet.
Der Kork besteht aus einigen Lagen flacher, breiter,
dünnwaudiger Zellen. Die Rinde (Fig. 35) ist ein zart-
zelliges Parenchym mit zerstreuten, einseitig verdickten,
gelben Steinzellen an der Peripherie und schmalen ra-
dialen Phloemsträngen im inneren Theile , welche mit
den radialen Spiroidenreihen des Holzkörpers corre-
spondiren,, um die schon mit freiem Auge sichtbare,
vom Cambium quer durchschnittene Radialstreifung zu
veranlassen. Im Innern des Holzkörpers treten die
Gefässbündel spärlich auf. Sie bilden Gruppen ziemlich
weiter (0.160 mm) gelber Netzgefässe von spärlichen
Fasern umgeben. Mark fehlt.
Das Parenchym des Holzes und der Rinde ist
strotzend erfüllt mit grossen (bis 0.06 mm) Stärke-
körnern von unregelmässig rundlichen Gestalten (Fig. 36),
um einen excentrischen , meist zerklüfteten Kern ge-
schichtet. In den Steinzellen und in der Nähe der-
selben kommen vereinzelt
gut ausgebildete Oxalat- Fi* 3,5
krystalle vor. Gerbstoff
fehlt. C ^
Die Colombo wurzel ist
geruchlos, schmeckt sehr
bitter und etwas schlei-
mig, den Speichel färbt
sie gelb.
Sie enthält neben
Amylum den Bitterstoff
Columbin, das Alkaloid Ber berin und Columbo-
säure. • • ' - - ...
Trotzdem Colombo in allen Ländern officinell ist,
wird sie von den Aerzten doch nur weuig angewendet,
wohl deshalb, weil ihre Wirkung nicht vollständig; klar
ist. Man benutzt sie als Amarum und Stypticum im
Decoct.
Als Verwechslungen werden angeführt die so-
genannte amerikanische Colombo und die Wurzel
von Bryonia, welche ebenfalls in Querscheiben ge-
schnitten in den Handel kommen.
Erstere stammt von Frasera caroltnensis Walt.
(Gentianaceae) und ist in Ph. Un. St.
A-Ko*k^"S Die 8cheiben naben eine nur 8ehr oberflächliche
dar* Kind» (Bast), ' // Holz, iichkeit mit Colombo, sie sind fahlgelb, homogener, es
durch"1 breite MaKärahkn fehlt die radiale Streifung in der cambialen Zone und
getrennt, n steinzeilci f * Ge- 8je gju(j cranzlich frei von Stärke, enthalten
Radix Bryonon ist weiss oder hellbraun, sehr höckerig, in concentrische
Schichten (Jahresringe) und radiale Spalten zerklüftet.
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Colonibo-Stärke.
9
COLONIALZUCKER — COLOPHONIUM.
22b
ColonialZUCker heisst d er aus Zuckerrohr hergestellte Rohrzucker, im Gegen-
satz zu Rübenzucker. — 8. unter Rohrzucker.
Colophen, cJ0H3a, igt eine polymere Modifikation des Terpenthinöles , aus
welchem sie durch Behandeln mit Schwefelsäure oder mit Phosphorsäureanhydrid
erhalten wird ; auch bei der Destillation von Colophonium wird Colophen gebildet.
Es bildet ein helles, klebriges Oel, welches bei 318 — 320° siedet. Wie alle Ter-
pene, so verschluckt auch das Colophen Salzsäuregas unter Erwärmen.
Colophonia, Gattung der Burseraceae, mit Canarium Rumpk. vereinigt.
Colophonia mauritiana DC. auf Mauritius, ein grosser Baum mit gefiederten,
lederigen Blättern und diöcischeu Inflorescenzen aus kleinen rothen Blüthen, liefert
eine Art Elemi.
Colophonium wird aus Terpentin oder Fichtenharz gewonnen, indem man
dasselbe durch Erhitzen von Wasser und Terpentinöl befreit und dann so lange
im geschmolzenen Zustande erhält, bis es vollständig klar geworden ist. Nach
Wiksner beruht das Klarwerden auf der Ueberführung der im Terpentin enthaltenen
krystallisirten Abietinsäure in ihr amorphes Anhydrid. Je vollständiger die krystal-
lirirte Substanz zerstört wird, desto durchsichtiger und geschätzter wird das
Colophonium. Die besten Sorten sind ganz krystallfrei , in den minderen lassen
rieh noch unter dem Mikroskope bogenförmige Krystalle nachweisen.
Das Colophonium bildet, je nach der Dauer und Stärke des Erhitzens bei
seiner Darstellung und der Abstammung des zu seiner Bereitung verwendeten
Terpentins, gelbe bis schwarzbraune, durchscheinende Stücke, ist spröde, glas-
glanzend und zeigt muscheligen Bruch.
Das spec. Gew. des Colophoniums schwankt von 1.045 — 1.108. Auf 70°
erwärmt, wird es weich, vollständiges Schmelzen tritt aber erst bei einer 100°
fibersteigenden Temperatur, häufig auch erst gegen 135° ein, dabei verbreitet es
einen angenehmen , harzartigen Geruch. An der Luft erhitzt verbrennt es mit
stark russender Flamme.
Bei der trockenen Destillation liefert das Colophonium neben uncondensirbaren
Gasen und Kohle ein reichliches flüssiges Destillat. Die zuerst übergehenden,
leichter flüchtigen Antheile werden gesondert aufgefangen und als „Harz-
spiritus" in den Handel gebracht. Den Rest bildet das „Harzöl". Dagegen
ist Colophonium mit überhitztem Wasserdampf unzersetzt flüchtig, eine Eigen-
schaft, welche von Hüxth und Pochmn benutzt wurde, um im Grossen farbloses
Colophonium herzustellen.
Colophonium ist unlöslich in Wasser, kocht man es damit, so wird es weich,
ohne aber zu schmelzen. Es löst sich in 10 Tb. 70procentigem Alkohol , wobei
das in ihm enthaltene Anhydrid der Abiötinsäure unter Wasseraufnahme in Abietin-
säure übergeht. Versetzt man die alkoholische Lösung mit Wasser, so wird unreine
Abietinsäure in Form einer milchigen Trübung gefällt, welche sich beim Erwärmen
und Umrühren, am besten nach Zusatz einer verdünnten Säure, bald zu klebrigen
Massen vereinigt. Colophonium ist ferner in Holzgeist, Aether und Benzol und bis
auf einen geringen Rest auch in Petroleumäther löslich, auch lässt es sich mit
festen Fetten und Wachs in allen Verhältnissen zusammenschmelzen.
Das Colophonium ist vielfach chemisch untersucht worden. Die älteren Angaben,
nach welchen es ein Gemenge verschiedener Säuren (Pininsäure, Sylvinsäure,
Pimarsäare etc.) sein sollte , sind von Maly dahin berichtigt worden , dass es
seiner Hauptmasse nach aus amorphem Abiötinsäureanhydrid C^FL^O, besteht,
welches durch Einwirkung von verdünntem Weingeist in Abiötinsäure C14 H«4 08
tibergeht. Maly hat aus amerikanischem Colophonium bis zu 80 Procent dieser
Säure erhalten können. Daneben sind übrigens noch andere harzartige Säuren,
möglicherweise ebenfalls in Anhydridform enthalten. Darauf weist schon die nicht
vollständige Löslichkeit des Colophoniums in Petroleumäther hin. Jban hat beim
Real-EncydopMie der ges. Pharmacie. III. 15
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2*6
COLOPHONIUM. — COLORI METRIK.
Verseifen des Colophoniums neben Abietinsäure noch zwei Säuren erhalten , von
denen die eine eine schellackähnliche, in Walser lösliche Substanz darstellt.
Die alkoholische Lösung des Colophoniums reagirt sauer und lässt sich nach
der KöTTSTOHFER'schen Methode, welche A. Küemel und M. v. 8chmidt zur quali-
tativen Untersuchung der Harze vorgeschlagen haben, titriren. Kukmkl verbrauchte
zur Verseifung von je 1 g Colophonium folgende Mengen Kalihydrat in Milli-
grammen: Colophonium lichtes 163.2, dunkles 151.1, amerikanisches 173, eng-
lisches 16i».l. Keines Abietinsäureanhydrid würde nach der Berechnung 171mg
Kalihydrat erfordern. Somit stimmen die bei hellen Colophoniumsorteu gefundenen
Zahlen sehr gut mit den auf Grundlage von Maly's Formel theoretisch berechneten
tiberein.
Zur Gewinnung von reiner Abietinsäure C14HC105 wird 1 Th. grob ge-
pulvertes Colophonium mit 2 Th. 70procentigem Alkohol geschüttelt und auf
50 — 60ö erwärmt. Es bildet sieh ein Krystallpulver, welches man aus 3 Tb.
siedenden Weingeists von derselben Concentration umkrystallisirt. Auch scheidet
sich reine Abietinsäure aus, wenn man Salzsäurcgas in eine alkoholische Colo-
phoniumlösung leitet.
Die Abietinsäure bildet Blättchen oder trikline Kry stalle, die bei 165° schmelzen
und sich in Alkohol, Aether, Benzol und Eisessig lösen. Beim Erhitzen geht sie
in das Anhydrid über.
Sie ist zweibasiseh. Ihre Alkalisalze besitzen eine so grosse Aehnlichkeit mit
den Seifen , dass sie in der unreinen Form , wie man sie durch Kochen von
Colophonium mit verdünnten Alkalien gewinut, als „Harzseifen" Ähnliche Ver-
wendung wie die Fettseifen Huden.
Die gelbbraunen Lösungen schäumen beim Schütteln, versetzt man sie mit con-
centrirten Laugen oder Kochsalz, so scheidet sieh die Harzseife in Klumpen ab,
jedoch gelingt das Aussalzen nicht so vollständig wie bei den Fettseifen. Die
Lösungen werden durch Erdalkali und Mctallsalze gefällt. Die Niederschläge sind
amorph. Viele dieser Salze , so die Zink- , Kupfer- und Bleiverbindung sind in
Aether löslieh.
Das Colophonium findet eine ausgedehnte Anwendung zur Herstellung von
Firnissen und Kitten , als theilweiser Ersatz des Schellacks in der Fabrikation von
Siegellack, zur Herstellung von Pflastern und Salben, als „Geigenharz" zum Be-
streichen des Gcigeubogens und neben gemeinem Fichtenharz zur Erzeugung von
Harzseifen. Endlich liefert es bei der Destillation Harzspiritus und Harzöl, welche
ebenfalls technische Verwendung finden. Benedikt
Colophonium Succini ist d as nach dem Abdestillireu des Bernsteinöls au*
dem Bernstein in den Retorten zurückbleibende spröde, leicht zerreibliche Harz.
Colorimetrie ist, wie schon der Name andeutet, eiue quantitative' Methode,
um die Intensität einer Farbcnreaetioii zu messen , oder . wie es praktisch durch-
geführt wird, zu vergleichen. Man vergleicht die erhaltene Färbung mit jener,
die eintritt, wenn man dasselbe RVagens mit einer bekannten Menge des zu be-
stimmenden Stoffes zusammenbringt. Selbstverständlich können also nur solche
Heactionen colorimetrisch in Frage kommen, welche Färbungen geben, die möglichst
beständig sind; aber auch Fällungsreactionen können in colorimetrische umge-
wandelt werden, wenn so wenig der fällbaren Substanz vorhanden ist, dass nur
Trübung ohne wirklichen Niederschlag eintritt. Selbst Fällungareactionen mit
Niederschlägen sind colorimetrisch verwendet worden ; hier kommt aber in Betracht,
dass frisch gefällte Niederschläge anders aussehen, als seit einiger Zeit bestehende,
go dass hierdurch das Unzweckmässige des zuletzt erwähnten Falles klar vor
Augen tritt.
Da im Allgemeinen die gewichts- und maassanalytischen Methoden genauer sind,
als die colorimetrischen, so werden letztere nur dann mit Erfolg verwendet werden
können, wenn es an guten gewichts- und maassanalytischen Methoden fehlt oder
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CÜL0RIMETR1E.
227
Oberhaupt keine derartigen existiren, ferner wenn es sieh um sehr geringe Mengen
des nachzuweisenden Stoffes oder auch um rasche Ausführbarkeit im Fabriks-
betrieb handelt.
Leitende Principien für Auffindnug neuer colorimetriscber Methoden sind daher
folgende: Die eintretende Farbenreaction muss sehr intensiv, nicht schnell ver-
fänglich und in grosser Verdünnung noch deutlich erkennbar sein (dieses gilt auch
fflr diejenigen Fällungsreactionen, die in grosser Verdünnung jedoch entsprechend
gefärbte Flüssigkeiten liefern). Es muss annähernd die Concentration festgestellt
werden, welche am zweckmäßigsten zur Anwendung kommt, da zu dunkel gefärbte
Flüssigkeiten nur in dünnen Schichten durchsichtig sind. Es darf ein Ueberschuss des
zugesetzten Reagens die Färbung nicht beeinträchtigen oder es muss, wenn dieses
bei gefärbten Reagentien durch Eintreten von Mischfärbungen der Fall wäre, deren
Zusatz genau bemessen werden. Die Anfertigung der zur Vergleichnng dienenden
Lögungen von bekanntem Gebalt darf nicht zu umständlich sein.
Für die colorimetrische Methode sind besonders folgende Reactionen zur Ver-
wendung gekommen:
Ammoniak — Nesper's Reagens ; gelbe Färbung , besonders bei Wasseranalysen.
Eisenoxydsalze — Kaliumferrocyanid ; blaue Färbung (störend wirkt ein Ueberschuss
von letzterem der gelben Farbe der Lösung wegen).
Eisenoxydsalze — Salicylsäure ; violette Färbung (störend wirkt freie Salzsäure).
Eiscnoxydsalze — Kaliumsulfocyanid ; rothe Färbung.
Kupferoxydsalze — Kaliumferrocyanid ; röthliche Färbung.
Salicylsäure — Eisenchlorid ; violette Färbung, bei Untersuchung von Verbandstoffen
und Nahrungsmitteln.
Salpetersäure — Iudigolösung ; Entfärbung, bei Wasseranalysen.
Salpetrigsäure — Zinkjodidstärkelösung ; blaue Färbung, bei Wasseranalysen.
Salpetrigsäure — Metapbenylendiamin ; gelbe Färbung.
Schwefelwasserstoff — Bleiacetat; braune Färbung.
Chloride — Silbernitrat ; weisse Trübung, bei Wasseruntersuchungen.
Kohlensäure — Barytwasser ; weisse Trübung, bei Luftuntersuchungen.
Ferner zur Werthschätzung von Anilinfarben , anderen Farbmaterialien , wie
Curcuma , Indigo , Lackmus , Orlean , der Vergleich mit anerkannt guten Sorten,
»wie der Farbenintensität von Bier gegen Jodjodkaliumlösung, Trinkwasser gegen
Caramellösung, Tincturen gegen Lösungen von 1. Kaliumferrocyanid, 2. Kalium-
bichromat, 3. Kupfersulfat und Eisenchlorid, Milch gegen verschieden gefärbte
Milebglasplatten , Werthbestiromung von Knochenkohle für die Entfärbung von
Caramellösung u. s. w.
Die Ausführung der colorimetrischen Methode wird in der primitivsten Art in
folgender Weise vorgenommen. Die zu bestimmende Lösung wird mit dem betreffenden
Reagens versetzt und die auf diese Weise erhaltene Färbung mit derjenigen verglichen,
die durch dasselbe Reagens in einer Lösung des reinen Stoffes von genau bekanntem
Gehalt entstanden ist. Die Lösungen müssen in verhältnissmässig dicker Schicht
uoch durchsichtig sein und sind deshalb im Allgemeinen nur sehr verdünnt anzu-
wenden; aus diesem Grunde benützt man das auch für die Maassanalyse gütige
Princip, um Wägefehler möglichst zu paralysiren, dass man eine grössere Menge
der betreffenden Substanzen abwägt, löst und die Lösungen successive durch
weiteres Verdünnen kleiner Antheile auf den nöthigen Verdünnungsgrad bringt.
Die zuzusetzenden Mengen des Reagens sind auch möglichst gleich zu bemessen
nnd Ueberschüsse im Allgemeinen zu vermeiden. Die beiden zu vergleichenden
fTcfärlttcn Lösungen werden in gleich hoher Schicht in gleiche Gefässe (Cylinder
oder Reagenzgläser) gefüllt und gegen eine weisse Wand oder ein auf dem Tische
Farbenreactionen :
Fällungsreactionen:
228 COLORIMETRIE. — COLOSTRUM.
liegendes Stück weisses Papier (von oben) verglichen — Lösungen mit weisser
Trübung von Silberchlorid oder Baryunicarbonat werden gegen ein dunkles Papier
beobachtet. Es ist besonders darauf zu sehen, dass die Gefässe, in denen beob
achtet wird, gleich weit und von gleichmassig farblosem Glase sind.
Ist die zu bestimmende Flüssigkeit intensiver gefärbt als die Controllösung, so
wird erstere auf 1/a, 1/4 u. 8. w., je nachdem weiter verdünnt und in gleich dicker
Schicht wieder verglichen. Ist die Färbung hierbei unter die Stärke der Control-
lösung herabgegangen, so werden Zwischenstufen s4, */e u. s.w. gebildet. Für
hilutig sich wiederholende eolorimetrische Bestimmungen, besonders im technischen
Betriebe, fertigt man sich, wenn es möglich ist, die betreffenden Nuancen genau
zu treffen, colorirte Tabellen an, nach denen man die Färbungen vergleicht und
bestimmt.
Um die colorimetrischen Bestimmungen mit grösserer Genauigkeit ausfuhren zu
können, sind viele Apparate (Colorimeter) construirt worden: Glasgefässe mit
senkrechten Wandungen und von dreieckigem Durchschnitt, so dass der Durch-
messer 0 bis 1 cm an der breitesten Stelle beträgt mit entsprechenden Marken
an der Außenseite ; Glasröhren von entsprechend gefärbtem Glase und verschieden
starken Wandungen.
Die grösste Anzahl der Apparate ist nach dem folgenden Princip construirt.
Zwei Glasgefässe mit flachem Boden sind an einem Stativ befestigt und empfangen
durch einen unterhalb derselben angebrachten, verstellbaren Spiegel das nöthige Liebt.
An der Seite tragen die Glasgefässe eine Eintheilung, über dem Boden seitlich
einen Hahn, auch sind sie wohl gegeu seitlich einfallendes Licht geschützt.
Nachdem die Controllösung und die Versuchslösung bis zu gleicher Höhe ein-
gefüllt sind, wird während des Durchsehens durch beide Cylinder von der inten
nver gefärbten Flüssigkeit so viel durch den Hahn abgelassen, bis die Farben-
intensität in beiden Cylindern gleich ist. Hierauf wird der Stand der Flüssigkeiten
abgelesen und der gesuchte Stoff durch Rechnung gefunden.
In dem Umstand, dass für eine jede eolorimetrische Bestimmug die Anfertigung
der Controllösung nöthig ist, liegt ein Hemmniss für die allgemeinere Anwendbar-
keit dieser im Uebrigen bequemen Methode. Für einige Bestimmungen z. B. der
Salicylsäure , Salpetrigsäure , Werthschätzung der Farbstoffe , für welche es keine
einfachen gewichts oder raaassanalytischen Methoden gibt, ist die eolorimetrische
Methode allgemein in Gebrauch. Schneider.
ColOrill, ein dunkelgelber Farbstoff in der Krappwurzel.
Colostrum. Zu einer unbestimmten Zeit der Schwangerschaft (hie und da
schon im 2. oder 3. Monate) beginnt die Secretion der Brustdrüsen und steigt
allmälig bis zur Entbindung. Die Milch vor und in p. R
den ersten Tagen nach der Geburt heisst Colostrum;
es unterscheidet sich wesentlich von der eigentlichen /£p • 'P' r^*.
Milch; an geformten Elementen enthält es Fetttropfen, ©• '.O . ' \4
feine Kerne (Heidenhain), helle fettfreie Zellen und .Q^^oö fipjj\
Colostrumkörperchen, das sind mit Körnchen und Fett- G JaR VS'CL" • ' Q$
tröpfchen ganz erfüllte Protoplasmamassen. Diese ,»/ v^ ^ck^^-
letzteren verschwinden beim Menschen in ungefähr ?qO Vo ^^^ '^''
5 Tagen nach der Geburt, wenn gesäugt wird; im '•' °"dr^i"5<"fc5^
anderen Falle verbleiben sie darin bis zum Ende der Colostrum von einer im
Secretion. Das Colostrum ist alkalisch, zumeist schwach Monate «raviden F«ü-
gelblich gefärbt und reich an Albumin, so dass es beim Kochen gerinnt. Allmälig
nach der Geburt wird es ärmer an dem letzteren. Die chemische Untersuchung hat
Clemm folgende Resultate ergeben:
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COLDSTROM. — COLUMBIN.
229
4 Wochen
vor
17 Tage
vor
» Tage 1
vor
24 Stunden 1
nach |
» Tage i
der Entbindung
I "
II
94.524
85.197
85.172
85.855
84.299
86.788
5.476
14.803
14.828
14.145
15.701
13.212 1
2.182
2.881
6.903
7.477
8.073
0.707
4.130
3.024
2.347
4.863 ,
Milchzucker
1.727
3.945
4.369
3.637
6.099
Salze
i
0.441
0.443
0.448
0.544
0.512
" !
Literatur: Handb. d. Physiol. v. B. Hermann (Absonderung, B. Heid onh ai n). —
Physiol. Chemie v. Hoppe-Sey ler. Paschkis.
Cölubrinä, Gattung der Rhamnaceae, oft mit Geanothus L. und Rhamnus
Tournef. vereinigt. Tropische Sträucher mit alternirenden Blättern und achsel-
ständigen Inflorescenzen. Die Blttthen haben einen abstehenden Kelch, zusammen-
gerollte Blumenblätter, herausragende Staubgefässe, einen füufseitigen Discus und
dreikammerige Früchte mit kurzgestielten Samen.
Von Colubrina reclinata Brongn. stammt die M a b i - oder P o r t o r i c o-R i n d e,
Ecorce costiere, welche als Bittermittel in neuerer Zeit empfohlen und gleich
der Rinde einiger verwandten Arten (C. fermentum Rieh., C. ferruginosa
Brongn.) als Hopfensurrogat thatsächlich verwendet wird. Die Rinde enthält
das Alkaloid Ceanothin.
Radix colubrina, bekannter als Serpentaria (s. d.), stammt von Aristo-
lochia Serpentaria L.
Columbaria ist eine mit Scabtosa synonyme Gattung der IHpmceae. Als
Herba Columbariae bezeichnet man jedoch das Kraut von Verbena offi-
cinalia L.
Columbin wurde aus der Columbowurzel (s. pag. 223) von Wittstock 1830 zuerst
dargestellt. Die Columbowurzel wird mit Weingeist von 75 Procent ausgezogen, vom
erhaltenen klaren Auszug der Alkohol möglichst abdestillirt und der Rückstand im
Wasserbad völlig getrocknet. Man nimmt dann deu Rückstand wieder in Wasser auf
und mischt die dickliche trübe Lösung mit ihrem gleichen Volum Aether, hebt
nach öfterem Umschütteln die ätherische Lösung ab und destillirt davon den Aether
bis auf weniges ab, giesst den Aether von neuem auf die wässerige Lösung des
Columboauszuges und wiederholt die Operation bis zur Extraction des Columbins.
Ausser dem Columbin wird hierbei vom Aether auch ein fettes Ocl ausgezogen,
welches zum grössten Theil in dem wenigen nicht abdcstillirten Aether gelöst
bleibt. Der grösste Theil des Columbins scheidet sich aus diesem Rückstand bald
krystallinisch aus. Nach dem Abgicssen der öligen Mutterlauge wäscht man das
Columbin mit etwas kaltem Aether ab. Das jetzt noch gelbe Columbin wird in
kochendem wasser- und alkoholfreiem Aether gelöst und scheidet sich beim Ab-
destilliren des Aethers weiss aus.
Eigen sc ha ften. Das Columbin krystallisirt in weisseu oder durchscheinenden
Säulen oder feinen Nadeln des orthorhoinbischen Systems. Es hat die Formel
C^HjjQy, ist geruchlos und schmeckt bitter. Reagirt neutral. Es ist sehr wenig
löslich in kaltem Wasser, Alkohol, Aether und ätherischen Oelen ; in 30 — 40 Th.
siedenden 90procentigen Alkohol löslich und in ebensoviel Essigsäure von 1.04
spec. Gew. Es schmilzt bei 182°. Salzsäure wirkt nur schwach ein, starke
Salpetersäure zersetzt es langsam ; concentrirte Schwefelsäure gibt eine zuerst
gelbe, dann rothe Flüssigkeit. Es löst sich in verdünnten Alkalien ohne Zer-
setzung, während starke es in eine Säure verwandeln. Die Lösung des Columbin
wird weder durch Metallsalze noch Tannin gefällt. v. s c h r 6 d e r.
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2»
C0LUMB1NA. — COMEDONEN.
Columbina ist eine nicht gewöhnliche Bezeichnung für Bistorta (s. Bd. II,
pag. 270), das Rhizom von Polygonum Bistorta L.
ColumbOSäure. Wenn man aus dem alkoholischen Extraet der Columbo-
wurzel mit Kalkwasser einen Auszug bereitet und Salzsfture im Uebereehuss
zufügt , so scheidet sich Columbosflure aus , die nach Waschen mit Wasser und
Aether, Auflösen in Kalilauge, Ausfällen mit Salzsäure und Trocknen ein stroh-
gelbes Pulver bildet. Sie hat die Formel C21 Hs3 06, reagirt sauer, schmeckt bitter,
löst sich in Aether wenig, in Wasser gar nicht, leichter in Essigsaure, am besten
in Weingeist. Ihre alkoholische Lösung wird von essigsaurem Kupfer nicht, wohl
aber von essigsaurem Blei gefällt. v. Sehröder.
Columella, Mittelsäulchen, heisst die im Sporogonium der Laubmoose
sich entwickelnde centrale Gewebemasse, welche steril bleibt, wahrend aus dem
dasselbe umgebenden Gewebe sich die einzelligen Sporen entwickeln.
Columniferae. Abtheilung der Choripetalae , mit den Familien: Tiliaceae,
Sterculiaceae (inclusive Büttner iaceae) und Malvaceae (inclusive Bombaceae).
Colutea, Gattung der Papilionaceae. charakterisirt durch aufgeblasene, schliess-
lich trockenhäutige, mehrsamige Fruchte. Mehrere Arten sind verbreitete Ziersträucher.
Die Wärter der im wärmeren Europa heimischen Colutea arborescens L. waren
einst als Senna germanica in arzueilicher Verwendung. Sie sind unpaar gefiedert,
die Blättchen oval oder ruudlich, stumpf oder ausgerandet, stachelspitzig, ganz-
randig, auf der Unterseite seegrün, kahl.
Folia Cohtteae scorpioidis stammen von Coronilla Einem* L. (Papilionaceae).
Sie sind unpaar gefiedert, die Blättehen verkehrt eiförmig, ganzrandig, stumpf
oder ausgerandet, auf der Rückseite angedrückt behaart, grasgrün.
Diese Scorpions - Kronwicke, wegen der Gestalt der Hülsen so genannt,
wurde gleich dem vorgenannten Blasenstrauch als Surrogat der Senna ange-
wendet. Speeifische Bestandteile sind weder von der einen, noch
von der andereu bekannt. J. Mo eil er. Fi*. 38.
ColzaÖl — Rüböl (s. d.).
Coma (/.öy.x, fester Schlaf), Schlafsucht, Somnolenz; Coma
v i g i 1 , ein halbwacher Zustand mit Traumdelirien.
Coma Hyperici = Flore» Hyperici. — Coma Meliloti =
Herha Meliloti.
Comachrome ist ein Pvrogalluesflure und Silbernitrat ent-
h alteudes Haarfärbemittel.
Combe, Inee oder Onage sind Bezeichnungen für ein von
Strophanthua hispidus DC. (Ajtocynaceae) abgeleitetes Pfeilgift,
welches seiner Wirkung nach in die Digitalingruppe gehört.
CombretaCeae, Familie der Myrtiflorae; Bäume oder häufig
kletternde Straucher der Tropen. Charakter: Blatter meist gegen-
ständig. Blüthe regelmässig, zwitterig, selten polygaimWh-diöcisch
oder eingeschlechtlich. Kelch uud Krone klappig, 4 — 5zählig.
Staubgefrisse 8 — 10. Griffel einfach. Fruchtknoten einfäeherig.
Sydo w.
Comedonetl, Mitesser, siud die durch übermässig angesam-
melten Hauttalg verstopften Ausführungsgäuge der Talgdrüsen. Man
bemerkt sie als dunkle Punkte im Gesieht, auf Brust und Rücken. Verfri^ei-T""'
Durch einen seitlich angebrachten Druck kann der Talgpfropf heraus-
befördert werden. Im ausgedrückten Inhalte des Comedo trifft man oft
ignizea Dy
Google!
CüMEDONEN. — COMMUTATOR.
231
Koch's Comiuahacillen.
Acorus folliculorum an; doch findet sich dieser auch iu den normalen Talgdrüsen,
nach Heiwa sogar viel häutiger, kann also nicht die
l'rsaehe der Erkrankuug «ein.
CommabacillUS, s. Fig. 39 und Spirochaete
Cholerae asiaticae, Bd. II, pag. 87.
Commandeur- oder Commendatorbalsam
sind volksth. Bezeichnungen für Tinctura Uenzoes
couiposita (Balsamuni Commendatoris). — Comman-
deursalbe ist ünguentnm basilicum.
Commelinaceae, eine Familie der EnantioMa-
tlae, ausschliesslich der wärmeren Zone beider Hemi-
sphären angehftrig. Charakter : Perigon (»blätterig ; die 3 inneren Blätter blumen-
kronartig gefärbt. Stengel knotig. Staubgefässe 6 , sämmtlich fruchtbar. Staub-
fäden meist mit schön gefärbten., gegliederten Haaren besetzt. Kapsel 3fächerig.
jvimenträger in der Mitte stehend. Sydow.
Commutator, Stromwender, auch Gyrotrop (yj;o;, Kreta , Tstirto, ich wende)
int ein Apparat zur Umkehrung der Richtung eine« elektrischen Stromes in einem Theil
seiner Leitung. Von der grossen Anzahl der vorhandenen Constructionen be-
schn i .en wir nur jene von Ruhmkorff, die namentlich bei den Ri'HMKORFF'schen
Funken-Inductorien in Anwendung kommt und in Fig. 40 dargestellt ist.
Fig. 40.
Der RüHMKORFF'sche Commutator besteht aus einem Ellenbein- oder Hartgummi-
cylinder c, welcher der Länge nach zwei vollständig von einander getrennte
Metallwülste d und e tragt, und auf einer zweitheiligen, metallenen Achse a b
steckt, die von beiden Seiten mässig tief in den Cylinder eingreift. Der Theil a
der Achse steht einerseits durch das metallene Lager mit der Klemmschraube /",
andererseits im Innern des Cylinders mit. dem Wulste e in leitender Verbindung
und in gleicher Weise auch der Achsentheil b mit d und </. An jeden der Wülste d
und e legt sich bei der gezeichneten Stellung des Commutators eine der breiten
Metallfedern k und l an, mit welchen durch die Klemmen // und i die Enden
jenes Theiles /• der Leitung in Verbindung stehen , iu dem die Stromrichtung
umgekehrt werden soll. Der Strom selbst gelangt durch die Klemme g in den
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232 COMMÜTATOR. — COMPLEMENTÄRE FARBEN.
Apparat und verlädst ihn bei f] nachdem er, von g Aber b, d, k strömend, die
Leitung r in der Richtung von h nach i durchflössen und dann Aber / und e den
Achsentheil a erreicht hat. Bringt man aber durch eine Drehung des Cylinders
den Wulst e mit der Feder k, d mit / in Verbindung, so gelangt der Strom
über 9, h und d in die Feder J, durchfliegst die Leitung r nunmehr in der
Richtung von t nach h und kommt dann weiter Über die Feder k zum Wulste c,
in die Achse a und wieder zur Klemme f.
Bei jener Stellung des Cylinders, bei welcher die beiden Wülste die Federn
uicht berühren, dient der Apparat auch als Stromunterbrecher. Pitsch.
COfTip., auf Recepteu vorkommende Abkürzung für compositus.
Compensation, Ausgleichung, bezeichnet die Beseitigung nicht beabsichtigter,
störender Vorgänge durch andere, ihnen eutgegenwirkende. Am häufigsten findet
man die sogenannte thermische Compensation zur Beseitigung störender Wirkungen,
die von der Ausdehnung der Körper dnreh die Wärme herrühren, z. B. bei Uhr-
pendeln, bei den Unruhen der Taschenuhren, berEisenconstructionen und noch in
vielen auderen Fällen. Als magnetische Compensation bezeichnet man die Be-
seitigung einer nicht beabsichtigten, etwa durch benachbarte Eisenmassen (z. B.
auf eisernen Schiften) hervorgerufenen Ablenkung der Declinationsnadel ans dem
magnetischen Meridian. Ferner spricht man noch von der Compensation eines
elektrischen Stromes durch Einwirkung eines gleich intensiven, aber entgegen-
gesetzt verlaufenden (bei manchen elektrischen Messungen), und in seltenen Fällen
auch von einer chromatischen Compensation, nämlich der Beseitigung der Farben-
zerstreuung bei Linsen. Pitsch.
Compensationsextract von Simon ist eine dem bekannton Restitutions
ähnlich zusammengesetzte Einreibung.
CompenSationSmagnet oder Berichtigungsstab ist ein kleiner, am
Multiplicator angebrachter, gegen den einen Pol der oberen Nadel gerichteter,
feststehender Magnctstift, welcher dem astatischen Nadelpaar soviel von seiner
Kraft nimmt, dass die anziehenden Kräfte in den Drahtwindungen — selbst dem
reinsten Kupfcrdrahto ist noch etwas Eisen beigemischt, welches auf die Magnet-
nadel eine Anziehung ausübt — der Kraft des Erdmagnetismus gegenüber
unwirksam werden.
Complementäre Farben, sich ergänzende Färb en, nennt man zwei solche
Farben, welche in einem bestimmten Verhältnis« genascht, Weiss geben. Comple-
mentär sind z. B.
von Spectralfarben : von Mischfarben:
Roth Grünblau Purpur Grün
Orange Cyanblau Rosa Blassgrün
Gelb Indigblau i Strohgelb Himmelblau
Grüngelb Violett. Blauwcks Gelbweiss.
Hält man complementäre Karben neben einander, so bringeu sie stets einen
angenehmen Eindruck im Auge hervor. Sie treten auch bei manchen optischen
Erscheinungen unmittelbar neben einander auf. So erscheinen im Allgemeinen zwei
complementär gefärbte Bilder, wenn ein Bündel paralleler, weisser Lichtstrahlen der
Reihe nach durch einen Polariscur, ein dünnes, doppeltbrechendes Krystallplättchen
und einen Analyseur hindurchgeht (s. Polarisation). Auch bei vielen Con-
trasterscheinungin erblickt man complementäre Farben neben einander, z. B. bei
den farbigen Schatten , die entstehen , wenn der von einem farbigen Lichte auf
einer weissen Flüche eutworfene Schatten durch schwaches , weisses Licht etwas
aufgehellt wird. Der Schatten erseheint dann complementär zu der vom farbigen
Lichte erleuchteten Fläche gefärbt. Auch die negativen Nachbilder eines farbigen
Gegenstandes, wie sie z. B. entstehen, wenn man den Gegenstand vor einem
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COMPLEMENTÄRE FARBEN. — COMPRESSE. 233
grauen oder weissen Hintergrund längere Zeit scharf fixirt und dann plötzlich
entfernt, zeigen wenigstens während einer kurzen Zeit nach ihrem Entstehen die
zur Gegenstandsfarbe oomplementäre. Pitsch.
CompOSitae, Familie der Aggregaten- . Kräuter, seltener Holzgewächse mit
Aber 10.000 Arten in allen Zonen und Florengebieten. Mit Ausnahme der Am-
bnm'eae gehören sämmtliche Arten der 19. Gasse (Syngene*ia) des LiNNK'schen
Systems an. Charakter: Blätter spiraligy seltener gegenständig. Nebenblätter fehlen.
Blüthen zwitterig oder zum Theil i selten alle) eingeschlechtlich oder geschlechtslos,
in viel-, seltener in einblflthigen Köpfchen, welche von einer aus Hochblättern ge-
bildeten Hülle (Involucrum, Anthodium, Pericl'mium Cass., Calyx communis Jj.)
umgeben sind. Kelch fehlend oder als Haarkrone (Pappus). Krone entweder
regelmässig und röhrig, oder symmetrisch nnd zungenförmig nach | oder |»
seltener 21ippig nach \ Staubgefässe 5, der Krone ciugefügt, mit den Antheren
verwachsen. Griffel 1, durch die von den Staubbeuteln gebildete Röhre hindurch-
wachsend. Narben 2 , sehr verschieden gestaltet. Frucht eine trockene Schliess-
frucht (Achaenium). Samen ohne Eiweiss. Die Familie zerfallt nach Lessing und
i»k Caxdollk in :
a) Tubuliforae : Blüthen ausschliesslich röhrenförmig oder äussere Blüthen
strahlig nach ^.
2
b) Labtat iflorae: Blüthen 2lippig nach ...
c) Liguliflarae : Blüthen ausschliesslich zungenförmig nach 5< Sydow.
CompOSitionSmetalt, eine Legirung von Zinn mit Antimon, Wismut und
Kupfer.
Compound, engl. Bezeichnung für dasjenige, was wir als Gemisch, Compositum
bezeichnen würden , bezieht sich sowohl auf pulverige wie auf flüssige Gemische.
Compound CathartiC EÜXir (Ph. U. 8.), ist zusammengesetzt aus \t Th.
Podophyllin (in 15 Th. Spiritus gelöst), 35 Th. Extr. fluid. Frangulae, 35 Th.
Extr. fluid. Sennae, 60 Th. TaHurus v.atronatus , 50 Th. Tinctura aroviatica
und so viel Elixir Liquiritiae, dass das Ganze 600 Th. beträgt. — Compound
CathartiC Pills (Ph. ü. S.), 8.5 g Extractum Colocyntbidis comp., 6.5 g Resina
Jalapae, 6.5 g Calomel und 1.5 g Gutti zu 100 Pillen. — Compound HOnOy Of
Squill, ein in Nordamerika sehr beliebtes Hustenmittel , besteht aus je 120 Th.
Bulbi Scillae und Radix Senegae zu 1000 Th. Colatur gekocht, worin 2000 Th.
Sacchart/in und 3 Th. T rrrtarus tfibiatus gelöst werden (10.0 Syrup enthalten
o.oi Brechweinstein). — Compound Liniment of Mustard (Ph. Brit.), ist eine
Mischung aus 1 Th. Ext factum Mezerei aetb., V!3 Th. Oleum Sinapis, 3 Th.
Campbora, 7\<2 Th. Oleum Ricini und 48 Th. Spiritus dilutus. — Compound
Pill8 of Gamboge (Ph. Brit.), sind 0.15g schwere Pillen, aus je 2yaTh. Ahes,
Gutti und Ptdvis aromaticus, 5 Th. Sapo medicatus und so viel als nöthig
Syrupus Sacchari bestehend. Compound PowdeP of Opium (Ph. Brit.), ist
eine Pulvermischung, aus 3 Th. Opium, 4 Th. Piper nigrttm, 10 Th. Rbizom.
Zingiberis, 12 Th. Frucfus Carvi und 1 Th. Traganth bestehend. — Compound
Rhubarb. Pill8 (Ph. Brit.). Die Masse zu diesen Pillen besteht aus 4.5 g Aloe,
6 g Radix R bei, je 3 g Myrrha und Sapo medicatus, 8 Tropfen Oleum Menth ae
pijter. und 8 g Syrup. simplex. — Compound Tinctura of Camphor (Ph. Brit.),
besteht aus je 4 Tb. Opium und Acidum brnzoicum , je 3 Th. Camphora und
tiU'im Anisi und 5)60 Th. Spiritus dilutus.
CompreSSe Oder BaUSCh nennt man ein mehrfach zusammengelegtes Stück
Leinwand, welches als Verbandroittel benützt wird. Werden mehrere Compressen
von stufenweise zunehmender Grösse übereinander gelegt und durch Hefte an-
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COMPRESSE. — COMPRIM1RTE ARZNEIMITTEL.
einander befestigt, so erhält man eine graduirte Compresse. Longuetten
sind Compresseri, welche lang und zugleich schmal sind.
Compression nennt man in der Medicin analog wie in der Physik einen
durch Äussere Kräfte bewirkten Druck. Die Compression kann eine zufällige sein ;
so kann vou Seite einer Geschwulst ein Nerv, ein GefJlss oder ein anderer im
Organismus befindlicher Canal coniprimirt werden. Durch beabsichtigte Compression
mit Hilfe der Finger oder eines Toumiquets kann der Chirurg eine Blutung ver-
hüten oder eine entstandene zum Stehen bringen.
Compressorium. Da« c omprcsHorium oder der mikrotomische
Quetscher dient dazu , auf mikroskopische Präparate einen allseitig gleioh-
mässigen , während der Beobachtung in beliebigem Grade allmälig gesteigerten
Druck wirken zu lassen , nm entweder zarte Objecte , deren iunere Structur nur
dauu in erforderlicher Weise aufgehellt werden kann, weuu sie durch allmälige
Quetschung ausgedehnt werden, überhaupt durchsichtig zn machen, oder insbesondere
die für die Beurtheilung mancher Thatsachen wichtigen Veränderungen zu studiren,
welche dabei gewisse Structursverhültnisse, Inhaltskörper u. dergl. erleiden.
Die fraglichen Hilfsapparate des Mikroskope* werden von unseren optischen
Werkstätten in verschiedener Ausführung geliefert, sind aber im Ganzen und
Grossen entbehrlich und können dureh eine sichere Hand in den meisten Fällen
vollkommen ersetzt werden. D i p p e I.
Compri'mirte Arzneimittel. Dieldee, Medieamente durch starke Pressung in
compacte Form zu bringen, mag eine alte, in verschiedenen Ländern aufgetauchte
sein; praktisch jedoch wurde dieser Gedanke erst 1*73 in richtiger Weise von
Professor J. Rosknthai, in Erlangen aufgefasst und durchgeführt. Derselbe schlug
zuerst die Anwendung der Compression für Arzneimittel in Nr. 34 der Berliner
klinischen Wochenschrift 1874 vor und Hess bei Mechaniker F. Bauer in Er-
langen eine Comprimirpresse nach seinen Angaben construiren. Sein Vorschlag
fasste Boden in Deutschland, der Schweiz, Oesterreich und Nordamerika, und es
entstanden verschiedene Systeme, Arzneimittel zu comprimiren, sowohl in Bezug
auf die mechanischen Vorrichtungen, die Maschinen zum Pressen, als auch auf die
äussere Gestalt des gepressten Productes. Je mehr dieses der runden Form einer
Pille sich nähert, um so verwendbarer wird es in der Pharmacic; denn die <-<>m-
primirteu Tabletten sind zu kantig und zu breit, um leicht geschluckt werden zu
können.
Die comprimirten Arzneimittel haben den Vorzug, in kleiuer Form, bei geringem
Volumen viel wirksame Substanz zusammengedrängt zu enthalten. Dadurch wird
ermöglicht, grössere Mengen Arzueistoffe mit Leichtigkeit einnehmen zu können.
Da dieselben ferner wie Pillen ganz und ungekaut geschluckt werden können, so
wird weder Zunge noch Gaumen dureh den jeweilen unangenehmen Geschmack
der Substanzen belästigt , indem mau mit Hilfe irgend eines Getränkos , z. B.
Wasser, Wein, Kaffee die Kugeln leicht hinunterbringt. Wird jede Dosis des zu
pressenden Pulvers gewogen und nicht, wie leider oft der Fall, uur gemessen, ho
bieten die comprimirten Heilmittel noch den Vortheil der exaeten Dosirung. Ihre
Form soll thunlichst nur durch starken Druck ohne Anwendung irgend eiues
klebenden Bindemittels erzeugt werden , so dass sie sich leicht , ohne Beschwerde
und rasch im Magen auflösen. Sie sollen so hart sein, dass sie auf einen Holzboden
fallen gelassen nicht zerbrechen, denuoch wiederum so wonig dicht, dass sie,
mit einem Messer zerschnitten, zu Staub zerdrückt werdeu können und in einem
Glase Wasser in kürzester Zeit spontan zerfallen.
Die abweichende physikalische Beschaffenheit der zu comprimirenden Substanzen
setzt natürlich verschiedene Bedingungen , unter welchen eine durch Compression
bewirkte Cohärenz erfolgt, voraus.
Hygroskopische und sehr fetthaltige Stoffe können nur mit grosser, wenig sich
lohnender Mühe comprimirt werden.
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i
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COM PK Uli UTE ARZNEIMITTEL. - CONCAV.
Bei verschiedenen Pulvermischungen und Salzen genügt als Vorbereitung ein
einfaches Erwärmen , bei anderen ist ein vorheriges Feuchtlegen in einen eigens
hierzu construirten Schrank genügend. Wieder andere, besonders vegetabilische
Pulver, z. B. Rhabarber, Koso etc., welche durch eine zu hohe Wasseraufnahme
dunklere Farbe bekommen würden, lflsst man nur wenig Feuchtigkeit anziehen,
erhöht aber die Wirkung derselben dadurch, dass man das feuchte Pulver in kleinen
Portionen im Wasserbad erwärmt und dann comprimirt.
•Schliesslich gibt es Körper (Natr. bicarbonic), bei welchen alle diese Mittel noch
nicht genügen. Ihnen mischt man je 5 Procent Pulv. Gummi arabici und Sacchari
zu, legt dann feucht und erwärmt schliesslich.
Die im Handel befindliehen Maschinen siud alle brauchbar und unterscheiden
sich nur durch mehr oder weniger grosse Leistungsfähigkeit. Als sehr gut gearbeitet
können die von G. Bauer in Erlangen Erwähnung finden, ferner solche von Kilian
in Berlin.
Wenn nun auch eine gute Maschine die Production sehr unterstützt, so wird
m doch nur eine secundäre Rolle spielen gegenüber den oben beschriebenen Vor-
bereitungen der Pulver. Denn der Schwerpunkt liegt nicht in der Compression,
sondern in den Bedingungen dazu.
Sehr leicht lösliche Salze , wie Jodkalium , verursachen in comprimirter Form
geschluckt, durch ihre rasche Wasserabsorption und daherige Erzeugung von Kälte,
localc entzündliche Affectionen der Magenschleimhaut. Unlösliche und schwerlös-
liche Substanzen, durch das Comprimireu steinhart geworden, passiren oft deu ganzen
Verdauungsapparat, ohue wesentlich resorbirt worden und zur Wirkung gelangt zu
sein, ja gehen bei Dyspepsie mit den Fäces wirkungslos wieder ab. Dieser Uebel-
stand kann dadurch gehoben werden, dass der zu pressenden Substanz eine kleine
Quantität eiues indifferenten vegetabilischen Pulvers zugesetzt wird, welches jedoch
nicht die Eigenschaften eines Bindemittels haben darf, da es sich nicht wie bei
den Pillen um Erzielung einer plastischen, sondern gegentheils einer spröden Masse
bandelt. Möglichst hart sind nur solche Stoffe zu comprimiren , welche nicht wie
Pillen ganz geschluckt , sondern gleich Pastillen im Munde langsam zergehen ge-
lassen, genutscht werden sollen, wie z. B. chlorsaures Kali. Hier ist die Härte
absolut nothwendig, damit die Pastille im Munde nicht zerfalle, sondern sich mög-
lichst langsam löse und wahreud längerer Zeit der mit dem wirksamen 8toffe im-
prägnirte Speichel die kranken Stellen imbibirt.
Die comprimirteu Arzneimittel haben bisher noch nicht die ihnen gebührende
Verbreitung gefunden, obschon sie viel Bequemlichkeit dem Publikum bieten, indem
sie ein erleichtertes Einnehmen ermöglichen und ihre Form gestattet, sie in der
Tasche tragen und zu jeder Zeit rasch in Gebrauch ziehen zu können.
A. Huber.
Compte-gOUtteS ist der französische Ausdruck für Tropfglas, Tropfenzähler.
ComptOnia. mit Myrica L. synonyme Gattung Aiton's. — Die durch fieder-
theilige Blätter mit Nebenblättern vor Allen ausgezeichnete Art C. asplem'folta
Bank* (Myrica wtplenifolia El.) wird in Nord- Amerika als Sweet Fern
gegen Durchfälle gebraucht.
COriC, auf Recepten vorkommende Abkürzung für conceutratus oder concisus.
ConCftV nennt man jene Seite eines Körpers, welche eine von einer gekrümmten
Fläche begrenzte Aushöhlung hat. (Bei Curven nennt man concav jene Seite, auf
welche der Durchschnittspunkt zweier Krümmungsradien zu liegen kommt.) Convex
heisst die Seite eines Körpers, welche eine von einer gekrümmten Fläche begrenzte
Erhabenheit besitzt. Am häufigsten werden die Ausdrucke concav und convex auf
sphärisch geschliffene Gläser, sogenannte Linsen angewendet. Concavlinsen oder
Hohlünsen sind immer in ihrer Mitte dünner als an ihrem Rande; dabei können
beide geschliffenen Flächen concav sein (biconcave Linse), oder die eine Fläche
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236 CONCAV. — CONCENTRATIONEN.
ist oben (planconcave Linse), oder es ist die eine Fläche sogar convex (convex -
concave Linse), nur ist der Krümmungsradius der Convexität grösser, die Krümmung
also schwächer, wie auf der concaven Seite. Die Concavlinsen zerstreuen das durch
sie hindurchgehende Licht , daher nennt man sie Zerstreuungs-Linsen.
Convexlinsen sind in ihrer Mitte dicker als an ihrem Rande, haben entweder zwei
convexe Flächen (biconvexe Linse) , oder die eine Fläche ist eben (planconvexe
Linse) , oder die eine Fläche ist concav (concav-convexe Linse) , jedoch hat die
convexe Fläche eine stärkere Krümmung als die concave. Convexlinsen haben die
Eigenschaft, durch sie hindurchgehende Lichtstrahlen zu sammeln ; man nennt sie
deshalb S ammel-Linsen. — S. auch Brillen, Bd. II, pag. 386.
ConCentratiOll bezeichnet den Gehalt eines Lösungsmittels an gelöster
Substanz, oder das Verhältnis» zwischen den Gewichtsmengen beider. Eine Lösung
wird ooncentrirt genannt, wenn die Menge des gelösten Stoffes relativ gross
ist, sie heisst verdünnt bei relativ kleinen Mengen ; sie heisst gesättigt,
wenn sie so viel von dem gelösten Stoff enthält, als das Lösungsmittel unter den
gegebenen Umstäuden überhaupt aufzunehmen vermag. Für die Bezeichnung
der Coneentration gibt es zwei Modalitäten ; entweder sagt man , wie viel
ein Gewichtstheil eines Körpers von dem betreffenden Lösungsmittel gebraucht,
oder man gibt an, wie viel 100 Gewichtstheile des Lösungsmittels von dem zu
lösenden Körper aufzunehmen vermögen. Die Aufnahmefähigkeit einer Flüssigkeit
an löslichen Substanzen ist, analog der Löslichkeitsgrenze und der Löslichkeit
überhaupt, abhängig von der Temperatur. Ganswind t.
CoflCentrationen nennt man gewisse in concentrirter Form her-
gestellte Medicamonte, die , um auf die von der Pharmakopoe oder einer
sonst giltigen Vorschrift verlangte Stärke gebracht zu werden, einfach mit dem
betreffenden Vehikel zu verdünnen sind. Die Pharmakopoen selbst
haben in den Vorschriften zu den „zehnfachen destillirten Wässern"
den Weg gekennzeichnet, und die Industrie hat denselben mit glücklicher Auswahl
weiter ausgebaut.
Vorwiegend sind es Präparate, die entweder in Folge schwieriger, complicirter
Darstellung oder wegen geringer Haltbarkeit, namentlich im Sommer, als Concen-
trationen hergestellt werden.
Zur Bereitung der destillirten, aromatischen Wässer dienen spirituöse,
200fach concentrirte Auflösungen der betreffenden ätherischen Oele oder noch
besser und correcter spirituöse, 200fach concentrirte Destillate der betreffenden
Vegetabilien etc. Dieselben, denen die Bezeichnung „Essentia" beigelegt worden
ist, werden mit 199 Th. destillirten Wassers verdünnt und liefern alsdann das
einfache Präparat (nach Tropfen ausgedrückt, kommt ein Tropfen der Essenzen
auf 10.0 g Wasser).
Zur Darstellung jener Essenzen werden die Vegetabilien frisch getrocknet oder
auch frisch mit Spiritus destillirt und das Destillat durch Cohobiren auf den
200. Theil des nach der Vorschrift zu gewinnenden einfachen (wässerigen) Destillats
gebracht. Bei der Bereitung der Essenzen aus fertigen ätherischen Oelen, die bei
stark die Destillirblasen verunreinigenden Stoffen gerechtfertigt erscheint, ist für
das Verhältnis» von ätherischem Oel zu Spiritus der Gehalt der betreffenden Droge
an ätherischem Oel maassgebend. Dass natürlich nur gute, frische, uicht ver-
harzte ätherische Oele Verwendung finden dürfen, ist selbstredend. Die Aufbe-
wahrung der „Essenzen für aromatische VV ä s s e r" geschieht, wie die der
ätherischen Oele selbst, in gut verschlossenen Glasflaschen am kühlen Orte und
unter Abschluss des Lichtes.
Die bekanntlich geringe Haltbarkeit der einfachen destillirten Wässer, das
Schleimigwerden, Trübwerden. Dumpfigwerden derselben, welches bei wenig gang-
baren Sorten eine fortwährende Calamität ist. wird durch Verwendung derartiger
Essenzen glücklich beseitigt. Wenn die Essenzen in den giltigen Pharmakopoen
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CONCENTRATIONEN.
237
auch noch kein Bürgerrecht erlangt haben , da sie erst jüngeren Datums sind,
so ist deren Verwendung zur Darstellung der aromatischen Wässer doch sicherlich
viel empfehlenswerther und bei weitem weniger zu beanstanden , als die sonst
häufig geübte Praxis (Anschütteln der ätherischen Oele direct oder der mit
Calcium phosphoricum, Magnesia usta, Saccharum Lactis u. s.w. gemischteu
Oele mit destillirtem Wasser und hierauffolgendes Filtriren).
Kine zweite Reihe von Concentrationen sind die zehnfachen Syrupe, die
durch Verdünnen mit dem neunfachen Gewichte St/rupus simple* das gewünschte
Präparat ergeben. Auch für diese ist die Haltbarkeit gewährleistet, sobald die
concentrirten Syrupe genügend zuckerreich sind, um sich zu conserviren und der
einfache Syrup für einen kleinen Vorrath (Standgefäss) oder ad dispensationern
durch Verdünnen mit Syrupus simplex aus der Concentration hergestellt wird.
Weniger aus Gründen der geringen Haltbarbeit , sondern mehr wegen der
Umständlichkeit der Darstellung, ist die Anfertigung der concentrirten
Spiritusdestillate geboten. Die in zehnfacher Concentration hergestellten
Präparate werden durch Destillation aus den betreffenden Vegetabilien mittelst
Spiritus bereitet und durch Verdünnen mit dem neunfachen Gewichte Spiritus
(dilutus) das einfache Präparat daraus erhalten.
Aus gleichem Anlass geschieht die Darstellung der zweifach concentrirten
infnndirten Oele, die, um das einfache Präparat zu erhalten, mit dem
gleichen Gewicht Olivenöls verdünnt werden. Zur Darstellung empfiehlt sich nach
Dih-erich die Verwendung des groben Pulvers der betreffenden Vegetabilien an
Stelle der von der Pharmakopoe vorgeschriebenen geschnitteneu Substanzen.
Gleichfalls unter die Concentrationen zu ziiblen sind : Infusum Digitalis, Ipeca-
cuankae, Scillae, Stcalis cornuti siccum. Diese werden bereitet durch wässerige
Infusion, Fällen der Eiweissstoffe durch Spiritus, Eindampfen des Filtrates mit
Milchzucker, oder Milchzucker und Rohrzucker Verreiben des trockenen Rück-
standes mit so viel Zucker, dass das Gosammtgewicht dem Gewicht der ange-
wendeten Droge gleichkommt. Zum Gebrauch wird das Infusum siccum in vor-
geschriebener Menge in Wasser gelöst
Gegen die Berechtigung der letztgenannten trockenen Infus« sind verschiedene Ein-
wände erhoben wordeu. Dieselben richten sich jedoch weniger gegen die Präparate
selbst, als vielmehr gegen die durch den Namen angedeutete Verwendung zur Be-
reitung der Infusa, indem besonders Schwierigkeiten bei der Taxirung befürchtet werden.
Die in der obigen, kurz skizzirten Darstellungsmethode liegenden Principien
sind auch bereits auf andere Drogen angewendet worden (s. P h. Central-
halle, XXVII, pag. 617). Mit der Umänderung des Namens Infusa sicca in
Extracta solida ist einmal den oben erwähnten Einwendungen der Boden ent-
zogen und andererseits sind die Methoden der Extractdarstellung um eine ver-
mehrt, die wohl werth wäre, officiell adoptirt zu werden. — (Vergl. unter
Extracte und Extractdarstellung).
Eine fernere Classe der Concentrationen bilden die concentrirten äthe-
rischen Oele, die sogenannten Patentöle. Diese sind durch Rectificatiou von
den nicht riechenden Antheilcn (Kohlenwasserstoffen) befreit, zeichnen sich daher
auch durch reineren Geruch und grössere Löslichkeit in Wasser und verdünnten
Spirituosen aus. Das Verhältniss ihrer Concentration richtet sich nach der Menge
der durch Fractioniren entfernten Kohlenwasserstoffe, ist also bei den verschie-
denen ätherischen Oelen nicht gleich und bewegt sich beiläufig in den Verhält-
nissen von 1:2 bis 1 : 30 mit allen Zwischenstufen für die verschiedenen Oele.
Meist besitzen die Patentöle ein höheres specirisches Gewicht und grössere
Haltbarkeit als die gewöhnlichen Handelsproducte.
Verschieden von den vorstehend behandelten Concentrationen sind die
amerikanischen Concentrationen (Goncentrated Ilemedies, Concentrattd
Medicines, Eclectic Remedies) , denen auch häufig die wenig zutreffende Be-
zeichnung Resinold beigelegt wird.
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238
C 0 N C K N TU A T 1 0 N EN.
Die amerikanischen Concentrationen finden seitens der Eklektiker ausschliess-
liche Verwendung, da dieselben die Verwendung anorganischer Chemikalien
wenigstens für den innerlichen Gebrauch perhorresciren und sind als reine Stoffe
keineswegs zu betrachten ; sie enthalten je nach ihrer Abstammung Harze, Alkaloide,
Glucoside, mit den verschiedensten indifferenteu Stoffen vermischt oder sind auch
halbflüssige Gemische von Oeleu mit Harzen , sogenannte Oleoresine. reber
die Zusammensetzung ist eigentlich so gut wie nichts bekannt und selbst die
Darstellungsmethoden sind zum grossen Theil geheim gehalten. Daher kommt es
auch, dass den gleichen Namen tragende Präparate verschiedener Fabrikanten ganz
verschiedene Producte sind und die verschiedenartigsten indifferenten Stoffe euthalten.
Im Folgenden sind die Darstellungsmethoden, soweit dieselben bekannt geworden
sind, kurz skizzirt; als indifferente Substanz, mit denen die Concentrationen in
ziemlich willkürlicher Weise vermischt sind , werden genannt Milchzucker , Lyco-
podium, das Pulver der betreffenden Droge, auch mineralische Pulver, lieber das
Mengenverhältnis* jedoch , des indifferenten Stoffes zu dem wirksamen, oder der
fertigen Concentratton zur Robdroge verlautet sehr wenig und wenig zuverlässiges.
Die englische Nomenclatur bezeichnet durch die Endung — in ein Harz oder
einen neutralen Stoff, durch die Endung — i a oder — i n e jedoch ein Pflanzenalkaloid.
Führt also die Nomenclatur der Concentrationen, die vorwiegend auf — in endigen,
durch die geringe Abweichung der Namen leicht zu Missverständnissen und Ver-
wechslung mit stärker wirkeuden Präparaten (z. B. Sanguinan'n ist die Concen-
tration, San yuinaria ist das Alkaloid), bo ist diese Gefahr im Deutschen, da wir
diesen Unterschied der Endungen überhaupt nicht kennen , um so grösser (z. B.
die ziemlich unschuldigen Concentrationen Aconitin, Atropin, Hyoscyamin, Veratrin
u. s. w., schreiben sich genau so, wie die giftigen Alkaloide). Neuerdings ist
stollenweise versucht worden, durch Einführung besonderer Namen für derartige
Concentrationen Verwechslungen vorzubeugen , z. B. Aconapellin , Gelsemperin,
(s. weiter unten).
Als Typus für die Darstellung der amerikanischen Concentrationen kann,
obwohl für viele derselben keine Vorschriften bekannt geworden sind, im Allge-
meinen gelten, dass eine durch Abdestilliren des Alkohols hergestellte concentrirte
Tioctur mittelst einer wässerigen Flüssigkeit ausgefällt wird, indem die alkoholische
Tinctur in jene unter fortwährendem Umrühren eingegossen wird. (Die wässerige
Flüssigkeit ist oft nur Wasser, häufig jedoch auch Alaunlösung, salzsaures Wasser
u. s. w.) Der entstehende Niederschlag wird manchmal , wenn er eine Ölige
Flüssigkeit darstellt (als Oleoresin) direct gesammelt, in weitaus den meisten Fällen
jedoch nach Entfernung der wässerig- alkoholischen Flüssigkeit entweder direct
getrocknet oder durch Zumischen eines indifferenten Pulvers in eine trockene
Form übergeführt und zn feinem Pulver verrieben. Die Farbe derartiger Mischungen
ist gelb, grau, braun. Nach der Darstellungsmethode zu urtheilen, können derartige
Concentrationen folgende Stoffe enthalten : Harze, fette Oele, Alkaloide, Glycoside.
Manche der im Nachstehenden genannten Concentrationen sind bereits wieder
ausser Anwendung ; in Deutschland sind dieselben Uberhaupt nur sehr wenig bekannt.
Concentration
Aconit in oder
Aconapellin.
Aconitum
Napellus.
Wurzel.
Nicht zu verwechseln mit dem Alkaloid Aconit in.
1
Apocynin.
Apocynine.
Ajtoctjnum andro- , Die g "Sättigte alkoholische Tinctur, mit Ammoniak
saemifolium. vernetzt, flltrirt, mit verdünnter Schwefelsäure gefallt.
Aletrio.
Aletri« farinom. j
Wnreel.
Alnuin.
Almilne.
Alnu* rubra.
Rinde.
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CONCKNTRATIÜNEN.
239
1 Conceutration Staroniptianze Darstellung und Bemerkungen
Aapelopsla
Ampelopsis
quinquefolia.
Aaclepiadin. Aaclepias
I tuberosa.
Äacletlwe
Aehnlich wie Cimicifugin.
Atropln. Atropa Nicht zu verwechseln mit dem Alkaloid A tropin.
l Belladonna
Baptisia tinct.
Wurzel.
Die gesättigte alkoholische Tinctur durch eine ver-
dünnte Säure oder Bleizuckerlösung gefällt
Nicht zu verwechseln mit dem Glyoosid Baptisin.
Barosmln.
Harosma crenata. ^
Catcarin. S. Bhamnin.
Caulophyllia.
Ca ulophyllum
thalictroide* oder
Leontice
thalictrotdtn.
Wurzel.
1. Fällung aus der concentrirten alkoholischen Tinctur
analog wie Podophyllin o ler Cimicifugin.
2. Fällung mit Alaun.
3. Nach Anderen : Bereitung eines wässerigen Aus-
zuges, Entfärben mit Thierkohle, Concentriren im
Vacuum, Fällung mit Gerbsäure. (?)
Ceanothine
■
Cmnothus Extrnhiren mit Alkohol, Ahdestilliren, Behandeln des
Americanus. Extractes mit Wasser, Verdunsten des wässerigen
Blätter. Auszügen. Fällung durch Alkohol.
Cerasein Cerama Virginic.\
Chelonin.
Chtlone glabra.
Chiaapbilb.
ChimaphUa
umbellata.
Schütteln d« r alkoholischen Tinctur mit Chloroform,
Entfernen der leichteren Flüssigkeitsschichte nach
dem Absitzen, Verdunsten der alkoholischen Lösung.
Cimicifugin
Cimicifuga
rWuTzd°'
1. Concentrirte Tinctur mit Wasser verdünnen, den
Alkohol ahdestilliren, Rückstand sammeln und
pulvern.
2. Concentrirte Tinctur allmälig verdunsten gelassen,
die wasserige Flüssigkeit abgegossen, die harzige
Masse in Alkohol gelöst, auf Glasplatten verdunstet
und gepulvert.
Collmsonin
Collinsonia
Canadensis.
Cornlne
Corwin
Cornu* Florida.
Rinde.
Fällen einer concentrirten alkoholischen Tinctur durch
Eingiessen in Wasser.
Corydalia.
Corydalis
formosa.
Knollen.
Ausfällen der Tinctur durch Wasser, Sammeln und
Auswaschen des Niederschlages durch Ammoniak,
Sammeln des nachträglichen Niederschlages, Fil-
triren, Ausfällen mit Salzsäure.
Cypripedin. Cypripediutn
pubescens.
Wurzel.
Fällung der conoeutrirten alkoholischen Tinctur durch
Eingiessen in Wasser und Sammeln des ölig- harzigen
Niederschlages.
Dloscorein.
Dioscorea villosa} Aehnlich wie Cimicifugin 1.
Wurzel.
Euonymin.
Evoaymln.
Evonymus
atropurpurem.
Rinde.
Fällen der concentrirten, alkoholischen Tinctur durch
verdünnte Salzsäure und Vermischen des Nieder-
schlages mit indifferentem Pulver.
Evonymin fuscum aus Wurzelrinde.
Evonymin viride aus den jungen Zweigrinden.
Nicht zu verwechseln mit dem Glycosid E v o n y m i n.
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240
CÜNCENTRATIONEN.
Conoeutration
Stamm plianste | Darstellung and Bemerkungen
Eapatorin.
Eupatorium ' Fällung der alkoholischen Tinctur durch das gleiche
purpureum. Volnmeu salzsauren Wassers.
Eupatorin
(perfol.)
Eupatorin
(pnrpnr.).
Eupatorium
perfoliatum
Euptitorium
purjmreum
Da auch aus Eupatorium perfoliatum Eupatorin
dargestellt wird, stammen die nebenstehenden Be-
zeichnungen.
Eupurpurln.
Eupatorium
purpureum.
Fallung der alkoholischen Tinctur durch da« doppelte
Volumen Wasser.
Auch als ölig-harziges Präparat.
Euphorbia.
Euphorbia ' Nicht zu verwechseln mit dem einen Enp h orb in be-
corollata. nannten BeslandtheU der Gummi resina Euphorbia.
Fraserin.
Frasera
Carolinenais,
6elsemin.
(Gelseminin-
resinolu )
Gelaemperin.
Gelsemium
Semper virens.
Wurzel.
Aehnlich wie Podophyllin.
Nicht zu verwechseln mit dem Alkaloid 6 eisern in.
Geranin.
Geraniin.
Gernnium
maeulatum.
Wurzel.
1. Aehnlich wie Podophyllin.
2. Vta*. Abkochnn* „ Trockne.
Gossypiin.
Gossypium
herbaceum.
Wurzelrinde.
namameiin.
Hamamelis
Virginica.
Rinde und Blätter.
Das Präparat Hazelin ist etwas Anderes, s.d.
Helonin.
Helonias dioica.
Wurzel.
Hydrastin. Hydrastis
(neutral). Canndensis.
Wurzel.
Fällung des wässerigen Aufgusses durch Salzsäure.
Nicht zu verwechseln mit dem Alkaloid Hydrastin
(Berber in).
Hyoscyamin.
Hyoscyamus
niger.
Nicht zu verwechseln mit dem Alkaloid Hyoscyamin.
IrldlnT
Iris versicolor.
Wurzel.
-
Oelig-harziges Product.
Irisin.
Iris versicolor.
Wurzel.
Pulveriger Körper.
Nicht zu vorwechseln mit dem Kohlehydrat Irisin..
JaJapln. = Resina Jalapae.\
l Juglandin.
Juglans cinerea.
Wurzelrinde.
Nicht zu verwechseln mit dem Glyeosid Juglandin.
Leptandrin.
Leptandra
Virginica.
Wurzel.
Fällung der alkoholischen Tinctur durch Wasser.
Nicht zu verwechseln mit dem Alkaloid oder Glucosid
Leptandrin.
Lapulin
Humulus
Ijupulus.
Nicht zu verwechseln mit Glandulae Lupuli.
Lyoopin.
Lycopus
Virginicus.
Maorotin. | S. Cimicifugin.
Menisperain. 1 Menispermum
i Canadense.
CONCENTRATIOXEN.
241
Ooncentntion
Stammpflanze
Darstellung und Bemerkungen
Myrioln.
Myrica cerifera.
Rinde.
ConcoDtrirte Tinctur zur Trockne verdunstet und der
Rückstand gepulvert.
Pbytolaccta.
i Phytolaooin.
Phytolacca
decandra.
Wurzel.
PodophyMfl.
Poi/opln/l!um
peltatuw.
Wurzel.
= Resina PodopbylH.
1. Concentrirte alkoholische Tinctur durch Wasser ge-
fällt, Niederschlag gesammelt, gewaschen, getrocknet.
9 TYniv»h A laiin /wtav» czfi Itci nrAa Woqüap «rafällt
<c, uuiXsU ^naiin ouer s&iSBuuroa v? ossär geiaiii.
Popelin.
Populus
tremuloides.
Pnoii
Cerasus serotina.
Binde.
Ptelein.
Ptelea trifoliata.
Eingiessen der alkoholischen concentrirten Tinctur in
Wasser, Abdeatilliren des Alkohols, Sammeln des
ölig-harzigen Ruckstandes.
Wie Podophyllin.
Nicht zu verwechseln mit dem aus den Früchten von
Rhamnus cathartica dargestellten Rhamnin.
Rhualn.
Rhus aromatica.
Blätter.
Concentrirte alkoholische Tinctur durch Wasser ge-
fällt.
Amin.
Runtex crispus. \
Rhein.
Iiheum.
Sanouinariin.
|
Sanguinaria
canadensü.
Wurzel.
Wie Oimici fugin 1.
Nicht zu verwechseln mit dem Alkaloid Sanguinarin.
Ä , Resina
Scanmonin - Scammoniat,
Seutellariae.
Scutellarin.
Seutellaria
laterißora.
Kraut.
Fällung der concentrirten alkoholischen Tinctur durch
Eingiessen in Alaunlösung.
Seaecin.
Senecio gracilis.
Wurzel und Kraut.
Concentrirte alkoholische Tinctur mit Wasser ver-
setzt, der Alkohol abdestillirt und der ölig-harzige
Rückstand gesammelt oder mit einem indifferenten
Pulver zur Trockene vermischt.
Seneoionioe.
Senecio gracilis.
Fällung der alkoholischen Tinctur durch Eingiessen
in Alaunlösung.
Stillingln.
Stillingia
silcaticn.
Alkoholisch-ätherischer Auszug verdunstet, das rück-
ständige fette Oel mit Zucker oder Milchzucker
zur Trockene verrieben.
Sailaaia
Smilax Nicht zu verwechseln mit Smilacin (Saponin).
Sarsaparilla.
Trillli«.
Trülium
pendulum.
Nicht zu verwechseln mit Trillin (Saponin).
Veratrin.
1 Nicht zu verwechseln mit dem Alkaloid Veratrin.
Vlbareia.
Viburnum
Opulus.
Xaathoxylin. |
Yertine.
Eriodyction
glutinosum.
Rhamnus
Purshiana.
21-
CONCENTRATIONEN. — CONCREMENTE.
Literatur f. d. amerikanischen Concentrationen : Edward Parrish, A Treatise on
Phnrmaey. Philadelphia 1874. A. Schneider
ConCeptiOn (ctmctpere), Empfängnis* , das ist die Befruchtung der Kizelic
durch das Sperma.
Conchae. Mit dem Namen Conchae praeparatae oder Testae Ostrearum
praeparatae, präparirte Austerschalen, belegt man ein früher viel als
Absorbens benutztes animalisches Kalkpräparat, welches noch in Dänemark, Griechen-
land , Norwegen und Russland officinell ist. Dasselbe wird aus den als Teitar
Ostreae s. Conchae marinae bezeichneten Schalen oder Klappen der gemeinen
Auster, Ostrea cduUa L., gewonnen (s. Bd. 11. pag. 51;. Diese besitzen eine
Breite von 8 bis 12cm uud eine rundlich eiförmige, mitunter auch spatel förmige
oder verschoben viereckige Gestalt , zeigen aussen bräunliche , weisse , grünliche
oder röthliche , wellenförmige und wie Dachziegel übereinander liegende Wacbs-
thunisschichteu (Lamellen), iu die sich die Austernschalcn leicht zerlegen lassen
und sind innen glatt uud milchweiss, in der Mitte mit einem Muskeleindrucke
versehen. Die untere Schale, in welcher der Körper des Schalthieres liegt, ist
ausgehöhlt, mit faltigen vielen Längsrippen versehen, die obere mehr deckelartig,
dünner und glatt. Zur Darstellung der Conchae praeparatae werden die Austern-
schalen mit Wasser gekocht, mittelst einer Bürste von den anhängenden Unrcinig-
keiten befreit, zu höchst feinem Pulver zerrieben, geschlämmt und wieder getrocknet.
Das dadurch resultirende feine, weisse, geschmackfreie Pulver zeigt sich iudess
mikroskopisch nicht homogen, sondern aus dünnen, flachen,, eckigen, unregelmflssigen
Schüppchen gebildet, welche auch beim Beschmeeken auf der Zunge und zwischen
den Zähuen deutlich erkennbar sind und bei internem Gebrauche als säuretilgen-
des Mittel leicht die Magenwandungen mechanisch irritiren können, weshalb die
meisten ueueren Pharmakopöeu zweckmässiger die Austerschalen durch Calcaria
earbonica praeeipitata ersetzt haben. Die chemische Analyse weist 95.18 (Ri gers)
bis 6 (Bl'CHHOi.z und Brandes) Calciumcarbonat in den Austernschalen nach,
was die Verwendung der Austernschalen zum Kalkbrennen in manchen Seegegenden
gewiss rechtfertigt; daneben sind 1.2 — 1.8s phosphorsaurer Kalk uud etwa 0.5
organischer Substanz, nach Büchholz und Brandes auch 0.2 Thonerde, nach
Rogers 0.4 Kieselerde, nach \rAtTquEt.ix auch etwas Magnesia und Eisen vor-
handen. Die organische Substanz ist weit geringer als iu anderem animalischen
Kalk und dementsprechend auch 'der empyrbeumatiscbe Geruch beim Erhitzen ; ebenso
der Niederschlag, welchen Ammoniak beim Nentralisiren einer salzsauren Lösung
der präparirten Austernschalen gibt. Th. Husemann.
COflCheiramidin, s. Ohinaalkaloide. Bd. II, pag. t>!>6.
ConCheiramin, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. Gin;.
Conctlinin, s. Chinaalkaloide, Bd. Ii, pag. 085.
ConCremente, auch Concretionen, nennt man im lebenden Thierkörper, und
zwar entweder iu den Absonderungsflüssigkeiten oder auch in den Geweben der
Organe vorkommende feste, nicht organisirte Ablagerungen. Sie entstehen zumeist
als Niederschläge innerhalb der Flüssigkeiten oder der Organe; so lange sie
pul verförmige Niederschläge bilden, bezeichnet man sie als Sedimente, bilden sie
grössere compacte Massen, dann nennt man sie Steine. Die Zahl der Stoffe,
welche in die Bildung der Concremente eingehen, ist nicht gross und hängt von
dem Orte ab, wo das Concrement entsteht, und nach welchem es auch benannt
wird. Man unterscheidet Blasen-, I*rostata-, Thränen-, Nasen-, Ohren-, Bronchial-,
Zahn-, Rachen-, Tonsillen-, Pancreas-, Gallen- und Darmuoucremente.
Auch die Incrustationen und Verkalkungen werden zu den Concre-
menten gezählt. Bei der Iucrustation scheiden sich früher gelöste Kalkverbindungen
auf der organischen Substanz eines Gewebes aus, ohne dass die Ausscheidung mit
dem Gewebe eine nähere Verbindung eingeht. Die Inerustation besteht zumeist
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COXCREMEKTE.
243
aus kohlensauren oder phosphorsauren Erdalkalien und erscheint uuter dem Mikro-
skop in Form feiner, stark lichtbrechender Körneheu, die sieh in Satiren even-
tuell unter Aufbrausen lösen.
Der Verkalkung unterliegen Gewebe und Geschwülste , sie tritt zumeist als
Schlussphase einer regressiven Metamorphose der Gewebe auf, indem sie in fettig
oder anderweitig degenerirten Organtheilen entsteht. So sind die sogenannten
Utcrussteine verkalkte, in der Gebarmutter frei gewordene Neubildungen,
Venen- und Lungensteine sind Inerustationsbildungen in eingedicktem Eiter, in alten
Blutergüssen, in verkalkenden Tuberkeln.
Als Ursachen für die Entstehung von Coueretioneu sind anzuführen: 1. Die
jroBteigerte Aufsaugung der flüssigen Bcstaudtheile aus halbflüssigen Excreten. Diese
Entstehnngsursache kommt bei den Verkalkungen im eingedickten Secret der ver-
^rösserten Mandeln , bei den Speichel-, Thränen-, Panereas- und Prostatasteinen
zur Geltung, auch die Darmsteine entstehen auf diese Weise. 2. Aenderungeu der
Temperaturverhaltnisse. Aus einem mit sauren harusauren Salzen gesattigten Harn
fallen diese als Niederschlag zu Boden, sobald der Harn soweit abgekühlt ist, dass
die Temperatur desselben nicht mehr hinreicht, dieselben in Lösung zu halten. Es
ist nämlich 1 Th. saures harnsaures Natron erst in 1100 Th. kalten, dagegen schon
in 125 Th. warmen Wassers löslich. H. Die Aenderung der chemischen Reaction
eines Seeretes kommt hauptsachlich bei der Bildung der Harnsedimente und Blasen-
fiteiue in Betracht. So beobachtet man, dass aus stark saurem Harn nach längerem
Stehen sich am Boden des Gefasses leicht erkennbare, röthlich gefärbte Krystalle
von Harnsäure ausscheiden. Die Ausscheidung der Harnsäure wird durch die Ein-
wirkung der primären Alkaliphosphate auf die harnsauren Alkalien bedingt ;
indem sieh nämlich secundäres Alkaliphosphat bildet, entsteht zunächst saures
harnsaures Alkali und weiterhin freie Harnsäure. Auch bei der ammoniaknlischen
Zersetzung des Urins fallen aus demselben mehrere in alkalischen Flüssigkeiten
unlösliche Verbindungen heraus: Niedersehlage von harnsaurem Ammoniak, von
phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, von phosphorsaurem und auch von kohlen-
saurem Kalk. 4. Als mechanische Ursachen von Inerustationsbildungen sind fremde
Körper zu betrachten , ^welche in die Harnwege oder in verschiedene Theile des
Verdauungssystemes von Aussen her gelangten, oder sich durch krankhafte Processe
im Innern bilden konnten. So wurden Nadeln, Katheterstücke, Spulwürmer als
Kerne von Concrementbildungen nachgewiesen. Bei Herbivoren sind oft Darm-
Btedwe aufgefunden worden, welche sich um Speisereste, Blutgerinnsel, Gallensteine,
Kothmassen und unverdauliche wirkliche Fremdkörper gebildet hatten. Beim
Mensehen . wo wie bei den Carnivoren Darrasteine nur selten sind , entstehen
dieselben meist um Fruchtkerne, Knochen, Nadeln als Kern. 5. Die Bildung von
Zahnstein, Speiehelsteinen und der Ooncremente in den Tonsillen wird nach neueren
Untersuchungen auf die Wirkung von Bacterien zurückgeführt. Die mikroskopische
Untersuchung dieser Concremente ergab nämlich nach Auflösung der Kalksalze als
zurückbleibende organische Grundlage derselben dichte Bactericnhaufcn.
Bezüglich der Bedeutung der Concremente für den Organismus genügt zu be-
merken, dass sie durch ihre Grösse, namentlich bei ihrer Einklemmung in den
Harnleitern, in der Harnröhre, in deu Gallenwegcn sowohl äusserst schmerzhafte
als lebensgefährliche Zustände erzeugen können; im Allgemeinen ist jedoch
weniger die Grösse des Concremente» als der Ort, wo dessen Bildung erfolgt, von
Wichtigkeit.
Die chemische Analyse der Concremente erfolgt im Wesentlichen
nach jenem Gang, welchen wir bei der Untersuchung der Blasensteine (s. Bd. II,
pag. 275) angegeben haben, da thatsäehlich die Bestandteile aller Concremente —
mit Ausnahme der Gallensteine — auch in den Blasensteinen vorkommen. Die Gallen-
steine sind schon an ihren physikalischen Eigenschaften leicht erkennbar, überdies
wird selbst der auf diesem Gebiete der Analyse weniger geübte Untersneher bei
der chemischen Vorprüfung auf deren Diagnose geführt werden.
16»
U44
CONCREMENTE.
Zeigt ein Concrenient mehrere Schichten, so gilt bezüglich der Trennung der-
selben, sowie bezüglich der Trennung des Kernes — der aus- Mucin, Hämatin,
Gallensäuren, Faserstoffgerinnseln , auch aus löslichen Salzen bestehen kann —
dasjenige, was hierüber unter Blasensteinen erörtert wurde.
Durch das Verhalten einer Probe des feingepulverten Concreraentes in der
Hitze unterscheidet man: 1. vollkommen verbrennliche Concremente, 2. zum Theil
verbrennliche, 3. unverbrennliche.
Die vollkommen verbrennlichen Concremente können bestehen aus : Harn-
säure, harnsaurem Amnion, Xanthin, Cystin, Cholesterin, Gallenpigment und Faser-
stoffgerinnsel.
Die zum Theil verbrennlichen Concremente können enthalten : Harn saures
Natron , harnsaures Kali , harnsauren Kalk , Oxalsäuren Kalk und Gemenge der
vollkommen verbrennlichen Concretionen mit unorganischen Stoffen.
l'nvcr&ndert in der Hitze bleiben alle aus unorganischen Salzen bestehen-
den Concremente.
Es bestätigt also auch diese Uebersicht der in den Concrementen auftretenden
Stoffe, dass wir behufs chemischer Prüfung derselben zu dem für die Blasensteine
gegebenen Schema der Untersuchung nur noch die Prüfung der Gallen-
concremente hinzufügen müssen.
Die chemischen Bestandteile der Gallenconcremente sind: Cholesterin,
Gallcnfarbstoffe , Gallensäuren, Schleim, Fettsäuren und deren Verbindungen und
unorganische Salze. Ihr vorwiegendster Bestandtheil ist in den meisten Fällen
Cholesterin, in wechselnden Verhältnissen gemengt mit den Farbstoffen der Galle;
nur selten bestehen sie aus beiden Stoffen ganz allein, wobei die Gallenfarbstoffe
in Form von Calciumverbindungen in den Concrementen vorhanden sind. Als Kern
findet man ebenfalls Calciumverbindungen von Gallenpigmeut, auch sind die Steine
von Galle durchtränkt oder damit tiberzogen ; nach der Herausnahme aus der Gallen-
blase trocknet die Galle selbstverständlich in und auf den Concrementen ein. Die
Farbe der Gallensteine wechselt je nach den Bestandteilen, sie ist innen weiss
und weiBslichgelb, bei denjenigen , welche vorwiegend aus Cholesterin bestehen,
rötblich bei solchen, welche Bilirubin — den rotheu Farbstoff der Galle —
enthalten , grün bei denjenigen, welche Biliverdin, und braun bei solchen, welche
Bilifuscin enthalten (s. Galleufarbstoffe). Sie sind meist spröde und lassen
sich leicht zu einem sich fettig anfühlenden Pulver verreiben. Ihre Form ist
meistens rundlich, doch wenn mehrere, wie dies häufig der Fall, in der Gallenblase
vorkommen, so schleifen sie sich durch Aneinandcrliegen ab und werden facettirt;
ihre Grösse variirt von der eines Sehrotkornes bis zu der eines Taubeneies.
Freie Fettsäuren kommen in menschlichen Gallensteinen nur selten vor,
jedoch wurden fettsaure Kalksalze, namentlich palmitin- und stearinsaurer Kalk, zu
68 Procent darin gefunden.
An unorganischen Bestandteilen ist Eisen ein nie fehlender, Mangan ein
seltener in den Gallenconcrementen ; auch Kupfer, welches in Spuren in aer
menschlichen Galle stets vorhanden ist, wurde in gefärbten Steinen gefunden,
ausserdem kommen noch Calciumcarbonat gemengt mit Magnesium und mit Phos-
phaten vor.
Wurde beim Erhitzen des Concrementes auf Platinblech beobachtet, dass das-
selbe ohne oder nur mit Zurücklassung eines geringen Rückstandes verbrennt,
dann führen folgende Erscheinungen und Proben zur Erkennung des <i allen
concrementefl :
1. Die Probe verbrennt mit hellleuchtender Flamme, sie besitzt
deutlich krystallinisches Gefüge, ist in heissem Alkohol löslich, beim Erkalten der
Lösung scheiden sich perlniutterglänzende Blättchen aus, welche in Kalilauge un-
löslich sind Cholestearin.
2. Die Probe besitzt eine braune Farbe, ist bröcklich und verbrennt mit einem
Geruch nach verbranntem Horn.
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CONCREM ENTE. — CONDENSATION.
a) In Alkohol und Wasser kaum löslich, in Kalilauge mit dunkelbrauner Farbe.
Concentrirte Salpetersäure bewirkt in dieser Lösung die für Gallenfarbstoff charak-
teristischen Farbenveränderungen Gallenpigmente;
b) in Alkohol löslich , die Lösung schmeckt bitter , der Rückstand derselben
gibt mit Zucker und Schwefelsäure eine schön roth-violette Färbung
Gallensäuren.
Die aus unorganischen Bestandtheilen bestehenden Concremente werden nach
den Regeln der Analyse unorganischer Verbindungen untersucht. Loe bisch.
ConCUSCOnin, s. Chinaalkaloide, Bd. II, pag. 696.
Condalia, eine Gattung der Bhamnaceae} charakterisirt durch freiblätterigen
Kelch und fehlende Blumenkrone.
Condalia lineata Griseb., eine südamerikanische Art, liefert in ihren Früchten
das Material zu einem Piqnillin genannten Roob, welches als Laxans für Kinder
gerühmt wird.
Condaminea, Gattung der Rubi aceae, Unterfamilie (.'inchoneae ; charakterisirt
durch fleischige Corolle, kegelförmige Kapsel und ungeflügelte Samen. Die roseu-
rothe. bittere Rinde von Condaminea tinctoria DG. (Cinchona laccifera Pav.,
Macromemnm tinctorium H. B. K.) kam als Paragnatan oder China rosa zeit-
weilig nach Europa. Ihr Auasehen lässt kaum eine Verwechslung mit einer
Cbioarinde zu, mikroskopisch ist sie durch die ungleich langen, sehr breiten und
meist schwach verdickten sclerotischcn Fasern (Stcinzellen) sicher zu unterscheiden
(Flückiger).
Condensation (chemisch) wird der Vorgang genannt, bei welchem sich zwei
organische Verbindungen oder zwei Moleküle desselben Körpers durch Verknü-
pfung ihrer Kohlenstoffatorae und unter Abseheiduug von Wasserstoff (meist als
Wasser oder Salzsäure) aneinanderlagern. Lagern sich zwei Moleküle derselben
Verbindung aneinander, ohne dass etwas austritt, so nennt man diesen Vorgang
Polymerisation; der neue Körper hat die gleiche procentische Zusammen-
setzung, jedoch ein grösseres Molekulargewicht. Derartige polymere Körper können
leicht wieder durch Einwirkung von Reagentien (und Wärme) in ihre Compo-
nenten gespalten werden.
Die Condensationen sind dagegen weit beständigere Körper. Für gewisse
Körpergruppen ist es vorzugsweise charakteristisch, dass sie sich leicht conden-
siren, meist bei Gegenwart gewisser Reagentien , denen zum Theil eine wasser-
entziehende Wirkung zukommt. Derartige Körper sind : Ziukchlorid , Zinnchlorid,
Alnininiurachlorid, Zinkstaub, Schwefelsäure, Essigsäureanhydrid.
Mehrere für die Herstellung einiger pharmaceutischer Präparate im Grossen
wichtige Verfahren beruhen auf derartigen Condensationen. Zur Darstelluug des
künstlichen Cumarins wird Salicylaldehyd mit geschmolzenem Natriuniacetat und
Eüsigftäureanhydrid erhitzt. Es resultirt Acetocumarsäure, welche beim vorsichtigen
Erhitzen zerfällt in Essigsäure und Cnmarsäureanhydrid (Cumarin). Diese Reactiou
(Pkkkin's Reactiou) ist den aromatischen Aldebydeu allgemein und ebeufalls
mit den Salzen und Säureanhydriden anderer Fettsäuren (Buttersäure, Valerian-
fclure) ausführbar. Die Fettsäureanhydride wirken hier als wasserentziehende Mittel.
Eine sehr wichtige Condensation ist die Bildung von Chinolinen (Skraup-
»che Re actio«) deshalb, weil das Chinolin das Ansgangsproduct für die Dar-
stellung einiger wirksamer Antipyretica (Kairin , Antipyriu) geworden ist. Das
Verfahren beruht darauf, dass Anilin mit Glycerin, Schwefelsäure und Nitrobenzol
erhitzt wird. Das Nitrobenzol wirkt sauerstoffabgebend und wahrscheinlich wird
«machst aus dem Glycerin Acrolein (Acrylaldebyd) gebildet, das hierauf mit dein
Anilin sich eondensirt.
CsH,Os + C6H,NH2 = C„H7X + 4 H2 0.
Glycerin Anilin Chinolin.
246 CONDENSATION. — CONDENSATOR.
Diese Reaction tritt ebeufalls ein mit den Homologen des Anilins und ausserdem
ist durch Ersatz des Nitrobenzols durch Nitrophenol die Bildung von entsprechenden
Oxyehinolinen bedingt. Die Bildung einiger Theerfarbstoffe aus dem technisch
verwendeten Gemisch von Anilin uud Toluidin durch Oxydation ist ebenfalls eine
Condensation: das Product ist Rosanilin:
2CCH6.NH, + C ll3 . Cü Ui . N + 03 — (NHg . C„ }I,)3 C . OH + 2 11,0.
Anilin Toluidin Hosanilin.
Die Bildung von Ketouen ist auch als eine Condensation zu betrachten;
durch Glühen der Calciumsalze der Fettsauren entstehen Ketone; durch Verwen-
dung verschiedener Säuren kann man bekanntlich gemischte Ketone herstellen,
i C . Co 0)a Ca = C H8 . Co . C H3 + Ca C03
Calciumacetat Aceton.
Die von Beyer entdeckte Bildung der Ph taleine, von denen mehrere, z. B.
dr.s Phenolphtaleiu, das Galleiu, als Indicatoren Verwendung finden, beruht auf der
Condensation von 1 Molekill Phtalsäureauhydrid mit 2 Molekülen eines Phenols
bei Gegenwart von Schwefelsflure oder Zinnchlorid (auch Alkalien; bei 120°.
Ar, Hi 0 H
.C-C.I^OH
c„ iit J;[-J> 0 + 2 C„ 1I5 0 H = c0 h«<^ \ ^ + H* °-
Phtalsäureanhydrid Phenol Phenolphtalcin.
Bei der Fabrikation des von Kxorr entdeckten Autipyrius ist ein Zwischen-
produet das Methyloxyehinicin , welches entsteht durch Condensation gleicher
Moleküle Phenylhydraciu und Aeetessigäther und Austritt von Wasser und Alkohol.
Beim Erhitzen von Acetaldehyd mit verdünnter Salzsäure, mit Wasser und Zink-
chlorid, mit Xatriumacetatlösung auf 10ü° entsteht durch Condensation Croton-
aldehyd: Cli;lCOIl + c II3 C O H = C IT, . C II : C II . C H 0 + H2 0, jener Kör-
per, der lange mit Butylchloralhydrat verwechselt wurde (s. Butylehloral-
h y d r a t).
Eine Anzahl anderer Condensationen besitzen weniger pharmaceutische
Wichtigkeit. Schneider.
CondenSStOr (Verdichtungsapparat), eine von Volta 1782 erfundene Vor-
richtung, um eine sehr geringe, auf einem Körper befindliche Elektricitätsmenge
fast vollständig auf ein Elektroskop zu übertragen. Sie besteht aus zwei an den
Rändern abgerundeten, eben geschliffenen Metallscheiben von ungefähr 10 cm
Durchmesser, die sehr genau auf einander passen, deren vollständige Berührung
aber eine äusserst dünne , isolirende Schicht Iiiudert. Die eine Platte , die soge-
nannte Colleetorplatte, ist an jenem Stab angeschraubt , der auch die Goldblätter
des Klektroskopes trägt, während die andere, die Condensatorplatte, mittelst eines
isolirenden Stiels auf die erste Platte aufgesetzt uud von ihr abgehoben werden
kann. Berührt man nun bei aufgesetzter Cond ensa torplatte deu Collector beispiels-
weise mit einem schwach positiv elektrischen Körper, so strömt ein Theil seiner
Elektricitflt auf die Platte über und macht durch Influenz die zunächst liegende
Seite der Condensatorplatte negativ, die entferntere positiv elektrisch. Die negative
Elektricität wird durch die anziehende Wirkung der auf der Colleetorplatte befind-
lichen positiven an diese herangezogen, die positive Klektricität der Condensator-
platte aber fortgetrieben , so dass man sie durch Autlegen des Fingers ableiten
kann. Geschiebt dies, so ist die auf der Condensatorplatte nunmehr allein vor-
haudeue negative Klektricität im Stande, fast alle Elektrieität des Körpers so nahe
als möglich au sich zu bringen und in der Colleetorplatte zu binden. Entfernt
man nun den Körper und hebt die Condensatorplatte ab. so wird die gesaminte
in der CollectorpUnte gebundene Elektricität frei und bringt eventuell die Gold-
plättcheu des Elektroskop* zur Divergenz, während die bei einfacher Berührung
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CONDENSATOR. — CONDENSED HEER.
der Colleetorplntte mit dem Körper ohne Anwendung der Condensatorplatte über-
{reheiide Elcktricitätsmenge dies nicht vermochte.
Gegenwärtig führt aber nicht Mos diese Vorrichtung deu Namen Condcusator,
sondern überhaupt jeder Ansammlungsapparat für Elektricitüt , d. i. jedes System
sweier nahe gegenüberstehender Körper, die durch ein isolirendes Medium ge-
trennt werden; deuu bei allen diesen Apparaten ist jene Elektrieitätsmenge . die
von einer constanten Quelle auf den einen Körper überströmt, wenn der
andere in leitender Verbindung mit der Erde steht , grösser als jene , die unter
sonst gleichen Umstanden bei Abwesenheit des zweiten Körpers übergehen würde.
Das Verhältnis« der beiden letztgenannten Elektricitiltsmengen heisst die Ver-
stärkungszahl, auch die condensirende Kraft des Condensators. Den
Condcnsator laden heisst, den einen Körper des Systems mit einer Elektricitäts-
quelle, den anderen mit der Erde in leitende Verbindung setzen, ihn entladen
hefest, die beiden Körper leitend zu verbinden, nachdem die ftlr die Ladung her-
gestellten Verbindungen wieder unterbrochen wurden.
Bestimmte Formen von ( "oudensatoren führen noch specielle Namen , wie die
Krank i.ix'sche Tafel und die Lkyhxkk Flasche. Früher bezeichnete man die
Condensatoren auch als Aecumulatoren, eine Bezeichnung, unter welcher man jetzt
fort durchgängig die Socundärbatterien versteht fBd. L, pag. 4S>).
Ausschliesslich als Condensatoren bezeichnet mau die bei elektrischen Messungen
in Anwendung kommenden Ausammluugsapparate, bei welchen eine Batterie Fran-
KLix schor Tafeln von sehr dünner isolirender Schichte , wie z. B. Glimmerplatten,
Wachstaffet , paraffinirtes Papier, compendiös in einen kleiuen Raum zusammen-
gedrängt sind. Die gleiche Oonstructi'm zeigt auch der bei guten Ri'HMKORFF'schen
Funken - Inductorien angebrachte Condensator. — S. auch Beleuchtungs-
apparate, Bd. II, pag. l'.)4. Pitach.
Condensatoren. Verdichtungsgefässe , sind nieist cylindrisebe Apparate aus
Kupfer oder Eisen , dazu bestimmt , dass sich in ihnen Dampfe irgend welcher
Art in tropfbar flüssigem Zustand absetzen sollen. In der Mehrzahl der Fälle
handelt es sich dabei um Verdichtung von. Wasserdäinpfen, um die Auffangung und
Nutzbarmachung überschüssigen Wasserdampfes. Diese einfachste Form der Conden-
satoren weicht in der Grossiudustrie complieirteren Apparaten. Sobald es sich um
die Condensatiou trockener Destillationsproducte handelt, welchen ein wesentlich
höherer Hitzegrad innewohnt, wird der Condensator mehr und mehr zum Kühl-
apparat, da die Condensatiou durch Abkühlung von aussen (Wasser, Eis) unter-
stützt werden muss. Je mehr die Condensatoren sich diesem Zwecke nähern, desto
mehr wird auch ihre Form die Gestalt eines Kühlers annehmen müssen. Insbe-
sondere bei der Fabrikation von Leuchtgas wird die Condensation der Wasser-
und Theerdämpfe durch längeres Verweilen des Gemisches in einem von aussen
abgekühlten Röhrensysteme bewirkt. Soll zur Abkühlung statt des Wassers Luft
verwundet werdeu , so muss der Weg, den die Dämpfe zu machen haben, ein
längerer werden, mit anderen Worten, die Oberfläche des Condensators muss ver-
prössert, das RöhreuRystem erweitert werden. Handelt es sich um Condensatoren
*nr Verdichtung von in Wasser unlöslichen Dämpfen , so kanu die Condensation
auch bewirkt werden durch directe Zusammeubringuug der Dämpfe mit einer
möglichst grossen Wasseroberfläche. Condensatoren dieser Art sind dann eigentlich
Gaswaschgefäase ; als Beispiel hierfür dient der S c r u b b e r der Gasanstalten, be-
gehend aus eisernen Cylindern, welche mit Coaksstückchen angefüllt sind, welche
durch hcrabträufelndes Wasser feucht gehalten werden. Die in diese Coaks-
condensatoren geleiteten Dämpfe werden dabei gleichzeitig gewaschen.
G a n s w i n d t.
Condensed Beer der Concentrated Produee Company London, in den letzten
fei Jahren mit mächtiger Reelame als, seines Gehaltes an Hopfenalkaloiden wegen,
natürliches mitwirkendes Schlafmittel angepriesen, hat sich, ebenso wie das
24*
CONDENSED BEER. — CONDURANGO.
„Hopeita" derselben Firm», als eitel Hurnbug, nämlich als ein schlecht gebrautes
Bier mit einem Zusatz von Morphin erwiesen.
Condensirbare Gase, s. coörcibie Gase, pag. 198.
CondenSiren (ohemisch), s. Condensation, pag. 245.
Condensor, s. Abbe's Beleuchtungsapparat, Bd. I, pag. 2.
CondenstÖpfe. Gefässe aus Glas, Steingut oder Metall zur Verdichtung von
Gasen und Dämpfen.
CondilldC im Depart. Dreine besitzt einen alkalischen Säuerling mit wenig
freier Kohlensaure, welcher versendet wird.
Condita, s. Confectiones.
Condom, auch Präservativ genannt, ist eine vor dem Acte des Coitus Über
den Penis gezogene zarte, an einem Ende geschlossene Hülse zur Vermeidung
einer Austeckung oder Schwängerung. Die Erfindung soll von einem Arzte
namens Contox, der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in London lebte,
ausgegangen sein. Ursprünglich wurdo der Condom aus dem Blinddarm des
Schafes angefertigt , später machte man ihn aus Hausenblasen ; gegenwärtig
werden Condome meist aus Kautschuk augefertigt. Absolute Sicherheit gewährt
ein Condom weder gegeu Schwängerung T noch gegen venerische Infection, schon
deshalb nicht, weil er nicht unzerreisslich ist ; gegen Ansteckung auch dann nicht,
wenn die weiblichen Genitalien in solcher Ausdehnung erkrankt sind, dass durch
den Condom nicht gedeckte Theile der Geschlechtsregion mit dem Krankheitsherde
in Berührung kommen.
C0nd0ry'8 LebenSeSSenZ, eines der erbärmlichsten Geheiniraittel, ist (nach
E. Geisslkr) versüsster "Weieswein, dem Zimmt in Pulverform beigemischt ist.
CondlirangO. In den nördlichen Staaten von Südamerika werden verschiedene
Pflanzen unter dem Namen Condurango und Cundurango (angu bedeutet
in der Quichuasprache eine Schlingpflanze) als Heilmittel gegen Schlangenbiss,
Syphilis und Krebs benutzt. — Bemerkenswerth sind die folgenden :
1. Condurango von N e u - G r a n a d a ist Macroscepis Trianae Decaisne
(Asclepiadeae, Abth. Cynancheae).
2. Condurango von Huancabamba oder Condurango blanco in
den westlichen Cordilloren von Ecuador ist Marsdenia Condurango Reichenbach
(Asclepiadeae, Abth. Mnrsdeniene).
3. Condurango von Ecuador ist Gonolobus Condurango Triana (Ascle-
piadeae, Abth. Oonolobeae).
In den europäischen Handel gelangt aus Mataperro seit zehn Jahren aus-
schliesslich die Kinde der letzterou Pflanze. Sie wächst in den Grenzgebieten
zwischen Ecuador und Peru an den Westabhängen der Cordilleren. Der Stamm
hat eine Stärke von 2 — 10 cm, die Blatter sind herzförmig, ganzrandig; die
Früchte bis zu 10cm lang, 2cm dick. Die Binde lässt nach Verwundungen
reichlich Milch auslliessen. Sie bildet bis zu 10cm lange, röhrenförmige Stöcke
von graubrauner Farbe und stellenweise warziger Oberfläche , die bis zu 4 mm
dick sind. Der Bruch ist kömig, in den äusseren Partien faserig.
Das Periderm besteht aus etwa 15 Reihen zartwandiger, braungefärbter Kork-
zcllen. Darunter liegt , besonders bei jüngeren Rinden , ein Collenchym , dessen
Zellen Einzel- und Zwillingskrystalle von Kalkoxalat führen. Das Parenchym
der Mittelrinde führt grosse Oxalatdrusen und Milchsaftsehläuche. Auf der Grenze
gegen die lnneurinde treten Bündel von Bastfasern uud Selerenebynigruppen auf,
welche letztere sich auch im Bast finden, wogegen Bastfasern demselben völlig
fehlen. Der Bast besteht aus sehr sehmalen Bast- und 1 — 2reihigen Markstrahlen.
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CONDURANGO. — CONGESTION. 249
Die Bastatrahlen haben wie die Mittelrinde Milchsaftschlauche und nicht zusammen-
gefallene Siebröhren.
Die frische Rinde soll aromatisch und bitter schmecken, was an der trockenen
Droge kaum zu bemerken ist. Vulpius hat darin ein Glycosid aufgefunden, nach
Versuchen von Schroff und Schmiedeberg ist ein strychniuartfg wirkendes
Alkaloid anzunehmen.
Die Rinde wurde als Specificum gegen Krebs empfohlen nnd scheint sich, wenn
auch nicht in dem Maasse, wie zuerst angenommen wurde, gegen diese Krankheit
zu bewähren , indem manche Symptome gemildert werden. Sicher diaguosticirte
Oarcinome sind niemals geheilt worden. Sie wird in Form einer Tinctur und
eines Macerationsdecoctes (1 : 10—20) angewendet. Bezüglich des letzteren ist
es wichtig, dass das Decoct vor dem Coliren völlig erkaltet, da das die Wirkung
bedingende Glycosid in heissem Wasser weit weniger löslich ist, als in kaltem.
Fälschlich werden die Blatter und 8tengel von Micam'a Guaco (Compositae)
ebenfalls als Condurango bezeichnet. — S. G u a c o.
Literatur: Flückiger, Pharmakognosie, pag. 554. — Schroff , Med.-chir. Rundschau.
1871 72. — Vulpius, Arch. d. Pharm. 1865. — Moeller, Anatomie d. Baumrinden. —
Bött icher. Arch. d. Pharm. 188:2. Hartwich.
Condurangowein bereitet man durch Lösen von 1 Th. Ertractum Condu-
rtinrjo in 25 Th. Vitium Malaccense oder (nach Vulpius) besser durch achttägige
Maceration der grob gepulverten oder sehr fein geschnittenen Rinde mit 10 Th.
Xeresirein, Auspressen und Filtration der Colatur.
Condy's Liquid = Baff ine (s. d).
Condylom (x6vo\»Xo;, der Zapfen), Feigwarze, ist eine mehr oder minder
warzenförmige papilläre Wucherung des Papilla rkörpers der Haut. Man unter-
«oheidet spitze Condylome, Condylomata acuminata , warzen- oder zapfenförmige
Gewnwülste , die in der Regel in Folge von Tripper, und breite Condylome,
Condylomata lata, Plaques muqueuses, Schlei mpapeln, die nur als Theilerscheinung
der constitutionellen Syphilis auftreten. Beide sind übertragbar.
Cone8Si, auch Tellicherri hark, Cortexprofluvii, heisst die Rinde
von Wrightio (Holnrrltena) antidy sente rira R. Br. (Xerium anfidy-entericum
L). einer ostindischen Apocynacee, welche in ihrer Heimat gegen Fieber und
Dysenterie angewendet wird. Dvmock f Materia medica of Western India) beschreibt
»ie als sehr dick, gedreht und gefaltet , schmutzig woiss oder matt speckig von
Farbe, aussen dicht quer runzelig, innen längsstreifig, bitter schmeckend, beim
Kauen den Speichel nicht färbend. Sie enthalt ein Alkaloid Conessin (Haines,
Pharm. Journ. und Trans. VI.), welches identisch H mit dem ans den Samen
derselben PHanze (s. Indageeri dargestellten W r i g h t i n (Stf.xhousk, Ibid. V.).
Dasselbe ist ein sa uerstoff freies Alkaloid. Neuerlich wurde es auch in einer
weatafrikanisehen Rinde gefunden, welche von der nahe verwandten Holnrrltena
afrirana DC. abgeleitet wird (Wolfsrkrg , Gött. Nachr. 1878 und Polstorff
und Schiumer, Berichte, XIXj.
Ah StanimpHau/.c der Concssi-Rinde wird auch Echites pubescens Buchau.
anjsrt'geben. .1. Moeller.
ConfeCtlOneS. Confecta, Condita heilen überzuckerte und auch in Zucker
eiujrem.nehte Arzneistoffe. Zu ersteren gehören Confecti» Anisi, Cinae, Coriandri etc.,
zu letzteren Confectio Calaini. Citri, Zingiberis etc. Die Bereitung der Confecte
jreschieht kaum mehr in pharmaeeutischen Laboratorien , da sie im Grossen viel
whfiner und wohl auch billiger hergestellt werden können. G. Hofmnnn.
COnyestion, activo Hyperämie oder Wallungshyperamie ist eine
Rlutüberfüllung in einem Theile des Organismus in Folge von vermindertem
Widerstand in den Geffissen des betreffenden Gebietes durch Lahmung der Vasoeon-
strictoren oder Reizung der V.isodilatatoren. — 'S. Arterien, Bd. I, pag. 021.)
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250
CONGESTION. — CO NGOROTH.
Congestionsabscesse sind solche Eiterherde, bei denen der Eiter nicht an
derselben Stelle gebildet wurde, an welcher er angesammelt getroffen wird, sondern
durch Senkung von einer entfernt liegenden Stelle dahin gelangt ist.
Congius. ein altrömisehes Flüssigkeitsinaass , nach welchem in Kngland das
Gallon mit C abgekürzt wird.
Congllltin. Kommt in Lupinen, Mandeln, Pfirsichkernen, Erbsen, Saubohnen
und im Rettigsamen vor und gehört zu den Pflanzencaseinen.
Nach KiTTHAUSKx stellt man es dar, indem mau die zerstossenen , von den
Schalen befreiten Samen mit Wasser von 4 — 8° auszieht, wenn nöthig unter Zu-
satz von etwas Kalilauge, und die Lösung decantirt. Die klaren Flüssigkeiten
werden mit verdünnter Essigsäure (1 : 8) gefällt, decantirt, tiltrirt und der Rück-
stand mit 40 — ÄOprocentigem Alkohol bebandelt , dann mit Aether , und über
Schwefelsäure getrocknet. Die Präparate müssen sich klar in Wasser, wenn auch
langsam lösen, in kalihaltigem Wasser gelöst, auf Zusatz von einigen Tropfen
Kupfervitriollöeung eine klare violette Flüssigkeit geben. In der Asche des Couglutins
finden sich 1 — 3 Procent Phosphorsäure, die durch Lösung in Salzsäure und Fällen
mit Magnesia und Ammoniak nicht entfernt werden können, also wohl mit dem
Conglutin verbunden sind.
Das Conglutin löst sich sehr wenig in kaltem Wasser. Erwärmen vergrössert
die Löslichkeit nur wenig. Die Lösung wird durch Gerbsäure getrübt. In sehr ver-
dünnten Lösungen von Kali, Natron, Ammoniak löst es sieh leicht mit gelblicher
Farbe, daraus durch Säuren wieder fällbar. Auch basische Alkalisalzc lösen es. Ensig-
säure , Weinsäure lösen es entsprechend der Concentration , Wärme befördert den
Process. Durch Neutralisation fallt das Conglutin wieder nieder. Schwefelsäure,
mit dem gleichen Volum Wasser verdünnt, gibt nach kurzem Kochen eine schwach
röthlichblaue klare Lösung, mit coneentrirter Salzsäure erhält man beim Erwärmen
im Wasserbade eine schwach violettbraune klare Flüssigkeit. Frisches Conglutin ist
sehr klebrig. Beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure entstehen Lcucin, Tyrosin,
Glutaminsäure und Asparaginsäure. Das Conglutin der Lupinen ist verschieden
von dem in Mandeln, Haselnüssen, Pfirsichkerneu. Letzteres wird aus der Lösung
in Kochsalz durch Wasser nicht, erstcres wohl gefällt. v. Sehr., der.
CongO. COflQU, ans dem Chinesischen Kony-fu = Arbeit, heisren die schwarzen
grossblätterigen Thecsorten.
COfigonha, auch Cauna, heisst in Brasilien der Paraguay Theo oder Mate
von i/<w>Arten.
CongOpapiBr, ein mit Congoroth aus Filtrirpapicr bereitetes Reagenspapier.
Das Congoroth (s. d.) hat die Eigenschaft, durch freie Säuren blau gefärbt zu
werden, während saure Salze darauf ohne Einwirkung sind. Es wird deshalb bei
der Prüfung der Papiere auf Säuregehalt benutzt, da Alaun und Thonerdesulfat
damit nicht reagiren. Auch für die Erkcnnuug saurer Keaetion in gefärbten Flüssig-
keiten (Harn, Magensaft) ist es empfehlenswerth.
Congoroth ist ein vom Benzidin derivirender Tetra azofarh.stoil* von der Formel
C1} H, . N = N . C,„ H5 ^T jj'^
CtJ H4 . N = X . Cl0 H5 y^ii
Renzidin wird in salzsaurer Lösung mit Natriumnitrit in Telrazodipbenyl-
chlorid verwandelt und dieses auf x-Xaphtylainin*ulln<äUTe einwirken gelassen. Der
Farbstofl bildet mit Alkalien scharlachrothe Salze, mit welchen Baumwolle ohne
Beize schön roth gefärbt werden kann. Die Farbe ist jedoch sehr empfindlich jre;fen
Säuren, indem selbst schwache Säuren die erwähnten Alkalisalze zersetzen und
den blau gefärbten Farbstofl" ausscheiden. Beim Waschen mit Seife oder Alkalien
wird die rothe Farbe wieder hergestellt.
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CONGOROTH. — CON1FERENHAKZE.
251
Congoroth ist ein vorzüglicher Indicator und wurde von Jüliüs insbesondere
mm Titriren von Anilin vorgeschlagen. Benedikt.
CongreSS-Spring, ein kalter Säuerliug aus der Gruppe der Saratoga-Quellen
bei New- York. Das Wasser hat eiue Temperatur von 10.4° und enthalt im Liter
5.5 Kochsalz, ferner Jodnatrium, Natron-, Magnesia- und Kalkcarbonat, Eisenoxyd
und 1.3 Vol. Kohlensäure. Es wird viel versendet.
Conhydrin, s. conün, Pag. 254.
Conidien werden diejenigen Sporen der Pilze genannt, welche sich durch Ab-
schnürung au der Spitze von Hyphen bilden , die frei auf der Oberfläche des
Substrates oder des Stroma Rieh erheben, also nicht von einer Hülle eingeschlossen
sind. Die Hyphen selbst werden als Conidienträger bezeichnet. Man unterscheidet
eonidientragendo Fruchthyphcn und conidientragende Stromata. Jede Frnchthyphe
stellt einen auf dem Substrate sich erhebenden Mycelzweig dar. Sie gliedert sich
meist durch Scheidewände in mehrere Zellen und bleibt entweder einfach , oder
sie treibt aus dem oberen Ende ihrer Zellen Zweige hervor. Conidientragende
Stmmata sind verschieden gestaltete , lagerartige Körper , welche ans zu einem
Pseiidoparcuchym vereinigten Hyphen bestehen und meist auf ihrer ganzen Ober-
flache von einem Hymenium bedeckt sind. Die Hymcniumschicht setzt sich aus
sehr zahlreichen Fruchthyphen zusammen, welche meist je eine Oonidie abschnüren.
Die oft in ungeheurer Zahl gebildeten Conidien sind dann in eine von der
Hynieniumschicht abgesonderte schleimige Flüssigkeit gebettet.
Alle diese Conidienformeu sind nun nichts weiter als frühe Entwickliingsstadien
höher organisirter Pilze. Von vielen derselben ist die Ascusform bereits bekannt,
von anderen noch nicht , doch verringert sich die Zahl der letztereu immer mehr
und mehr. In älteren Pilzwerkeu treten sie freilich sämmtlich als besondere Species
auf. Man kannte eben nicht ihren Entwicklungsgang, auch werden sie meist ohne
die zu ihnen gehörigen Pcrithccieu gefunden. Sie bilden die grossen ALtheiluugcn
der Hyphomycetes und Gymnomycetes. So lange man die höhere Fruchtfonn
nicht kennt, werdeu sie auch noch heute unter ihren alten Specicsnamen aufge-
führt, aber zu deu sogenannten „Fungi imperfecta gestellt. Sydow.
Coniferae, Familie der Gymnospermae. - Charakter: Stamm reich ver-
zweigt. Blätter gewöhnlich immergrün, einfach, ineist schuppen- oder nadeiförmig.
Bläthen ein- oder zweihäusig, in Kätzchen oder am Ende der Zweige einzelu oder
zu 2 — 3. (5 Blüthen nur aus schuppenförmigen Staubblättern besteheud. Q Blüthen
aus einem mit ein bis mehreren Eichen besetzten, oft von seinem Deckblatt nicht
pesonderten Sprösschen gebildet. Q Blüthenstand meist zapfenförmig, seltener in
eine Beere übergehend. Samenkeim mit zwei- oder mehrfach getheilten Keim-
blattern. Die Familie zerfällt in folgende Unterfamilien: a) Taxineae , h) Cu-
pressineae, c) Äbietineae. Sydow.
COtliferengeiSt l Tb. Fichtennadelöl , 1 Th. Eau de Cologne und 10 Tb.
l'Oprocentigen Spiritus.
Coniferengeist , zum Zerstäuben im Zimmer, um Nadclwaldluft küustlich her-
zustellen, ist eine Mischung auB 80 Th. Oleum Pini opt. , 10 Th. Ol. Junipen
baccar., 5 Th. Ol. Rottmarini, 3 Th. Ol. Lavamlulae, 2 Th. Ol. Citri und
900 Th. Spiritus.
ConiferenharZe. Eiue grosse Anzahl von Coniferen liefert harzige I*roduete,
welche zu pharniaceutischen und technischen Zwecken ausgebreitete Verwendung
finden. Die meisten harzliefernden Bäume gehören zu den Abietineen ; von deu
Cuprrssineen liefert nur Juniperus communis L. Harz, welches früher gesammelt
und als Wachholderharz oder deutscher Sandarac in den Handel kam. Von den
enteren geben die zahlreichen, über die gemässigte und warme Zone der alten
und neuen Welt verbreiteten Pinns- Arten Terpentin, Dam mar a- Arten (Lt. Orientalin
252
CONIFKRENIIAHZE.
Lara, und nigra Rumpf) geben Dammar, andere (D. australis Don. und ovata
Moore) Copal, Callitris quadrioalvis Vent. gibt Sandarac.
Gleich den genannten lebenden Coniferen haben auch die in der Diluvialzeit
existirenden Harze geliefert, welche heute als Bernstein und Copale in den ent-
sprechenden Erdschichten oder in dem Meere gefunden werden.
Die Coniferenharze kommen in dem Holze und der Rinde der genannten Bäume
in eigenen Gängen und Behältern , und zwar im ätherischen Oele zu einer mehr
oder weniger dicklichen Flüssigkeit (Harzsaft, Balsam) gelöst vor , welche
sich bei Verwundungen des Stammes oder auch freiwillig an oder unter die Ober-
fläche desselben (Harzblasen) ergicsst.
Ihre Entstehung verdanken sie vermuthlich einer regressiven Metamorphose;
es sind also Excrete. Als ihre Mnttersubstanzen sind zunächst die ätherischen
Oele (8. Bd. I, pag. 157), selbst wieder Excrete, anzusehen, aus welchen sie
durch Oxydation zum Theile entstehen. Andererseits findet aber auch eine Um-
wandlung der Zellwandungen selbst in Harz statt (Moellkr).
Die Gewinnung der Coniferenharze geschieht auf mancherlei Art. Die frei-
willig ausgetretenen und an der Luft getrockneten Harze werden abgebrochen
oder abgescharrt, wie manche Terpentine (Scharrharz, Barras), San-
darac, Dammar, oder am Boden in Körnern aufgelesen, Waldweihrauc h,
oder es wird die Harzlösung, der Harzsaft in eigenen Behältern (Thongefässen) oder
in Höhlungen, welche in den Stamm selbst gemacht werden („Grandel") aufge-
fangen ; von manchen Harzen , obwohl von noch lebenden Bäumen abstammend,
werden nur jene Sorten gesammelt, welche im Boden liegen (recent-fossil) , wie
manche Copale (s. pag. 291): andere endlich werden, zu grossen Klumpen ange-
wachsen und in den Flüssen weitergetrieben, an den Ufern derselben in felsblock-
artigen Massen gefunden, wie manche Dam m a r- Arten (s. d.).
Je nach dem Gehalte der Coniferenharze an ätherischem Oele sind dieselben
zähflüssig (Terpentin und Canadabalsam), weich wie Galipot oder hart wie Dammar,
Sandarac, Copal und Bernstein. Jedoch werden die gesammelten Harzsäfte oft
erst künstlich durch Destillation oder durch längeres Kochen mit Wasser ihres
ätherischen Oeles beraubt und liefern dann die sogenannten Harzproducte , z. B.
Colophonium und Wasserharz; aber auch dann haftet allen noch eine gewisse
Quantität des Oelcs fest an.
Auch der Geruch und der Geschmack der Coniferenharze richten sich
grösstenteils nach der Menge des in ihnen enthaltenen ätherischen Oeles. Sie
riechen angenehm balsamisch wie Canadabalsam und Sandarac, oder sind fast
geruchlos wie Dammar, Kaurie-Copal , Colophonium. Der Geschmack hängt zum
Theil von geringen, darin enthaltenen Mengen von Bitterstoffen ab.
Die Farbe ist von wasserhell , gelblich , rothbraun bis fast schwarz. Die
dunklen Färbungen kommen fast nur den künstlich von Gel befreiten Coniferen-
harzen zu. Die festen Harze sind ferner durchsichtig oder wenigstens durchscheinend,
glasglänzend, gewöhnlich von muscheligem Bruche; die Trübung (milchiger, wolkiger
Bernstein) ist durch zahlreiche in der Harzmasse eingeschlossene mikroskopische
Luftbläscheu bedingt; die den atmosphärischen Einflüssen ausgesetzte Oberfläche
verliert häufig ihren Glanz und wird durch pulverigen Zerfall trüb; das sogenannte
W a s s e r h a r z verdankt seine weisse Farbe zahlreichen kloinen Wassertröpfchen, die
in demselben eingeschlossen Rind. Der Kaurie-Copal hat eine opalisireude Oberfläche.
Die Hflrte der Coniferenharze ist von der anderer Harze nicht wesentlich ver-
schieden, sie schwankt zwischen der des Gypses und der des Steinsalzes.
Das s p e c i f i 8 c h e Gewicht der stark ölhaltigen Harze , der Balsame ist
niedriger als das des Wassers — der Canadabalsam zeigt 0.99 — .jenes der Ölarmen
Harze ist etwas höher von 1.04 — 1.12.
Die Coniferenharze erweichen schon bei einer Temperatur von 80 — 100\ der
Schmelzpunkt ist verschieden : Colophonium schmilzt schon bei 100°, Sandarac
bei 135". Dammar bei 150°, Bernstein bei 2*7°.
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CONIFEKENHARZE.
253
Die meisten Coniferenharze sind wohl optisch activ; reines Colophonium
besitzt kein Rotationsverniögen. Die Balsame zeigen ein dem Sinne und dem
Grade nach von dem der sie constituirenden Oele und Harze abweichendes
Drehungsvermögeu. Venetianischer Terpentin dreht rechts, das daraus dargestellte
Harz in demselben Sinne nur stärker, das darin enthaltene Ätherische Oel dreht
die Rotatiousebene nach links.
Die Lösungen mancher Harze, z. B. des Colophoniums, zeigen Fluoresccnz.
In Wasser sind die Coniferenharze unlöslich; nur manche geben an dasselbe
ihneu beigemengte, nicht harzige Bestandteile, z. B. Bitterstoffe, ab, wie Sandarac ;
in Alkohol, besonders in heissem, sind fast alle löslich, der Bernstein nur sehr
schwer; auch Aether löst alle bis auf Copal und Bernstein. In Schwefelkohlenstoff
and in Benzol lösen sich alle mit Ausnahme von Copal und Sandarac ; ätherische
Oele, besonders Terpentinöl, sind gute Lösungsmittel, nur Copal widersteht ihneu.
Siedendes Leinöl löst Dammar und Colophonium leicht, Sandarac schwerer, Copal
nicht. Colophonium löst sich in Natronlauge schwer, in Ammouinkflüssigkcit leicht ;
die anderen Harze werden durch diese Flüssigkeiten nicht angegriffen. Von con-
centrirter Schwefelsäure werden alle mit brauner, nur Dammar mit rother Farbe
gelöst. Der Bernstein widersteht fast allen Lösungsmitteln.
Ihrer chemischen Natur nach sind die Coniferenharze Gemenge von ätherischem Oel,
Kohlenwasserstoff und ein oder mehreren Harzen. Die Zusammensetzung des ersteren
ist fast durchwegs sichergestellt, es sind Terpene mit der Formel CftH.<, oder
einem Vielfachen derselben. Der Erforschung der Zusammensetzung der ein-
zelnen Harze stellen sich vielfache Schwierigkeiten entgegen. In der Regel sind
es Sauren , welche nach geeigneter Behandlung gut krystallisiren und sich mit
Alkalien zu Salzen, den Harzseifen, mit anderen Basen zu Resinaten sich ver-
binden; manchmal sind es Anhydride von Säuren. In den meisten Harzen sind
eine Anzahl verschiedener Harzsäuren zugleich mit Anhydriden vorhanden. So ist
in den Pinusharzen Abietinsäure, C44HfllG5, und deren amorphes Anhydrid, die
Pininsäure, ferner Pimarsäure, CJOHi0 02, enthalten. Das Colophonium besteht zum
&rfissten Theile aus dem Anhydrid der Abietinsäure, C^H^O,. Das Dammarharz
enthält die Dammarylsäure , deren Hydrat und einen festen Kohlenwasserstoff,
Daramaryl. In anderen Coniferenharzen , z. B. im Sandarac , sind die einzelnen
Bestandteile noch nicht genauer bekannt; man hat sieh begnügt, sie mit den
Namen Alpha-, Beta- und Gamma-Harz zu bezeichnen. Aus den Untersuchungen vou
Hlasiwetz geht Übrigens hervor, dass sämmtliche Coniferenharze zu den T e r p e n-
harzen gehören. Die Terpenharze sind nach demselben Autor schwache, manch-
mal krystallisirbare Säuren und werden dnreh schmelzendes Kalihydrat im Gegen-
sätze zu anderen Harzen nur wenig verändert. Andererseits lassen sich aus den
in den Pflanzen vorkommenden Terpenen, z. B. Terpentinöl, Wachholderöl, durch
Erhitzen mit weingeistigem Kali Producte darstellen, welche im chemischen und
physikalischen Verhalten dem Colophonium vollkommen gleichen. Als Formel für
die Terpenharze wird von Hlasiwetz C20 0 ,0 02 aufgestellt und ihre Entstehung
aus den Terpenen durch folgende Gleichung erklärt:
C\0 H,0 03 = 2 Cl0 H16 + 3 0 — H3 0.
Den verschiedenen Reagentien setzen, wie schon aus dem oben Gesagten her-
vorgeht, die Coniferenharze noch grösseren Widerstand entgegen als die übrigen
Harze ; ihr Verhalten gegen concentrirte Mineralsäuren, gegen Ammoniakflüssigkeit,
sowie das ihrer alkoholischen Lösungen gegen alkoholische Bleiacetatlösung können
zu ihrer Erkennung verwendet werden.
Die Verwendung der Coniferenharze ist eine vielseitige. Pharmaceutisch werden
sie gebraucht als Zusatz zu Pflastern , zur Darstellung von Harzseifen ; ferner
wegen des angenehmen Geruches, den manche von ihnen beim Verbrennen ent-
wickeln, als Zusatz zu Räucherspecies, technisch zur Bereitung von Kitten, ferner
in Lösung zu Firnissen.
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254 CONIFERENHARZE. — COXIIN.
Literatur: Wiesntjr, iJie Rohstoffe des Pflanzenreichs. — Hase mann u. Hiljrer.
Die Pflanzen>tofte. — Flückiger, Pharmakognosie. — Beil st ein, Org. Chemie. — Hla-
siwetz in Anna). d. Chem. u. Pharm. 148. - Hirsrhsohn lieitr. z. Chemie d. versch.
Harze. Arch. d. Pharm. 18. H. Paxchki*.
Coniferin, C,„ Hs2 0„ 4- 2 aq. Früher Laricin, Abietiu genannt. Findet »ich
im Cainbialsaft von alleu Zapfeubäumcu.
Darstellung. Zur Zeit der Holzbildung , int Frühjahr und im Aufang des
Sommers, werden friseh gefällte Stamme von Nadelhölzern in Stücke zersagt und
von der Rinde befreit. Darauf sammelt man den Cambialsaft durch Abschaben
vermittelst eines scharfen Instrumentes iu einem untergestellten Gefässe, befreit den
gewonnenen Saft durch Aufkochen und Filtriren von dem darin gelösten Eiweiss
und dampft das Filtrat auf etwa ein Fünftel seines ursprünglichen Volumens ein.
Die nach kurzer Zeit anschiessenden, noch braun gefärbten Krystalle werden durch
Abpressen von dem anhaftenden, eine eigentümliche Zuckerart, Pinit, enthaltenden
Syrup mögliehst getrennt uud durch mehrmaliges Umkrystalüsiren unter Anwendung
von Thierkohle gereinigt. Die verunreinigenden Massen lassen sieh zum grössereu
Theil auch dadurch fortschaffen, dass man die braun gefärbten heissen Coniferin-
lö8ungen mit geringen Mengen von Bleiacetat und Ammoniak versetzt; die Ver-
unreinigungen gehen in den Niederschlag, während das Coniferin gelöst bleibt und
nach Fortschaffnug des überschüssigen Bleies mit Kohlensäure beim Concentriren
anskrystallisirt.
Eigenschaften. Aus Wasser oder Alkohol umkrystallisirt bildet das Coniferin
weisse, atlasglfl uzende, scharf zugespitzte, oft sternförmig oder rosettenartig
gruppirte Nadeln, deren Schmelzpunkt bei 185 u liegt. Heim Liegen an der Luft
verlieren sie an Glanz und Gewicht, indem das Krvstallwasser theilweise sieb ver-
flüchtigt, was vollständig bei 100° eintritt. Coniferin ist schwer löslich in kaltem,
leichter löslieh iu heissem Wasser, ebenso in Alkohol, unlöslich in Aether. Schmeckt
schwach bitter und ist linksdrehend. Beim Kochen mit verdünnten Säuren spaltet
es sich in Traubenzucker und ein bald gelb werdendes Harz. Durch concentrirte
Schwefelsäure wird Coniferin zunächst dunkelviolett gefärbt und geht darauf mit
rother Farbe in Lösung; aus letzterer scheidet sich auf Zusatz von Wasser ein
indigblaues Harz ab. Mit Phenol und concentrirter Salzsäure befeuchtet, nimmt
Coniferin nach kurzer Zeit, im Sonnenlicht fast augenblicklich, eine intensiv blaue
Färbung an. Auf diesem Verhalten beruht die schon seit langer Zeit zum Nach-
weis von Phenol angewandte Fichtenholzreaction. Empfindlicher ist die Ueaction,
wenn man statt des Phenol eine mit Kaliumchlorat versetzte 20procentige Thyinol-
lösung. verwendet TMolisch, Ber. d. deutsch. Bot. G. 1886). Die wässerige Lösung
von Coniferin wird von Bleiessig nicht gefällt. Wird durch Emulsion langsam, in
6 — 8 Tagen in Traubenzucker und Coniferylalkohol zerlegt. Liefert beim Behan-
deln mit Chromsäuremischung Vanillin. Feberniangansaures Kali bewirkt Bildung
von Zuckervanillinsäure. Durch Kochen von entwässertem Coniferin mit Essigsäure-
auhydrid entsteht Tetracetconiferin, C16 Hl(i (C, R, 0)4 0«. v. Schröder.
Coniferylalkohol, C(0H12Oa. Entsteht, wie Tikmaxn nachwies, bei der
Spaltung des Coniferins durch Emulsin. Man übergiesst 50 g Coniferin mit der
zehnfachen Gewichtsmenge Wasser, fügt 0.2 — 0.3g Emulsin hinzu und lässt
6 — 8 Tage bei einer Temperatur von 25 — 35° stehen. Der entstandene Coniferyl-
alkohol wird durch Aether ausgeschüttelt. Er bildet Prismen vom Schmelzpunkt
73 — 74°, die leicht löslich in Aether uud Alkalien sind, weniger in Alkohol,
schwer löslich in Wasser. Bei der Oxydation mit Chromsäure liefert er Vanillin.
Acetaldehyd und Essigsäure, beim Schmelzen mit Kali Protocatechusäure. Natrium-
anialgam reducirt Coniferylalkohol zu Eugeuol, Clö H12 02. Mit Alkalien entstehen
kristallinische Verbindungen. v. Schröder.
Coniil), CH H,7 N. Der wesentlichste giftige Bestandteil des Schierlings, Conium
mandatum L : besonders reichlich in den nicht ganz reifen Früchten der zwei-
jährigen Pflanze, an eine Säure, vielleicht Aepfelsäure, gebunden, vorkommend. In
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CONIIN.
255
anderen Pflanzen ist das Coniin bis jetzt noch nicht aufgefunden worden. Pkschier
isolirte aus dem Extracte der Schierliugspflanze zuerst einen alkalischen Stoß',
welchen er „Couiin" nanute, A. L. Gieseke stellte zuerst ein allerdings sehr
unreines Sulfat des Coniins dar, die Reindarstellung des Coniins als ölige Flüssigkeit
und die Charakterisirung als Pflanzenbase gelaug Ph. L. Geiger im Jahre 1831.
Darstellung. Zerquetschte halbreife frische Schierlingafrüchte worden mit heissem
Wasser und nach dem Aufquellen mit kohlensaurer Natriumlösung benetzt und
die gleichförmig gemischte Masse in einer Destil Ii r blase mit gespanuten
Wasserdämpfen so lange der Destillation unterworfeu , als das Destillat nocli
alkalisch reagirt. Das Destillat wird darauf mit Salzsaure neutralisirt und zum dünnen
Syrup eingedunstet. Diesen schüttelt mau mit dem doppelten Volumen starken
Alkohols, trennt von dem abgeschiedenen Chlorammonium, destillirt den Alkohol
ah, setzt zu dem Rückstände Natronlauge und schüttelt das frei gemachte Coniin
mit Acther aus. Das nach dem Abdestilliren des Aethers bleibende Rohconiin wird
mit ausgeglühtem Kaliumcarbonat entwässert und hierauf im Wasserstoffstrome wieder-
holt rectificirt, die zwischen 168 — 169° Ubergehenden Antheile werden gesammelt.
Die über 169° siedenden Antheile des Roheoniins bestehen aus einem Gemenge
von Coniin, Methylconiin (C8 Hie [CH3] N) und Conhydrin fCd H„, NO),
welche neben dem Coniin im 8chierling vorkommen.
Das in den Handel gelangende Coniin rcprüsentirt aber noch keine reine und
einheitliche Substanz. Um aus diesem eine solche herzustellen, wird das Coniin in
•Salzsäure gelöst, das sich ausscheidende neutrale Oel mit Aether entfernt, aus
der sauren Flüssigkeit die Base mittelst Kali abgeschieden und diese nach dem
Kntwftssern durch wiederholte Rectification von dem Conhydrin befreit , sodann zur
Entfernung des Methylconiins in die Nitrosoverbindung (s. unten) Übergeführt und
diese durch Salzaituregas in Coniinchlorhydrat verwandelt, aus welchem durch Kali
die reine Base gewonnen wird.
Synthese. Das Coniin ist das einzige natürlich vorkommende Alkaloid, dessen
künstlicher Aufbau gelungen ist. Ladenburg erhielt au« a-Methylpyridin (Picolin)
und Acetaldehyd durch Condensation unter Austritt von Wasser bei 250°
Allvlpvridin:
*C6HtN.CHs + CHJ.CHO = C6H4N.CH:CH.CH) + H,0.
Picolin Acetaldehyd Allylpyridin,
welches durch Reduction mittelst metallischem Natrium und absolutem Alkohol in
I'ropylpiperidin, C5H10NC3H7, das ist Coniin, übergeführt wurde.
Das so gewonnene Coniin ist mit der aus dem Schierling dargestellten Base
völlig identisch befunden worden.
Constitution. Das Coniin, ein secundares Amin der Formel Cs H10 NH, ist,
wie die erwähnte synthetische Darstellung beweist, ein Propylpiperidin, und zwar
wahrscheinlich das normale Propylpiperidin C, H10 N . CrL . CH3 . CH3, da es bei der
Oxydation neben anderen Producteu x-Amidovaleriansäure liefert.
Im Sinne der sogenannten Structurcheinie würde demnach die Formel
H2
C
H2 C CH2
H2C CHCH9.CH,.0H»
N
H
die Constitution des Coniins ausdrücken.
Eigenschaften. Farblose oder auch schwach gelbliehe, ölige, stark alkalisch
reagirendo Flüssigkeit von eigentümlichem, widerwärtigem, Schwindel verursachendem
Geruch nnd unangenehmem, tabaksähnlichem Geschmack. Spec. Gew. bei 1 5° = 0.886.
ßiedepunkt = 168.5°. In einer sauerstofffreien Atmosphäre lässt es sich ganz
unzersetzt deetilliren. Bei Luftzutritt findet unter Braunfärbung eine theilweise
256
CONIIN.
Zersetzung statt. Am Lichte bleibt es unverändert, bei Luftzutritt bräunt und ver-
dickt es sich allniälig und verwandelt sich schliesslich in eine harzartige , bitter
schmeckende Masse von schwach basischen Eigenschaften. Es dreht das polarisirto
Licht nach rechts, (a) D = -I- 10.36°, die Drehung ist bei frisch bereitetem Coniiu
doppelt so stark. Bei gewöhnlicher Temperatur lösen 90 Th. Wasser 1 Th. Coniin,
in der Hitze ist es weniger löslich, bo dass eine kalt bereitete wässerige Lösung
sich beim Erwärmen trübt. Mit Alkohol ist es in allen Verhältnissen mischbar,
in Aether, Aceton, flüchtigen und fetten Oelen leicht, in Chloroform und Schwefel-
kohlenstoff schwer löslich.
Prüfung. Das Coniin darf sich beim Erwärmen nicht trüben, was auf einen
möglicherweise bis zu 25 Procent steigenden Wassergehalt deuten würde , und
muss sich beim Erhitzen über 170° vollständig verflüchtigen. Verfälschungen sind
ätherische Ocle und Ammoniak , letzteres entsteht auch bei der freiwilligen Zer-
setzung des Coniius, besonders bei sorgloser Aufbewahrung. Zur Prüfung auf Oele
gibt man zu 2 Tropfen Coniiu, 10 Tropfen Wasser und 3 Tropfen Salzsäure, es muss
sich eine klare Lösung bilden ; entsteht auf weiteren Zusatz von 60 — 70 Tropfen
Alkohol von 95 Procent ein krystallinischer Niederschlag von Salmiak, so liegt
eine starke Verunreinigung mit Ammoniak vor. Eine solche erkennt man auch,
wenn man ein Gemisch von 2 Th. Coniin mit 1 Th. Wasser mit Oxalsäure neu-
tralisirt, kalt stellt und die von der geringen Menge ausgeschiedener Krystalle abge-
gossene Flüssigkeit mit Spiritus aet/iercu* vermischt, an einer Trübung in Folge
der Ausscheidung von oxalsaurem Ammonium.
Reactionen. Metallsalzlösungen werden durch Coniin gefällt, Eiweiss wird
coagulirt. Concentrirte Schwefelsäure löst blutroth, später grün. Chlorwasserstoff-
gas färbt zunächst purpurroth, dann tief indigblau, Chlorwasser und Brorawasser
verursachen in wässerigen Coniinlösnngen weisse Trübung oder Fällung. Eine durch-
aus charakteristische Reaction für Coniin fehlt.
Salze. Das Coniin ist eine einsäurige Base; die Salze entstehen durch Neu-
tralisation mit den betreffenden Säuren und sind meist sehr leicht löslich in Wasser,
Alkohol und Aetheralkohol , aber unlöslich in Aether. Die wässerigen Lösungen
färben sich beim Eindampfen roth, violett, endlich braun und können nur im Vacuum
ohne Färbung eingedunstet werden.
Salzsaures Coniin, C„H17N.HCI. Grosse wasserhelle Krystalle des rhom-
bischen Systems.
Bromwasserstoffsaures Coniin, Coniinum hydrobromicum (Ph. Cr all.),
C8Hl7N.HBr. Durchsichtige, glasglänzende Krystalle des rhombischen Systems,
isomorph mit denen des Coniinchlorhydrats.
Jod Wasserstoff saures Coniin, CdH17N.HJ. Säulenförmige luft- und
lichtbeständige farblose Krystalle.
Saure 8 weinsaures Coniin, C8 H,7 N . C4 H„ 06 -f 2H20. Schöne grosse
rhombische Krystalle.
Das Platin doppelsalz, 2 (C„ HI7 N . HCl) PtCl,. Tiefrothe, in Alkohol leicht
lösliche vierseitige Säulen.
Das Coniin setzt der quantitativen Bestimmung grosse Schwierig-
keiten entgegen. Die von Dhagendorff zur Titration in Vorschlag gebrachte
Phosphormolybdänsäure ist bei Gegenwart von Aminonsalzen nicht brauchbar,
weshalb die zur Bestimmung dienenden Auszüge aus dem Kraut oder den Früchten
des Schierlings mit schwefelsäurehaltigem starkem Alkohol angefertigt werden müssen,
der Ammonsulfat ungelöst lässt. Aus Tinctura Conii und Essentia Conti ist durch
Zusatz von Schwefelsäure und Stehenlassen in der Kälte das Ammonsulfat zu
präcipitiren. Das vor der Titration auszuführende Eindampfen der weingeistigen
Auszüge geschieht zweckmässig in einem Strome von Wasserstoff oder bei starker
Luftverdünnung. Das Extractum Conii wird in Wasser gelöst und mit einer sehr
geringen Menge Schwefelsäure angesäuert. Hager empfiehlt das Coniin mit Aether
auszuschütteln und den nach der Verdunstung, des Aethers, zuletzt in einer
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CONIIN.
257
Atmosphäre von Salzsäure, bleibenden Rückstand zu wägen. Nach Dragendorff
lasst sich nach dieser Methode ohne Verlust nicht arbeiten, weil das Alkaloid und
seine Salzsäureverbiudung schon zum Theil mit dem Aether bei Zimmertemperatur
vertitiebtigt wird. Die Titrirung mit Kaliumquecksilberjodid (Mayer' sehe» Reagens)
ist, wie Versuche Dragexdorff's ergaben, nur ausführbar bei Anwendung von
Coniinsalzlösungeo mit \\ — 1 Procent Coniin, die entweder keinen oder nur
geringen Säurcüberschuss besitzen. Zusatz kalt gesättigter Chlorkaliumlösung trägt
bei Lösungen, welche nicht unter 1 Procent Coniin enthalten, zur Klärung und
dazu wesentlich bei, dass sich ein Niederschlag von der Zusammensetzung
(C8H1SNJ)3 + Hg J3 bildet, demnach leem des Reagens Ü.0125 g Coniin entspricht.
Kürzlich hat £. Dieterich die Bestimmung des Gehaltes an Coniin im Extractum
Conti in der Weise ausgeführt, dass er die Mischung des Extractes mit Wasser
und Kalk im Extractionsapparate durch Aether erschöpfte, den Aether später
unter Zusatz von Wasser verdunstete, den Rückstand mit Weingeist aufnahm und
unter Benützung von Rosolsäure als Indicator mit V>oo Normalschwefelsäure
titrirte. 1 cem 1100 Normalschwefelsäure = 0.00127 Coniin. Vorläufig steht dieser
Methode die noch nicht widerlegte Angabe Dragexdorff's entgegen, dass eine
Coaiiulösung schon neutrale Reaction gezeigt habe, bevor die der Rechnung nach
erforderliche Säuremenge zugesetzt war. Dieser Widerspruch wird sich durch die Be-
nutzung verschiedener Indicatoren erklären lassen ; jedenfalls ist es bei der leichten
Flüchtigkeit des Couiins schon bei Zimmertemperatur weit zweckmässiger, den
ätherischen Auszug, weleher das Coniin enthält, mit überschüssiger 1 ,00 Normal-
schwefclsäure zu versetzen und nach dem Verdunsten des Aethers den Säure-
überschuss mit 1 joo Normalalkali zurückzutitriren.
Chemisches Verhalten. Bei der Oxydation des Coniins mit Salpetersäure
oder rothem ebromenuren Kalium und Schwefelsäure wird neben einer Pyridin-
monucar bonsäure normale Buttersflure gebildet.
Salpetrigsäureanhydrid wird von troekenem , gut abgekühlten Coniin in reich-
licher Menge absorbirt, indem es sieh gelb, dann roth und zuletzt grün färbt. Die
entstandene Verbindung von Coniin mit Salpetrigsäureanhydrid (C,8 H17 N . N., Ös)
Mrfallt beim Schütteln mit Wasser unter Abscheidung von Nitro socouiiu
C^Hlä(NOjN (Azoconydrin von Wektueim), eiu leichtes gelbliches, in Weingeist
und Aether lösliches Oel von aromatischem Gerüche und brennendem Geschmacke,
naacirender Wasserstoff regenerirt Coniin. Gasförmige Chlorwasserstoffsäure ver-
wandelt es unter Entwicklung von Stickoxyd und Stickstoff in Salzsäure« Coniin.
Phosphorsäureanhydrid führt es bei 80—90° uuter Entwicklung von ßtickstoff
und Abspaltung von Wasser in Conylen (C8 HM), eiue farblose, bei 125 — 126°
liedende, nicht giftige Flüssigkeit über.
Das Verhalten gegen Alkyljodide charakterisirt das Coniin als secundäre Amin-
base, C„ H16 NU. Methyljodid addirt sich zunächst zu dem jodwasserstoffsauren
Salze der tertiären Base, Methyleoniin, welche mit weiterem Methyljodid das Jodid
«ner Ammoniumbase bildet.
Methyleoniin, C„ Ht« (CH3) N, findet sich in dem rohen Coniin (s. oben).
Entsteht in Form seines chlorwasserstoffsauren Salzes beim Erhitzen äquivaleuter
Mengen von Coniin und Jodmethyl auf 100°. Farbloses, dem Coniin ähnlich
riechendes Oel.
Aethylconiin, Crt II16 (Cj H6) N. Farbloses, stark lichtbrechendes Oel entsteht
analog dem Methyleoniin.
Durch Einwirkung von Silberoxyd auf das aus überschüssigem Jodmethyl uud
Coniin gebildete Dimethylcony lamm oniumjodid, CM n,ti (CH3)g N J, ent-
steht Dimethylconylammoniumhydroxyd , Ca HIC (CH3)2 N . OH, wel-
ches sich bei der trockenen Destillation in Wasser und Dimethylconiin,
C»Hl6(CHs)2 N, zerlegt. Dieses bildet eine flüchtige, bei 182u siedende Base von
eigen thümlichem, nicht mehr an Coniin erinnerndem Geruch. Auch das D i ä t h y 1-
eonylammoni umjodid und das Diäthylconylammoniumhydroxyd
&»I-EneyclopMie der gea. Pharmacie. III. 17
258 C0NI1N.
Bind dargestellt und gleich den entsprechenden Methylverbindnngcu nebst ihren
wichtigsten Derivaten beschrieben worden.
Erkennung bei forensischen Untersuchungen. Das Couiin wird
au» den Lösungen seiner Salze durch Natronlauge in Freiheit gesetzt und der
alkalischen Flüssigkeit durch Aether, Petroleumather, Benzol uud Chloroform ent-
zogen. Beim Verdunsten der Lösung in Aether, Petroleumäther etc. bleibt es als ölige
Tropfen zurück, welche den eigentümlichen Geruch und alkalische Reaction besitzen.
Aul diesem Wege erhält man bei forensischen Untersuchungen nach dem Verfahren
von Stas-Otto oder D ragen Dorff das Coniin in einem zur Anstellung von Heactioneu
hinlänglich reinen Zustande. Charakteristische Reactionen des Coming Rind zur Zeit
noch nicht bekannt. Zur Erkennung dient das folgende Verhalten: Die wässerige
Lösung trübt sich beim Erwärmen ; das durch Eindunsten der Base mit Salzsäure
erhaltene salzsaure Coniin ist krystalliniseh und erscheint bei 200facher Ver-
grösserung in doppeltbrechenden, nadel- oder säulenförmigen, bisweileu sternförmig
grnppirten Nadeln. Das Nicotin, mit welchem das Coniin leicht verwechselt werden
könnte, liefert unter diesen Bedingungen ein firnissartiges, erst nach langer Zeit
krystalliniseh erstarrendes Salz. Vom Nicotin unterscheidet sich das Coniin ferner
dadurch, dass die Coniinniederschlüge im Allgemeinen viel leichter löslich sind, als
die Nicotinnicdcrschläge. Aus diesem Grunde werden bei Verdünnungen , wo
Lösungen von Nicotin und Nicotiusalzeu noch durch Reagentien gefällt werden,
durch dieselben Reagentien in Coniin oder Coniinsalzlösungen keine Fällungen
mehr hervorgebracht. Namentlich gross sind die Differenzen in der Fällbarkeit
gegenüber Goldchlorid und Platinchlorid. Diese Reagentien rufen in 1 ,0ocm einer
1 : 100 verdünnten Coniinlösung keine Trübung mehr hervor, wahrend Gold-
chlorid 1 10 cem Nicotinlösung noch in einer Verdünnung 1 : 1000, Platin -
chlorid noch in einer Verdünnung 1 : 5000 schwach trübt. Kaliumwismutjodid
ruft in V^ccm Coniinlösung noch in einer Verdünnung 1:5000, Phosphor-
molybdänsäure von 1 : 5000, Kaliumqmeksilberjodid von 1 : 800, Gerbsäure von
1 : 100, Jodjodkaliuin von 1 : 8000 erkennbare Trübung hervor. Für die Identi
ficirung des Coniius ist auch die physiologische Wirkung desselben, Lähmung der
peripherischen Nerven von Wichtigkeit. Vor der Verwechslung mit Cadaveralka-
loiden muss man sieh hüten (s. Bd. 11, pag. 43'.)— 440.).
Anwendung. Das Coniin ist ein sehr starkes Gift, wirkt reizend auf die
Haut, erzeugt Röthung und heftigen Schmerz. Innerlich bewirkt es Lähmung der
Muskeln und endlich Asphyxie. Die letale Dosis beginnt bei 0.15.
Maximale Einzel- und Tagesgabc: 0.001 — 0.003.
Aufbewahrung: Höchst vorsichtig in kleinen, möglichst vollgefüllten, vor
Licht und Luftzutritt sorgfältig verschlossenen Fläschchen.
Conhydriu ist die neben dem Coniin nnd Methylconiin in dem Samen, dem
Kraute und den Blütheu des Schierlings enthaltene Base, welche 1856 von
Wkhtheim entdeckt wurde. Sie wird bei der Reinigung des Rohconiins aus den
über 18<)u siedenden Autheilen gewonneu. Eiu Theil scheidet sich auch aus dem
Aether, mit welchem das Coniin aufgenommen wurde, aus. Werth kim erhielt aus
280 kg frischen Blütheu 17 g, ans 336 kg frischen Früchten neben 700 g Coniin
40g Conhydrin. Dasselbe bildet farblose, perlmutterglänzende Blätter, welche
schwach nach Coniin riechen, in Alkohol, Aether und Wasser leicht löslich sind,
Schmelzpunkt — 120°. Siedepunkt = 220°. Es sublimirt schon unter 100°. Die
Lösungen reagiren stark alkalisch und machen Ammoniak aus seinen Salzen frei.
Es ist weniger giftig als das Coniin und wie dieses eine einsänrige , seeuudäre
Aminbase.
Mit dem Naraeu Paraconiin (C„ Hl6 N) bezeichnet man eine Base, welche
früher für identisch mit Coniin gehalten wurde und von Schiff aus dem bei
Einwirkung von Ammoniak auf Normalbutylaldebyd (2 C, H^ 0 -f- N Hs = H, O
-f C„H17NOj entstehenden Dibutyraldin (C„HI7N0j durch Abspaltung von Wasser
(C6H17XO = HaO + C8HlftN) dargestellt worden ist. Das Paraconiin zeigt in
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CONIIN. - CONIUM.
dem Gerüche, dem Siedepunkte und auch in seinen giftigen Eigenschaften die
grösste Aehnlichkeit mit dem Coniin, jedoch ist es optisch inactiv und seiner
chemischen Natur nach als ein tertiäres Monamin aufzufassen. H. Beckurts.
ConÜnUm hydrObrOmiCUm. BromwasserBtoffsaurcs Coniin (Ph. Gall.). —
S. Coniin.
Conium. Gattung der Umbclliferae , Unterfamilie Smymeae , charakterisirt
durch die aufgetriebene, von der Seite zusammengedrückte Frucht, deren Rippen
wellig gekerbt und deren Thälchen ohne Oelstriemen sind. Eiweiss auf der
Fugenseite mit schmaler tiefer Furche (Campyloftpermae).
1. Conium mac ulatum L., Gefleckter Schierling, Blutschier-
ling, Wuthschierling, Mäuseschierling, Mauer schierl ing, Teu-
felspeterling, Dollkraut, Scharnpiepen, Ziege udill, franz. C i g u e'
(= Cicuta), engl. Hemlock. Ursprünglich wohl in Asien heimisch, ist die Pflanze
jetzt mit Ausnahme des äussersten Nordens durch fast ganz Europa, Nordafrika,
Kleinasien, Sibiren, auch Amerika, besonders an Wegen und auf Schutt verbreitet.
Stengel 1 — 2 m hoch, ästig, unten schwach, oben stärker gerillt, bläulich bereift,
aru Grunde rothbraun gefleckt. Die ganze Pflanze ist kahl. Blüthcnstand eine
doppelt zusammengesetzte Dolde. Hülle meist 5blätterig, Hüllchen 3 — 4blätterig.
auf der Ausgenseite der Döldchen stehend, beide zurückgeschlagen Blüthe mit
undeutlichem Kelch und verkehrt herzförmigen Kronblättern, deren Spitze einge-
schlagen ist. Das Kraut und die Früchte sind in arzneilicher Verwendung.
Herba Oonii (Ph. Austr., Genn., Hung., Helv., Russ., Suec., Dan., Fenn.,
Graec, Hisp., Necrl., Norv.). Die unteren Blätter werden über 20 cm lang, sie
sind von breit eiförmigem Umriss, an einem hohlen Stiel von gleicher Länge
befestigt, der am Grunde in eine den Stengel umfassende häutige Scheide übergeht.
Sie sind dreifach gefiedert. Die Abschnitte erster Ordnung 4 — Spaarig, gestielt,
das unterste Fiederpaar steht oft etwas entfernt. Die Abschnitte zweiter Ordnung
sind öpaarig gefiedert. Die Abschnitte dritter Ordnung sind wenig regelmässig, aus
4 oder 5 Paaren eiförmiger oder länglicher Zipfel gebildet, die am Grunde zusammen-
fliessen und vorne nach aussen ein paar 8ägezähne tragen. Jeder Zipfel und jeder
Zahn trägt ein feiues farbloses Spitzchen. Die Blätter sind glanzlos, oben dunkel
grün. Der hohle Blattstiel hat einen Kreis von Gefässbündeln, die nach aussen
durch eine Bastgruppe begrenzt werden, unter der Epidermis liegt Uber jedem
Gefässstrang ein Collenchymbündel und zwischen diesem und dem Bast ein Harz-
gang, lieber dem Gefässbflndel der Blattnerven fehlt der Harzgang. Die Nervatur
der Blätter besteht aus einem Mittelnerven, sehr schwachen und spärlichen Seiten-
nerven und einem Randnerven. Das Gewebe der Blätter besteht oben und unten
ans den mit einer Cuticula bedeckten Epidermen, Pallissadengewebe und ziemlich
dicht gefügtem Schwammparenchym. Die Epidermis der Unterseite führt zahlreiche
Waaser- und Lnftspalten, welche aber am Rande des Blattes, wo die Zellwände
sich nicht unerheblich verdicken, fehlen (Fig. 41,2?). Die Epidermis der Oberseite
ist so gut wie frei von Spaltöffnungen biB auf den Rand, wo dieselben Uber dem
dort verlaufenden Marginalnerven in einfacher Reihe stehen (Fig. 41, A). Die
Zellen beider Epidermen sind buchtig, polyedriscb, doch sind die der Unterseite
verhältnis8mässig mehr geschweift. Sie enthalten nach dem Trocknen oder Einlegen
in Alkohol Sphärokrystalle und Büschel von nadeiförmigen Krystallen (Hesperidin
nach Adolf Meyer).
Man sammelt die Blätter der blühenden Pflanze (Germ., Austr., Helv.), vor der
Blüthe (Belg., Graec., Norv., Rom., Suec.), nach der Blüthe (Brit.). Ausser der
Zeit der Einsammlung sollen noch andere Umstände die Wirksamkeit der Droge
beeinflussen. Mit Rücksicht darauf soll sie von wild wachsenden Pflanzen (Brit.,
Dan.), von sonnigen Standorten (Suec.), im zweiten Vegetationsjahre (Belg.),
ohne die dicken Stiele (Austr., Neerl.) gesammelt werden.
17*
200
COM UM.
Frisch, mehr noch abgewelkt, riecht das Kraut widerlich und schmeckt etwas
salzig, scharf und bitter. Beim Trocknen verliert sich der Geruch , tritt aber
rasch wieder auf, wenn man die Droge mit Kalilauge befeuchtet. Man trocknet sie
und bewahrt sie vorsichtig nicht Aber ein Jahr auf. Sie findet Verwendung in
Substanz 1 0.3 ! Germ., 0.1! Helv. pro dosi) oder zur Darstellung des Extr. Conti,
Ungt. Conti t Ungt. narcotico-balsamicum Helhnundi , Empl. Conti
catum.
Fi«. 41.
Querschnitt durch /Vuciu» Conii. a Samenehveip«». b Embryo, 7onial vergrössert
v Uefltssbündp] in deu Kippen, «• die Fruchtarh&le, / und" »'
Conünschicht derselben. Vergr. 80.
Die SchierliugblJttter werden nachweislich mit einer ganzen Anzahl anderer
Umbelliferenblätter verwechselt, was besonders dann leicht möglieh ist, wenn sie
nicht zur BlUthezeit gesammelt werden ; sie sind charakterisirt durch die oben
angeführten anatomischen Merkmale, ihre Kahlheit, die feinen Stachelspitzchen
und den sehr deutlichen Coniingeruch beim Zerreiben mit Kalilauge.
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CONIUM. — CONJÜGATION.
261
Die dem Schierling am ähnlichsten Pflanzen sind:
Chaerophyllum bulbosum L., Kälberkropf: Wurzel rübenförmig oder knollig ;
Stengelbasis sanimt den unteren Blättern behaart; Dolden hüllenlos oder mit
einem hinfälligen Hüllblatte; Früchtchen lang und schmal, ungeschnäbelt.
Anthriscus silvestris ffofm., Klettenkerbel: Wurzel spindelig (wie bei
Conium) ; Blätter Unterseite sammt den Blattstielen und Scheiden zerstreut
behaart; Doldenbülle fehlend oder einblätterig, Hüllchen 5 — Sblätterig, nicht balbirt;
Früchte länglich-lanzettlich, kahl, glänzend, mit fünfriefigem 8chnabel.
Aethusa Cynapium L.. G 1 e i s s e oder Hundspetersilie: Wurzel spindelig ;
Blätter unterseits glänzend, Zipfel mit sehr deutlichem Gefässbündelnetz ; Hülle
fehlend, Hflllchen halbirt, dreiblätterig, so lang oder länger als die Döldchen, meist
herabhängend.
Cicuta virosa L., Wasserschierling: Wurzelstoek fächerig, Blattabschnitte
lioeal-lanzettlich , scharf gesägt, Epidermiszelleu und Papillen am Rande und auf
der Mittelrippo des Blattes auffallend gestreift, Hülle fehlend oder 1 — 2 Blättchen,
Hüllchen aus 10—12 pfriemlichen zurückgeschlagenen Blattchen. Frucht breiter
als lang, zweiköpfig.
Fructus Conti (Ph. Gall., Brit., Hisp. , Un. St.\ Die Frucht ist etwa
3mm lang, von der Seite zusammengedrückt, von den Griffeln gekrönt. Jedes
Früchtchen hat 5 starke Längsrippen, die besonders nach oben hin gekerbt sind
(Fig. 42 ii. 43). Den Thälchen und der Berührungsfläche fehlen Oelstriemen. Auf
dem Querschnitt erkennt man innerhalb der ziemlich starken Fruchthaut die
aus etwas derbwandigen, fast kubischen Zellen bestehende Coniiuschicht (Fig. 42
u. 45). Das Endosperm ist auf der Fugenseite tief eingeschnitten (Fig. 42), daher
nierenförmig, es enthält Aleuron und fettes Oel.
Man sammelt die vollkommen entwickelten, aber noch grünen Früchte und
trocknet sie sorgfältig. Sie riechen und schmecken wenig, mit Kalilauge zusammen-
gerieben entwickelt aber das Pulver denselben widrigen Geruch wie das Kraut.
Alle Theile der Pflanze, vielleicht mit Ausnahme der Wurzel (Christisox,
Harley), enthalten das sehr giftige Alkaloid Coniin (Blätter 0.09 Procent
(I)ragexdorff], unreife Früchte 0.7 Procent [Duagkndorff], 1.0 Procent [Lade],
reife Früchte 0.21 Procent [Wertheim]; nach dem Trocknen nimmt der Coniin-
gehalt sehr ab), ferner das weniger giftige Co n hydrin und das uugiftige
Con y 1 en.
2. Conium Arracacha Hook. (Arrncocha esculenta De C.) , deren
Frucht nngekerbte Rippen hat, einheimisch in Südamerika, hat in seinen knolligen
Wurzeln eine reichliche Menge Amylum, die deshalb eine beliebte Speise bilden.
Mau stellt in Santa Fe de Bogota daraus eine Art Arrow-root dar. Hart wich.
COfljugation oder Copulation, die einfachste Form der geschlechtlichen Ver-
einigung zwischen Zellen, deren geschlechtliche Verschiedenheit uicht erkeuubar
ist. Sie ist charakteristisch für eine Hauptgruppe der Algeu, welche daher specicll
als Conjugatcn bezeichnet werden. Der Vorgang ist der Hauptsache nach folgender :
Zwei Algenfäden legen sich parallel neben einander. Die Conjugatiou tritt nun zwischen
mehreren, zuweileu auch zwischen sämiutlichcn Zellen dieser beiden Filden ein. Je
zwei Zellen treiben an correspondirenden Stellen Ausstülpungen, welche mit ihren
Spitzen verwachsen. Hierauf löst sich die trennende Membran auf, und es entsteht
zwischen beiden Zellen eiue schlauchartige Verbindung, der sogenante Copulati<>ns-
Rchlauch. Der Inhalt der einen Zelle strömt nun durch deu Copulatiousschlaiich
in die andere Zelle hinüber, vereinigt sich mit dem Inhalte derselben und bildet
so einen grösseren Körper von ungefähr sphärischer Gestalt. Derselbe umhüllt
sich mit einer mehrschichtigen Zellmembran und wird zur fortpflanzungafähigen
Spore, die in diesem Falle Zygospore genannt wird. Für die Conjugatiou ist also
erforderlich, dass sich der Inhalt je zweier, verschiedenen Individuen angehörender
Zellen mit einander verbindet. Die junge Zelle ist das Vereinigungsproduet der
beiden Eltern. S.vdow.
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262
C0N.TÜNCT1VA. — CONSERVIRUNG.
Conjunctivae Bindehaut, ist die Schleimhaut, welche die dem Augapfel
zugewendete Fläche der Augenlider und auch den vorderen Theil des Augapfels
überzieht; diese beiden Antheile der Augonbindehaut werden auch als Conjunctiva
palpebra rum und Con junctiva bulbi unterschieden. Die Umschlag »stelle vom Augen-
lide auf den Augapfel heisst die Uebergangsfaltc der Conjunctiva. In der oberen
oder unteren Üebergangsfalte bleiben in's Auge gerathene Fremdkörper gewöhnlich
liegen : um sie zu finden ist es daher nöthig, das Augenlid umzustülpen. Am
inneren Augeuwinkel faltet sich die Conjunctiva zu einer senkrecht gestalteten
Duplicatur, welche als Palpehra tertia bezeichnet wird und ein Rudiment der
Nick- oder Blinzhaut der Thiere (Membrana nictitan*) bildet.
ConnectiV (Int.), Mittelhand, heisst jener Theil des Staubfadens, welcher die
beiden Anthcrenhälften trügt und gewissennassen verbindet. Gewöhnlich ist das
Counectiv der Gipfel des Staubfadens, in einzelnen Fällen erscheint es aber, indem
es in mannigfaltiger Weise auswachst, als selbstständiges Gebilde, z. B. als Quer-
balken bei Salvia, als blattartiger Fortsatz bei Viola. Mitunter ist das Connectiv
mit dem Staubfaden beweglich verbunden (Anthera versatilis), z. B. bei ColcJticnm.
Conocarpus, Gattung der Combretaceae. Bäume mit ganzrandigen Blättern ;
Blüthen iu gestielten Köpfchen ; Früchte schuppig, zapfenähnlich.
Die Rinde mehrerer im tropischen Amerika heimischer Arten (C. erectus -Jqu.,
C. latifolins Rxb., C. racemosus L. u. A.) ist reich an Gerbstoff und wird auch
als Heilmittel verwendet.
ConohOria, Violaceen - Gattung , synonym mit Alsodeia Pet.-Th. — Von
C. Cuspa Kth. (Alsodeia Cuxpa Spr.), einem guyanischen Baume, stammte die
als Fiebermittel gerühmte Conohoria-Rinde, Cortex antifebril is Novae Anda
lu»ian. Sie ist gegenwärtig verschollen.
Conrad s Augenwasser, s. unter Aqua Ophthalmien. — Conrad's
Pilulae spenificae bestehen aus 15 g Asa foetida, lg Radix Ipecacuanhae,
lg Opium und 30 Tropfen Oleum Menthae piperitae zu löO Pillen.
Conradinsquelle, s. Vai sinestra.
ConSerVcL Die Conserve ist eine in früherer Zeit sehr beliebt gewesene, jetzt
aber wenig mehr gebräuchliche Arzueiform. Man bereitet dieselbe , indem man
frische Blätter, Blumen etc. im steinernen Mörser mit einem Holzpistill mögliehst
fein zerstösst und unter fortgesetztem Stampfen so lange gepulverten Zucker hin-
zugibt, bis die Masse einen ziemlich steifen Brei bildet. Es werden dazu, je nach-
dem die Vegctabilien mehr oder weniger saftreieh sind, 2 bis 4 Th. Zucker nöthig
sein. Die Conserve briugt mau in gut verschlossene Gefässe und bedeckt dieselbe,
wenn sie längere Zeit aufbewahrt werden soll, mit einer Schicht Zuckerpulver.
Man hatte Con*erva Cochlrariae, NasturtU, Romrum, Viola mm etc. — Was
man gegenwärtig im Handel „Conserven" nennt, sind nach einer der Con-
s e r v i r u n g s m e t h o d e n (s. d.) behandelte Früchte, Gemüse, Fleisch u. s. w. Auch
die Cutiserva 'J'umarindorum, Tamar Indien Grillon, das beliebte Abführmittel, ist
keine eigentliche Conserve, da derselben, um sie formen zu können, etwas Mehl (re-
spective .Sennesblätter und Jalapenpulver) beigemengt wird. g. Hof mann.
Conservateur für Haarleidende, s. Bühiigens Haannittel, Bd. n,
pag. 413.
Conservirung. Die vom Thier- und Pflanzenkörper durch die Leben sthätig-
keit erzeugten organischen Substanzen erleiden nach dem Absterben der Organismen
oder nachdem sie vom lebenden Körper getrennt worden sind, bald schneller,
bald langsamer Zersetzungen, welche wir als Fäulniss , Verwesung und GShrung-
zu lezeichnen pflegen. Nach den heutigen Anschauungen und Erfahrungen wird
dieser Zerfall durch den Lehensprocess von Mikroorganismen (Bacterien, Pilze)
»
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CONSERVIRUNG.
263
^e»'irkt, bisweilen nach vorhergehender oder unter gleichzeitiger Einwirkung
""ipeforniter Fermente. Die Conservirung organischer Stoffe wird demgemäss darauf
«ich ^rj|n(ien müggen , iu erster Linie die zu conservirenden Stoffe von den auf
,*"Hn whoii befindlichen Mikroorganismen zu befreien und dann unter Bedingungen
0 * 'n einer Form aufzubewahren, so dass sie vor den ihre Zersetzung bewirken-
en ^Ukroben geschützt sind. Da die letzteren zu ihrem Lebeu und ihrer Weiter-
c *l<ikelung 1. der Luft, beziehungsweise des Sauerstoffs, 2. einer genügenden
Men^c Feuchtigkeit. 3. einer gewissen Temperatur und besonders 4. eines geeigneten
Nährbodens bedürfen, so sind dadurch gewissermassen die Wege vorgeschrieben,
welche beschritten werden müssen, um die Conservirung zu erzielen.
Die Conservirunggverfahren lassen sich unter Berücksichtigung der vier genannten
Punkte in nachstehende Gruppen eintheilen , wobei aber bemerkt werden muss,
dass eine scharfe Begrenzung derselben unmöglich ist. weil sich der Durchführung
der Gruppirung wegen der häufig stattfindenden Coinbination mehrerer Conser-
virutigsverfahren in einer Methode Schwierigkeiten entgegenstellen. Ferner mag
gleich hervorgehoben werden, dass bei derCouservirung für dieAuswahl
des Conservirungsmittels vor allen Dingen und selbstverständlich
die Natnr und der Gebrauchszweck der Conserve massgebend »ein
müssen. Die Conservirungsverfahren siud, iu allgemeinen Zügen, die folgenden:
1. Abschluss der Luft. Man erreicht dieselbe durch Ueberziehen der Sub-
stanz mit einer für Luft undurchdringlichen Hülle. Hierher gehört das Ueberziehen
mit Lacken, Harzen, Paraffin, mit Fett- und Oelscbichten. Auch kann man hierzu
das Aufbewahren von Nahrungsmitteln unter einer Zuckerschicht oder in hermetisch
verschlossenen Gefftssen oder in einer Kohlensäureatmosphäre rechnen.
Es mag hier bemerkt werden, dass man auch organische Stoffe selbst bei Luft-
zutritt vor dem Untergange schützen kann, wenn man die Luft vor ihrer Berührung
mit der Substanz von Mikroorganismen befreit; es genügen für diesen Zweck
Wattepfropfen, Asbestpfropfen u. dergl. Selbstverständlich wird man aber die auf
den zu conservirenden Substanzen schon befindlichen Mikroorganismen oder deren
Keime vorher tödten müssen.
2. Die Feuchtigkeit, an welcher organische Stoffe durchschnittlich sehr
reich sind, wird denselben behufs ihrer Erhaltung entweder vollkommen oder niy
partiell entzogen werden müssen. Ersteres geschieht durch Einwirkung erhöhter
Temperatur, wobei diese zugleich vernichtend auf die bereits vorhandenen Fäul-
nisserreger wirkt, oder auch bei gewöhnlicher Temperatur unter Benützung eines
luftverdünnten Raumes und einer hygroskopischen Substanz. Zur partiellen Ent-
ziehung des Wassergehaltes dieut das Pressen der Substanzen, längeres Ver-
weilen an der Luft und Sonne oder bei mittleren Temperaturen (40 — 70l) oder
in luftverdünnteu Räumen ; auch wendet man hierzu chemische Mittel an, welche
meist neben ihrer wasseranziehenden Eigenschaft zugleich antiseptisch wirken (z. B.
Alkohol, concentrirte Salzlösungen, Glycerin etc.).
3. Die Conservirung organischer Substanzen durch Modifi-
cation der für das Leben von Mikroorganismen nothwendigon
mittleren Temperaturen, welche man allgemein zwischen 4° und 45°
liegend annimmt, ist eine sowohl seit den frühesten Zeiten bekannte, als auch bei
weitem am häufigsten angewandte Methode. Sie beansprucht wegen ihrer Bedeutung
die meiste Beachtung.
Besonders ist die Conservirung durch niedrige Temperaturen eine sehr
alte. Es gehört hierher die Aufbewahrung an kühlen Orten, z. B. Eiskellern,
Eissehränken, das Ausfrierenlassen der zu conservirenden Stoffe u. dergl. mehr.
Man hat die Beobachtung gemacht, dass die meisteu organischen Stoffe nur so
lange ihrem Verderben entzogen werden als die niedrigen Temperaturen auf sie
einwirken. Sobald sie aber wieder den mittleren Temperaturen ausgesetzt werden,
fallen sie dem Verderben anheim, selbst wenn man die zutretende Luft durch
Filtriren keimfrei macht. Es stimmt diese Beobachtung mit der in der Bacteriologie
)y Google
264 CONSERVIRUNG.
gemachten Erfahrung überein, dass unter 4° die Mikroorganismen und ihre Dauer-
formen, die Sporen, keineswegs zu Grunde gehen ; es seheint sogar, als ob Bactorien
der Kfilte gegenüber sehr widerstandsfähig sind und nur eine Entwicklungshemmung
— „Kältestarre" — eintritt, aus welcher sie sich bald erholen, wenn sie wieder
unter günstige TemperaturverhäUnisse gelangen.
Von weit intensiverer und wirklich erfolgreicher Wirkung sind höhere
Temperaturen, weil durch dieselben erfahrungsgemäss bei rationellem Verfahren
Bacterien und deren Dauerformen in der That getödtet werden. Man wird nur in
den Fällen, wo durch die Einwirkung der Hitze die organische Substanz nicht in
der WeiRe geändert wird, dass sie als Nährboden an und für sich schon für die
sie verderbenden Organismen ungeeignet wird (z. B. bei Anwendung trockener
Hitze und bei der durch dieselbe bewirkten Austrocknung der Substanz), nach
Abtödtung der Bacterien, Pilze etc., dafür Sorge tragen müssen, dass ein neuer
Zutritt von zerstörenden Keimen nicht stattfinden kann. Die Conscrvirung wird
also genau unter Beobachtung analoger Vorsichtsmassregelu und Bedingungen aus-
zuführen sein, wie die Sterilisirung von Nährlösungen, Apparaten etc. zur Bactcrien-
forschung (vergl. Bd. II, pag. 88). Zu hohe Temperaturen werden als Mittel zur
Conservirnng aus bekannten Gründen auszuschliessen sein. Angewandt werden :
Siedebitze, bisweilen unter Absehluss oder mit nachherigem Abschluss der Luft
(Pasteurisiren , Appert's Verfahren), heisse Luft oder Wasserdämpfe. Besonders
die letzteren verdienen in der Conservirungsteehnik alle Beachtung, seitdem Koch,
Löffleb und Gaffky darauf aufmerksam gemacht haben, dass die frei strömen-
den Wa8serdämpfc von 100° schon nach einer viertelstündigen Einwirkung alle
Mikroorganismen und deren Dauerformen sicher zu vernichten vermögen. Auch die
„discontinuirliche Sterilisation" (vergl. Bd. II, pag. 01} ist bereits für die Conaer-
virungstechnik in erfolgreicher Weise benutzt worden.
4. Die letzte Bedingung für die Conscrvirung, nämlich die zu conser virenden
Substanzen in einen Zustand zu versetzen, in welchem sie als
Nährboden für die Mikroorganismen untauglich und dadurch dem
Untergänge entzogen werden, ist zum Theil schon bei den vorher besprochenen
Verfahren mit inbegriffen.
Es werden deshalb uur noch die chemischen, sogenannten „antiseptisch
wirkenden" Mittel übrig bleiben, welche bekanntlich nach Hunderten zählen,
und deren Anwendung bald mehr, bald weniger oder vielfach gar nicht von Erfolg
sind. Sehr viele der angepriesenen Conservirungsmittel sind mit vielen der empfoh-
lenen Desinfectionsmittel hinsichtlich ihrer Wirkuug auf gleiche Stufe zu stellen,
und es würde eine in der That verdienstvolle Arbeit sein, den Werth, beziehungs-
weise Tnwerth der bisher in Patenten, Zeitschriften etc., zur Veröffentlichung und
Anpreisung gelangten Mittel in gleicher Weise darzuthun , wie dies für die Des-
infectionsmittel bereits geschehen ist. Allgemein gefasst, wird man von vorneherein
behaupten können , dass ein gutes Desinfectionsmittel auch ein brauchbares Con-
servirungsmittel sein wird.
In der Conservirungsteehnik pflegt man, wahrscheinlich zur Erhöhung der Wirk-
samkeit, mehrere Antiseptica zu gleicher Zeit anzuwenden. Als Conservirungsmittel
werden zur Verwendung gebracht gewisse Metallchloride, besonders Quecksilber-
chlorid , welches in einer Lösung von 1 : 1000 stark antiseptisch wirkt , Kupfer-
chlorid, Aluminiumclilorid , Zinkchlorid , Eisenchlorid , auch Kochsalz und Chlor-
calcium, bezw. deren Lösungen. Von Sulfaten hat man angewendet: Kupfersulfat,
Zinksulfat, Aluminiumsulfat, Alaun. Eisenvitriol, Magnesiumsulfat. Von Sulfiten
spielen in der Conservirungsteehnik das Natrium- und Calciumsulfit (als sogenannte
„doppclt-sehwefligsanre Salze") eine hervorragende Rolle. Von den Nitraten ist wohl
der Salpeter das gebräuchlichste Conscn irungssalz, von den Phosphaten haben die
Metaphosphate 'auch die Metaphosphorsäure) Verwendung gefunden, von den
Arsensauerstoffverbindungen ist besonders von der arsenigen Säure ein sehr um-
fassender Gebrauch gemacht worden. Eine hierher zu rechnende, oft in Fachseh riften
erwähnte Cousenirungsflnssigkeit ist die an Jkax Wickersheimeu pat« ntirte ;
COXSERVIRLNG.
2C)b
du Patent wurde seiner Zeit vom preußischen Cultusministerium, um dasselbe all-
gemein benutzbar zu machen, angekauft. Die Flüssigkeit (D. P. 6741) ist folgen-
derraassen zusammengesetzt: Es werden 100g Alaun, 25g Kochsalz, 12g Salpeter,
60 g Pottasche und 10 g arsenige Säure in 31 kochendem Wasser gelöst. Man
lässt abkühlen und filtrirt. Zu 10 1 der neutralen Flüssigkeit werden 4 l Glycerin
nnd 1 1 Methylalkohol gesetzt. Diese Vorschrift hat im Laufe der Zeit Abänderungen
erfahren. Strdve (Arch. Ph. 3. J., XVI, pag. 322) empfiehlt statt der Wickers-
HEiMKR'schen Mischung , in welcher der Alaun völlig überflüssig und störend ist,
da er ausgefällt wird, eine Lösung von 55.45 Procent Wasser, 37.7 Procent
Glycerin, 4.43 Procent Methylalkohol, 1.34 Procent Kaliumsulfat, 0.46 Procent
Kochsalz, 0.23 Procent Salpeter und 0.39 Procent arsenige Säure. — Oscar
Jacobsex (Ebenda 332) Ändert aus demselben Grunde wie Strüve die Vorschrift
folgend ermassen ab : 20 g arsenige Saure , 1 4 kohlensaures Kali , 1 2 Salpeter,
25 Kochsalz, 18.5 Kaliumsulfat in 31 Wasser; zu 101 dieser Lfisung 41 Glycerin
und 1 1 Methylalkohol. Die Urtheile über die WiCKERSHEJMER'sche Lösung sind
auseinandergehend ; Wjckkrsheimer hat eine Flüssigkeit zum Hineinlegen der
in eonservirenden (vorzüglich anatomischer) Präparate und eine zum Injiciren
bestimmt, welche beide in ihrer Zusammensetzung nur wenig differiren. Zuletzt
ist von Demselben noch eine Flüssigkeit zum Conserviren von Nahrungsmitteln
angegeben worden.
Seitdem man die grossen Boraxlager in den Vereinigten Staaten erschlossen
hat. hat die Conservirung durch Verwendung von Borax und Borsflure eine immer
grossere Ausdehnung erlangt. Besonders scheinen folgende Präparate vielfach an-
gewandt zu werden: Das Conservesalz von Jaxnasch , welches als ein Ge-
misch von Borsäure, Salpeter und Chlorcalcium gilt ; Eugex Dteterich (Ph. Centralh.
1885, pag. 186) wendet 35.0 Natr. cfdorat., 35.0 Kai. nitr. dep., 30.0 Acid.
harie. an. Das Erhaltungssatz von H. Oppermaxx besteht auB Salpeter,
Kochsalz, Chlorkalium und 33 Procent Borsäure; das „einfache Erhaltungssalz"
desselbeu enthält 2.55 Procent Borsäure, die zum grössten Theil an Kalium und
Natrium gebunden ist und Kochsalz. Es wird unter Einwirkung geringer Mengen
schwefliger Säure bei 100° getrocknet. Das „zweifache Erhaltungspulver" von
H. Oppermaxx ist im Wesentlichen vierfach borweinsteinsaures Kalium Natrium
mit 3.6 Proceut Borsäure. Derselbe bringt auch ein glycerinhaltiges Borsäure-
präparat und in neuester Zeit „borsaure Magnesia in Lösung" in den Handel.
Aehnlich ist auch die von W. F. Guier unter dem Namen „Glacialin"
empfohlene Conservirungsflüssigkoit zusammengesetzt, welche aus einer Lösung
von Borsäure , Borax , Glycerin und Zucker in Wasser besteht ; W. Barff be-
nutet zum Conserviren eine Lösung von Borsäure in Glycerin. Das Conserve-
salz der chemischen Fabrik „Eisenbüttel" wird durch Zusammen-
schmelzen von 4 Aequivalenten krystallisirter Borsäure und 1 Aequivalent Natrium-
phosphat und Zerreiben der Masse mit Salpeter und Kochsalz hergestellt. Die
„Stuttgarter Conservirungssalze", ebenso das Septon sind nach Ad.
Mayer (Ph. Centralh. 1883 , pag. 23) Borsäure enthaltende Mittel. Auch eine
Fluorliorsäure — höchst wahrscheinlich die bekannte beim Einleiten von Borrluorid
in Wasser entstehende Verbindung — im Gemenge mit Gummi und Zucker ist
2ur Conservirung empfohlen worden (Ber. Chem. Ges. XI, pag. 1392). Gemenge
von Salicylsäure mit Borax oder Borsäure werden ebenfalls zur Verwendung gebracht.
Von Gasen hat sich die Kohlensäure (Kolbe, J. pr. Chem. 1882, pag. 249)
als antibacterides Mittel erwiesen. ( Aehnlich wie diese besitzt nach Gampek auch
Kohlenoxyd antiseptische Eigenschaften.) Die schweflige Säure und das Chlor sind
schon seit vielen Jahren für die Conservirung in Gebrauch : letzteres wegen seiner
zerstörenden Einwirkung auf organische Stoffe aber nur in beschränktem Maasse.
Ph. Zöllner (Ber. Chem. Ges. IX, pag. 707, und X, pag. 52) bat gefunden , dass
•Schwefelkohlenstoffdämpfe und auch das Kalinnixanthogenat erfolgreich zum Con-
swviren angewandt werden können. — Von anorganischen Verbindungen, welche
fttr den vorliegenden Zweck noch empfohlen worden sind, seien die Salzsäure (Gedke-
CONSERVIRUNG.
Patent, Bcr. Cheni. Ges., V, pag. 489), auch verdflnnte Schwefelsäure, die kohlen-
sauren und kieselsauren Alkalien, Chroinsäure, Kaliumpermanganat, Kaliumchlorat,
auch verdünnte Hypochloritlösungen erwähnt.
Nicht minder zahlreich sind die Verbindungen, welehe die o r g a n i s c h c C b em i c
der Conservirungstechnik liefert. So z. B. hat man von vielen Kohlenwasserstoffen
(erwähnt seien hier vorzugsweise das Leuchtgas und Naphthalin) , von ver-
schiedenen Alkoholen (besonders vom rohen Holzgeist , Methylalkohol , Aethyl-
alkohol , auch wohl Amylalkohol, ferner Glycerin), sowie ferner von Alkohol-
derivaten, z. B. Aether, dem Chloroform, Chloral, Aeeton , desgleichen von der
Blausäure Gebrauch gemacht. Auch Fettsäuren und deren Salze finden frtr die
Conservirung reichliche Verwendung, besonders spielt die Essigsäure — wohl vorzugs-
weise als roher Holzessig, welcher durch seinen Gehalt an Holzgeist, Brenzölen etc.
stark antiseptische Wirkung ausübt — und von ihren Salzen das Natrium- und
Calciumacetat eine Rolle. Von den aromatischen Substanzen werden vorzugsweise
die Carbolsäure und deren Homologe, einzeln oder iu Gemengen, (Kreosot,
Thymol etc.), sowie phenolartige Säuren, darunter besonders die Salicylsäure (und
Salicylate), iu ausgedehntestem M nasse angewandt. Auch Benzoesäure und Benzoeharz,
sowie Zimmtsäure, Lösungen von Gerbstoffen sind für den gleichen Zweck zur Em-
pfehlung gelangt. Schliesslich sei noch des an J. Holtz patentirten „Phenol itsw
Erwflhnung gethan , welches durch Auflösen von Borsäure bis zu 40 Procent in
Phenolen und Kreosoten hergestellt wird ; die zähe Masse wird durch einen v erhältniss-
mässig geringen Zusatz von Salzen, wie Kochsalz, Borax, Salpeter in Pulver von
hochprocentigem Phenolgehalt verwandelt. Es seien schliesslich noch die „ätheri-
schen Oele", Terpenc, und Kampherarten erwähnt.
Conservirung der Nahrungsmittel. Nach dieser kurzen und keineswegs
erschöpfenden Gesammtübersicht über die gebräuchlichen Conservirungsmethoden
und -Mittel gehen wir zu dem unstreitig für die Conservirung wichtigsten Gegen-
stande : den Nahrungsmitteln über. Man kann nach dem Vorschlage von
G. Jüokll {Leber Conservirung des Fleisches. Aerztl. Intellig. Bl. 1876, 4. Ser.,
Nr. 5.), die Nahrungsmittelconserven in „Neeessitätsconserven" und „Luxusconserven"
eintheilen. Erstere sind direct dazu bestimmt, die wesentlichen und unentbehr-
lichsten Nahrungsmittel, unabhängig von Zeit und Ort, der Gesauimtbevölkcriing
oder Theilen derselben als wichtigstes Material für die Unterhaltung des Organismus
zu liefern. Man wird an dieselben daher die nämlichen Anforderungen, wie an
jedes frische Nahrungsmittel, zu stellen haben, nämlich dass dieselben 1. einen
absoluten Nährwerth . 2. einen relativen Nährwerth gegenüber dem Tauschwertbe
oder Preise repräseutiren , 3. gesundheitsunschädlich sein müsseu, 4. iu ihrer
äusseren Beschaffenheit (Farbe, Geruch, Geschmack) unserem ästhetischen Gefühle
nicht zuwider und schliesslich 5. leicht transportfähig sind. Demuach wird man
als Ideal einer Conserve eine solche ausehen müssen, welche bei absoluter
Haltbarkeit im Uebrigen vollkommen mit dem frischen Nahrungsmittel identisch
ist. Ob dieses Ideal jemals erreicht wird, ob es überhaupt erreichbar ist, darüber
ist eine Entscheidung zur Zeit nicht möglich. Jedenfalls berechtigen die bis jetzt
geniachteu Fortschritte in der Conservirung eiuzelner Nahrungsmittel zu den
besten Hoffuungen, das* man sich wenigstens diesem Ideal soviel wie möglich
nähern wird. Als „Luxusconserven" werden diejenigen zu gelten haben, welehe
nicht dazu bestimmt sind, dem ausschliesslichen Krnährungszwecke zu dienen, und
welche daher nur eine untergeordnetere Rolle in der Lebensmittelversorgung spielen.
1. Conservirung des Fleisches. Unter den Necessitätsconservcn sind in
erster Linie die F leise hco u ser ven zu nennen.
Schon seit den iiitesten Zeiten ist die Conservirung des Fleisches bekannt.
Hkrodot erwähnt, dass die Aegypter das Fleisch durch Salzen vor dem Verderben
schützten; die Griechen schrieben dies Verfahren Phidii'PKS (9. Jahrh. v. Chr.)
zu. Auch das Trocknen und Pulvern des Fleisches ist eine uralte Erfindung.
Nach der Erzählung des Griechen Xiphilix sollen die Bewohner von Armorika
(die alte Bretagne) sich im Kriege von einem aus Fleisch hergestellten Mehle
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CONSEBVIRUNG.
267
ernährt haben. Ebenso bekannt ist es ferner, das» die Römer, die Feinsehmeckerei
bis auf's Aeusserste treibend, aus allen Himmelsgegenden eich das Beste und Theuerste
an Wildpret kommen Hessen ; dieses Fleisch wurde in Honig conservirt und behielt
?ehr lange Zeit seinen Geschmack bei. So Hessen sich noch viele andere Beispiele
anführen , aus denen hervorgeht, dass man zu allen Zeiten darnach gestrebt hat,
besonders eines der unentbehrlichsten Nahrungsmittel, das Fleisch, für längere Zeit
hinaus vor dem Verderben zu achützeu. Zu diesem Zwecke hat man nach
Hunderten zählende Methoden erdacht; so z. B. führt Jüdell (Dingl. Pol. f.
1876) (Iber 400 verschiedene Verfahren zur Conservirung des Fleisches auf.
Wir wollen uns begnügen nur eine kurze ubersichtliche Darstellung der wichtigsten
Verfahren zur Herstellung der Fleischconserven zu liefern.
1. Fle ischcon ser v en , hergestellt durch Abschluss der Luft.
Es geschieht dies auf verschiedene Weise, a) Die Fleischstticke werden mit Gelatiue,
Paraffin, geschmolzenem Fett umhüllt oder in Oel gelegt (wie bei Sardines a l'huile)
und in luftdicht schliessenden Büchsen verpackt. Alle diese Methoden siud jedoch
von nur untergeordneter Bedeutung , denn die Sicherheit der Conservirung auf
lange Zeit wird aus verschiedeneu Gründen eine zweifelhafte sein. Bei weitem
ein grösseres Interesse beanspruchen l> ) die BQchsenconserven, bei deren
Herstellung gleichzeitig erhöhte Temperatur und Luftabschluss zur
Anwendung gelangen. Die Fabrikation derselben wurde durch Appkrt (1809) be-
gründet, welcher zuerst Glasflaschen und Blechdosen mit gekoehtem Fleische
anfüllte, im Wasserbade stundenlang erhitzte und dann luftdicht verschloss. Dieses
Verfahren ist im Lanfe der Zeit vielfach abgeändert worden. Fastier z. B. be-
nutzte zum Kochen ein Salzbad von 110"; Axgilbkrt, dessen Verfahren in
Australien angewandt wird, verdrängt die Luft aus den Blechbüchsen durch Wasser -
dämpfe und erhitzt in einem Chlorcalciumbade ; Nasmyth benützt zur Verdrängung
der Luft Alkoholdämpfe ; Jones bringt die Büchse durch ein Metallrohr mit einem
luftleeren Raum in Verbindung; nach der Evacuirung erwies sich schon eine
unterhalb des Siedepunktes liegende Temperatur für die Conservirung als aus-
reichend. Das Fleisch wurde dadurch nicht trocken und faserig, sondern erhielt
sieh recht saftig und frisch.
Neben dem Büchsenfleisch, welches als Corned Beef oder Texas Beef
(ersteres ist eher als gepresstes Pöckelfleisch zu bezeichnen) aus Kordamerika ein-
geführt wird und neben dem australischen Büchsenfleische werden auch in Deutsch-
land nach dem System Gierling von der Carue - Pura - Gesellschaft verschiedene
Sorteu von Büchsenfleisch hergestellt. Koenjg gibt über die Zusammensetzung des
Büchsenfleisches folgende Zahlen an:
1 Inhalt
einer
Buch»«
Wnaser
.Stick-
stoff-
mibBtanz
Gramm
F r o c o n t
F.m
I. Ueberseeisckes Büchsenfleisch :
1. Exportgesellschaft Wilson
2. „ Canning & Co
f. „ Brougham
4. 2 Pfund Büchse
5-4 „ n
6. aum Australien .
7. Texas beef ( 1 Pfund Büchse)
8. Corned beef (Chicago, 2 Pfund Büchse) .
II. Deutsches Büchsenfleisch (Gierling's
System) :
l. Bestes deutsches Rindfleisch in Fleischbrühe
Deutscher Kindsbraten
3. Deutsches Rindsgullyas
1 If
57.3
•28.9
10.2
3.6
822
49.2
25.7
21.6
3.5
780
48.9
27.7
19.0
4.4
795
57.7 !
31.5
7.*
3.5 I
1452
58.8
25.9
11.8
3.5 i
1( -
54.03
29.3
12.1
4.5
452
63.6')
29.'i
3.9
2.9
770
56.9
338
6.4
2.9
410*)
60.03 1
26.38
8.61
2.61
1 515*)
52.^2
34.56
4.09
5.17 ,
655*)
71.90
19.63
3.92
2.52 ,
*) Durch Einkochen von 720 g frischem Fleisch erhalten.
268
CONSERVIRÜNG.
Das Urthcil über diese Conserven betreffs ihrer Haltbarkeit ist allerseits ein
sehr günstiges. Nach Fr. Hofmaxn erleidet aber auch das Fleisch bei seiner
Ueberführung in Büchsenfleisch keine Einbnsse an Nährstoffen, letzteres
ist nur gegenüber dem frischen Fleische sehr theuer. Hygienischerseits ist diesen
Conserven vorgehalten worden, dass sich in denselben oft Blei vorfindet, welches
jedoch hauptsächlich vom unvorsichtigen Verlöthen herzustammen scheint. Ein
anderer, sehr gewichtiger Einwand, welcher gegen den Gebrauch des Büchsen-
fleisches gemacht worden ist, (Roloff, Milchztg. 1881, pag. 404) ist der, dass
auch ungesundes Fleisch zur Conservirung gelangt, und dass durch die letztere
Keime von ansteckenden Krankheiten (z. B. Milzbrandsporen) keineswegs unschädlich
gemacht werden, da dazu, wie oben angeführt ist , entweder eine andauernde Er-
hitzung weit über 100° oder die Anwendung von Wasserdämpfen von 100°
nothwendig sind. Bei der Zubereitung der Conservebüchseu erreicht aber nach
WolffhüCtEL und Hüppe (Mitthlg. des kaiserl. Gesundh.-Amtes Bd. I, pag. 315)
die Temperatur im Fleische, ohne Unterschied der Büchse nicht 1009, so
lange nur eine Erhitzung des Wassers oder der Kochsalzlösung bis unter 106°
angewandt wird, bei Anwendung von Temperaturen von 108 — 110°, beziehungs-
weise 110 bis 130° (im Dampfkochtopfe) stieg die Temperatur im Innern des
Fleisches nur bei den kleinen Büchsen über 100°, während sie in den mittel-
grossen und grossen Büchsen sich auch bei diesen höheren Temperaturen unter
1000 hieit.
Andere Verfahren zur Bereitung des Büchsenfleisches, beruhen darauf, dass man
die im Fleische und den Büchsen enthaltene Luft durch andere, besonders antiseptisch
wirkende Gase verdrängt ; hierzu gehört das Verfahren von Kleixe , welcher in
den mit Fleisch gefüllten Büchsen die Luft durch Kohlensäure oder Stickstoff,
welches mit etwas Schwefeldioxyd vermischt wird , ersetzt. In ähnlicher Weise
verfährt Closset (D. P. 23317), dessen Methode von einigen Seiten als empfehlens-
werth beurtheilt wird. Das zu conservirende Fleisch wird in eine Büchse gefüllt
welche antiseptische Flüssigkeiten (Alkohol etc.) enthält, zunächst geschlossen und
dann unter Wasser geöffnet. Die Flüssigkeit wird dann durch keimfrei gemachte
Gase, z. B. vorher erhitzte Luft, verdrängt.
Kolbe (J. pr. Cheiu. 1882, XXVI, pag. 249) fand, dass sich Ochsenfleisch in
einer Kohlensäureatmosphäre gut hielt, bei Hammel- und Kalbfleisch fiel der
Versuch weniger günstig aus. Gampee tödtetc Thiere mit Kohlenoxyd, inipräg-
nirte das Fleisch mit diesem Gase und zugleich mit Schwefeldioxyd.
2. Entziehung von Wasser. Bei der Conservirung des Fleisches durch
Trocknen findet ein Verlust an Nährsubstanzen gleichfalls nicht statt. Das
Trocknen geschieht entweder durch die Sonnenwärme, wie in den Tropen, oder
durch künstliche Wärme. C h a r q u e d u 1 c c ist das in dünnen Schnitten, nach
Vcrreibung mit etwas Zucker, an der Luft getrocknete Fleisch ; Carne seeca
wird durch Trocknen des zuerst eingesalzenen Fleisches und Carne Tasajo
durch Auspressen des eingesalzencn Fleisches zwischen Steinen und darauf folgen-
des Trocknen bereitet. Diese drei Verfahren, von denen das zweite und dritte
sicherlich einen Verlust an Nährstoffen bedingt, sind in Brasilien, Uruguay etc.
üblich. Nach Fß. Hofmaxx erhalten sich diese Conserven wegen des noch immer
hohen Wassergehaltes verhältnissmässig nur kurze Zeit, auch sind sie zu salzig,
als dass sie, in grösseren Mengen oder fortgesetzt genossen, vertragen werden
könnten.
Dagegen liefert das Trocknen durch künstliche Wärme eine haltbare
Conserve. Alle die küustliehe Wärme benützenden Verfahren wenden fettfreies
Fleisch und eine Temperatur von 60 bis 70° an, unterscheiden sich aber unter ein-
ander in der Art der Ausführung. Vielfach wird das Fleisch nach dem Trocknen
gepulvert und auf diese Weise in „F 1 e i sc h m c h 1" umgewandelt. Hauptrepräsen-
tanten dieser Fleisebmehle sind das HASSAL'sche Fleischmehl fpatentirt 1804) und das
nach dem Patent Meixert und Hofmaxx (D. P. Nr. 851»!») hergestellte, als „Ca rne
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CONSERVIRUNG.
k(i9
purau bezeichnete Fleischmehl. Hassal trocknete fettfreies Fleisch bei 50 — 60°,
pulverisirte dasselbe und setzte dem Pulver 8 Procent Arrowroot, 8.5 Procent
Zucker und 3 Procent Gewürz (Salz und Pfeffer, hiuzu. Diese Mischung enthielt
n*ch Pakkes 12.7 Procent Wasser, 57 Procent Eiweiss (darunter 50 Procent
animalcs), 11 Procent Fett und 3.8 Procent Salze. — Die „Carne pura" wird
von einer Bremer Actiengesellschaft aus den Fleischvorrathen Amerikas in der
Weise hergestellt, dass das von Fett, Knochen, Sehnen etc. befreite Fleisch des
sogenannten Viertels des Rindviehs mittelst einer eigenen Hackmaschine zerkleinert,
je nach dem Zweck mit 2 — 2' a Procent Kochsalz vermischt und auf Drahthorden
in einem Trockenofen in der Weise getrocknet wird, dass sich die Fleigchstücke gegen
einen durchziehenden warmen Luftstrom von 60° in entgegengesetzter Richtung
bewegen. Nach dem Erkalten werden die getrockneten Stücke grob zerkleinert
und kommen dann in Blechbüchsen zum Versandt. In Berlin wird die feinere
Pulverisirung vermittelst Desintegratoren vorgenommen, das erhaltene feiue Pulver
durch eine doppelcylindrige Luftmaschine in das ganz feine Fleischpulver (Patent-
fleischpulver „Carne pura") einerseits und in das sogenannte Zellengewebe
andererseits, das als Viehfntter Verwendung findet, getrennt. Aus dem „Patent-
fleischpulver" werden unter Zusatz von Mehlen , Gewürzen etc. andere Conserven
hergestellt : Fleischgemüsetafeln (Suppenpulver), Fleischmaccaroni, Fleischgraupeu,
Fleischzwieback, Fleischcacao und -Chocolade u. dergl. m. Das Hauptgewicht bei
der Darstellung dieser Conserveu liegt einmal in der sacbgeinässen Präparation
der einzelnen Urstoffe und dann nach dem Mischen in der scharfen luftleeren Pressung.
Ini Nachstehenden einisre Analysen dieser Conserven :
i
Eivei»
Fett
Kohlehydr.
Salze
Procente
Patentfleischpnlver . .
Lepiminoaenfleisch-
Gemüse
Patentfleischbrodsuppe
Gemischte Carne pnra-
Suppe
Carne pura-U raupen
9.0—11.5 66-72 4.5-8.5
8-12
k— 11
14—15
10—13
Carne pura-Gries . . | 14—15
Carne pura - Kinder-
zwieback ! 10 — 12
Carne pura-Cacao von
ßlocker . . . .
26—29
16-17
19-20
18- 19
19- 22
14—15
16-20
13-15
1-2
1-2
1-2
4—5
26-30
51-54.5
58-60
66-68
60-64
66-67
- , 12—18
1.5-2.5
1.5-2.3
0.9-1.2
0.3—1
0.5-1
0.5-1
Theo-
brom i n
Carne pnra-ChocolaJe
5-7 23—25 19—23
2-3
11-12 24-27
34- 38
35- 40
Zucker
10-14 0.2
andere
Kohle- J.
hyd.
1.5—1.7
' 0.2-
0.4
10—13
3-5
2—3
2-3
id-3
2-3
6-7
2-3
Aus künstlichen Verdauungsversuchen mit diesen Conserven , welche Koekig
angestellt hat, geht hervor, dass die Verdaulichkeit ihrer Stick Stoffsubstanz, den bei
natürlichen Verdauung» versuchen gefundenen Zahlen entsprechend , zwischen der
Verdaulichkeitsgrösse der animalischen und vegetabilischen Nahrungsmittel liegt.
Es sei noch erwähnt, dass von der Stickstoffsubstanz der Carne pura 93 — 97 Procent
verdaulich sind.
Die für die russische Armee von der Gesellschaft „Volksernährung" (Narodnoc
Prodowolstwo) dargestellte Fleischconserve wird anscheinend vor dem Trocknen
erst gekocht oder gedämpft. — Der „Pemican" oder „Pine n k e phan" der
Indier ist getrocknetes, mit gleichen Theilen Fett zu einem Brei verriebenes
Fleischpulver.
3. Conservirung durch Kälte. Die Conservirung durch Kälte für kleinere
Fleischquantitäten geschieht in der bekannten Weise durch Aufbewahrung in Eis-
270
CONSERVIRUNG.
kollern, Eiaschr.lnken u. dergl. m. Von grösserer Wichtigkeit ist die Conservirung
durch Kälte für den Transport grösserer Fleisch vorrilthe aus fleischreichen Gegenden
nach solchen, welche Ärmer an diesem Nahrungsmittel sind. Es werden zur Zeit
grosse Quantitäten Fleisch in stark abgekühlten Schiffsräumen von Amerika nach
anderen Ländern, selbst wahrend der heissesten Jahreszeit, exportirt. Man wendet
hierbei das „Frigorific- Verfahren" an , bei welchem die Kälte auf verschiedene
Weise erzeugt wird. Englische Schiffe nehmen für eine etwa zwölftflgige Reise
bis 1 500 Tonnen Eis an Bord , welches gestossen und mit Salz vermischt wird.
Durch dasselbe wird Wrasser gekühlt und letzteres dann durch ein Schlangenrohr,
welches die Fleischvorräthe umgibt, geleitet. — Jellier bewirkt die Kälteerzeugung
durch Methyläther und Pictet durch schweflige Säure, neuerdings in Gemeinschaft
mit comprimirter Kohlensäure (Compt. r. Bd. 100, S. 329.
Die Methoden haben sich im Allgemeinen gut bewährt, da die Möglichkeit der
Conservirung eine zeitlich unbegrenzte ist und der Nährwerth und die Verdaulich-
keit erhalten bleiben. Es ist gegen diese Methode eingewendet worden, dass die
Conserven ungewöhnlich schnell nach dem Aufhören der Kältewirkung verderbeu
(s. o.). Dieser Umstand bringt den Unternehmern äusserst viel Nachtheil, da sie
fast niemals für ihre volle, oft das Fleisch von mehreren hundert Ochsen ent-
haltende Befrachtung sofort Abnehmer finden und daher durch die so schuell
eintretende Fäulniss grösserer Fleischmengeu pecuniär sehr geschädigt werden.
4. Conservirung durch antiseptisch wirkende Substanzen.
Uuter diesen Verfahreu ist das Einsalzen, das sogenannte Pöckeln, das
bei weitem häufigste. Man reibt das Fleisch mit Kochsalz ein und presst es in
Fässern schichtenweise zusammen, zwischen jede Schiebt eine sogenannte Salzlake
giessend , für welche man auf 70 kg Kochsalz ' 2 kg Salpeter und 22 1 Wasser
nimmt. Beim Einsalzen verliert das Fleisch neben geringen Mengen Eiweissstoffen
eiuen Theil seiner Extractivstoffe, Phosphorsäure und Kali, es wird zäher und büsst
an Wohlgeschmack ein (Voit, Zeitschr. Biol. 1879, pag. 493) Um die Auslaugung der
Extractivstoffe zu verhindern, hat J. v. Likbio eine Pöckelflüssigkeit empfohlen,
welche aus 50 kg Wasser, 18 kg Salz und 1 4 kg Natriumphosphat besteht ; zu je
;'».5 kg dieser Lösung werden noch 3 kg Fleischext ract , 750 g Kaliumchlorid und
200 g Chilisalpeter zugesetzt. — Eckhart imprflgn;rt das Fleisch kurze Zeit uuter
hohem Druck mit Kochsalz, Morgan befolgt ein eigenthümliches Pöckelverfahren ;
er gieRst unmittelbar nach dem Tödten der Thiere durch Verblutung in die Aorta
Kochsalzlösung ein und zwingt dieselbe durch Verschluss der rechten Herzkammer
in die Gewebe überzutreten.
An das Pöckelverfahren reiht sich das — damit häufig verbundene —
Räuchern des Fleisches. Hierbei wird die Conservirung einmal durch die hohe
Temperatur und das damit in Verbindung stehende Austrocknen, dann aber auch
zugleich durch die Imprägnirung des Fleisches mit antiseptischen Stoffen, Kreosot
etc. bewirkt. Zum Räuchern bedient man sich vorzugsweise des an Kreosot besonders
reichen Rauches von Buchenholz. Man modificirte das Räucherverfahren später
derart, dass man nur bestimmte conservirend wirkende Bestandteile des Rauches
verwendete (Schnellräucherei). So imprflgnirte Krönig das Fleisch mit
„Kreosotsalz", (1 Tropfen Kreosot mit 30g Kochsalz); Carbolsäure ist mit Kochsalz
unter Zusatz von Kohle und Talg von A. Vogel vorgeschlagen worden; hierher
gehört auch das „Phenolit" von Holtz. Alle diese Verfahren sind aber theüs
nur von Werth, wenn es sich um Conservirung für kurze Zeit handelt, theil«
schädigen sie den Geschmack der Conserve.
Ausser den angeführten ist eine grosse Reihe von anderen Chemikalien in An-
wendung gekommen, vor allen Dingen die Borsäurepräparate. Herzen hat mittelst
eines Gemenges von Borax, Kalisalpeter und Kochsalz Fleisch conservirt, welches
auf der Ausstellung in Brüssel für gut befunden wurde. Man wendet ferner die
Conservirungsmittel von Barff, Jannasch, Oppermann, Grier ete. an (s. oben).
Vielfach hat man Benzoesäure, noch häufiger wird Salicylsäure verwendet. Ueber
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C0NSERV1RÜNG.
271
die conservirenden Wirkungcu der Salicylsäure f ür Fleisch ist ein endgiltiges l'rtheil
noch nicht möglich ; Kolbe fand zwar, duss diese das Fleisch vor Fäulnis» schütze,
aber dass letzteres dennoch nach einigen Tagen einen unangenehmen Geschmack
annehme und beim Kochen und Rraten einen widrigeu, aber nicht fauligen Geruch
verbreite. Das häufig angewandte Gemenge von Salicylsäure und Borsäure erthcilt
den Speisen einen intensiv bitteren Gesuhmack (Hager, Pharm. Centralh. Bd. XIX.
pag. 84 1>). — Andere Verfahren benutzen Natriumacetat allein (Sacc) oder im
Gemenge mit Salpeter und Kochsalz und sogar mit Salzsäure (Gkokoks), oder
Alaun in Verbindung mit anderen Salzen, wie z. B. Salpeter, Kochsalz, Wein-
stein, ferner mit Tannin, Salicylsäure, Citronensäure , Zucker etc. — Wickers-
heimkr hat eine der bereits oben angegebenen Conservirungsflüssigkeit ähuliche
aneh für Fleisch empfohlen (D. P. 11530). Yocxg empfiehlt Schwefelcaleium und
geißsehten Kalk.
Was nun das mittelst Chemikalien conservirte Fleisch betrifft, so wird man
vor allen Dingen hierbei zu fragen haben, ob dasselbe für den Organismus des
Menschen zuträglich ist. Nach den Versuchen von M. Gktber (Zeitschr. Biol. 1880,
pag. 198 s von Forster (Arch. Hyg. 2, 75) und Schlenkeii (Chem. Centr.-Bl.
[3] 15, 268) dürfte man besonders den Borax und die Borsäure mit einem gewissen
Argwohne betrachten. Ueber die Salicylsäure gehen die Meinungen noch auseinander ;
während z. B. in neuester Zeit K. L. Lehmann (Arch. Hyg., Bd. V, pag. 483)
die Unschädlichkeit der Salicylsäure in Tagesdosen von 0.5 g dargethan bat, so
wurde hingegen in Frankreich von einer Commission, welcher bedeutende Aerzte
und Chemiker angehörten, im Auftrage der Academie de M6decine dem französischen
Handelsminister ein Bericht erstattet , in dem empfohlen wird , den Zusatz von
Salicylsäure und ihrer Derivate zu Nahrungsmitteln nicht zn billigen. (Bull, de
l'Acad. de Med. de Paris (2) 16-, 583.) Man wird sich füglich bezüglich der
Salicylsäure, sowie aller anderer chemischen Conservirungsmittel dem Ausspruche
R. v. Wa(;ner's anschliessen müssen, welcher sagt: „dass das Fleisch cousumirende
frblicmn, die höchste Instanz für diese Conserven , derartig mittelst Chemikalien
eonservirtes Fleisch sicher zurückweisen wird." Auch ist hierbei wohl zu erwägen,
was die 8. Jahresversammlung des deutschen Vereines für öffentliche Gesundheitspflege
im Jahre 1880 aussprach: 1. Dass bei Conservirnng von Nahrungs- und Genuss-
mitteln als oberster Grundsatz gelten niusf,, dass diese in ihrer Beschaffenheit keine
oder nur solche Veränderungen erleiden, welche keine Gefahr für die menschliche Ge-
sundheit bringen. Aus dies'em Grunde ist der Zusatz sogenannter
antiseptischer Mittel nur statthaft, wenn derselbe durch Er-
fahrung und Experiment als nicht gesundheitsschädlich erwiesen ist ; 2. dass,
wenn conservirende Stoffe einem Nahrungsmittel zugesetzt werden, dieser Zu-
satz in einer für den Käufer deutlich erkennbaren Weise zu
bezeichnen sei, und 3. dass alle Fleischconsorven, deren Her-
stellung nicht auf Anwendung höherer Temperaturen, 100° bis
1206 beruht, der officiellen Fleischbeschau am Orte ihres Ver-
kaufes unterliegen sollen.
An die Methoden, Fleisch in seiner Totalität zu conserviren , schliessen sich
diejenigen an, welche auf Conservirung einzelner Bestandteile ausgehen. Hierher
gehören die Fleischextracte.
II. Fischconserven. Das Conserviren der Fische geschieht im Grossen und
Ganzen in der nämlichen Weise, wie das des Fleisches. Man salzt die Fische ein
oder räuchert sie; vielfach wird auch das Fischfleisch getrocknet oder man con-
aervirt es durch Kochen, Einlegen in Oel (Sardine« a l'huile) oder in Essig
(Mariniren). Hier wäre noch der durch Einsalzen conservirte Rogen vom Lachs,
Kabeljau, des Störs, der bekannte Caviar, und der diesem verwandten Fische
in erwähnen.
Fischconserven zeigen folgende Zusammensetzung nach KöxiG:
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272
CONSERVIRÜNG.
•'•
Eiweis»-
Btofte
r rix
davon
Kachsalz
-, - . — .
1
P r
n o a n
V C u
t f
16.2
78.1»
0.8
1.5
10.1
7.1
1.8
! 462
18.9
16.8
16.4
14.5
' 49.7
30.0 i
04
20.5
18.8
22.3 1
2.2
*3.7
20.6
46.2
18.9
16.9
16.4
14.5
. j 69.5
21.1
8.5
1.2
22.7
15.9
0.5 1 —
Marinirte Neunaugen . . . . .
. \ 51.*
20.2
25.6
1.4
. 41.82
31.36
15.61
8.98
6.38
III. Milchconservirung. Die Methoden der Milchconservirung lassen sich
in folgende 4 Gruppen eintheilen :
1 . Erhitzen der Milch (Sterilisiren) : Conservirte, präservirtc Milch.
2. Eindicken der Milch zur Syrupconsistenz (gewöhnlich mit oder seltener ohne
Zusatz von Rohrzucker): Condensirte Milch.
3. Condensation und nachfolgendes Erhitzen (Sterilisiren) auf 100 — 120°: Con-
servirte oder präser virte, condensirte Milch.
4. Zusatz von antiseptischen Mitteln.
1. Conscrviren durch Erhitzen. Hei der Milch steht es sicher fest, da<s
ihr Verderben einzig und allein durch den Lebensprocess gewisser Mikroorganismen
bewirkt wird, welche schon während des Melkens in dieselbe hineingelangen, nach
deren Abtödtung jedoch die Milch sich unzersetzt erhalt. Mau erreicht dies letztere
vor Allem durch Hitze und bedient sich zu diesem Zwecke vornehmlich des Appert-
schen Verfahrens , welches auch von Nägeli für seine Milchconserve angewandt
zu sein scheint (Wagxer's Jahresb. 1879, pag. 942j. Becker versuchte die Milch
durch Erwärmen auf 60° und darauf folgendes schnelles Abkühlen auf 12 — 15°
vor dem Verderben zu schützen. Dieses „Pasteurisireu" der Milch wurde später
von Scherff in Wendisch-Buchholz bei Berlin dahin geändert, dass die Milch in
luftdicht schliessenden Flaschen auf 105 — 120° innerhalb eines eigens coustruirten
Apparates unter dem Drucke von 2 — 4 Atmosphären zwei Stunden lang erhitzt
wird. Nach dem Erkalten wurden die Korke mit Paraffin und Flanellscheiben
gedichtet. — Eine andere Milchconserve wird von Scherff in Ellrich derart herge-
stellt, dass die Milch in einen theilweise evacuirten geschlossenen Behälter gebracht
wird, aus welchem vorher durch ein indifferentes Gas die Luft ausgetrieben worden
war, worauf man durch Erwärmen sterilisirt. Die Milch wird dann in luftdicht
schliessende Flaschen, welche gleichfalls mit einem indifferenten Gase gefüllt sind,
unter Abschlus.s der Luft übergeführt und darin versandt. — Auch Dietzel
(Zeitschr. lamhv. Ver. Bayern 1882, pag. 511) erhitzt auf 115° in luftdicht
schliessenden Flaschen; Fesca (D. Pat. Nr. 18782) hat zum Conserviren mittelst
der Wärme einen eigenen Apparat construirt.
Nach den Versuchen von Hüppe (Mitthl. d. kaiserl. Gesundheits- Amtes H, pag. 309)
lasKen sich kleine Milchquantitäten durch strömenden Wasserdampf oder
durch discontinuirliehes Erwärmen bis zu 75° auf lange Zeit hinaus haltbar
inachen , wahrend blosses Aufkochen keinen Erfolg zeigt. Vom physiologischen
dpunkte aus ist das discontinuirliche Erwänneu vorzuziehen. Darnaeh verlieren
'£ochap|>:irate von Bertling (D.P.Nr. 18318), sowie von Soltma^n (Dtseh.
Wodiensehr. 1882, pag. 70), welche eine Erhaltung der Milch für kurze
wohl zu bewirken vermögen, an Werth, wenn es sich um Aufbewahrung der
i für längere Zeit handelt; dagegen verdienen die Verfahren von Hesse (Ph.
ralh. IKxii, pag. 260) und von Soxhlet (Münchener Med. Wochenschr. 1886,
15 und l6j, welche durch Wasserdampf von 100° sterilisiren, volle lie-
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CONSERVIRüNG.
273
2. Die Darstellung der „eondens irten Milch", welche vor der conser-
virten nur den Vorzug der leichteren Transportffthigkeit besitzt, geschieht vor-
nehmlich in der Weise, dass die aufgekochte Milch in mit Dampfheizung ver-
sehenen Holzbottichen mit etwa 12 Procent des Milchgewichtes reinsten Rohr-
zuckers vermischt und nach dem Durchsieben in einer Vacuumpfanne bei 50 — 60°
mr Syrupdicke eingedampft wird. Nach dem raschen Abkühlen wird die conden-
sirte Milch in luftdicht verschlossene Blechbüchsen eingefüllt und versandt. In
neuerer Zeit wird auch auf diese Weise condensirte Stutenmilch (Vieth, Milchztg.
1884, pag. 164), ebenso Ziegenmilch hergestellt.
In Amerika hat man schon seit langer Zeit angefangen eine condensirte Milch
ohne Zuckerzusatz herzustellen, indem frische — auch entrahmte — Milch im
Vacnumapparate meist im Verhältnisse von 4.3:1 eingedickt wird (s. auch
unter 3.).
Statt des Zuckers hat man zur Haltbarmachung des condensirten Productes
Benzoesäure, Boroglycerin etc. empfohlen, aber wohl kaum im Grossen zur An-
wendung gebracht.
Zum Gebrauche wird die condensirte Milch , je nach ihrer Concentration oder
ihrem Wassergehalte mit 3 — 6 Theilen Wasser aufgelöst, beziehungsweise auf-
geweicht. Bei einem Wassergehalte z. B. von 30 Procent würde man 1 Thl.
condensirte Milch mit 4 Thln. Wasser zu vermischen haben, um eine der natürlichen
Kuhmilch im Wassergehalte nahekommende Emulsion zu erhalten.
3. Die condensirte, präservirte Milch gewinnt man auf folgende Weise :
Man reinigt die frische Milch, am besten unter Anwendung von Oentrifugalkraft,
koeht sie auf, condensirt im Vacuum bei 40° und präservirt die eingedickte Milch
nach ihrer Ueberführung in Blechbüchsen mit luftdichtem Verschluss nach, dem
SCHKRFF'schen Verfahren unter Einhaltung gewisser Cautelen. Der Inhalt der
Büchsen wird vor dem Versandt auf seine Dauerhaftigkeit geprüft. Nach dieser
Methode arbeiten die Fabrik von Drexckhan in Stendorf bei Schönwalde (Holstein),
Walcker & Comp, in Bremen und die Swiss Milk Comp, in Altona.
4. Von antifermentativen Zusätzen zur Milch verwendet man hauptsächlich
Borsäure- und Salicylsäureprüparate ; von denselben gilt das unter Fleisch Gesagte.
Auch Wasserstoffsuperoxyd, Natriumbicarbonat werden benützt.
Die im Obigen beschriebenen Milchconserven besitzen durchschnittlich folgende
Condensirte Milch (mit Rohr-
zuckerzusatz ; 50 Analysen von
Fleisch mann), spec. Gew.
1.25-1.41 bei 15°.
Verhaltniss sswischen Milch nnd
Rohrzucker betrug :
Milchzucker 10.82— 18.35"
Rohrzucker 24.41— 40.48 7„
Mittlere Zusammensetzung
10 Analysen amerikanischer
ohne Zuckerzunatz hergeitellter
er Milch (Fleisch- if
mann). J 06 44
Wasser
Fett
Protein-
stoffe
Milchzucker
Asche
P r o c e n t
12.43
bis
35.66
7.54
bis
18.78
7.79
bis
20.14
41.25
bis
5189
(incl. Rohrz.)
1.56
bis
3.87
25.68
10.98
12.32
48.66
2.34
4640
bis
53 44
13.12
bi«
19.80
13.61
bis
26.50
12.50
bis
17.75
2.0
bis
2.96 1
48.59
15.66
17.80
15.40
2.52
6H.2
63.3
8.4
9.8
10.9
10.4
12.3
13.7
2.2
2.3
Mittlere Znsammensetzung
Condensirte präservirte Milch
aus Stendorf
„ Bremen
■
Nach Baginsky (Arch. Kinderheilk. IV u. Z. physiol. Chem. , VII, Heft IV)
sind die durch Erhitzen sterilisirten Conserven und die condensirte, präser-
virte Milch von Hause aus die besten. Dieselben bieten die Milch entweder in
in.
IS
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274
CONSEBVJRUNG.
ursprünglicher Concentratiou oder auf 1 s concentrirt. Sie besitzen einen leichten
Stich in's Gelbliche, der namentlich bei dem ScHERFKschen Product mehr als
gehörig hervortritt und auf eine Zersetzung des Milchzuckers hinweist Indessen
sind auch die übrigen Bestandtheile nicht unverändert. Das Casem der Milch ist
schwer in Wasser lösbar, aber auch durch Labferment schwerer flülbar geworden,
es ist sonach wahrscheinlich noch weniger leicht verdaulich als das frische Kuh-
casein. Ferner bilden sich in der Milch aus den phosphorhaltigen Stickstoffver-
bindungen Abspaltungen von freier Phosphorsäure durch die Hitze, was bei der
Bedeutung dieses Körpers für die Kalkresorption im kindlichen Darmcanal wahr
scheiulich nicht gleichgiltig ist. — Fehlerhaft conservirte Milch nimmt bald einen
talgartigen, ranzigen Geschmack an (0. Loew, Ber. Chem. Ges. 1882, 1282,
Nägeli , während bei gut durchgeführter Sterilisation die Milch nach MEissti
selbst nach Monaten sich durch nichts von frischer Milch unterscheidet.
IV. Oonserviren der Butter. Dasselbe wird vornehmlich durch Salzen (mit-
unter unter Zusatz von Salpeter) oder rmschmelzen erreicht. — Präser virte
Butter, welche für den überseeischen Transport bestimmt ist, ist nach Fleisch-
mann nicht etwa in eigenartiger Weise bereitet oder mit conservirenden Zusätzen
verschen, sondern sie besteht aus denjenigen ausgewählten Portionen von Dauer-
butter, welche nach sachverstäudigein Urtheile eine grosse Dauerfähigkeit erwarteu
lassen. Sie ist stets gesalzen, selten ausser mit Salz auch mit Zucker und Salpeter
versetzt und stets gefärbt. Man verpackt sie iu luftdicht schliessende Blechbüchsen.
— Von Aubry ist Calcinrabisulfit , vou anderer Seite Wasserstoffsuperoxyd zur
Conserviruug der Butter vorgeschlagen worden.
V. E i e r c o n s e r v e n. Zur Conserviruug der Eier verpackt man diese in schlechte
Wärmeleiter (Spreu, Häcksel, Asche) oder legt sie in eiue Lösung von Kalk, Salz
und Weinstein ; auch werden die Eier mit Oel und Fett eingerieben oder mit einer
Fett-, Wachs-, Paraffin-, Gummi- oder Leimsehicht umgeben und an kühlen Orten
aufbewahrt. Man hat ferner Ueberzüge vou Pechlösung in Baumöl oder solche von
Wasserglas empfohleu.
Von Effnee in Passau und von Ber« in Krakau sind sogenannte Eiereou-
serven durch Eintrocknen des Inhaltes der Eier auf Stahlplatten mittelst eines
warmen Luftstromes hergestellt worden. Hierher gehören auch die Eiertafeln.
VI. Von Nahrungsmitteln aus dem Pflanzenreiche sind es vornehm-
lich die Gemüse und das Obst, welche zur Conserviruug herangezogen werden. Die
Conserviruug der Kartoffel, welche man angestrebt hat, scheint zu keinen —
wenigstens materiellen — Erfolgen geführt zu haben. In Peru stellt man eine
solche Kartoffelconserve (Chunnos) durch Austrocknen von KartofTelscheiben her.
Die Conservirung der Gemüse geschieht 1. durch Trocknen und Pressen
(Blattgemüse und Schwämme ), 2. durch Weichkocheu im Dampfstrome und Trocknen
durch heisse Luft in luftverdünnten Räumen, 3. durch Einsalzen (beim Weisskraut,
Schnittbohnen etc.). Das Kraut geht bald in sauere Gährung unter Bildung von
Essig- und Milchsäure über, welche antiseptisch wirken ; 4. durch Behandeln der
Gemüse nach dem Ari'EUT'schen Verfahren (Büchsengemüse: Erbsen, Bohnen,
Spargel) und 5. durch antiseptische Mittel : Einlegen in Essig mit oder ohne Zusatz
von Gewürzen (Gurken, Erbsen, Mixed-Pickles etc.). Bezüglich der Büchsengemüse
sei erwähnt, dass man dieselben häufig blei- und zinnhaltig gefunden hat (vergl.
hierzu Uxger und Bodländer, Ph. Centralh. 1883, pag. 561; Techn. Chem. Jahrb.
VI, pag. 391; VIII, pag. 369).
Conserviren des Obstes. 1. Man schützt das Obst durch Verpacken
zwischen Stroh, trockeuem Seegras etc. vor der Berührung mit feuchter Luft.
2. Das Obst wird bei 40 — 70° getrocknet (Dörrobst, Backobst). 3. Absperren der
Luft. Das geschälte und gekochte Obst wird in seinem Saft in luftdicht schliessen-
deu Büchsen verwahrt. Noch besser ist das Einlegen des Obstes in eoncentrirten
Zuckersaft oder das Candiren der Früchte. 4. AU antiseptische Mittel wendet man
Spirituosen, Cognac, Wein, Rum, ferner auch Essig an.
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CONSERVIIUNG. — CONSTANTE.
275
Üie Couscrvirung des Bieres und Weines wird hauptsächlich durch
Pasteurisiren oder Salicylsäure ausgeführt.
Literatur, soweit dicselbo nicht schon im Text angeführt ist: Chr. Heinzerling,
Die Con*ervirung der Nahrung*- und Genussmittel. Halle 1883. — II er ach, Die Conservirunirs-
mittel Hartleben. Wien. — König, Die menschlichen Nahrung*- und Genussmittel Berlin 1883.
Da mm er, lllustr. Lexikon der Verfälschungen etc. Leipzig 1885 80. — Börner, Bericht
über rlie allgem. deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene etc. zu Berlin. Breslau
1*85 8ti. — Unit toi, T'eber die Connervirung des Fleisches. D. Viertelj.«chr. f. öffentl.
Gesundhpfl. 188*. pag. 418. — S c h e 1 1 e r, Kleischconservirungsmethoden und deren Verwend-
barkeit für Heereszwecke. Inaug.-Dissert. Berlin 1883. — 0. A. M e i n e r t, Die neueste Er-
nährnngstheorie. Berlin 1880. — Gerber, Die natürliche Praservation der Kuhmilch und
die Milchverproviantirung der Znkunft. New-York 1883. — Renk, Conncrvirung der Nahrungs-
mittel. Vierteljschr. f. öffentl. Gesundheit*pfl. Bd. XIII., Hft. 1. — Dujardiu-Beaumetz,
Herstellung von Fleischpulver. Bull, gener. CIL 4<>1. — Fr. Hofmuun, Die Bedeutung der
F!ei*chconserven etc. Vierteljschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. XIV, 545. — Husson, Hygienische
Eigenschaften einiger Conserven. Journ. d'Hyg. VII. 364. — Brouardel, Anwendung der
Salkvlaaure zur Conservirung. Ann. d'Hyg. publ. X, 22b. — Dubrisay, Buss. u. engl.
Methoden zur Nahrungsmitteleons. Ree. de Trav. du Comite consultat d'Hyg. XL 380. — -
Kolbe, Salicylsäure, J. pr. Chem. N. F. XI. 9 ; X. 89 ; XIII. 106; Unschädlichkeit, XVII. 347.
B. Proskauer.
ConSOÜda, von Rüpp aufgestellte, mit Symphytufn Tournef. synonyme
Gattung der Aaperifoliaceae.
Radix C onsolid ae majoris. Schwarz-, Bein- oder Wallwurzel,
Consoude, Comfrey root, stammt von Symphytum ofßdnale L. Sie ist mehr-
köpfig, bis 30 cm lang und 2.5 cm dick, frisch fleischig, getrocknet längsrunzelig,
hart, ebenbrüchig, unter der dünnen, fast schwarzen Korkschicht eine breite
Kinde und einen weissen, strahligen Holzkörper mit ansehnlichem Mark zeigend.
Man sammelt die Schwarzwurzel im Herbste, spaltet sie in Längsstucke und
trocknet sie scharf. Sie schmeckt schleimig-herbe, enthält Schleim, Asparagin
und Gerbsäure. In manchen Gegenden ist sie statt der Eibischwurzel in Gebrauch.
ConSOÜda ist auch eine Abtheilung der Gattung Delphtnt'um Tournef, (Ranun-
rdaceae), daher
Srmen Conaolidae s. Consoh'dae renalis s. Calcatrippae , Larkspur
Seed, die Samen von Delphinium Consolida L. Die zu mehreren in einer
kleinen, leicht zerbrechlichen Balgfrucht sitzenden Samen sind schwarzbraun, kantig,
mit häutigen Schuppen bedeckt, bis 2 mm lang und fast ebenso dick. Sie schmecken
bitterlich-scharf, dann süsslich-fett und enthalten neben fettem Oel wahrscheinlich
auch die Alkaloide der Staphisagria (s. d.). j. Moeller.
CollSp.y auf Recepten vorkommende Abkürzung für consperge, conspergantur,
coiwpergendae.
COHSpergiren, bezeichnet das Bestreuen der Pillen mit einem feinen, die
Feuchtigkeit wenig oder gar nicht annehmenden Pulver (s. Conspergirpulver),
um das Aneinanderkleben der Pillen zu verhindern.
ConSpßrgjirpulVBP, Conspergens, heisst dasjenige Pulver, mit welchem die
fertigen Pillen bestreut werden, um deren Aneinanderhängen zu verhüten, in
Kelteneren Fällen auch, um den Geschmack derselben zu verdecken. Ist ein solches
Pulver auf dem Recepte nicht namentlich vorgeschrieben, so wird immer Lyco-
podium verwendet. Zweckmässige Conspergirpulver sind noch die feinen Pulver
von Zimmt, Fenchel, Süssholz, Veilchenwurzel u. s. w., dagegen ist Zuckerpulver
nicht geeignet, da dieses die Pillen leicht feucht macht. G. Hofmann.
Constant Tinctures. in Amerika im Handel befindliche Tincturen , welche
angeblich stets den gleichen Gehalt an wirksamen Substanzen besitzen sollen, was
jedoch auch nicht immer erreicht zu sein scheint.
Constante. eine tin veränderliche Grösse. In der Phynik bezeichnet man als
Constanten solche Grössen, die zwar eventuell von der substantiellen Beschaflen-
18t)igitize
27G
CONSTANTE. — CONSTITUTION.
heit der Körper und von gewissen äusseren Umständen, wie z. B. die Siede- und
Erstarrungstemperatur vom Bruck, die Capillaritätsconstante und das gpecifische
Gewicht von der Temperatur, die optischen Constanten (Brechungsquotienteu,
specifisches Drehungsvennögen) ausser von der Temperatur noch von der Art des
zur Messung verwendeten Lichtes, die Beschleunigung der Schwere von der Lage
des Ortes, an dem sie bestimmt wurde, abhängig sind, von der äusseren Form
der Körper aber nicht beeinflusst werden und unter denselben äusseren Umständen
zu allen Zeiten dieselben bleiben.
Die genaue Bestimmung dieser Constanten ist eine wichtige Aufgabe der
Experimentalphysik, die Erforschung der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen
Aufgabe der theoretischen Physik. Pitsch.
Constante Empfindlichkeit ist eine an chemischen Waagen vorgenommene
Einstellung der drei Axen zu einander, wodurch es ermöglicht ist, die letzten
Differenzen beim Wägen 1 — 2 mg durch den Ausschlag der Zunge an einer Scala
direet abzulesen, s. Waage, chemische.
Constante Temperatur wird in der a nalyse (und Bacteriologie) häufig
erfordert, weil viele Körper über eine gewisse Temperatur hinaus nicht erhitzt
werden dürfen, da sie sich sonst zersetzen oder verflüchtigen würden. Um die
constante Temperatur zu erreichen, sind viele Apparate (Thermoregulatoren, Thermo-
staten) construirt worden, welche auf der Anwendung des Leuchtgases als Heiz-
material basiren und durch Verringerung des Gaszuflusses die Wärmezufuhr ver-
ringern. Auch für Kühlapparate, um längere Zeit eine niedere Temperatur herzu-
stellen, sind analoge Apparate mit Hilfe von Wasserleitungen construirt worden.
— S. Thermoregulator.
Constanter Strom, elektrischer. Constaut oder stationär heisst jener elektrische
Strom, bei welchem durch jeden Querschnitt seines Leiters in gleichen Zeiten gleich
grosse Mengen von Elektricität strömen. Da wir diese Mengen direet nicht messen
können, so schliessen wir auf die Constanz eines Stromes aus der Coustauz seiner
Wirkungen, insbesondere seiner chemischen und magnetischen. Hiernach bezeichnen
wir einen Strom als constant, wenn er beispielsweise in gleicheu Zeiten stets gleiche
Mengen eines Elektrolyten zersetzt oder einer unter seinem Einfluss stehenden,
frei beweglichen Magnetnadel eine unveränderliche Ablenkung aus ihrer Ruhelage
ertheilt.
Die Mittel zur Erzeugung constanter elektrischer Ströme bieten die constanteu
galvanischen Elemente. Pitsch.
ConstanteS Niveau wird häufig bei Wasserbädern zu erzielen gestrebt, um
das völlige Verdampfen des Wassers zu verhüten. — S. unter Wasserbad.
ConStipation (lat.) mit Beziehung auf den Mastdarm: Verstopfung.
Constitution deutet jenen Zustand des menschlichen Körpers an, der auf sein
Gedeihen oder Nichtgedeihen , auf seine grössere oder geringere Neigung zu er-
kranken, von Einfluss ist. Strenge genommen sollten die Aerzte darunter in
Bezug auf den Menschen dasselbe verstehen, wie die Chemiker in Bezug auf die
chemischen Verbindungen. Hier bedeutet Constitution so viel wie innerer Bau
der Verbindung. Wir wissen aber von dem menschlichen Organismus lange nicht
so viel, wie der Chemiker von den einzelnen Verbindungen. Wenn wir es wüseten,
würden wir die verschiedenen Zustände des Körpers, die wir etwa mit starker
oder schwacher Constitution andeuten, gewiss auch in der letzten chemischen Zu-
sammensetzung zu begründen suchen.
Zur Beurtheilung einer normalen Körperconstitutiou können folgende Normai-
maasse dieneu. Die Normallänge des erwachsenen Manues beträgt 168, des Weibes
157 cm. An normalem Gewichte rechnet man aut 150cm Körpergrösse 50kg und
auf jeden Centimeter Länge mehr je 1 kg Körpergewicht. Bei einem gesunden
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CONSTITUTION. 277
Körper von 167 cm kann eine Schulterbreite von 43, ein Thoraxumfang von
H'Iem bei Exspiration und 91cm bei der Inspiration als normal angenommen
werden. Das Fett soll beim Manne den zwanzigsten, bei Frauen den sechszehnten
Gewichtstheil des Körpers ausmachen.
Die angefahrten Maasse sind Durchschnittsmasse ; die Beurtheilung der Körper-
constitution allein nach diesen Maassstilben wäre gänzlich unzulässig. Grosse und
schwere Menschen brauchen noch lange nicht kräftige Constitution zu haben ; kleine
und hagere nicht unkriif'tige, auch gute Proportionen geben kein sicheres Merkmal.
Die Körperconstitutiou ist etwas Selbstständiges, was mit diesen Zahlen nicht ge-
messen werden kann. Aeusserer Habitus, ausgesprochen in Knochenbau, Musculatur
und Incarnat sind maassgebend bei Beurtheilung der Constitution. Man unterscheidet
kräftige, schwächliche und mittlere Constitutionen. Schwächliche fallen besonders
durch leichte Knochen, schwach entwickelte Muskelansätze, blasse, schlaffe und
wenig umfangreiche Muskeln auf. Erbliche Krankheitsanlage, wie z. B. Tuberculose,
wird durch kritt'tige Constitution in den Hintergrund gedrängt. Doch gilt diese allge-
meine Regel für Infectionskrankheiten nicht. Von Typhus, Cholera und bei Thieren
von Milzbrand werden gerade kräftige Individuen mit einer scheinbaren Bevorzugung
befallen. Als schlaffe, lymphatische, scrophnlöse Constitution bezeichnet man das
Vorhandensein stark entwickelter Lymphdrüsen, glanzloser, ungeschmeidiger Haut,
schwacher Muskel- und Nerventhätigkeit ; als catarrhalische und tuberculose solche,
welche zu den entsprechenden Krankheiten besonders hinneigen. Ebenso wurde
auch die Hinneigung zu anderen Krankheiten mit dem Namen bestimmter Con-
stitutionen belegt. Diese Fehler der Constitution können auch als Constitution s-
anomalien bezeichnet werden. Dasselbe Wort dient aber auch, sowie der
Ausdruck constitutionelle Anomalien zur Bezeichnung jener dauernden schädlichen
Folgen, die dem Organismus aus constitutionellen Krankheiten erwachsen, das ist
aus solchen Krankheiten, die allgemeiner Natur sind und nicht lediglich örtliche
Ursachen haben, wie z. B. Syphilis.
Constitution, chemische, ist der umfassendste Ausdruck für die chemische
Rindung der Atome im Molekül eines Körpers , welcher durch die Constitution s-
oder Structurformeln ein bildlicher Ausdruck gegeben wird. Durch die
Elementaranalyse einer organischen Verbindung wird die procentische Zusammen-
setzung gefunden, durch die eventuelle Dampfdichtebestimmung die Molekulargrösse
festgestellt; die Lagerung der Atome im Molekül, ihre engere Bindung zu Atom-
oomplexen (R a d i c a 1 e n) , kurzweg ihre Constitution ist jedoch damit noch
nicht erkannt.
In der organischen Chemie begegnet man einer grossen Anzahl procentiseh
gleich zusammengesetzter Körper, die auch dieselbe Molekulargrösse besitzen und
die doch in ihren physikalischen Eigenschaften, sowie in ihren Re-
actionen mit anderen Körpern wesentlich verschieden von einander
sind. Derartige Körper werden im allgemeinen Sinne Isomere genannt (s. weiter
unten). In der anorganischen Chemie ist die Zahl isomerer Körper sehr beschränkt
und die Aufstellung von Constitutionsformeln daher von geringerer Bedeutung, als
in der organischen Chemie, für welche derartige Formeln durchaus nothwendig sind.
Im Gegensatz zur Constitutionsformel wird diejenige Formel, welche einfach die
Anzahl der im Moleküle' enthaltenen Atome der verschiedenen Elemente angibt,
empirisch genannt. Aus der empirischen Formel ist in der weitaus grössten
Anzahl der Fälle der chemische Körper gar nicht zu erkennen, der damit gemeint
ist; erst die Constitutionsformel gibt Aufschluss darüber. Dass von einer grossen
Anzahl von Körpern bislang nur empirische Formeln bekannt sind, da deren Con-
stitution noch nicht aufgefunden worden ist, darf nicht unerwähnt bleiben (es betrifft
vorzugsweise die Alkaloide und die Kohlehydrate*.
Die empirische Formel Cj H6 0-, N kommt z. B. dem Aethylnitrit C2 H,, 0 . NO
und dem Nitroäthan C2Hö.NOa zu; die Formel C3H„N kommt dem Trimcthyl-
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278
CONSTITUTION.
CHI ^ J !
amin (CH,)3 N, dem Propylamin 3 „ 7 X, dem Methyl-Aethylamin CH, N zu; die
Hl
Formel C2H,0 kommt dem Aethylaldehyd CH3.COH und dem Aethylenoxyd
C H I
^jj2|0 zu; die Formel C3 H0 02 kommt dem Aethylformiat HCOO . C3 H6 und dem
Metnylacetat CH, COO . CH, zu u. 8. w.
Diejenigen Verbindungen . welche die gleiche procentisehe Zusammensetzung,
jedoch verschiedene Molckulargrösse besitzen, werden Polymere genannt; z. B.
Essigsäure C3H403 und Milchsäure C3 H„ 03 ; Aethylaldehyd C2H40 und Aethyl-
acetat C, Hs 0, : ferner Aethylen C3 H4 , Propylen C3 H« , Butylen C4 HH , Amylen
CfiH,o, diese letzteren Formeln siud Multipla der einfachsten empirischen Formel
CH, (Methylen, welches frei nicht existirt).
Die allotropen Modificationen der Elemente sind ebenfalls als Polymere zu be-
trachten , z. B. der rothe und der weisse Phosphor , der Kohlenstoff als Diamant
und als Graphit (s. Allotropie, Bd. I, pag. 252j. Hierhergehörig sind ferner
Isomerien der anorganischen Verbindungen , wie z. B. das in Säuren lösliche und
das darin unlösliche Chromoxyd.
Betreffs der isomeren Verbindungen fs. oben), werden noch folgende Unterschiede
gemacht. Nach dem Vorschlag von Büttlerow und Clav* werden isomer nur
diejenigen Verbindungen genannt, in welchen die Kohlenstoffatome gleichartig ge-
bunden, die heterogenen Elemente aber verschieden gruppirt sind:
CH, CHS
i I
CH2 = Propylalkohol und CH.OH = Isopropylalkohol.
CH2OH CH3
Als metamer wären diejenigen Verbindungen zu bezeichnen, in denen die
heterogenen Elemente gleichartig, die Kohlcnstoffatome aber verschieden gruppirt
sind (Xormalbutylalkohol und Isobntylalkohol) und isometamer wären diejenigen
Verbindungen zu nennen , in denen sowohl Kohlenstoffatome als auch heterogene
Elemente verschieden gelagert sind (Normalbutylalkohol und tertiärer Butylalkohol) :
CH3
CH2 CH3
1 CH
/\ i
CH,.OH. CH« CH.OH OH
Xormalbutylalkohol Isobutylalkohol Tertiärer Butylalkohol
(I'rnpvlcarbinol). ( Isopropylcarbinol). (Trimethylcarbinol).
Die Benennungen isomer und Isomerie werden jedoch gewöhnlich auch ganz
allgemein zur Bezeichnung procentisch gleich zusammengesetzter Verbindungen ohne
Unterschied gebraucht.
Es sind femer noch einige Fälle von Isomerie (Weinsäuren und Tra üben Sil uren,
Zuckerarten) constatirt worden, die in obigen kurz skizzirten Kähmen nicht passen.
Man hat dieselben als physikalische Isomerie bezeichnet und durch ver-
schiedene räumliche Stellung der Atome (asymmetrische Kohlenstoffatome; im
gleichartigen Molekül zu erklären versucht. — S. Isomerie.
Die Kohlcnstoffatome sind in Verbindungen, welche mehr als ein Atom desselben
enthalten, mit je einer Affinität gegenseitig gebunden, z. B.
C
C
C ! C
c
c c
c I
c
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CONSTITUTION.
279
Diejenigen Verbindungen, in denen die nicht zur gegenseitigen Bindung nüthigen
Affinitäten des Kohlenstoffes durch Wasserstoff, Halogene, Hydroxyl u. s. w. völlig
gebunden sind , werden gesättigte Verbindungen genannt. Die nach der
allgemeinen Formel (,'„ H^ + ._, zusammengesetzten Kohlenwasserstoffe haben da-
her die Benennungen gesättigte Kohlenwasserstoffe, Gren z kohle n-
wi8f»erstof fe, Aethane erhalten und alle von diesen derivirenden organischen
Verbindungen (8äuren, Alkohole u. s. w.) sind ebenfalls gesättigt.
Da in diesen Verbindungen die Kohlenstoffatome mit je einer Affinität unter-
einander gebunden angenommen werden, so stellt man sich vor, dass in denselben
eine Kohlenstoffkette oder ein Kohlenstoffskelett existirt; in diesen
werden mittelständige und endständige Kohlenstoffatome unterschieden.
Fttr jedes neu hinzutretende Kohlenstoffatom steigt die Summe der Affinitäten nur
nra 2, da von einem der vorhandenen Kohlenstoffatome und von dem neu hinzu-
tretenden je 1 Affinität, von deren je 4 Affinitäten zur gegenseitigen Bindung in
Anspruch genommen werden.
In jeder organischen Verbindung muss daher die Summe der Wasserstoffatome
oder der sie ersetzenden ungeradatomigen Elemente stets eine gerade sein (Gesetz
der paaren Atomzahl), z. B. Cli H:, . OH, Acthylalkohol ; CHCI3, Chloroform;
OHN, Blausäure; CH4.HaN, Methylamin u. s. w.
Diejenigen Kohlenwasserstoffe, welche weniger Wasserstoff enthalten als der Formel
Hjn + s entspricht , nämlich die Alkylene oder 0 1 e f i n e nach der Formel
fn H2n und die Glieder der A c e t y 1 c n r e i h e nach der Formel Cn H2u _ 8 ferner
die Kohlenwasserstoffe nach den Formeln C'nH2n-4 und C„ heissen unge-
sättigte Verbindungen, ebenso die von ihnen sich ableitenden Verbindungen.
In diesen ungesättigten Verbindungen wird eine Bindung der Kohlenstoffatome
mit mehr als je einer, nämlich mit je 2, 3 Affinitäten angenommen, z. B.
C 0
1 i„
(' C
auch hier gilt, wie schon der Formeltypus zeigt, das Gesetz der paaren Atomzahl.
Die ungesättigten Verbindungen besitzen allgemein die Fähigkeit, leicht in gesättigte
überzugehen, welcher Uebergang durch Brom sehr leicht bewerkstelligt werden kann.
Die wie vorstehend erwähnt geradlinig (an beiden Enden offen) ange-
nommene Bindung der Kohlenst«>ffatonie mit je 1 Affinität wird auch secundäre
Bindung genannt, zum Unterschied von der tertiären und quaternären
Bindung, bei welchen ein Kohlenstoffatora vermittelst je einer Affinität mit 3,
beziehentlich 4 anderen Kohlenstoffatomen verbunden ist.
c-
I 1
c— c— c -c— c— c_
I I
c c
Wesentlich verschieden hiervon ist die, in einer grossen Anzahl von Verbindungen
(den aromatischen Verbindungen) angenommene, ringförmige Bin-
dung oder geschlossene Kette. Die in dem, allen aromatischen Verbindungen
zu Grunde liegenden, Benzol enthaltenen 6 Kohlenstoffatome sind abwechselnd mit
je einer, beziehentlich zwei Affinitäten an einander und das letzte Atom an das
erste gebunden und besitzen demnach nur noch je 1 freie Affinität, die durch
Wasserstoff, Halogene etc. gebunden werden können.
Der aus 6 Kohlenstoffatomcn bestehende Kern (Benzolkcrn, Benzolring)
C
— c c—
— c c—
c
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280
CONSTITUTION.
ist sehr beständig und kann nur durch sehr energische Mittel gesprengt werden ;
die Bildung kohlenstoffreicherer Verbindungen ist nur durch Ersetzung der Wasser-
stoffatoine (durch Bildung von Seitenketten) möglich. Die noch im Kern vor-
handenen nicht ersetzten Wasserstoffatome und die in der Seitenkette vorhandenen
zeigen ein verschiedenes Verhalten.
Isomerien der Benzolderivate sind daher auf verschiedene Weise möglich, erstens
durch Ersetzung verschiedener Wasserstoffatome im Benzolring durch Halogene,
Hydroxyl, Carboxyl etc., zweitens durch Ersetzung von Wasserstoffatomen in den
Seitenketten und drittens durch Ersetzung in der Seitenkette, beziehentlich, im Kern.
Bei Monosubstitutionsderivaten kommt Isomerie nicht vor; bei Disubstitions-
derivaten sind nach ersterer Art drei Isomerien möglich: Ortho- (1. 2.), Meta- (1. 3.),
Para- (l. 4.) Verbindung. Meistens kennzeichnet man jene Isomeren durch die Buch-
staben o-, m-, p- oder die Zahlen 1. 2. , beziehungsweise 1. 3. oder 1. 4. Tri-
substitutionsderivate können in drei isomeren Formen auftreten; die substituirten
sind die mit den Zahlen (1. 2. 3.), beziehungsweise (1. 3. 4.) oder (1. 3. 5.) be-
zeichneten Wasserstoffatome. Tetrasubstitutionsderivate sind ebenfalls in drei Isomeren
möglich (1. 2. 3. 4.), beziehungsweise (1. 2. 4. 5.) oder (1. 3. 4. 5.). Man bezeichnet
diese entweder mit den entsprechenden Zahlen oder mit * = symmetrisch (1. 3. 5.)
oder (1. 2. 4. 5.), mit a — unsymmetrisch (1. 3. 4.) oder (1. 3. 4. 5.), mit v =
benachbart (1. 2. 3.) oder (l. 2. 3. 4.). Penta- und Hexasubstitutionsderivate sind,
wie die Monosubstitutionsderivate, nur in je einer Form möglich.
1
i
4
2
Ladenbürg 's Formel.
Kekule's Formel.
OH
OH
COOH
Ortho-Oxybenzoesfiure = Salicylsfture.
COOH
Para- Oxybenzoesaure.
Orthoxylol.
Metaxylol = Isoxylol.
CONSTITUTION. 281
Sind in den erwähnten Derivaten die Substitnenten nicht gleichartig, sondern
verschieden , so igt die Anzahl der möglichen Isomerien natürlich eine bedeutend
grössere. Zur Bezeichnung derartiger Fälle benützt man die oben erwähnten Buch-
stabeozeichen, die den betreffenden Substituenten vorangesetzt werden.
Die zweite Art der Isomerie tritt ein, wenn die substituirenden Gruppen (Seiten-
ketten) verschiedene Structur besitzen (oder auch selbst schon isomer sind), z. B. :
Propylbenzol C6 Hö . CH. . CH3 . CHS .
CH
Isopropylbenzol C6 H6 . CH <CH'
Oder bei verschiedener Anzahl von Substituenten, z. B. :
Aethylbenzol Q, H6 . CH, . CH3 .
CH
Xylole C„ H4<Cqjj3
Ferner bei verschiedener Vertheilung der Atome auf die gleiche Anzahl Sub-
stituenten, z. B. :
Anissäure C„ H,<^^
< >H
Salicylsäuremethylester Cö ^"^qoqqh
Die dritte Art der Isomerie, Substituirung im Kern, beziehungsweise in der
Seitenkette, wird durch folgendes Beispiel erläutert:
Methylanilin
Monochlortoluol C0H.Cl.CH3 und
Benzylchlorid 0(i Hf, CH, . Cl
C, H6 . NH (CH8).
o-Toluidin
CH.<™:
Bei der Substitution der Wasserstoffatome bemerkt man häufig, dass gewisse
Atomcomplexe zusammenhängend aus einer Verbindung in die andere übergehen.
Man nennt derartige Atomcomplexe : Gruppen, Reste oder R a d i 0 a 1 e und
dieselben zeigen ein sehr an Metalle erinnerndes Verhalten.
Die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehenden einwerthigen ungesättigten
Radicale heissen Alkoholradioale oder A 1 k y 1 e (Cn H,n + ,), die zweiwerthigen v
heissen Alkylene (CnH3n).
Z. B. Alkyle: Methyl, CH/; Aethyl, C, H/ ; Propyl, Q, H7' u. s. w. Alkylene:
Methylen, CH/'; Aethylen, Ca H/' u. s. w.
Mit jener allgemeinen Formel nicht übereinstimmend, den Alkylen der Fettreihe
jedoch völlig analog sind die Alkoholradicale der aromatischen Reihe, z. B. : Phenyl,
Cu H,' ; Benzyl Cft H6 . CH2'.
Aus Kohlenstoff und Sauerstoff oder Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff
bestehende Radicale heissen Sä ure r ad i c a I e : Acetyl, CH8.CO'; Benzoyl,
C« Hs . CO' : ( 'arbonyl CKohlensäurerest), CO".
Ferner sind noch folgende Radicale oder Reste von Bedeutung: Nitrogruppe:
NO/; N itrosogruppe, Nitrosyl, NO"; Amidogruppe, Amid, NH,';
Cyan, CN' ; Sulfuryl, SO/; Schwefelsäurerest, SOa . OH"; Was ser-
rest, Hydroxyl, OH'; Carboxylgruppe, CO . OH'.
Die Werthigkeit wird durch kurze Striehe rechts oberhalb der Formel ' ange-
deutet. Diese letztgenannten Reste sind für gewisse Körperclassen charakteristisch,
so für die Alkohole und Phenole OII, für die Carbonsäuren COOH, für die Alde-
hyde COH u. s. w.
Durch Substitution wird der Charakter des substituirten Körpers nicht sofort
bedeutend geändert: erst durch Eintreten mehrerer gleicher Radicale vermögen
die letzteren je nach ihrem Charakter einzuwirken.
So wird der saure Charakter einer Verbindung, beispielsweise der Essigsäure,
durch eintretende Radicale oder Elemente von ebenfalls saurem Charakter (z. B. Cl)
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CONSTITUTION. — CONSTITUTIONS WASSER.
verstärkt , wie in den Chloressigsäuren , durch Radicale basischen Charakters
(z. B. NII3) abgeschwächt . beziehentlich aufgehoben, wie in der Aniidoessigsäure
(dem Glycocoll) , das sich sowohl mit Säuren , als auch mit Basen zu verbinden
vermag. So ist ferner das Methylanilin eine schwächere Base als das Anilin und
das Acetanilid ist neutral. Das gleiche Verhältnis« findet man bei den homologen
Verbindungen (s. weiter unten).
In ihren physikalischen Eigenschaften behalten die Substitutionsproduete jedoch
immer grosse Aehnlichkeit und Cebereinstimmung mit denen der substituirten Sub
stanz. Dieses gilt namentlich für die Krystallform — Isomorphismus — , Lös-
lichkeit, Farbe u. s. w.
Diese Analogien der physikalischen Eigenschaften sind in noch höherem Maasae
ebcu falls anzutreffen bei den Homologen (s. unten) ; ausserdem ist bei diesen letzt-
genannten mit dem wechselnden Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt eine je um eine
bestimmte Grösse sich verändernde Verschiedenheit im Schmelzpunkt und Siedepunkt
zu constatireu.
Homologe Verbindungen entstehen durch Substituirung von Wasserstoff durch
Methyl (CH3); jede höhere homologe Verbindung unterscheidet sich von der vor-
hergehenden demnach durch ein Mehr von CH2. Die Derivate der Homologen
bilden eine genetische oder heterologe (isologe) Reihe; ihre Glieder sind
mit den entsprechenden Derivaten der anderen Homologen (mit denselben Sub-
stituenten) ebenfalls wieder homolog. S. Homologie.
Homologe Reihen 3>-+
C3 H7 . OH
Propylalkohol.
C, H5 .C()H
Propylaldehyd.
C8 Hr, . COOH
Propionsäure.
2
I
I
C2 H, . OH
Aetiiylalkohol.
CH3 . COH
Aethylaldehyd.
CH, . COOH
Essigsäure.
ete.
Homologe Reihen 5&-+
< H(l
Benzol.
0, H6 . OH
Phenol.
etc.
C4 H9 . OH
Butylalkohol.
C3 H: . COH
Butylaldchyd.
C, H; . COOH
Buttersäure.
etc.
O, Hn . OH
Amylalkohol.
C, H9 . COH
Valcraldebyd.
C4 H9 . COOII
Baldriansäure.
etc.
Cu H, . N02
Nitrobenzol.
Cu H5 . NH3
Anilin,
etc.
CÄH4.fCHä),
Xylolc.
C, H3 . (CIL u . OH
Xylenole.
Cb H3 .NO, . (CILJ2
Nitroxylol.
C, H, (CH,), NIL
Xylidine.
etc.
ete.
v,: Ii,, 0„ H5 . CH3
J. Benzol. Toluol.
C6 H, . CH, . OH
Krcsole.
C0 Ht . N()j . CH,
Nitrotoluole.
C, Ht . CH3 . NH2
Toluidine.
etc.
Ueber eine Menge verschiedener hier berührter Punkte ist nähere Auskunft in
den Specialartikeln zu suchen. — S. auch unter Synthese und Theorien.
Literatur: Beil st ein. Handbuch d. organisch. Chemie. 2. Aufl. 1836. — Laden-
burg, Handwörterbuch der Chemie. 1833 ff. — F e h 1 i n g , Neues Handwörterbuch der Chemie,
fortgesetzt von Hell, JS74 ff. A. Schneider.
ConStitution-BaltS VOn Boldt, eine Specialität unter den Thierheilmitteln,
bestehen (nach Hager) aus 2 Th. Alovpulver und 1 Th. Enziaupnlver.
Constitutionswasser, auch Haihydratwasser genannt, wird in mehreren
Salzen als zur Constitution gehörig angenommen, daher der Name. Gegenüber
dem Krystallwasser, welches meist bei H>0 — 120° entweicht, geht das
Constitutionswasser erst bei bedeutend höherer Temperatur fort. Die Vitriole
(Sulfate einiger Metalle) enthalten 1 Molekül Constitutionswasser. Da dieses
auch durch andere Salze ersetzt werden kann und diese Doppelsalze alsdann kein
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CONSTITÜT IONS WASSER. — f'ONTAGIÜM.
283
Constitution wasser mehr enthalten, ist es auch Haihydratwasser genannt
worden.
Cont., auf Recepten vorkommende Abkürzung für contunde , contundatur,
contusus.
Contactsubstanzen, «. Contact Wirkung, chemische.
ContaCtwirkUfig. Unter Contactwirkung (cont actus , Berührung) versteht
man die Elektrieitätserreguug bei der Berührung ungleichartiger Körper überhaupt,
insbesondere aber bei der Berührung von Metallen und Kohle mit Metallen oder
Flüssigkeiten, 'und von Flüssigkeiten mit Flüssigkeiten oder Metallen, an deren
Oberriäcben Gasschichten haften. Bei dieser Erregung tritt immer gleichzeitig
positive und negative Elektricität auf. Naeh der sogenannten Contacttheorie
der Elektricitätserregung liegt die Ursache der Contactwirkung in einer ungleichen
Anziehung der verschiedenen Körper gegeu die positive und negative Elektricität,
nach der chemischen Theorie in einer chemischen Einwirkung der sich
berührenden Substanzen , oder doch in einem Bestreben derselben, das chemische
Gleichgewicht zu stören. — S. auch Galvanismus. Pitt» eh.
Contactwirkung. chemische, nennt man die noch nicht genügend aufgeklarte
Fähigkeit gewisser Körper (Platinschwaroni, Platinblech, Kohle, Glaspulver), die
Vereinigung zweier anderer Körper — besonders Gase — zu bewirken , ohne
selbst eine Veränderung zu erfahren. So bewirkt z. B. Platinschwamm die Ver-
brennung des Wasserstoffes (DftBEREiXEii'sche Wasserstoffgaszflndmascbine), sowie die
Oxydation des Alkohole« zu Essigsäure (hierauf beruht eine Methode des qualita-
tiven Nachweises von Alkohol; die gebildete Essigsäure wird später mittelst der
Kakodylreaction nachgewiesen). Eine heisse Platindrahtspirale oxydirt Alkohol- und
Aetherdampf und kommt dabei selbst zum Glühen (D.WY'sche Glühlampe). Der-
artige Körper heissen Contactsubstanzen.
Contagium bedeutet ein Krankheitsagens , welches in fortlaufender Reihe
von einem Mensehen auf den andern in wirkungsfäbiger Weise übertragen werden
kann. Der Begriff Contagium ist schon zu einer Zeit aufgestellt worden, zu der
man die krankhaften Agentien selbst nicht gekannt hat; er war eben nur aus
den Erfahrungen am Krankenbette erwachsen. Die Wahrnehmung, dass ein gesunder
Mensch durch den Verkehr (die Berührung, den Contact) mit einem von einer be-
stimmten Krankheitsform befalleneu Menschen dieselbe Krankheit erlangt ; die
weitere Wahrnehmung, dass andere gesunde Menschen wieder durch den Verkehr
mit diesem letzteren eine ähnliche Krankheit erworben haben, führte mit Not-
wendigkeit zu der Annahme solcher Agentien, welche mit Rücksieht auf die Ver-
mnthnng mit dem stattgehabten Contacte als Contagien bezeichnet worden sind.
So ist also z. B. die Syphilis als eine eminent contagiöse Krankheit angesehen
worden.
Die angedeuteten Wahrnehmungen lassen weiters mit Nothwendigkeit voraus-
setzen, dass sich diese Krankheitsagentien im Innern des erkrankten Organismus
vermehren. Ohne eine solche Vermehrung wäre die Uebertragbarkeit in fort-
laufender Reihe undenkbar. Das Agens oder Virus müsste sich , wenn es als
Lösung gedacht wird, durch Verdünnung erschöpfen und wenn als Suspension
(fein vertheilte Körperchen) durch Rarcfieirung unwirksam werden.
Die Idee also, dass das Agens sich im Organismus vermehren müsse, hat
schon zu der Hypothese geführt , dass diese Agentien lebend seien , respective
zur Annahme eines Contagium vivum. Absolut nothwendig war aber diese An-
nahme nicht, so lange man darauf hinweisen konnte, dass es auch leblose Fer-
mente gibt, die sich (in den geeigneten Lösungen natürlich) vermehren können.
Ailmälig aber sind thatsächlich Organismen als die Ursachen von Krankheiten
anfgedeckt worden, und so hat ailmälig die Idee des Contagium vivum an Boden
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284
CONTAGIUM.
gewonnen , bis man, wie es jetzt der Fall ist, die leblosen Fennente als Ursache
contagiöser Krankheiten fast gänzlich fallen gelassen hat.
Die ersten positiven Erfahrungen Ober das Cofagium vivum waren strenge
genommen schon durch die Kenntniss der Eingeweidewürmer gegeben. Einen sehr
wichtigen Schritt in dieser Richtung hat Reddi im 17. Jahrhundert durch die
Erkenntniss gemacht, dass die Maden in den Früchten die Ursache und nicht die
Folge der Erkrankung dieser Früchte seien. In neuerer Zeit verbindet man
indessen mit dem Begriffe von Contagtum vivum nicht mehr die Vorstellung von
Maden, uicht mehr die der Krätzmilbe und anderer makroskopisch wahrnehmbarer
Organismen, sondern man verknüpft damit ausschliesslich die Vorstellung von Mikro-
organismen oder Mikroben, welche sich im Organismus vermehren und von einem
Menschen auf den anderen übertragen werden.
Ea ist zur Erschöpfung dieser Darstellung nothwendig, hier schon auf den
Begriff „Miasma" einzugehen. Der Begriff Miasma wird gleichsam dem Oon-
tagium entgegengestellt; man denkt sich unter Miasma gleichfalls vermehrungs-
fähige Krankheitsagentien , die aber nicht in wirkungsfähiger Weise von einem
Menschen auf den anderen übertragen werden können. Die Miasmen sollten in
der Aussenwelt ihren Boden finden , sie wurden als Verunreinigungen der üns
umgebenden Medien gedacht: aber die Ausbreitung einer bestimmten Krank-
beit8form auf einem bestimmten Territorium, wie z. B. des Wechselfiebers, hat
zu der Annahme gedrängt, dass auch diese Krankheitsagentien vermehrungsfähig seien.
Pettexkofer hat nun die Vermehrung als das wesentliche Merkmal dieser
Krankheitsagentieu angesehen und daraufhin die Eintheilung derselben in solche, die
sich innerhalb der kranken Organismen vermehren, und in solche, die sich ausser-
halb derselben vermehren, also in entogene und in ectogene vorgeschlagen.
So wie aber die alten Aerzte einerseits sich genöthigt sahen, neben den con-
tagiöscn und miasmatischen Krankheiten noch eine dritte Gruppe als contagiös
miasmatische hinzustellen, so hat auch die neue Eintheilung der Krankheitsagentien
in entogene und ectogene noch die Aufstellung einer dritten Gruppe, nämlich der
amphigenen. nothwendig gemacht. Amphigen wird jetzt dasjenige Krankheits-
agens genannt, welehes sich sowohl im Innern des Organismus als ausserhalb
desselben vermehren kann.
Den neueren Forschungen gegenüber scheint es iudessen, als ob diese Ein-
theilung der Krankheitserreger ihren Werth nahezu vollständig eingebüsst habe.
Er unterliegt nämlich kaum mehr einem Zweifel , dass sich die Mikroorganismen,
welche man bis jetzt als Ursachen bestimmter Krankheitsformen erkannt hat, sich
sowohl innerhalb als ausserhalb des menschlichen Körpers vermehren können. Ea
geht dieB einerseits aus dem Umstände hervor, dass man die Krankheitserreger
ausserhalb des Thierleibes zu Reincnlturen züchtet, andererseits hat die Ueber-
legung sowohl, wie auch das Experiment dazu geführt, dass selbst bei eminent mias-
matischen Krankheiten, das heisst bei solchen , welche den übereinstimmenden Er-
fahrungen zufolge nicht durch den Contact, respective den Verkehr der Menschen
übertragen werden, wie z. B. das Wechselfieber, dennoch eine Vermehrung des
Virus auch innerhalb des menschlichen Körpers mit Notwendigkeit supponiren
lassen. Der Verlauf des Wechselfiebers, die Incubationsdauer, die Recidiven weisen
alle darauf hin , dass das Wechselfieberagens sich im kranken Menschen ver-
mehren müsse. Teberdies wurde in neuerer Zeit von Gerhard berichtet, dass
auch das Wechselfieber durch Ueberimpfungen von Säften von einem Menschen auf
den anderen übertragen werden könne.
Wenn nun aber auch die scharfe Scheidung zwischen entogenen und ectogenen
Krankheitsagentien ihren Werth verloren hat, so bleibt dennoch der Begriff Con-
tagium und eontagiöse Kraukheit für die Praxis werthvoll. Contagiös wird man
nach wie vor jene Krankheiten nennen, die von einem Menschen auf den andern
übergehen. Sollte es sich herausstellen , dass das Wcchselfieber wirklich über-
impfbar ist, so werden wir es dennoch nicht als eontagiöse Krankheit auffassen,
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CONTAGIUM. - CONTRE J?E VI LLE.
285
weil sie in der Regel nicht von einem Menschen auf den anderen übergeht.
Dass der Arzt und Experimentator sie durch Impfung übertragen kann, kommt für
das praktische Bedürfnis« nicht in Betracht. Stricker.
Contentiva (conti neo , zusammenhalten :, Abtheilung der Mechanica, welche
die zur Vereinigung von Continuitätstrennungen der Weichtheile oder des Skelette
benutzten Stoffe umfasst. Sie dienen theils, wie Collodium, Traumaticin und ver-
schiedene Heftpflaster, zum Zusammenhalten von Wundrändern, theils bei Knochen-
brüchen , wie Watte, Gyps, Stuck, Dextrin, Kleister, Guttapercha und Kautschuk
zur Herstellung fester, die Verschiebung der Knochenenden verhindernder Verbände
(Contentivverbände oder immobilisirende Verbände). Th. Husemann.
Contentmeht, Pulvis Cacao compositus, ist ein Pulvergemisch aus 1UÜ Th.
Cacaomasse, 50 Th. Reismehl, 50 Th. Zucker und 1' ., Th. Zimrat.
ContOrta8, Abtheilung der Symprtalae, umfassend die Familien der Oleaceae,
Jasmineae, Gentianaceae, Loganiaceae, Apoct/naceae und Ascleptadaceae.
Contra Semen, 8. cina, Bd. in, pag. 138.
ContraCtur ist jene Verunstaltung des menschlichen Körpers, welche durch
andauernde Verkürzung von Muskeln , Sehnen oder Bändern entsteht , oder auch
durch Schrumpfung solcher Narben, welche sich über Gelenken befinden. Die von
Contractur befallenen Gliedmaassen befinden sich gewöhnlich in Beugestellung und
haben gar keine oder nur sehr beschränkte Beweglichkeit, daher bedeutet in der
Sprache des Volkes contract so viel wie gelähmt.
Contrajerva ist der spanische (Gegenkraut bedeutende; Name der Domlenia
(Moraceae).
Das Rhizom mehrerer Arten (Dorstenia Contrajervae L., D. bra&ilienxis L.,
D. Drakena L., D. opifera Matt., D. tubicina R. et P.) wird in der Heimat,
dem tropischen Amerika , als Fiebermittel und gegen Schlangenbiss angewendet.
Es gelaugte auch nach Europa und galt ehemals unter dem Namen B c z o a r- oder
Giftwurzel als Antidot gegen alle Gifte, ausgenommen Sublimat. Nach Geiger
enthält es ätherisches Oel, Bitterstoff und Stärke.
Contrastfarben sind subjective Farbenempfindungen und complemeutür zur
Farbe des Objectes. Dabei können beide Farben gleichzeitig wahrgenommen werden
(simultaner Contrast) oder nacheinander (successiver Contrast). Der Schatten eine«
von einer Kerze beleuchteten Stabes erscheint bei Tage nicht weiss oder grau,
sondern in der Contrastfarbe des gelben Kerzenlichtes, nämlich blau, in Folge des
simultanen Contrastes. Als Beispiel für successiven Contrast diene Folgendes: Legt
man auf eine weisse Fläche ein gefärbtes Papierstück, starrt dieses eine Zeit lang
an und blickt dann auf die weisse Fläche, so erscheint hier ein Nachbild von der
Gestalt des gefärbten Stückes in der Contrastfarbe, d. h. die Farbe des Papier-
atückes und die des Nachbildes ergänzon sich zu weiss. Man kann diese Er-
scheinung des successiven Contrastes durch Ermüdung der, der primären Farbe
entsprechenden Netzhautelemento erklären. Das Weisse muss dann , da in der
Erregung — in Folge der Ermüdung — eine Componente unwirksam ist, in
der Complementärfarbe erscheinen. Der simultane Contrast beruht auf der Ver-
gleichung zweier im Gesichtsfelde aneinander grenzender Farben oder Hellig-
keiten und dadurch bewirkter Crtheilstäusehung. In dem Schatten des von der
Kerze beleuchteten Stabes erblicken wir viel weniger gelb als in der Umgebung
nnd halten ihn deshalb fflr blau.
Contratinctur, s. ch inesischer Haarliquor, Bd. in, pag. 51.
Contrexeville in den vc )gesen, besitzt kalte, auch zur Versendung gelangende
Quellen , welche im Liter 2.6 Salze, darunter Natron-, Magnesia- und Kalk-
sulfat, Kalkcarbonat und etwas Kohlensäure enthalten.
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286
CONTROLANALYSEN. — CONVALLAMARIN.
Controlanalysen, ControlreaCtiOneil, sind Analysen, respective Reactionen,
welche zur Bestätigung eine« Analysenbefunde» dienen sollen. Dieselben sollten iu
allen auch nur halbwegs wichtigen Fällen in Anwendung gebracht werden, sei es
auch nur zur eigenen Beruhigung des Experten. Auch der beste, gewissenhafteste,
zuverlässigste Analytiker ist und bleibt doch immer nur ein Mensch und — „Irren
ist Menschenloos". — Zwei Moniente sind es besonders, welche der Anwendung von
Controlanalysen und -Reactionen hindernd im Wege stehen : das Gefühl der Sicher-
heit, welches vielbeschäftigte Herreu im Laufe der Zeit gewinnen, und die liebe Be-
quemlichkeit. In der That sind es nicht selten die besten Analytiker gewesen, die
einen Irrthum ihrerseits für ausgeschlossen erachteten. Ks ist das eine Fahrlässig-
keit, die von den weittragendsten Folgen sein kann und die darum unbedingt ver-
mieden werden muss. Ein Irrthum, begangen durch einen nicht controlirten
Analysenbefund, gehört zu jenen schweren Irrthümcrn, welche nicht wieder gut
gemacht werden können. Es sollte daher auch der beste Analytiker nicht unter-
lassen , das Resultat seiner Untersuchungen nochmals zu prüfen und erst dann
ein definitives L'rtheil abgeben, wenn er durch Controlversuche auch auf anderem
Wege zu demselben Resultate gelangt. (Janswindt.
Contusion (con-tundere, stossen) = Quetschuug.
Convalescenz, s. Re c o n v a 1 e s c e n z.
*
Convallamarin, COlWallarin. Fiuden sich in der Maiblume, Convallarin
majalis. Die während oder nach dem Blüheu mit der Wurzel gesammelte Pflanze
wird getrocknet und mit Alkohol von 0.84 spee. Gew. mehrmals extrahirt. Die
stark grün gefärbte Tinctur wird mit Bleiessig versetzt, geschüttelt, filtrirt, durch
Schwefelwasserstoff von Blei befreit, filtrirt und der Alkohol abdestillirt , worauf
aus dem Rückstände beim Erkalten das Convallarin anschiesst. Den Rest des Con-
vallarins gewinnt man, indem man die Mutterlauge mit Wasser vermischt, den
hierbei sich ausscheidenden harzigen Körper mit Aether digerirt und das dabei
Ungelöste in Alkohol auflöst, mit Thierkohlc entfärbt und krystallisiren lässt.
Alles gewonnene Convallarin wird mit Aether von Harz und Chlorophyll befreit
und aus Alkohol umkrystallisirt. Die wässerigen Flüssigkeiten, aus denen das Con-
vallarin auskrystallisirt ist, enthalten das Convallamarin. Man fällt mit Gerb-
säure aus, digerirt den Niederschlag nach dem Auswaschen mit Kalkhydrat und
Alkohol, filtrirt und lässt verdunsten, wobei das Convallamarin zurückbleibt. Dieses
ist der bitter schmeckende Bestandtheil des Maiblümchens. Es bildet ein weisses,
uukrystallisirbares Pulver , löst sich leieht in Wasser und Alkohol , beinahe nicht
in Aether, schmeckt zuerst bitter, zuletzt ganz eigenthümlich süsslich. Trockenes
Convallamarin wird durch conoentrirte Schwefelsäure braun, befeuchtetes dag-eg-en
sehr schön violett gefärbt und aufgelöst, die Lösung verliert durch Wasserzusatz
die Farbe. Salpetersäure von 1.54 löst es laugsam und mit gelber Farbe auf.
Ammoniak löst es auf und lässt es beim Verdunsten unverändert zurück. Kali-
lauge löst es ohne Färbung auf, die Lösung trübt sich dann und zersetzt sieh
unter Bildung von Zucker. Die wässerige Lösung zeigt folgende Reactionen : Von
Sublimat, Kupfervitriol, Bleioxydsalzen wird sie nicht gefällt; Gerbsäure gibt einen
starken weissen Niederschlag ; salpetersaures Quecksilberoxydul gibt einen weissen,
rasch grau werdenden Niederschlag ; starke Schwefelsäure färbt die Lösung pracht-
voll violett, Salpetersäure gelb. Das Convallamarin hat die Formel C4fl Hi4 Oä4 . Es
ist ein Glucosid, welches beim Kochen mit Säuren Traubenzucker abspaltet, wobei
sich ein neuer Körper, das Convallamaretin bildet. Letzteres ist nach dem
Trocknen ein gel blich weisses krystallinisches Pulver, leicht löslich in Alkohol, daraus
durch Wasser fällbar. Concentrirte Schwefelsäure löst es mit rothbrauner Farbe und
Wasser bewirkt dann eine flockige Ausscheidung. Rauchende Salpetersäure löst
es mit gelber Farbe auf und Wasser scheidet aus der Lösung weisse Flocken aus.
Salzsäure, Ammoniak und Kalilauge wirken nicht verändernd ein.
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CONVALLAMARIN. — CON* VOLV CLACEAE.
287
CoDvalläirin ist der kratzend schuieckeude Bestaudtheil des Mniblümchens.
Es bildet gerade, rectanguläre Säulen, ist kaum in Wasser löslich, auch nicht in
Aether. Es ist leicht löslich in Alkohol, daraus durch Wasser und Aether fällbar.
Conecntrirtc Schwefelsäure löst es mit brauner Farbe. Starke Salpetersäure und
Salzsaure lösen es auf, Wasser fällt beide Lösungen. Ammouiak und Kalilauge
lögen Convallarin langsam auf und bleibt dieses beim Verdunsten des ersteren un-
verändert zurück, während die letztere beim Krhitzon zersetzend einwirkt. Es ist
ein Glucosid und spaltet sich beim Kochen mit Säuren in Zucker und eine C o u-
vallaretin genannte Substanz. Letztere ist krystallinisch, unlöslich in Wasser,
leicht löslich in Alkohol und Aether. Alkalien wirken nicht auf Convallaretin ein.
Convallarin wirkt an Thieren abführend, während das Convallaniarin zu der Gruppe
de« Oigitalins gehört. v. Schröder.
Convallaria. Gattung der Liliaceae, Unterfamilie Asparageae. Krieeheudes
Rhizom , welches an der Spitze von den Kesten vorjähriger Blätter umhüllt ist,
am Grunde des diesjährigen Triebes über mehreren Scheidenblättern ein hohes Fieder-
blatt , in dessen Achsel der Blüthenstand , über demselben die zwei elliptischen
Laubblätter, in der Scheide der oberen die Hauptknospe für das nächste Jahr.
Bltltbenstand eine einseitswendige Traube, die Blüthen in den Achseln von Deck-
blättern. Perigon glockig, weiss, die Filamente der Antheren nahe der Perigon-
ba.sis eingefügt. Frucht eine rothe Beere. Nur eine Art:
Convallaria majalis L. , Maiblume, franz. Muguet, engl. Lily
o f t h e Valley, einheimisch in Europa , Nordasien und Nordamerika in Laub-
wäldern. Früher waren die getrockneten Blüthen (Flor. Convallariae , Flor.
Liliorum concallium), besonders als Bestandteil von Niespulvern, ferner die
Blätter und Wurzeln als nervenstärkende Mittel in Gebrauch, sie sind jetzt ganz
obsolet.
Neuerdings hat man aber der Pflanze wieder mehr Aufmerksamkeit zugewendet
nod dieselbe als höchst wirksames Diureticum und zum Ersatz der Digitalis
empfohlen. 1830 stellte Walz zwei Glycoside, Convallaniarin (0.2 Procent)
und Convallarin aus ihr dar, 1865 St. Martin das Alkaloid Majalin, eine
Säure, ätherisches Oel, gelbeu Farbstoff und Wachs. Hart wich.
Die Wirksamkeit der Convallaria ist auf das in Wasser lösliche Glucosid , Con-
vallaniarin, zurückzuführen. Dasselbe erhöht den Blutdruck im arteriellen Gcfäss-
Hystcm , vermindert Anfangs die Herztbätigkeit , lässt diese später ansteigen,
auch unregelmässig werden, und nach sehr grossen Dosen erfolgt Sinken des Blut-
drucks und Herzstillstand. Als Heilmittel gegen Herzkrankheiten ist die Pflanze
schon im Jahre 1663 bezeichnet worden. Die neueren klinischen Resultate wider-
sprechen sich ; doch scheinen der Pflanze in der That die Herztbätigkeit und die
Kreislaufsorgane regulirende Wirkungen zuzukommen , welche der der Digitalis
ähnlich sind. Zu verwenden sind nur Fl*. res Convaltar. majal. electi (ohne
Stengel) in Aufgüssen zu 10:200. Lew in.
ConveX, s. Concav, Bd. 111, pag. 235.
Convicin. Findet sich in den Samen der Wicke, Vicia sativa , nebeu Vicin.
Ks wird aus den Mutterlaugen nach Abseheid ung des Vicins erhalten, bildet rhom-
bische Blättehen, wenig löslich in Wasser und Alkohol. Die wässerige Lösung wird
durch Queeksilberoxyduitrat vollkommen gefällt. v. Schröder.
ConVOlVUlaceae, Familie der Tubiflorae. Meist windende oder kletternde,
über die ganze Erde verbreitete, vorzüglich aber in den wärmeren Gegenden vor-
kommende Pflanzen. — Charakter : Stengel links windend, selten aufrecht. Blätter
wechselständig. Blüthen regelmässig, zwitterig. Kelch 5 blätterig. Krone 1 blätterig,
meist trichterförmig , in der Knospende rechts gedreht oder gefaltet. Staubge-
l'iisse 5. Griffel 1, an der Spitze oft 2spaltig. Fruchtknoten oberständig. Frucht-
fächer meist 2, 1 — 2samig. Keim gekrümmt.
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288
CONVOLVULACEAE. — CONVOLVÜLUS.
Die Familie zerfällt in:
Convolvuleae, Pflanzen mit deutlichen Laub- und Keimblättern uud kapselartiger
Frucht ;
Üuscuteae, Stengelschraarotzer ohne Laub- und Keimblätter. Keimling spiral-
förmig zusammengerollt. Sydow.
Convolvulin, Convolvulinol, Convolvulinsäure. Das Convolvulin
(Jalapin Blchner's, Rhodeoretin Kayser's) ist der wirksame Bestandteil der
echten Jalapenwurzel.
Zu seiner Darstellung wird die Jalapenwurzel so lange mit kochendem
Wasser behandelt, bis dasselbe farblos abläuft. Dann wird sie getrocknet, gröblich
gepulvert und dreimal mit dem doppelten Gewicht 90procentigen Alkohols ausge-
zogen. Die vereinigten Auszüge werden mit Wasser bis zur leichten Trübung ver-
setzt und zweimal kochend mit Knochenkohle behandelt. Vom schwach gelblich
gefärbten Filtrat wird der Alkohol abdestillirt, wobei ein gelblich gefärbtes, sprödes
Harz zurückbleibt. Dieses wird gepulvert, vier- bis fünfmal mit Aether geschüttelt,
dann dreimal in wenig absolutem Alkohol gelöst und durch Aether gefällt.
Das so gewonnene Convolvulin bildet eine farblose, in dünnen Schichten durch-
sichtige Masse. Bei geringem Wassergehalt ist es weich und ausziehbar zu dünnen
Fäden von Perlmutterglanz. Bei 100° getrocknet wird es sprödo. Es erweicht bei
141°; bei 150° schmilzt es zu einer gelblich gefärbten, klaren Flüssigkeit und
beginnt sich bei 155° zu zersetzen. Es ist geruch- uud geschmacklos, in Weingeist
gelöst von schwach saurer Reaction. Es hat die Zusammensetzung 031 H60 0^;. Es
ist Behr wenig in Wasser löslich , leicht in Alkohol , unlöslich in Aether. Die
alkoholische Lösung wird dnreh Wasser und Aether weissflockig gefällt. Leicht
löslieh in Alkalien, daraus durch Sauren nicht wieder fällbar. Essigsäure löst es
leicht auf; verdünnte Salpetersäure löst in der Kälte langsam, in der Wärme
unter Zersetzung auf. Mit concentrirter Schwefelsäure wird eB nach 10 — 15 Minuten
schön amaranthroth gefärbt, indem es sich löst. Diese Farbe verschwindet nach
einigen Stunden unter Braunfärbung. Wasserzusat/« scheidet einen Ölartigeu Körper
ans und die Flüssigkeit enthält Zucker. Dampft man das Convolvulin mit Salzsäure
ab, so bleibt ein grauer Rückstand, welcher mit concentrirter Schwefelsäure sich
kirschroth färbt. Durch Kochen mit verdünnten Mineralsänren spaltet sich das
Convolvulin in Zucker und Convolvulinol. Letzteres scheidet sich als Oel ab.
das später erstarrt und aus Alkohol und Aether in weissen Nadeln erhalten werden
kann, die bei 39° schmelzen, schwach sauer reagiren, schwer in Wasser, leicht
in Alkohol und Aether löslich sind.
Wässerige caustische und kohlensaure Alkalieu und alkalische Erden lösen
das Convolvulin unter, bei letztcrem ernt bei Erwärmung, eintretendem Uebergang
in Convolvulinsäure.
Sie bildet eine weisse, hygroskopische Masse, die zwischen 100 und 120°
schmilzt. In Wasser gelöst hat sie einen schwach quittenartigen Geruch und
saure Reaction. In Wasser und Alkohol ist sie leicht, in Aether unlöslich. Neutrale
Metallsalze fällen die wässerigen Lösungen der Salze nicht , wohl aber basisch
essigsaures Blei. Ans kohlensauren Salzen treibt sie die Kohlensäure aus und
verhält sich gegen Essigsäure , Salpetersäure und concentrirte Schwefelsäure wie
das Convolvulin. Mit verdünnten Mineralsäuren erwärmt, spaltet sie sieh in Zucker
und Convolvulinol. — Convolvulin wirkt in Dosen von 0.1 — 0.2 g abführend. Der
Convolvulinsäure kommt nur eiue sehr geringe purgireude Wirkung zu.
v. Schröde r.
CoilVOlVUluS, Gattung der nach ihr benannten Familie. Kräuter oder Holz-
gewächse, erstere oft windend, letztere bisweilen dornig. Blüthen fünfzählig, aus
bleibendem Kelch, glockiger Blumenkrone mit am Grunde eingefügten Staubgeftissen
und zweifächerigem Fruchtknoten bestehend, der sich zu einer kugeligen Kapsel
entwickelt.
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CONVOLVULUS. — CONYDRIN. *89
1. Convolvulus Scammonia L. ist unserem Ackerwindling ähnlich, aber viel
grösser. Die Blätter sind bis 6 cm lang, spiess-pfeilförmig, die Blüthen sind fast
5 cm breit und bilden langgestielte, armblüthige Trugdolden.
Die rüben förmige, milchende Wurzel liefert Scammonium (s. d.).
2. Convolvulus floridus L. und C. scoparius L. , zwei auf den canarischeu
Inseln heimische Bäumchen mit schmalen Blättern und weissen endständigen Blüthen-
rispeo, sind die Stammpflanzen des Lignum Rhodii. — S. Rhodiser Holz.
3. Convolvulus arvensis L., das durch seine weithin kriechenden Wurzeln
listige, fast unausrottbare Unkraut unserer Aecker, war ehemals als Herba et
Radix Convolvuli minoris in arzneilicher Verwendung, wie Convolvulus Sepium
L (Calystegia Sepium R. Br.) als Herba und Radix Convolvuli majori*. Nach
Chevalier enthalten sie oin purgirendes Harz.
4. Convolvulus Soldanella L. (Calystegia Soldanella R. Br.), ein nieder-
liegendes Pflänzchen mit nierenförmigen Blättern uud grossen, rothen Blüthen, war
unter der Bezeichnung Herba Soldanellae s. Brassicae marinae ebenfalls als
Purgans in Verwendung.
5. Convolvulus Mechoacanna Vand., eine mexicanieche, im Habitus der Zaun-
rübe (Calystegia Sepium R. Br.) ähnliche Art, lieferte die jetzt obsolete Radix
Jalapae albae s. MechoacanJiae, welche eine wenig wirksame Harzsäure enthält.
6. Convolvulus Purga Wender., die Mutterpflanze der Jalapa, wird in neuerer
Zeit zu Ipomoea (s. d.) gezählt, wie auch Convolvulus Turpethum L., C. ort'za-
bensis L. und C. Batatas L. J. Mo eil er.
Convulsionen nennt man jene Form von Krämpfen in sonst der Willkür
unterliegenden Muskelgruppen, bei welcher Zusammenziehung und Erschlaffung in
sehr rascher Aufeinanderfolge wechseln. Hochgradiger Sauerstoffmangel im Blute
oder Febersättigung desselben mit Kohlensäure ruft Convulsionen hervor ; sie treten
daher vor dem Erstickungstode regelmässig ein. Viele Gifte, denen Convulsionen
erregende Wirkung zugeschrieben wurde, verdankou diese Eigenschaft nur ihrer
lahmenden Wirkung auf jene Nerven oder Muskeln, welche der Athmung vorstehen.
Conydrin, C8H,7N<). Findet sich neben Coniin und Methylconiiu in den
Samen, Blättern und Blüthen des Schierlings, Conimn maculatum L.
Zur Darstellung desselben extrahirt man die frischen Blüthen mit heissem
Schwefelsäuren altigem Wasser und destiilirt den mässig concentrirten Auszug mit
Aetzkalk oder Kali , wobei Coniin . Conydrin und Ammoniak tibergehen. Das
alkalische Destillat wird mit Schwefelsäure neutralisirt und mit absolutem Alkohol
behandelt , wobei schwefelsaures Amnion zurückbleibt. Nach Abdestilliren des
Alkohols versetzt man mit Kalilauge und schüttelt mit Aether aus. Der Aether
wird verdunstet und die rückständige Masse im Oelbade der Destillation unter-
worfen, wobei erst Coniin übergeht, dann bei 150 — 210° Conydrin in Krystallen
in den Helm und Hals der Betörte sublimirt. Beigemengtes Coniin wird durch
Abpressen entfernt und dann aus Aether umkrystallisirt. 280 kg Blüthen lieferten
17g Base. — Das Conydrin stellt farblose, perlmutterglänzende, irisirende
Krystallblättchen dar. Es schmilzt bei geringer Erwärmung und sublimirt schon
unter 100«. Ziemlich löslich in Wasser, leicht in Alkohol und Aether. Reagirt
*tark alkalisch. Bildet ein krystallinisches Platinchloridsalz. — Wertheim, der
Entdecker des Conydrins, hatte angenommen, dass das Conydrin dnreh Abspaltung
von H2 0 in Coniin übergehe. A. W. Hofmann hat neuerdings gezeigt , dass
solches nicht der Fall ist. Durch Einwirkung von Salzsäure auf Conydrin bildet
sich nicht Coniin, sondern entstehen 2 neue, a- und ^-ConiceYn genannte Basen
durch Wasserabspaltung.
C8Hl7NO == C,H15N + H30
Conydrin Conicein.
Hofmann gelang die Ueberführung von Conydrin in Coniin, welches die Formel
C„ H17 N hat und sich also nur um 1 Atom Sauerstoff vom Conydrin unter-
H«al-Kncyclop&die der gea. Pbwmucie. III. 1Ü
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290
COXVDRIX. — COORDINATION.
scheidet, in der Weise, dass durch Einwirkung von Jodwasserstoffsäure auf Conydrin
das Jodhydrat eine« Jodconiins entstand , welches durch Zinn und Salzsäure in
Coniin Übergeführt wurde. v. Schröder.
ConyZä. eine meist zu Inula L. gezogene Gattung der Comjwfritae. Die
älteren Pharmakognosten bezeichneten mit Conyza, Dürrwurz, verschiedene
Compositen.
1. H erba Conyzae med ine s. Amicae spurtae s. suedensut stammt von
Pulicaria dysenterica Gaertn (Inula dysenterica L.) , einem in Deutschland
verbreiteten, ausdauernden Kraute mit weichen, graugrünen, Unterseite graufilzigen
Blättern, welche den 8tengel mit herzförmig geöhrelter Basis umfassen. Die gelben
Blütheuköpfe (Juli, August) haben eine wollig-zottige Hülle ; die Randblüthen sind
strahlend, viel länger als die des Mittelfeldes; die Achänen sind kurzhaarig, der
Pappus ist zweireihig.
Das Kraut riecht und schmeckt unangenehm, es wurde früher gegen Ruhr
gebraucht.
2. Herba Conyzae majoris stammt von Inula Conyza DC. (Gonyza
squarrom L.), einem 0 und 4 Kraute mit trübgrünen, unterseits filzigen Blättern,
kleinen Blüthenköpfen mit gelblich-weisser, glänzender Hülle und kaum merklichen,
gelben, auch an» Rande röhrigen Blüthen. Die Achänen sind an der Spitze
kurzhaarig, der Pappus ist einreihig.
Frisch riecht die Pflanze wie Anthemis Gotula , trocken fast gar nicht. Ihr
Geschmack ist bitter, etwas herb und aromatisch. Sie wurde früher vielseitig
angewendet, jetzt ist sie obsolet.
3. Herba Conyzae coeruleae, Berufkraut, ist das zur Blüthezeit
gesammelte Kraut von Ert'geron acris L. (Compositae) , ©, 15 — 30 cm hoch,
mit Iineal-lanzettlichen Blattern, die Köpfchen zu 1 — 3 an locker traubigen,
zuletzt fast doldenrispig gestellten Aesten, die äusseren weiblichen Randblüthen
hell lila oder fleischroth. Ist jetzt ganz obsolet, wenn auch sein Ruf als zauber-
kräftiges Mittel beim Volke noch nicht völlig geschwunden ist. Hart wich.
CoOk'S Balsam Of Life, äusserlich anzuwenden, ist (nach Hagku) eine
filtrirte Abkochung von 20 Th. Borax, IV, Th. gepulvertsn Kampfers mit 250 Th.
Wasser.
COOper S Aetzsalbe ist eine Mischung von l1., Th. Acidum arsenicosum
subt. pulv. und IV, Th. Hulfar. depur. mit 25 Th. Unguentum eereum. —
Cooper'8 DeCOCtum Uvae Ursi besteht aus 2()0 Th. Decoctum fol. l'vae
Urtii mit einem Zusatz von 15 Th. Tinctura Catechu und 15 Th. Syrupvs
Zingiberis. — Cooper's Mustard Paper steht (nach Hagrr) mit Senf in keiner
Beziehung, sondern ist ein mit Gapsicum- und Euphorbiumtinctur getränktes
Papier.
CoOper'S Gold. Legirung aus 16 Th. Kupfer, 7 Th. Platin, 1 Th. eisen-
freiem Zink. Täuschend goldähnlich, sehr geschmeidig, wird von Salpetersäure nur
sehr schwer angegriffen.
Coordination ist das richtige Zusammenwirken verschiedener Muskeln und
Muskelgruppen bei einer complicirten Bewegung. Nur wenige Bewegungen werden
mit Hilfe eines einzigen Muskels ausgeführt, die meisten, auch scheinbar einfachen
Bewegungen sind die Resnltirende aus einer gewissen Anzahl von Componenten,
und damit die Bewegung der Intention entspreche, darf die Anzahl der aufge-
botenen Componenten und die Grösse jeder einzelnen keine zufällige sein. Im
Centralnervensyatem ist deshalb den coordinatorischen Centren und Verbindungs-
bahnen ein grosses Gebiet eigen. Störungen in der Coordination werden mit dem
Namen Ataxie bezeichnet ; sie sind bei der Tabes dorsualts (Rflckenmarksdarre)
durch den unsicheren Gang der Kranken sehr auffällig.
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COPABINE. — COPAL. 291
Copatline. Unter diesem Namen waren vor vielen Jahren candirte, eiförmige,
circa l/s ? schwere Pillen aas Copaivabalsam und Cuheben im Handel. — Copa-
hine MdQO war dasselbe Präparat; der dazu verwendete Copaivabalsam sollte aber
angeblich zuvor durch Behandlung mit Salpetersäure „corrig6" sein. Bei Copa-
bine Mege war der Zuckertiberzug durch Carmin rosa gefärbt.
CopaiferE, Gattung der Caesalpineae mit 12 bekannten Arten, von denen 10 im
tropischen Amerika, 2 in Afrika heimisch sind. Es sind Bäume mit paarig ge-
fiederten, lederigen Blättern und kleinen Nebenblättern, unscheinbaren Inflorescenzen,
deren Blüthen keine Corolle, sondern nur einen vierblätterigen Kelch, 8—10 freie
Staubgefässe und einen kurz gestielten Fruchtknoten besitzen, welcher sich zu
einer kleinen, 2 — 3 cm langen lederigen , zweiklappigen , einsamigeu Hülse ent-
wickelt. Die Samen haben kein Endosperm und sind in der Regel von einem
Arillus umgeben. Vier amerikanische Arten sind als Mutterpflanzen desCopaiva-
Balsam (s. Bd. II, pag. 128) von hervorragendem Interesse.
1. Copaifera officinalin L. (C. Jacquini Des/.), an der Nordküste
Südamerikas bis Panama und auf Trinidad, charakterisirt durch 3 — 4jochige
Blätter mit wechselständigen, kurz und stumpf zugespitzten Fiedern, achsel-
ständige, granfilzige Rispen, kahle Hülsen.
2. Copa ife ra guyanenai » L>e*f. im nordöstlichen Südamerika , der
vorigen ähnlich, aber mit gegenständig gefiederten Blättern, deren Fiederchen
lang und schmal zugespitzt sind.
3. Copaifera Longsdorff i i Des f. (C. nitida Hayna, C. Sellovii
Hayne, C. laxa Hayn*, C. Jussieui Hayue) in Brasilien, charakterisirt durch
3 — öjoebige Blätter mit gegen- oder wechselständigen , verschieden gestalteten
Fiedern und röthlich behaarte Inflorescenzen.
4. Copaifera coriacea Mart. (C. cordifolia Hayne) im östlichen
Brasilien, charakterisirt durch 3 — ojoehige, zum Unterschied von den drei vorigen,
nicht drüsig punktirte, lederige Blätter.
Copaivabalsam, Copaivaöl, Copaivasäure, *. b a 1 * am um Copaivae.
Copal, Anime (engl.), ist die allgemeine Bezeichnung für eine Reihe von
Harzen, welche durch Härte und hohen Schmelzpunkt ausgezeichnet sind, und sie
besitzen diese werthvollen Eigenschaften in desto höherem Maassc, je älteren Ur-
sprunges sie sind. Die meisten Copale stammen nämlich nicht von der gegen-
wärtigen Erdperiode, sondern sind recent- fossil. Man findet sie im Schwemmlande,
augenscheinlich weit entfernt von dem Standorte ihrer Mutterpflanzen , die man
deshalb in der Regel auch nicht kennt. Nur bei wenigen Arten lassen sich
die Spuren ihrer Entstehung zurüekverfolgeu , einzelne bilden Bich sogar noch
heutzutage.
Alle Copale sind amorph. Ihre Oberfläche ist entweder glatt oder warzig oder
von eigentümlich ästigen Sprunglinien durchsetzt, mehr oder weniger verwittert
und mit erdiger Kruste bedeekt. Ihre Härte sehwankt zwischen der des Kalk-
spate« und des Gypses, der Schmelzpunkt zwischen 1*0 und 370°, sie sind um
ein Goringes schwerer als Wasser.
Im Handel unterscheidet man die Copale nach ihrer Provenienz. Die Copale von
Zanzibar nnd Mozambique sind die härtesten und schwerst schmelzbaren, an
der Oberfläche warzig. Sie stammen höchst wahrscheinlich von Trachylobium-
Arten (Caesalpiniaceae), die jetzt noch an der afrikanischen Ostküste und auf
den Mascarenen vorkommen.
Die Westküste Afrikas ist eine reiche Fundstätte für Copale. Die härtesten,
datier jresel letztesten Sorten sind die meist kleineu, glatten und klaren Stücke von
Sierra Leone und die warzigen von A u g o 1 a. O a b o n ist ungleichmässig,
bald klar, bald trübe, oft mit kreidiger Kruste, unter der die Oberfläche Sprung-
linien zeigt.
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292 COPAL. — COP1RAPPARATE.
Von den Küsten der Sudsee und des Indischen Meeres kommen die Ost-
indischen-, Manila- und Kau rico pale.
Sie stammen von mehreren Damma ra-Artcn (Araucarieae) , kommen nicht
selten in centn erschweren Stücken vor, sind verschieden gefärbt, riechen balsamisch
und kleben, als Zeichen ihrer geringen Hörte, beim Kauen an den Zähnen.
Ihnen ähnlich, aber unangenehm riechend und noch weicher sind die ameri-
kanischen Copale, welche sich theil weise noch jetzt bilden. Ihrer Abstammung
nach stehen sie den vorzüglichen ostafrikanischen Copalen am nächsten, denn ihre
Mutterpflanzen sind die von Trachylobium wenig verschiedenen Arten der Caesal-
pineen-Gattung Hymenaea (vergl. Anirae, Bd. I, pag. 389).
In der Chemie der Copale herrscht dieselbe Verwirrung wie in der Unterschei-
dung der Arten. Zweifellos sind sie Gemenge von je nach der Abstammung ver-
schiedenen Harzen.
Die Copale finden ausgebreitete Anwendung in der Lackfabrikation und als
Surrogat für Bernstein, dem sie in den physikalischen Eigenschaften unter allen
Harzen am nächsten stehen. Sie wurden als Constitucns für Zahnkitte empfohlen.
Copäichi. Mexikanischer Name für Croton niveus Jaquin (Croton Pseudo-
China SchlcJudl.), aus der Familie der Euphorbtaceae , dessen Rinde als Cartex
Copalchi in den Handel gelangt. Sie kam zuerst 1817 als Cascarilla nach
Hamburg , erregte später als neue mexikanische Fieberrinde ( Qitina blanca,
Quina Copafvhi) Aufsehen , gerieth aber bald in Vergessenheit. Neuerdings ist
versucht worden, sie der Quebrachorinde zu substituiren. Sic findet sich hin und
wieder unter der Cascarillarinde.
Die strauchartige Stammpflanze wächst im nördlichen Theil von Südamerika,
geht nördlich bis Mexico und kommt auch auf den westindischen Inseln vor.
Die Rinde bildet Röhren von 30 — 60 cm Länge , ist mindestens 3 mm dick,
auf der Oberfläche mit seichten kurzen Längsfurchen uud feinen Querrissen
versehen.
Der Kork ist grau und fehlt oft. Die Innenseite ist feinstreifig, kaffeebraun,
der Bruch gekörnt, Querschnitt radialstreifig in den nach aussen spitz zulaufenden
Bastbündeln. Sie unterscheidet sich von der sonst sehr ähnlichen Cascarillarinde
durch Seierose der Mittelrinde und reichlichere, aber meist dünnere Bastfasern der
Innenrinde.
Mauch fand in der Rinde einen nicht krystallisirbaren Bitterstoff, Copal-
chin, auf. Hartwic:h.
CopeaUX de GoudrOll, in Frankreich viel gebraucht, sind mit bestem Holz-
theer getränkte Hobelspäne, die zur schnellen und bequemen Herstellung von
Theerwasser dienen.
CoperniCia, zur Gruppe der Sabaleae gehörige Palmcngattuug Amerikas,
charakterisirt durch fächerförmige, zwischen den Strahlen oft faserige Blätter. Das
auf den Blättern der brasilianischen Copaifera eerifera Start, sich ausscheidende
Wachs kommt als Carnauba- oder Cerea- Wachs (s. Bd. II, pag. 564^ in den
Handel.
Copirapparate und Copirverfahren für Privatzwecke sind viele ange-
geben worden, von denen mehrere auf dem Princip des bekannten Hektographen
beruhen.
Der Hektograph besteht aus einer flachen Schicht von Buchdruckerwalzen-
massc (II e k t o g r a p h e u m a s s e) , für welche eine Unzahl von Vorschriften exi-
stireu. Kine jede Vorschrift für derartige Masse musB jedoch, der sehr verschiedenen
Qualität des Leimes und Glycerins wegen . in jedem Einzelfalle auf Grund von
Versuchen entsprechend modifieirt werden. Als annähernde Verhältnisse auf wasser-
freie Substanzen berechnet sind folgende zu beachten: Leim 18 — 11» Procent,
Glycerin Ö3— 52 Procent und Wasser 29 Procent.
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COPIRAPPARATE. 293
Zur Herstellung; wird der Leim in Wasser völlig aufquellen gelassen , unter
Zusatz des noch fehlenden Wassers im Dampfapparat geschmolzen, das Glycerin
zugefügt und schliesslich in einen flachen, entsprechend grossen Blechkasten (in
dessen eine Ecke) ausgegossen, in horizontaler Lage erkalten gelassen. Es muss
darauf geachtet werden , dass die Oberfläche der Masse keine Blasen hat ; falls
solche beim Eingiessen entstanden sind, müssen sie mittelst eines Kartenblattes
nach einer Ecke geschoben werden.
Mittelst einer besonderen Tinte (Hektographentinte) wird wie gewöhnlich
anf Papier geschrieben, nach dem völligen Trocknen das Papier mit der Schrift
auf die Hektographenplatte gelegt, mit einem Leinentuche streichend angedrückt
und nach einigen Minuten von einer Ecke anfangend wieder abgehoben. Die zu
bedruckenden Papiere werden ebenso aufgelegt, angedrückt und immer von der-
selben Ecke her abgehoben. Die nöthige Tinte (Hektographentinte), zu
welcher hauptsächlich Theerfarbstofle verwendet werden . bereitet man beispiels-
weise in folgender Weise: 16.0g Methylviolett werden unter Erwärmen in 40.0g
Alkohol aufgelöst. 5.0 g Essigsäure hinzugefügt und schliesslich mit 50.0 g Wasser
und 10.0 g Glycerin vermischt, das Ganze erwärmt und filtrirt.
Um die auf der Hektographenplatte zurückgebliebene Schrift wieder zu entfernen,
wird die Platte mittelst eines Schwammes mit lauwarmem Wasser abgewaschen und
an der Luft trocknen gelassen.
Da nach einige Zeit währendem Gebrauch durch das Abwaschen die Hekto-
graphenplatte uneben wird, so wird der Kasten auf einen gelind erwärmten Ofen
oder Dampfapparat gesetzt und die Masse schmelzen und hierauf wieder erkalten
gelassen.
Ein dem Hektographen ähnlicher Apparat, der Ohromograph, besteht aus
einer Platte, die zusammengesetzt ist aus 100.0 g Gelatine, 1200.0 g Glycerin uud
500 cem eines frisch gefällten , ausgewaschenen Niederschlages von Baryumsulfat.
Eine Modifikation des Hektographen ist folgende:
Man schreibt mittelst einer Lösung von Alaun und einer Theerfarbe (um die
Schriftzüge sichtbar zu machen) auf Papier, legt diese Schrift auf die angefeuchtete
Hektographen platte, zieht ab und färbt vor jedem Abdruck mittelst einer Walze
mit Buchdruckerschwärze ein.
Ein ähnlicher Copirapparat, der Collograph, ist der folgende:
Die Druckplatte, welche aus Gelatine, Glycerin und einem Zusatz von Seife
besteht , wird mit einer Mischung von Tannin und Glycerin bestrichen , wodurch
eine Gerbung der Oberfläche stattfindet. Die Schrift wird mittelst einer Thonerde-
lösung hergestellt, diese auf die Platte gebracht und zum Copiren mit Drucker-
schwärze eingefärbt.
Im Princip ganz verschieden ist die Cyanotypie, zur Herstellung von so-
genannten Lichtpausen, welches Verfahren sich besonders für Karten und
Pläne eignet.
20.0 g Oitronensäure werden in 50 cem Wasser gelöst, mit Ammoniak bis zur
sehwach alkalischen Reaction versetzt, abgekühlt und mit Wasser auf 100 cem
verdünnt.
18.0 g Eisenchlorid werden in 50 cem Wasser gelöst und nach vollständiger
Lösung kalt mit vorstehender Amtnoniumcitratlösung vermischt und durch einige
Tropfen Ammoniak wieder abgestumpft.
18.0 g Kaliumferricyanid werden in 100 cem Wasser gelost, gut abgekühlt zur
Ammoniumcitrateisenchloridlösung hinzugefügt und durch einige Tropfen Ammoniak
schwach übersättigt.
Gut geleimte, weisse Bogen werden mit der fertigen Lösung mittelst eines
Schwämme« im dunklen Zimmer oder bei Lampenlicht einmal überstrichen fgut
eingerieben), im Dunkeln getrocknet und vor Licht uud Feuchtigkeit geschützt auf-
bewahrt. 100 ecm Lösung reichen bei einmaligem Bestreichen auf circa 2 qm
Fläche. Für dunklere Copien ist zweimaliges Bestreichen nöthig.
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294
C0P1HAPPA RATE. — COKALLIA.
Zur Anfertigung der Copie wird das Original , welches anf weissem (durchaus
nicht gelbem), möglichst durchgeheinendem Pausleinen mit möglichst tiefschwarzen
Linien angefertigt Bein muss, mit der Zeichnung nach unten auf eine Glasplatte
(hejles farbloses Spiegelglas) gelegt, hierauf das mit obiger Lösung getränkte,
trockene Papier gelegt, dieses mittelst einer filzbelegten Holzplatte fest aufgedrückt,
so dass sich zwischen Pause und Papier keine Luftblasen bilden und das Ganze
mit der Glasplatte nach oben der Sonne ausgesetzt.
Die Expositionsdauer ist je nach der Scharfe der Sonnenstrahlen , Dicke und
Farblosigkeit der Originalpause etc. variirend von 2 bis 15 Minuten. Nach der Ex-
position wird die durch die Origiualzeichnung geschützte unzersetzte Imprflg-
nimng des Papieres mit kaltem Wasser gut ausgewaschen, indem man die Copie
mit der Zeichnung nach unten auf Wasser schwimmen lässt. An den von der
Sonne getroffenen Stellen der Copie ist durch Rcduction Berliner Blau entstanden,
welches sich nicht auswaschen lässt. Die Copie erscheint daher in weissen Linien
auf blauem Grunde. Wenn die Zeichnung selbst in bläulichen Linion erscheint, ist
die Expositionsdauer übersch ritten worden. Schneider.
Coptrpapier, ein sehr dünnes, speciell dazu fabricirtes Papier, eignet sich am
besten zu seinem Zwecke, wenn es weniger als 2 Procent Asche enthält. Von den-
jenigen Papieren, welche mehr als 2 Procent Asche geben, liefern die mit Schwerspat
gefüllten Papiere bessere Copien, als die Thonerde enthaltenden. Mit Ultramarin
gebläute Papiere zersetzen Alaunblauholztinte, wie auch Eisengallustinten.
Copirtinte, s. Tinte.
Copland's Pilulae cholagogae bestehen aus 2.5 g Extractum Colocyn-
thidi.s compos. , 0.5 g Pulvis Ipecacuanhae , 0.5 g Sapo medicatus und log
Extractum Hyoscymni zu 20 Pillen. — Copland S Zahn8Chmerztropfen. Je
0.5 g Opium und Gomphora werden durch Verreiben mit je 4.0 g Spiritus, Oleum
C'ijeputi und Oleum Caryophyllomm vermischt.
CoprOStase (y.ojrpo:, Koth uud «rrä-ric, das Feststehen) nennt man die An-
sammlung von Kothmassen im Dickdarm, wie sie einerseits durch mechanische
Hindernisse im Darme, anderseits durch eine mit Rücksicht auf dio zu bewältigen-
den (harten) Kothmassen zu sehwache Darmbeweguug entsteht.
IS, Gattung der Ranunculaceae , Unterfamilie Hellrbonae. Ausdauernde
Kräuter mit dreizählig eingeschnittenen Blättern und blattlosem Stengel, welcher
1 — % weisse, actinomorphe Bltithen trägt.
Bisher wurde in drei Arten (Coptis trifolm Salisb., C. Teeta Wallich,
C. anemvnaefoliu Sieb, et Zuc.) Berber in und in Ü. trifolia noch ein zweites
Alkaloid (Gross), allerdings in sehr geringer Menge (0.012 Proeent). aufgefunden.
Dieses ist farblos, in Schwefelsäure ohne Veränderung löslich, beim Erhiteen
purpurroth werdend.
Die letztgenannte, durch einblüthige Stengel ausgezeichnete, im nördlichen
Amerika, Asien und auf Island verbreitete Art ist das Gold Thread der
Ph. Un. St. Man verwendet ein Infus des Rhizoms (30:500) oder eine Tinctur
hauptsächlich gegen aphtösc Geschwüre.
Ein noch wirksameres Bittermittel dürfte die ostindische Coptis Teeta sein,
in welcher Pkhkixs uieht weniger als 8.5 Proeent Berberin gefunden haben will.
J. Moellcr.
C0(|., auf Recepten vorkommende Abkürzung für coque oder coquatur.
Corallia. Die Kalkgerüste verschiedener Polypen des Mittclmeeres und des
indischen Meeres spielten in der alten Mediein als giftwidrige Mittel eine weit
grössere Rolle als gegenwärtig, wo nur noch die rothen Korallen, Corallia
rubra, in Frankreich (als corail rouge) und Spanien (Cond rojo) officincll sind.
Es sind das kleinero Fragmente der im Mittelmeere und rotheu Meere vorkornmen-
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CORALLIA. — CORALL1N. 295
den und zur Verarbeitung zn Schmucksachen vorzugsweise an der Küste von
Afrika gefischten Blut- oder Edelkoralle, Coralltum rubrum Lara. (Isis
nobili» L. s. Gorgonia nobilis s. pretiosa Solander et Ell.) , welche zu den
Kindenkorallen (Corticifera) gehört, bei welchen der Polypenatock mit einem festen
inneren, baumartigen Axengerüste versehen ist, auf dessen Aussenfläche die
kleinen, mit Armen versehenen Polypen im lebenden Zustande unter einer weiss-
liehcn Haut sitzen, die beim Vertrocknen den Korallenstamm mit weisser Kruste
^erzieht. Anders ist das Verhalten des Kalkgerüstes bei den früher neben den
rothen Korallen officinellcn weissen Korallen, Corallia alba , unter welcher
Bezeichnung verschiedene Augenkorallen gesammelt wurden, namentlich die
Jungferu k o ralle, Oculina virginea Lain., die Blumenkohl koralle,
^ prolifera L., auch C. kirtella Pall. und wahrscheinlich mehrere andere,
irflher der Gattung Madrepora zugezahlte Korallen, bei denen das Kalkgerflst
^e äusserste verkalkte Schicht des Weichthiers darstellt. Was als Coralltum
™l»tfni im Handel ist, sind die bei der Korallenfischerei zu Tage geförderten, für
^»nuckgegenstände unbrauchbaren Stücke, daher auch 'der Name „Kor all eu-
ch4
Fragmenta Corallii rubri, cylindrisch oder abgeplattet, 3 — 1 cm lang,
brti
fflClt*t Strohhalm- bis federkieldick , verschieden gebogen , zum Theil ästig , leicht
streifig, hart, auf dem Bruche matt und von tief rother Farbe, die mitunter durch
einen leicht mit Essigsäure entfernbaren Kalktiberzug verdeckt wird. Die rothe
Varbe wird durch Digestion mit Terpentinöl entfernt und kann deshalb nicht wohl,
wie man früher annahm, durch Eiscuoxyd bedingt sein, das allerdings durch altere
Analysen nachgewiesen ist. Der wesentlichste Bestandteil ist Calciumcarbonat,
von welchem Witting 83.5 Procent neben 3.5 Magnesiumcarbonat und 4.5 Eisen-
oxyd fand. Vool constatirte auch die Anwesenheit von Gyps und einer Spur
Kochsalz. 8tratl\gh und Fyfe wiesen in rothen und weissen Korallen die bei
Seethieren nicht auffällige Anwesenheit von Jod nach. Man benutzte die Korallen
wie anderen animalischen Kalk zu Zahnpulvern und hielt sie auch in Form eines
»ehr feinen Pulvers als „Corallia rubra praeparata" vorräthig, statt deren aber
mit Eisenoxyd röthlich gefärbte Pulver von Kreide oder Austernschalen vielfach
im Handel vorkamen. Uebrigens hat man auch nach Schroff künstliche rothe
Korallen aus harten, mit Cochenille oder rothen Pflanzenpigmenten gefärbten
Knochen angefertigt. Th. Hu so mann.
Coraltin. Das gelbe Cor all in wird durch Erhitzen eiuer Mischung von
10 Th. Phenol und 5 Th. concentrirter Schwefelsäure mit 6 — 7 Th. entwässerter
Oxalsäure auf 120—130° dargestellt. Man giesst die Masse in Wasser ein und
kocht den Niederschlag noch mehrmals mit Wasser aus. Der Farbstoff ist ein
complicirtes Gemenge verschiedener Substanzen , unter welchen nach Zulkowsky
das farblose harzartige Corallinphtalin, C20 H,0 04, mit 70 Procent vorwiegt.
Der Rest besteht vornehmlich aus A u r i n , Cl9 Ht t Oj, ferner aus M e t h y 1 a u r i n,
Cj-, Ht6 03, welches isomer mit der aus Rosanilin dargestellten Rosolsäure ist, und
aus „oxydirtem Auriu", C,n H10 Oü. Zur Gewinnung einer, wenn auch ver-
hältnissmässig geringen Menge reinen Aurins kann man Corallin so lange mit
Alkohol waschen, bis der Rückstand krystallinisch ist, und denselben mehrmals aus
Alkohol umkrystallisiren.
Formel und Eigenschaften des Aurins s. Bd. II, pag. 37.
Das gelbe Corallin ist eine braune, harzartige Masse von grünem Metallglanze,
welche nahezu unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol und in Alkalien ist. Es
gibt schöne rothe Lacke, welche im Tapetendruck Verwendung finden. Zum Farben
und Bedrucken von Geweben wird es wegen der geringen Widerstandsfähigkeit
dieser Lacke nur mehr selten benützt.
Alkoholische Corallinlösnng ist ein häufig verwendeter Indicator für Titrirungen.
Damit versetzte neutrale Flüssigkeiten werden durch einen Tropfen Alkali roth,
durch etwas Säure wieder gelb gefärbt.
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296 CORALLIN. - COBDICEPS.
Rothes Cor all in, Päonin, wird durch Erhitzen des gelben Corallins mit
Ammoniak erhalten. Beim Erhitzen mit Anilin liefert das gelbe Corallin einen
blauen, Azulin genannten Farbstoff. Benedikt.
Corallina, Gattung der nach ihr benannten Unterabtheilung der Florideae.
Steinartige, zerbrechliche, gegliederte, fiederförmig verzweigte, cylindrische oder
etwas abgeplattete, zierliche, korallenähnliche Algen, welche, mit Ausnahme der
höchsten arktischen Gegenden, in allen Meeren vorkommen. Lamouroux und nach
ihm auch andere Forscher zählten diese Algen früher zu den Polypen. Der
Thallus ist im Jugendzustande weich und biegsam, spftter verhärtet derselbe durch
Aufnahme von Kalk in der Zellmembran.
Gor all i na offic inal is L., die häufigste Art, bildet kleine, weisse Sträuss-
chen. Der Thallus hat zweizeilig gestellte, zwei- bis dreifach gefiederte Aeste.
Früher als Muscus corallinus officinell , kommt es noch heute als Bestandtheil
des Wurmmooses vor. Sydow.
CoralÜOrhiza, Gattuug der Orckida ceae, Unterfamilie Malaxideae. Humus-
bewohner mit korallenähnlichem, unbewurzeltem Rhizom, schwach beblättertem
Stengel , kleinen Blüthen mit gedrehtem Fruchtknoten , einem einzigen frucht-
baren Staubgefäss, dessen Poilenmassen schief übereinanderliegen.
In Nordamerika verwendet man das Rhizom von Coralliorhiza odontorhiza
NutL, Coral oder Crawley root, als Diaphoreticum in Pulverform (2.0 pro
dosi) oder im Fluid-Extract.
CoraSSa Compound, ein amerikanisches Geheimmittel; als Bestandteile
werden bislang ganz unbekannte Pflanzen genannt.
COTChOrUS, Tiliaceen-G&ttimg der Tropen. Kräuter oder kleine Holzgewächse
mit gesägten Blättern, kleinen gelben, oft einzeln stehenden Blüthen und fach-
spaltig aufspringenden Kapselfrüchten. — Mehrere einjährige ostindische Arten,
besonders Corchorus capsularis L. und G. olitorius L., liefern in ihrem Baste
eine werthvolle Gespinnstfaser (s. .Tut e).
Cordia, Gattung der uach ihr benannten Unterfamilie der Asperifoliacea-e,
charakterisirt durch Steinfrüchte und »Samen mit gefalteten Cotyledonen ohne
Eiweiss.
Cordia Boissieri /JG., ein Bäumchen Mexikos mit braunfilzigen Aesten und
Blättern, liefert das Anacahnite-Holz (s. Bd. I, pag. 347).
Cordia Myx t L., ein in Ostindien, Aegypten und Arabien heimisches Bäum-
chen, ist die Stammpflanze der bei uns nicht mehr gebräuchlichen schwarzen
Brustbeeren, Fr actus Myxae s. Sebestenae.
Cordial ist eine in Amerika beliebte Form, um Medicamente, besonders schlecht
schmeckende, zu nehmen und etwa einem Magenbittern vergleichbar. Cascara
Cordial ist ein derartiger mit Cascara Sagrada (Rliamnus Purshiaiia) be-
reiteter Magenbitter. — Cordial von Godfrey , Cordial-drink von Cherwy uud
Cordialtinctur von Rymfs. sämmtlich Geheimmittel, sind scharf aromatische
Tincturen (sogenannte Herzstärkungsmittel), die erstere auch etwas Opium enthaltend.
CordiaÜS ist eine von dem deutschen Namen „Herz freu de" abgeleitete,
nicht gewöhnliche Bezeichnung für das Kraut von Asjjentla odorala L. Gebräuch-
licher sind die Namen Ilerba As per ulae (s. Bd. 1, pag. 690) s. Matrisihuie
s. Hejxtticae «Ullatae.
Cordiceps. Gattung der Xectrieae, einer Familie der Pyrenomycetes. Das
Stroma dieser Pilze ist aufrecht, bald einfach, keuleu- oder gestielt-kopfförmig,
bald strauchartig verästelt, im unteren Theile steril, im oberen die Perithecien
tragend. Letztere enthalten die cylindrischen Schläuche, in denen sich je 8 faden-
förmige, septirte, bald in ihre einzelnen Glieder zerfallende Sporen befinden.
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CORDICEPS. —
CORIANDRUM.
297
Die Arten wachsen zum grösseren Theil auf todten Insecten und deren Larven
und nehmen hierdurch eine wichtige Stellung im Haushalte der Natur ein ; einige
andere Arten wachsen auf Elaphomyces oder auch auf sonstigen pflanzlichen
Resten. Sydow.
Coriamyrtin. Glucosid aus dem Gerberstrauch, Coriaria myrtifolia, die
giftigen Eigenschaften desselben bedingend.
Man erhalt es durch Fällen des Saftes oder des wässerigen Aufgusses der Blätter
mit Bleiessig, Verdampfen des mit Schwefelwasserstoff behandelten Filtrates und
Schütteln des syrupartigen Rückstandes mit Aether. Letzterer hinterlasst das durch
Umkrystallisiren aus Alkohol zu reinigende Coriamyrtin beim Verdunsten. Aus den
jungen, 40 — 50 cm hohen Trieben erhält man am meisten ; die Früchte werden zweck-
mässig vorher der Gährung unterworfen. 100 kg der Pflanze geben je nach der
Jahreszeit 6 — 9 g der rohen Substanz. Das reine Coriamyrtin krystallisirt in schiefen
rhombischen Prismen. Es ist wasserfrei und schmilzt bei 220° zu einer farblosen,
wieder krystallinisch erstarrenden Flüssigkeit ; 100 Th. Wasser lösen bei 22°
1.14 Th., 100 Th. Alkohol 2 Th. ; in siedendem Alkohol, sowie in Aether ist es
weit löslicher. Die alkoholische Lösung ist rechtsdrehend. Es hat die Formel
Cj0 HS6 0,0. Concentrirte Schwefelsäure löst es unter Schwärzung; rauchende Sal-
petersäure bildet eine amorphe Nitroverbindung ; durch heisse verdünnte Salzsäure
entstehen mindestens drei Zersetzungsproducte, von denen das eine in gelben Flocken
sich abscheidet , während die anderen in der Kupferoxydkali reducirenden , aber
keinen Zucker enthaltenden Flüssigkeit gelöst bleiben. Durch wässerige Alkalien
wird das Coriamyrtin unter Bildung brauner Producte zersetzt. Erhitzt man das-
selbe aber bei Luftabschluss mit einem Ueberschuss von gesättigtem Baryt- oder
Kalkwasser auf 100°, so entsteht eine zweibasische amorphe Säure, C$0 Ht$ 0,„.
Ranchende Jodwasserstoffsäure wirkt schon bei gewöhnlicher Temperatur ein, sehr
rasch bei 100°. Neben Jod scheidet sich ein schwarzer weicher Körper ab, der
sich nicht in kaltem Wasser, aber in absolutem Alkohol löst. Versetzt man diese
Lösung mit einigen Tropfen Natronlauge, so färbt sie sich schön purpurroth. Sehr
kleine Mengen Coriamyrtin lassen sich an dieser durch Zusatz von Wasser wieder
verschwindenden Färbung erkennen. Tröpfelt man Brom in alkoholisches Coria-
myrtin, so fällt Bibromcoriamyrtin C30 HS4 Br.j 0,0 aus, das aus kochendem Wein-
geist in schönen Nadeln krystallisirt. Ist sehr giftig. v. Schröder.
Coriandrum, Gattung dor I mbelliferae, Unterfamilie Goriandreae ; charak-
terisirt durch die kugelige Frucht , deren Hauptrippeu schlänglieh , flach , deren
Nebenrippen gerade und gekielt sind. Die Thälchen striemenlos, dagegen die
Fugenseite jeder Theilfrucht mit 2 Oelstriemen. Endosperm auf der Fugenseite
concav (Coelospermae).
Coriandrum sativum L., Koriander, Kaliander, Schwindel-
kraut, Wanzenkraut. Ursprünglich wild in Asien, wird die Pflanze jetzt
auch in ganz Europa, Mähren, Deutschland (Erfurt),
Holland und Frankreich (Paris) cultivirt.
Stengel 30 — 60 cm hoch, gestreift, oben ästig, untere
Blätter bald zu Grunde gehend , mittlere und obere
doppelt gefiedert, mit ungetheilten oder fiederspaltigen
Bl.uttchen und linealischen Zipfeln. Dolde 3 — 5 strahlig,
Hölle fehlend oder wenigblättrig, Blättchen der Htill-
ehen fadenförmig. Die äusseren Blüthen stark strahlend, Coriander, 3mai ver-
Kronblätter verkehrt eiförmig, ausgerandet mit ein- ^Äien^hShnüt^
gebogenem Läppchen. Die strahlenden Blumenblatter (nach BerK>-
herzförmig, zweilappig.
Die beiden Fruchthalften hängen meist zusammen. Die ganze Frucht ist kuglig,
5 mm lang (eine Sorte ans Bombay war nach Flückiger birnförmig, 7 mm lang),
von der Griffelbasis gekrönt, gelbbraun.
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CORIANDRUM. -
Die Hauptrippen sind sehr wenig erhaben , unregelmässig geschlängelt , die
Nebenrippen treten stärker hervor, die am Hände der Fruchthälften stehen-
den sehliessen dicht zusammen. Die Epidermis besteht aus feingestreiften, wellig
polygonalen Zellen, zwischen denen im oberen Theile der Frucht zahlreiche
Stomatien auftreten. Das innere Gewebe der Fruchthaut ist ein aus unregelmässig
gelagerten, lang gestreckten, fast völlig verdickten Zellen bestehendes Sclerenchym,
welches der Frucht ein sehr charakteristisches Gepräge verleiht (Fig. 47). Auf
der Fugenseite hat jede Fruchthälfte zwei Oelstriemen, auch das Gewebe der
Fruchthaut enthält ätherisches Oel. Das Eiweiss ist concav, der dadurch entstehende
Hohlraum wird durch lockeres Parenchyni der Samenhaut ausgefüllt (Fig. 48 c).
Fig. 47.
Fig. 48.
a
Theil eines Querschnittes durch
Coriander , an der Stelle , wo die
beiden Theilfrücüte am Rande ver-
bunden sind (nach Berg).
Vergr. 65.
ler Querschnitt durch die doppelte
Coriander-Frucht.
a Fruchtschale, * Oelstriemen, c
Endosperms.
In frischem Zustande hat die Pflanze einen betäubenden, an Wanzen (/-ost;,
Wanze) erinnernden Geruch. Die Frucht enthält 0.7 — 1.1 Procent ätherisches
Oel, das Endosperni 13 Procent fettes Oel.
FrurtiiH s. Set». Cotiandri dient als Gewürz und als Arzneimittel (in allen
Pharmakopoen mit Ausnahme der Ph. Germ. IL), zur Darstellung des S/nr. aro-
maticit* (Ph. Austr.), der Aq. carminativa (Pb. Austr.). Hart wich.
Coriaria, Gattung von zweifelhafter systematischer Stellung, von Endlicher
den Malpighiaceae, von EiCHLER den Terebinthineae angereiht. Die Arten sind
durch hohen Gerbstoflgebalt ausgezeichnet, der Saft von Coriaria thymifolia H. B.
aus Neu-Granada soll sogar an der Luft so schwarz werden, dass er ohneweiters als
Tinte verwendet werden kann. Die Blätter von Coriaria myrtifalia L., einer im
Mediterrangebiete heimischen Art, sollen zur Fälschung der Senna benützt worden
sein. Sie. sind am Grunde dreinervig. — Vergl. Coriamyrtin.
Coridin ist eine Base von der Zusammensetzung C,0 H,r, N. Sie ist von Thexius
im Steinkohleutheer gefunden worden und als Flüssigkeit isolirt, welche noch bei
— 17° nicht erstarrt. Spec. Gew. 0.972. Siedepunkt 211°. Die salzsaure Verbindung
gibt mit Platinchlorid ein Doppelsalz in Form eines dunkel oraugegelbeu , schwer
lOslicheu Niederschlages.
Corium oder Chorium ist der binden •webige Bestandtheil der thierischen
Haut fs. Cutis, pag. 359 die organische Grundlage des Leders; insbesondere
versteht man unter Corium das zum Streichen von Pflastern verwendete weissgar
gegerbte Kalbsleder, welches unter dem Namen „Lammfelle" Handelswaare ist. —
Corium divinum ist auf weisses Schafleder gestrichenes Harzpflaster (2 Th. Ceratum
Kesinae Pini und 1 Th. Kesina Pini).
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CURLIEU'S GICHT PILLEN. — CORNIN.
*99
Corlieu's Gichtpillen bestehen aus 5.0 g Xatrium benzoicum, 2.5 g Natrium
talicylicum, 1.5 g Extr. Colchid , 5.0 g Exlr. Ai-oniii und 5.0 g Sapo medi-
catus zu 100 Pillen.
CormophytE (Cryptogamae vasculares) . Kryptogamiscbe Pflanzen, deren
vegetative Theile in Stengel, Blätter und Wurzeln differenzirt sind. Der Stengel
ist mit Gefässbündeln versehen. Die ausgebildete Pflanze ist ungeschlechtlich,
entwickelt aber an den Blättern (Wedel) oder in den Blattachseln Fruchtbehälter,
in welchen die Sporen enthalten sind. Letztere bilden bei der Keimuug einen (meist)
thallusartigen Vorkeim (Prothallium), welcher die Sexualorgane , Antheridien mit
Spermatozoiden ((5) und Archegonien (9) trfigt. Aus der befruchteten Keimzelle
des Archegoniums entsteht wieder die beblätterte, vollkommene Pflanze. Zu den
Cormophyta gehören die Equisetinae, Lycopodinae und Füicinae. Sydow.
CoriTIUS (xopp.6;, 8ttlck von einem Stamme, Klotz), veraltete Bezeichnung für
Rhizom.
C0m-EX8tirpat0r8, C0rn-Pla8ter (engl.) sind Hühneraugenringe, bezw.
Hühneraugenpflaster.
Com-flOOr ist eine ans England kommende Sorte von Maisstärke, ähnlich der
Maizena und dem Mondamin.
Coril-Plaster, Hühneraugenpflaster, sind Filzringe, auf der einen Seite mit
harzhaltigeni Klebpflaster bestrichen.
Com-Silk (engl.) = Stigmata Maidits, die in neuerer Zeit vou Amerika
aus als Diureticum und Antisepticum bei Blasencatarrh und als steinlösendes Mittel
empfohlen wurden.
Cornacchini's Pulvis Scammonii antimonialis ist dieselbe Mischung wie
Cerbeni8 trieeps, s. d. Bd. II, pag. 628.
Cornaceae. eine Familie der Umbellißorae. Meist Sträucher mit ungeteilten,
gewöhnlich gegenständigen Blättern und trugdoldigen Inflorescenzen. Charakter:
Kelchsaum vierzähuig. Kronenblätter vier, vor einer oberständigen Scheibe ein-
gefügt, in der Knospenlage klappig. Staubgefässe vier, mit den Kronblättern ab-
wechselnd. Griffel 1, mit kopfförmiger Narbe. Frucht eine zweifächerige, selten
durch Abort einfächerige Steinbeere. Sydow.
Cornea, die Hornhaut des Auges, stellt ein vollkommen durchsichtiges
Segment (annähernd) einer Kugelschale vor, welches wie ein Fhrglas vorn in
die äussere, harte, weissgefärbte Unihüllungshaut des Augapfels (Schrotica) ein-
gesetzt ist, um den Lichtstrahlen den Eintritt in das Innere des Auges zu gestatten.
Sie bildet ein brechendes Medium mit stark convexer Oberfläche uud sammelt die
auffallenden Lichtstrahlen.
CornerJ-beef. Diese in Deutschland unter dem Namen „amerikanisches Büchsen-
fleisch" bekannte Fleischconserve hat von ihrer früheren Beliebtheit viel verloren,
weil alle Controle fehlt, ob das Fleisch auch wirklich von gesunden Thiercn stammt
und weil in der That schon einige Vergiftungen vorgekommen sind, sei es in Folge
metallischer Verunreinigung durch die Ltfthmasse oder in Folge der Verarbeitung
von Fleisch kranker Thiere.
Cornln. In der Wurzelrinde von Cornua ßoridtt L. enthalten. Geiger stellte
es dar, indem er den wässerigen Auszug mit Bleioxydhydrat schüttelte, das Filtrat
eindampfte, mit Alkohol auszog, mit Aether versetzte uud filtrirte. Beim Ein-
dunsteu scheidet sich das Cornin aus. Es bildet weisse , seidenglänzende Nadelu,
von bitterem Geschmack , leicht in Wasser und Alkohol , nicht in Aether löslich.
Von Metallsalzcn und Gerbsäure wird es nicht gefällt. v. Schröder.
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300
CORNU CERVI. — CORNU3.
Cornu Cervi, n irschhorn. Die Geweihe des Hirsches, Cervus Elaphus L.
(8. Bd. II, pag. 639), spielten in der filteren Medicia eine nicht unbedeutende Rolle,
sind aber jetzt nur noch in verschiedenen Präparaten in Belgien, Holland, Frank-
reich, Griechenland uud Spanien officinell. Dieselben finden sich nur beim männ-
lichen Thiere und sind in ihrer Organisation vollständig von den Hörnern der Kühe,
Ziegen u. s. w. verschieden, indem sie nicht aus Horngewebe bestehen, sondern
aus ossificirendem Bindegewebe, das sich, wie andere aus Colla bestehende (binde-
gewebige) Substanzen, durch Kochen mit Wasser in Glutin verwandelt und des-
halb zur Darstellung von schleimigen Abkochungen und Gallerten geeignet ist.
Mau bedient sich dazu nicht mehr der ganzen, von dem Thiere naeh der Brunst-
zeit abgeworfenen Geweihe oder deren Spitzen, sondern der Abfälle, welche beim
Verarbeiten dieser durch die Drechsler resultireu und die man in zwei Sorten,
die eigentlichen Drehspähne, C. C. tornatum, und das geraspolte Hirsch-
horn, Cornu Cervi raspatum s. Rasura Cornu Cervi unterscheidet. Letzteres,
aus einem groben Pulver bestehend, ist weniger gut als die grau weisslichen, ge-
wundene Stücke darstellenden Drehspähne, die namentlich zur Spociesform sehr
geeignet sind. Denselben werden vielfach die Abfälle der in den Drechsler-
werkstätten verarbeiteten Knochen substituirt , die Übrigens in ihrer Zusammen-
setzung wesentlich identisch sind. Nach Merat dp: Guillot enthält Hirschhorn
27 Procent Leim, 57.5 phosphorsauren Kalk, 1.0 kohlensauren Kalk und
14.5 Wasser, doch ist die Zusammensetzung wechselnd und der Kalkgehalt in den
Geweihen älterer Thiere grösser als iu denen jüngerer.
Durch Behandeln mit verdünnter Salzsäure, Auswaschen mit kaltem Wasser und
Trocknen wird da« in Holland officinelle, von den Kalksalzen befreite Cornu
Cervi praeparatum gewonnen , welches vollkommen durch in gleicher Weise
behandelte Thierknochen, die sogenannte Ossoline, zur Bereitung schleimiger
Suppen ersetzt wird.
Im Gegensatze zu diesem Präparate steht das noch in Spanien in Form von
Trochisken offieinello Cornu Cervi calcinatum s. ustum album, an freier Luft bis
zur gänzlichen Entfernung der organischen Substanz gebranntes Hirschhorn, welches
fast ganz aus phosphorsaurem Kalk besteht, übrigens jetzt durch die weit billigeren
weissgebrannten Knochen, Ossa usta, ersetzt wird. Das weissgebranute Hirschhorn
des Handels ist sicher aus Knochen bereitet und entspricht dem ersteren jedenfalls
besser als die früheren betrügliehen Mischungen mit Calciumcarbonat bis zu 25 Procent
oder Bariumsulfat (bis zu 20 Procent!). In früherer Zeit wurde Hirschhorn auch
zur Herstellung von empyreumariseben Producten benutzt , die jetzt ebenfalls aus
Knochen bereitet werden ; die Bezeichnungen Hirschhorngeist, Spiritus
cornu Cervi, für das wässerige , vorzugsweise aus Ammoniumcarbonat bestehende
Product; Hirschhornöl, Oleum cornu Cerci, für die dickliche, als Thieröl
bekannte Flüssigkeit haben darin ihren Ursprung. Das zurückbleibende Gemenge
von Kohle und phosphorsaurem Kalk (Knochenkohle) hiess Cornu Cervi ustum
niyrum. Tb. Hnsemann.
CornUS, Gattung der nach ihr benannten Familie. Meist Holzgewächse mit
actinomorphen vierzäbligen Zwitterbltithen und Steinfrüchten.
Drei nordamerikanische Arteu sind von der Ph. Un. St. aufgenommen. Es sind :
Cornns florida L,, Dogwood, ein Bäumchen mit beiderseits augedrückt be-
haarten Blättern, doldigen, von grossen Hüllblättern gestützten Inriorescenzen
und r o t h e n Früchten ;
Cornns aericeti L llerit. , Swamp Dogwood, ein Strauch mit behaarten
Zweigen , Blättern und Blüthen , welche letztere Trugdolden bildcu und zu
kugeligen, blauen Früchten sich entwickeln;
Curnu.» circinnato U Berit.. Round leaved Dogwood, ein Strauch mit
untersoits graufilzigen Blättern, Trugdoldcu und bei der Reife weissen
Früchten.
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CORNUS. — CORNUTIN.
301
Das in ihnen enthaltene angebliche Alkaloid C o r n i n (Carpenter) wnrde als
ein Gemenge von Ralksalzen mit einem Bitterstoff erkannt (s. pag. 2'.)9). Ausserdem
stellte Geiger aus der Wurzelrinde ein eigentümliches Resinoid dar.
Die ofßcinellen Präparate der Ph. Un. 8t. sind ein Decoet und ein Extract.
Sie gelten als wirksame Tonica und Antitypica.
Die bei uns heimischen und in Gärten häufig gezogenen Arten Cornus Mas L.
(mit gelben Blflthendolden und rothen Früchten) und Cornus sanguinea L. (mit
weissen Trugdoldcn und schwarzen Früchten) finden keine arzneiliche Verwendung.
Die Früchte von C. Mas, Kornel- oder Judenkirsche, Hartriegel,
Dirndl, sind geniessbar und waren einst auch ein Volksmittel gegen Durchfälle.
Comutin ist der von Robert vorgeschlagene Name für ein im Mutterkorn
enthaltenes, intensiv wirksames Alkaloid, dessen Formel bei der grossen Kostbar-
keit des Materiales bisher nicht bestimmt werden konnte. Dasselbe ist weder mit
E c b o 1 i n noch mit E r g o t i u i n identisch.
Zur Darstellung desselben wird pulverisirtes ölhaltiges ganz frisches Mutterkorn
in recht grossen Quantitäten im Verdrängungsapparate mit 3procentiger Salzsäure
ausgezogen. Die abgetropfte Flüssigkeit wird mit Soda fast neutral gemacht, bei
niederer Temperatur zum Syrnp eingednnstet und mit Alkohol extrahirt. Von dem
alkoholischen Extract wird der Alkohol abdestillirt und der mit Soda alkalisch ge-
machte Rückstand mit Essigäther extrahirt, der Aetherextract durch Schütteln mit
destillirtem Wasser gewaschen und dem Essigätber dann durch Schütteln mit
citronensäurehaltigem Wasser das wirksame Cornutin neben anderen unwirksamen
Alkaloiden entzogen. Ich habe Mutterkornsorten untersucht, wo ich aus 2 g Pulver
genug darstellen konnte, um es chemisch und physiologisch nachzuweisen. Doch
schwankt der Gehalt ausserordentlich und sowohl die chemische Untersuchung
als die pharmakologische Erfahrung spricht dafür, dass in manchen Jahr-
gängen uud Ländern gar kein Cornutin zur Entwicklung kommt, sondern statt
dessen Sphacelinsäure und umgekehrt. Ferner ändert sich auch in sehr cornutin-
haltigen Mutterkorngort en der Gehalt an der wirksamen Base sehr rasch und nach
zwölf Monaten ist diese meist nur noch in Spuren vorhanden, man mag das Mutter-
korn aufheben wie man will.
Das oben genannte, überaus giftige, weiusaure Alkaloidgemisch bedarf noch
der Trennuug von Schmieren und unwirksamen Basen. Die dazu eingeschlagenen
Methoden sind bis jetzt noch so unsicher und unbefriedigend, dass hier auf die-
selben nicht eingegangen werden kann.
Von den chemischen Eigenschaften des Cornutin» ist Folgendes zu sagen. Die
freie Base ist in Wasser unlöslich, das salzsaure und weinsaure Salz dagegen
leicht löslich. Löslich ist das Alkaloid auch in Oel, woher es aus Oleum Secalis
rornuti neben Ergotinin dargestellt werden kann, wenn man das Oel sauer aus-
schüttelt.
Durch Sublimat in durch Ba (0 H)2 alkalisch gemachter Lösung wird das
Cornutin gefällt ; ebenso ist es durch Phosphorwolframsäure , Phosphormolybdün-
säure und durch Quecksilberjodidjndkalium fällbar. Bei allen diesen Fällungen
aber bekommt man es neben anderen Alkaloiden.
Man würde nun vom Cornutin vor einem chemischen Publicum überhaupt nicht
zu reden berechtigt sein, wenn nicht beim Auskrystallisiren des Ergotinin« aus
dem oben genannten Alkaloidgemische sich herausgestellt hätte, dass das Ergotinin,
ßobald es ganz rein ist, völlig unwirksam ist, während dem Reste von Alkaloiden,
welche in der Mutterlauge bleiben, die Wirkungen innewohnen, welche man von
Mutterkornalkaloiden erwarten muss, nämlich die Erregung von Wehen, so
dass die schwangere Gebärmutter ihren Inhalt ausstösst. Ein von Tanret be-
zogenes, mit seinem Siegel versehenes, prachtvoll krystallisirtes Ergotinin hatte
diese Wirkung eben so wenig als verschiedene in Deutschland nach Tanret's
Vorschriften dargestellte Ergotininpräparate. Der von Tanret dem Cornutin ge_
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302
C0RNUT1N. — CORRECTION.
machte Vorwurf, dass es überhaupt nicht der Erwähnung werth sei, kann daher
von der Pharmakologie auf keinen Fall zugegeben werden, während die Chemie
allerdings so lange den Körper skeptisch ansehen darf, bis er in Krystallen dar-
gestellt und analysirt sein wird. Robert.
Corolla. heisst die Blumenkrone im Gegensatz zum Kelch (Calyx, Bd. II,
pag. 504). In systematischen Werken pflegt man für dieselbe die Abkürzung C,
für Kelch die Abkürzung K zu gebrauchen. — 8. Blflthe, Bd. II, pag. 314.
Corona imperialiS ist eine von Tournefort aufgestellte, mit Fntillaria L.
synonyme Gattung der Liliaceae.
Radix Coronae imperialis ist die jetzt obsolete Zwiebel von Fritillaria
imperialis L.
COPOnilla, Gattung der Papilionaceac aus der Gruppe der Bedysaroideae,
charaktcrisirt durch unpaar gefiederte Blätter , fUnfzähnigen , f ist zweilippigen
Kelch, zugespitzte Schiffchen, zweibrüderige Staubgefässe und gegliederte, bei der
Reife in eiusamige Glieder quer zerfallende Hülsen.
Coronilla rar in L., Kronwicke, eine rothblflbende Art mit vierkantigen,
an den Gelenken mit einem Ring versehenen Hülsen, war früher als Diureticum
in Gebrauch. Das Kraut schmeckt bitter.
Coronilla Emerns L., ein kleiner, gelbblüthiger Strauch mit stielrunden,
hin und her gebogenen, an den Gliedern eingeschnürten Hülsen (daher Scorpion-
Kronwicke), ohne Ring, lieferte die einst als Purgans gebräuchlichen Folia
Coluteae scorpioidis (s. Bd. III, pag. 230).
Coronilla scorpioides Koch (Ornithopus scorpioides L.), eine eben-
falls gelb blühende Art, besitzt dreizählige, fast sitzende Blätter, drei- bis vier-
blüthige Dolden und bogig gekrümmte , vierkantige , gestreifte , bis 4 cm lange
Hülsen.
Sie ist ein in Südeuropa häufiges Ackerunkraut, dessen Samen ein bitteres
Alkaloid enthalten. Südfranzösische Gerste ist häufig mit den Samen verunreinigt
und durch das aus solcher Gerste bereitete Malz gelangt das Alkaloid in das Bier,
welches davon einen sehr bitteren Geschmack erhält. J. Moeller.
C0tt)Z0S ist der im Handel gebräuchliche Name für Steinnüsse (s. d.).
CorpiJS bezeichnet einen einfachen oder zusammengesetzten Grundstoff (Körper)
für pharmaceutisebe Präparate.
CorpUS luteum. Zu Beginn einer jeden Menstruation platzt ein GRAAF scher
Follikel im Eierstocke, wobei gewöhnlich auch ein Bluttropfen in den Follikel
gelangt. Bei der Rückbildung des geborstenen Follikels entsteht ein durch Fett
und Blutfarbstoff (Hämatoidin) gelb gefärbter Körper etwa von Erbsengrösse :
Corpus luteum.
COrpUS Sine anima sind die noch nicht potenzirten Zuckerstrenkügelchen
der Homöopathen.
CorreCtion ist eine Verbes serung, die man an Messungsresultaten vornimmt,
um noch Nebenumstände von genau bestimmbarem Einfluss zu berücksichtigen,
deren Vernachlässigung das Resultat um einen kloinen Betrag fehlerhaft erscheinen
Hesse. Von dieser Art sind die Temperaturcorrectionon bei Längenmessungen, bei
der Bestimmung des Barometerstandes, bei Dichtenbestimmungen, bei der Ermitt-
lung des Volumens einer Flüssigkeit mit Messgefässen , ferner die Correction bei
Wägungen wegen des Gewichtsverlustes der Körper in der Luft und viele andere.
Als Correction eines Messapparates bezeichnet man die Vornahme aller
Operationen , durch welche er zur unmittelbaren Ausführung einer Messung von
solcher Genauigkeit, wie sie seine Einrichtung Uberhaupt gestattet, geeignet wird.
Pitsch.
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CORRECTIONSSYSTEME. — CORTEX.
303
Correctionssysteme. Bei den stärkeren, von dem Optiker für eine be-
stimmte Deckglasdicke corrigirten Trocken- und Wasserimmersionssystenien äussert die
wechselnde Dicke des Deckglases, welche unter den heutigen Verhältnissen etwa
zwischen 0.08 bis 0.25 mm schwankt , einen
Fig. 49. bestimmten Einfluss auf den Strahlengang im
Mikroskope, welcher eine der sphärischen Ab-
weichung ähnliche, die Zeichnung des Bildes
in mehr oder minder nachtheiliger Weise treffende
Erscheinung veranlasst.
Um diesen Einfluss zu beseitigen , versieht
man die gedachten Systeme, welche dann als
Correctionssysteme bezeichnet werden,
mit einer mechanischen Vorrichtung, welche es
gestattet, die Entfernung zwischen den vor-
deren und hinteren Linsen in gewissen Grenzen
abzuändern, das heisst für ein dem normalen
gegenüber dickeres Deckglas dieselbe zu ver-
mindern, für ein dünneres zu vergrössern.
Wir können hier auf die mechanische Ein-
richtung der Correction88y steme nicht näher ein-
gehen und begnügen uns unter Hinweis auf die
Abbildung eines ZEiss'scben Objectives dieser
Art (Fig. 49) damit, zu sagen, dass innerhalb
der feststehenden , aus mehreren Stücken zu-
sammengesetzten (äusseren) Fassung A B der
vorderen Linsen (oder der vorderen Linse bei
3gliederigen Systemen) mittelst eines Schrau-
benringes E die ebenfalls aus mehreren Stücken
bestehende (innere) Fassung C der hinteren
Linsen auf- und abbewegt werden kann , während auf dem Ringe gelbst ein
die betreffende Deckglasdicke — in der Kegel von 0.1 bis 0.2 mm — angebende,
auf eine in der festen Fassung befindliche Marke einzustellende Theilung ange-
bracht ist. Dippel.
CorrigenS. In der Receptirkunde nennt man Corrigens oder Verbesserungs-
mittel (corrigere, verbessern) ein zur Verhütung gewisser Nebenwirkungen des
Hauptmittels bestimmtes Medicament. Es findet sich in den Recepten gewöhnlich
nach dem Adjuvans, wenn ein solches ausser der Basis verordnet ist. Man unter-
scheidet das eigentliche Corrigens als Corrigens virium, die Wirkung verbessern-
des Mittel, von dem zur Verbesserung äusserer Eigenschaften, namentlich des Ge-
schmackes oder des Geruches bei Verordnung übel schmeckender oder riechender
Arzneistoffe verordneten Corrigens saporis , beziehungsweise odorh , welches im
Recept die letzte Stelle (nach dem Vehikel) einnimmt , übrigens oft mit diesem
zusammenfällt (Oelzucker, Syrupe, Pulv. Cacao n. a. m.). Zu den Corrigentien
der äusseren Eigenschaften gehört auch das Omans, mit welchem die alte
Arzneiverordnungslehre in Form gefärbter Syrupe für flüssige Mischungen,
Gold- und Silberblättchen für Species u. a. m. viel Missbrauch trieb.
Th. Husemann.
Corrudä, ein mit Attparagu8 L. synonymer Gattungsname Webkb's. Radix
und Semen Corrudae, einst in Südeuropa gebräuchlich, stammen von Asparagua
acutifolius L. (A. Corruda Scop.).
Cortex. Die in arzneilicher Verwendung stehenden Rinden 'sind unter ihrem
Gattungsnamen beschrieben; die morphologischen und anatomischen Verhältnisse
b. unter Rinden.
CORTI-SCHES ORGAN. — COUYMBÜS.
Cortl'SCheS Organ, so benannt nach Marchege Alfonso Coeti, ist die
Endausbreitung des Gehörnerven in der Sehnecke des Felsenbeinlabyrintb.es. Man
kann es mit einer Miniaturharfe vergleichen. Die Endfäserchen des Gehörnerven
sind von verschiedener, von unten nach oben stetig abnehmender Lange. Die In-
tensität des Tones wird durch die Grösse, die Höhe des Tones durch die Schnellig-
keit der Schwingungen dieser Fäserchen empfunden.
Corvisart's Medecine de Napoleon, 8. Aqua laxativa Corvisart,
Bd. I , pag. 536. — Corvisart'S PoudreS nutrimentives sind Mischungen von
Pepsin mit Amylum und je nach Bedarf MilcJaäure , Morphin etc. — Corvi-
8arfS Scorbtltwein wird bereitet durch 6sttlndige Maceration von 8 Th. Radix
Armoraciae recens, 4 Th. fernen Sinapis cont., 2 Th. Ammonium chloratum mit
12 Th. Spiritus Cochlea riae und 250 Th. Vitium Gallicum album. — Corvisart'ft
SyttJpus Pepsini ist eine Lösung von 0.3 g Pepsin in 30 g Sy rupus C^erasorum.
Corydalin, c1bh10no4, eine in den Knollen mehrerer Cor ydalis- Arten, au
Fumarsäure uud Aepfelsäure gebunden vorkommende Base. Das Corydalin wird
erhalten durch Extrahiren der betreffenden Knollen mit Wasser oder angesäuertem
Wasser, Fällen mit Soda, Lösen des Niederschlages in Alkohol, Verdunsten, Lösen
in saurem Wasser und abermaliges Fällen , oder auch indem man zur Fällung
Phosphorwolframsäure benutzt, die Doppel Verbindung mit Kreide zersetzt und mit
Alkohol auskocht. Das Corydalin löst sich nicht in Wasser, schwer in Alkohol,
ist löslich in Aether, Chloroform, Amylalkohol, Schwefelkohlenstoff, Benzol, Ter-
pentinöl ; aus alkalischer Flüssigkeit kann es mittelst Aether ausgeschüttelt werden.
Aus concentrirter Lösung krystallisirt es in kurzen, weissen Prismen, aus alko-
holischer Lösung wird es durch Wasser in feinen mikroskopischen Nadeln gefallt.
Beim Erhitzen beginnt es bei 180° sich zu zersetzen, nachdem es sich schon bei
110° gelb färbt. In saurem Wasser ist Corydalin leicht löslich und seine Salze
krystallisiren leicht und gut.
Mit den Alkaloidreagentien gibt es Reactionen ; durch Alkalien wird es aus seiner
sauren wässerigen Lösung gefällt, von einem t'eberschuss des Fällungsmittels jedoch
wieder aufgelöst. Ganswindt.
CorydaÜS, Gattung der Fumariaceae : Kräuter mit dreizählig fiederig zu-
sammengesetzten, zarten Blättern, unregelmässigen, gespornten Blüthen und schoten-
förmigen, zwei klappigen, viel sämigen Früchten.
Die knolligen Rhizome von Corydalis cava Schweigg. et Ki'/rte (C. bulbosa
Pers.J und Corydalis solida Stn. (C. digitata Fers.) waren einst als Radix
Aristoloch iae (s. Bd. I, pag. 565) in der Thierheilkunde als Wurmmittel
in Gebrauch. Abgesehen von der in den Namen ausgedrückten Verschiedenheit
der Knollen unterscheidet sich C. solida durch eine trockenhäutige Schuppe an
der Stengelbasis von 0. cava, welcher diese Schuppe fehlt. j. Moeller.
CorylllS, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Cupuliferae. Die
(5 Kätzchen hängen zu 2 — 3 au den vorjährigen Zweigen; die kleine, knospeu-
förmige T Inflorescenz überwintert in den Laubknospen. Die reifen Nüsse stecken
in einer Cupula mit zerschlitztem Saume.
Die Früchte von Corylus Avellana X., Haselnuss, Noisette, und das
aus ihnen gepresste Oel sind von dem Cod. med. aufgenommen. Bei uns sind die-
selben, sowie die Früchte anderer Arten (Corylus tubulosa Willd., Lambert s-
nuss) nur Genussmittel.
Die Haare der Cupula einer nordamerikanischen Art (Corylus rostrata Ait.)
sollen mit Erfolg gegen Eingeweidewürmer, offenbar mechanisch wirkend, an-
gewendet worden sein. j. Moeller.
CorymDUS (lat.j, veraltete Bezeichnung für Doldentraube. Man nennt diesen
Blüthenstand jetzt gewöhnlich T r u g d o 1 d e , C y m a ( 's. d.).
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COKYPHA. - COSMETICA.
Corypha, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Palmen, auf
der Ertlichen Hemisphäre verbreitet. Corypha cerifera Arr. ist synonym mit
Copernicia cerifera Mart. , der Mutterpflanze des Carnauba- Wachses (s. Bd. II,
pag. 564).
Coryza (xo^x, eine Erkältungskrankheit, deren Folgen sich an den Schleim-
Iiiuten des Kopfes zeigen) bedeutet Schnupfen.
Coryzarium = Olfactorium anticatarrhoicum Hageb.
CoSCinilim, Gattung der Menispermaceae, synonym mit Pereira Lindley.
Cos ctnium feitest ratum Öolebrook ist die Stammpflanze des C o 1 o m b o-
holzes, welches angeblich Berberin enthält. Nicht zu verwechseln mit Radix
Colombo (s. Bd. HI, pag. 223).
CoSITIBtica (xo<Tj/ia>, ich schmücke), Schönheitsmittel. Cosmetica im
eigentlichen Sinne des Wortes, Mittel, welche Schönheit erzeugen können, existiren
selbstverständlich nicht. Der Sprachgebrauch versteht unter diesem Namen Mittel,
▼eiche die körperliche Schönheit erhalten und heben oder Mängel derselben
beseitigen und verdecken. Die ersteren sind wesentlich conservirende und hygie-
nische Mittel ; zu ihnen gehört auch das einzige rationelle Cosmeticum, das Bad,
und die passende Pflege des menschlichen Körpers; ihrer bediente sich auch die
Ars ornatrix der alten Römer. Zu der zweiten Gruppe gehören zerstörende und
die ausserordentlich zahlreichen Mittel, welche die Täuschung des Beobachters be-
twecken ; sie sind das Rüstzeug der auch jetzt noch blühenden Ars fucatrix.
Im weitesten Sinne gehören zu den cosmetischen Mitteln oder wenigstens zur Cos-
metik eine Anzahl chirurgischer Eingriffe, wie die Entfernung von Warzen,
plastische Operationen, das Tätowiren von Hornhautflecken.
Der Gebrauch cosmetischer Mittel ist sehr alt, jedenfalls so alt als die Cultur
überhaupt ; in alten Zeiten sowie zum Theile auch noch jetzt, waren sie Geheim-
mittel und oft im widersinnigsten Aberglauben begründet; mit dem Fortschreiten
der Cultur kam ihre Erzeugung und Verbreitung in die Hände der Badeinhaber,
Friseure, später der Parfumeure und verschiedener Geschäfteleute. In der Gegen-
wart sind sie aus geheimen Mitteln wirkliche Geheimmittel mit all deren Schäden
geworden und können nur schwer und allmälig den Händen von Marktschreiern und
Curpfuschern entwunden werden. Den Fortschritten der Dermatologie und der
Pharmacie ist es zu danken, dass die dem Individuum oft sehr schädlichen,
giftigen Substanzen, die in ihre Zusammensetzung eintreten, aufgedeckt und
durch andere, so weit eben möglich, rationellere Stoffe ersetzt werden. Dem Apo-
theker nnd dem Arzt fällt also die doppelt wichtige Aufgabe zu, die Hygiene der
Cosmetica einerseits und andererseits die therapeutische Wirksamkeit derselben zu
studiren, eine Aufgabe, welche zum Theile sich mit dem Studium der Geheim-
mittel i s. d.) deckt.
Die Schönheitsmittel finden ihre Anwendung an der äusseren Hant, an den
Haaren umd Nägeln) und im Munde (beziehungsweise an den Zähnen). Man kann
also Haut-, Haar- und Mundcosmetica unterscheiden. Bei den genannten
Organen handelt es sich bei Anwendung der Cosmetica um Erzielung der Rein-
lichkeit, der Glätte und Geschmeidigkeit, um Erhaltung oder Ersatz der natürlichen
oder jugendlichen Farbe, schliesslich um die Ertheilung oder Vernichtung eines
Geruches. Die Eintheilung der Cosmetica könnte auch von diesen Gesichtspunkten
aus stattfinden ; da aber ein Mittel oft in mehreren Gruppen genannt wird und
für manche sehr wichtige Stoffe, z. B. Enthaarungsmittel, kein Raum wäre, so
scheint die nachfolgende Gruppirung, welche sich in der Terminologie der in der
Arzneimittellehre gebräuchlichen anschliesst, vortheilhafter.
1. Emollientia, erweichende Mittel ; Stoffe, welche Haut, Haare und Nägel
zum Theil durch chemische Wirkung, zum Theil auf mechanischem Wege erweichen,
quellen machen, den Zusammenhang der Gewebe lockern.
K«al-Encyclopädie der gea. Pharmacie. III. 20 Digiti;
306
COSMETICA.
Hierher gehören das Wasser, besonders das warme Wasser, ferner schlei-
mige Mittel in Wasser suspendirt oder gelöst , z. B. Kleie, Mandelkleie, Malz
als Waschmittel für die Haut, oder als Klebe- und Glättungsmittel für die Haare,
wie Rad. Bardanae, Ei weiss (Eier) als Waschmittel für die Haare. Sehr
wichtige cosmetische Mittel sind die Fette (Adiposa) zur Glättung und zum
Schutze der Haut vor atmosphärischen Einflüssen, zur Erziel ung des Glanzes der
Haare. Es werden sowohl die Oele des Pflanzenreiches (Mandel-, Oliven-, Ricinusöl,
sowie die festen Fette Cacaobutter, Cocosfett, Palmöl) und die thierischen Fette
(Schweinefett, Walrat, Rindsmark) als die Mineralöle (Paraffin und Vaseline) und
statt der erstgenannten auch ölreiche Samen entweder gepulvert oder in Form der
Emulsion verwendet. Das Glycerin, welches gewöhnlich den Fetten angereiht
wird, gehört nur bedingt in diese Gruppe; es macht die Haut allerdings für den
Moment geschmeidig, wirkt aber bei längerer Anwendung durch seine Hygro-
skopicität eher reizend. Es findet ausgebreitete Anwendung zur Darstellung vieler
cosmetischer Präparate.
Zunächst gehören hierher die Alkalien. Während die eben genannten Mittel
vorzugsweise auf mechanischem Wege erweichend wirken, erweichen die Alkalien
das Gewebe der Haut, deren Epidermis sie zu lösen im Stande sind. Sie lösen
durch Verseif ung das fette Hautsecret und vernichten insbesondere pflanzliche
Parasiten der Haut. Wegen der durch sie bewirkten Lockerung des Gewebes und
Abstossung der obersten Schichten, machen sie die Haut zur Aufnahme eines
anderen Cosmeticums geeignet und dienen deshalb häufig zu vorbereitenden Pro-
ceduren. Sie dürfen nur stark vordünnt in Auwendung kommen, da sie in cou-
centrirtem Zustande ätzen ; hierher gehören ätzende und kohlensaure
Alkalien, essigsaure Alkalien, sowie der Borax. Der letztere, bei
welchem die Wirkung des zweiten Componeuten. der Borsäure, "wesentlich ist. bildet
einerseits den Uebergang zu den Säuren, andererseits, da er sich in seiner
Wirkung an die Seifen eng anschliesst, zu diesen. Dieselben Mittel werden auch
als chemische Reinigungsmittel für die Zähne verwendet. In der lösenden Wirkung
auf Epidermidalgebilde. auf Hornsubstanz, schliessen sich an die Aetzalkalien die
A 1 k a 1 i s u 1 f i (1 c und die S u 1 1 h y d r a t e derselben. Es werden deshalb die letzteren,
sowie auch die entsprechenden Kalkverbindungen als Enthaarungsmittel
(s. Depilatoria) verwendet: auch der Schwefel selbst, der fein vertheilt,
Bestandteil vieler Oosmetica ist, wirkt nur in den eben genannten Verbindungen
mit den Alkalien.
Die Verbindungen der Alkalien mit den fetten Säuron, die Seifen, schliessen
sich tu ihrer Wirkung und auch in ihrer Anwendung den Alkalien selbst an. Sie
dienen zur Reinigung der Haut, der Haare und der Zähne, zur Entfernung der
1-pidermisschuppeu und werden präparatorisch vor Application anderer Cosmetiea
angewendet. Harte Seifen (Natronseifeu) wirken milder, weiche Seifen (Kaliseifen)
kräftiger, ätzender; die überfetteten Seifen dürften sich zu cosmetischen Zwecken
am besten eignen. Die Seifen dienen ferner zur Herstellung von Emulsionen ;
sowohl in dieser Hinsicht, als auch als Waschmittel können den Seifen saponin-
hältige Pflanzentheile, z. B. Seifenwurzel substituirt werden.
2. Adstringentia. Mittel, welche auf chemischem oder mechanischem Wege
Horngewebe straffer machen, austrocknen , den Schweiss beseitigen und die Haut
erblassen machen ; in gewissem Sinne sind hierher auch manche Tonica, das heisst
solche Mittel zu rechnen, welche den Elasticitäts- und Spannungszustaud der Haut
erhöhen. Manche der Adstringentia dienen auch als Zerstörungsmittel.
Die Mineralsäuren, Schwefelsäure. Salpetersäure und Chromsäure dienen
in concentrirtem Zustande zur Beseitigung von Warzen und Schwielen. Von den
Pflanzensäuren haben denselben Effect concentrirte Essigsäure (Chlorcs&ig-
säure) und Citronensänre ; ebenso die Milchsäure.
Auch concentrirte Carbolsäure und Salicylsäure zerstören derartige Wucherungen
des Horngewebes.
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COSMETICA.
Alle genannten Säuren in passender Verdünnung (mit Ausnahme der Salpeter-
und der Chromsäure) finden auch zum Erblassenmachen rother (erytheniatöser) oder
auch gelber und brüunlieher Flecken der Haut Verwendung. Endlich werden sie
auch zur Beseitigung von localen Sehweissen (Achseln, Fflsse) gebraucht. Dazu
dient auch die Weinsäure und der Weinstein.
Ziemlich beschränkte Anwendung finden die Gerbsäure und die gerbsäure-
haltigen pflanzlicheu Mittel ; sie dienen zur Beschränkung der Secretion , also
ebenfalls zur Beseitigung localer Schweisse, ferner als eigentliche Tonica zur
Erhöhung der Resistenz und der Elasticität der Gewebe ; aus diesem Grunde werden
sie in der Cosmetik des Mundes (des Zahnfleisches) verwendet und siud sie beliebte
Zusätze zu Haarwuchsmitteln. Hierher gehören Catechu, Kino, Eichenrinde, Salbei-
blätter u. a. Bei der Chinarinde, welche ebenfalls hierher zu zählen ist, kommt
auch wohl nur die Gerbsäure in Betracht, jedoch schreibt mau aueh ihren
Alkaloiden selbst bei nur äusserlicher Application eine gewisse tonisireude Wirkung
zu und verwendet die Rinde oder das Chinin in der CoBiuetik des Mundes und
der Haare.
Zu den Adstringentieu gehören ferner die Präparate des Bleis, die des Zinks,
Wismuts, Quecksilbers und der Thon erde, insoweit dieselben zur Be-
seitigung von übelriechenden Localschweissen, zum Erblassenmachen von gerötheten
Hautstellen und zur Entfernung von umschriebenen Hantfärbnngen dienen. Die
meisten dieser Präparate sind übrigens nicht ungefährlich und sollten nie in käuf-
liche Gosmetiea aufgenommen werden — was dessenungeachtet oft genug geschieht —
sondern nur auf ärztliche Anordnung hin Anwendung finden; dasselbe gilt von
den Jod mi tteln.
Eine Sonderstellung nimmt der Alkohol ein . welcher conceutrirt als Reiz-
mittel, verdünnt als eigentliches Adstringens, besonders als schwcissverminderndcs
Mittel wirkt. In ersterer Form findet er besonders in Verbindung mit Riechstoffeu,
dann als Haarwuchsmittel, als austrocknendes uud fettlösendes Mittel, in Ver-
dünnung zu Wasehwässcrn ausgedehnteste Anwendung.
Im Anschlüsse an die eigentlichen Adstringentia sind noch einige wenige
Reizmittel zu nennen, die hie und da in der Absicht gegeben werden , die
Haut zu reizen und dadurch zu röthen oder durch den Reiz zu lebhafter Thätig-
keit anzuspornen. Man gibt zu ersterem Zwecke Senf, zum zweitgenaunteu
Canth ariden. Sabina, Veratrum fals Haarwuchs- Beförderungsmittel).
3. Färbende Mittel. Diese Classc von Mitteln findet ausserordentlich
häufige Verwendung in der Cosmetik. Sie dienen dazu, der Haut des Gesichtes,
der Lippeu, der Hände, des Nackens eine schöne, jugeudliche Farbe zu verleihen
oder um hässlich oder auffallend (roth) tingirte oder ergraute Haare zu färben.
Bei der Cosmetik der Haut kommen Mittel zur Verwendung, welche mehr oder
weniger dicht aufgetragen, die Farbe uud das Aussehen der unterliegenden Haut
nicht erkennen lassen, einfache Deck mittel; hierher gehören S t ä r k e m e h 1
(Reispuder), Kreide, Talk, Zinkoxyd. Von Farben, welche auf die Haut
aufgetragen werden , gehören hierher basische W i s m u t s a l z e , Haryum-
s n 1 f a t, Bleiearb onat (sämmtlich weiss), Zinnober, Carmin und A 1 1 o x a n,
ein farbloses Oxydationsproduct der Harnsäure, welches sich auf der Haut unter
Bildung von Murexid und eines rothen Farbstoffes zersetzt (roth), Indigo und
Berlinerblau (blau), Ocker (gelbj. K i e n r u s s (schwarz).
Zur Färbung der Haare kommen nur wenige eigentliche Farben zur Verwen-
dung; hierher gehören nur die chinesische Tusche und der orangerothe
Farbstoff der Henna, weleher mit Indigo combinirt, Farben von gelb bis
dunkelviolett (schwarz) liefert; auch der Farbstoff, der in den grünen Wall-
nussschaleu enthalten ist, ist vielleicht hierher zurechnen. Alle anderen Haar-
färbemittel wirken auf chemischem Wege, und zwar sind es meistens dunkelgefärbte
Niederschläge, welche auf dem Haare erzeugt werden. S a 1 p e t c r s a u r e s Silber,
Wismut- und Bleipräparate, auch Eisen, werden mit Schwefelpräparaten,
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308
COSMETICA.
meist mit Schwefel selbst, mit Schwefelkalium, Schwefelnatrium and
Calciumsulfhydrat zusammengebracht und in die betreffenden Schwefel Ver-
bindungen übergeführt.
Kupfer- und Eisensalze werden mit Gerbsäure, dieselben Metalle,
ferner Silber und dopp elt chromsau res Kalium werden auch mit Pyro-
gallussäure zusammen applicirt. Der letztgenannte Körper wird auch für sich
allein in alkoholischer oder wässeriger Lösung angewendet, er oxydirt sich leicht
unter Bildung eines braunen amorphen Stoffes; übermangansaures Kalium,
wird für sich allein oder mit Natriumhydrosulfuret verwendet. An diese
Gruppe schliessen sich an:
4. Die entfärbenden Mittel. Hierher gehören die schon genannten
mineralischen Säure n , Quecksilberpräparate, besonders S u b 1 i m a t
und weisser Präcipitat, das Chlor und seine Präparate, namentlich Chlor-
wasser und Chlorkalk und Wasserstoffsuperoxyd, welches nur zur
Entfärbung rother Haare (gelbblonde Färbung) dient.
5. Die Geruch verbessernden oder Riechmittel bilden eine sehr
wichtige Gruppe der Cosmetica. Sie dienen hauptsächlich dazu, den Gebrauch der
übrigen cosmetischen Mittel angenehmer zu machen, ferner zur Verbesserung der
Atmosphäre und der Exhalationsluft des Individuums.
Eine Einthcilung der hierher gehörigen Stoffe oder eine Aufzählung derselben
ist schon deshalb kaum möglich, weil die kauflichen mit dem Namen einer Blume
oder Substanz versehenen Stoffe fast niemals den betreffenden Riechstoff allein
enthalten, sondern in der Regel eine mehr oder minder complicirte Mischung
verschiedener Substanzen darstellen. Man verwendet sie in alkoholischer, essig-
saurer oder öliger Lösung. Aus dem Thierreiche stehen im Gebrauche Moschus,
Ambra und Zibeth, aus dem Pflanzenreiche die ätherischen Oele
der Blüthen der Akazie, des Jasmins, der Heliotrope, des Lavendels, der
Nelken, Narcissen. Orangen, Rosen, Tuberosen, Veilchen, die der Blätter der
Orange, des Patchouli, der Minzen ; ferner ätherische Oele aus Wurzeln, wie
Iriswurzel, aus Früchten, wie das der bitteren Mandeln, aus dem Pericarp
von Früchten, wie Orangen , Citronen-, Bergamottöl, aus Hölzern, wie Oleum
Santal. aus Rinden, wie Zimmtöl, weiters krystallisirte Riechstoffe aus verschiedenen
Pflanzenorganen vieler Familien, wie Cumarin und Vanillin, endlich wohlriechende
Harze, wie Storax, Benzof». Mastix. Eine Anzahl von Riechstoffen wird künstlich
dargestellt, wie Vanillin und Mirbanöl, Fruchtäther; die natürlichen werden den
Pflanzen entzogen durch Pressen, Maceration, Enfleurage, Destillation mit Wasser
und Alkohol und Extraction (s. Aetherische Oele). Wie schon erwähnt,
werden die auf verschiedene Weise gewonnenen Riechstoffe gewöhnlich gemischt,
um dann häutig andere, an bestimmte Blumen erinnernde Parfüms zu liefern oder
um milder und lieblicher zu werden. Im Allgemeinen dienen sie als Zusatz zu
Waschmitteln. Mundwässern und Haarcosmeticis.
<>. Die Geruch zerstörenden Mittel finden nur selten an der Haut,
gewöhnlich im Munde Verwendung. Hierher gehören der Ch lor kalk , Bor-
saure, Carbolsäure, essigsaure Thon erde und übermangansaures
Kalium.
Die Formen, in welchen Schönheitsmittel zur Anwendung kommen, sind u. A.
folgende :
Cosmetica für die Haut: Essenzen, spirituöse Lösungen von Riech-
stoffen, auch E x t r a i t s genau nt ; Tincturen zur Verwendung als Parfttmflüssig-
keiten , Spreng- und Toilettewässer , Eaux de Bouquet; Riechessige,
Toiletteessige, Vinaigres de Toilette, Lösungen kräftig riechender
• Stoffe, von Oelen und Harzen in Essig. Die genannten Formen geben mit Wasser
verdünnt, durch Ausscheidung des gelösten Körpers in fein vertheilten Tröpfchen,
meist milchig getrübte, emnlsionähnliche Flüssigkeiten — Schönheitsmilch,
Lait de beaute. Lait virginal, Eau de Princesse.
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C03METICA.
309
Aehnüche trübe Flüssigkeiten werden auch mit Hilfe von Mandelemulsion
oder von Seifenlösungen hergestellt und ähnlieh bezeichnet : Lait de Lilas,
Lait de Coneombres. Andere trübe Schönheitswäaser , welche vor dem Ge-
brauche aufzuschütteln sind, sind die mit Sehwefelmilch vernetzten.
Halbfeste bis dickflüssige Mischungen werden Cremes genannt. Es
sind mit Hilfe von Weingeist und Glycerin halbflüssig gemachte Seifen:
Kali crSnie, Seifen er 6me; oder Salben aus Wachs, Spermaceti, Mandelöl,
Cacaobutter, Glycerin u. dergl. : Creme Celeste, Cold cream.
Feste Mischungen sind Pasten und Pulver; erstere sind gewöhnlich
Waschmittel, als deren Grundlage oft Mandeln verwendet werden ; auch Pulver,
deren Grundlage Seife oder Mandeln , Borax u. s. w. sind , sind als Wasch-
pulver Waschmittel. Eine besondere Art der Pulver sind die sogenannten
Toilettepulver, Puder, Poudres; sie bestehen zum grössten Theile aus
Amylum und Talksteinpulver ; diese sind, wie aus dem vorher Gesagten ersichtlich,
frrÖsBtentheils Deck- und Schutzmittel für die Haut. Damit sie besser auf dieser
haften, werden diese Pulver oft mit etwas Spermaceti angestossen. In dieser Form
bilden sie den üebergang zu den
Schminken. Diese gehören zu den wichtigsten Cosmeticis. Sie sind entweder
Puder oder flüssige Schminken oder Fettschminken; nach der Farbe
sind sie weiss, roth, blau, gelb, schwarz. Den ersteren wird ein Zusatz
von Barytweiss, Wismutsalzen oder Zinkoxyd zur Erzielung eines kraftigeren Weiss
gegeben; zu den anderen werden die obgenannten Färbemittel hinzugesetzt. Die
flüssigen sind Schüttelmixturen oder Lösungen mit Alkohol u. dergl. und werden
mittelst Pinsels auf die Haut gebracht, daselbst eintrocknen gelassen und der Ueber-
schuss mit einem Tuche abgewischt. Die Fettschminken sind entweder Salben,
die mit einem weichen Tuche oder Leder auf der Haut verrieben werden, oder
festere Fettgemische, Cerate in Stangenform, welche wieder entweder selbst zur
Zeichnung (wie ein Griffel) dienen oder mit den Fingern oder einem Tuche auf
die Haut aufgetragen werden. Die Puder werden mittelst der Puderquaste oder
mittelst Haar- oder Sehwanenfederpinsel auf die Haut gestäubt. Die Entfernung
der Schminken von der Haut (das Abschminken) geschieht bei den Pudern und
den flüssigen Schminken durch einfaches Abwaschen mit Wasser , bei den Fett-
schminken durch Abreiben mit Oel oder anderen Fetten.
Zur Cosmetik der Haare werden verwendet:
Kopfwa schwä88er, Haarwässer und -Geister: Alkoholische Lösungen
von Seifen, Fetten, Alkalien, balsamischen Mitteln, oder auch nur von Riechstoffen.
Hierher gehören auch ähnliche Lösungen von scharfen, tonischen und adstringiren-
den Mitteln, denen man eine specielle Wirkung auf das Wachsthuni der Haare
zuschreibt, wie z. B. China- und Gerbsäurepräparate, Canthariden, Sabina, Veratrum
oder von indifferenten, angeblich dieselbe Wirkung besitzenden Mitteln, wie Bardana.
Das sind dann die Haar- und Bartwuchsmittel (Esseuzen), ferner die
Schuppenwässer.
Bandolinen, schleimige, dickflüssige Mischungen von Tragant, Gummi-
schleim u. dergl., dienen zum Fixiren und Kräuseln der Haare.
Haaröle und Haarpomaden, Mischungen sehr reiner Fette mit Riech-
stoffen oder mit wirksamen Extractformen oben genannter Mittel, sowie mit Alkohol,
Agar-Agar, Glycerin. Dieses letztere sowie Wachs und Wallrat machon Pomaden
transparent (B rill antin e) und fest. Die Oele sind flüssig, Pomaden haben
8albenconsistenz ; Stangen pomaden und Bartwichsen sind Mischungen
von Cerat- oder Pflasterconsistenz , welche ihnen durch Zusatz von Wachs,
Gummi, Seife, Terpentin ertheilt wird. Gewisse Oele und Pomaden stehen im
Rufe, den Haarwuchs zu befördern, z. B. Ricinusöl, Rindsmark, Kammfett,
Bärenfett.
Auch Haarfärbemittel werden in Form von Oelen und Pomaden häufig
verwendet.
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310
COSMETICA.
Die früher erwähnten Depilatorien werden in der Regel in der Form von
mehr oder minder weichen Pasten angewendet.
Bei der Cosmetik des Mundes kommen in Betracht :
Lippenpomaden, das sind parfümirte Gerate oder Salben und Lippen-
schminken, welche entweder flüssige oder feste sind.
Die cosmetischen Mittel für die Mundhöhle selbst sind hauptsächlich Zahn-
reinigungsmittel. Zahnpulver sind Pulver, die nebst einer Grundlage von
Kreide «der anderen Kalkpräparaten irgend ein antiseptisches oder adstringirendee
Mittel, z. B. Seife, Borax, Ratanha. China, ferner einen Riechstoff und manchmal
auch einen Farbstoff* enthalten. Von den praktischen Aerzten werden einigen
Stoffen, zumal manchen scharf-aromatischen, gerbstoffhaltigcn, aromatischen und
balsamischen Mitteln, besondere Wirkungen auf Zahnfleisch und Mundschleimhaut
zugeschrieben , welche denn auch in fast allen Zubereitungen dieser Art Platz
finden. Ebenso werden herkömmlicher Weise zur Parfümirung bestimmte Riechstoffe,
z. B. Mentha und Caryophylli verwendet. Dieselben Mittel dienen auch zur Zu-
sammensetzung anderer Mundpräparate. Solche sind Zahnpasten, mehr oder
weniger zähe Teige, welche ans den genannten Pulvern mit Hilfe von Glyeerin
oder Syrnp geknetet werden; dasselbe sind Zahnlatwergen. Harte Zahn-
pasten sind Pulver, welche nach dem Anfeuchten mit Weingeist in später
austrocknende Massen gepresst werden. Zahnseifen, tVsto oder gelöste, stark
parfümirte Seifen oder Seifenmischungen.
Zahn wässer oder Mundwässer sind wässerige oder spirituöse, parfümirte
Lösungen der oben gedachten Mittel; dergleichen concentrirtc alkoholische Lösungen,
welche vor dem Gebrauch in der Regel mit Wasser zu verdünnen sind, heissen
Z a h n t i n c t u r e n. Manchmal werden antiseptische, adstringirende, desodorisirende,
auch wohl einfache Rieehmittcl in Form von Pastillen oder Cachou (kleine
Pillen) gebracht. Zahnkitte sind keine cosmetischen Mittel.
In Bezug auf Hygiene können als gesundheits unschädlich befrachtet
werden die meistcu der aus dem Pflanzen- oder Thierreiche entnommenen Stoffe
mit Ausnahme Ktark reizender Mittel, wie z. B. Canthariden ; als direct schäd-
lich sind zu bezeichnen die mit Metallen zubereiteten Cosmetiea ; der Schaden, den
dieselben bei der Anwendung zufügen, ist entweder ein localer, die Haut wird
unter ihrer Application gereizt, entzündet; oder sie wird starr, lederartig oder
brüchig, glanzlos. Manchmal werden die Ausgange der Hautdrüsen verstopft und
diese entzündet (Acne) oder es entsteheu verschiedenartige andere entzündliehe
Hautkrankheiten. Der Schaden, den solche Mittel zufügen, kann aber auch ein a 1 1-
ge mein er sein, und sie sind um so gefährlicher, je mehr sie auch von der unver-
letzten Haut resorbirt werden.
Zahlreirhe Metall Vergiftungen siud in Folge Anwendung metallischer
Schminken und Haarfärbemitel beobachtet worden.
Als das gefährlichste Mittel steht obenan das sowohl zu Schminken als zur
Haarfärbung verwendete Bleti. Derartige Präparate, nach deren langjähriger Au-
wendung häufig schwere Vergiftungen vorkommen, siud mit Recht in Oesterreich
und Deutschland verboten. Ihm ftdgt das Quecksilber, und zwar vornehmlich das zu
Sehönhcitswässern und Hautmitteln überhaupt verwendete Chlorid; es kann Allge-
mein- und Localvergiftungen hervorrufen ; andere in der Cosmetik verwendete
Quecksilberpräparate, z. B. weisser Präcipitat siud ziemlich unschädlich ; von Wistnut-
salzen, welche zur Hautcosmetik und zur Haarfärbung verwendet werden, von Kupfer
und Silbersalzen, die ausschliesslich dem letzteren Zwecke dieneu, sind bisher nur
locale Vergiftungen, manchmal allerdings von bedeutender Intensität beobachtet worden.
Der Nachweis derartiger gesundheitsschädlicher Beimengungen in den käufliehen
Cosmetieis und Geheim in ittcln (s d.), wird häutig von Amtswegen ver-
langt und ist nach dem bekannten Gaug der Analyse auszuführen. Kleine Modili-
catiouen der Analyse, auf welche hier nicht näher eingegangen werden kann, müssen
häufig vorgenommen werden.
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COSMETICA. — COTO. ' 311
Literatur: Trommsdorf, Toilettenknngt. 1804. — Dittcl, Cosmetik. 1814. —
Dachauer, Coametiache Receptirkanst. 18G4. — Debay, Lea Parfüms de la Toilette,
2. Aufl., Paris 1677; idem, Hygiene de la beaate huuiaine lSt>4; idem. H. du visage et de
la peau, 1865; idem, H. des cheveux 1865. — Piesxe, Des Odenr.s des Parfüms et des
Cosmetique«. 2. Aufl.. Paris 1877. — Hirzel, Toilettemhemie (ein*» Bearbeitung des Pies Be-
sehen Werkes). I. Aufl. 1674. — Anspitz, Seife. 1867.— BernaUik, Cosmetica in Eulen-
bnrjrs Real-Encyclopädie. P a » c h k i s.
COSmi'8 Pulvi8 arSeniCaÜS, s. unter Aetzpulver, Bd. I, pag. 172.
COS moline ist einer der vielen Namen für Vaseline.
COSmOSfaser ist eine aus Pflanzenfasern dargestellte Kunstwolle, welche als
8urrogat der Schafwolle in der Tuchfabrikation verwendet wird.
Costilla de vaca, auch Barb a 8 c o . heissen in Mexico zwei zum Vergiften
der Fische und gegen Hautkrankheiten angewendete, in neuester Zeit auch nach
Europa gelangende Drogen. Die sogenannte schwarze C. stammt von einer
Paidtinia- Art (Sapindaceae), die weisse C. von einer Guuanin- Art (Rhamnaceae).
COStUS dUlCiS = Canella alba.
Cotamin. Cvi H13 N(>3 + H3 O. Entsteht neben Opiausäure bei der Ein-
wirkung verschiedener Oxydationsmittel (Braunstein und Schwefelsäure, Platinchlorid,
verdtlnnte Salpetersäure i auf Narcotin.
Man stellt es dar, indem mau in eine koeheude Losung von 2 Th. Narcotin in
30 Th. Wasser und 3 Th. Schwefo'säure, 3 Th. Braunstein bringt. Nach Erkalten
und mehrstündigem Stehen filtrirt man die Opiausäure ab, neutralisirt das Filtrat
theilweise mit Kalk, setzt dann Soda bis zur alkalisehen Reaction hinzu und fällt
durch concentrirte Natronlauge das Cotamin, welches dann aus Benzol umkrystal-
lisirt wird. Es bildet farblose Nadeln, wenig löslich in Wasser, leioht in Alkohol
und Aether; frisch gefällt ist es leicht löslich in Ammoniak und Soda, kaum in
Kalilauge; Salpetersäure bewirkt Bildung von Apophyllensäure ; Salzsäure spaltet es
beim Erhitzen in Aethylchlorid und Cotarnaniinsäure ; Zink und Salzsäure redticirt
es zu Hydroeotarnin ; bromwasserstoffsaures Cotarnin nimmt dircet 2 Atome Brom
auf unter Bildung von Bromcotarnindibronüd ; durch Erwärmen von Cotarnin mit
Aethyljodid und etwas absolutem Alkohol eutsteht Aethylcotarnin. Das salzsaure
Salz. Cl2 Hl3 NO, . Cl H -f 2 Ii 0 . bildet lange, seideuglänzonde Krystalle. Die
Platinchloridverbindung stellt einen eitronengelben , kristallinischen Niederschlag
dar, der beim Trocknen roth wird. Ist ungif'tig. v. .Schröder.
CotO. Unter dieser Bezeichnung gelangt seit etwa zehn Jahren eine Baum-
rinde aus Bolivien in den Handel , zuerst für eine Chinarinde ausgegeben oder
unter solche gemengt.
Die Abstammung ist nicht bekannt: Vogl schrieb sie einer Lauractc zu und
betonte die Aehnlichkeit des Baues mit dem der Rinde von Cryptoearia prettosa
Mart., von anderer Seite wurde sie einer Nrctandra zutfesehriebeu. Moeller
ist geneigt, sie wegen unten zu erwähnender Eigentümlichkeiten von einer Moni-
miacee abzuleiten. Da die Zufuhren der besonders in der ersten Zeit viel ver-
langten Binde unregelmässig und wenig reichlich waren , versuchte man ihr andere
Rinden zu substituiren. von denen eine, die Pa ra cot o rinde ebenfalls Verwen-
dung geunden hat. Die Bezeichnung Para hat nichts mit der brasilianischen Provinz
Para zu thun, sondern ist der Rinde nach dem aus ihr dargestellten Glyeosid Para-
eotoin, im Gegensatz zum Cotoin der echten Cotorinde, beigelegt worden; trotz-
dem bezeichnet man sie auch als Cortex Coto de, Farn oder Cort. Coto falsus.
Aussehen und Bau der Coto- und Paracotorinde stimmen so sehr ilberein, dass
sich die Rinden nur durch die Reactionen der in ihnen enthaltenen Stoffe unter-
scheiden lassen. Sie bestehen aus bis zu 2 cm dicken Stücken , von (oft bereits
entferntem) braungrauem Korke bedeckt. Innenseite braun , grob längsstrcifig.
Bruch aussen körnig, innen grobsplitterig. Am Querschnitte bemerkt man in
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COTO. - COTOIN.
grosser Anzahl mohnkorngrosse gelbe Punkte. Der Geschmack ist ziemlich brennend,
gewürzhaft. Genich und Geschmack der Paracotorinde soll mehr an Muscatnuss
erinnern. Das Periderm besteht ans dünnwandigen Korkzellen, deren Schichten
durch meist einfache Reihen einseitig (innen) sclerosirter Zellen von einander ge-
trennt sind. Ein grosser Theil der Mittelrinde wird Bclerotisch, so dass gegen
die Innenrinde ein unregelmässiger, oft unterbrochener 8clerenchymring entsteht.
Das dünnwandige Parenchym enthält in zahlreichen Zellen gelbes ätherisches Oel.
Im äusseren Theile des Bastes rinden sich ebenfalls noch 8teinzellenklumpen. Weiter
nach innen treten Gruppen von Stabzellen auf, die zuweilen die Breite mehrerer
Baststrahlen einnehmen. Die Zellen der 2 — 4reihigen Markstrahlen sind zwischen
den Stabzellengruppen sclerosirt. Der Weichbast ist aus Parenchym und zusammen-
gefallenen Siebröhren geschichtet. Die Parenchymzellen führen oft ätherisches Oel
und kurzprismatische Oxalatkrystalle. Die in grosser Anzahl vorhandenen Stab-
zellen, die an Stelle der gauz fehlenden Bastfasern stehen, weisen, wie erwähnt,
die Rinde wahrscheinlich den Monimiaceen zu.
Die Cotorinde enthält : ein Glycosid C o t o i n , Dicotoin , Piperouylsäure (Me-
thylenprotocatechusäure), ausserdem ätherisches Oel, Harze und Gerbstoff.
Die Paracotorinde enthält: Paracotoin, Hydrocotoin, Dibenzoylhydrocotoin,
Leucotin, Oxyleucotin, ebenfalls Piperonylsäure, ätherische« Oel, welches aber von
dem in der Cotorinde enthaltenen verschieden ist, Harze und Gerbsäure.
Von all diesen Stoffen besitzen nur C o t o i n und Paracotoin die physio-
logischen Eigenschaften, welche die medicinische Verwendung der Rinden bedingen.
Sie werden theils in Substanz, theils als Tinctur und Extract verwendet. Doch
benützt man sie selten, da, wie oben angeführt ist, sowohl oft andere Rinden sub-
stituirt werden, als auch die Unterscheidung der echten Cotorinde von der weit
weniger wirksamen Paracotorinde schwierig ist, mehr bedient man sich des aus
ihnen dargestellten Cotoin und Paracotoin.
Beide Rinden gelten als Specificum gegen Diarrhoe. Sie sind vorsichtig aufzu-
bewahren.
In den brasilianischen Provinzen Rio, St. Paolo, Minas Geraes heisst die strauch-
artige Palicurea deruriflora Martins (Ruhiaceae) Cotö-Cotö. Man bedient
sich ihrer zum Vergiften der Ratten.
Literatur: Vor], Commentar z. ösierr. Pharmakopoe. — Hartz, Arch. d. Pharm.
1875. — Jobst u. Hesse. Ber. d. d. ehem. Ges. 1877. — Moeller, Anatomie der Baum-
rinden. 1882. Hartwich.
CotOIII, CnH.gO.i. Findet sich in der Cotorinde. Zur Darstellung
desselben wird nach Jobst und Hesse die gröblich gepulverte echte Cotorinde
im Verdrängungsapparat mit kaltem Aether extrahirt , der Acther zum grössten
Theil entfernt und der noch warme Rückstand mit warmem Petroleumäther vermischt.
Nach hierdurch bewirkter Abscheidung einer schwarzbraunen öligharzigen Masse
und Klärung wird die Lösung abgegossen und der freiwilligen Verdunstung über-
lassen, wobei die Krystallisation des Cotoins in grossen schwefelgelben Krystallen
erfolgt. Es wird aus Wasser unter Zusatz von Thierkohle mehrmals umkrystallisirt.
Das Cotoin bildet blassgelbe , meist gekrümmte Prismen , wenn es wie oben
gewonnen wird, während, wenn man eine Auflösung der Substanz in Chloroform
oder Alkohol langsam verdunsten lässt, das Cotoin in grossen Prismen oder Tafeln
anschiesst. Es löst sich leicht in Alkohol, Chloroform, Benzin, Aceton und Schwefel-
kohlenstoff, ist dagegen nahezu unlöslich in Petroläther. Kochendes Wasser löst
reichlicher wie kaltes; letzteres nimmt sehr wenig, aber unter Gelbfärbung auf.
Aetzende und kohlensaure Alkalien lösen Cotoin leicht, daraus durch Säuren fäll-
bar. Concentrirte Salpetersäure färbt sich durch Cotoin schon in der Kälte blut-
roth und löst es beim Erwärmen, worauf beim Erkalten oder Wasserzusatz ein
rothes Harz sich abscheidet. Concentrirte Schwefelsäure löst das Cotoin mit braun
gelber Farbe. Concentrirte Salzsäure löst Cotoin beim Erwärmen unter Gelbfärbung ;
beim Erkalten scheidet sich unverändertes Cotoin ans. Die wässerige Lösung des
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COTOIN. - COUMAROUNA. 313
•
Cotoins reagirt neutral and rednoirt in der Kälte Silber- und Goldsalze. Bleizucker
pribt k«ine, Bleiessig gelbe Fällung. Eisenchlorid gibt in verdünnter Lösung schwarz-
braune Färbung, in concentrirter schwarzbraune Fällung. Die FRHLiNo'sche
Losung wird beim Erwärmen rasch , in der Kälte langsam reducirt. Das Cotoin
schmeckt beissend scharf, sein Staub verursacht Niesen und Hustenreiz. Es schmilzt
bei 130* zu einer gelblichen Flüssigkeit. Es ist nicht flüchtig. Von Derivaten und
Verbindungen des Cotoins sind zu erwähnen das Tribleicotoin, CM H12 Pbs 06, das
Tribromcotoin und das Triacetylcotoin. Durch Einwirkung von starker Salzsäure
beim Erhitzen oder schmelzenden Kalis entsteht Benzoesäure. Das Cotoin findet
therapeutisch als Antidiarrhoicum Verwendung. Bürkaet gab dasselbe bei Darm-
catarrh Erwachsener zu 0.05 — 0.08 pro die in Mixturform. v. Schröder.
CotOfl ist der französische Name für Baumwolle. C o t o n jode der Ph. Franc,
in der Weise bereitet , dass man 25 g beste Baumwolle mit 2 g fein zer-
Jod gleichmässig bestreut, diese in eine Literflasche mit weiter Oeffnung
gibt und nun das Gefäss einige Minuten in's Wasserbad bringt, um die Luft theil-
weise auszutreiben; dann verschliesst man das Gefäss gut und lfisst noch zwei
Stunden im Wasserbade, so dass das verflöchtigte Jod sich auf der Cellulose wie ein
Farbstoff niederschlägt.
Cotoneaster, Gattung der Rosaceae, Unterfamilie Pomeae. Kleine Holz-
gewächse mit unterseits filzigen Blättern und zwei- bis fünfsteinigen Früchten.
Von einer asiatischen Art (C. nummularia Fisch. & Meyer) stammt die als
Shir-kisht auf den indischen Markt kommende Manna-Sorte.
CottOnÖl, s. Baumwollsamenöl. Bd. II, pag. 177.
Coty IßdOfl (xotuXtj&öv, Saugwarze) ist der von einer irrigen physiologischen
Vorstellung hergeleitete Name für die Keimblätter oder Samenlappen,
welche nicht Nahrnng aus dem Boden saugen , sondern meist von dem Embryo
aasgesaugt werden. Sie gehören zu den Niederblättern (s. Blatt, Bd. 11.,
pag. 280), sind zumeist sehr einfach in der Form, chlorophyllfrei und im physio-
logischen Sinne als Reservestoffbehälter aufzufassen, welche fnnetioniren , solange
der Embryo der assimilirenden Laubblatter entbehrt Die Cotyledonen vieler
Pflanzen treten bei der Keimung gar nicht an das Tageslicht ; wenn sie den Boden
durchbrechen, so pflegen sie auch zu ergrttnen und ähneln dann Laubblättern.
Die Cryptogamen entbehren der Keimblätter, bei den Phanerogamen haben die
Gymnospermae eine unbestimmte Zahl, meist mehr als zwei Cotyledonen, und
die Angiospermae haben entweder einen (Monocotyledones) oder (mit seltenen
Ausnahmen, z. B. Trapa, Cyclamen) zwei Keimlappen (Dicotyledones).
CotyledOll, Crassulaceen-Qhttun% Gaudin's, synonym mit rmbilicus DG.;
daher Herba Cotyledonis = Herba Umbilic i.
Herba Cotyledonis aquaticae hiess das Krant von Hydrocotyle
vulgaris L. (Umbelliferae).
Cotyl6dOI1 (homöopathisch), Tinctur aus Herba Umbilici Veneria (Herba
Cotyledonis). Die Stammpflanze ist Umbilicus j)endulinus DC. (Cotyledon Um-
bilicus ß tuberosus L., Cotyliphyllum Umbilicus Link).
Cotyledones Qu 61X113. s. Eicheln.
Cough Lozenges, Keating' 8, eine englische, aber auch in Deutschland als
Hustenmittel oft begehrte Specialität, sind 1.25 g schwere Pastillen aus 7l , Th.
Lactucarium, 3» 2 Th. Pulvis IpecacuatJiae, 3 Th. Pulvis Scillae, 7» 2 Th. Ex-
tractum Liquiritiae und 180 Th. Saccharum bereitet.
COUleiir, kurze Bezeichnung für Z ucker co u 1 e u r (s. d.).
Gattung der Papilionaceae, Unterfamilie Dalbergieae.
des tropischen Amerika mit rothen oder blauen terminalen Inflorescenzen aus
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COUJIAROUNA. — CRATAEGUS.
monadelphischen Blüthen , aus denen sich steinfruchtartige, zusammengedrückte,
einsamige Hülsen entwickeln. Die Samen sind die durch ihren Cumaringehalt
ausgezeichneten Tonkabohnen. Die meisten stammen von Coumarouna odorata
Aubl. (Dipterix odorata Willd.J. Eine kleinere, als englische Tonkabohne von
der ersteren, der holländischen, unterschiedene Sorte wird von C. opjwsüifoh'a
Wüld. (Taralea opposüifolta Aubl.) abgeleitet.
CoupclQe, Verschnitt wird das Vermischen verschiedener Weine, sowie der Zu-
satz von Wasser und Alkohol zu denselben genannt (c o u p i r t e W e i n e). — S. W c i n.
COlirt Plaster = englisches Pflaster, Emplastrum adhaesivum an-
glicum (s. d.).
Coxalgie (Coxa, Hüfte und aftyo;, Schmerz) bedeutet Schmerzen im Hüft-
gelenke. In den meisten Fällen ist die Coxalgie ein Symptom der Coxitts oder
Coxarthrocace (dfedsov, Gelenk ; xaxia, schlechte Beschaffenheit) , das ist eine Ent-
zündung und Eiterung in der Pfanne des Hüftgelenkes, die den Gebrauch des
Beines oft auch noch nach der Ausheilung sehr beschränkt („freiwilliges Hinken").
Cp., eine nur selten vorkommende Abkürzung für compositns.
Cr, chemisches Symbol für Chrom.
Crabrinum (homöopathisch), die aus der Hornisse (Vespa Crahro L.) bereitete
alkoholische Tinctur.
CraniotabeS (Iat.). Erweichung des Schädels, insbesondere der Hinterhaupt-
schuppe.
Cranilim, Hirnschale, ist jeuer Theil des Kopfskelettes, welcher das Gehirn
eiusehliesst. Es besteht aus Schädeldach und Schädelgrund und wird aus acht
Knochen zusammengesetzt.
Crauiometrie ist die Wissenschaft von der Schädelmcssung nach exaeten
Methoden. Sie gibt Anhaltspunkte für die Kenntniss der Urgeschichte des Mensehen
und für die richtige Eintheiluug des Menschengeschlechtes in Racen. — 8. auch
Braehycephalen , Bd. II, pag. 365.
Cransac in Frankreich, Depart. Aveyron, über einem seit undenklicher Zeit
brennenden Kohlcnflötz. Die durch Erdspalten aufsteigenden Wasserdämpfe, welche
Sulfate und Salmiak enthalten, dienen zu Kastendampfbadern. Einige kalte Mineral-
quellen mit sehr wechselndem Salzgehalt werden zu Trinkcureu benützt.
Crassula, Gattung der nach ihr benannten Familie, charakterisirt durch
zwittrige, fünfzählige Blüthen und 5 vielsamigo Balgkapseln. Unter llerba Cras-
sula* majoris versteht man jedoch Sedum Tele ph tum L.
Crassulaceae, eine Familie der Saxifraginae. Saftige Kräuter oder Halb-
sträucher, mit dicken , fleischigen, wechselständigen , selteu gegenständigen , meist
gedrängt stehenden , nobenblattlosen Blättern. An den nicht blühenden Stengeln
stehen die Blatter zu rosettenartigen Köpfchen vereinigt. Oft zeigen dieselben eine
von der gewöhnlichen Blattform sehr abweichende Gestalt. Charakter: Blüthen in
Trugdolden oder Wickeln. Kelchblätter 3 — 10 (meist »), am Gruude mehr oder
weniger mit einander verbunden. Blnmenkrone regelmässig, 3 — 20zählig, mit den
Staubgefässen dem Kelche eingefügt, zuweilen 1 blättrig oder fehlend. Staubgefässe
so viel oder doppelt so viel als Kroublätter. Fruchtblätter meist 2. selten 3 — 5, mehr
oder weniger zu einem 1- bis mehrfächerigeu, oft mit einem dorsalen Schüppchen
versehenen Fruchtknoten verbunden. Gritfei stets frei. Frucht einwärts aufspringend.
S y (1 o w.
Crataegus, Gattung der Iiosacrae, Unterfamilie Pomeoe, charakterisirt durch
krugförmiges Rcceptaculum und ein- bis fünfsteinige Früchte, deren Fächer knöchern
erhflrtet, von allen Seiten in das Fruchtfleisch eingesenkt, 1 — 2samig sind.
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CRATAEGUS. — CREPITUS LUPI.
315
Crataegus Oxyacantha Gärtn., Meblbeere, Weissdorn, Hage-
dorn, ein Strauch oder Bäumchen, dornig, mit rautenförmigen, sonst verschieden
gestalteten Blattern, weissen Bltithen in Doldentrauben und schmutzig- rothen 1- bis
Sfteherigen Früchten, lieferte trüber Folia, Flores und Baccae Oxyacanthae s.
Spinae albae als Volksheilmittel.
Crataeva, eine Cappartdeen-Gattung Linne's, von Cerrea als Aegle zu den
AurarUieen gezählt. — Gratoeva Marmelos L., die Mutterpflanze der Fructua
Behe, ist synonym mit Aegle Marmelos Corr.
Cratifi (ital.) heissen die nach dem Blattfalle bis iu den Winter hiuein
OayOnS medicamenteUX der Ph. Franc, sind kleine cylindriscbe Stifte,
die man entweder durch Au sgiessen einer geschmolzenen Masse iu eine Form
oder durch Ausrollen einer plastischen Masse gewinnt. Zu ersteren gehören die
Crayons au nitrate d'argent und die Crayous ä l'huilc de eroton (nach Art des
Salhenstiftes , Stilus unguens) , zu letzteren die Stifte mit Tannin , Kupfervitriol,
Jodoform u. s. w. (nach Art des Pastenstiftes , Stilus dilubilis). — Vergl. auch
Aetzstifte, Bd. I, pag. 172. G Holmann.
Cream, s. c r e m e.
Creme, Cream (engl.). Mit „Cremes" bezeichnet die französische Pharmacie
(nach Dorvault, 1'Officine) „des preparations resultant de l'union du jaune d'oeuf
et du sucre avec le lait, seul ou allie a de principes medicanienteux1''. Dieser
Definition entsprechen Creme aus amandes , Creme ä la fleur d'orangos , Creme
pectorale etc. Die Bezeichnung „Creme" hat man aber auch auf zarte, weiche,
schaumige Salben, deren Repräsentant Creme Celeste (Ungucntum emollieus Ph.
Austr., l'ngt. leniens Ph. Genn., Cold-cream) ist und ebensolche Seifenpasten über-
tragen , wie Creme d'amande« , Creme de glycerine etc. Die bekannte C r e in e
Simon ist eine Schminkpomade mit Zinkoxyd und Talkpulver. g. Hofmann.
Creme de bismuth ist frisch bereitetes, wenig gewaschenes, nicht getrocknetes
Bimii utum subnür ic u m .
Cremometer, Kahm messer. sind calibrirte Glasgefflsse, in denen man die
Milch der Ruhe überlässt und nach eiuer gewissen Zeit die Dicke der Kahmschicht
abliest. Zur besseren Deutlichmachung der Grenze kann mau etwas Anilinblan hin-
zufügen. — S. unter Milchprflfung.
CremOr Tartari, Weinsteinrahm = Tartarus depuratus, so genanut, weil bei
dem früheren Reinigungsverfahren des Rohweinsteins sieh der gereinigte Wein-
stein in Form von Krusten au der Oberfläche der Flüssigkeit absonderte. —
Cremor Tartari SOlubiÜS = Tartarus boraxatus.
CrenothriX ist eine pleomorphe Baeterienart, welche in alleu Gewässern, auch
im Grundwasser, angetroffen werden kann. Ihre Faden sitzen mit einem Ende, der
Basis, festen Körpern auf und besitzen eine Scheide, welche häutig durch EiHen-
salze bräunlich gefärbt ist. Bei reichlicher Vermehrung eutstehen so dichte, gelatiuöse
Massen, dass hierdurch Wasserleitungs- oder Drainröhren unwegsam gemacht werden
können. — S. Bacterien, Bd. II, pjig. 81. Weich.se Iba um.
Crepitation (creP ore. knarren) heisst jenes Knarren, welches entsteht, wenn
man die Enden eines gebrochenen Knochens durch Verschiebung dieser Bruchendeu
aneinander reibt. Man kann dieses Knarren hören und auch fühlen ; danach unter-
scheidet man Crepitatiousgeräusch und Crepitationsgefühl. Jedes dieser Symptome
gilt als sicheres Zeicheu für eine stattgehabte Kuochenfractur.
CrepitllS Llipi, veraltete Bezeichnung für den Fruchtkörper von Lycoperrfon
caelatum Bull. Geläufiger ist Fuugus chiriiryoi'um s. Boviatn.
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316 CBESCENTIA. — CBEVOISIEIfS PULVI8.
Crescentia, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Btqnoniaceae,
anggezeichnet durch grosse, einfächerige, nicht aufspringende, kürbißähnliche Früchte
mit holziger Schale, deren Mus bei einigen Arten (G. edulis Desv.y C. alata
BpL, G. cucurbitina L., C. Gujete u. A.) geniessbar ist und auch als Volksmittel
arzneilich verwendet wird. Das Schwindsuchtmittel „Tima" stammt angeblich von
Ö. edulis Desv.
Creta praeparata (Ph. Austr., Gall. , Belg. u. a.), Creta alba, Ge-
ßchlemmte Kreide. Ein weisses, unfühlbares Pulver, zuweilen in trochiscirter
Form (als kleine Kegel) im Handel vorkommend, ohne Geruch und Geschmack,
unlöslich in Wasser und Weingeist, leicht und unter Aufbrausen löslieh in ver-
dünnter Salzsäure, Salpetersäure oder Essigsäure, dabei nur einen sehr unbedeuten-
den Rückstand lassend. Beim Glühen verliert die Kreide mehr oder weniger Kohlen-
säure und hinterlässt einen stark alkalisch reagirenden Rückstand. Unter dem
Mikroskope zeigt die geschlämmte Kreide abgerundete Partikelchen von oft linsen-
förmiger Gestalt und sehr verschiedener Grösse. Die durch Säuren aus ihr ent-
wickelte Kohlensäure besitzt einen unangenehmen, muffigen Geruch. — Iden-
titätsreactionen: Das Präparat löst sich unter Aufbrausen in verdünnter
Essigsäure zu einer farblosen Flüssigkeit, die auf Zusatz von Ammoniumoxalat
einen weissen , in Salzsäure oder Salpetersäure lösliehen Niederschlag abscheidet.
— Zusammensetzung: Calciumcarbonat (Ca CO,), als Product thierischer Ge-
bilde, vorherrschend aus den mikroskopischen Schalen von Foraminiferen (Poly-
thalamien, Rhizopoden) bestehend, auch Kieselpanzer von Infusorien enthaltend. —
Darstellung: Die in Frankreich, Eugland, auf Rügen, Seeland und anderorts
vorkommende weisse Kreide wird gemahlen, mit Wasser angerührt nnd geschlämmt,
d. i. die milchige Flüssigkeit wird nach kurzer Pause vom Bodensatze in ein
Gefäss abgegossen , worin man sie vollständig absetzen lässt , während der rück-
ständige Bodensatz einem weiteren Zerreiben und abermaligen Schlämmen unter-
worfen wird. Die ans den abgegossenen Flüssigkeiten gebildeten Absätze werden
von der klaren Brühe getrennt und getrockuet, wobei man sie nicht selten troehis-
cirt, d. i. auf Fliesspapier oder Thonplatten zu kleinen Kegeln formt. — Prü-
fung: Verdünnte Essigsäure darf keinen nennenswerthen Rückstand (Calcium-
phosphat, Calciumsulfat, Baryumsulfat) hinterlassen ; die gewonnene Lösung (1=50)
trübe sich nicht mit Gypswasser (Trübung : Baryt) und gebe mit Kaliumforrocyanid
keine oder nur ganz schwach bläuliche Färbung (Eisen). Schwefel wasserstoffwasser
darf die essigsaure Lösung nicht verändern (Sßhwermetalle). — Gebrauch: Als
säuretilgendes Mittel gegen Mageusäure , Sodbrennen u. dergl. ; zu Zahnpulver
(als Grundlage) ; seltener zur Entwickelung von Kohlensäure in der Mineralwasser-
fabrikation, da hierzu die Kohlensäure wegen des unangenehmen, stickigen Ge-
ruches mittelst Kohle gereinigt werden muss. Schliekum.
Cretinismus ist eine meist auf einzelne Thäler der Alpen und Pyrenäen, zu-
weilen nur auf eine geringe Anzahl von Ortschaften beschränkte, gewöhnlich mit
der frühesten Jugend beginnende Erkrankung, in Folge welcher die körperliche
und geistige Entwicklung des Individuums in hohem Grade zurückbleibt.
Cretinen (vom romanischen Cretina, d. i. Creatur, elendes Geschöpf) oder
Fexen sind missgestaltet, klein, hänfig mit Kropf und krummen Beinen behaftet.
Ihr Schädel ist oft niedrig , plattgedrückt , besonders ist die Entwicklung der
vorderen Halbkugel des Gehirnes verkümmert. Ueber die Ursache des Crctinismus
haben wir noch keinen genügenden Anfschluss, es werden angegeben : ungesunde
Nahrung, namentlich schlechte Beschaffenheit des Trinkwassers (Mangel an Jod
und Ueberschuss au Kalk- und Talksalzeu): Hcirateu uuter Blutsverwandten;
ungenügende Pflege.
Crevoisier's Pulvis fumalis antasthmaticus, s. unter Asthmapulver,
Bd. I, pag. 700.
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CRIMNA. - CROCUS.
317
Crimna (xpifJivo;, Geschrotetes, Kleie) ; Crlmna Avenae = Avena excorticata ;
Crimna Hordel = Hordeum excorticatum.
CriSta galH, Scrophularineen-G&ttnng Rdpp's, synonym mit Alectorolophus
Hall. Daher Berba Cristae galli für das Kraut von Alectorolophus major ftchb.
und A. minor W. et G. (Rhinanthus Crista galli L.), A ckerrodel, Wiesen-
klapper, Hahnenkamm. Obsolet.
Crithmum. Gattung der Umbelliferae, charakterisirt durch den lose in der
Höhle der schwammigen, Öriefigen Frucht liegenden Samen, der dicht mit Striemen
bedeckt ist.
Crithmum maritimum L. (Cachrys maritima Spr.J, Bacillenkraut,
Meer- oder Seefenchel, ein blaugrüne«, kahles, an der Küste des adriatischen
Meeres wachsendes, nach Sellerie und Rosmarin riechendes Kraut, wird mitunter
rur Würze von Conserven verwendet.
CrOCfcin, s. Azofa'rbstoffe.
Crocin, Crocetin. Das Crocin, auch Polychroit genannt, ist der im Safran,
den Narben von Crocus sativus L. , enthaltene gelbe Farbstoff. Er findet sich
auch in den chinesischen Gelbschoten , den Früchten von Gardenia grandißora
Lour. (Rubiaceae) und in der Fabiana imbricata R. u. P. (Scrophularineae).
Ans dem Safran gewinnt man das Crocin, indem man ihn mit Aether entfettet und
mit Wasser auskocht. Die letztere Lösung fällt man mit Bleiessig und zerlegt den
Niederschlag mit Schwefelwasserstoff. Dem Gemenge von Schwefelblei und Crocin
entzieht man das letztere durch kochenden Weingeist. Die alkoholische Lösung bringt
man unter Abfiltriren des beim Verdunsten sich abscheidenden Schwefels im Vacuum
zur Trockne. Das Crocin bildet ein lebhaft rothes, geruchloses Pulver von schwach
süaslichera Geschmack. Es ist leicht löslich in Wasser und Alkohol und besitzen
die Lösungen die Farbe einer Chroinsäurelösung. Leicht löslich in Alkalien mit
gelber Färbung. Aus der alkoholischen Lösung wird es durch Aether, aus der
alkalischen durch Sauren in purpurroten Flocken gefallt. Concentrirte Kalilauge
zersetzt es beim Erwärmen unter Entwickelung stechend riechender Dämpfe. Die
concentrirte wässerige Lösung wird auf Zusatz concentrirter Schwefelsäure anfangs
indigblau, später violett. Die wässerige Lösung wird durch Kalk- und Barytwasser
gelb, durch Bleiessig roth, durch Kupfersulfat grün gefällt. Beim Kochen mit ver-
dünnten Mineralsäuren spaltet sich das Crocin in Zucker und sich ausscheidendes
Crocetin. Das Crocetin ist ein duukelrotb.es, amorphes, in Wasser wenig, in
Alkohol leicht, auch in Aether etwa» lösliches Pulver; es zeigt bei der Einwirkung
concentrirter Schwefelsäure dieselbe blaue Färbung, wie das Crocin ; seine Lösungen
werden durch Bleisalze citronenerelb gefällt. v. Schröder.
CrOCUS, Gattung der lridaceae , Unterfamilie Jxieae , charakterisirt durch
actinomorpbe Blüthen , in denen die Staubgefässe nach allen Seiten gleichmässig
abstehen. Die aus einem Knollen mit kurzem Stengel innerhalb einer häutigen
Scheide entspringenden Laubblätter sind schmal, rinnig und haben einen weissen
Mittelstreifen. Zugleich mit den Blättern oder früher kommen die Blüthen zur
Entwicklung. Sie sind gross und schön gefärbt, trichterförmig, mit 6 fast gleichen
Abschnitten, langer Röhre, im Schlünde eingefügten 3 Staubgefässen und langem
Griffel, dessen 3 fleischige, tutenfönnige Narben aus der Röhre hervorragen.
Die Früchte treten erst bei der Reife Über den Boden hervor; es sind häutige,
fachspaltig 3klappige, vielsamige Kapseln.
Namentlich die im ersten Frühling blühenden Arten sind bei uns beliebte Zier-
pti.mzen, aber ohne pharmaceutisches Interesse. Der im Herbste blühende Crocus
sativus L., charakterisirt durch violette , eng umscheidete Blütheu , sehr tief ge-
theilte Griffel und vor Allem durch die rothen, höchst aromatischen Narben, liefert
in den letzteren das hochgeschätzte, in alle Pharmakopöen aufgenommene Gewürz.
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CROC US. — CROTON.
Die Droge soll nur aus den Narben bestehen, jedenfalls möglichst wenig von
den blassgelben , nicht aromatischen Griffeln euthalten. Beim Pressen zwischen
Papier darf dieses nicht gefettet werden (Ph. Brit. Dan. , Un. St.). was auf
künstliche Schönung deuten würde. Mit 10 Th. Wasser gibt Safran eine gelb-
rothe, nicht süss schmeckende Flüssigkeit, welche nach Verdünnung mit 1000 Th.
noch gefärbt erscheiut (Ph. Germ.); bei 100° getrocknet muss er weniger als
14 Procent an Gewicht verlieren und beim Verbrennen nicht über 8 Procent
Asche hinterlassen (Ph. Germ.). Rr ist wohl verschlossen im Dunkeln aufzubewahren,
da er leicht Geruch und Farbe einbüsst, auch hygroskopisch ist.
Ph. Austr. warnt im Allgemeinen vor Verfälschungen. Man soll Safran nie
gepulvert kaufen. Man pulvert ihn in einem angewärmten Mörser nach sorgfältiger
Trocknung.
Den eigen th ilmlichen Geruch verdankt der Safran einem nur in Spuren vor-
handenen ätherischen Oele von der Zusammensetzung Cl0HltO (Weiss), welches
bei 210° siedet. Ausserdem enthält Safran den Farbstoff Crocin oder Polychroit
und Zucker.
Als Heilmittel ist der Safran heutzutage ganz bedeutungslos. Die Ph. Germ,
bentltzt ihn zur Bereitung der Tinct. Croci und Tinct. Opü crocata, Ph. Austr,
zur letzteren und zu Collyriutn adutringens luteum, Emplastrum oxyeroceum,
Mauna pillularum Ruffi. Die Werthschätzung als Gewürz hat ebenfalls bedeutend
abgenommen. — S. Safran.
CrOCUS Mit dem Namen „Crocus" bezeichnete man in früheren Zeiten der
Chemie gelbroth (safran.'lhnlich) gefärbte Metalloxyde, daher: CrOCUS Anti-
monü = Stibium oxydatum fuscum; CrOCUS Martis adstringens = Ferrum
oxydatum rubrum ; CrOCUS Martis aporidlS = Ferrum oxydatum fuscum ;
Crocus Martis vitriolatus = Caput mortuum; Crocus metallorum = Stibium
oxydatum fuscum; CrOCUS Saturn! = Minium; CroCU8 SoÜS = Aurum oxy-
datum.
CrolTs Elixir uterinum ist eine Mischung aus 15 g Tinct uro, Cwftorei,
5 g Tinctura Absinthii, 5 g Tinctura Croci und 10 Tropfen Oleum Aniti.
CrOSS' Goilt- and RheumatiC-PillS bestehen (nach Hager) aus Gutti,
Jalapenharz, Rhabarber und Chininsulfat.
CrOSSOpteryX, Gattuug der Bubi aceae, Unterfamilie Cinchoneae. Die Rinde
von C. febrifuga Benth. (C. Kotechyana Fenzl, Bondedetia febrifuga Afz.J,
eines im Sudan und in Abessinien beimischen Strauches, wird in der Heimat
als Fiebermittel verwendet. Sic enthält ein amorphes Alkaloid (Hksse, Berl.
Ber. 1*78).
CrotalllS, Gattung der nach ihr benannten Familie der Solenoglypha, ausge-
zeichnet durch bewegliche Hornringe (Klapper) am Schwanzende.
Mehrere Arten der Klapper schlangen (C. horridus L. , C. aiamanteus
Pal. , C. durisxu3 L.) leben im wärmeren und tropischen Amerika. Ihr Gift
findet in der Homöopathie Verwendung.
Croton, Gattung der nach ihr benannten Abtheilung der Enphorbiaceae. Holz-
gewächse oder Kräuter mit alteruirendeu, gestielten, meist ganzrandigen, mit Schuppen-
haaren besetzten Blättern , meist monöcisehcn, in Aehren oder Trauben stehenden
Blüthen, deren Kelch und Corollc der Regel nach 5theilig, deren Discns drüsig ist.
1. Cr oft) n El uteria Bennet (Clutia Eluteria L.), S c b a k e r il l b a u m,
ein kleiner bis 6 in hoher Strauch , der nur auf den Bahamas und benachbarten
Inseln eiuheimisch, ist die StammpHanze der Cascarilla (Bd. II, pag. 582). Früher
lieferten auch Croton Cascarilla Benn. (Ph. Rom.) , Croton Sloanei Benn.,
Orot, lineare. Jar/u. Cascarilla. Wenn die Ph. Dan., Hung., Norv., Rusa. neben
C. Eluteria auch „andere Crotonarten" als Stammpflanzen aufführen, so ist dies
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CROTON.
unrichtig, zur Zeit liefert nur C. Eluteria Cascarilla. Die Blätter sind gestielt,
eilanzettlich . lang zugespitzt , am Grande abgerundet oder schwach herzförmig,
ausgeschweift (.schwach gezähnt), fiedernervig, besonders Unterseite mit glänzend
silberweisscn, schildartigen Schuppen besetzt, daher dort silberweisslicb , oberseits
dankelgrün. Auch der Fruchtknoten ist mit solchen Schuppen besetzt. Am Grunde
der Blattspreiten sind sie nur rudimentär entwickelt oder fehlen ganz, ebenso
die Nebenblätter. Die Blflthen stehen in lockerblüthigen Rispen. Die Blüthen-
stielohen sind kürzer als der Kelch. Die 5 gleichgrossen Kelchabschnitte länglich-
eiförmig , zugespitzt , die 5 Kronblätter sowohl bei den raännlicheu , wie bei den
weiblichen Blüthen entwickelt, bei den weiblichen lanzettlich-verkehrt-eiförmig,
zugespitzt. Stamina der männlichen Blüthen etwa 12, an den Filamenten rings
behaart. Griffel doppelt gabeltheilig. Das Reeeptaculum der mäunlichen Blüthen
behaart.
2. Cr o ton gl ab eil u« J. Müll. Arg. (Clutia Eluteria L., Groton Eluteria
8k.), in Mexico, Westindien, früher als ßtarampflanze der G»)rt. Gascarillae an-
gegeben, mehrere Pharraakopöen (Ph. Austr., Belg., Fenn. , Hisp. , Neerl.) halten
w auch jetzt noch dafür. Auch Cr. lucidus L. lieferte eine Cascarille.
3. Cr o ton nivens Jacq. (Croton Pseudo-China Cham, et Schlchtd.,
Cr. Cascarilla Don.), ein in Mexico (Jalspa), den westindischen Inseln, Centrai-
Amerika, nördlichem Südamerika, Neugrauada, Columbien einheimischer Strauch
mit Unterseite silberweiss filzigen Blättern und ebensolchen Aesten , liefert die
Copal chi -Rinde (s. Bd. III, pag. 292).
4. Croton Tiglivm L. (Tiglium ojficinale Klotz&ch.) bildet einen kleinen
im südlichen Ostindien, Malabar, Cochinchina, den Molukken und Amboina ein-
heimischen, in Ostindien, Ceylon, China, den Sundainseln und Philippinen und auf
Mauritius cultivirten Strauch mit runden, platten, an der Spitze gefurchten Aesten
und alternirenden, ziemlich langgestiolten, 3 — fmervigen, im Jugendzustande mit zer-
streuten Stcrnhaareu besetzten, später kahlen und glänzenden, 8 — 15 cm langeu
und 4 — 7 cm breiten, eiförmigen bis ovallänglichen , zugespitzten , am Grunde
stumpfen oder abgerundeten, gekerbten — seltener ganzrandigen — Blättern, die
am Grunde der Lamina beiderseits des fast fünfseitigen , von einer Rinne durch-
zogenen , an der Spitze gekrümmten und gleichfalls mit Sternhaaren besetzten
Blattstiels je eine Drüse tragen und am Insertionspunkt mit kleinen , kurzen,
pfriemlichen, frühzeitig abfallenden Nebenblättern versehen sind. Die diclinen
Inflorescenzen sind reichblüthige Trauben. Sie tragen unten weibliche Blüthen, oben
männliche, beide sind von Deckblättern behüllt. Diese, sowie die Blüthenstiele
tragen reichlich bräunliche Sternhaare. Die Blüthen stehen fast immer zu drei
beisammen. Die 91 besitzcu einen glockigen, fünfspaltigen Kelch, dessen Segmente
eilanzettlich und zurückgekrümmt sind. Die Corolle ist auf lange, pfriemenförmige,
mit den Kelchscgmenten alternirende Drüsen reducirt. Der Griffel ist zwcitheilig.
Staubfäden fehlen gänzlich. Die ö grünlich uud besitzen einen tief fünf-
theiligen Kelch mit eiförmigen , weisshäutig-gerandeten , an der Spitze dicht
gewimperten Abschnitten ; die mit diesen alternirenden Kronenblätter sind lanzett-
lich und dicht behaart. Die Staubfädeu, 15 — 18 an der Zahl, besitzen lange,
kahle Filamente. Die Frucht ist eine 2 cm lange und 1.7 cm dicke Kapsel von
elliptischer, stumpf dreikantiger Form, mit 3 schwachen Längsfurcheu versehen.
Ihre blassbräunliche Schale ist zerbrechlich, kahl, uneben. Die zu dritt in der
Frucht eingeschlossenen, die Fächer ganz ausfüllenden, aus anatropen Ovulis ent-
stehenden Samen sind als
Semen CrotoniS, Sem. s. Granu Tigliis. Tigh'a s. Tilli,. Cataputiae minores,
Pnrgirkörner, Granatill, Graines ou semences de Tilly ou des Moluques,
Petit« pignons d'Inde, in medicinischer Anwendung.
Sie besitzen Grösse und Gestalt der Ricinussamen, sind also kaum bohnengrosß,
10 — 12 mm lang und 4 — 8 mm breit, ovallänglich, an beiden Enden stumpf, sind
aber beiderseits namentlich auf dem Rücken, in Folge eines freilich wenig vor-
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3^0
CROTON.
springenden, stumpfen, namentlich an der oberen Hälfte sichtbaren Längskiels
kantig-convex, daher im Querschnitt fast vierkantig rautenförmig (nicht oval), doch
ist die eine Seite etwas flacher als die andere, beide sind durch eine wenig vor-
springende Naht mit einander verbunden. Die wenig abgeflachte Bauchseite zeigt
einen deutlichen Nabelstreifen (Rapbej. Ihre Farbe ist schmutzig-graubraun mit
dunkleren Flecken, hellbräunlich bis gelblich, oder, wenn die weiche äussere Schicht
abgerieben ist, fast schwarz, matt, gleichsam bestäubt, nur selten etwas glänzend,
fettechimmernd, die Rückseite ist gegen das Hilum und die Chalaza etwas längs-
streifig und furchig, die Bauchseite dagegen mehr glatt.
Die Samenschale ist dünn (0.3 mm), spröde und zerbrechlich, innen grau ; der
von einer dünnhäutigen, geäderten, inneren Samenhaut umschlossene derbe Same
ist weisslich, im Alter bräunlich oder gar ganz geschwunden, im Querschnitt ölig-
fettglänzend. Das Endosperm ist dick-fleischig, die blattartigen Cotyledonen sind
breit und dünn, mit deutlicher Nervatur versehen, an der Basis herzförmig, durch
das gegen den Nabel (und die Caruncula) gerichtete , 3 mm lange Würzelchen
zusammengehalten, nach Aussen vom Endosperm umgeben und diesem dicht an-
liegend. Innen leicht von einander klaffend. Der Same zerfällt daher leicht in zwei
planconvexe Stücke. Die Caruncula ist nur klein und am trockenen Samen kaum
noch vorhanden. Unterhalb derselben, auf der Bauchfläche, tritt der Nabel undeut-
lich hervor. Von ihm verläuft die Raphe nach dem anderen Ende des Samens,
wo die Chalaza als dunkelbrauner Fleck sich nur undeutlich abhebt. In den
Zellen des Endosperms und der Cotyledonen finden sich reichlich Aleuronkörner
von der gleichen Qestalt wie bei Ricinus, mit deutlichem Globoid und Rrystalloid ;
neben denselben ist fettes Oel vorhanden.
Der Samenkern schmeckt anfangs milde und ölig; bald wird der Geschmack
aber scharf kratzend, lange anhaltend brennend. Die Schale ist geruchlos und last
ohne Geschmack. Auch der Kern ist ohne Geruch, doch entwickelt sich derselbe
beim Erwärmen, ist dann scharf, greift die Augen an und reizt die Haut.
Die Schalen betragen 31.6 Procent, der Kern 68.4 Procent des Samens
(Flückiger).
Croton wirkt innerlich stark purgirend (daher Tiglium von riXo;, Durchfall),
in grösserer Dose giftig, äusserlich hautröthend, selbst blasenziehend.
Der wirksame Bestandteil der Samen ist das durch Pressen (in Indien und
England) oder durch Extraction mit Lösungsmitteln (Aether, Alkohol, Schwefel-
kohlenstoff! erhältliche und als Ol. Crotonis in den Handel gebrachte fette Oel;
es ist zu 50— 60 Procent im Samen enthalten, dickflüssig, von speeifischem Gewicht
=0.942, nicht trocknend und alkohollöslich. Es besteht aus den Glyceriden der Stearin-,
Palmitin-, Laurin-, Myristicin- undOelsäure, sowie Ameisen- , Essig-, Isobutter-,
Isovalerian- und Tiglinsäure (Methylcrotonsäure CH3 CH = C (CH8 ) — CO . OH)
und enthält C r o t o n o 1 {4 Procent). Von Crotonol befreites Oel wirkt nicht mehr
hautröthend. wohl aber noch (da neues Crotonol entsteht?) purgirend (Bochheim).
Ob die purgironde Wirkung wirklich dem Crotonol zuzuschreiben sei, ist noch
nicht genau bekannt. Eine exaete Trennung des hautröthenden und pnrgirenden
Antheils ist noch nicht gelungen. Die praktische Ausbeute an Oel beträgt beim
Pressen 30 Proeent, beim Extrahiren mit Schwefelkohlenstoff 40 Procent. Das
extrahirte Oel ist wirkungsvoller. Croton in (Brandes) ist fettsaure Magnesia
(Wrppen) , Cr o tonsäure (Brandes) ist fraglich. Die Asche der Schalen betragt
2.6 Procent, die des Kernes 3 Procent.
Man bewahrt die Crotonsamen unter deu stark wirkenden Mitteln auf.
Sie werden kaum noch verwendet und sind fast ganz durch das Crotonöl ver-
drängt worden. In der Veterinärpraxis sind sie noch beliebt. Dosis 4 — 8 Samen.
Das weisse Holz des Stammes — Lignum Pavanae^ Panavae seu moluccanum
— schmeckt ebenfalls scharf und brennend und wirkt wie der Same, doch milder.
Die Wurzel wird in der Heimat der Pflanze gegen Wassersucht angewendet. Sie
purgirt wie auch die Blätter.
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CROTON. - CROTONOL.
321
5. Cr o ton Pavana Hamilton, im nordwestlichen Bengalen und Hinter-
indien (Birma) heimisch ; ein Baum mit glänzenden, unbehaarten Zweigen, eiförmigen,
gesagten, dreirippigen Blättern, borstenförmigen Nebenblättern , dreiseitiger, krcisel-
fönniger , borstiger , aufgeblasener , haselnussgrosser Frucht und die Fruchtfächer
nicht ausfüllenden Samen, die zwar etwas kleiner und dunkler sind als die von
Cr. Tiglium, aber fast noch heftiger wirken als diese.
6. Croton lacciferus (Aleurües laccifemis Willd.), in Ostindien, Ceylon,
Cocbinchina einheimisch, mit eiförmig-elliptischen, dreinervigen, zugespitzten, an der
Basis abgerundeten, drüsig-gezähnten Blättern, am Rande weiss - wolligen Kron-
blättern und 20 in der Mitte wolligen Staubfäden.
Liefert den in Folge des Stiches von Coccus Laccae Kth. ausfliessenden
Stocklack, Schellack.
7. Croton Malambo Karst, in Venezuela, Costarica und Cartagena;
ein kleiner Baum mit ovalen, gekerbt gesägten, durchscheinend punktirten, kahlen.
Blättern, ausgezeichnet durch die in der Knospe geraden Staubgefässe, liefert die
Malambo-Rinde (s. d.).
8. Croton Draco Schlecktd. in Mexico uud C. hibiacifolius Kth. in Neu-
Granada , beide mit einem dichten Filz aus schlaffen Sternhaaren bedeckte
Bäumchen, enthalten im Stamm einen rothen Saft, der als mexicanisches
Drachenblut in den Handel kommt. Tschirch.
CrOtonaldehyd, C, H„ O, der Aldehyd der Crotonsäure, bildet sich aus Acet-
aldebyd durch Condensation unter Wasseraustritt, vermittelst Salzlösungen oder
Zinnchlorid oder Chlorkohlenoxyd. — Zur Darstellung erhitzt man 10 Vol. Acet-
aldehyd mit 1 Vol. concentrirter wässeriger Natriumacetatlösung 24 Stunden lang
auf 100°. — Anfangs obstartig, dann höchst stechend riechende Flüssigkeit.
Spec. Gew. 1.033 ; Siedepunkt 104 — 105°. In Wasser ziemlich leicht löslich. —
Zieht aus der Luft 0 an und reducirt Ag 0, dabei in Crotonsäure übergehend. - —
Mit HCl in der Kälte bildet es a-Chlorbutteraäure-Aldehyd : mit PCI6 Dichlor-
butylen, C, H* CL, ; mit Br Dibrombuttorsäurealdehyd, C4 H„ Ba 0. G answindt.
Crotonochloralum hydratum, Crotonchloralhydrat. Der so benannte
und auch raedicinisch angewendete Stoff ist Buty lehlora 1, C4 H6 Cl3 0, war
frtlher, ehe seine chemische Constitution richtig erkannt war, für Crotonchloral,
C\ H3 Cl3 0, gehalten worden. Gleichwohl ist der bereits eingebürgerte falsche Name
Crotonchloralhydrat im Gebrauch geblieben. — S. Butylchloralhydrat.
Croton Öl. Das durch Auspressen oder besser durch Extractiou mittelst Schwefel
koblenstoff gewonnene Oel der Samen von Croton Tiglium L. Diese enthalten
50 — 60 Procent eines fetten, durchsichtigen, dickflüssigen, gelben bis braungelben,
nicht austrocknenden Oeles von saurer Reaetion und schwach ranzigem Geruch. Das
Oel hat ein spec. Gew. von 0.!U2, ist löslich in 36 — 40 Th. Alkohol von 00 Procent,
sowie in Schwefelkohlenstoff uud Aether, linksdrehend, nicht flüchtig, an der Luft
allmfllig verharzend. Es besteht bis zu 4 Proeent aus Crotonol (s. d.), die übrigen
0<J Proeent werden gebildet aus den Triglyceriden der Ameisensäure, Essigsäure,
Isobuttersäure , Isovaleriansflure , Tiglinsäure , der Stearinsäure , Palmitinsäure,
Laurinsäurc, Myristicinsäure und Oelsäure. Ueber Wirkung und Anwendung
vergl. Ol. Crotonis. Ganawindt.
Crotonol, C9 Hlt 02. Aus dem Oleum Crotonis von Schlippe isolirt. Zu seiuer
Darstellung wird Crotonöl mit zur Milchbildung hinreichender Menge alkoholischer
Natronlauge geschüttelt, darauf einige Stunden gelinde erwärmt und dann durch
Zusatz von Wasser oder Kochsalzlösung die milchbildeuden Oeltheilchen au die
Oberfläche gedrängt, wo sie sich zu einem zusammenhängenden Oel vereinigen.
Nach Entfernen dieses Oeles durch Filtriren durch ein nasses Filter wird dem
Filtrat Wasser und Salzsäure zugesetzt, das so abgeschiedene Oel in Alkohol ge-
löst und mit frisch gefälltem Bleioxydbydrat versetzt ; die neutrale Flüssigkeit wird
Be»l-EncyclopÄdie der goß. Phannacie. III. 21
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322
CROTONOL. — CRÜCIFERAE.
mit viel schwach alkalischem Wasser gemischt, nötigenfalls etwas Chlorcalcium
zugefügt, wonach heim Stehen sich Crotonol ausscheidet, das mit Wasser gewaschen
und in Aetherweingeist gelöst wird. Beim Verdunsten des letzteren im Vacuum
bleibt das Crotonol als farblose, zähe, an Terpentin erinnernde Masse zurück. Es
bildet etwa 4 Procent des Crotonöles. Es ist unlöslich in Wasser, leicht löslich
in Aether und Alkohol. Es ist nicht flüchtig: Kochen mit Säuren, Alkalien oder
Wasser zersetzt es. Es wirkt auf die Haut gebracht stark entzflndungserregend.
v. Schröder.
Crotonsäure. a-Crotonsäurc, C4 H« 09. Kommt gleichzeitig mit der isomeren
(Ü-Crotonsäure im rohen Holzessig vor. Man gewinnt sie am besten durch Oxydation
von ß-Oxybuttersäure, aus der sie sich unter Wasser-Abspaltung bildet : CH, C H (OH) .
CH2 COO H — H20 = CHt.CHl:iCH. 000 H , sowie ferner beim Kochen von
a-Brombuttersäureester mit alkoholischem Kali. — Farblose Nadeln oder monokline
Prismen, welche bei 72° schmelzen, bei 180 — 181° sieden; löslich in 12 Th.
H2 0. — Mit 2 Atomen Brom verbindet sie sich direct zu ß-Dibrombuttersäure,
mit rauchender HBr und HJ zu a-Monobrom- oder a-Monojodbuttersäure, welehe
beide mit Natriumamalgam in Buttersäure übergehen. Beim Schmelzen mit Kali
zerfällt sie in Essigsäure : C4 H6 02 + 2 H2 0 = 2 (C H, . COOH) + 2 H. Von Salzen
sind das Kali-, Natron-, Zinn-, Blei- und Silbersalz dargestellt. Ganswind t.
Croup, s. Bräune, Bd. II, pag. 366.
CrOWfiglaS = Kronglas, s. Glas.
CrOZOphora. Gattung der Euphorbiaceae, Unterfamilie Acalypkeae, charak-
terisirt durch hüllenlose Blüthen in achselständigen Trauben, darunter nur wenige
9, die sich zu fleischigen Kapseln entwickeln.
Crozophora thu toria A. Juss., © Kraut des Mittelmeergebietes mit langgestielten
rhombisch-eiförmigen Blättern, liefert in seinem Safte den Farbstoff Tournesol (s. d.).
Cmciferae. Familie der Rhoeadinae. Krautartige Gewächse, seltener Halb-
sträucher, in etwa 1200 Arten über die ganze Erde, jedoch hauptsächlich auf
der nördlichen Halbkugel verbreitet. Sämmtliche Arten gehören der 15. Classe des
LiNNE'schen Systems an. Charakter : Blätter spiralig, selten unterwärts gegenständig.
Fig. 50
Embryonen von Cmciferen.
n Same, b Embryo von Chtiranthu* Chmri, c Zeichen für die Lage des Keimlings fl'ieurorkiitat). —
d — f Typus der ' S<>torrhi»tat an •Sitymbrium AiUarxa. — g — i Typus der Ortloploctat an Uranien. —
k— i Typus der sptroiobta* an /mniat. — m—n Typus der Dipleeolobtat an Htliopkila, (Nach
Lner ssen.)
Blüthen in Trauben ohne Oipfelblüthe, zwitterig, actinomorph. Kelch 4blätterig.
meist abfallend. Kronblätter 4, selten fehlend, kreuzständig. Staubgefässe 6,
untere 2 kürzer, obere meist durch Spaltung 4, länger (tetradynamisch). Frucht
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CRIICIFERAE. -- CRUSTULA VARIOLAE.
323
schotenförmig , meist mit abspringenden Klappen und bleibender Scheidewand,
gelten nicht aufspringend. Samen ohne Eiweiss, Keimling gekrümmt.
Nach der Lage der Keimblätter (Fig. 50) wird die Familie in 5 Reihen ein-
teilt: P eurorrhizae O ~ , Notorhizae O I !, Orthoploceae O», Spiro-
lobeae, O I; , Diplecolobeae O II II II !l.
CrUCiferenÖle. Die Familie der Kreuzbittthier (Cruciferae) enthält sehr
viele ölliefernde Pflanzen. Schakdler führt folgende technisch verwendeten
Cruciferenöle an:
• I. Nicht trocknende Oele.
1. Rübole von verschiedenen Brassica- Arten, je nach ihrer Abstammung auch
in Rapsöl, Rüböl oder Cobiaöl unterschieden.
2. SenfÖl von Sinapis nigra, dem schwarzen, und Sinapis alba, dem weissen Senf.
3. Rettigöl von Baphanus saticus, dem Oelrettig.
4. Hederichöl von Raphanus Raphanistrum, dem Aokerrettig.
II. Trocknende Oele.
5. Leindotteröl von Myagrum sativum, dem Leindotter oder Butterraps.
6. Täschelkrautsamenöl von Thlaspi arvense.
7. Gartenkrcssensamenöl von Lepidium sativum.
8. Rothrepsöl von Hesperts matronalis, der Nachtviole.
Technische Bedeutung haben nur die Rüböle, das Hederichöl und Leindotteröl.
Die Cruciferenöle enthalten eine geringe Menge Schwefel in Form einer noch
nicht isolirten organischen Verbindung. Um Crucifcrenöl in einer Fettprobe nach*
zuweisen, genügt somit der Nachweis von Schwefel, welcher leicht gelingt, wenn
man eine geringe Menge des Fettes verseift und mit einem Tropfen Blei- oder
8ilber!figung versetzt und beobachtet, ob Schwarzfarbung eintritt. Gegen diese
Prüfungsmethode sind aber in letzterer Zeit Bedenken erhoben worden, indem
einerseits durch die Extraction mit Schwefelkohlenstoff gewonnene Oele ebenfalls
schwefelhaltig sind, andererseits auch Cruciferenöle durch geeignete Raffination
schwefelfrei gemacht werden können.
Dagegen unterscheiden sich die bisher nach dieser Richtung genauer studirten
Cruciferenöle von anderen Oelen sehr wesentlich durch ihren grossen Gehalt
an der , der Oelsäurereihe angehörigen Brassicasäure , Caä H,3 Oa. Da diese
Saure ein sehr hohes Molekulargewicht, besitzt, so ist die Verseifungszahl der
Cruciferenöle im Vergleiche zu den anderen Oelen bedeutend herabgedrückt; somit
bietet die Bestimmung dieser Zahl ein werthvolles Mittel zur Erkennung der
genannten Oele. Die Verseifungszahl von Rflböl ist z. B. zu 177, die von Olivenöl
zu 1!H — 196 gefunden. Von Ricinusöl, dessen Verseifungszahl ebenso niedrig liegt,
lassen sich die Cruciferenöle leicht durch die ganz verschiedenen Löslichkeitsver-
hältnisso unterscheiden.
Eine weitere charakteristische Eigenschaft der Cruciferenöle ist ihre Schwer-
löslichkeit in Eisessig. Mischt man nach Valetta gleiche Volumina Oel und
Eisessig von der Dichte 1.0562 in einem Probegläschen und erhitzt bis zum
beginnenden Sieden, so bleiben nur Rüböl, Rapsöl und Hederichöl ungelöst, während
sich alle anderen, nicht von Cruciferen herstammenden Oele auflösen. Benedikt.
CrUCq'3 Reparateiir a baSe de QuinqUina, ein Pariser Haarfärbemittel,
enthält nichts von China, wohl aber Bleipräparate.
CrUGT (lat.) heisst der Blutkuchen im ersten Stadium der Gerinnung. —
8. Blut, Bd. II, pag. 326.
Cni80kreatinin, s. Cadaveralkaloide, Bd. II, pag. 448.
Crustula variolae (isopathisch), das eingetrocknete Blattcrnsecret in Ver-
reibung.
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3*4
ORYPTOCHAETE. — CU.
CryptOChaete, mit Microchaete Benth. synonyme Gattung der Compositae,
Abtheilung Labiatißorae.
Cryptogamae. auch Sporophyta, Acotyledones , sind Pflanzen, welche sich
durch Sporen, in einer von der Reimung der Samen völlig verschiedenen
Weise fortpflanzen. Man theilt sie in drei grosse Gruppen:
1. Thallophyta, ohne Differenzirung in Wurzel, Stamm und Blatt. Sie gliedern
sich in vier Classen: Protophyta, Zygonporme, Oosporen*, Carposporeae.
2. Miwctneae, mehr oder weniger in 8tamm und Blatt gegliedert, mit den
ersten Andeutungen von Gefässbündeln, ohne echte Wurzeln, aber mit Rhizoiden.
Sie gliedern sich in Hepaticne und Musci.
3. Cryptogamae vasculares, bewurzelte, in Stamm und Blatt gegliederte, von
Gefässbündeln durchzogene Sporenpflaozen. Hierher gehören die Filicinae, £qui-
setinae und Lycopodinae.
Cryptopin. — c81h23no5.
Im Opium enthalten. Werden die Alkaloide aus der Morphinmutterlauge,
. welche bei dem RoBERTsoN-GRBGORY'schen Verfahren erhalten wird, mit Natrium-
hydroxyd im Ueberschuss gefällt , so geht fast sämmtliches Cryptopin in den
Niederschlag Uber. Derselbe wird in Essigsäure gelöst, mit Ammoniak neutralisirt,
wobei vorzugsweise das Narcotin und Papaverin abgeschieden wird, hierauf aus
der Lösung das Thebain nach Möglichkeit durch Weinsäure entfernt und schliess-
lich das Cryptopin mit Salzsäure gefällt. Zur Entfernung des gleichzeitig aus-
geschiedenen Protopins wird der Niedei achlag mit überschüssiger Oxalsäure be
handelt, das so erhaltene Cryptopinoxalat aus kochendem Wasser umkrystallisirt,
durch Ammoniak zerlegt und das freie Alkaloid aus kochendem Alkohol umkrystal-
lisirt. Aus Alkohol scheidet sieh das Cryptopin allmälig in kurzen, sechsseitigen
Prismen und Körnern ab. Es ist eine starke Base, schmilzt bei 271°. Benzin,
Terpentinöl, Petroleumäther lösen es selbst bei Siedehitze wenig, am besten noch
Chloroform. Ammoniak, Kali- und Natronlauge fällen die Lösung der Cryptopin-
salze. Cryptopin wird von coneeutrirter Salpetersäure für den ersten Augenblick
nicht gefärbt, doch bald wird die Lösung orangefarben und die Base in Nitro-
cryptopin verwandelt. Conccntrirte Schwefelsäure färbt bei 20° erst gelb, dann
violett. Mit eisenoxydhaltiger Schwefelsäure wird gleich eine dunkelviulette Lösung
erzielt. Die Salze des Cryptopins schmecken anfangs bitter und später brennend,
an Pfeffenuinzöl erinnernd. Mit wenigen Ausnahmen zeigen diese Verbindungen
die beinerkenswerthe Eigenschaft, sich aus ihren Losungen anfänglich als gallertige
Massen abzuscheiden. — Cr = Ca, H23 N06. — Cr H Cl + 6 H2 0, zarte Prismen,
leicht löslich in Wasser. — (Cr H Cl)3 PtCl, +6H20, fast weisse Nädelchen. —
Cr H Cl . Hg Cl2 + IL 0 , schwer löslich in kaltem Wasser. Ferner sind das pikrin-
saure, sowie oxalsaure, saure weiusaure, chromsaurc Salz gut krystallinisch.
v. Schröder.
CryptorchismUS (öf/t;, der Hode), Zurückbleiben beider oder eines Hodens
(M o n o r c h i s m u s) in der Bauchhöhle oder im Leistencanal, also an ihrer embryo-
nalen Stätte, an Stelle des normalen Herabtrotens in den Hodensack.
Crystalban ist nach Payen ein Bestandteil (Harz) der G u 1 1 a p e r c h a (s. d.).
CryStalli Tartari, ein älterer Name für Kalium bitartaricum.
CryStalloide nennt man alle diejenigen Substanzen , welche die thierische
Membran zu durchdringen vermögen , da diese Eigenschaft vorwiegend krystalli-
sirharen Stoffen zukommt. — S. Dialyse.
OyStallUm minerale, ein älterer Name für Nitrum tabulatum.
CS, chemisches Symbol für Cacsium.
ClI, chemisches Symbol für Kupfer (Cuprum).
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CUBEBA.
325
Cubeba, von Miguel aufgestellte, jetzt mit Piper L. vereinigte Gattung der
Piperaceae, vorzüglich charakterisirt durch blattgegenständige, diöcische Aehren,
freie Bracteen mit 2 oder 3 Staubgefässen und gestielte Früchte.
Fr u et us 8. B accae Cubebae, Piper Cubeba, Piper caudatum, Cubeben,
Poivre a queue, Cubebs(in allen Pharmakopoen) stammen von Piper Cubeba
L. ßl. (Cubeba qficinalü Mg.), einem auf den grossen Sunda-Inseln heimischen,
hier und in Westindien cultivirten Kletterstrauche. Aus den Q Inflorescenzen ent-
wickeln sich 4 — 5 cm lange Fruchtähren mit 50 und mehr, anfangs sitzenden
beerenartigen Steinfrüchten, welche aber später an der Basis in einen bis 5 mm
langen Stiel auswachsen. Beere und Stiel bilden ein Ganzes, und da auch bei der
Reife keine Trennungsschicht zwischen den beiden sich bildet, fallen immer die
gestielten Beeren von der Aehre ab.
Man erntet die Cubeben vor der Reife, sie schrumpfen daher beim Trocknen
stark . In der Droge stellen sie kugelige, grau bis schwarzbraune, grob netz-
runzelige, am Scheitel etwas gespitzte (von den Narben gekrönte), gestielte und
am srid. -in satze oft etwas eingefallene Beeren dar. Die Schale ist etwa 0.5 mm
dick, ihr Endocarp ist sclerosirt. Sie umschliesst einen meist unentwickelten,
geschrumpften, nur an der Basis angewachsenen Samen (im Gegensatz
zu Piper nigrum). Ist der Same entwickelt, so ist er flach kugelig, glänzend
braun, am Grunde benabelt, am Scheitel im öligen Endosperm den kleinen Embryo
bergond.
Fig. 51. Fig. 52.
Querschnitt durch die C u he b e n sc h a 1 e :
»Süsser»«, i innere Steinzellenechicht : im Mew- Aus dem Snmen-Eiweifw der Cu heben,
earp zahlreiche Oelrttume. Vergr. l 5. (Nach Berg.» Vergr. 200.
Im mikroskopischen Bau wiederholen die Cubeben den Typus des schwarzen
Pfeffers. Unter der Oberhaut der Fruchtschale liegt eine meist einzellige,
nicht geschlossene Reihe kleiner, fast eubischer Steinzellen (Fig. 51). Das zart-
zellige Mesocarp führt Stärke und Oel, ab und zu Kryställchen (Cubebin?), in
besonderen grossen (0.0(5 mm) Oelräumen ätherisches Oel ; in den inneren Schichten
laufen die Gefässbündel. Das Endocarp besteht aus radial gestreckten, gleich-
mässig stark verdickten, blassgelben Steinzellen. Das Endosperm (Fig. 52) ist
zartzellig, erfüllt von Stärkeklumpen aus winzigen Körnchen (0.«)06mm), daneben
Krystalle (von Cubebin V). Die in demselben zerstreuten Oelräume sind etwas grösser
als im Fruchtfleische.
Die Cubeben riechen eigentümlich und schmecken gewürzhaft, etwas bitter.
Die nur wenig aromatischen Aehrenspindeln , mit welchen die Droge verunreinigt
zu sein pflegt, sind zu beseitigen fPh. Germ., Fu. St.).
Sie enthalten gegen 14 Procent (1>.5 Procent, Bkrnatztk) Cubeben genanntes
ätherisches Oel, 6.5 Procent Cubebenharz, welches ein Gemenge aus Cubebin,
Cu bebensäure und indifferenten Harzen darstellt (Schmidt), l'eberdies ent-
halten die Cubeben Stärke, Gummi, fette9 Oel fl Froren t), Farbstotf.
Man benutzt die Cubeben heutzutage fast ausschliesslich gegen Gonorrhoe uud
schreibt ihnen eine speeifische Wirkung auf das Trippergift zu, ähnlich wie dem
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326
CUBEBA. — CUBEBENSÄURE.
Copaiva-BalBam. Als die wirksamen Bestandteile betrachtet man das Cubeben und
die Cubebensäure, keinesfalls das Oubebin. Man verwendet entweder die Cubeben
in Substanz oder das Extract. Sie rufen leicht Verdauungsstörungen hervor, Gaben
von 10 g sind bereits toxisch.
G esti el te Pfefferfrüchte, welche bisweilen den Cubeben beigemischt angetroffen
werden, stammen von nahe verwandten Arten. Die Früchte von Piper crastnpes
Korthals (Sumatra) sind grösser, sehr bitter, ihr Stiel IVa bis 2mal so lang
als die Beere ; die Früchte von Piper caninum Dietr. (Sunda-Archipel) sind kleiner
und kürzer gestielt, dagegen die Früchte von Piper Lovoong Bl. (Java) und
P. ribesoides Wall. (Indien) von Cubeben kaum zu unterscheiden. Auch Afrika
besitzt in dem sogenannten A schan ti-Pfeffer ein den Cubeben ähnliches, aber
wie Pfeffer schmeckendes Gewürz , welches nicht in den Handel kommt. Es
stammt von Piper guineense Thanning. Die Früchte sind kleiner und weniger
gerunzelt als die Cubeben, ihr dünner, meist gekrümmter Stiel doppelt so lang
als die Beere. Sie enthalten Piperin, kein Cubebin (Stexhouse).
Die als Verwechslung angeführten Kreuzbeeren (Bhamnus-Arten) sind viersamig
und ihr Stiel ist leicht ablösbar. Fälschungen werden häufig schon an den Prc~
ductionsorten vorgenommen ; so kam jüngst aus Bombay eine Waare nach England,
welche nur wenig Cubebenf umsomehr Kreuzbeeren, schwarzen Pfeffer und Alpina-
Blüthen enthielt. j. Moeller.
Cllbebenkampfer, ClfVHiaO. Das von lange gelagerten Cubeben gewonnene
Oel lässt bisweilen Krystalle von Cubebenkampfer anschiessen. Es sind farblose,
durchsichtige, glasglänzende Krystalle, welche dem rhombischen System angehören.
Sie schmelzen bei 68.7 bis 70° zum wasserhellen Oel, welches beim Erkalten wieder
krystallinisch erstarrt. Sublimirt unverändert. Siedepunkt 148°. Riecht schwach
nach Cubeben, schmeckt schwach brennend. Neutral. Cubebenkampfer schmilzt unter
siedendem Wasser, ohne sich zu lösen und destillirt schwierig mit Wasserdämpfen ;
leicht löslich in Alkohol , Aether , fetten und flüchtigen Oelen, nicht in Alkalien.
Linksdrehend. Zerfällt beim Erhitzen auf 200 — 250° und auch bei läugerem Stehen
Uber Schwefelsäure in Wasser und Cubeben, C,6Ha4. v. Schröder.
Cubebenöl. Wird durch Destillation der ausgewachsenen, aber vor der Reife
gesammelten Früchte von Hper Cubeba gewonnen. Der grösste Theil des Oeles
geht zwischen 250° und 260° Uber. Es ist nach dem Rectificiren farblos und dick-
flüssig, das zuletzt übergehende ist fast butterartig. Riecht schwach gewürzhaft.
Neutral. Spec. Gew. bei 0° 0.924. Der Hauptsache nach entspricht es der Formel
Cl0Hld. Beim längeren Stehen, besonders in feuchter Atmosphäre, scheiden sich
Krystalle von Cubebenkampfer aus. Das Cubebenöl ist linksdrehend. Mit trockenem
Chlorwasserstoff liefert es eine Verbindung C30Hl8 4- 4 CIH. Es wird durch Salpeter-
säure nieht entzündet, aber erhitzt sich stark, entwickelt Stickoxyd und verharzt.
Beim Erhitzen von Cubebenöl mit Schwefelsäure bildet sich das dem Oel isomere
oder polymere Cubeben, welches schwächer linksdrehend ist. Wird zu Cubebenöl
in gleich viel Schwefelkohlenstoff ein abgekühltes Gemisch von gleichen Theilen
concentrirter Schwefelsäure und Salpetersäure getropft, so färbt sich das Gemenge
allmälig blau. v. Schröder.
Cubebensäure, C18 HH 07. Findet sich in den Cubeben. Man gewinnt sie.
indem man das von flüchtigem Oel befreite ätherische Extract der Cubeben in
schwachem Weingeist unter Zusatz von etwas Kalilauge löst, mit Chlorbarynm
fällt, das Barytsalz aus Wasser umkrystallisirt und mit Schwefelsäure zerlegt.
Die Cubebensäure ist ein amorphes, farbloses, leicht schmelzbares Harz, unlös-
lich in Wasser und Säuren , leicht löslich in Alkohol , Chloroform und Aether.
Mit Alkalien bildet sie neutrale, in Wasser lösliche, durch alkalische Erden und
schwere Metalloxyde fällbare Salze. Das Natriumsalz ist krystallinisch.
v. Schröder.
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CUBEBIN. - CUCURBITA.
327
Cllbebin, Cl0H10O3. In den Cubeben, den Früchten von Piper Oubeba, ent-
halten. Man entfernt zuerst durch Destilliren der Früchte mit Wasser das ätherische
Oel. Die dann getrockneten Cubeben zieht man mit Weingeist ans, destillirt den
Alkohol ab, lässt den Rückstand bis zur Krystallisation stehen, befreit die Krystalle
von der Mutterlauge und krystallisirt sie aus Alkohol unter Beifügung von Thier-
kohle um. Kleine weisse Nadeln oder perlglänzende BlAttchen. Schmelzpunkt 125°.
Geruchlos, geschmacklos, neutral. Kaum löslich in Wasser. Bei 12° lösen 100 Th.
absoluten Alkohols 1.31 Th., 100 Th. Aether, 3.75 Th. Cubebin. Löslich in Chloro-
form, Benzol, flüchtigen und fetten Oelen. Löst sich in concentrirter Schwefelsäure
mit purpurvioletter Farbe. Salpetersäure oxydirt es zu Oxalsäure und Pikrinsäure,
salpetrige Säure bewirkt in ätherischer Lösung Bildung von Nitrocubebin. Der
Durchschnittsgehalt der Früchte an Cubebin beträgt circa 2.5 Procent.
v. Schröder.
Cubebine ist eine französische Bezeichnung für Extractum Cubcbarum aethereum j
CubebiKeS sind dragirte Pillen mit Cubebenextract und Copaivabalsam.
Cubikcentimeter, abgekürzt = cem (Deutschland), cm» (Oesterreich). 1 cem
Wasser von + 4°= 1.0g; 1000 cem =11.
ClJCUballlS, Gattung der Caryophyllaceae, Unterfamilie Sileneae, mit einer
einzigen europäischen Art:
Cucubalus baeeifer L. Es ist ein klimmendes, behaartes Kraut mit nickenden
ftliithen, aufgeblasenem Kelch und schwarzen, vielsamigen Beerenfrüchten. Die von
ihm stammende Herda Cucubali s. Viscayinis baeeiferi war einst als Adstringens in
Gebrauch.
Cucubalus Behen L. ist synonym mit Silene inßata Sm.
CllCUlli, wenig gebräuchliche Bezeichnung für Kräuterkissen.
Cucumis, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Cueurbitaceae.
Kräuter mit rauhen oder weichstacheligen, raeist niederliegenden Stengeln und
einfachen Ranken , kleinen gelben , meist einhäusigen Blüthen , von denen die c?
meist gebüschelt , die Q einzeln in den Achseln stehen. Die ersteren enthalten
3 Staubgefässe, deren Connectiv sich über die Antheren hinaus zu einem Fortsatz
verlängert ; die letzteren besitzen einen 3 — 5fächerigen , vielsamigen Frucht-
knoten , der sich zu mannigfach gestalteten Beeren („Kürbisfrüchten") entwickelt.
Cucumis Melo L., die Melone und C. sativus L., die Gurke,
beide wahrscheinlich aus Ostindien stammend, werden bei uns in vielen Varietäten
cultivirt. Die Samen beider waren Bestandteile der zu Emulsionen verwendeten
Semina quatuor ßrigida.
Aus der Wurzel der Melone stellte Torosiewicz (Rev. d. Pharm. XLV) einen
brechenerregenden Bitterstoff dar, das Melonenemetin. Den Gurkeusaft bentitzt
Cod. med. zur Bereitung der „Pommade aux concombres".
Cucumis myriocarpus Nd. entwickelt zahlreiche, in Form und Grösse
den Stachelbeeren ähnliche, bittere Früchte, die von den Kauern als Brechmittel
„Cacur" benützt werden.
Cucumis Citrullus Ser. und
Cucumis Colocynthis L. werden jetzt zu Citrullus Neck, gezogen.
Cucurbita, Gattung der nach ihr benannten Familie. Rauhe Kräuter mit
lappigen Blättern und getheilten Ranken, grossen, gelben, monöcischen Blüthen,
von denen die (5 einzeln oder gebüschelt, die Q immer einzeln in den Achseln
auf kurzen 8tielen sitzen. In den ersteren 3 Staubgefässe (vou denen 2 gepaart)
mit zu einem Köpfchen verschmolzenen Antheren , in den letzteren neben 3 bis
5 Staminodien ein 3- bis Öfächeriger Fruchtknoten, welcher sich zu einer grossen
Beere entwickelt. Die zahlreichen Samen sind flach , länglich , meist wulstig
heran det.
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328
CUCURBITA. — CULILAWAN
Cucurbita Pepo L., der Kürbis, wahrscheinlich aus dem südlichen
Asien stammend , wird cultivirt wegen seiner geniessbaren Früchte. Den Samen
werden anthelmin thische Wirkungen zugeschrieben. — Vergl. Pepo.
Cucurbita Lagenaria L. ist synonym mit Lagenaria vulgaris Sdringe.
Cucurbita Citrullua L. ist synonym mit Citrullus vulgaris Schrad.
Cucurbita (von eurvus), der Schröpfkopf; daher curcubitatio, das Schröpfen.
Cucurbitaceae, Familie der Campanulinae. Meist 0 . mittelst Ranken
klimmende oder kriechende , krautartige Pflanzen , seltener Halbsträucher , fast
sämmtlich in wärmeren Gegenden beider Hemisphären. Charakter : Ranken spiralig,
neben den Blättern. Blatter wechselstandig, rauh, herzförmig, eckig oder gelappt,
bandförmig gerippt. Blüthen blatt w inkelständig, regelmassig, gewöhnlich einhäusig.
Kelch meist rad- oder glockenförmig, ötheilig. Kronblätter frei oder verwachsen.
Staubgefässe meist durch Verwachsung nur 3, mit zusarameu 5 gekrümmten Antheren.
Carpelle 3. Frucht meist eine grosse, fleischige Beere mit zahlreichen Samen
ohne Eiweiss.
Die Familie gruppirt sich in :
a) Cucurbiteae. Frucht mehrfächerig.
b) Sicyeae. Frucht einfächerig. S y d o w.
ClldOWd. in Prenssisch-Schlesien besitzt drei alkalische Eisensäuerlinge und
einen an Fe S04 reichen Moor. Die Quellen haben folgende Bestandteile :
Die Eugen-
quelle
der Ober
brnnnen
die Gasquelle
>
0.035
0027
0.037
„ Manganoxydul ....
0.003
0.002
0.OÖ3
1.22
0.95
1.23
O.70
0.55
0.72
3.13
2.50
3.17
, 1217.59
1251.38
1213.82
CuTs Cattle Medicine, gegen Klauenseuche der Zweihufer, besteht aus
einer Flüssigkeit und einem Pulver; erstere (nach Geissler) eine Lösung von
Aetzsublimat in Salzsäure, letzteres ein Goroisch aus Schwefelarsen, Arsenik, Jod-
kalium u. s. w. darstellend.
Cui8inier's Sirop de salsepareille compose ist ein dem sympus Sarsa-
parillae eompositus, Ph. Germ. I., ähnlicher Syrup, dem nach Bedarf 15 bis 30 eg
Quecksilbersubliniat auf 5()0g Saft zugesetzt werden.
Cliivr6 poli ist eine einfache Messingcoraposition , welche augenblicklich sehr
modern ist und zur Herstellung kleiner Kunstgegeustande dient.
CujetG, ADAX.sox'sche, mit Crescentia L. synonyme Gattung der Qesneraceae.
Cujete bark, wahrscheinlich von Cratcentia Cujete L., wird in England seit
Kurzem eingeführt.
Culilawan, b itterer Zimmt, Cort. caryophjilloides ruber, ist die Rinde
von dem auf den Molukkcn und Sunda-Inseln einheimischen Baum aus der Familie
der Lmtraceae : Cinnamomum Culilawan X. ab E. (Laurus Culilawan Lour.J.
Sie bildet ziemlich flache Stücke bis zu 7 mm Durchmesser. Die Mittelrinde ent-
hält einen unterbrochenen Sclereuchymring. Die Innenrinde führt Bastfasern in
ansehnlicher Men^e, die oft zu tangentialen Reihen zusammentreten. Der Weieh-
bast ist stellenweise geschichtet . indem zusammengefallene Siebröhrenstränge oft
mit Parenchymlagen abwechseln. Geruch und Geschmack erinnern an Zimmt und
Gewürznelken.
Ausser dieser echten Culilawanrinde sind hin und wieder auch andere von nahe
verwandten Lauracccn stammende Rinden, welche in denselben Gegenden wachsen,
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CÜLILAWAN. - CUMARIN.
329
in den Handel gekommen, deren Geruch bald mehr an Muscatnuss, bald mehr an
Sassafras erinnert; so die Rinden von Cinnamoinum Stntoc Blume und G. Culi-
lamn Blume, Eine gegenwärtig vorkommende Rinde schmeckt nach Sassafras,
bat in der Mittelrinde keinen ßteinzellenring, sondern nur sehr vereinzelte Grnppen
von Steinzellen. Eine tangentiale Anordnung der Bastfasern ist wenig deutlich,
ebenso die Schichtung des Weichbastes.
Die Droge findet kaum in der Pharmacie, häufiger als Gewürz Verwendung.
H art w ich.
CuHlawanöl. Wird aus der Rinde von Cinnamomum Culilaican Nees gewonneu,
igt schwerer als Wasser und riecht nach Cajeput- und Nelkenöl. v. Schröder.
Culver's root (engl.), das Rhizom von Leptandra virgintca Nutt. (Scro-
phulariaceae), welches ein officinelles Bittennittel der Ph. Un. St. ist.
Cumarin. C, H« Oa = C, H4/£ Früher auch cumarylige Säure, Cumarin-
tfureanhydrid, Tonkabohnenkampfer genannt. Findet sich in den Tonkabohnen.
den Früchten von Dipterix odorata, im Waldmeister, Asperula odoroto, im wohl-
riechenden Wiesengras (Anthoxanthum odoratum), im Kraut von Orchis fusca, in
der Frucht von Myroxylon toluiferum, im Steinklee (Melilotus officinalis), in
den Fahamblättern (von Angraecum fragrans , einer Orchidee von St. Maurice) ;
auf den trockenen Blättern von Liatrü odoratissima soll sich oft Cumarin in
kleinen Krystallen finden.
Darstellung. Synthetisch gewinnt man Cumarin durch Erwärmen von
Natriumsalicylaldehyd mit Essigsäureanhydrid oder durch Kochen von Salicylaldehyd
mit Natriumacetat und Essigsäureanhydrid. Acetylcumarsäure zerfällt beim Erhitzen
in Essigsäure und Cumarin. Aus Tonkabohnen erhält man es, indem man die
fein zerschnittenen Bohnen mit etwa dem gleichen Volum SOprocentigen Alkohols
längere Zeit bis nahe zum Sieden erhitzt, die Flüssigkeit dann abfiltrirt und den
Rückstand nochmals so behandelt. Von den vereinigten Lösungen wird dann soviel
Alkohol abdestillirt, bis der Rückstand sich zu trüben beginnt. Dann mischt man
ungefähr das vierfache Volumen Wasser zu, wodurch das Cumarin krystallinisch
gefällt wird. Man erhitzt dann das Gemisch zum Sieden und lässt die Lösung durch
ein mit Wasser benetztes Filter laufen. Auf diesem bleibt das Fett zurück, während
aus der Lösung beim Erkalten reines Cumarin auskrystallisirt. 1 k Bohnen lieferten
14g Cumarin. Aus Waldmeister stellt man es dar, indem man aus lufttrockenem
Waldmeister, kurz vor und während der Blüthe gesammelt, einen alkoholischen
Auszug macht. Von der dunkel grünbraun gefärbten Lösung wird der Alkohol
abdestillirt und der Rückstand zur Syrupconsistenz eingedampft. Der Syrup wird
mit Wasser ausgekocht, filtrirt und das Filtrat mit Aether ausgeschüttelt. Den
Rückstand der ätherischen Auascbüttelung , der einen Syrup darstellt, kocht man
mit Wasser aus, aus dem beim Erkalten das Cumarin ansebiesst, das durch mehr-
maliges ITmkrystallisiren gereinigt wird.
Eigenschaften. Das Cumarin krystallisirt in farblosen Blättchen oder rhora-
bischeu Säulen. Riecht gewürzhaft und schmeckt bitter. Schmelzpunkt 67°, Siede-
punkt 290 bis 290.5°. Kaum löslich in kaltem Wasser, leichter in heissem, sehr
leicht in Alkohol, Aether, flüchtigen und fetten Gelen. Geht beim Kochen mit
starker Kalilauge in Cumarsäurc über und zerfällt beim Schmelzen mit Kali in
Essigsäure und Salicylsäure. Natriumamalgam in wässeriger Lösung verwandelt es
in Melilotsäure, während in alkoholischer Hydrocumarinsäure entsteht. Concentrirte
Schwefelsäure verkohlt Cumarin schon in gelinder Wärme , während concentrirte
Salzsäure ohne Einwirkung ist. Kalte raucheude Salpetersäure bildet Nitrocumarin.
Brom, Chlor bilden Substitutionsproducte. Das Cumarin bildet mit Basen lockere
Verbindungen. Die wässerigen Lösungen der Alkaliverbindungen geben mit Eisen-
chlorid einen chocoladebrauuen , mit Eisenvitriol einen grasgrünen Niederschlag
und werden durch Alaunlösung, Ziunchlorür oder Zinksalz weiss gefällt. Es sind
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330
CUMARIN. — CUMINUM.
Verbindungen des Cumarins mit Kali, Natron, Baryt, Bleioxyd, Kupferoxyd, Silber-
oxyd ete. dargestellt worden. Das Cumarin löst sich in verdünnten Säuren leichter
wie in Wasser, ohne sich mit ihnen zu verbinden. Es geht unverändert in den
Harn über und wirkt in grösserer Menge giftig. Wird zur Darstellung der Wald-
meisteressenz benutzt. v. Schröder.
Cumaruna, Papilionaceen-G&ttung Lamabck's, synonym mit Cou ma rouna
Aublet (s. Bd. III, pag. 313) und mit Dipterh Willd.
Cuminaldehyd = Cuminoi.
CuminalkOtlOl, C10 H14 0 = (CH3)a CH . C, H, . CHa . OH. Ein Alkohol der
aromatischen Reihe, bildet sich beim Behandeln von Cuminoi mit alkoholischem
Kali. Bei 242° siedende Flüssigkeit , mit Alkohol und Aether in jedem Verhält-
nisse mischbar. Liefert bei anhaltendem Kochen mit Zinkstaub Cymol Cl0 H14.
Gana windt.
CuminOl = p-Cuminaldehyd. C10 H18 0 = Cs HT . C„ H, . CHO. BUdet einen Be-
standteil des Römisch-Kümmelöles, des flüchtigen Oeles von Cuminum Cyminum
L. und ist auch im flüchtigen Oel des Wasserschierlings, Cicuta virosa, aufge-
funden.
Darstellung. Man destillirt das Römisch Küramelöl, bis der Siedepunkt auf
200° gestiegen ist und versetzt den Rückstand mit einer concentrirten Lösung von
saurem schweflig-sauren Natron. Das hierbei auskrystallisirende Doppelsalz von
cuminol-zweifach-schwefligsaurem Natron befreit man durch Auspressen vollständig
von der Mutterlauge und unterwirft es unter Zusatz von kohlensaurem Natron der
Destillation mit Wasserdämpfen, wobei reines Cuminoi erhalten wird.
Flüssig. Siedepunkt 237°. Spec. Gew. bei 0<>=0.(J832. Durch Einwirkung
von Kali in alkoholischer Lösung zerfällt es in Cnminalkohol und Cuminsäure. Es
destillirt bei Abschluss der Luft unverändert, bei Luftzutritt verharzt leicht ein
Theil. Salpetersäure oxydirt es zu Cuminsäure. Bei Einwirkung von trockenem
Chlorgas geht Cuminoi in Chlorcuminol über. Chromsäure verwandelt es in Terephtal-
säure. Durch Phosphorsäureanhydrid verharzt es ; bei wiederholtem Destilliren über
Chlorzink geht es in Cymol über. Festes Aetzkali und Kalium bilden Cuminol-
kaliura, eine gelatinöse Masse, welche durch Wasser wieder in Kali und Cuminoi
zerlegt wird. Aehnlich verhält sich Natron. Das Cuiuinol bildet mit Alkali-
disulfiten krystalliuische Verbindungen. Cl0 H13 O Na HSOs -f- H9 0, Nadeln, unlöslich
in kaltem Alkohol, Aether und Alkalisulfitlösungen , löslich in Wasser, aber in
letzterer Lösung sehr unbeständig. v. Schröder.
Cuminsäure, C10 H,a 02, ist die dem Cuminalkohol und Cuminaldehyd corre-
spondirende Säure und wird aus letzterem, dem Cnrainol, durch Behandeln mit
Kaliumpermanganat gewonnen. Man vermischt zu dem Behufe 1 Th. Cuminoi mit
dem Fünffachen an Natronlauge, mischt die Mangansäurelösung hinzu, zerstört nach
ostündigem Stehen die unzersetzte Säure mit Alkohol und fällt mit H Cl. — Prisma-
tische Tafeln, welche bei 115° schmelzen, sich schwierig in kaltem Wasser, leicht
in Alkohol und Aether lösen. Zerfällt beim Glühen mit Kalk in COa und Cumol.
Bei der Oxydation liefert sie Terephtalsäure. Ganswindt.
Cuminum, Gattung der UmheUiferae, Unterfamilie Cuviineae; charakterisirt +
durch die vou den Seiten zusammengedrückte, an der Fugeufläche etwas zusammen-
gebogene Frucht; Fruchtträger 2theilig , Frucht mit 5 fadenförmigen, schwachen
Haupt- und \ stärkeren Nebenrippen.
1. Cuminum Cyminum L.y Römischer Kümmel, Venedischer Kfimmel,
Linsenkümmcl, Mutterkümmel, Pfefterkümmel, Haferkümmel, Kreuzkümmel, langer
Kümmel, Mohrenkümmel. — Einjährig, 30 — 40 cm hoch, mit Ausnahme der Frucht
kahl, die Blätter dreizählig, eingeschnitten, die 2 untersten Zipfel zwei-, der end-
ständige dreispaltig, alle Zipfel linealisch-fadenförmig. Blüthen weiss oder purpurn,
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CUMINUM. — CUMULATIVE WIRKUNG.
331
Involucrum und Involucellum mehrblätterig, Kronblätter zweilappig mit eingebogenen
Spitzen. Einheimisch in Aegypten und Aethiopien, in fast allen Mittelmeerländern
gebaut, die Frucht gelangt hauptsächlich aus Sicilien, Malta und Marocco in den Handel
In der Frucht hangen meist noch beide Mericarpien zusammen. Länglich,
5 — 6mm lang, oben vom Kelchrest, dem ßtengelpolster und Griffel gekrönt.
Farbe braun mit heller gefärbten Rippen, und zwar in jedem Fruchtchen 5 faden-
förmige Haupt- und 4 breitere Nebenrippen. Die Rippen an Borsten reich.
Der Querschnitt zeigt eine verhältnissmassig starke Fruchtschale, die sich leicht
vom Samen löst, in jeder Nebenrippe einen und auf jeder Fugenfläche 2 Oel-
gtriemen. Endosperm umd Embryo enthalten fettes Oel und Aleuron.
Die mikroskopische Untersuchung zeigt einige Eigenthflmlichkeiten
der Frucht , die es ermöglichen , dieselbe im gepulverten Zustande aufzufinden :
Die erwähnten Borsten entstehen aus einer Anzahl emporgewachsener Epidermis-
zellen, sind oft verzweigt und erreichen eine Grösse von 0.5 mm. In der auf der
Fugenfläche befindlichen inneren Partie der Saraenhaut wandeln sich in der Nähe
einer jeden der beiden Oelstriemen oft einzelne Zellen zu grobporösen Steinzellen um.
Fast in jeder Zelle des Endosperms sind ein oder mehrere Aleuronkörner von
sehr viel bedeutenderer Grösse als sonst bei den Umbelliferen. Diese Körner haben
nicht selten einen Durchmesser von 5 ja.
Die Frucht ist dem Insectenfrass sehr unterworfen; sie findet in der Volks-
nnd Veterinärmedicin Verwendung, dient zur Herstellung von Liqueuren und zur
Würze für manche Käse.
Enthält 0.4 Procent ätherisches Oel (s. Cymol und Cuminol) und 8 Procent
fettes Oel.
2. Sem. Cum tnt nigri ist der Same von N ige IIa sativa L. (s. d.).
Hartwich.
Cumming's Pflaster gegen Muttermale ist eine Mischung aus s Th.
Empltutrum Galbani crocatum und 1 Th. Tartarus stibiatus.
CumOl (Isopropylbenzol), C, Hia = C« H5 CH (CH3)a. Entsteht bei der Destil-
lation von Cuminsäure mit Baryt oder Kalk, aus Brombenzol, Isopropyl und
Natrium etc. Siedepunkt 152.5 bis 153". Spec. Gew. bei 0° = 0.8797. Chrom-
säure oxvdirt Cumol zu Benzoesäure. Es löst sich in rauchender Schwefelsäure als
Sulfonsäure auf, wird durch Salpetersäure nitrirt, respective in Benzoesäure und
Nitrobenzoesäure übergeführt. Mit Wasser ist es nicht mischbar, wohl aber mit
Alkohol, Aether und flüchtigen Oelen. Charakteristisch für Cumol sind das Baryum-
salz der Cnmolsulfonsäure , welches perlmutterglänzendc Blättchen bildet, leicht
löslich in Wasser, wenig in Alkohol, und das Strontiumsalz, welches sternförmig
gruppirte Nadeln bildet , welche sich in der Kälte schon in der gleichen Menge
Wasser lösen, worauf die kalt gesättigte Lösung beim Erhitzen auf 100° durch
Ausscheidung von wasserfreiem Salz krystalliuisch erstarrt, beim Erkalten aber wieder
flüssig wird. v. Schröder.
Cumulative Wirkung (Actio cumulativa). Einzelne Arzneimittel besitzen
die Eigentümlichkeit, dass sich bei längerer Darreichung kleinerer Gaben plötzlich
ein von einer einzelnen Gabe nicht abzuleitender stärkerer und mitunter selbst
ein toxischer, ja tödtlicher Effect zeigt. Man leitet diese Anhäufungswirkung da-
von ab, dass das fragliche Medicameut deu Thierkörper nur langsam wieder ver-
lädst und so bei der jedesmaligen Darreichung noch Reste im Körper zurückbleiben,
bis sich endlich eine solche Menge angehäuft hat, dass sehr erhebliche Wirkungen
resultiren können. Die langsame Elimination der Blei- und Quecksilberpräparate,
denen von unorganischen Stoffen besonders eine cumulative Wirkung zukommt,
wird gewöhnlich als Stütze für diese Erklärung angeführt, und auch für das
üigitalin glaubt man in der Schwerlöslichkeit desselben in Wasser einen Grund
für langsame Ausscheidung und Retentiou zu finden. Indessen zeigen auch weit
leichter lösliche Stoffe, wie Strvchninsalze und Hellcboretn, cumulative Action. Man
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332
CUMULATIVE WIRKUNG. — CUPRESSUS.
hat den Grand der letzteren deshalb wohl nicht in den Löslichkeitsverhältnissen
und der an sich langsamen Elimination der Stoffe, sondern in einer Störung der
Elimination, welche mit ihrer Wirkung im engen Zusammenhange steht, zu suchen.
Allen gemeinsam ist der Effect, dass sie bei längerer Einwirkung die Harnezcretion
stören, die Quecksilbersalze durch parenchymatöse Veränderungen, Bleisalze zum Theil
hierdurch, zum Theil aber auch wie die drei genannten organischen Stoffe durch
eine tonische Zusammenziehung der Xierengefässe, wodurch Veränderung des Urins
und dadurch der Elimination stattfindet. Dass dabei auch chemische Producte des
Stoffwechsels, welche nur langsam entstehen und zerlegt werden, wie neuerdings
von der Heyde (1885) hervorhebt, mitwirken können, um so mehr, da ja auch
die Ausscheidung dieser behindert ist , liegt zu Tage , indess ist die wesentliche
Action doch den eingeführten Stoffen selbst zuzuschreiben, da die Erscheinungen
der Cumulation bei Digitalin und Helleboreln (Erbrechen, clonische und tonische
Krämpfe) doch wesentlich verschieden von denen bei Strychnin (starke Steigung
der Reflexaction, Tetanus) sind und im Ganzen den durch toxische Dosen der
eingeführten Körper bedingten entsprechen, wie ja auch die cumulativen Effecte
der Quecksilbersalze ( Speicheln" uss u. s. w.) von denen des Blei (Verstopfung,
Kolik etc.) abweichen. Th. Husemana.
Cumyl wird das Radical des Cuuiinalkohols genannt.
CumylchlOrid, C10 H„ Cl, ist das Product der Einwirkung von H Cl auf Cumin-
alkohol.
Cumylsäure ist der c uminsäure isomer. Zolllange Nadeln, welche bei 150°
schmelzen, sich in kochendem Wasser sehr wenig, leicht in Alkohol und Aether lösen.
Ganswind t.
CundurangO. s. Condurango.
Cuntis im norwestlichen Spanien besitzt gehaltvolle Schwefelthermen von
30—00°.
Cuoxam. aus Cuproxydaramonium gebildete, in der mikroskopischen Technik
gebrauchliche Abkürzung. Teber Darstellung und Anweudung s. Kupferoxyd-
ammoniak.
Cupraloinreaction Klunge's, «. Aioin, Bd. i, Pag. 263.
Cuprammoniumoxyd, ». Kupferoxydammoniak.
Cuprea-Rinde, s. Chinarinden, Bd. III, pag. 14.
ClipreSSineae. Familie der Coniferae. Holzgewächse, vorzugsweise der nörd-
lichen gemässigten Zone eigentümlich. Charakter: Keimblätter 2 — 3. Blätter in
2 — 4zähligen, abwechselnden Quirlen, öfter 2gestaltig. Staubblätter mit schild-
förmiger Spitze. Q Zapfenbildung vollkommen, Zapfenschuppen anscheinend ein-
fach, in Quirlen. Ovula achselständig, aufrecht. Sydow.
ClipreS8US, Gattung der uach ihr benanuten Coniferen-F m\i\ie. Immergrüne
Holzgewächsc mit zusammengedrückt- vierkantigen , von vierreihig-dachziegeligen
Blättern bedeckten Zweigen und mouöeisehen Blüthen. Die c5 Kätzchen sind klein,
eiförmig-länglich ; die 9 Zapfen klein, eiförmig-kugelig, aus schildförmigen, dicken
und holzigen Schuppen zusammengesetzt, unter denen je acht ungezügelte, eckige
Samen liegen.
Von phnrmaeeutischem und forensischem Interesse sind besonders die Blätter
wegen der möglichen Verwechslung mit den Blättern auderer Cupressineen , ins-
besondere-mit Sabina is. d.). Die Cypresseublätter sind rhombisch-eiförmig, stumpf,
an der Spitze dicklich, aussen gewölbt und mit einer liuealen, eingedrückten
Oeldrüse versehen.
Histologisch Rind sie nach Lazarski durch lang gestreckte Palissadenzellen.
rundliche Spaltöffnungen und verhältnismässig schwache Verdickung der die
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CUPKESSUS. — CUPRUM ACETICUM.
33:J,
Gefäsebündel begleitenden „Querbalkenzellen" charakterisirt, jedoch in Pulverform
kaum Hieher von den verwandten Blattformen zu unterscheiden.
Cupresms seinpervirens L. (C. fastigiata DC), die Cy presse, findet sich
im Orient und im südlichen Europa häufig gepflanzt. Als Heilmittel sind die ehe-
mals gebräuchlichen Cortex, Lignum und Nuces Cupressi obsolet.
Cupre88 powder hat gar keine Beziehung zu dieser Pflanze. Es ist oder war
vielmehr das gepulverte Rhizom des indischen Aron (Arysaema triphyllum
Torr.). Jetzt scheint es gar nicht mehr vorzukommen. j. Mo eil er.
Cupri- Und CuprOSalze, Cupri- und Cuproverbindungen. — S.
unter Kupfer, sowie Cuprum.
CupHn, Cu H, NO,. Schwache, vom Cotarnin sich ableitende Base von kupfer-
glänzendem Aussehen. Es ist in Aether unlöslich, löst sich in Wasser und Alkohol
mit grüner, in verdünnten Säuren mit tiefblauer Farbe. Es bildet sich beim Kochen
einer kalt gesättigten und so lange mit Bromwasser versetzten Lösung von salz-
saureiu Bromcotarnin, dass dieses vorwaltet ; die braune Lösung wird beim Kochen
blau und liefert nach Sodazusatz das Cuprin. Ganswindt.
Cupronin, C20 H,ö N2 Os, bildet sich wie das Cuprin aus Bromtarkonin durch
Erhitzen mit Wasser bis auf 130°, neben Tarnin, beide in Form ihrer bromwasser-
stoffsauren Salze. Beim Uebergiessen des Reactionsproductes mit Wasser löst sich
das Tarninsalz ; das Cuproninbromid bleibt ungelöst zurück und wird durch Natrium-
carbonat zersetzt. Es bildet ein schwarzes Pulver, unlöslich in Wasser, Alkohol,
Aether und Benzol ; löslich in heissen Aetzalkalien mit tiefbrauner Farbe, in con-
centrirter Ha SOt oder H Cl mit fuchsinrother Farbe, welche auf Zusatz von Wasser
blauviolett wird; in verdünnten Mineralsäuren löst es sich direct mit blauvioletter
Farbe. Ganswindt.
Cuprum aCetiCUm (Ph. Genn. I. u. a.), Kupferacetat, Essigsaures
Kupferoxyd, Aerutjo crystallisata, Krystallisirter Grünspan. Dunkelgrüne schiefe
rhombische Prismen, an der Luft oberflächlich verwitternd, ohne Geruch, von wider-
lichem metallischem Geschmacke. Das Salz verliert bei 100° sein Krystallwasser (9 Pro-
eeut), zerlegt sich in höherer Temperatur, Essigsänredämpfe, Aceton u. a. abgebend,
bei Zutritt der Luft verbrennend. Es löst sich in 15 Th. kaltem und 5 Th. siedendem
Wasser zu einer blaugrünen, sauer reagirenden Flüssigkeit. Auch von heissem Wein-
geist wird es, zumal bei Zugabe von etwas Essigsäure, gelöst. Ammoniak und
kohlensaures Ammoniak nehmen es mit tiefblauer Farbe ohne Rückstand auf. —
Identitätsreactionen: Aus der wässerigen Lösung scheidet Schwefelwasser-
stoff schwarzes . auch bei Ansäuerung unlösliches Schwefelkupfer aus ; Aetzkali
Natron) fällt blaugrünes Kupferoxydhydrat , das beim Sieden in schwarzes Oxyd
Übergeht ; Ammoniak im Ueberschusse löst den anfänglich entstehenden Niederschlag
mit tiefblauer Farbe wieder auf. Mit Schwefels}» ure erwärmt gibt das Salz Dämpfe
von Essigsaure ab. — Zusammensetzung: Cu'C2HsO)2 + ILO. — Dar-
stellung: Gepulverter Grünspan wird in erhitzter, mit Wasser stark verdünnter
Essigsäure aufgelöst, so viel letztere davon aufzunehmen vermag ; die heiss filtrirte
Lösung scheidet beim Erkalten das Salz in Krystallen ab , die man mit etwas
Wasser abwäscht und in gewöhnlicher Temperatur trocknet. — Prüfung: Die
wässerige Lösung muss, mit Ammoniak im Ueberschusse versetzt, völlig klar bleiben
i braune, alsbald oder beim Stehen an der Luft sich abscheidende Flocken : Eisen,
weisse Trübung : Blei) : mit Natronlauge vollständig ausgefällt und zum Sieden
erhitzt, gebe sie ein Filtrat, welches durch Schwefelwasserstoffwasser nicht ver-
ändert wird (dunkle Trübung oder Färbung : Blei, weisse Trübung : Zink). Die mit
Salzsäure angesäuerte und mit Schwefelwasserstoffgas vollständig ausgefällte Salz-
lösung darf beim Verdampfen keinen Rückstand (Alkalien, alkalische Erden, Eisen,
Zink ) hinterlassen. — Aufbewahrung: In der Reihe der starkwirkenden
Arzneimittel, in gut verschlossenen Glasgetässcn , da das Salz an der Luft ver-
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CUPRUM ACETICUM. — CUPRUM CARBONICUM.
wittert, sich mit einem grünen Pnlver bedeckend. — Gebrauch: Aeusserlich
als Aetzmittel gegen Hühneraugen , Auswüchse u. dergl. theils als Streupulver,
theils als Salbe oder Pflaster, ausserdem als Adstringens zu Augenwassern und
Mundwässern (0. 1 : 100). In dem in früherer Zeit als Aetzmittel gebräuch-
lichen V nguentum Aeg y ptiacum 8. Oxymel (Linimentum) Aeru-
g in is enthalten. Innerlich mit Vorsicht anzuwenden, da das Rupfer vornehmlich
in Verbindung mit Essigsäure und anderen organischen Säuren , giftige Eigen-
schaften besitzt. Maximaldosis nach Ph. Russ. : 0.06 g pro dos«, 0.25 g pro die.
Cuprum aceticum ist der wirksame Bestandteil der Tinctura Cupri ace-
tici Rademacheri, durch Umsetzung von schwefelsaurem Kupferoxyd mit
essigsaurem Bleioxyd gebildet. Schliekum.
Clipnim aluminatum (Ph. Austr., Germ. I. u. a.), Kupferalaun, Lapis
divinus, Augenstein. Bläulichweisse Stücke oder ein bläulichweisses Pulver (nach
Ph. Austr.), nach Kampfer riechend, in 16 Th. Wasser nahe vollständig (bis auf
einen sehr geringen, aus Kampfer bestehenden Rückstand) löslich. — Zusammen-
setzung: Ein zusammengeschmolzenes Gemenge aus gleichen Tbeilen Kupfersulfat,
Salpeter und Alauo, welchem etwas Kampfer zugesetzt ist. — Bereitung:
Je 16 Th. (nach Ph. Gall. je 20 Th.) Kupfersulfat, Salpeter und Alaun werden
zerstossen, gut gemischt und in einer Schale aus Porzellan oder Kupfer über ge-
lindem Feuer geschmolzen. Der vom Feuer entfernten Schmelzmasse wird dann
1 Th. zerriebener Kampfer (besser, nach Ph. Germ. I., ein inniges Gemenge von
1 Th. Kampfer und 1 Th. Alaun) eingerührt und die Masse auf eine Porzellan-
oder Steinplatte ausgegossen und nach dem Erkalten in Stücke zerbrochen. Ph.
Austr. lässt den Kampfer dem völlig erkalteten und zerriebenen Schmelzgemisch
zufügen. — Prüfung: Das Präparat muss in seiner Mischung vollständig gleich-
förmig sein und einen ausgeprägten Geruch nach Kampfer besitzen. — Gebrauch:
In filtrirter wässeriger Lösung vornehmlich zu Augenwässern (0.1 : 10 — 50),
aber auch zu Injectionen als Adstringens. Das Mittel wurde von dem berühmten
französischen Augenarzte ST. Yves zn Beginn des achtzehnten Jahrhunderts in
den Arzueischatz eingeführt und fand unter der Bezeichnung Lapis divinus
St. Yves, Pierre divine de St. Yves, früher ausgebreitete Verwendung.
Schliekum.
Cupriim CarboniCUm, Cuprum subcarbom'cum, Cuprum hydrico-carbo-
nicum, Kupferearbonat. Basisch kohlensaures Kupferoxyd. Ein bläulichgrünes,
amorphes Pulver, ohne Geruch, beim Erhitzen in schwarzes Oxyd übergehend, nicht
löslich in Wasser und Weingeist, unter Aufbrausen löslich in Salpetersäure, Schwefel-
säure, Salzsäure, Essigsäure zu blauen oder blaugrünen Flüssigkeiten, desgleichen
mit tiefblauer Farbe in Ammoniak. — Identitätsreactionen: Säuren zer-
legen das Präparat unter Austreibung kohlensauren Gases; die dabei gebildeten
blau oder grün gefärbten Lösungen scheiden auf Zusatz von ätzenden Alkalien
blaugrünes Oxydhydrat aus, welches sich mit tiefblauer Farbe in überschüssigem
Ammoniak, nicht aber in Kali- oder Natronlauge löst und in der Siedhitze in schwarzes
Oxyd Übergeht. Schwefelwasserstoff fällt schwarzes Schwefelkupfer auch bei Gegenwart
freier 8äure. — Zusammensetzung: Kupfersubcarbonat, einfach-basisches oder halb-
CO
kohlensaures Kupferoxyd ; Formel : Cu3<0 ^ (das kaltgefällte kohlensaure Salz
enthält 1 Mol. Wasser, das heissgefällte ist wasserfrei). — Darstellung: Eine
heisse, klare Lösung von 10 Th. Kupfersulfat in 60—70 Th. Wasser wird
portionenweise in eine ebenfalls heisse, klare LöBung von 1 2 Th. Natriumcarbonat
(gereinigter Soda) in 70 — 80 Th. Wasser uuter Umrühren eingetragen. Den ent-
standenen Niederschlag wäscht man , nachdem er sich abgesetzt und durch Ab-
giessen von der überstehenden Flüssigkeit getrennt worden, durch wiederholtes
Aufgeben von Wasser und Decantiren aus, bis das abfliegende Wasser durch
Baryumnitrat nicht mehr getrübt wird. Dann sammelt man ihn auf einem Filter,
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CUPRUM CARBONICUM. — CUPRUM OXYDATUM. 335
prent ihn nach dem Abtropfen aus und trocknet ihn bei gelinder Wärme. —
Prüfung: Mit Wasser geschüttelt, gebe dag Präparat ein Filtrat, welches durch
faryumnitrat nicht sofort getrübt wird (Schwefelsäure). Die salzsaure Lösung,
durch überschüssige Natronlange in der Hitze gefällt und filtrirt, darf sich mit
SchwefelwasserstoflFwasser nicht verändern (weisse Trübung: Zink, schwarze Trü-
bung: Blei). Die salzsaure Losung, mit überschüssigem Ammoniak vermischt, sei
klar (braune , alsbald oder beim Stehen an der Luft sich abscheidende Flocken :
Eisen). — Aufbewahrung: In der Reihe der starkwirkenden Mittel. —
Gebrauch: Aeusserlicb als adstringirendes Mittel in Salben (1:10); innerlich
in Pulvern oder Pillen ; an Stelle des ätzenden Kupfersulfats als Gegengift gegen
Phosphor empfohlen. Schliekum.
Cuprum Chloratum, Cuprum bichloratum, Cuprum per chloratum, Kupfer-
chlorid. Ein grünes krystallinisches Pulver, an der Luft feucht werdend, leicht
löslich in Wasser und Weingeist, auch in Aethw. Die concentrirte wässerige
Lösung erscheint grün, die verdünnte blau gefärbt. Beim Erhitzen wird das Salz
zunächst wasserfrei und hinterlässt in der Glühhitze unter Verlust an Chlor weisses
Chlortir. — Identitätsreactionen: Schwefelwasserstoff scheidet aus der
wlswrigen Lösung, auch bei Ansäuerung derselben mit Salzsäure, schwarzes
Schwefelkupfer ; Aetzalkalien fällen blaugrünes Oxydhydrat, welches sich in über-
schüssigem Ammoniak mit tiefblauer Farbe auflöst. Silbernitrat erzeugt einen
weissen, käsigen, in verdünnten Säuren unlöslichen Niederschlag, der sich in
Ammoniak leicht auflöst. — Zusammensetzung: Wasserhaltiges Kupfer-
chlorid von der Formel : Cu Cla 4- 2 H, 0. — Darstellung: Kupferoxyd
oder kohlensaures Kupferoxyd wird in reiner Salzsflure unter Erwärmen auf-
gellt und das Filtrat in einer Porzellanschale eingedampft. Man rechnet
30 Th. Salzsäure (spec. Gew. 1.124) auf 8 Th. Kupferoxyd, respective 11 Th.
Knpfercarbonat. Die gewonnene Lösung ist, um eine locale Ueberhitzung zu ver-
meiden , im Wasserbade einzudampfen , was so lange fortgesetzt wird , bis einige
herausgenommene Tropfen auf einer kalten Porzellanfläche zu einer festen
Masse erstarren. Alsdann wird die Salzlauge bis zum Erkalten beständig umge-
rührt, wodurch sie in ein krflmliches Pulver übergeht. Dasselbe ist sofort in zuvor
ausgetrocknete nnd angewärmte Glasgefässe zu bringen. — Prüfung: Die con-
centrirte wässerige Salzlösung bleibe bei Zusatz eines gleichen Volumens Weingeist
klar (Kupfersulfat und andere in Weingeist unlösliche Salze gelangen hierbei zur
Ausscheidung). Durch überschüssiges Ammoniak werde sie nicht getrübt (braune,
sofort oder nach einigem Stehen an der Luft sich bildende Flocken : Eisen, weisse
Trübung: Blei). Mit überschüssiger Natronlauge zum Sieden erhitzt, gebe sie ein
Filtrat, welches durch Schwefelwasserstoffwasser nicht verändert werde (schwarze
Trübung: Blei, weisse Trübung : Zink). — Aufbewahrung: In der Reibe der
starkwirkenden Mittel in einem sehr gut verschlossenen Glasgefässe, da das Salz aus
der Luft begierig Feuchtigkeit anzieht und schliesslich zerfliesst. — Gebrauch:
Aeusserlieh zum Verbandwasser (1:150); innerlich als Alterans und Tonicum
zu 0.005 — 0.015; ist Hauptbestandteil des Liquor Cupri ammoniato-
chlorati , welcher 1.8 Procent Kupferchlorid neben 20 Proeent Chlorammonium
enthalt. In Verdünnung mit der 80fachen Menge Wassers stellt diese Kupfer-
flüssigkeit das Aqua antimiasmatica Koechlini (Liquor antimias-
maticus Beisseri) dar. Das Kupferchlorid wurde auch gegen Cholera empfohlen,
wie Kupfer überhaupt. Schliekum.
Cupriim OXydatum (Ph. Germ. u. a.), Kupferoxyd. Ein schwarzes,
schweres, amorphes Pulver, beim Glühen unzersetzt schmelzend und zu einer kry-
stallinischen Masse erstarrend, in Wasser und Weingeist nicht löslich, in Salpetersäure,
Salzsflure, verdünnter Schwefelsflure und Essigsäure mit blauer Farbe leicht löslich.
Identitätsreactionen: Die mittelst einer der genannten Säuren bewirkte Lösung
scheidet auf Zusatz vou Aetzalkalien einen blaugrünen, in der Siedhitze schwarz
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CUPRUM OXYDATUM. — CUPRUM SULFUIUCUM.
werdenden Niederschlag (Kupferoxydhydrat) aus, der von Ammoniak mit tiefblauer
Farbe gelöst wird. Ferrocyankalium fällt die salzsaure Lösung braunroth, Schwefel-
wasserstoff schwarz. — Zusammensetzung: Kupferoxyd, CuO. — Dar-
stellung: 1. Nach Ph. Germ, durch Erhitzen des kohlensauren Kupferoxyds.
Letzteres wird zunächst durch Mischung heisser Lösungen von 10 Th. Kupfersulfat
und 15 Th. krystallisirtem Natriumcarbonat in je 50 Th. Wasser gefällt, auf
einem Filter gut ausgewaschen und getrocknet, darauf in einer Porzellanschale
Uber einer massigen Flamme erhitzt, bis es völlig schwarz geworden ist. (Das
heiss gefällte Carbonat ist dichter , wie das kalt gefällte und läsat sich leichter
auswaschen.) Das in dieser Weise gewonnene Kupferoxyd ist leichter in Säuren
löslich als das aus dem salpetersauren Salze durch Glühen dargestellte Oxyd; es
ist jedoch dichter als das durch Aetzalkalien heiss gefällte Oxyd. — 2. Nach Ph.
Russ. durch Ausfüllung einer heissen Lösung von Kupfersulfat (1 Th. in 12 Th.
Wasser, durch überschnssige Aetzkalilauge (2 Th. der 33procentigen Lauge). Dieses
Präparat ist bedeutend lockerer als das durch Glühen von kohlensaurem, respeetive
salpetersaurem Salze gewonnene Oxyd. — 3. Die Ph. Helv. gestattet auch das durch
Glühen des Knpfernitrats bereitete Oxyd. Dasselbe ist das dichteste und in Säuren
schwierigst lösliche Kupferoxyd, daher mediciniseh am wenigsten wirksam. —
P r (1 f u n g : Salpetersäure (die Gfache Menge) niuss das Präparat ohne Aufbrausen
(Kohlensäure ) und ohne Rückstand auflösen ; diese Lösung, mit Schwefelwasserstoff-
gas vollständig ausgefällt, gebe eiu Filtrat, welches beim Verdampfen keinen Rück-
stand I Alkalien , Eisen , Zink) hinterlässt. Ammoniak im Ceberschuss darf die
salpetersaure Lösung nicht trüben (alsbald oder beim Stehen an der Luft sich ab-
scheidende braune Flocken zeigen einen Eisengehalt an). Wird das Kupferoxyd in
Schwefelsäure gelöst und mit concentrirter Ferrosulfatlösung gemischt, so darf,
wenn man vorsichtig concentrirte Schwefelsäure zurinnen lüsst, keine braunschwarze
Mittelzone entstehen (Salpetersäure). Letztere Prüfung kann man auch in der Weise
anstellen , dass man das Kupferoxyd mit concentrirter Schwefelsäure in einem
Reagirey linder mischt und gelinde erhitzt, wobei keine sauren Dämpfe, erkennbar durch
Röthung eines in das Glasrohr vorsichtig hineingebrachten Streifen Lackmuspapiers,
entstehen dürfeu. — Aufbewahrung: In der Reihe der stark wirkenden Arznei-
mittel, in gutschliessenden Glasgefässen, zur Verhütung der Anziehung von Feuchtig-
keit. — Gebrauch: Aeusserlieh in Salben, innerlich gegen Eingeweidewürmer
versucht zu O.Ol — 0.06. Ph. Russ. normirt die maximale Einzelgabe auf
0.3, die maximale Tagesgabe auf 1.0. Schliekum.
Cupriim SUlfliriCUm (Ph. omnes), Cuprum sulfun'cum purum , Kupfer-
sulfat, Sc hwefcl sau ros Kupferoxyd. Blaue, durchscheinende, triklinische
(rhomboTdische) Prismen, nur wenig verwitternd, mit 9aurer Reaction in 3.5 Th.
kaltem, 1 Th. siedendem WasBer, nicht in Weingeist löslich. Bei 100° verlieren sie
vier Fünftel ihres Wassergehaltes (4 Acquivalent = 28.}) Procent); den Rest geben
sie erst über 200° ab, ein weisses Salz bildend, welches in starker Glühhitze,
unter Entweichung von schwefliger Säure, schwarzes Kupferoxyd zurUcklftsst. —
Identitätsreactionen: Die blauwässerige Lösung wird durch Baryumnitrat,
auch bei Zusatz von Salpetersäure, weiss gefällt. Schwefelwasserstoff scheidet, selbst
bei Ansäuerung, schwarzes Schwefelkupfer. Aetzalkalien blaugrünes Kupferoxyd-
hydrat ans; letzteres löst sich leicht in überschüssigem Aetzammoniak, aber nicht
in Kali- und Natronlauge, zu einer tiefblauen Flüssigkeit auf. — Z u s a in m e n-
setzung: Kupfersulfat mit 5 Molekülen ( 28.9 Procent) Krystallwasser = i Ou SO, +
4-5H20). — Darstellung: 1. Man erhitzt metallisches Kupfer (als Blecb-
schnitzel) mit der dreifachen Menge concentrirter Schwefelsäure in einem Kolben
oder in einer Retorte im Sandbade, so lange noch schwefligsaures Gas entweicht.
Letzteres wird, da es sehr belästigt, in Wasser oder eine Sodalösung eingeleitet
und seinerseits vernutzt. Die rückständige Salzmasse löst man in ihrem doppelten
Gewichte siedenden Wassers und stellt das Filtrat zur Krystallisation bei Seite. —
2. Man nimmt beim Arbeiten im Kleinen die Oxydirung passender mittelst eines
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CUPRUM SÜLFURICÜM. — CUPRUM SULFURICUM AMMONIATUM.
337
Zusatzes von Salpetersäure vor und verfahrt in folgender Weise : 1 Th. Kupfer-
schnitzel werden in einem Kolben mit 10 Th. verdünnter Schwefelsäure (aus 1.5 Th.
englischer Schwefelsäure bereitet) gelinde im Sandbade erwärmt und portionenweise
2 Th. reine, 30procentige Salpetersäure hinzugefügt. Das dabei entweichende Stick-
oxydgas wird durch einen gutziehenden Abzug entfernt oder die Arbeit unter
freiem Himmel vorgenommen. Wenn die Gasentbindung aufhört, erhitzt man zum
Sieden, filtrirt heiss und l.'lsst krystallisiren. — Bei beiden Methoden werden die ge-
wonnenen Krystalle, zur Entfernung anhaftender Säure, gut mit Wasser abgespult
nnd ohne Anwendung von Wärme getrocknet. Fttr den Recepturgebrauch empfiehlt
sich die Darstellung von Krystallmehl. Zu diesem Behufe löst man 1 Th. Kupfer-
sulfat in einer Porzellanschaie in 1 Th. siedendem Wasser auf und rllhrt bis zum
vollständigen Erkalten mit einem Glasstabe kräftig um. Von dem ausgeschiedenen
Salzpulver wird die Flüssigkeit möglichst abgegossen und jenes auf mehrere Lagen
Fliesspapier zum Trocknen ausgebreitet; die rückständige Salzlauge wird abge-
dampft und sobald sich in der Hitze Krystallisation zeigt , bis zum Erkalten ge-
rührt, um noch eine Portion Kupfersulfat zu liefern. Der rohe Kupfervitriol lässt
sich nur dann durch Umkrystallisiren in reines Sulfat verwandeln, wenn er gänz-
lich frei von Zink und Eisen ist, da die Sulfate der letzteren Metalle mit dem
des Kupfers zusammen krystallisiren. — Prüfung: Die mit SchwefelwasserstofF-
gas vollständig ausgefällte wässerige Lösung darf beim Verdampfen keinen Rück-
stand (Alkalien, Erden, Eisen, Zink) hinterlassen, auch nicht getrübt werden durch
überschüssiges Ammoniak (schwarz: Eisen, weiss: Zink) oder Natriumoarbonat
i weiss: Magnesium, Zink; schmutziggrün oder braun: Eisen). Man prüft noch
speciell auf Eisen durch Uebersättigen der Salzlösung mit Ammoniak, wodurch
eine klare tiefblaue Flüssigkeit erzielt werden muss, die weder sofort, noch beim
Stehen an der Luft braune Flocken abscheiden darf; auf Zink, indem man die
Salzlösung mit überschüssiger Natronlauge im Sieden fällt und zum Filtrate
Schwefelammonium setzt, wodurch keine weisse Trübung entstehen darf. — Auf-
bewahrung: In der Reihe der stark wirkenden Arzneimittel, in verschlossenen
Glasgefässen. — Gebrauch: Aeusserlich als Aetzmittel, häufig in Substanz als
Aetzstift, sodann in mehr oder weniger concentrirter Lösung zu Einspritzuugen,
Gurgelwasser (1:200), Augenwasser (0.3 — 0.5:100) und Verbandwasser (1:50
bis 100). Innerlich genommen bewirkt das Kupfersulfat Erbrechen und veranlasst
nur in grossen Mengen Vergiftungserscheinungen (25 — 60g wirken letal). Man
gibt es daher zu 0.05 — 1.0 in gebrochener Dosis als Brechmittel. Besonderen Ruf
hat sich das Kupfersulfat gegen Phosphorvergiftung erworben , da es durch den
Phosphor reducirt wird und denselben mit einer Schicht metallischen Kupfers tiber-
zieht. Maximale Einzelgabe: 1.0g. Schliekum.
Cuprum sulfuricum ammoniatum (Ph. Germ, i., Gau , Belg., iieiv.,
Russ.), Cuprum ammoniacale, Ammoniucum cuprico ■ sulfuricum, Kupfer-
Ammoniumsulfat, Schwefelsaures Kupferoxyd-Ammoniak. Ein
lasurblaues kristallinisches Pulver f seltener tiefblaue, durchscheinende prismatische
Krystalle), an der Luft verwitternd und schliesslich grün werdend, in 1.5 bis 2 Th.
Wasser zu einer klaren , tiefblauen , alkalisch reagirenden Flüssigkeit löslich , die
durch Zusatz einer grösseren Wassermenge getrübt wird, basisches Kupfersulfat
abscheidend. Weingeist nimmt das Salz nicht auf. Beim Erhitzen färbt es sich
zunächst grün (unter Ammoniakverlust), schliesslich hinterlässt es weisses (wasser-
freies) Kupfersulfat. — Identitätsreactionen: Die alkalisch reagirende,
lasurblaue Lösung des Salzes färbt sieh beim Ansäuern mit Salpetersäure hellblau
uud erleidet dann durch Sehwefelwasserstoffwasser eine schwarze, durch Baryum-
nitrat eine weisse Fällung. — Zusammensetzung: Das Präparat lässt sich
a/s eine Doppelverbinduug von Ammoniumsulfat mit Kupferoxyd-Ammoniak (Cupr-
ammoniumoxyd) betrachten:
KNH,)a80, + CuOfNH,),, = [(NH^0' +
Real-Encydopädio der ges. Pharniacie. III. 22
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338 CUPRUM SÜLFURICTM AMMONIATUM. — CUPRUM SULFURICUM CRUDUM.
Aber auch als krystallisirtes Kupfersulfat, in welchem 4 Moleküle Krystallwasser
durch 4 Moleküle Ammoniak ersetzt sind : (Cu 804 4- 4 NH, -+- Hg 0). — Da r-
Stellung: 1 Th. Kupfersulfat wird in 3 Th. (d. i. der genügenden Menge)
Ammoniakflüssigkeit gelöst und nach etwa nöthiger Filtration unter Umrühren mit
6 Th. Weingeist gemischt. Das sich dadurch ausscheidende Salzpulver wird auf
einem Filter gesammelt, nach dem Ablaufen der Flüssigkeit zwischen Fliesspapier
oder Leinwand gepresst (ohne es zuvor auszuwaschen) und in gewöhnlicher Tempe-
ratur getrocknet. Nach Ph. Belg, und Gall. wird der Weingeist vorsichtig über
die ammoniakalische Kupferlösung geschichtet, worauf sich im Laufe einiger Tage
das Salz in gut ausgebildeten Krystallen ausscheidet. — Prüfung: Das Präparat
muss mit der 1.5 bis 2fachen Waasermenge eine klare Lösung geben (grüne
Abscheidung verräth Verwitterung , braune Flocken : Eisenoxyd). Angesäuert
mit Salzsäure und mit Schwefel wasserstoffgas vollständig ausgefällt, gebe diese
Lösung ein farbloses Filtrat, welches auf Platinblech verdampft und geglüht keinen
Rückstand (Alkalien, Erden, Zink, Eisen) hinterlassen darf. — Aufbewahrung:
In der Reihe der stark wirkenden Arzneimittel, in sorgfaltig verschlossenen Glas-
gefässen, da das Präparat an der Luft uuter Ammoniak Verlust verwittert. — An-
wendung: Früher viel gebraucht zu Augenwässern (Aqu a co elest is, Aqua
saphirina). auch gegen Nervenleiden (Epilepsie, Veitstanz, Hysterie) innerlich
angewendet. Als maximale Einzelgabe kann man 0.1 , als maximale Tagesgabe
0.4 g annehmen. Man gebraucht das Salz in der Maassanalyse zuweilen als acidi-
metrisches Mittel. Schliekum.
Cuprum SUlfiiriCUm Crudum (Ph. Germ. u.a.), Vitriolum Cupri, Rohes
Kupfersulfat, rohes schwefelsaures Kupferoxyd, Kupfervitriol,
Blauer Vitriol. Blaue, durchscheinende, trikline (rhomboldische) Prismen, nur
wenig verwitternd , mit saurer Reaction in 3.5 Th. kaltem und 1 Th. siedendem
Wasser, nicht in Weingeist löslich. Beim Erhitzen hinterlassen sie weisses wasser-
freies Salz , nach längerem Glühen schwarzes Kupferoxyd , unter Entweichen
schwefligsaurer Dämpfe. — ldentitätsreactiouen: Die blaue wässerige
Lösung wird durch Baryumnitrat , selbst bei Zusatz von Salpetersäure, weiss und
durch Schwefelwasserstoff schwarz gefällt ; Aetzalkalien scheiden aus ihr blaugrünes
Oxydhydrat aus , welches sich mit tiefblauer Farbe leicht in überschüssigem Am-
moniak, nicht aber in Kali- und Natronlauge, auflöst. — Zusammensetzung:
Kupfersulfat mit 5 Molekülen Krystallwasser = (Cu S04 + 5H,0); nicht selten mit
einem grösseren oder geringeren Gehalte an Zinksulfat und Fcrrosulfat. — Dar-
stellung: Im Grossen durch Rösten von Kupferkies und Buutkupfererz , Aus-
laugen des Röstproductes mit Wasser und Krystallisirung. Beim vollständigen
Rösten dieser schwefel- und eisenhaltigen Kupfererze verbrennt der Schwefel theils
zu schwefliger Säure, theils oxydirt er sich zu Schwefelsäure, die sich mit dem
zugleich entstehenden Kupferoxyd verbindet. Der Eisengehalt bewirkt eine Bei-
mengung von Eisenvitriol; man erzielt aber bei vollständig und sorgfältig ausge-
führter Röstung die Bildung von Eisenoxyd, welches theils durch das vorhandene
Kupferoxyd ausgeschieden wird, theils als Sulfat in der Mutterlange bleibt. (Eisen-
vitriolhaltiger Kupfervitriol findet sich als gemischter Vitriol im Handel und
ist häufig sehr reich an Eisenvitriol, alsdann um so grüner, je eisenreicher er ist.
So enthält der Salzburger Vitriol 76 Procent, der Admonter Vitriol
83 Procent Eisenvitriol. ' Auch findet sich eisenhaltiger Kupfervitriol in Gruben-
wässern (Cementwässern) gelöst, die durch Auslaugon verwitterten Kupferkieses
entstehen. Auch bei der Silbergewinnung aus silberhaltigen Kupfererzen, nachdem
dieselben geröstet und mit Wasser ausgelaugt worden, wird Kupfervitriol als
Nebenproduct gewonnen; aus der silbersulfathaltigeu Lauge wird durch metal-
lisches Kupfer das Silber ausgeschieden und es resnltirt eine Kupfersulfatlösung
( Affinirungsproeess). — Prüfung: Mit überschüssigem Ammoniak muss die
Salzlösung eine klare oder fast klare Flüssigkeit geben (braune Flocken, die sich als-
bald oder beim Stehen an der Luft ausscheiden, verrathen einen Eisengehalt). —
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C U PRÜM SüLFURICUM CRUDÜM. — CUR.
339
Aufbewahrung: In der Reihe der stark wirkenden Arzneimittel, in verschlossenen
Gefassen. Gebrauch: Die medicinische Anwendung beschränkt sich auf äusserliche
Thierarzneien. In der Landwirthschaft benutzt man den Kupfervitriol mit Vortheil
zum Einweichen des »Saatkornes behufs Tilgung des Getreiderostes. Technisch dient
er in der Färberei zur Darstellung von Kupferfarben, zu galvanischen Batterien
(DANlELL'sche Kette), zur galvanischen Verkupferung u. s. w. Schiit kam.
Cupillä (lat.) ist eine aus der Verwachsung von Blättern entstehende Hülle
um die reifende Frucht. Sie ist häufig becherförmig (Riehe), mitunter . sehliosst sie
»her die Frucht vollständig ein und springt bei der Reife wie eine Kapsel auf
(Edelkastanie). Die Cupnla ist das charakteristische Merkmal der nach ihr be-
nannten Familie der Oupuliferae. Sie umsehliesst entweder nur eine Frucht
(Corylaceae) oder mehrere Früchte (Fagaceae).
Cupillifßr&B, Familie der Amentaceae. Ausschliesslich Holzgewachse, die be-
sonders der nördlichen Halbkugel angehören und wichtige Waldbäume sind, sämrat-
lieh zur Classe Monoecia des LixxK'schen Systems gehörig. Charakter: Blätter
einfach, mit Nebenblättern, Blüthen einhäusig, ^5 kätzehenförmig. in den Achseln
der unteren Blätter oder der Nebenblätter der Frtihjahrstriebe, Q verschieden ge-
staltet, meist in den Achseln der oberen Blätter junger Triebe, selten am Gruude
der <5 Blüthen. Perigon 4 — 8theilig, öfter rudimentär oder unterdrückt. Staub-
gefässe 2 — 20 , öfter gespalten , zuweilen in gleicher Zahl der Perigonzipfel und
dann vor denselben. Fruchtknoten unterständig, 2 — 9fächerig. Fächer 1 — 2eiig.
Frucht meist nussartig, 1 fächerig und 1 sämig. Fruchtgehäuse von einer auf sehr
mannigfaltige Weise aus Hochblättern gebildeten Fruchthülle (Cupnla) umgeben.
Die Familie gruppirt sich in:
a) Beluleae: Cnpula fehlend. Perigon bei cJ Blüthen entwickelt, bei Q unter-
drückt. — Betula, AInns.
b) Coryleae: Cupula vorhanden, lfrüehtig, aus 1 Deckblatt und 2 Vorblättern
gebildet. Perigon bei <3 Blüthen unterdrückt, bei Q rudimentär. — Corylu»,
Carpmua.
c) Fagineae: Cupula 1- bis mehrfrüchtig . aus 4, öfter völlig verwachsenen
Vorblätteru gebildet. Perigon stets entwickelt. — Fagus, Castanea, Quercus.
S y d o w.
Cur. Unter Curen oder Curmethoden versteht man die Anwendung ein-
zelner oder verschiedener Heilmittel nach bestimmten, genau innezuhaltenden Regeln.
Man unterscheidet prophylactische und therapeutische Curen, je nachdem dieselben
zur Verhütung des Eintrittes gewisser Krankheiten oder zur Beseitigung bereits
entwickelter krankhafter Zustände dienen. Zu den prophylactischen Curen
gehören die sogenannten Abortivcuren (Bd. I, pag. 27) bei acuten Krank-
heiten (Brechmittel oder Calomol beim Typhus u. A. m.), ferner gewisse Curen,
bei denen man durch Impfung eines modifieirten Krankheitsgiftes den Körper
vor der Wirkung eines intensiveren schützt (Vacciuation, Syphilisation, Pasteur's
Cur der Hundswuth) , endlich manche Cnren zur Verhütung chronischer Ver-
giftungen, z. ß. Gkxdrix's Prophylaxe der Bleikrankheiten durch Schwefelsäure-
limonade u. A. Zu den letzteren gehören auch die Curen, welche man bei Per-
sonen , die sich an den Genuss eines Giftes gewöhnt haben , z. B. Alkoholisten,
Morphinisten , anwendet und welche man in Entzichungscuren und K n t-
wöhnungscuren unterscheidet, je nachdem die Zufuhr des betreffenden Giftes
sofort völlig unterbrochen oder allmälig bis zur völligen Aufhebung verringert wird.
Die therapeutischen Curen kommen vor Allem bei chronischen Krank-
heiten in Anwendung, doch gehört die neuerdings sehr allgemein gewordene
antipyretische Methode (Fieberdiät, Wärmeentziehung, Antipyretica) bei
acuten Fieberkrankheiten ebenfalls zu den Curen. Man unterscheidet die thera-
peutischen Curen häufig nach den Krankheiten , gegen welche man sie benutzt,
in antisyphilitische Curen, Gicht- und Rhenmatismuseuren, Kntfettungscuren. anti-
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340
CUR.
epileptische Garen , Bandwurmcuren , Krätzcuren u. 8. w. Zweckmässiger ist es
jedoch, nach der Beschaffenheit des angewendeten Heilmittels medicamentöse,
diätetische , mechanische , physikalische und psychische Coren von einander zu
trennen, ohschon allerdings sehr häufig bei einer und derselben Cur Einflüsse der
verschiedensten Art combinirt werden. So können z. B. bei gewissen Badecuren
medicamentöse (chemische Bestandteile), physikalische (Temperatur des Wassers)
und mechanische Einwirkungen (Wellenschlag beim Seebade) in Frage kommen.
Bei den meisten medicamentösen und physikalischen Curen spielt auch Combination
mit Veränderung der Diät eine bedeutende Rolle, doch ist diese für den Begriff
der Cur keineswegs wesentlich, bei einzelnen Curen gegen äussere Krankheiten,
z. B. den Krätzcuren ganz irrelevant.
Unter den medicamentösen Curen stehen der Häufigkeit ihrer Anwendung
nach die Quecksilbercuren obenan. Dieselben bilden die Hauptgrundlage
aller antisyphilitischen Curen. Man unterscheidet hier Salivationscuron und
Extinctionscuren, je nachdem das Quecksilber in solcher Weise angewandt
wird, dass rasch Speicheifluss resultirt oder, wie gegenwärtig fast immer, in der
Art, dass dieser Oberhaupt nicht eintritt. Alle officinellen und viele nicht offiei-
ncllen Quecksilberpräparate dienen in verschiedenen Formen zu derartigen Curen,
die verschiedene Namen , meist nach dem Arzte , der sie zuerst angegeben , er-
halten haben. Am bekanntesten sind die sogenannten Inunctions euren
mit grauer Quecksilbersalbe, die man gewöhnlich schlechtweg als Schmier-
en r e n bezeichnet, wobei man wiederum nach der Menge der eingeriebenen Salbe
und der Raschheit der Imprägnation des Körpers mit Quecksilber grosse
Schmiercuren [8 — 12 Einreibungen von 4.0 — 6.0 in den Schmiercuren von
Lot TRIER und Ru.st) und kleine (20 — 30 Einreibungen von 1.2 — 2.5 in den
Curen vou Cillerier und v. Sigmund) unterscheidet. Neben den Schmiercuren
sind die Curen mit Sublimat die gebräuchlichsten, den man jetzt vorwaltend in Sub-
cutan injection nach Lkwin benutzt, früher vielfach innerlich in Pillen (Dzondi's Cur,
Di piytren's Cur), seltener in Einreibungen (Cirillo's Cur) verwandte. Ziemlich
ausser Gebrauch zu Quecksilbercuren sind gegenwärtig das Quecksilberoxyd (Curen
von Bekg und von Blasius), das Calomel (Cur vou Weixholj») , die Jodverbin-
dungen des Quecksilbers (Cur vou Ricord) u. A. m. Der intensive Eingriff, der
mit allen Quecksilbercuren verbunden ist, die bei übertriebener Zufuhr von Mer-
curialien häufig chronische Vergiftung bedingen , hat die curmässige Anwendung
verschiedener anderer Medicamente zu gleichen Zwecken hervorgerufen, unter denen
da« Jod und dessen Alkaliverbindungen, besonders J o d k a 1 i u m , das Kalium-
bi Chromat und verschiedene als Antidyscratica ('s. d. Bd. I, pag. 427)
im Rufe stehende Vegetabilien gegenwärtig die wichtigsten sind. Die letzteren
bilden die Grundlage der Holztrankeuren oder Decoctcuren (Tisane-
curen), bei denen weniger eine speeifische Action der eigenthümlichen Pflanzen -
stofte in Frage kommt, als die Wirkung der dabei eingeführten grossen Wasser-
mengen, die durch das Liegen im Bette hervorgerufene Diaphorese, die gleichzeitig
angewendeten Purganzen, die knappe Diät, indem der Einfluss aller dieser Factoren
auf den Stoffwechsel die Ursache der übrigens denen de« Quecksilbers nicht
gleichwerthigen Heilerfolge ist. Auch mehrere dieser Holztrankeuren haben
nach ihrem Erfinder besondere Namen bekommen, z. B. die mit Decoctum Sarsa-
jmrillae compositum ausgeführte ZiTTMANN'sche Cur, die PoLLixi'sehe Cur mit dem
gleichnamigen Decocte. Fast vergessen ist die methodische Behandlung der Syphilis
mit den aus Abkochungen antidyscratiseber Drogen, namentlich aus Sarsaparille
angefertigten Syrupen (St'rop de Cuisinier, Itoob La fecteur), ebenso die Syphilis-
cur mit verschiedenen unorganischen Stoffen , unter "denen namentlich einzelne
Metalle, wie Gold, Platin, Silber, Kupfer (Liquor antimt'asmaticus Köchh'ni),
aber auch Säuren ( Salpetersäure) und Alkalien vorübergehend ausgedehntere Be-
nutzung fanden. Manche der zuletzt genannten Curmittel wurden und werden ebenso
wie die .Jodpräparate und die Decoctcuren auch bei einer Reihe anderer, sogenannter
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CUR.
341
constitutioneller Krankheiten curmässig gebraucht, go dag Silber bei Epilepsie
und Rückenmarksdarre, die Salpetersäure (in Form von Fugsbädern) bei Leber-
leiden, die Alkalien bei acutem Gelenkrheumatismus, Gicht, Diabetes und anderen
Leiden. Von den Metallen igt das Eisen und seine zahlreichen Salze bei tonigiren-
den Curen (8tahlcuren bei Bleichsüchtigen) viel verwendet. Von Ametallen spielt
eine Hauptrolle als curmässig benutztes Mittel der Schwefel , der freilich weniger
als inneres Mittel (z. B. bei Bleikolik), wie als externes Mittel und namentlioh
als Antipgoricum gebraucht wird , als welchee er früher bei Krätzcuren als un-
entbehrlich galt, während er jetzt durch bessere Mittel ersetzt ist, welche soge-
nannte Schnellcuren bei Krätze ermöglichen (Perubalsam U.A.). Bei Haut-
krankheiten werden auch Theer und diverae Theerpräparate , ferner Argenikatieu
methodisch verwendet, welche letzteren auch neuerdings vielfach zu tonisirenden
Caren Benutzung finden. Erwähnenswerth ist die Verwendung verschiedener Ab-
führmittel zu Curen, welche öfters ähnliche Zwecke wie die erwähnten Decoctcuren
verfolgen. So die der Senna in der berühmten Bleicolikcur der Pariser Charite,
besonders aber verschiedene Purgirsalze, denen man blutreinigende Wirkung zu-
schreibt. Hierher gehören auch die sogenannten Frühlingscuren oder Kräuter-
safteuren, da der zu denselben dienende frisch ausgepresste Saft des Löwenzahnes
and anderer Kräuter vorwaltend durch seinen Gehalt an Salzen wirkt. Häufig
ersetzt man die Purgirsalze durch Mineralwässer, in denen dieselben natürlich
vorkommen. Ueberhaupt schliesseu sich sämintliche Mineralwässer, soweit sie zu
Trinkcuren dienen, eng an die curmäasig verwendeten Medicamente an, während
sie zum Theil auch wegen ihres Gebrauches zu Bädern physikalische Curmittel
darstellen. Wesentlich zu den mcdicamentösen Curen gehört auch die derivative
oder ableitende Cur (s. Ableitung Bd. I, pag. 25), wozu insbesondere haut-
oder darmreizende Mittel gebraucht werden. Endlich sind noch die sehr mannig-
faltigen Formen der Inhalation als besondere Localcuren zu erwähnen.
Diätetische Curen nennt mau solche, bei denen die gewöhnlich zur Er-
nährung dienenden Stoffe in methodischer Weise dargereicht werden , um durch
Veränderung des Stoffwechsels krankhafte Zustände zu heben. Es ist indess ge-
bräuchlich, manche Curen hinzuzurechnen, welche mit Zubereitungen aus gewissen
Nahrungsmitteln, die den Charakter von Arzneimitteln tragen, hergestellt werden, z. B.
Molkencuren, Kumyscuren, Kefircuren. Man theilt die diätetischen Curen am
zweckmäsgigsten in roborirende (plagtigche) und entziehende (antiplastische)
ein, wobei indess nicht ausser Acht zu lassen ist, dass verschiedene dieser Curen
nicht ausschliesslich bei Störungen der Ernährung in Anwendung kommen und dass
einzelne derselben unter veränderten Bedingungen beiden Indicationen, der Förde-
rung des Angatzes gowohl alg der Verringerung des Körpergewichts, zu dienen
im Stande sind. Dies gilt namentlich von den mit Weintrauben ausgeführten soge-
nannten Traubeneuren, die durch ihren Gehalt an Traubenzucker bei Au-
wendung kleiner Mengen und gleichzeitiger reicher stickstoffhaltiger Diät Körper-
gewicht und Körperkraft vennehren, während bei Anwendung grösserer Quantitäten
und blander Diät abführende und antiplastische Wirkung hervortritt. Dasselbe gilt
von den Curen mit anderen Früchten, den sogenannten Obstcuren, welche
jedoch weniger gebräuchlich -als die Traubencur siud und deuen sich einerseits die
Apfel wei neuron, andererseits die keineswegs ungefährlichen Wassersuchtscuren
mit Citrouen anschliessen.
Unter den zu roborirenden Curen benutzten Substanzen nimmt die Milch den
ersten Platz ein, welche auch bei dem als Mastcur (0 v erf eed i u g, Surali-
mentation) zu bezeichnenden Verfahren von S. Weir Mitchell bei schwerer
Hysterie und Neurasthenie, in welcher wochenlang eine möglichst reiche Zufuhr
stickstofrreicher Nahrung stattfindet , das Hauptmittel bildet , nebeu welchem und
anstatt dessen übrigens auch leicht verdauliche Fleischpräparate (Poudre do viande,
Poudre de sang de boeuf) in Frankreich empfohlen werden. An die Curen mit
Milch schliessen sich die ebenfalls bei Krankheiten mit gesunkener Ernährung in
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?42 CUR.
Anwendung kommenden Curen mit verschiedenen Zubereitungen der Milch, wohin
entfettete Milch (saure oder abgerahmte Milch, Buttermilch), von Casein und Fett
befreite Milch (Molke) und die bereite oben genannten, durch Gährung erhaltenen,
alkohol- und kohlensäurehaltigen Getränke Kumys und Kefir gehören, bei deren
Wirkung die lockere Beschaffenheit des CaseVns mehr als Alkohol und Kohlen-
säure betheiKgt erscheinen. Das Nähere über diese Mittel wird in besonderen
Artikeln mitgetheilt werden.
In Bezug auf die antiplastischen Curen ist man in der Gegenwart zu der Ueber-
zeugung gelangt, dass dieHungercuren (Carenzcuren) und länger dauernde
Entziehungscuren höheren Grades (Absti n enzeuren), wie sie die
Aerzte in älterer Zeit behufs „Umstimmung" des Organismus bei acuten und
besonders chronischen Krankheiten — hie und da noch verbunden mit der An-
wendung von Purganzien oder mit der Darreichung kleiner Mengen Brechweinstein
(sogenannte Ek e 1 c u r) oder selbst mit wiederholten Blutentziehungen — anzuwenden
liebten und die durch ihre intensive Wirkung auf die Blutbildung von überaus
schädlichem Einflüsse auf den Organismus sein müssen, nur ganz ausnahmsweise
Auwendung finden können. Dagegen ist allerdings eine kurzdauernde starke Herab-
setzung der Zufuhr der Nahrungsmittel ein wesentliches Unterstützungsmittel
medicamentöser Curen, z. B. der Decoctcuren, und eine Verminderung geringeren
Grades gilt vielen Praktikern bei fieberhaften Zuständen als unerläßlich. Bei den
haupsächlichsten Entziehungscuren der Gegenwart kommt nicht das gesammte
Nahrungsmaterial in Frage, sondern nur einzelne Bestandteile der Diät So
bandelt es sieb bei den gebräuchlichen Entfett ungscurenfs. d.) entweder um die
Entziehung des Fettes selbst (Baxting-Cut) oder um die der Kohlehydrate (Cur
der Fettsucht nach Ebstein), welche letzteren auch bei verschiedenen Cureu des
Diabetes entzogen werden. Selbst diese partiellen Entziehungscuren sind nicht
immer ohne Gefahr und können zu schweren Störungen führen. Einen noch inten-
siveren Eingriff stellt übrigens die curmässige Entziehung des Wassers, welche
früher einen wesentlichen Bestandtheil der sogenannten arabischen Cur der
Syphilis (mit den aus Quecksilber und Sublimat bestehenden arabischen Pillen)
bildete, neuerdings besonders in der Form der SCHROTHschen oder Semmel-
ciir in Anwendung kommt, deren Gefahren in keinem richtigen Verhältnisse zu
ihrem Nutzen stehen.
Veränderte Flüssigkeitsaufnahme ist übrigens auch ein wesentlicher Theil der
OF.KTEL'seheu Cur bei Circulationsstörungen, welche damit den Uebergang zu den
mechanischen Cureu, Mechanotherapie bildet, welche man auch als
Bewegungscuren, Kinesiatherapie, bezeichnen kann. Curen dieser
Art unterscheidet man in solche mit activer, passiver und gemischter
Bewegung. Die OERTEi/sche Cur combinirt ausser beschränkter Wasserzufuhr
ein besonderes Regime in Bezug auf die Zufuhr von stickstoffhaltigen und stick-
stofffreien Nahrungsmitteln mit activen Bewegungen in Form von methodischem
Bergsteigen mit allmäliger Steigerung der Entfernungen von 500 — 1500m
über die Thalsohle, wodurch Kräftigung des dabei angestreugteu Herzmuskels und
wesentliche Erleichterung der Athembeschwerden erzielt werden soll. Die Vornahme
der Oer t el ' seh e n Curen, bei denen es nicht ohne erhebliche Beschwerden für den
Krauken abgeht, so das« der französische Kliniker G. See sie eher für Hunde
als für Menschen berechtigt ansieht , geschieht jetzt in fast allen Curortcn in
hügeligen oder bergigen Gegenden, in denen seitens des Arztes bestimmte Weg-
strecken abgegrenzt sind, deren Begehung dem Patienten ein genau abgemessenes
Quantum von Muskel- und Herzmuskelarbeit ermöglicht, das nicht durch blosses
Gehen bestimmter Zeitfristen nach der Uhr regulirt werden kann. Man nennt
Curorte mit diesen Einrichtungen Terraincurorte. Die Cur ist auch in ver-
schiedenen klimatischen Curorten während des Winters möglich und namentlich
sind Meran, Bozen und Are» von Okhtel selbst als Terraincurorte einge-
richtet. Das Bergsteigen, freilich in geringerem Maasse, bildet übrigens auch einen
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CUR.
der Factoren , welche bei der günstigen Wirkung des Aufenthaltes in Höhen-
klimaten (s. Cur orte) nicht übersehen werden dürfen, indem durch Anregung
kräftigerer Thätigkeit der Athemmuskeln Erweiterung des Brustkorbes resultirt.
Insofern dabei auch die übrigen Muskeln der Extremitäten und des Kumpfes in
erhöhter Weise fungiren, ist dabei auch eine allgemeine Kräftigung, daneben durch
die verstärkte Oxydation, theils in Folge der vermehrten Sauerstoffzufuhr, theils
in unmittelbarem Zusammenhange mit der Function der Muskeln, Vermehrung der
Körperkraft und Regelung des Stoffwechsels zu erzielen. Man erreicht dieselben
Effecte auch durch manche andere active Bewegungen, wie sie im Schwimmen,
Fechten (altes Curmittel gegen Fettsucht), Laufen, in dem Exerciren, der Jagd,
besonders aber in den Leibesübungen gegeben sind , die man in der Gegenwart
als Gymnastik zu bezeichnen pflegt und welche bei uns in Form von Turn-
Übungen (Freihandturnen, Turnen an Barren, Reck) methodisch in Auwendung
gebracht wird. Die kräftigenden und entfettenden Effecte der Leibesübungen beim
Militärdienste, welche diverse der oben genannten activen Bewegungen involviren,
hat mancher schwächliche oder an Aufschwemmung leidende Freiwillige an sich
selbst zu erfahren Gelegenheit. Die Möglichkeit, bei gymnastischen Uebungcn
einzelne Muskeln besonders zu berücksichtigen und functionsfähiger zu gestalten,
macht die Gymnastik zu einem wesentlichen Unterstützungsmittel der sogenannten
orthopädischen Curen chirurgischer Krankheiten (Verkrümmungen, Anchy-
losen), bei denen ausserdem mannigfache mechanische Apparate, Strecklatteu
u. s. w. in Gebrauch kommen, deren Effecte oft nur durch entsprechende Gym-
nastik zu permanenten gemacht wurden. Auf methodische Gymnastik einzelner
Muskeln beruhen auch verschiedene Curmethoden gegen Stammeln, Schreibekrampt
und ähnliche Leiden. Die bei uns übliche Gymnastik , welche nur active Bewe-
gungen willkürlicher Muskeln verwerthet, ist von der durch Ling eingeführten,
jetzt in allen Ländern verbreiteten schwedischen Heilgymnastik, unpassend
Kinesipathie genannt, dadurch verschieden, dass diese auch auf unwillkürliche
Muskeln (Darmcanal, Blase, Herz, Kreislauf, Athmung) einzuwirken sucht und dass
sie sich der sogenannten halb activen oder duplicirten Bewegungen bedient,
indem der Kranke gegen den Widerstand eines anderen, des Gymnasten, oder
gegen denjenigen besonderer Maschinen in den verschiedensten Stellungen mannig-
fache Muskelactionen ausführt oder gegen seinen eigenen Willen durch den
Gynmasteu passive Bewegungen ausfuhren lassen muss.
Als eine auf passiver Beweguug beruhende Cur ist die Massage hervorzu-
heben, die gegenwärtig eine sehr ausgedehnte Verwendung in der Therapie chirur-
gischer und interner Krankheiten besitzt, während sie sieh früher auf das Durch-
kneten schmerzhafter, steifer oder krampfhaft zusammengezogener Muskeln be-
schränkte. Dieselbe ist entweder eine allgemeine, wo sie ebenfalls tonisirend und
entfettend wirken kann , besonders geschätzt aber bei Erschöpfungsneurosen iBt,
oder eine mehr beschränkte, wo namentlich die Resorption stark angeregt und die
Aufsaugung von Exsudaten und die Beseitigung davon herrührender Anschwellungen,
Schmerzen u. s. w. gefördert wird. Die bei der Massage in Betracht kommenden
mechanischen Eingriffe, die man in stabile (Drücken, Klopfen. Kneifen, Quetschen)
nnd fortschreitende (Reiben, Streichen) unterscheidet, sind übrigens auch früher
schon in verschiedener Weise methodisch in Anwendung gezogen worden. Schon
im Alterthume gab es Gymnasten , Aerzte , die sich derselben bedienten , und im
Orient, in Ostindien, China u. s. w. sind dieselben meist in Verbindung mit Schwitz-
bädern als sogenannte Shampoenen in Gebrauch, wobei der Bader Rückgrat,
Lenden und Extremitäten zunächst mit der flachen Hand sanft drückt, dann mit
der Faust stösst und knetet, hierauf mit Seifenschaum und wannen Tüchern reibt
und die Procednr mit Knackenlassen einzelner Gelenke beendet. Das Klopfen und
Kneten des Unterleibes ist als Cur bei Hartleibigkeit bekannt, ja Heidler wollte
durch Ersen fltterungscuren alle möglichen Krankheiten heilen. Zu den Curen
mit passiven Bewegtingen zähltauch das Peitschen (Fla gell ati oti), insoweit
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344
CUR.
solches im Zustande von Bewusstlosigkeit (Erstickung durch Kohlendampf, Morphin-
vergiftung, Chloroformvergiftung) oder bei diversen Lahmungen angewendet wird,
während das in den Zeiten der Ausbreitung des Christenthumes und im Mittel-
alter von zelotischen Mönchen betriebene Selbstgeisaeln gegen fleischliche Gelüste
zu den gemischten Bewegungen gehört. Auch die in der Behandlung acuter Ver-
giftungen so viel benutzte künstliche Respiration, insoweit solche durch
mechanische Anfüllung der Lungen mit Luft durch Erweiterung des Brustkorbes
geschieht, reiht sich den passiven Bewegungscuren an.
Von gemischten Bewegungen finden Fahren, Reiten und Schiffen nicht selten
curmässige Verwendung, deren Effecte zum Theil auf dem damit verbundenen
Aufenthalt in freier Luft beruhen. Andere früher benutzte Bewegungen, z. B. das
in älteren Irrenanstalten übliche Herumdrehen im Kreise, in den sogenannten
Trillstühlen, sind jetzt vergessen. Am meisten benutzt werden noch die
Seefahrten, von den Alten geradezu wegen der dadurch bedingten Seekrank-
heit bei ünterleibsstörungen benutzt, jetzt bei Brustleidenden und Nervösen in
Gebrauch, doch knüpft sich der etwaige Effect weniger an die eigentümliche
Schaukelbewegung , als an den Einfluss der Seeluft , der sich namentlich beim
Kreuzen unter warmen oder gemässigten Breiten bei Phthisikern geltend machen
kann, so dass sie im Wesentlichen den sogenannten Strandcurcn entsprechen
und wie diese zu den physikalischen Curen gehören oder doch den Uebergang
dazu machen.
Die physikalischen Curen zerfallen nach den dabei in Betracht kommenden
Dynamiden in verschiedene Abtheilungen. Am häufigsten wird die Wärme zur Er-
zielung von Heilerfolgen in Beziehung zum Organismus gesetzt, wobei es sich ent-
weder um den Einfluss erhöhter oder erniedrigter Temperatur handelt.
Strahlende Wärme kam in früherer Zeit vielfach als tonisirendes Mittel
bei Schwäche - und Lähmungszuständen curmässig als sogenannte Insolation
(Hei i os i 8) in Anwendung, wobei man, um intensiver und gleichzeitig ableitend
zu wirken, die Sonnenstrahlen mittelst biconvexer Linsen (Brenn- oder Sammel-
gläser) concentrirte. Ausserdem spielen hohe Temperaturen bei den deriva-
torischen Curen keine unbedeutende Rolle, wobei man sich des Glüheisens (Fer-
rum candena), der Brenncylinder (Mosen), in siedendes Wasser eingetauchter
metallischer Instrumente (Mayo's Hammer) u. s. w. an Stelle hautröthender oder
blasenziehender Arzneimittel bediente. Noch mehr ist die Wärme bei schweiss-
treibeuden und antirhenmatischen Curen betheiligt; hier kommt ausser der Ein-
führung warmer Getränke, besonders die sogenannte trockene Wärme in Be-
tracht, wohin ausser der Bettwärme und dem Einhüllen in Watte und Baumwolle
auch das Umgeben des ganzen Körpers mit warmem oder heissem Sande, Asche
oder anderem erwärmten Materiale (Sandbäder, Aschenbäder. Kleie n-
bäder) gehören. In der Regel dient als Uebertragungsmittel oder Entziehungs-
mittel der Wärmo das Wasser und die Luft, ersteres vor Allem in Form der
Bäder (Dampfbäder, Wannenbäder, Flussbäder) und anderer analoger Formen, wie
Begiessungen, Douchen, welche im Artikel Bad (Bd. II, pag. 105) besprochen
wurden. Besondere Hervorhebung verdient die von dem schlcsischen Bauern
Priessnitz erfundene, später von wissenschaftlichen Aerzten viel verbesserte
Kaltwassercur (Hydrotherapie, Hydriatrik ), welche das Wasser teilweise
innerlich , vorwaltend aber äusserlich , und hier ganz besonders in der Forin der
sogenannten Einpackung in nasse Tücher , ausserdem Douchen , Regen bader,
Sturzbäder, Abwaschungen, Abreibungen, unter Umständen auch Klystiere, als
Curmittel verwendet, das durch eine geregelte Diät und Beweguug unterstützt wird.
Die Luft als Träger der Wärrae dient , vom türkischen Bade abgesehen, vor
Allem als Curmittel in den sogenannten Curorten oder klimatischen Curorteu,
doch ist dabei nicht blos die Temperatur in Frage. Bei den sogenannten Höhen-
curen (g. Curorte) ist namentlich die Verdünnung und die Reinheit der Luft
von gleicher Bedeutung. Wie diese besonders bei Lungeukrankheiteu An-
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CUR. — CURARE.
345
wendung finden, dient bei solchen auch die auf der Einwirkung erhöhten Luft-
druckes beruhende Bogenannte pneumatische Cur (Medication pneumatique),
bestehend in dem V2 — 1 stündigen Aufenthalte in nach Art der Taucherglocke
construirten Recipienten, in welchen die Luft durch Pumpen beliebig verdichtet
and erneuert werden kann.
Ausser der Wärme wird von Dynamiden besonders häufig noch die Elektri-
e i t ä t in sehr verschiedener Weise zu Guren verwerthet, die im Artikel Elektro-
therapie ausführlichere Darstellung finden, und welche den in früherer Zeit
viel benutzten mineralischen Magnetismus völlig verdrängt hat, da sich die Wirk-
samkeit der mineral-magnetischen Curen weder bei der Fixirmethode (länger
dauernde Befestigung beider Pole an den leidenden 8tellen) noch bei der Streich-
methode, noch bei dem Tragen der sogenannten Armaturen (kleine Magnete
als Colliers oder Gürtel getragen) jemals bewährt hat. Die alten magnetischen
Curen finden ihr Pendant in den heute noch in Frankreich von verschiedenen
Aerzten benutzten metallischen Curen (Metallotherapie), die mit dem
äusseren Auflegen von diversen Metallplatten (Kupfer, Eisen, Gold, Silber), be-
sonders bei verschiedenen NervenafFectionen Heilerfolge erzielt haben wollen. Völlig
verschieden von den ursprünglichen Magnetcuren sind diejenigen mit dem soge-
nannten thierischen Magnetismus, nach seinem Erfinder Mesmer (1734
big 1815) auch Mesmerismus genannt, d. h. durch Berühren und Bestreichen
vermöge der vermeintlichen Uebertragung der magnetischen Kraft des Magnetiseurs,
Curen, welche bei der genaueren Prüfung sich als Gaukelei und Betrug heraus-
gestellt haben und in die Reihe der sogenannten mystischen C u r e n gehören,
die namentlich in der älteren Medicin und besonders in der Volksmedicin eine
ungeheuere Rolle spielten und in letzterer noch heute die Ursache der Ausbeutung
der Einfältigen durch Charlatane und Gaukler werden. Dahin gehören die Curen
durch Besprechen, die verschiedenen sympathetischen Curen (z.B. Heilung
der Wunden durch Salben oder Verbinden der Waffe, mit der sie geschlagen
wurden) u. A. Auch die in Frankreich aufgekommenen hypnotischen Curen
(Uypnotismus, Braidismus), wobei durch verschiedene Mittel ein dem
sogenannten magnetischen Schlafe der Somnambulen entsprechender Zustand herbei-
geführt wird, die famosen Curen von Krämpfen durch Befestigen des Hinter-
theiles einer Taube an den Anus des Patienten (sogenannte Taubensteiss-
curen) tragen den nämlichen Charakter der für den Gebildeten unglaublichen
Wnndercuren.
Man würde offenbar Unrecht thun, wenn man derartige Curen zu den psychi-
schen rechnen wollte, denn die wissenschaftliche Therapie bedient sich wesent-
lich anderer Mittel, um bei Seelenzuständen beruhigend oder herabstimmend oder
erregend und kräftigend zu wirken. Die einzelnen hier in Betracht kommenden
geistig-sittlichen oder Sinneseindrücke (Kräftigung des Willens , Fixiren der Auf-
merksamkeit, Zerstreuung, Musik) besitzen kein pharmaceutisches Interesse.
Th. Hasemann.
CurapaO-Schalen, s. Aurantium (Bd. II, pag. 36).
Curare, auch Uvari, Awara, Worara, Woorari, Wourali genannt,
ist ein indianisches Pfeilgift.
Eis wurde zuerst 1595 durch Walther Raleioh nach Europa gebracht. Der
Saft mehrerer Strycknos- Arten ist jedenfalls der wesentliche Bestandteil desselben,
doch werden zu seiner Bereitung noch verschiedene Zuthaten genommen, wie Piper,
Aristolochia, Caladium, Petiveria, Cocculus, Spigelia u. A. Nach Plaxchox
bildet am Amazonenstrome Strychnos Castelnoeana Wedd. , am Orinoco und in
Englisch- Guyana St. toxlfera Schomb. und iu Französisch-Gnyana .SV. Crtvanxi!
DC. die Grundlage des Curare. Aus dein Umstände, dass in Curare mitunter
Schlangenzähne gefunden wurdeu , schliesst mau , das* auch Schlangeugift ein
Bestandtheil desselben sein dürfte.
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b4.i
CURARE. — Cl'RARIN
Das in Form eines dunkelbraunen trockenen Extractes zu uns gelangende Curare
wirkt schon in Dosen von 0.01 — 0.02 g lähmend auf die willkürlichen animalischen
Muskeln, und zwar in der Weise, dass nicht die Muskeln selbst, sondern die vom
Rückenmark ausstrahlenden motorischen Nerven, auf welche die Bewegungsimpulse
vom Gehirn und Rückenmark zu den Muskeln gleiten, durch das Curare leitungs-
unfähig werden ; es wird gewissermaßen die Brücke zwischen dem Willen und dem
Muskel abgebrochen. Hierauf beruht die durch Curare' erzeugte Lähmung. Der
motorische Nerv hat durch Curarisirung seine Reizbarkeit eingebüsst, der Muskel
Belbst ist reizbar geblieben. Die Curarelähmung erstreckt sich nur auf die moto-
rischen Nerven der willkürlichen Muskeln. Die Nerven der organischen Muskel
fasern , also die des Magens , der Gedärme , der Blase etc. werden selbst durch
sehr grosse Dosen nicht gelähmt , auch die Herznerven bleiben unversehrt , des-
gleichen die organischen Muskeln selbst, sowie der Herzmuskel. Die vegetativen
Functionen können also trotz der Curarelähmung fortbestehen, wenn man die
durch Lähmung der willkürlichen Athmungsmuskel bebinderte, willkürliche Athmung
durch küustliche Athmung, durch künstliches Einblasen von Luft in die Lungen
ersetzt. Wegen dieser seiner Eigenschaft wird das Curare zu physiologischen,
pathologischen und toxicologischen Thierversuchen benutzt.
Das Curare wirkt toxisch nur, wenn es direct in's Blut gebracht wird. In den
Magen gebracht wirkt es deshalb nicht, weil es sehr langsam resorbirt, in's Blut
aufgenommen , dagegen sehr rasch wieder durch die Nieren ausgeschieden wird.
Die Einleitung künstlicher Respiration ist das erste Erforderniss bei Curare-Ver-
giftung.
Therapeutisch findet dasselbe gegenwärtig keine Verwendung ; früher wurde es
gegen Blepharospasmus, Tetanus- und Strychninvergiftung empfohlen.
Nach Dragendorff sind für den forensischen Nachweis beachteuswerth : Curarin
wird aus schwefelsaurer Lösung (auch wenn sie alkalisch gemacht wurde) weder
von Aether noch von Benzol aufgenommen ; der eingetrocknete alkalische Auszug
gibt an 95procentigen Alkohol Curarin ab, welches in Wasser leicht löslich ist.
v. Bäsch.
Clirarin ist der wirksame, giftige Bestandtheil des Curare (s. d.), dessen
Reindarstellung von Boussixgault und Roulix, daun von Pelletier nnd Petroz,
ferner von Preyer (nach ihm ist das Platindoppelsalz C10 H16 N . Pt Cl3) und später
von Sachs versucht wurde. Die neuesten und besten Untersuchungen hat vor Kurzem
R. Böhm (Beitrüge z. Physiol. , C. Ludwig z. s. 70. Geburtstage gewidm. 1886)
puhlicirt. Böhm ermittelte Folgendes: Neben dem wirksamen Alkaloide Curarin
enthalten die verschiedenen Curaresorten sehr variable Mengen einer unwirksamen
Base, Curin (durch Metaphosphorsflure fällbar und krystallinisch).
Zur Darstellung des C n r i n s wird Curare so lange (eventuell mit ver-
dünnter Schwefelsäure 1 : 100) extrahirt, als man noch eine deutliche Metaphosphor-
säurereaction erhält. Aus diesem wässerigen Auszug wird das Curin mittelst Am-
moniak als voluminöser , schmutziggraner Niederschlag gefällt , der ziemlich viel
Curarin mitgerissen enthalt. Der rasch abfiltrirte Niederschlag wird in einer Flasche
alsdann mit viel Aether Übergossen und durchgeschüttelt, wobei Curin aufgenommen
wird, Curarin aber zurückbleibt. Zu weiterer Reinigung wird das ätherische Extract
verdunstet und die hinterbleibende Masse in Alkohol gelöst, daraus Curin wieder
durch Wasser gefüllt. Das erhaltene farblose amorphe Pulver wurde zur Analyse
nochmals mit absolutem Aether gelost und die ätherischen Lösungen langsam über
Schwefelsäure eindunsten gelassen. BÖHM erhielt m eine blcndendweisse Masse, die
unter dem Mikroskope sich als aus sehr kleinen Sphärokrystallen bestehend erwies.
Eigenschaften des Curins. Wenig löslich in kaltem, etwas mehr in
heisrem Wasser, leicht löslich in Weingeist, Chloroform und in verdünnten Säuren.
Die Logungen schinecken intensiv bitter. Salze nur amorph. Schmelzpunkt 160".
Farblose und amorphe Niederschlüge mit den gebr. Alkaloidreagentien : charak-
teristisch ist die Füllung mit Metaphosphorsüure. Aus dem in Wasser und Alkohol
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CÜEARIN. — CüRCAS.
347
60 gut wie unlöslichen Platinchloriddoppelsalze wurde das Molekulargewicht
des Cur ins auf 298 berechnet. Besondere Farbenreactionen scheint Curin nicht
zn geben. Physiologisch unwirksam.
Durch Behandlung mit Methyljodid erhielt Böhm eine neue Base, welche inten-
sive Curarewirkung besass.
Darstellung des Curarins. Nächst mehreren anderen Fällungsmethoden
erhielt Böhm die beste Ausbeute, indem er den sauren, wässerigen Auszug von
enrin freien Curaresorten durch einen Ueberechusa von Platinchlorid als
amorphen Niederschlag direct ausfällte. Das so erhaltene Product war schon 8 bis
lOmal wirksamer als die ursprüngliche Substanz. Zur weiteren Reinigung wird der
Platinniederscblag auf dem Saugfilter abgesogen, dann mit absolutem Alkohol ge-
waschen und dieser schliesslich mit absolutem Aether verdrängt. Nach dem Trocknen
an der Luft bildet das Platindoppelsalz eine graugelbe , pulverisirbare , amorphe
Masse. Cm daraus das Curarin frei zu machen, wird diese Platinverbindung in
Alkohol fein suspendirt auf dem Wasserbade durch einen Schwefelwasserstoffstrom
zerlegt. Die dabei frei werdende Salzsäure wird, um eine Zersetzung des Curarins zu
verhindern, fortwährend mit weingeistigem Ammoniak neutralisirt. Das in Lösung
befindliche Curare ertheilt den Filtraten vom Schwefelplatinniederschlag eine leb-
haft gelbe biß orangerothe Farbe mit deutlicher Fluoreseenz in's Grüne. Nach dem
Eindansten im Vacuum über Schwefelsäure resultirt das Curarin als gelbe oder
orangerothe amorphe Masse neben reichlichen Salmiakkrystallen , von denen es
durch Ausziehen mit einem Gemisch von 4 Th. Chloroform auf 1 Th. Alkohol
getrennt wird. Das nach Verdunstung des weingeistigen Chloroformauszuges hinter-
bleibende Curarin wird in möglichst wenig Wasser gelöst , nach dem Abfiltriren
kleiner Mengen Schwefel und anderer Verunreinigungen wird die reine wässerige
Curarinlösung schliesslich im Vacuum eingetrocknet.
Da« so isolirte Curarin hat folgende Eigenschaften: Amorpher Körper
von gelber Farbe mit grüner Fluorescenz in wässeriger Lösung. Ein krystallisirter
Kftrper (aber unwirksam) entsteht aus dem Curarin erst bei der Zersetzung durch
Säuren. Das Curarin reagirt in wässeriger Lösung nicht alkalisch, sondern
neutral und bildet jedenfalls keine krystallisirteu Salze. Die freie Base ist in
reinem Zustande ziemlich luftbeständig, leicht löslich in Wasser, Weingeist und
alkoholhaltigem Chloroform, unlöslich in Aetber und Petroläther. Geschmack intensiv
bitter. Mit coneentrirter Schwefelsäure befeuchtet, färbt Rieh reines Curarin augen-
blicklich prachtvoll rothviolett.
Die Dosis letalis beträgt pro Ko Kaninchen 0.00035 g. — Vgl. Curare.
Aus dem reinen Platindoppelsalz (18.31 Procent) berechnet sich das Mole-
kulargewicht des freien Curarins zu 326; diesem steht dasjenige dea
Curins mit 298 sehr nahe. v. Schröder.
CUTCclS, eine Eupkcrbiaceen-G&ttiing Adaxsüx's, synonym mit Jatropha Kth.
Sem. Curcadis, Sem. Ricini major is , Ficus infernal is , Nuces cathar-
ticae americanae neu barbadenae«, sind die Samen der strauchartigen Jatropha
Curcas L (Curcas purgans EndL), welche im tropischen Amerika heimisch ist,
aber in den meisten IVopcngegenden (Afrika, Neuseelaudj cultivirt wird.
Die Samen sind circa 17 mm lang, eiförmig, auf der Rückenseite gewölbt, die
Bauchseite durch den Nabelstreifen dachartig erhöht. Die Farbe ist ein mattes
Schwarz , mit feinen gelblichen , besonders auf dem Rücken längs verlaufenden
Rissen, an der Spitze ist die weibliche Narbe der abgelösten Caruncula sichtbar.
Die äus8er8te Schicht der Samenschale besteht aus einer Reihe radial gestreckter
Zellen mit verdickten Wänden und braunem Inhalt. An den Stellen, wo schon
mit blossem Auge die gelblichen Risse sichtbar sind , werden die Zellen dieser
Schicht kleiner und schwinden endlich ganz. In diese Lücken ist dann das folgende,
aus dünnwandigem Parenchym bestehende Gewebe eingedrungen. Die Zellen des
Endosperm enthalten fettes Oel und Aleuronkörner.
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CURCAS. - CÜRCUMA.
Der wirksame Bestandteil der Samen ist ein farbloses fettes Oel von 0.947
spec. Gew. (Ol. Curcadts , Ricini majoris , Cicinum infernale). Es ist zu
26 Procent in ihnen enthalten und bildet ein sehr heftiges Purgir- und Brech-
mittel, doch kommt die letztere Eigenschaft nur dem ranzigen Oel zu, während
es die entere der darin enthaltenen Jatrophasäure verdankt. Es soll nach Peckolt
zur Verfälschung des Crotonöles dienen. Hart wich.
CurClima. Gattung der Zingiberaceae, Unterfamilie Hedychieae. Im tropischen
Asien heimische Kräuter mit knolligem Wurzelstock , scheidig gestielten Blättern,
seiten- oder endständigen , durch Deckblätter schopfigen Inflorescenzen. Die ge-
wöhnlich gelben , zwitterigen Blüthen besitzen ein äusseres kurzes , dreizäh niges
und ein inneres lippiges Perigon, von den typischen 3 + 3 Staubgefässen nur ein
einziges fruchtbares, einen dreifächerigen Fruchtknoten, welcher sich zu einer viel-
samigen, dreiklappigen Kapsel entwickelt. Die Samen haben einen Arilin-.
1. Curcuma longa L. (Amomum Curcuma Jqu.) besitzt einen centralen,
gegen 15 cm hohen Blüthenschaft mit ebenso langer Aehre, deren Blüthen blassgelb,
von n"»t Ii lieh überlaufenen weissen Deckblättern gestützt sind. Von ihr stammt:
Rhizomu Curcumae, Gelbwurz. Turmeric, Terra nierita,
Souchet des Indes, ein sehr dichter, schwerer, hornartig spröder, aus freier
Hand kaum zu zerbrechender, am Bruche feinkörniger Wurzelstock mit grauem
bis gelbem (von der künstlichen Bestäubung zu unterscheidendem) Korke bedeckt.
Fig. 53. Fig. 54
Querschnitt durch den äusseren Theil des Curcuma- Kork des Curcuma-Rhizoms in
Rhizoms. A' Kork, p mit verkleisterter Stärke erfüll- der Flächenansicht,
tes Purenchym, 9 Gefaaae, * eine Harzzelle.
innen wachsglänzend gelbroth. Der geglättete (Querschnitt ist dicht hellgelb punktirt.
die Rinde — 1 8 des Durchmessers) durch eine helle Linie vom Kern scharf
getrennt, nicht abschälbar. Die mikroskopische I ntcrsiichunjr zeigt innerhalb der
Korkdeeke ein gleichförmiges, von Gefässbündeln durchsetztes Parenchym, dessea
Zellen zumeist einen gelben Kleisterklumpeu. vereinzelt einen dunkler
gefärbten Harztropfen enthalten (Fig. 53). Die Verkleisterung der Stärke rührt
daher, dass die Knollen, um das Auswachsen zu verhindern, gekocht wurden.
Das Rhizom schmeckt feurig gewürzhaft , etwas bitter , ähnlich dem Ingwer,
den Speichel färbt es beim Kauen gelb. An eigentümlichen Bestandteilen enthält
es ein ätherisches Oel (1 Procent) und den Farbstoff Cn reu m in (s. d.i.
angeblich auch ein Alkaloid (Ivaxow-Gajewsky).
Im Handel unterscheidet mau zwei Formen des Khizoms : Curcuma longa uud
Curcuma rotunda. Die ersteren sind nach den Untersuchungen von Arth. Meyer
(Arch. d. Pharm. 1881) die un verdickten , früher als Lateralknollen aufgefassten
Khizome. Sie sind etwa fingerlang. 8 — 12mm dick, walzenrund, einfach oder
mit kurzen stumpfen Aesten uud Narben versehen , undeutlich geriugelt. Es ist
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CUBCUMA. — CURCÜMIN. 349
die gegenwärtig fast ausschliesslich vorkommende Sorte, von welcher die Marke
BeDgal die geschätzteste ist. Curcuma rotunda, früher als Centralknollen be-
trachtet, sind im Gegentheil die verdickten unterirdischen Internodien von Blatt-
knospen. Sie sind ei- oder birnförmig, 20 — 30 mm lang, 15 — 20 mm dick, quer
geringelt, mit dünnen Wurzeln und rundlichen Narben besetzt.
Die hauptsächlichste Verwendung findet Curcuma als Gewürz, besonders in
England als Bestandteil des Curry powder (s. d.). In der Pharmacie und
Technik benutzt man sie weniger ihrer gewürzhaften Eigenschaften wegen , als
vielmehr wegen des Farbstoffes. Die neue deutsche und österreichische Pharmakopoe
haben sie nicht mehr aufgenommen.
2. Curcuma angustifolia Rxb. und C. leucorrhiza Rxb. sind
zwei verwandte Arten, deren Rhizome auf Stärke ausgebeutet werden (».Arrow-
root, Bd. I, pag. 577).
3. Curcuma ar omatica Rose. , eine durch dicke knollige Rhizome und
weissliche, roth bespitzte, gelblippige Blüthen charakterisirte Art, liefert die Ztdoaire
ronde des Cod. med.
4. Curcuma Zedoaria Rose. (C. Zerumbet Rxb., Amomum Zerumbet
König, A. Zedoaria W.) besitzt einen seitenständigen, bis 30 cm hohen Blüthen-
schaft mit halb so langen Aehren aus hellgelben Blüthen mit dunkelgelber Lippe,
die zu 3 — 4 in den Achseln grüner Deckblätter sitzen. Sie ist die Mutterpflanze
der Zedoaria (s. d.). J. Moeller.
Curcumapapier, <
urcuiuinpapier, Charta exploratoria lutea, ist mittelst
de« Curcuma farbstoffes getränktes und getrocknetes, sodann in Streifen geschnittenes
FUtrirpapier, welches als Reagenspapier Verwendung findet und, da es durch
das Sonnenlicht gebleicht wird, in dunklen Flaschen oder an dunklem Orte auf-
bewahrt werden muss. Zur Darstellung wird grob gepulverte Curcumawurzel mit
der fünffachen Gewichtsmenge 90procentigen Alkohols ausgezogen, die Tinctur mit
dem zehnten Theil Petroläther ausgeschüttelt und hierdurch hauptsächlich fettes
Oel entfernt. Nach Trennung vou der Pctrolätherschicht , die auch geringe An-
theile des Farbstoffes mit hinwegnimmt, wird die alkoholische Tinctur filtrirt und
mit derselben FUtrirpapier getränkt, welches, nachdem es an der Luft getrocknet
ist, in schmale Streifen zerschnitten wird. Das Curcumapapier wird durch Alkalien
und Alkalicarbonate braunroth gefärbt, welche Färbung beim Trocknen in Violett
ftbergeht und durch verdünnte Säuren wieder in Gelb zurück verwandelt wird.
Concentrirte Salzsäure färbt das Curcumapapier auch braun. Eine charakteristische
Reaction gibt das Curcumapapier mit Borsäure (falls dieselbe gebunden vorhanden
ist, muss sie durch raässigen Zusatz vou Salzsäure frei gemacht werden). Die Bor-
säure gibt mit dem Curcumafarbstoff anfangs keine Veränderung, beim Trocknen
des Papieres in mässiger Wflrnie tritt jedoch eine eigenthümliche rothe Färbung
auf, die durch verdünnte Säuren nicht verändert, durch verdünnte Alkalien in
Blau umgewandelt wird. Die Nuance der rothen Curcuminborsäurefärbung muss
man durch Versuche kennen lernen, um sich vor Täuschungen zu bewahren. Für
die Erkennung der alkalischen Reaction in gefärbten Flüssigkeiten ist das Curcuma-
papier empfehlenswerth.
Curcumin, Curcumagelb. Gelber Farbstoff des Rhizoms von Curcuma longa
L. Zur Darstellung wird die gröblich zerkleinerte Curcuma zunächst durch
einen starken Dampfstrom von dem ätherischen Oel befreit , mit heissem Wasser
gewaschen , so lange sich dieses noch färbt , abgepreßt und getrocknet. Das in
dieser Weise behandelte Rhizom wird mit siedendem Benzol ausgezogen. Die heisse
Benzollösung scheidet beim Erkalten lebhaft orangerothe Krusten von Rohcurcumin
aus. Diese werden auf Fliesspapier abgepresst und in kaltem Weingeist aufge-
nommen, wobei kleine Mengen eines gelben flockigen Körpers zurückbleiben. Die
filtrirte Lösung wird mit einer alkoholischen Lösung von Bleiacetat unter Zusatz
von etwas Bleiessig gefällt. Der ziegelrothe Niederschlag von Bleicurcumin wird
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CURCÜMIN. — CURORTE.
mit Weingeist gewaschen und in Wasser vertheilt durch Schwefelwasserstoff zerlegt.
Dem Schwefelblei wird dann der Farbstoff durch siedendeu Alkohol entzogen und
letztere Lösung der freiwilligen Verdunstung überlassen.
Eigenschaften. In dieser Weise dargestellt, bildet das Curcumin Krystalle,
die dem orthorhombischen System anzugehören scheinen. Das Curcumin ist nicht
sublimirbar; bei 165° beginnt es zu schmelzen und wird in höherer Temperatur
zersetzt. Es löst sich leicht in Aether und Weingeist, weniger in Benzol. Concen-
trirte Mineralsänren lösen etwas Curcumin, aber verandern es dabei. In Alkalien
löst es sich mit lebhaft rothbrauner Farbe und wird durch Siluren wieder aus-
gefällt. Kalk- und Barytverbindungen erzeugen rothbraune Fallungen. Die Blei-
verbindung, dargestellt durch Fallen einer alkoholischen Curcuminlösung mit
alkoholischem, essigsaurem Blei, ist ein feurigrother Niederschlag, leicht löslich in
Essigsäure. Die übrigen Metallverbindungen ähneln der Bleiverbindung.
Die mit reinem Curcumin erzeugten Farbenreactionen sind lebhafter wie die
der Curcuraatinctur. Das damit getränkte Papier (Curcuminpapier) gibt durch
Alkalien braunrothe Färbung, die beim Trocknen einen Stich in's Violette annimmt.
Verdünnte Säuren stellen die ursprüngliche gelbe Färbung wieder her. Es bleibt nicht
wie bei der Tinctur eine schmutzig olivengrüne Farbe zurück. 8. Curcnmapapier.
Das Curcumin bleicht an der Sonne. Natrinmamalgam in alkoholischer Lösung
entfärbt es. Erhitzt man eine alkalische Lösung von Borsäurecurcumin mit Mineral-
säuren, so wird sie blutroth und scheidet beim Erkalten eiuen körnigen, fast
schwarzen Körper ab, Rosocyanin genanut. Es löst sich letzteres nicht in
Wasser und Aether, aber in Alkohol mit schön rother Farbe auf, die durch Alkalien
lazurblau wird. v. Schröder.
Clirin, s. Curarin, pag. 346.
Clirella'SCheS Pulver ist Pulvis Liquiritiae compositum
Curorte. Diese Bezeichnung, obschon auch im weiteren Sinne auf alle Orte
bezogen, in denen besondere Curen (Molken-, Traubencurorte) vorgenommen werden,
dient im engeren Sinne für solche, wo die klimatischen Verhältnisse und vorzugs-
weise die Beschaffenheit der Luft ohne Beihilfe besonderer medicamentöser oder diäte-
tischer Mittel die Bedingungen der Herstellung oder Besserung dort verweilender
Kranken sind. Diese Orte, welche zum Aufenthalte von Kranken meist für Periodeu
dienen, währeud deren die Witterungsverhältnissc in der Heimat dieselben un-
günstig beeinflussen, heissen daher auch klimatische Curorte oder Luft-
curorte. Man fasst bei der ersten Bezeichnung das Klima nicht im Sinne der
ursprünglichen, sozusagen rein geographischen Bedeutung (xIijjix, die Neigung oder
Abdachung der Erde vom Aequator nach den Poleu zu und das daraus hervor-
gehende Verhalten in meteorologischer Hinsicht), sondern als die Summe der durch
die Entferuuug vom Aequator , die Lage am Meere oder im Binneulande (o c e-
a n i s c h e s und continentales Klima), durch die Elevations- (G e b i r g s-
oder Höhenklima) und Bodenverhältnisse (Waldklima) hervorgebrachten
localen meteorologischen Verhältnisse, von denen vor Allem Reinheit der Luft.
Lufttemperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und Luftbewegungen in Betracht
kommen. Man theilt die klimatischen Curorte am besten ein in Winter- und
Somtnerstationeu, obschon einzelne allerdings auch das ganze Jahr über als Auf-
enthaltsort dienen können.
Klimatische Winterstationen. Unter diesen haben die in südlicheren
Ländern belegenen sogenannten südlichen Winter curorte, früher auch
vielfach schlechtweg als „klimatische Curorte44 bezeichnet und bis in die letrten
Decenuien hinein den Hauptheil der sogenannten Klimatotherapie ausmachend, die
grösste Bedeutung. Der Hauptzweck derselben besteht darin , brustkranken oder
schwächlichen Personen den Aufenthalt in freier Luft während des Winters mögr-
lichst viel zu gestatten, ohne dass die mit dem nordischen Winter verbundenen
atmosphärischen Verhältnisse schädlich auf sie einwirken. Wesentliche Erfordernisse
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CUR ORTE
351
eines solchen Curortes sind daher reine, von atmosphärischen und chemischen
Schädlichkeiten freie Lnft, gleichmassige und namentlich wenig Schwankungen im
Laufe des Tages darbietende Temperatur, geschützte Lage gegen Wind und ge-
ringe Häufigkeit atmosphärischer Niederschläge (nach Regentagen oder besser
Regenstunden berechnet), Freisein von epidemischen Krankheiten und das Vor-
handensein eines angemessenen Comforts.
Die einzelnen Curorte zeigen übrigens in Bezug auf ihre klimatischen Ver-
hältnisse grosse Verschiedenheiten. So difFerirt namentlich die mittlere Winter-
temperatur (d. h. das Verhältniss der durch dreimal tägliche Thermometer-
beobachtung festgestellten Temperaturen für December, Januar und Februar) so
bedeutend, dass diese in einzelnen derselben der mittleren Temperatur des Sommers
in Norddeutschland (17.5°) sieh nähert, in anderen nur einem milden deutschen
Winter (4- Ibis 2°) entspricht. Sehr verschieden ist die relative Luftfeuchtig-
keit (d. h. das Verhältniss der Wasserdampfmenge, welche die Luft enthält, zu
derjenigen , welche sie bei der vorhandenen Temperatur überhaupt aufzunehmen
vermag), so dass man die betreffenden Curorte geradezu in feuchte und trockene
eintheilt Bei vielen der Curorte ist die höhere Luftfeuchtigkeit durch ihre
Lage in unmittelbarer Nähe des Meeres oder auf Inseln bedingt; doch gehören
auch einzelne Wintercurorte am Seestrande (Riviera di Ponente, Malaga) zu den
trockenen. Bei manchen Inselcurorten macht sich der Einfluss des Meeres so aus-
geprägt geltend, dass nicht allein die Tagesschwaukungen ganz unbedeutend sind
(in Madera nur 3 — 4°, in Malaga angeblich nur 2.5°), sondern die Wintertempe-
ratur von der Sommertemperatur nur wenig abweicht (Madera, Teneriffa), so dass
ein fortgesetzter Aufenthalt (besonders mit Benutzung auf den Inseln vorhandener
Höhen) möglieh ist.
Für die Effecte der Klimacuren ist es von besonderer Bedeutung, dass der
Kranke die Hin- und Herreise nicht zu unpassenden Zeiten unternimmt. Von
Deutschland ist die Abreise nicht im Winter, sondern im Herbste anzutreten. Die
Heimkehr vor Ende Mai oder Anfang Juni ist sehr zu widerrathen , da die Ver-
hältnisse der Atmosphäre vor dieser Zeit die Curerfolge ganz in Frage stellen
können. Zweckmässig ist es aber, die südlicheren Orte schon im April, wo Hitze
und Staub beschwerlich werden, mit etwas nördlicheren zu vertauschen und vor
der definitiven Rückkehr eine Uebergangsstation in Tirol oder der Schweiz
aufzusuchen, welche übrigens auch im Spätsommer vor der Reise in den Süden viel-
fach benutzt werden.
Von den zu klimatischen Curen dienenden Inseln und Rüstencurorten hat
Madera (32 — 34° n. Br.) und dessen Hauptstadt Funchal mit einer mittleren
Wintertemperatur von fast 17°, einem Minimum der Nachttemperatur von 9° und
einem Maximum der Sommerwärme von 30°, sehr feucht, wohl das gleichmäßigste
Klima. Wesentlich gleich verhalten sich die noch südlicher gelegenen C an ari-
schen Inseln (27.5 — 29.5° n. Br.). Hieran schliesst sich Algier (36.5° n.
Br., mittl. Wintertemp. von November bis Ende April 14 — 16°, weniger feucht);
dann folgen Palermo auf Sicilien (38.7° n. Br., m. Wttp. 11.5°); Ajaccio
auf Corsica (42.35° n. Br., m. Wttp. 11.2°); verschiedene Orte der Riviera
di Poneute, besonders Nervi, das, ebenso wie das westlich von Genua belegene
Pegli, dieselben Teniperaturverhältnisse zeigt, aber weit feuchter ist als die
sogenannte Riviera di Levaute, deren mittlere Temperatur für die sechs Cur-
monate (Mitte October bis Ende April) 9 — 12° beträgt. Von den bekannten Cur-
orten dieses Küstenstriches ist das auf italienischem Gebiete gelegene San Rerao
von Deutschland aus am besuchtesten und zeichnet sich vor den französischen Orten
(Hyeres, Cannes, Nizza, Mentone) durch etwas grössere Wärme (mittlere
Temperatur in den kältesten Monaten 11.3°) . von den drei erstgenannten auch
dnrch grössere Gleichmässigkeit aus. Weniger besucht sind die Wintercurorte der
spanischen Küste, unter denen Malaga (36.5° n. Br., m. Wttp. circa 40°) durch
seine gleichmässige Wintertemperatur Beachtung verdient, aber viele hygienische
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352
CUR ORTE.
Mängel bietet, deren Vorhandensein anch den Besuch verschiedener östlicherer, zu
Wintercuren wohl geeigneter Inseln und Küstenorte (Lissa und Lesina an der
dalmatinischen Küste, jonische Inseln, Patras, Smyrna, Port Said u. a. m ) nicht
rathlich macht. Den nördlichsten italienischen Wintercurort (45° n. Br.) bildet
Venedig mit nur 4.5° mittlerer Wintertemperatur, mehr zum Frflhlingsaufenthalt
(mittlere Frühlingstemperatur 13.24°) geeignet. Etwas südlicher liegt das wenig
windgeschützte Biarritz am Busen von Biscaya mit 6 — 8° mittlerer Winter-
temperatur, wenig mehr als diejenige der durch den Golfstrom beeinflussten Inseln
und Orte an der Süd- und Südwestküste von England (Insel Wight, Penzance,
Torquay, Bournemouth), deren mittlere Temperatur im Winter 5 — 7°, im
Frühling 7 — 10° beträgt und welche durch ihre geringen Schwankungen der
Tagestemperatur, aber auch durch Dunst und Regenmenge (5 — 6 Mal so viel
Regenstunden als in San Remo) sich charakterisiren.
Von den Wintercurorten der Tiefebene sind Cairo und das benachbarte
Heluan die südlichsten (30° n. Br.) und die trockensten; ausserdem fallen in
diese Kategorie der Curorte Rom (41—45° n. Br.; m. Wtp. etwa 10°), Pisa
(43° n. Br.; m. Wtp. 8.3°) und Pau (43° n. Br.; m. Wtp. 6.5—7.5°), an
welche sich einzelne nicht sehr hoch gelegene Orte der Pyrenäen (Amelie-les-Bains,
Palalda) aureihen. Diese letzteren machen den Uebergang zu den am südlichen
Abhänge der Alpen belegenen Orten, welche, obwohl auch zum Winter. -ui fent halte
passend, doch vorwaltend alsüebergangsstationen im Herbst oder Frühling
dienen. Hierher gehört namentlich Meran und Obermais in Tirol, wo die
Wintermonate relativ kalt (m. Temp. im Dec. 1.9 , im Jan. 0.3°, im März,
Feb. 3.4°) sind, aber die Herbstmonate (Sept. 17°, Oct. 12.9°, Nov. 5.6°) und
Frühlingsmonate (März 7.8°, Apr. 12.6°) günstige Verhältnisse darbieten, neuer-
dings auch, wie die benachbarten Orte Bozen und Gries zu Terraincurorten für
den Winter eingerichtet (s. Cur); hieran reihen sich Pörtschach am 8ee in
Kärnten , A r c o im Sarcathale und verschiedene Orte an den oberitalienischen
Seen (besonders Cadenabbia am Corner See , P a 1 1 a n z a am langen See,
Lugano am Luganer See), deren mittlere Temperatur um circa 2° höher als die
von Meran ist; endlich Montreux, Ciarens, Vcrnet, Territet und Vey-
taux am Nordufer des Genfer Sees, mit einer mittleren Wintertemperatur von
2.49 ü und einer Frtthlingstemperatur von 10.49°, sowie das etwa« höher belegene
und um circa 1° kühlere Ve vey, Di vo nn e bei Nyon, Beaurivage bei Lausanne.
Auch einzelne, etwas nördlicher gelegene alpine sonnige Orte am Vierwaldstädter
See (Weggis, Gersau), Interlaken und Brienz, können hier genannt werden. Im
Nothfalle benutzt man aber auch verschiedene in Süddeutschland belegene Orte
mit gleichmässiger Temperatur, früherem Eintritt des Frühlings und längerer Dauer
des Herbstes zum Winteraufenthalte oder zu Uebergangsstationen, wie Wiesbaden,
Cannstatt, Baden-Baden, Badenweiler u. A., wenn die Verhältnisse weitere Reisen
nicht gestatten oder es uicht zweckmässig erscheint, den Kranken den Sitten und
Lebensgewohnheiten seiner Heimat zu entziehen. Für derartige Kranke sind dann
auch die für den Sommeraufenthalt noch naher zu besprechenden EtablisBements
in Gröbersdorf und Falkenstein angezeigt.
In Englaud hat man den Versuch gemacht, die Klimacuren durch den Aufent-
halt in Häusern mit constanter Temperatur von 15 — 18° und feuchter Atmosphäre
(sogenannte Maderahäuser) zu ersetzen , wie solche z. B. in H a s t i n g s er-
richtet wurden. Grössere Bedeutung für die Ceberwinterung von Kranken, besonders
Phthisikern, besitzen verschiedene in den Alpen belegene Höhencurorte. besonders
das 1560m über dem Meere belegene Davos in Graubündten , das zwar nicht
die Annehmlichkeit einer gleich miissigen milden Temperatur und Witterung wie
die italienischen Küstenstriche bietet, aber vermöge sehr hoher Sommert empe rat Urea
und der vielen klaren Tage Bewegung in einer von Staub und anderen Materien
reinen Luft gestattet, die, so lange der Schnee liegt (Mitte November biB Mitte
März), nicht die im Sommer vorhandenen Bewegungen durch Berg- und Thal winde
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CURORTE.
353
leigt Der Besuch dieser Winterstation beginnt zweckmässig einige Wochen vor
dem Einschneien; das wechselnde Wetter während der Schneeschmelze macht oft
eine Uebersiedluug nach Oberitalien zweckmässig. Die grosse Trockenheit der Luft
gchlie&st erethische Kranke aus. Davos ist übrigens ein sogenannter Jahrescur-
<»rt, der im Sommer und Winter benutzt werden kann, eine Eigenschaft, welche
flbrigens einer ganzen Reihe zur Ueberwinterung weniger besuchten Sommorstationen
der Alpen im Ober- und Unterengadiu, am Thuner und Genfer See zugesprochen
werden müssen. Neuerdings sind anch M a 1 o j a (Oberengadin) und Les Avant»
(1000 m) bei Montreux als Wintercurorte in Aufnahme gekommen.
Klimatische Sommerstationen. Die für den Aufenthalt schwächlicher
oder kranker Personen im Sommer benutzten Localitäten zerfallen nach der See-
höbe, in welcher sie liegen, in Strandcurorte, indifferente Binnenlandcurorte, Berg-
eurorte oder Sommerfrischen und Höhencurorte. lieber die, besonders im Hoch-
und Spätsommer besuchten Strandcurorte wird das Nähere in dem Artikel
Seebäder mitgetheilt werden.
Indifferente Binnenlandcurorte nennt man solche, welche eine See-
höhe unter 300 m besitzen, weil dieselben weder hinsichtlich ihrer Temperatur, noch
in Bezug auf ihre Feuchtigkeit oder auf den Luftdruck hervorragende Eigenschaften
besitzen und deshalb auch keine besonderen Ansprüche an die Kraft und Thätig-
keit de« Körpers stellen. Dieselben werden ihrer geschützten Lage wegen, welche
namentlich die kälteren Luftströmungen ausschliesst. und welche, wenn der Schutz
ein allseitiger ist, in sogenannten Kesselthälern, auch eine grössere Gleich-
mäßigkeit der Tag- und Nachttemperaturen und der Temperaturen in den einzelnen
Tagesstunden bedingt, besonders im Spätfrflhjahre und den ersten und letzten
Sommermonaten bis zum Herbst, nicht im Hochsommer, als tonisirender Aufent-
halt und zum Schutze gegen Erkältungen von schwächlichen Personen oder Reeon-
valescenten, als Erholuugsplätze für l'eberarbeitete und Nervöse, aufgesucht. Der- .
artige Curorte , mit angenehmen , schattigen Promenaden , Waldwegen u. s. w.
finden sich in den meisten hügeligen und gebirgigen Gegenden Deutschlands und #
siud nicht selten auch der Sitz diverser Curanstalten (Mineralwassereuren, Molken-
curen, Kiefernadelbäder, pneumatische Anstalten, Kaltwasserheilanstalten u. A. m.)
und neuerdings zu Terraincuren eingerichtet. Von den Curorten dieser Art schliesst
sieb das nur 8 — 15m über dem Spiegel der Ostsee belegene Schmartau im
Fürstentum Lübeck als Grenzort zwischen See- und Binnenklima den Strandeur-
orten an, während verschiedene, wenig unter 300 m nördliche Sommercurorte sich
eng an die eigentlichen Bergcurorte reihen, welche übrigens manche Baineologen
erst bei 400 m Seehöhe beginnen lassen. Am zahlreichsten sind die Sommereur-
orte am Odenwald zwischen Frankfurt und Heidelberg und am Schwarzwalde,
am Rhein und seinen Nebenflüssen Ahr, Lahn ; auch manche sogenannte Sommer-
frischen in Thflriugen, Sachsen, im Habichtswalde, im Teutoburger Walde und
in den Wasserbergen gehören zu dieser Kategorie der Curorte.
Als Bergcurorte (Sommerfrischen) bezeichnen wir Waldfrischen in einer See-
höhe von 300 — 1000 m. Diese bieten ein weniger gleichm.lssiges Klima als die
vorigen, wirken durch ihre grössere Höhe anregend und erfrischend auf das Ge-
»ammtnervensystein und steigern die Energie des Stoffwechsels und der Wärme-
produetion im Körper. Die relativ stärkeren Luftströmungen macheu Erkältungen
leichter als in niedrigeren Curorten; der Einfluss der Luftverdünnung auf die
Athmung macht sieh in nicht so ausgeprägter Weise wie bei noch höheren Eleva-
tionen geltend. Man unterscheidet die in den deutschen Gebirgen belegeneu Curorte
als solche mit gewöhnlichem Gebirgsklima von den an der N«»rdseite der Alpen be-
legeneu Luftkurorten derselben Seehöhe, denen man ein sogenanntes Voralpen-
klirna zuschreibt. Letztere charakterisiren sich im Allgemeinen durch etwas
grössere Trockenheit, plötzlicheren Eintritt von Niederschlägen, raschere Temperatur-
abfälle am Abend in Folge der Windfällo von den Hochgebirgen und stärkere
Evaporation, werden aber im Grossen und Ganzen jedoch in derselben Weise be-
ßtal-Encyclop&dio der ges. Pharmacie. III. 23 Qigitiz«
354
CUKORTE
i
nutzt. Manche der Curorte in den Voralpen liegen an Seen, welche zu Badecuren
gebraucht werden können ; in anderen findet sich Gelegenheit zu anderen tonisiren-
den Curen. Alle können während der ganzen Sommerszeit zum Aufenthalte dienen.
Kür die relativen Wirkungen der deutschen Bergcurorte, soweit solche von der
Temperatur abhängig sind, ist übrigens die Seehöhe keineswegs ausschliesslich ent-
scheidend. Viel kommt hier auf die geographische Lage des Gebirges an. So
wirken Curorte von 300— 400 ra Seehöhe im Harz wegen der nördlichen Lage
und des isolirten Heraustretens des Gebirges aus dem norddeutschen Flachlande
ebenso belebend wie süddeutsche Gebirgscurorte in doppelter Höhe. Zu Wintcr-
curen für Lungenschwindsüchtige finden sieh besondere Einrichtungen in Görbers-
dorf in den Sudeten (Schlesien, 550m), in Falken stein am Taunus (550m),
in Reiboldsgrün im Voigtlande (700m) und in G eltschberg bei Leitmeritz
im böhmischen Mittelgebirge (416 m). Die höchsten deutschen Bergcurorte sind Höchen-
schward (1010m), Wal dau und Sc h luchsen (über 350m) im Schwarzwalde,
der überhaupt das an Curorten dieser Art reichste Gebirge ist , von denen das
420m hoch liegende Badenweiler als Uebergangscurort im Herbste vorzüglichen
Ruf hat. Im nördlichen Deutschland liefern der Thüringer Wald und der Harz die
besuchtesten Curorte dieser Art. l'uter denen des ersteren sind Neuhaus am
Rennstieg (806m), Brotterode, Ilmenau und Elgersburg (475m) die
höchstbelegenen , Friedrichroda und Tabarz (circa 400 m), Liebenstein
(315m) und Arnstadt (310m) die besuchtesten. Im Harz haben, von Hohe-
geiss (670ra) abgesehen, Clausthal und A n dreas berg (560m) die grösste
Seehöhe; vielbesucht sind Grund. Alexisbad, Blankenburg, Sachsa,
Thale, Ilsenburg undHarz bürg. Sehr reichlich sind Bergcurorte in Schlesien
und Böhmen, theils dem Sudeten- und Ricsengebirge, theils dem Erzgebirge ange-
hörig; die höchsten sind Karlsbrunn in Oesterreichisch-Schlesien (760m) und
. W i 1 d e n t h a 1 im Erzgebirge ; andere sind Reiboldsgrün, Johannisbad,
Forstthal. Gräfcnberg, Reinerz, Flinsberg, Roznau, Lieb-
werda, Petersdorf, Warmbrunn u. A. m. Zu nennen sind ausserdem H o h-
wald und Dreiähren in den Vogesen , Alexanderbad im Fichtelgebirge
(560m), Müggendorf und 8treitborg in der fränkischen Schweiz (circa
600 m), K ö n i g s t e i n im Taunus u. s. w.
Bergcurorte mit Voralpenklima finden sich vorzugsweise in Bayern,
Oesterreich und der Schweiz. Hierher gehören verschiedene Orte am Starheni-
b erger-, Am in er- und Tegornsee an der nördlichen Abdachung der bayeri-
schen Alpen, die Inseln des Chiemsee, Reichen ha 11, Hintersee und
Berchtesgaden in den bayerischen Voralpen, Ischl und M o n d s o e im Salz-
kammergut , Gmunden am Traunsee in Oberösf erreich ; ausserdem verschiedene
Orte am Ufer und in der Nähe des Bodensoes, wie Con stanz, Radolfzell und
Hciligenberg in Baden, Friedrichshafen, Lindau, Brcgenz, Rnr-
schach, an welchen sich Schloss Wolfsberg im Thurgau, Frieda u im 8olo-
thurnischen Jura , II e i d e n , G a i s und Weisskirch in Appenzell , sehliessen ;
ferner eine Anzahl Orte am Vierwaldstädter See, von denen Axenstein, Becken-
ried und Buochs am meisten für den Sommer, Gersau, Wäggis, Vitznau
mehr zu Frühlings- und Herbstaufenthalt passen, Thun und Brienz an den
gleichnamigen Seen und das zwischen beiden belegene Interlaken, Sonnen-
berg am Frnor See u. a. m.
Alpine Höhen cur orte heissen über 1000 m über der Meeresfläche erhabene
Somraercurorto, in denen in prägnanter Weise das sogenannte Höhenklima zur
Geltung kommt. Die wesentlichen Charaktere de« letzteren sind im Allgemeinen
niedere mittlere Temperatur, welche mit der Zunahme der Höhe immer mehr,
jedoch nicht überall gleichmässig steigt, geringere Temperaturunterschiede zwischen
Sommer und Winter, sehr hohe directe Sonnentemperatur bei sehr niedriger Schatten-
temperatur, besonders im Winter, wo erstere allerdings niedriger als im Sommer
ist, sehr niederige Nachttemperaturen, erheblich verminderter und wenig Sehwan-
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CUR ORTE. — CURPFÜSCHEREI.
355
kungen unterworfener Druck der leicht beweglichen, für die Sonnenstrahlen leicht
passirbaren Luft, grosse Reinheit und hoher Ozongehalt derselben und geriuge
absolute Feuchtigkeit , besonders in den Mittagsstunden und • am ausgeprägtesten
in der Zimmerluft ; ferner schnell eintretende Wolkenbildung und Niederschläge,
welche ausserordentlich rasch wieder versehwinden können, und im Sommer das
Auftreten von Localwinden (Thal- und Berg winde) in Folge der ungleich-
mäßigen Erwärmung und Abkühlung der Höhen und Thälcr neben den grossen
tellurischen Strömungen. Die physiologischen Effecte des Höhenklimas bestehen in
energischer Anregung fast sämmtlicher Lebensthätigkeiten (Herz- und Athemthätig-
keit, Appetit, Blutbildung und Ernährung, Nerven- und Muskclthätigkeitj, doch
nefzt dasselbe eine gewisse Widerstandsfähigkeit der Constitution voraus und wirkt
bei bestehender grosser Reizbarkeit entschieden nicht günstig. Die einzelnen Cur-
frte differiren sehr nach der Seehöhe; je höber die Lage, umso mehr sinkt die
mittlere Temperatur . jedoch in so wenig constanter Weise , dass in der Schweiz
Abnahme um 1° bald bei Steigung von 141, bald bei solcher von 227.6 m ein-
tritt ; constanter ist das Verhältniss der Abnahme des Luftdruckes, der bei 5000 tn
nur die Hälfte des Druckes in der Ebene beträgt. Die hierher gehörenden Cur-
«rte gehen in der Schweiz bis zu einer Höhe von 2050m (Hotel Beialp ober-
halb des Rhonethaies), in Tirol bis 1570m (Pejo). Zu den höchsten Schweizer
Höhoncnrorten (nieist über 1800 m hoch) gehören diejenigen des Obereugadins
'St. Moriz, Pontresina, Silva Plana, Maria Sils, Maloja, Zuz,
Seniaden) in Graubttndten, Murren und die Curhäuser auf dem Rigi (Rigi-
Sc hei deck 1648 m), denen sich von Graubündtner Ourorten Davos (1560 m)
und Parpan (1505m) anreihen, während die übrigen vielbesuchten Sommerfrischen
Graubündtens (Flims, C hur wählen, Klosters u. A.) geringere Seehöhe be-
sitzen. Von den sonstigen Schweizer Höheneu rorten sind noch das als sehr mild
bezeichnete Engelborg in Unterwaiden (1039 m), St. Beatenberg im Berner
Oberlande (1150m), Les Avants und Villard im Cnnton Waadt, Stoos am
Vierwaldstädter See (1293 m), Weissen stein in Solothurn (1282 m) zu nennen,
von nicht schweizerischen F 1 a d n i t z bei Fricsach ( 1 360 m ), F u s c h e r s b a d,
8 1. L e o n h a r d bei Villach, denen sich der ungarische Höhencurort N e u-S c h m e c k s
(Neu-Tatrafüred, 1005 m) anschliesst.
Aach ausserhalb Europa wird das Höhenklima als Heilmittel bei Kranken, be-
sonders bei Brustleidonden, benutzt. So hat die Peruanische Regierung in dem
Hochthale von Janja in den Peruanischen Anden ein Sanatorium errichtet. Die
Seehöhe ist hier bedeutender als in den Alpen (2500 — 3000m); dagegen liegen
die klimatischen Curorte am Ostabhangc der Rocky Mountains in den Vereinigten
Staaten (38° n. Br.), M am ton, Colorado und Denven, in Höhen von 1500
bis 1900 m.
Literatur: H. Weber, Kliraatotherapie. Leipzig I8S0. Th. Huaemann.
CurpflJSCherei heisst die gewerbsmässige Ausübung der Heilkunde oder ein-
zelner Zweige derselben (Zahnheilkunde, Veterinärmedicin) durch Personen, welche
nicht auf die vom Staate vorgeschriebene Weise durch Studium auf Universitäten
oder ähnlichen Instituten ihre medicinischen Kenntnisse erlangt und nach dem durch
Examina geführten Nachweise ihrer Befähigung eine Approbation zur Praxis er-
halten haben.
Man nennt derartige Personen auch Quacksalber oder Afterärzte, in
einzelnen Landern , wo diese Beschäftigung eine legitime ist , auch euphemistisch
Freiärzte (Frilaege in Norwegen). Dieselben entsprechen den im Mittelalter iu
Deutschland neben den gelehrten Aerzten vorkommenden und an Zahl diese weit
«berwiegenden Volksärzten oder Empirici, die man in anderen Ländern
bereits frühzeitig durch Gesetze als Classe des Heilpersonales beseitigt hat. In
Sieilien untersagte König Roger schon 1140 die Ausübung der Heilkunde den
nicht geprüften Personen bei Strafe des Gefängnisses und der Confiscation der
23*
356
CURPFUSCHERE1.
Güter. In Montpellier wurden Quacksalber verkehrt auf einen Esel gesetzt und
unter Bewerfen mit rohen Eiern und Koth seitens der Bevölkerung aus der Stadt
getrieben. In Wien Hess die Facultät Quacksalber mehrfach mit dem Kirchenbanne
belegen. In den meisten deutschen Staaten blühte das Unweseu der Quacksalberei
in den ersten Jahrhunderten der neuen Zeit in einer so erstaunlichen Weise, dass
die dadurch bewirkte Schädigung der öffentlichen Wohlfahrt fast überall staatliche
Verbote der Curpfuscherei bei Geldstrafen und im Wiederholungsfalle Gefäugniss-
strafc oder selbst von vorneherein unter Androhung von Haft hervorrief. Im
neuen deutschen Reiche ist man jedoch von diesen Bestimmungen zurückgegangen,
indem durch die Gewerbeordnung vom 21. Juli 1869 die Ausübung der Medicin
vollkommen freigegeben ist und nur nach § 147 c Derjenige mit Strafe bedroht
wird, welcher, ohne hierzu approbirt zu sein, sich als Arzt (Wundarzt, Augenarzt.
Geburtshelfer, Zahnarzt, Thierarzt i bezeichnet oder sich einen ähnlichen Titel bei-
legt, durch welche der Glauben, dass der Inhaber eine geprüfte Person sei, erweckt
wird. Es ist dadurch die Möglichkeit der Entstehung eiuer Classe von Therapeuten
gegeben, welche durch Zahlung einer bestimmten Gewerbesteuer oder durch Lösung
eines Legitimation- und Gewerbeecheines zur Betreibung der Heilkunde entweder
für ihren Wohnsitz oder auch ftlr weitere Districte legitimirt werden , und wenn
sich diese nicht in ausgedehntester Weise gebildet hat, so hat dies darin seinen Grund,
dass die Abgabe von Medicamenten, auch wenn solche nicht gewerbsmässig geschieht,
sei es gegen Bezahlung oder auch unentgeltlich , den durch die Gewerbeordnung
legitimirten Quacksalbern verboten bleibt. Selbstverständlich werden Curpfuscher
wegen etwaiger Vergehen gegen das Strafgesetzbuch nach Massgabe des letzteren
bestraft und die Paragraphen wegen Betruges und fahrlässiger Tödtung haben
wiederholt gegen einzelne in Auwendung gebracht werden müssen. Die Gesetz-
gebung der nichtdeutschen Staaten , in denen die medicinische Praxis nicht frei
war, ist bis auf Norwegen, dem Beispiele des deutschen Reiches nicht gefolgt. In
Oesterreich besteht §. 343 des Strafgesetzbuches, wonach Derjenige, welcher ohne
ärztlichen Unterricht erhalten zu haben und ohne gesetzliche Berechtigung zur
Behandlung von Kranken als Heil- oder Wundarzt diese gewerbsmässig ausübt
oder insbesondere sich mit der Anwendung von animalischem oder Lebensmagne-
tismus befasst, sich einer Uebertretung schuldig macht und mit Arrest von sechs
Monaten bestraft wird, noch gegenwärtig zu Recht. Die Fassung dieses Paragraphen
ist um so zweckmässiger, als sie auch die gewerbsmässige abergläubische Behand-
lung von Krankheiten, zu der der Lebensmagnetismus gehört und welche jederzeit
einen bedeutenden Theil der Quacksalberei gebildet hat, in's Auge fasst.
In den Ländern, wo gegenwärtig noch die Curpfuscherei strafbar ist, treffen die
Strafen selbstverständlich auch den Apotheker, wenn er sich derselben schuldig
macht. Aber auch in Staaten, wo neuerdings die Krankenbehandlung freigegeben
ist, bleibt dieselbe dem Apotheker untersagt. In Preussen ist z. B. durch Cireular
des Mediciual-Miiiisteriums vom 23. September 1871 die gewerbsmässige Behand-
lung von Kranken seitens eines Apothekers als eine Verletzung der besonderen
Pflichten seines Berufes bezeichnet . die durch die Gewerbeordnung nicht aufge-
hoben sind, und das Verbot des Prakticirens für den Apotheker mit Fug und Recht
auf das entsprechende Verbot des Dispensireus für den Arzt begründet. Dagegen
ist das in einzelneu deutschen Staaten früher besteheude Verbot der Abgabe von
Arznciiiiischungen auf Recepte von nicht approbirten Medicinalpersouon selbstver-
ständlich aufgehoben . soweit es sich dabei um Substanzen handelt , deren Hand-
verkauf nicht untersagt ist. Eine Unterstützung von Afterärzten seitens der
Apotheker liegt nicht im Interesse derselben ; mag auch dem Einzelneu ein V»r-
theil dadurch erwachsen, dass er durch die Verordnungen der Quacksalber, welche
häufig Medicanientc enthalten, die einer längst vergangenen Epoche der Mcdiciu
angehören, eine Anzahl Ladenhüter los wird, oder aus den langen Quaek-
salberrecepten , die gegen die vereinfachten Verordnungen der moderneu Aerxte
sehr abstechen, eine höhere Einnahmo erzielt, so ist es gegen das Standesinteres.*e,
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CÜE PFUSCHER EI. — CURVEN.
357
sich mit Leuten zu liiren, welche entweder in ihrer Bildungsstufe tief unter dem
Apotheker stehen oder im entgegengesetzten Falle Schwindler sind. Dass die
Freigebung der medicinischen Praxis seihst in Ländern, welche keinen Ueberfluss
an gebildeten Aerzten besitzen, nicht zum Heile des Publikums* sondern nur zum
Vortheile solcher Personen, die dasselbe auszubeuten verstehen, fuhrt, hat man
neuerdings in Norwegen geseheu. Als selbstständige Curpfuscher haben die
Apotheker übrigens niemals eine bedeutende Rolle gespielt. In dem die Curpfuscher
im Anfange des vorigen Jahrhunderts aufzählenden „Arznei - Teufel" werden
zwar auch „etliche, geizige, unerfahreue, fahrlässige, versoffene, eidbrüchige und
betrugliche Apotheker" angeführt, aber sie verschwinden neben dem Coutingeute,
welche Landpastöre, alte Weiber. Zigeuner, Juden, Urinpropheten, Badeknechte n. s. w.
zu dem Heere der „verfluchten Quacksalber" stellten.' Tb. Hose mann.
Curry-pOWder (deutsch : Gerbe-Pulver) ist eine in England und Ostindien
gebräuchliche Gewürzmischung, welche hauptsachlich aus Curcunia, daneben auch
aus Pfeffer, Ingwer, Coriander, Cardamomen, Gewürznelken, Nelkenpfeffer, Kümmel
und Trigonella besteht. Das Mischungsverhältnis» ist nicht constant ; eine Vor-
schrift lautet: 40 Th. Rhizoma Curcumae , je HO Tb. Frnctus Coriandri und
Chnamomum, je 20 Th. Piper nigrum, Fructus Amomi, Fructus Copsici
annut, Fructus Cardomomi min. und JOnzoma Zingiheris.
Cururuape <] er Tinibo sind die indianischen Namen für Pauli inia pinnata
L , einer Liane des tropischen Amerika , deren Wnrzelrinde das Alkalold T i m-
bonin enthält (Martin, Ph. Journ. and Trans. VII).
Curven, krumme Linien. Von besonderer Wichtigkeit sind jene Curven , die
ihrer ganzen Ausdehnung nach in eine Ebene fallen. Zieht man in dieser zwei
aufeinander senkrechte Gerade (Axen), deren Schnittpunkt ab Nullpunkt bezeichnet
werden soll, so Iflsst sich die Lage jedes Punktes der Ebene iu Bezug auf diese
Axen dadurch fixiren, dass man von ihm aus zwei zu den Axen parallele Linien
zieht, bis sie dieselben schneiden. Das Stück, welches vom Nullpuukt aus auf der
einen Axe abgeschnitten wird, heisst Abscisse, die entsprechende Strecke auf der
anderen Axe Ordinate des Punktes. Nimmt man dabei alle vom Nullpunkt au*
auf die eine Seite einer Axe fallenden Strecken als positiv an, so gelten die auf
die andere Seite fallenden als negativ. Betrachtet man nun eine ebene Curve in
Bezug auf ein solches Axensystem , so bemerkt man , das« die Ordinate eines
Punktes nicht mehr willkürlich ist , wenn derselbe in der Curve liegen und eine
bestimmte Abscisse haben soll , sondern dass sie von der gegebenen Abscisse
abhängt. Es kann also jede Curve als graphische Darstellung einer gewissen
Abhängigkeit zweier Grössen von einauder aufgefasst werden.
Dieser Umstand begründet die grosse Verwendbarkeit der Curven zur Über-
sichtlichen, graphischen Darstellung solcher Beobachtungsresnltate, auf welche mir
eine einzige veränderliche Grösse Einfluss hat. Ein Beispiel dieser Art ist die
Beobachtung der Dichte einer Flüssigkeit bei verschiedenen Temperaturen. l:m zu
einer solchen Darstellung zu gelangen , zieht man zuerst die beiden auf einander
senkrechten Axen, trügt auf einer derselben vom Nullpunkt aus eine Länge auf,
welche der gegebenen Grösse, im obigen Beispiel der Temperatur, proportional
wt. errichtet am Ende dieser Strecke eine zur Axe senkrechte Linie und grenzt
dann auf dieser ein Stück ab, welches der beobachteten Grösse, im angeführten
Beispiel also der f>oi der genannten Temperatur beobachteten Dichte, proportional
i.*t. Der Endpunkt dieser Strecke ist dann ein Punkt der für die Beobachtung
charakteristischen Curve. Sollten unter den aufzutragenden Grössen positive und
negative vorkommen, so sind die positiven vom Nullpunkt auf die eine Seite, die
negativen auf die andere Seite der Axe aufzutragen ; hat man auf diese Weise
mit Beibehaltung des Maassstabes, welcher der Construction des ersten Punktes zu
Gnuide gelegt wurde, für jede Beobachtung den ihr entsprechenden Punkt eon-
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35^
CURVEX. — CÜTICULA.
struirt , so verbindet man durch einen eontinuirliehen Zug1 alle Punkte so genau
als möglich untereinander. Bei einer grösseren Anzahl von Beobachtungen machen
sich etwaige besonders fehlerhafte sofort dadurch bemerkbar, dass sie in den
durch die übrigen Punkte bestimmten Zug nicht eingefügt werden können.
Eine so eoustruirte Curve bietet nicht nur ein getreues Abbild der Beol>-
aehtungen, sondern gestattet auch die abhängige Grösse für eine solche gegebene
zu bestimmen, für welche sie nicht unmittelbar gemessen wurde. In der Cnrve
nämlich kommt jeder innerhalb der Beobaehtungsgrenzen angenommenen Abscisse
eine Ordinate zu, die um so genauer der entsprechenden Grösse, die aus der Beob-
achtung folgen würde, proportional ist , je enger die zur Oonstruction der Curve
verwendeten Punkte aneinander liegen. Man darf aber solche nicht beobachtete
Grössen nur aus jenem Theil der gezeichneten Curve entnehmen, der zwischen den
unmittelbar coiistruirten Punkten liegt, iudem ja der Verlauf der Curve ausserhalb
dieses Bereiches ein vollständig unbekannter ist.
Eine solche Darstellung hat aber nur dann einen Sinn, wenn die angenommene
Grösse , wie im obigen Beispiel die Temperatur, einer eontinuirliehen Aenderung
fähig ist und wenn bei einer solchen auch die von ihr abhängige Grösse sich
eoutinuirlich, nicht sprungweise, ändert.
Für die praktische Ausführung empfiehlt sieh das im Handel vorkommende
Millimeter- oder Coordinatenpapier. Wie viel Einheiten der in Betracht kommenden
Grössen man jeden Millimeter als Abseissc und jeden als Ordinate bedeuten lassen
soll, hängt ausser von dem vorhandenen Raum insbesondere von der Genauigkeit
all, mit welcher man die eingetragenen Grössen aus der Zeichnung wieder ent-
nehmen will. Die Wahl niuss aber so getroffen werden, dass zu jeder Strecke der
Zeichnung mit Leichtigkeit das Originalmaass angegeben werden kaun. Pitsch.
Cuscuta, Gattung der nach ihr benannten ruterfamilie der Convolvufaceae.
Chlorophyll! rcie, links windende, fadenförmige Stengelschmarotzer mit kleinen Blatt-
rudimenten und Haustorien. — Die auf Nutzpflanzen schmarotzenden Arten der
Seide {Cuscuta Epülnum Weihe auf Flachs, C. Epithymum Murr, auf Klee,
C. liipulifurmts Krocker auf Lupinen , C. europata L. auf Hopfen u. a. ui.i
werden mitunter zu einer ökonomischen Plage.
Ilerha CuscuUte war einst als Abführmittel in Verwendung. Sie Ist pharma-
kologisch nicht untersucht.
Cusparia, Gatt um? der nach ihr benannten l'uterfamilie der Rutaceae.
gewächse Brasiliens mit liederigeu, weelisclständigeii Blättern, ansehnlichen IntWes-
cetizen aus grossen , zwitterigen , ftiufz.lhligen Blüthen und einsamigen Früchten.
Cvopariu trifotiata Engl. (('. febrifufja Humfj , Bonplondla tri/v
linta ]\ U!d., Ainjotttuia Caspare Botin, tt Schutt., Gab'pea ofßci'nalia Hone,
ein Baum mit krautigen, kahlen, dreizähligcn Blättern und weissen Blütheurispeu,
ist die Stammptlauze der Angustura (Bd. 1, pag. 381).
Cusparin. A n g tt s t u r i n. Aus dem alkoholischen Auszuge der echten Angiistura-
rinde. von Guli'pea ufjiciiialis Haue, scheidet sich beim Verdunsten das Cusparin
aus. Es bildet zu Büscheln vereinigte Nadeln, von bitterem Geschmack und neutraler
Reaction. Es ist schwer in Wasser , leicht in Alkohol , nicht in Aether löslich.
Leicht loslich in Säuren und Alkalien. Schmelzpunkt 45°. Die wässerigen Lösungeu
werden durch Gerbsäure gefällt. v. Schröder.
CllSSet bei Vichy, mit ähnlichen alkalischen Säuerlingen wie dieses.
Cuticula ist die oberflächliche Schichte der Epidermiszellen, oft schon optisch,
in jedem Kalle aber chemisch als scharf begrenzte Membran erkennbar. Sic ist
dadurch entstanden, dass in die Cellulosehaut S über in eingelagert wurde,
daher unlöslich in conceutrirter Schwefelsäure, Chromsäure und Kupferoxyd-
ammoniak, dagegen löslich in erwärmter coucentrirter Kalilauge. Die Cntieula
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CÜT1CULA. — CYAN. 359
ist mehr oder weniger dünn, aussen glatt oder gestreift, nicht selteu noch die Grenzen
der zu ihr gehörigen Zellen zeigend, innen oft ebenfalls glatt, mitunter zapfen-
artige Fortsätze in die Zellwand sendend. In der Impermeabilität für Wasserdampf
und in der ausserordentlichen Widerstandsfähigkeit der Cuticula gegen atmosphä-
rische Einflüsse liegt ihre physiologische Bedeutung. — Vergl. auch Cellulose
(Bd. II, pag. 606) und Epidermis.
Die Cuticularisirung ist übrigens nicht auf die Zellen der Oborhaut beschränkt,
sie tritt auch im Innern der Gewebe auf, so z. B. sind viele Oel- und Harzräume
von der Umgebung durch cuticularisirte Membranen getrennt.
Auch in der Thierbystologie spricht man von einer Cutieula und versteht
darunter chitinartige Ausscheidungen des Protoplasma, welche die „Grcnzzcllen" als
zusammenhängende Membran Uberziehen.
Cutis, die Loder haut, ist von den drei Schichten der allgemeinen Decke:
Oberhaut, Lederhaut, Unterhautbindogewebe, die mittlere. Ihr Gewebe ist zusammen-
gesetzt aus äusserst dichten Bündeln von faserigem Bindegewebe und elastischen
Fasern, welche ein Gitterwerk mit diagonal verlängerten Maschen bilden. An ihrer
der Oberhaut zugewendeten Seite ist die Cutis förmlich übersät mit einer grossen
Anzahl von Tastwärzehen, in denen die Endorgaue der Tastnerven, die Tast-
körperchen liegen. Je grösser die Anzahl der Tastwärzchen an einer 1 lautstelle,
desto ausgebildeter int daselbst das Tastgefühl. An der Handfläche sind dio Tast-
wärzehen in Doppelreihen angeordnet und bilden Riffe, welche mit freiem Auge
deutlich zu sehen sind. Die Cutis ist auch der Sitz der Haarhälge und Talgdrüsen.
Die Ausführungsgänge der Schwcissdrüsen durchbohren die Cutis; der secernirendc
Theil derselben liegt aber grösstenteils im Unterhautbinde^ewebe.
Cy, für Cyan (CN) gewähltes Zeichen in chemischen Formeln.
CyameNd, Modification der Cyan säure (s. d.).
Cyäll. Cyan Verbindungen. Eine Anzahl stickstoffhaltiger , organischer
Verbindungen euthält die einwerthige Atomgruppo CN, welche in ihren Verbin-
dungen den Salzbildnern Chlor, Brom und Jod sehr ähnlich ist und als Cyan (von
y.vxvo; = blau) bezeichnet wird.
Die Bildung dieser Cyangruppe erfolgt besonders, wenn Stickstoff und Kohlen-
stoff in statu nascenti und bei Gegenwart eines Metalles, welches mit dem Cyan
ein nicht flüchtiges Cyanmetall bildet, zusammentreten können. Derartige synthetische
Bildungsweisen des Cyans sind uuter anderen folgende:
1. Man glüht stickstoffhaltige organische Stoffe bei Anwesenheit von Alkalien;
2. Man glüht stickstoffhaltige organische Stoffe mit Kalium oder Natrium;
3. Man leitet Stickstoffgas über ein zum Glühen erhitztes Gemenge von Kalium-
carbonat und Kohle.
Ausserdem treten Cyanverbindungen nicht selten als ein Product der Zersetzung
organischer Verbindungen auf, so bei der Gährnng des Amygdalins, bei der
trockenen Destillation des Ammoniumoxalats u. s. w.
Diese Cyangruppe kann nun aber in zwei isomeren Modifikationen erscheinen,
je nachdem drei- oder fünfwerthiger Stickstoff darin enthalten und demnach im
ersteren Falle die Bindung der Elemente oder der Radicale mit dem Kohlenstoff,
im zweiten mit dem Stickstoff erfolgt ist, wie dies z. B. durch die Structurformel
der Cyansäure und der mit ihr isomeren Ieoeyansäuro verdeutlicht wird:
C'T<01I V<0H
Cyansäure Isocyausäure.
In den Metallverbiudungeu des Cyans (s. Cyanwasserstoff saure Salzej
ist jedoch ausschliesslich oder fast ausschliesslich das nojinalo Cyan C N ver-
I
treten und man bezeichnet es als echtes oder eigentliches Cyan oder auch als
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360
CYAN.
Carbonitril, während das Isocyan N~ C in den Cyanverbindungen verschiedener
I
organischer Radicale angenommen werden muss und auch als Pseudocyan oder
Carbylamin bezeichnet wird.
Dem entsprechend unterscheidet man zwei Reihen von Cyanverbindungen orga-
nischer Radicale, die Nitrile und die Carbylamine, von denen die ereteren sich von
der normalen Cyanwasserstoffsäure C,T Nm H ableiten lassen, während die letzteren
dem Typus der allerdings für sich noch nicht dargestellten Isocyanwasserstofisäure
NTCIVH entsprechen.
Bezüglich ihrer Bildungsweisen lassen sich im Allgemeinen folgende Regeln
aufstellen :
A. Nitrile erhält man u. a. :
1. Durch Behandlung der Ammoniumsalze der Fettsäuren oder anderer ein-
werthiger organischer Säuren mit Phosphorsäureanhydrid unter Austritt von 2 Mol.
Ha 0 nach dem Schema :
C3 Hft (NH,) Oa = C3 Hft N + 2 H.O
Propionsaures Propio- Cyan-
Ammonium nitril ° er äthyl.
2. Durch Destillation von Cyankalium mit gleichen Molekülen des Kaliumsalzes
einer Aetherschwefelsäure :
CNK + C2H6KS04 = C3H5N + K2 804
Aethylschwefelsaures Kalium Cyanäthyl.
Die Nitrile sind farblose, zwar stark, aber nicht unangenehm riechende Flüssig-
keiten, in Wasser meist wenig lfislich und ziemlich leicht destillirbar. Erwärmt
man sie mit Alkalien, so gehen sie unter Aufnahme von 2 Mol. H2 0 wieder in
die entsprechenden Ammoniumsalze über , während sie bei der Behandlung mit
nascirendem Wasserstoff unter Aufnahme von 4 Atomen H in Aminbasen mit
gleichem Kohlenstotfgehalte übergeführt werden :
Cs H6 N + 4 H = C, H9 N oder C, H- NH2
Propylamin.
B. Carbylamine werden gewonnen u. a. :
1. Durch Einwirkung von Cvansilber auf die Jodide der Alkoholradicale :
CNAg + Ca H7 J = C, H7 N + Ag J
Propvlcarbylamiu
Nv C"(C3H7)'.
2. Durch Einwirkung von Chloroform auf die Aminbasen der Alkoholradicale
der allgemeinen Formel CnHon + 1 (bei Gegenwart von Alkalien zur Wegnahme
von HCl):
CHC13 + CHs N = Ca Hs N + 3 HCl
Methy learbyiamin .
Die Carbylamine sind ebenfalls flüchtige, destillirbare Flüssigkeiten, unter-
scheiden sich aber von den Nitrilen durch niedrigeren Siedepunkt, widerlichen
Geruch, Giftigkeit und vor Allem durch nachfolgende Umsetzung.
Sie gehen bei der Einwirkung von Alkalien unter Mitwirkung von Wasser in
Ameisensäure und eine Aminbase Uber, z. B. :
C4 H7 N + 2 H2 0 = CHj Oa + Ca H7 NHa
Propylcarbyl- Ameisen- Propylamin.
amin säure
Ausserdem werden sie durch Sauerstoff leicht oxydirt.
Die in allen diesen Verbindungen enthaltene Gruppe CN ist im freien Zustande
nicht bekannt, als freies Cyan bildet sie vielmehr das Cyancyanid oder das
Dicyan, ein farbloses, giftiges, mit purpurvioletter Farbe brennbares Gas von
eigentümlichem stecheudem Gerüche, welches bei — 25° zu einer bei — 35°
krystallisirenden , beweglichen Flüssigkeit erstarrt. Das Dicyan ist in den Hoch-
öfengasen in geringer Menge enthalten und wird durch Erhitzen von Cyanqueck-
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CYAN.
361
silber gewonnen, welches sich hierbei in metallisches Quecksilber und freies Cyan
spaltet :
Hg(CN)a = Hg + CN
I
CN
Hierbei bleibt in der Retorte ein schwarzer Körper zurück, das sogenannte
Paracy an.
Dies Paracj an ist eine braunschwarze, lockere Substanz, eine polymere
Modification des Dicyaus = (C, Ng)u und geht erst bei starker Glühhitze in
Diovan über.
Das Cyan zeigt überhaupt eine ausgesprochene Neigung zur Polymerisation;
wie dem freien Cyan das feste Paracyan entspricht, so entspricht dem Chlorcyan
CNCl das feste Chlorcyan C3 Ns Cl3 , der Cyansäure CNOH die Cyanursäure
C3 N, 03 H3 u. 8. w.
Ausser den vorstehend abgehandelten Cyanverbindungen , den Nitrilen und
Carbylaminen und den Metallcyaniden oder cyanwasserstoffsauren Salzen hat man
noch eine Reihe eigentümlicher Doppelcyanide, denen die Atomgruppe Fe(CN)ti,
anch wohl Cfy geschrieben, gemeinsam ist. Unterwirft man diese Doppelcyanide
der Zersetzung, so zeigt sich die bemerkenswerthe Erscheinung, dass bei den
Umsetzungen derselben erwähnte Atomgruppe unangegriffen bleibt. Da nun ferner
in fraglichen Verbindungen das Eisen durch die gewöhnlichen Reagentien nicht
nachweisbar ist, so betrachtet man die Atomgruppe Fe(CN)s als ein Radical und
bezeichnet es, je nachdem es in seinen Verbindungen vier- oder dreiwerthig auf-
tritt, als Ferrocyan oder als Ferricyan.
Den Typus der Ferro- und Ferricyanide bilden das Ferrocyankalium Kt Fe(CN),
and das Ferricyankalium Kj Fe (CS^ , beziehungsweise die diesen Kaliumsalzen
entsprechenden Wasserstoffverbindungen, der Ferrocyanwasserstoff II* Fe (CN)„ und
der Ferricyanwasscrstoff H3Fe(CN)tj. Die Constitution der Ferro- und Ferricyan-
rerbindungen, in denen zweifelsohne das Eisen eine eigenthümliche Stellung ein-
nimmt , lässt sich derart deuten , dass man in beiden das Eisen als vierwerthig
anffasst, verbunden mit den drei werthigen Atomgruppen C3 Ns. Es würde dann
das Ferrocyan nicht vier-, sondern achtwerthig und das Ferricyan nicht drei-,
sondern sechswerthig , also eine Verdoppelung der oben gegebeneu Formeln noth-
wendig sein, wie nachstehende Structurformeln erläutern:
-C8Ng=™'
Fe
Ft<( 3 Ns =
Ferrocyan
Diese Structurformeln aber lassen sich ganz
Ferrichlorid ableiten:
« .c!
Fe<c
I
Ferrochlorid
Cs N3 — Tl
C3N8 =
Fe Li 3
Ferricyan.
ungezwungen vom Ferro- und
/Cl
Fe Cl
-Cl
Fe Cl
""-Cl
Ferrichlorid
in
I
Ersetzt man in ersterem jedes Chloratom durch das dreiwerthige Radical C3 N3
bo erhalt man die Atomgruppe Fe2(CnN3), oder Fe2(CN)12, welche nach obiger
Strncturformel als achtwerthiges Radical fungiren muss. Geht man dagegen
vom Ferrichlorid aus , indem man die G Chloratome durch vier dreiwerthige
Cj N5 Gruppen ersetzt, so rnuss ein Radical resultiren, welches noch 6* freie Wertig-
keiten besitzt, wie obige Structurfonnol zeigt, das Ferricyan.
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CYAN. - CYANSÄCREN.
Die Ferro- und Ferricyauide sind nicht giftig, die der Alkalimetalle und der
alkalischen Erdmetalle sind in Wasser löslich, hingegen die der eigentlichen Erd-
metalle und der Schwermetalle in Wasser unlöslich. Die in Wasser löslichen
Ferrocyauide sind im krystallisirten Zustande gelb gefärbt, die entsprechenden
Ferricyauide rubinroth. Durch Behandlung mit Kalilauge werdcu die unlöslichen
Ferrocyanide in Ferrocyankalium , welches in Lösung geht, übergeführt, während
das mit dem Fcrrocyan verbundene Metall als Ilydroxyd abgeschieden oder eventuell
von dem überschüssigen Alkali gelöst wird. Die unlöslichen Ferricyauide geben
bei entsprechender Behandlung meistens ein Gemisch von Ferro- und Ferricyan-
kalium neben dem Metallhydroxyde. Coneentrirte Schwefelsäure zersetzt die Ferro-
und Ferricyanide vollständig unter Entwicklung vou Kohlenoxyd. Chlor, Brom
und andere Oxydationsmittel führen die ersteren in letztere über, Salpeter- und
salpetrige Säure wandeln beide Gruppen zunächst in sogenannte Nitroprusside
(s. dort) um und führen schliesslich zu durchgreifeuden Zersetzungen.
Wie bereits oben erwähnt, bilden das Ferro- und Ferricyaukalium, deren Dar-
stellung unter Blutlaugen salz, Bd. II, pag. 342, beschrieben ist, den Typus
der Ferro- und Ferrieyanverbiudungen ; sie sind ferner auch der Ausgangspunkt
für die Gewinnung der übrigen, welche durch einfache Umsetzung mit den be-
treffenden Salzlösungen erhalten werden, z. B. :
K, Fe(CN,,) + 2Cu80, = Cu3Fe(CN)0 4- 2 K.SO,
Ferrocyankalium Kupfersulfat Ferrocyankupfer Kaliumsulfat.
Die Ferricyanmetalle unterscheiden sich von den Ferrocyanmetallen dadurch,
das« ihre Lösungen mit Ferrisalzlösungen keinen Niederschlag, sondern nur eine
braungrüne Färbung, mit Ferrosalzeu dagegen eine blaue Fällung von Fcrricyan-
eisen oder TnrnbuU's Blau geben, während umgekehrt die Ferrocyaumetalle in den
Ferrisalzlösungeu einen blauen Niederschlag vou Ferrocyaneisen oder Berlinerblau
hervorrufen, mit Ferrosalzen hingegen — bei Luftabschluss — weisse Nieder-
schläge geben, die sich bei Luftzutritt bald bläuen. Jehn.
Cyanate sind Salze der Cyan säure (s. d.i.
Cyanide sind Cyauverbindungen mit Metallen oder organischen Radicalen; in
erstcrem Falle würde die Verbindung dem Anhydrid eines cyan wasserstoffsauren
Metall o x y d e s entsprechen.
Cyaniri, C,ö US!, N., J, ist der älteste bekannte ChinolinfarbstofF. Es wurde durch
Erwärmen von lepidinhaltigero Chinolin mit Amyljodid und Behandlung des Pro-
duetes mit Kalilauge erhalten (Williams) und kurze Zeit sogar technisch her-
gestellt. Cyanin bildet grünglänzende Tafeln, die sich in Alkohol mit blauer Farbe
lösen. Es gibt auf Seide und Wolle ein sehr schönes, aber auch sehr vergäng-
liches Blau. Gegenwärtig ist es durch die blauen Anilinfarben vollständig verdräugt.
Benodikt.
CyanOgene. gleichbedeutend mit Chroniogene (s. pag. 111).
Cyanon ist eine Quecksilberverbiudung genaunt worden, die entstehen soll, wenn
schwefelkohleustofl'haltiges Leuchtgas durch Quecksilbercyanidlösung geleitet wird.
CyailOSe r'jwiveo;, duukelblauj heisst die bläuliche Färbung der Haut, wie sie
als Folge venöser Blutfülle eintritt.
Cyanosin, s. Eosiue.
Cyanotypie, «. Copirappara te und Copirverfahrcn, pag. 292.
Cyan Säuren. Es sind mehrere Cyansäuren bekannt, und zwar sowohl isomere
als polymere Modifikationen.
1. Normale Cy ansäure, CX.(OH), ist als Blausäure zu betrachten, in welcher
das H-Molekül durch ein Mol. Hydroxyl ersetzt ist. Diese normale Cyansäure
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CY ANSÄUREN.
363
ist in freiem Zustande nicht bekannt, wohl aber existiren einige bekannte Aether,
bei denen das H-Atom im Hydroxyl durch einwerthige Alkoholradicale ersetzt ist,
z. B. Cyansäure - Methyläther (CN.OCH3), Cyansäure - Aethyläther (CN.OC,H5)
und Cyansäure - Amyläther (CN . OC6 Hu). Diese Aether bilden sich bei Ein-
wirkung von Chlorcyan auf die betreffenden Natriumalkoholato uod unterscheiden
sich von den isomeren Isocyansäureäthern durch einen schwachen aromatischen
Geruch und geringere Flüchtigkeit, sowie dureh ihr Verhalten gegen Kali und
Salzsäure, wobei Isocyansäure, respective Cyanursllure gebildet wird.
2. Isocyansäure, schlechthin Cyansäure genauut, CO . NH, ist als Ammoniak zu
betrachten, in welchem 2 Wasserstoffmol. durch die zweiwerthige Gruppe CO sub-
stituirt sind; die Isocyansäure wird daher auch Carbimid genannt.
In reinem Zustande bildet sie eine sehr flüchtige, stechend sauer riechende
Flüssigkeit. Sie bildet sich beim Erhitzen von wasserfreier Cyanursäure im Kohlen-
säurestrome in einem rechtwinklig gebogenen Verbrennuugsrohr. C3 N3 H3 03 =
= 3 < CO . NH). Der Dampf wird in ein Kältegemisch geleitet. — Der Dampf
der Isocyansäure reizt zu Thränen; die flüssige Säure erzeugt, auf die Haut ge-
bracht, Blasen. Sie ist ungemein geneigt, zu polynierisiren. Dieser bisher noch
wenig aufgeklärte Vorgang vollzieht sich bereits bei 0° innerhalb 1 Stunde. Beim
Herausnehmen der Säure aus der Kältemischung vollzieht sich die Polymerisation
explosionsartig; es resultirt das amorphe Cyamelid. Spec. Gew. bei 0° 1.110;
bei — 20<>= i.mq Dampfdichte 1.50. — Die Isocyansäure löst sich in Eis-
wasser ; die Lösung zerfällt oberhalb 0° rasch in CO, und NH3. CO . NH + H3 0 =
= COa + NH,. — In Alkoholen löst sich Isocyansäure unter Bildung von Allophan-
säure-Estern. Mit Aldehyd bildet sie Trigonsäure.
I>ie Salze der Cyansäure sind meist, theilweise sogar Rehr leicht löslich
in Wasser; die der Alkalien lassen sich ohne Zersetzung bis zum Rothglühen er-
hitzen (mit Ausnahme des Ammonium-lsocyanats) ; die wässerige Lösung der
Alkalicyanate zerfällt dagegen beim Kochen analog der obigen Gleichung in C 0a
und NH5. Das Ammoniaksalz aber setzt sich beim Erwärmen der wässcrigeu
Lösung in Harnstoff um ; in analoger Weise wandeln sich auch die lsocyauate der
primären und secundäreu (aber nicht die der tertiären) Basen in die isomereu
substituirten Harnstoffe um. NH, . CON = CO (NH)2. — Die eyansauren Erden
zerfallen beim Erhitzen in CO, und Cyauaraidsalze : Ca-NCO), = CaN . NC + C02.
Von den Metallsalzen sind am bekanntesten das Kaliumcyanat K . CON , das
Baryumeyauat Ba (CON)., , das Bleicyanat PC(CN0)i und Silbercyanat Ag . CON.
Die Aether der Isocyansäure ('Cyansäureäther) gewinnt man am besten
dureh Behandeln von Ag . CON mit Alkyljodüren bei niederer Temperatur. Sie
sind sämmtlich leicht flüchtige, stark und erstickend riechende Flüssigkeiten.
Auch diese Aether zeigen grosse Neigung zur Polymerisation, welche sich beim
Aufbewahren allmälig, oft schon in wenig Tagen, vollzieht; es bilden sich dann
die eorrespondirendeu Aether der Cyanursäure. Beim Kochen mit Kali zerfallen
sie in COa und primäre Alkoholbasen (Unterschied von den Aethern der normalen
Cyansäure) ; z. B. CHS . NCO + H, 0 = CH3 . NH2 + COa. — Mit Wasser liefern
sie C0a und symmetrische disubstituirte Harnstoffe. Mit Alkoholen verbinden sie
sich direct zu substituirten Carbamiusäureestern. Am bekanntesten sind der Methyl-,
Aethyl-, Butyl- und Amyläther.
3. Cyanursäure , C, N3 H3 03 4- 2 H3 0 , auch Tricarbimid genannt,
^ NH . CO ^
Diese ist , ihrem Verhalten nach , eine trimere Isocyansäure , müsste also
eigentlich Isocyanursäure heissen. Sie bildet sich beim Einleiten von Chlorgas in
schmelzenden Harnstoff. Ans diesem Keactionsproduct gewinnt man sie durch
Waschen mit kaltem Wasser, Lösen in Natronlauge, Erhitzen bis zum Kochen und
allmäliges Zugeben von Kaliumpermanganatlösung ; die filtrirte Lösung wird mit
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CYANSÄUREN. — CYANURIE.
HCl angesäuert und der Krvstallisation Uberlaasen. Ferner bildet sie sich beim
Behandeln von Chlorcyan mit Wasser; beim Erwärmen von Cyamelid mit con-
eentrirter Schwefelsäure. — Sie bildet farblose monokline Säulen ; aus concentrirter
Schwefelsäure krystallisirt sie ohne Krystallwasser in Quadratoctaöderu. Spec. Gew.
1.730. Die wasserhaltigen Krystalle verwittern an der Luft und lösen sich in
40 Th. kaltem H2 0, leichter in heissem Alkohol. Bei der trockenen Destillation
geben die wasserfreien Krystalle nur Isocyansäure, die mit Krystallwasser dagegen
geben ansserdem noch C02 und NH,. Löst sich unzersetzt in concentrirter Ha S04 ;
erst beim längeren Erhitzen dieser Lösung zerfällt sie in C03 und NHS.
Die Cyanursäure ist eine dreibasische Säure, bildet aber vorzugsweise ein- und
zweibasische Salze.
Als charakteristische Reaction der Cyanursäure ist neben dem erstickenden
Geruch der Isocyansäure beim Erwärmen noch die WÖHLER'sche Reaction zu nennen.
Beim Vermischen einer Losung der 8äure in sehr verdünntem Ammoniak mit einer
Lösung von CuS04 in sehr verdünntem Ammoniak entsteht in der Wärme ein
amethystfarbener Niederschlag.
Die Salze der Cyanursäure sind meist krystallinisch, schwer löslich in
Wasser; dabei die zweibasischeu im Durchschnitte leichter als die einbasischen.
Mit concentrirter Natronlauge bildet sie ein dreibasisches Salz Nas.CaNs03,
welches in kaltem Wasser löslich ist, beim Erwärmen aber sich in feinen Nadeln
ausscheidet, welche beim Erkalten wieder versehwinden. Das zweibasische Kalium-
salz zerfällt beim Erhitzen in Isocyansäure und Kaliumisoeyanat : K3 . C, HNS Os —
— CO . N H -|- 2 K . CON. Der oben erwähnte amethystfarbene krystalliniscbe
Niederschlag ist Cu . C3 HN3 03 . 2 NH, + Ha 0. Von Silbersalzen siud da zwei-
und dreibasische bekannt.
Die A et her der Cyanursäure werden durch Destillation von cyanursaurem
Kalium mit ätherschwefelsaurem Kalium gewonnen. Auch bilden sich diese Aether,
welchen die rationelle Formel CONR zukommt, rasch aus den entsprechenden Aethern
der Isocyansäure durch Polymerisation. Die Cyanursäureäther sind krystallinisch,
unzersetzt flüchtig und geruchlos. Beim Kochen mit Kali verhalten sie sich ganz
wie die Isocyausäureäther, sie zerfallen in C 02 und Alkoholbasen. Am gekanntesten
sind die Triraethyl- und Triäthyläther.
4. Cyameld (C N 0 H),. Unlösliche Cy ansäure. Bildet sich durch allmälige
oder plötzliche Umwandlung aus Isocyansäure. Weisses amorphes Pulver, unlöslich
in Ha0 und verdtluuten Mineralsäuren; löslich in KHO- Lösung; die Lösung
gibt beim Eindampfeu Kaliumeyanurat. Bei der trockenen Destillation geht sie
wieder in Isocyansäure über.
5. a-Cy an ur säure, C3 X3 H3 03 + H, 0.
6. (3- Cyanursäure.
7. Cya'nilsäure, C3 N3 1I3 03 + 2H20.
Die letzteren 3 noch wenig gekannt und von untergeordnetem Interesse.
Die Cyansäuren sind zur Zeit weder für die Pharmacie noch für die Technik
von besonderem Interesse ; um so wichtiger sind sie aber für die synthetische
Chemie als das Bindeglied zwischen den Ammonsalzeu und dem Harnstoffe.
Ganswindt.
CyanÜre sind Cyanverbindungeu mit Metallen , welche dem Anhydrid eines
eyauwasserstoffsauren Metall oxyd u 1 s entsprechen.
Cyanurie nennt man das Entleeren eines blau gefärbten Harnes oder das
Auftreten eines blauen Farbstoffes iiu Harnsediment. Ersteres wurde bis nun nur
in einigen Fällen, letzteres viel häufiger beobachtet. Das blaue Pigment, welches
die Cyanurie verursacht, beziehungsweise als Sediment ausfällt ist, Indigo, welches
von dem als normaler Bestandthcil des Harnes vorkommenden Harn in die an
(s. Chromogeue. pag. 111) herstammt. Loebisch.
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CYANUS. — CYANWASSERSTOFF.
365
CyanUS, mit Centaurea L. synonyme Gattung De Caxdolle's.
Flores Cyani (Ph. Gall., Hisp.). Kornblume, Blaue Flockenblume,
franz. B 1 u ets, engl. B 1 u e b o 1 1 1 e s, sind die azurblauen, selten weissen Blüthen-
köpfe von Centaurea Cyanus L. (Compo»itae). Die Hüllschuppen sind krautig,
angedrückt, gegen die Spitze zu troekenbäutig eingefaBst und kaminartig gefranst.
Die randständigen Bltltben sind strahlend, steril, die Scbeibenblüthen röhrig,
zwitterig; Pappus so lang wie die AchJine.
Man sammelt die Kornblumen vom Mai-Juli, trocknet sie rasch und bewahrt sie
in gut schliessenden Gefässen auf, damit sie ihre Farbe bewahren.
Sie sind geruchlos und schmecken schwach salzig. Von wirksamen Bestandteilen
ist nichts bekannt; man pflegt sie Species und Räucherpulvern beizumischen.
Cyanwasserstoff. Cyanwasserstoffsäure. Blausaure. HCN. Der Cyanwasser-
stoff wurde bereits im Jahre 178b von Scheele entdeckt, aber erst 1811 von
Gay-Lussac im wasserfreien Zustande erhalten. So bildet er eine wasserhelle,
bewegliche, ausserordentlich giftige Flüssigkeit von betäubendem, bittermandelähn-
lichein Gerüche, siedet bei 26.5° und erstarrt bei — 15° krystalliniseh. Der Cyan-
wasserstoff röthet Lackmus, ist in Wasser und Weingeist iu jedem Verhältnisse
löslich und führen solche Lösungen deu Namen verdünnte Blausäure (s. Act dum
hy dr oc y an ic um) : angezündet verbrennt er mit schwach violetter Flamme.
Kr ist wenig haltbar und zersetzt sich unter Abscheidung eines braunen Körpers
selbst in luftdicht verschlossenem Gefässe allmälig.
Bei dieser Zersetzung, sowohl der reinen Cyanwasserstoffsäure als auch der
Lösungen -derselben bilden sich, zumal bei der Mitwirkung kleiner Mengen von
Alkalien polymere Modificationcn, von denen der Tricyanwa88crstoffH8C3N3
krystallisirbar, aber äussert leicht zersetzlich ist.
Freie Cyanwasserstoffsäure ist bis jetzt weder im Pflanzen-, noch im Thier-
reiche nachgewiesen worden, wohl aber geben eine Reihe von Pflanzenstoffon bei
der Destillation mit Wasser blausäurehaltige Destillate, so die Kerne der bitteren
Mandeln (s. Aqua a m yydala r u m a m a r arum), der Kirschen, Pfirsiche etc.,
so auch die Blätter des Kirschlorbeers und der Traubenkirsche, indem durch Ein-
wirkung des Fermentes Emulsin, das in erwähnten Pflanzcntheilen enthaltene
Glycosid Amygdalin in Cyanwasserstoff, Benzaldehyd und Zucker gespalten wird :
Cao H27 NOn + 2 IL 0 = HCN + C; H . 0 + 2 C, HlS Oö
Amygdalin.
Wasserfreie Cyanwasserstoffsäure erhält man am bestcu, iudem mau Cyanqueck-
silber durch concentrirte Salzsäure zersetzt und die entwickelte Säure zur Be-
freiung von mitgerisseuor Salzsäure und Wasserdämpfen zunächst durch ein mit
Marmorstückchen und entwässertem Chlorcaleium gefülltes Bohr und dann in eine
U-fr.rmige, von einer Kältemischung umgebene Röhre leitet : Hg (CN)2 + 2 HCl =
= Hg Cl2 + 2 HCN.
Zur Darstellung wasserhaltiger Cyanwasserstoffsäure destillirt man Cyankalinm
mit einer Mineralsäurc, am zweckmässigsteu jedoch ist die Verwendung von Ferro-
cyankalium, indem man dieses mit verdünnter Schwefelsäure destillirt. In einem
mit einem LiEßio'scheu Kühler versehenen Kolben übergiesst man 10 Th. zer-
riebenen Ferrocyankaliums mit einer Mischung aus 6 — 7 Th. concentrirter Schwefel-
säure und 40 Th. destillirten Wassers , erwärmt vorsichtig in einem Sandbade,
fängt die Überdestillirende verdünnte Cyanwasserstoffsäure in einer etwas destillirtcs
Wasser enthaltenden Vorlage auf und verdünnt nachher durch weiteren Zusatz
von destillirtem Wasser bis zur gewünschten Stärke.
Bei dieser Darstell ungsmethode gewinnt man übrigens nicht alles im Ferro-
cyankalium vorhandene Cyan als Cyanwasserstoffsäure, es bleibt vielmehr ein Theil
desselben als eine noch nicht eingehender studirte Verbindung der Zusammen-
setzung 2 KCN -f Fe2 C, N« zurück , welche von der verdünnten Schwefelsäure
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366 CYANWASSERSTOFF.
nicht weiter zerlegt wird, so dass also die Umsetzung erfolgt nach der Gleichung :
2 K4 Fe C„ NB 4- 3 H2 S04 = 6 HCN + 3 K3 SO, 4- (2 KCN + Fe2 C4 NJ.
Wttrde man statt verdünnter Schwefelsäure concentrirte zur Destillation benutzen,
so erhielte man eine Entwicklung von reinem Koblenoxydgas nach der Formel:
K, Fe C„ N6, 3 H2 0 + G H2 SO, + 3 H3 0 = FeS04 4- 2 K8 SOt 4- 3 (NH4)3 S04 4- 6 CO,
d. h. es entweichen 6 Moleküle CO, wahrend beziehungsweise 1 , 2 und 3 Molekül
Ferro-, Kalium- und Ammoniumsulfat im Kolben zurückbleiben.
Diese so einfach ausschauende Reaction ist jedoch wegen der dabei stattfinden-
den Zwischenvorgänge eine der interessantesten der Chemie. Die wirkliche Umsetzung
dürfte nämlich folgendermassen vor sich gehen. Durch die Einwirkung der Schwefel-
säure auf das Ferrocyankalium bildet sich zunächst Kaliumsulfat und Ferrocyan-
wasserstoffsäure. Diese zerfällt in Blausäure und Ferrocyanflr, welches letztere sich
mit der Schwefelsäure in Ferrosulfat und Blausäure umsetzt. Jedes Molekül Blau-
säure nimmt bei Gegenwart der starken Schwefelsäure 2 Moleküle Wasser auf und
bildet damit ameisensaures Ammonium. Dieses wiederum zersetzt sich unter dem
Einflüsse der Schwefelsäure in Ammoniumsnlfat und Ameisensäure und letztere
weiterhin gleichfalls durch die Wirkung der concentrirten Schwefelsäure in Kohlen-
oxyd und Wasser. Dieses wechselseitige Bilden und Zersetzen findet seinen Aus-
druck in nachstehenden Gleichungen :
I. K4FcC6Na 4- 2H3S04 = H,FeC6Nd 4- 2K3S04;
II. H4 Fe C„ N6 = 4 HCN 4- Fe C2 N3 ;
III. Fe C2 N3 4- H9 S04 = 2 HCX + Fe SO, ;
IV. 6 HCN 4- 12 H„ 0 = 6 CH NH, 02 ;
V. 6 CHNH, 03 4- "3 H2 SO, = H CH2 0.. 4- 3 (NHt)2 SO, ; •
VI. 6 CHa 03 = 6 CO 4- 6 H2 0.
Bezüglich der Erkennung und Ermittelung der Cyanwasserstoffsäure seien einige
der üblichsten Methoden hervorgehoben:
Man macht die auf Cyanwasserstoffsäure zu prüfende Flüssigkeit (Blausäurc-
lösung oder Lösung eines Cyaniden) mit Natron- oder Kalilauge stark alkalisch,
fügt etwas Eisenoxyduloxydlösung hinzu, respective man versetzt mit Ferrosulfat-
lösung und fügt dann Eisenehloridlösung hinzu und hierauf Salzsäure im Ueberschuss.
Ein starker Niederschlag von Berlincrblau oder bei Spuren von HCN eine grün-
liche Färbung der Flüssigkeit, aus der erst nach längerer Zeit Flocken von Ber-
linerblau sich abscheiden, beweist die Gegenwart der Blausäure.
Hierbei bildet sich durch die Einwirkung der Kalilauge auf die Blausäure Cyan-
kalium, welches sich mit dem Ferrosulfat in Kaliumsulfat und Ferrocyankalium umsetzt,
welches letztere dann mit dem Eisenchlorid die Bildung von Berlinerblau hervorruft :
HCN 4- KHO = KCN 4- H2 0 ;
6 KCN 4- Fe S04 = K4 FeC6 N, 4- K. S04 ;
SK.FeC^N« + 2FeaCl,=Fe4 (FeC„X0), 4- 12KC1.
Berlinerblau
Oder man fügt zu der auf Blausäure zu prüfenden und mit Kalilange neutrali-
sirten Flüssigkeit etwas gelbes Schwefelammonium hinzu, erwärmt bis der Geruch
nach Schwefelammonium verschwunden ist, respective verdunstet bis fast zur
Trockne, nimmt mit etwas Wasser auf und versetzt die mit Salzsäure angesäuerte
Lösung mit Eisenehloridlösung. Eine blutrothe Färbung beweist die Anwesenheit
der Cyanwasserstoffsäure. Das Cyankalium geht hierbei in Rhodankalium über,
das mit Eisenchlorid Eiscnrhodanid bildet, welches die Flüssigkeit blutroth fftrbt:
KCN + (N1I4)2 S. = KCXS 4- (NH4)2 S ; '
6 KCNS + Fe, cC = Fes (CNS), + 6 KCl.
Eisenrhodanid
Diese beiden überaus scharfen Methoden werden in fast allen Fällen genügen ;
in Specialfällen, z.B. beim Nachweise der Cyanwasserstoffsäure in
toxikologischen Fällen, verfährt man nach Erxst Schmidt zweckmässig,
wie folgt : Eine kleine Probe der zerkleinerten Untersuchungsobjecte wird mit
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CYANWASSERSTOFF. — CYANWASSERSTOFFSAUBE SALZE. 367
Weinsäure in einem weitmündigen Kolben angesäuert nnd letzterer mit einem Stopfen
verschlossen, welcher ein je mit Kupfersulfatlösung bestrichenes Jodkaliumstärke -
nnd Guajakharzpapier eingeklemmt halt, und sodann an einem massig warmen Ort
einige Zeit beiseite gestellt. Tritt nach einigen Stunden keine Blau-, respective
Violettfärbung der Reagenspapiere ein, so ist die Abwesenheit von Blausäure
oder von einem Cyanide (mit Ausnahme vonHgC2N2) erwiesen. Tritt jedoch eine
Blaufärbung ein, so ist hierdurch allein die Anwesenheit von HCN noch
nicht festgestellt, da auch Chlor, Brom etc. die blaue Färbung hervorgerufen
haben könnte. Man unterwirft dann einen grösseren Thoil der Untersuchungs-
objecte nach der Verdünnung mit Wasser und der Ansüuerung mit Weinsäure der
Destillation und prüft das Destillat nach den beiden obigen Methoden, wobei
zu beachten ist, dass hierbei die Rbodanreaction allein nicht genügt, da
Spuren von Rbodauvcrbindung sich normal im menschlichen Organismus finden.
Ist man in der Lage, den Nachweis von HCN oder von einem Cyanide bei
Gegenwart von Ferro- oder Ferricyankalium führen zu müssen, so werden letztere
Verbindungen aus dem wässerigen Auszuge zunächst mittelst einer Ferri-, respective
Ferrosalzlösung ausgefällt und dann das Filtrat nach dem Ansäuern mit Wein-
säure destillirt.
Auf die Anwesenheit von Cyanquecksilber, welches durch die Weinsäure nicht
zerlegt wird, prüft man, indem man das Untersuchungsobject mit heissem Wasser
auszieht und dann den Rückstand mit verdünnter Schwefelsäure destillirt.
Um den Blausäuregehalt eines derartigen Untersnchungsobjectes quantitativ
festzustellen, unterwirft man einen gewogenen Theil desselben der Destillation wie
oben und bestimmt dann im Destillale die Blausäure nach einer der folgenden
Methoden.
Zur gewichtsanalytischeu Bestimmung macht man die Flüssigkeit mit reinem Sal-
miakgeist alkalisch, versetzt dann mit Silbernitratlösung im Ueberechuss und säuert
mit Salpetersäure an. Den Niederschlag von AgCN sammelt man auf einem ge-
wogenen Filter, wäscht gut aus, trocknet ihn bei 100° bis zum constanten Ge-
wichte und berechnet nach der Gleichung:
AgCN: HCN
134 : 27 = gefund. Menge AgCN:X.
Oder man bestimmt maassanalytisch mit '/io Normal silberlösung, indem man eine
bestimmte Menge der zu prüfenden Flüssigkeit entsprechend mit Wasser verdünnt,
mit einigen Tropfen Kalilauge versetzt und nun solange unter Umschwenken
Silbernitratlösung zufliessen lässt, bis eben eine schwache bleibende Trübung ent-
steht. Diese Bestimmungsmethode beruht darauf, dass sich zunächst lösliches Cyan-
gilber-Cyankalium bildet, welches erst in dem Momente sich zu zersetzen be-
ginnt und eine Trübung hervorruft, wenn die Menge von 1 Molekül AgNOs auf
2 Molekül KCN überschritten wird :
2 KCN + Ag N03 = (Ag CN + KCN) + KN03 ;
(AgCN + KCN) + AgNOs = 2 AgCN + KNO,.
Man hört demnach mit der Hinzufügung der Silberlösung auf, sobald eine
bleibende Trübung eintritt und hat dann durch die verbrauchte Silberlösung die
Hälfte der vorhandenen Blausäure indicirt. Da 1 cem 1 10 Normal-Silberlösung
= 0.0027 g HCN ist, so sind also für jedes verbrauchte 1 cem ljl9 Silberlösung
0.0054 g HCN vorhanden.
Eventuell versetzt man die zu prüfende Flüssigkeit mit Magnesiumhydroxyd
und Kaliumchromatlösung als Indicator; s. Acidum hy droeyanicum.
Jehn.
CyanwaSSerStOffsaUre Salze. Cyanide. CyanmeUlle. Der Cyanwasserstoft
ist eine schwache, den Haloidsäuren ähnliche Säure, deren Salze sich fast sämmt-
lich durch ihre Einwirkung auf Metalloxyde oder Hydroxyde erhalten lassen. Sie
sind theils farblos, theils gefärbt, krystallinisch oder amorph, theilweise in Wasser
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368 CYANWASSERSTOFFSAURE SALZE. — CYCLAMEN.
i
leicht' löslich und verbreiten in Lösung den Geruch nach Blausäure, da schon die
Kohlensaure der Luft genügt, um Blausäure in Freiheit zu setzen. Die in Wasser
unlöslichen Cyanmetalle lassen sich auch gewinnen durch Umsetzung der Alkali-
cyanide mit den wasserlöslichen Salzen der betreffenden Metalle. Die Cyanide der
Alkalien und der alkalischen Erden sind, bei Luftabschluss geglüht, feuerbeständig,
verwandeln sich aber beim Glühen an der Luft oder bei der Behandlung mit Ozon
bei gewöhnlicher Temperatur in Cyanate, während die anderen Cyanmetalle meist
beim Glühen unter Zurücklassung von Metall oder von Kohlenstoffmetali zersetzt
werden. J e h n.
Cyathea, Gattung der nach ihr benannten Familie der Filices , charak-
terisirt durch die auf einem säulen- oder kugelförmigen Receptaculum stehenden
und von einem becherförmigen, nur an der Spitze offenen Schleier umgebenen
Fruchthäufchen (Sori). Die Cyatheen sind baumähnliche Farne mit glattem oder
stacheligem Stamme und grossen, breiten, 2 — ttfach gefiederten Wedeln.
Von C. medulläres Sw. auf Neuseeland wird das rübenähnlich schmeckende,
mit einem rothen Safte erfüllte Mark des Stammes geröstet und dient dann den
Eingebornen als Nahrungsmittel. Sydow.
Cyathilim (V.öxfro;, ein Schöpfgefäss) heisst die von einem becherförmigen
Involucrum gestützte letzte Verzweigung des Blüthenstandes bei Euphorbia. Früher
hielt man allgemein das Cyathium für eine Zwitterblüthe mit zahlreichen Staub-
gefässen und einem oberständigen Fruchtknoten. R. Brown hat aber ^ezeifrt, dass
die kelchartige Hülle ein Hoehblatt-Involucrum ist, in welchem viele männliche
und eine weibliche Blüthe mit rudimentären oder auch ganz fehlenden Blüthen-
hüllen sitzen. Jedes der articulirten Staubgefässe in einer sogenannten Euphorbia-
blüthe ist demnach eine c5 Blüthe, der gestielte, dreiknopfige Fruchtknoten die
9 Blüthe. Dass diese Auffassung die berechtigte ist, geht aus der Entwicklungs-
geschichte, aus den bei manchen Arten vorkommenden Perigonbildungen bei den
9 Blüthen, endlieh aus den Missbildungen hervor.
CyCadaCeae, Familie der Gyinnoxpermae. Holzgew/Ichsc von palmenartigem
Wuchs, vorzüglich in der tropischen und subtropischen Zone der südlichen Halb-
kugel. Der anatomische Bau des Stammes und die Beschaffenheit der Samen bringt
die Cyeadeen den Nadelhölzern nahe, andererseits erinnern sie durch die spiralig
eingerollten jungen Blätter an die Farne. — Charakter : Stamm einfach , meist
mit Schuppen und den Narben abgefallener Blätter bedeckt. Bliltter holzig, lederig,
gross, gefiedert (fälschlich als Zweige bezeichnet ). Blflthen diöcisch, nackt, zapfen-
förmig. r$ Blüthen nur aus zahlreichen, neben einander sitzenden Staubbeuteln
bestehend; 9 Blüthen aus offenen, 2 — 6eiigen Fruchtblättern gebildet.
S y d o w.
Cycas, einzige Gattung der nach ihr benannten Familie der G ymnospermae .
Es sind tropische Bäume mit einfach fiedertheiligen Blättern, deren Abschnitte nur
einen Mittelnerv haben nnd in der Knospenlage schneckenförmig eingerollt sind.
Die Blüthen sind diöcisch, die <3 seitenständig mit zahlreichen, unterseits die
Pollensäcke tragenden Staubblättern, die Q endständig, aus einer Menge, die Samen-
knospen tragenden Fruchtblättern gebildet.
Einige Arten (Cycas revoluta Tlib<j., C. circinalis L.) speichern in ihrem
Marke so reichlich Stärke, dass sich die Gewinnung derselben lohnt. Sie kommt
als Arrowroot (s. Bd. 1, pag. 579 1 und Sago fs. d.) in den Handel.
Die jungen Blätter dienen in der Heimat dieser sogenannten „Palmen44 als
Gemüse.
Cyclamen, Gattung der Pi'imulaceae, ausgezeichnet durch ein knolliges Rhizom,
aus dem langgestielte Blätter und einzelne, nickende, schöne Blüthen entspringen.
Die verblühten Stiele rollen sich spiralig zusammen, so dass die Kapselfrucht auf
den Boden zu liegen kommt.
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CYCLAMEK. — CYDONIA.
369
Gyclamen europaeum L. , Alpenveilchen, S a u b r o d , Erdscheibe,
besitzt ein kuchenförmiges , ringsum bewnrzeltes , innen weisses Rhizom , welchem
vom Volke wurmwidrige Eigenschaften zugeschrieben werden. Es enthalt das Gly-
kosid Cyelaniin (identisch mit Saladix's Arthantin), welches zweifellos giftig
ist. Ein Decoct von 8.0 des frischen Knollens ruft beim Mensehen schon heftige
Vergiftungserscheinungen hervor. Durch das Trocknen wird die Wirksamkeit ab-
geschwächt.
CyClamin, CyClamiretin. Das Cyclamin ist ein Glykosid, welches sich in den
Knollen von Gyclamen europaeum L. findet. Man stellt es dar, indem man die
Knollen mit 6:"> — 70procentigem Alkohol auskocht, die so erhaltenen Auszüge
coDcentrirt und der Krystallisation überlässt. Das nach längerer Zeit sich ab-
scheidende Cyclamin wird durch wiederholtes Lösen in Alkohol und Behandeln
mit Thierkohle gereinigt. Es bildet ein blendend weisses Pulver, das aus rund-
lichen Kugeln besteht oder Körnern, die von Kr> stallnadeln gebildet werden. Es
ist hygroskopisch, löst sich in absolutem Alkohol (1:71), in Amylalkohol, Essigäther
und Glycerin, ist unlöslich in Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Benzol und Petroleum-
fither. Es ist geruchlos, schmeckt scharf und kratzend und sein Staub erregt
heftiges Niesen; beim Erhitzen auf 200° färbt es sich braun und schmilzt bei
236°. Die wässerige Lösung ist opalisirend, schäumt wie Seifenwasser und erzeugt
alkalische Kupferoxydlösung darin einen weissen Niederschlag. Concentrirte Schwefel-
säure löst Cyclamin mit rother Farbe auf; mit viel Wasser verdünnt, verschwindet
die Färbung und es entsteht ein weisser Niederschlag von Cyclamiretin. Durch Er-
hitzen mit Wasser, mit verdünnten Säuren, durch Emulsin spaltet sich das Cyclamin
in Zucker und Cyclamiretin. Der Zucker ist nicht krystallisationsfähig , rechts-
drehend und gäbrt mit Hefe. Das Cyclamiretin ist ein weisser amorpher
Körper, geruch- und geschmacklos, unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol und
Aether. Es färbt sich mit concentrirter Schwefelsäure violettroth. Die Formel des
Cyclamins scheint C!0 H34 O10 zu sein. v. Schröder.
Cyciopifl, Gattung der Papilionaceae, Unterfamilie Podalyrieae : am Cap
heimische Sträucher mit dreizähligen Blattern, gelben SehmetterlingsblUthcn mit
10 freien Staubfäden , zusammengedrückten lederigen Hülsen. — Die Blätter
mehrerer Arten (C. latifolia DG., C. galeoide* DC, G. intermedia Meyen u. A.)
liefern den Capthee (s. Bd. II, pag. 541). Am bekanntesten sind die Blätter
von C. genütoides DG. (C. terttifolia Eckt, et Zcyh.). Die Blättchen der drei-
zähligen Blatter sind ganz umgerollt, fast nadeiförmig, 20 mm lang, kaum 1mm
dick, brüchig, erweicht lederig, kahl, einnervig. Sie schmecken schwach bitter-
aromatisch und etwas herbe von dem in ihnen enthaltenen Gerbstoffe. Coffein ent-
halten sie nicht, wie behauptet wurde, aber das Glycosid Cyclo pin.
Cyclopie (xijxXwi, der Cyclop), eine Missbildung, bei welcher in der Gegend
der Nasenwurzel nur ein Auge sich befindet und darüber das Rudiment
einer Nase.
Cyclopin, ein in den Blättern von Gyclopia latifolia DG. und verwandten
Arten enthaltenes Glukosid (nach Greexish : C2ö H28 013 + Ha 0), zerfällt beim Kochen
mit verdünnten Mineralsäuren in Glukose und Cyclopiaroth (C19 H22 Ol0).
Neben Cyclopin ist noch ein stickstofffreier Schillerstoff fCyclopinfluorosciu) in
jenen Blättern enthalten.
CydOIlia, Gattung der Rosaceae, Abtheilung Pomeae. Bäume oder Sträucher,
von der nächstverwandten Gattung Pirus durch die in jedem Fache zahlreichen,
mit Schleimhülle versehenen Samen unterschieden.
O ydonia vulgaris (Willd.) Pers. (Pirm Cydonia L.} Cydonia europaea
Sav. , Sorbus Cydonia Crantz), Quitte, Coguassier, Quince, Kwee,
in den transkaukasischen und südkaspischen Ländern bis Südostarabien heimischer,
Kaal-BncyclopÄdle der g«. Pb*nn»cie. in. 24
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370
CYDONIA.
durch Persien nach Südeuropa verbreiteter, jetzt in Süd- und Mitteleuropa und
dem Orient, meist der essbaren Früchte wegen oder in Anlagen cultivirter Baum
oder Strauch mit abstehenden, braunen, dornlosen Aesten. Blätter alternirend, kurz-
gestielt (Stiel weichhaarig), eiförmig, eiförmig-länglich oder verkehrt eiförmig,
ganzrandig, oberseits später kahl, Unterseite zottig graufilzig ; Nebenblätter laubig,
eirund, länglich bis lanzettlich, drttsig-gesfigt. Blüthen (grösser als die des Apfels)
kurz gestielt, einzeln endgtändig, von Blättern umgeben, bis 7 cm im Durehmesser,
mit 5 laubigen , oblongen , drüsig gesägten , Unterseite zottig behaarten Kelch-
blattern und weisser oder röthlichweisser, Unterseite schwach behaarter, 5zähliger,
in der Knospe gedrehter Corolle. Androeceum aus 20 Staubfäden bestehend, die
in drei Kreisen, einem äusseren zehnzähligen und zwei 5zähligen inneren, bestehen.
Gynaeceum unterständig, aus 5 verwachsenen Carpellea mit 5 freien Griffeln, die
Fächer mit zahlreichen, aufsteigenden, anatropen Samenknospen in 2 collateralen
Reiben ; zu einer sogenannten Apfelfrucht sich entwickelnd, die, vom vergrösserten,
laubigen 'Kelche bekrönt, in jedem der 5 pergamentartigen Fächer 6 — 15 (oder
mehr) Samen enthält. Die Frucht ist plattrund, an der Basis verschmälert, beider-
seits genabelt und sehr herb bei der Var. maliformis Mill., der Apfelquitte;
bim förmig, unten eingedrückt, nur auf dem Scheitel genabelt und minder herb
bei der Var. oblonga Mill., der Birnquitte; birnförmig, sehr gross und ge-
rippt bei der Vor. lu»itanica Med., der portugiesischen Quitte. Ihre Farbe ist
goldgelb, gelb oder grünlichgelb, punktirt, oder schwach spinnwebig-filzig. Der
später verschwindende Filz reibt sich aber leicht ab. Die Samen sind rothbraun
und mit Schleimhülle versehen.
Fructus Cydoniae, Poma Gydoniorum (Ph. Dan., Suec., Un. 8t.), als
Cydonia exsiccata ehedem in Verwendung oder zur Darstellung des Extr. Ferri
cydoniati benützt, besitzen in der Mittelschicht viele Steinzellengruppen (Reste
der Drupa), die sich zumal gegen das Gehäuse sehr eng zusammendrängen. Die
reifen Quitten sind von starkem, angenehm-aromatischem Geruch und herbem, saurem,
kaum süsslichem Geschmack, das Fleisch ist sehr hart.
Das Aroma der Frucht ist nach Wöhlkr Oenanthäther , nach R. Waoner
Aethylpelargonat. Der Fruchsaft enthält Zucker, viel Aepfelsäure (3l/3 Procent,
Riekher), Pectin, Gummi.
Man benützt die reife Quitte eingemacht als Compot. Doch wird sie auch noch
jetzt bisweilen getrocknet in der Apotheke gefordert (gegen Diarrhoe etc.). In
Frankreich ist der frische Quittensaft officinell, ebenso wie das Extr. Ferri cydo-
niatum und ein Syr. Cydoniorum (nach Art des Kirschsaftes dargestellt).
S etnen Cydoniae 8. Cydoniorum (Ph. Germ. I., Austr., Russ., Gall., Belg.,
Neerl.), meist zu 8 — 14 in jedem der 5 Fruchtfächer in zwei Verticalreihen. Sie
sind von einer schlüpfrigen Haut umgeben, so dass die in einem Fache liegenden
nach dem Eintrocknen fest zusammenbacken. Auch in der Droge hängen noch
oftmals mehrere Samen fest aneinander.
Getrocknet sind die Samen hart , spitz und verkehrt eiförmig , halbherzförmig
oder fast keilig, in der Form etwas von den benachbarten Samen abhängig, da
sie in Folge gegenseitigen Druckes einander abplatten. Von dem kleinen, weissen,
an der meist zugeschärften, dünneren Spitze liegenden Hilum (Ansatzstelle dea
Funiculus) läuft die Raphe als ziemlich gerader, scharfer Kiel nach dem entgegen-
gesetzten stumpfen und durch einen kaum dunkler gefärbten etwas erhöht
gerandeten Fleck (der Chalaza) bezeichneten Ende. Der der Raphe gegenüber-
liegende Rand beschreibt eine seichte Curve. Der Rücken des Samens ist entweder
gewölbt oder mehr weniger abgeflacht.
Die Länge über»ehreitet 10 mm nicht. Aussen sind sie rothbraun, mit einem
zarten . weiblichen Häutchen bedeckt (daher matt), welches trocken , spröde und
da und dort abgesprungen ist. Dieses Häutchen bewirkt ein Schlüpfrig-
werden der Samen beim Eintauchen in Wasser. Die dünne zerbrechliche leicht ab-
springende Samenschale umschliesst den Embryo, der aus zwei dicken, plancon-
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CYDONIA.
371
vexen, ölig-fleischigen, geäderten (von Gefässbundeln durchzogenen), wellenförmig
zusammengelegten Cotyledonen, einer kleinen und kurzen, nach unten, gegen das
Hilum gerichteten, geraden Radicula und einem sehr schmalen, der Samenschale
fest anhaftenden Endosperm besteht.
Anatomisch betrachtet, zeigt die Samenschale (unter dickem Glycerin, beziehungs-
weise Oel) im Querschnitt zu äusserst eine zarte Cuticula, darunter die helle, stark
tusaramengetrocknete , hell und durchsichtig erscheinende Epidermis ohne deut-
Fi«r. 55.
Querschnitt durch die äussere Partie eines Quittensamens.
«Schleimepithel, p Piirnientschicht ., u innere Samenhaut, «Endosperm, a Cotyledon.
Der Inhalt nur in einigen Zellen gezeichnet.
liebe Zellbegrenzungen (Schleimschicht). Setzt man Wasser hinzu, so quillt dfese
Schicht mächtig (bis 0.170 mm) auf (Fig. 55). Dabei lösen sich die nun deutlich
werdenden cylindrischen oder schwach bauchigen, in der Oberflächenansicht rund-
lich eckigen, palissadenartig neben einander liegenden, sich stark radial streckenden,
besondere aussen stark verdickten Zellen wohl auch von einander, der schleimige
Inhalt, durch Umwandlung der secundären Membranverdickungssohichten in Schleim
(die primäre Membran verschleimt nicht) entstanden, zeigt noch häufig deutliche, oft
wellenförmige Schichtung. Er tritt, bei plötzlichem Wasserzutritt die Membranen
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372 CYDONIA.
sprengend, in's Freie und löst sich im Wasser. Durch dieses Aufquellen der Epidermis
erscheint also der Quittensamo, ebenso wie der Lein bei Wasserzutritt in eine
farblose Schleimhülle eingebettet. Jod färbt dieselbe schwach gelb bis rosa, später
blau. Mit Jodschwefelsäure wird sie blau. Sie verhält sich also chemisch anders
als die des Lein (Flückiger). Das Schleimepithel besteht Anfangs (im Frflhsommer)
aus prismatischen, schwach radialgestreckten Zellen, die an dem sich entwickelnden
Samen bis Ende Juli ihre normale Grösse und Form erreicht haben, aber noch
dünnwandig sind. Erst Anfang August beginnt die kappenförmige Ablagerung der
Verdickungsschichten an der Innenseite der Aussen wände der Epidermiszellen, die
ziemlich rasch bis zum Grunde fortschreitet, so dass schliesslich jede Zelle von
den bei Berührung mit Wasser verschleimenden Verdickungsschichten erfüllt ist
(Frank, Luerssen).
Unter dieser charakteristischen Schleimschicht folgt eine mehrreihige Zone dick-
wandiger Sclereiden mit festem, braunrothem, gerbstoflartigem Inhalt (Pigment-
schicht), Fig. 55, p.
Die innere Samenhaut (is) ist knorpelig und besteht aus tangential gestreckten, sehr
engen und collabirten hellen Zellen, die etwas weiter nach innen, innerhalb des
schmalen Endosperms wiederkehren. Sowohl in den quadratischeu Zellen des Endo-
sperms, als in den ebenso gestalteten der Radicula, als den mehr radial gestreckten
der Cotyledonen findet Bich neben fettem Oel reichlich Aleuron (Fig. 55), dessen
Körner in letzteren grösser sind als in dem Endoaperra und der Radicula.
Unzerkleinert schmecken die Quittensamen rein fade, schleimig und geben mit
Wasser geschüttelt einen trüben Schleim. Mit Wasser zeretossen liefern sie eine
dicke, schwach nach bitteren Mandeln riechende und schmeckende Emulsion. Sie
enthalten also (ebenso wie die Rinde und die jungen, frischen Triebe) Amygdalin,
liefern auch ein blausäurehaltiges Destillat (Stockmanx). Lehmann fand auch in
Aepfelsamen 0.6 Procent Amygdalin.
Der Schleim ist so reichlich vorhanden, dass noch das vierzigfache Gewicht
(der Samen) Wasser dadurch dick schleimig wird. Man kann nahezu 20 Procent
trockenen Schleims aus den Samen erhalten (Flückiger). Der Schleim, von Asche-
bestaudtheilen schwer oder gar nicht zu befreien (Frank, Kirchner und Tollens)
— ursprünglich enthält er etwa 10.4 Procent davon (Schmidt) — entspricht im asche-
freien Zustande der Formel C18 H39 014 = (Ca H10 05)s — HOa. Verdünnte Schwefel-
säure führt den löslichen Theil des Schleimes in Gummi und Oellulose, endlich in
Zucker über. Salpetersäure liefert keine Schleimsäure, sondern Oxalsäure (Frank).
Alkalien , Säuren , Metallsalze , Alkaloide coaguliren den Quittenschleim, Borax
nicht, Gerbsäure verändert nicht, Alkohol trübt, Bleizucker fällt flockig (Unter-
schied von Acacien-, beziehungsweise Carageenschleim), Kreosotwasser fällt Quitten-
schleim nicht, wohl aber Gummi und Kirschgummischleim (Reichenbach). Vor
völliger Reife enthalten die 8amen etwas 8tärke. Fettes Oel ist im reifen Samen
reichlich zu finden.
In der Asche finden sich 42 Procent Phosphorsäure.
In den Handel gelangen die Quittensamen hauptsächlich aus Südrussland, Tene-
riffa und vom Cap (Flückiger). Die russischen Samen sind voller, fester zusammen-
hängend , von fast violettschwarzer Farbe und besonders reich an Schleim
(Flückiger).
Als Verwechslung, beziehungsweise Fälschung, werden die Samen der
Birne und des Apfels genannt. In der Form sind sie ähnlich, doch niemals durch
Druck eckig oder zusammengedrückt, auch niemals (da in der Frnoht isolirt) mit
einander verklebt. Sie sind viel dunkler braun, glänzend und nur sehr wenig schleimig.
Ihr Schleimepithel ist viel schmäler : Seine Zellen sind nicht oder kaum radial
gestreckt.
Die ebenfalls als Fälschung angegebenen Rosinenkerne sind schon durch ihre
Form so charakteristisch unterschieden , dass von einer Verwechslung nicht wohl
die Rede sein kann. Zudem besitzen sie eine steinharte Samenschale. Hager gibt
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CYDONIA. — CYMOL
373
ata Verfälschung (bis zu 50 Procent) „die Schale einer Frucht von brauner Farbe
oder braun gefärbt und schwach weisglich bestäubt" au.
Angewendet werden die Quittensamen nur zur Darstellung des Mudlago
Gydoniae seminum. Tschircb.
CyÜCOdaphne, Gattung der Lauracsae, charakterisirt durch das sech^spaltige
Perigon mit 12 Staubgefässen und die in einer becherförmigen, ganzrandigen Hülle
sitzenden Beeren. Aus den Früchten von C. sebifera (?) wird ein Fett, das
sogenannte javanische Tangkalla, gewonnen.
Cytllä (xOax, das Schwellende, auch Fracht, Same) = Trugdolde, ist ein
Bim benstand, in welchem der blühende Hauptspross von vielen tiefer entspringenden,
annähernd gleich starken blühenden Seitensprossen flbergipfelt wird. Im Habitus
der Dolde ähnlich, aber von ihr wesentlich dadurch verschieden, dass die Blflthen-
stiele nicht aus einem Punkte entspringen, daher ungleich lang sind. — Vergl. Bd. II,
pag. 318.
CyffibaläricL, Scrofulariaceen-G^ttang Rüpp's, synonym mit Linaria Tourtief.
Herba Cymbalaria?, auch Umbilicus Veneris genannt, stammt von Linaria
Cymbalaria MM. (Antirrhinum Cymbalaria L.). Sie ist obsolet.
Cymen, %. Cymoi.
CyiTlinum, dem griechischen jcjjaivov nachgebildeter Name für 0 um i n n m <s. d.).
Cymogen ist der am leichtesten flüchtige, bei normaler Temperatur gasförmige
ßestandtbeil des amerikanischen Erdöls. Er ist nur durch grossen Druck zu ver-
dichten und bildet dann eine farblose , leicht bewegliche Flüssigkeit , welche bei
0° siedet und zur Fabrikation von künstlichem Eis Verwendung findet.
Gans wind t.
Cymol, Methylpropylbenzol , Cc H4 . CH8 . C, H;. Von den sechs der Theorie
nach möglichen Metbylpropylbenzolen, welche säramtlieh den Namen Cymol führen,
sind fünf bekannt, nämlich das Ortho-, Meta- und Paramethylpropylbenzol und das
Meta- und Paraisopropylbenzol oder, wie man sie abgekürzt bezeichnet, das o-, m-,
p-Cymol, m- und p-Isocyraol. Meist versteht man unter Cymol das p-Cymol.
Dasselbe findet sich in vielen ätherischen Oelen, so im Oel von Cuminum
Cyminum, dem römischen Kttmmelöl, in welchem es auch von Gerhardt und
Cahours zuerst aufgefunden wurde.
Synthetisch erhalt man es aus p-Bromtoluol, normalem Propyljodid und Natrium
nach der Gleichung : C„ H, . CHS . Br + C3 H; J -f Na,, = C6 H4 . CHS . C3 H7 4-
NaJ + NaBr.
Zu seiner Darstellung behandelt man am besten Campher mit wasserentziehen-
den Mitteln, z. B. Phosphorsäureanhydrid.
Cl0 H10O— HsO = C10Hu
Cainphcr Cymol.
Die Terpene, welchen die Formel C10 HJfl zukommt, geben bei der Behandlung
mit wasserstoffentziehenden Mitteln (Brom, Jod) in Cymol über. Auch aus Thymol
und Cuminalkohol lässt sich Cymol darstellen.
Cymol ist eine farblose Flüssigkeit von Q.8.VJ5 spec. Gew. bei 15°, welche bei
175" unzersetzt destillirt.
Ks gibt charakteristische Absorptionsstreifen , welche zu seinem Nachweise in
Terpenen dienen können.
Innerlich genommen wird es zu Curainsäure CB H4 . C, H7 . COOH oxydirt und
mit dem Harn ausgeschieden; im Hundeharn findet sich nach dem Genüsse von
Cymol Cuminursänre, C12 HJ5 N03.
Man kennt eine Anzahl von Chlor-, Brom-, Nitro- und Amidoderivaten des
Cymols, die ebenso wie das Cymol selbst bisher keine technische Anwendung finden.
Benedikt.
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374 CYNANCHDi. — CYNOGLOSSUM.
Cynanchin, Cynanchocerin. Finden sich in dem Milchsaft von Cynanchum
acutum. Das Cynanchocerin bildet platte, lanzettförmige Nadeln. Schmelzpunkt
145 — 146°. Löst sich leicht in Aether, Chloroform und heissem Alkohol, wenig
in kaltem. In Alkalilaugen, starker Salz- und Salpetersäure ist es unlöslich. In
ooncentrirter Schwefelsäure löst es sich mit gelber Farbe, welche beim Erwärmen
dunkler wird und dann im reflectirten Licht grüne Fluorescenz zeigt. Das Cynan-
chin bildet grosse, breite glänzende Blättchen, die bei 148 — 149° schmelzen,
verhält sich sonst wie Cynanchocerin. v. Schröder.
Cynanchol. ein Phenol von der Formel Cl6 H24 0 (?). Kommt im Milchsaft
von Cynanchum acutum L. vor und wird aus diesem als weiches Harz gewonnen.
Bei wiederholtem Umkrystallisiren aus Alkohol trennt es sich (nach Hesse) in
Cynanchocerin, platte, Nadeln und Cynanch in, breite Blätter. Die sonstigen
physikalischen Eigenschaften Bind genau dieselben. Ganswind t.
Cynanchum, Gattung der Asclepiadeae. Windende Kräuter mit gegen-
ständigen Blättern und achselständigen Infloresccnzen. Corolle mit doppelter
Nebenkrone, die äussere röhrig, die innere aus 5 Schuppen gebildet. Fruchtkapseln
glatt, Samen beschopft.
Cynanchum acutum L., ein im nördlichen Mediterrangebiete heimisches Kraut
mit flaumigem Stengel , kleinen Blättern und zweitheiligen Trugdolden . enthält
gleich verwandten Arten einen scharfen Milchsaft.
Cynanchum ist pharniakognostisch synonym mit Vincetoxicum (&, d.).
Cynapitl. Diesen Namen erhielt ein Alkaloid ans Aelhusa Cynapium L.,
dessen Eigenschaften sehr wenig untersucht sind. v. Schröder.
Cynara, Gattung der Compositae, Unterfatnilie Cardueat. Stachelige Kräuter
mit grossen fiederschnittigen Blättern und einzelnen endständigen Blüthenköpfen,
deren Blüthen sämnitlich zwitterig , Achflncn vierkantig, von federigem Pappus
gekrönt sind. Einige Arten werden als Gemüsepflanzen cultivirt. Die Blätter der
Artischoke (Cynara Scolymus L.) gelten beim Volke als Diureticum.
CynipS, Gattung der nach ihr benannten Familie der Hymenoptera, charakterisirt
durch den mehr oder weniger zusammengedrückten, anhängenden oder gestielten,
nie metallisch gefärbten Hinterleib, Vorderflügel ohne Randmal, mit 6 — 8 ge-
schlossenen Zellen, Fühler gerade, höchstens IGgliederig. Die Gallwespen erzeugen
an verschiedenen Pflanzen Gallen, in welchen ihre Larven, oft aber auch die
fremder Arten (Inquilinae), leben. — Vergl. Gallen.
Cynodon, Gattung der Gramineae, Unterfamilie Chlorideae, charakterisirt
durch in den Knospen gerollte Blätter, von der Seite her zusammengedrückte
Aehrchen, gewöhnlich nur aus einem 9 Böiglein bestehend, alternirend und eine
einseitige Aehre bildend. — Die Aehren des im Mittelmeergebiete, stellenweise auch
bei uns vorkommenden Cynodon Dactylon Pers. sind zu 3 — 6 doldig zusammen-
gestellt (daher Fingergras). Seine bis meterlangen Wurzelausläufer werden
als Rhizoma Gynodontis s. Graminis italici s. Graminis Dactyli im südlichen
Europa ebenso verwendet wie bei uns Radix Graminis von Triticum rcpens.
Cynogl 0SSUI71. Gattung der Asperifoliaceae. Haarige Kräuter mit altern iren-
den Blättern und blauen oder violetten Blüthen in blattlosen Inflorescenzen. Der
röhrige, fünftheilige Kelch bleibt bei der Fruchtreife unverändert ; der Schlund der
trichterigen Blumenkrone ißt durch 5 Klappen verengt, am Grunde befinden »ich
4 eiförmige, vom Rücken her flachgedrückte, weichstachelige, dem Griffel ange-
wachsene Nttssehen.
Cynoglossum officinale L., Hundszunge, Venusfinger, Lieb-
äuglein, ist (3, besitzt eine walzlich-spindelige Wurzel, zottigen Stengel, ganz-
in den Blattsiel verlaufende, nach oben sogar halbumfassende, mehr oder
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CYN'OGLOSSUM. — CTPRINU3 BARBUS.
375
weniger behaarte Blätter und in einseitigen Trauben schmutzig blutrothe Blüthen
mit purpurnen Schlundklappen.
Die ganze Pflanze hat einen widerlichen Mausegeruch, der «ich aber beim
Trocknen verliert. Sie soll ein dem Curare ähnlich wirkendes Alkaloid enthalten
(Buchheim).
Die Wurzel (im Herbat gesammelt) und das blühende Kraut (Mai, Juni) waren
als Nervina in Verwendung; jetzt sind sie obsolet.
Cynomorilim, Gattung der Balanophoreae, in Europa nur durch eine Art ver-
treten, durch das im Mittelmeergebiete auf Sträuchern schmarotzende, im Habitus
an einen rothen Pilz erinnernde Gynomorium coccineum L. Es war früher als
Fungus meläensi's, Hundsruthe, gegen Blutungen in Verwendung.
CynOreXie (*vu>v, Hund und pjjyvujM, bersten), Ileisshunger. — S. Bulimie,
Bd. II, pag. 416.
CynOrrhoda 0d6r CynOSbata sind die als Hagebut ten bekannten Früchte
von Rosa canina L. Es sind eigentlich die beerenartig ausgewachsenen, bei der
Reife scharlachrothen Receptacula, in welchen die zahlreichen Achaenen (fälschlich
für Samen gehalten) sitzen.
Man beuützt sie als Zuckerconfeet, kaum mehr als Heilmittel. Angeblich werden
sie auch zu einem Kaffeesurrogat verarbeitet.
Cyperaceae, Familie der Glumißorae. Grasartige, über die ganze Erde ver-
breitete Gewächse. Sie unterscheiden sich von den echten Gräsern (GramineaeJ
sofort durch völlig knotenlose Halme, die meist 3zeiligen, mit geschlossenen
Scheiden versehenen Blätter und das fehlende Blatthäutchen. Die Mehrzahl der
2000 Arten findet sich zwischen den Wendekreisen, wo sie oft wiesenbildend die
Stelle der Gramineen vertreten. Die kältere, gemässigte und kalte Zone sind durch
den Arten- und Individuenreichthnm gewisser Gattungen ( öarex, Eriophorum) aus-
gezeichnet. Sie sind es, welche als „saure Gräser" allgemein bekannt sind. —
Charakter: Halm meist 3kantig, ohne Knoten. Blätter meist 3zeilig, mit geschlos-
senen, röhrigen Blattscheiden, ohne Blatthäutchen. Blüthen zwitterig oder einge-
schlechtlich, mit Deckspelze, aber ohne Vorspelze. Perigon fehlend oder borsten-
förmig. 8taubgefässe 3, frei. Griffel 1. Narben 2—3. Frucht nusRartig, oft 3kantig.
Man unterscheidet 2 Hauptgruppen :
a) Cariceae: Blüthen ein- oder 2häusig, Perigon fehlend. Ö Aehrchen einfach,
9 zusammengesetzt aus lblflthigen Aehrchen, welche vom Vorblatt „Utriculus"
eingeschlossen sind.
b) Scirpeae: Blüthen meist zwitterig. Perigon öfter vorhanden. Aehrchen
mehrblüthig. Sydow.
CyperUS, Gattung der nach ihr benannten Familie, eharakterisirt durch
zwitterige, dichte Inflorescenzen bildende Blüthen, welche kein Perigon, meist
3 Staubfäden und dreinarbige Griffel besitzen und sich zu dreikantigen Früchten
entwickeln. Die Rhizome einiger Arten sind geniessbar (Erdmandeln) und wurden
früher auch als Heilmittel angewendet, so die Rhizome von Cyperus esculentus L.
als Bulbuli Thrasi s. Dulcina und die Rhizome von C. longus L. und C. rotun-
dus L. Die letzteren kommen auch als falscher Galgant vor (Hager).
CypervitnOl ist Kupfervitriol.
Cyphomandra, Gattung der Solanaceae. Gruppe Eusolaneae. — Auf Jamaica
wird C. betacea Sendtn. , der sogenannte Tomato-Baum, seiner geniessbaren
Früchte wegen cultivirt.
CypreSSenthee; meist wird dafür Herba Melissae dispensirt.
CyprinUS BarbUS (homöopathisch), die im Monat Mai aus dorn Rogen der
Barbe (Cyprinus Barbus L.) bereitete alkoholische Tinctur.
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376 CYPR10NSALZ. — CYSTICERCUS.
CypriOnsalZ ist eine Mischung von schwefelsaurem Kupferoxydammoniak mit
unterseh wefligsaurem Natron und findet seine hauptsächlichste Verwendung in der
Feuerwerkerei zur Erzielung blauer Farbeneffeete.
Cypripedium, Gattung der naeh ihr benannten Unterfamilie der Orchidaceae,
charakterisirt durch das horizontale Rhizoin, die schuhförmig aufgeblasene Honig-
lippe, die kurze, 3spaltige Griffelsilule , welche seitlich 2 fruchtbare Staubgefässe,
in der Mitte ein blumenblattartiges Staminodium trägt.
Cypripedium pubescens Willd. vund G. paruiflorum Salisb., zwei
gelbblüthige nordamerikanische Arten, sind von Ph. ün. St. aufgenommen.
Ihre Rhizome gelten als Nervenmittel. Mitunter hat man sie der Senega bei-
gemengt gefunden. Sie sind nur auf der Unterseite, hier aber sehr reich bewurzelt.
Die Kernscheide ist nach Schrenk immer vorhanden, aber oft so schwach ent-
wickelt, dass sie mikrochemisch nachgewiesen werden muss. Meist sind jedoch
die Endoderrnnzellen stark verdickt, und zwar allseitig oder hufeisenförmig nach
innen, im ersten Falle mit dünnwandigen Zellen untermischt.
CyprilS antiqiJOriim ist Lawsonia alba Lam., die echte Alk an na (s.Bd. I,
pag. 834).
CyrillO-Htlfeland'SChe Salbe ist ein Gemisch aus 3 Th. Hydrargyrum
lichloratum corros., 3 Th. Ammonium chloratum und 24 Th. Adeps.
Cyste fruOTtt, Blase), eine blasen förmige Geschwulst mit verschiedenem Inhalt.
S. Balg, Bd. II, pag. 122.
CyStiden, eigenthttniliche, bei der Fruchtbildung der Agaricineae und Poly-
poreae beobachtete Zellen, welche in geringer Zahl zwischen den Basidien auftreten
und mehr oder weniger weit über die Hymenialflache hervorragen. Sie sind von
verschiedener, blasen-, keulen-, flaschen-, cylinder- oder haarförmiger Gestalt. Ob
und welche Bedeutung sie haben, ist zur Zeit nicht bekannt. Man vermuthet in
ihnen nur einfache Haarbildungen (vergl. Bd. II, pag. 164, Fig. 35;. Sydow.
Cysticercus, ehemalK eiue Gattung der Blasenwürmer (Cystica), jetzt als Ent-
wicklungsforin im Generationswechsel der Ccstoden erkannt. Sie Ist vor den übrigen
Blasenwürinern dadurch ausgezeichnet, dass jede Blase nur einen Kopf trägt.
Von den bekannten Arten ist als Parasit des Menschen und des Schweines am
wichtigsten :
Cysticercus cellulosae R., die Schweinsfinne, schon von GöZK
und PabRICIUS als Ammenthier der Taenia Solium L. erkannt. Sie wird 10 mm
lang, am Rnstellum des Kopfes befinden sich
26 Haken in 2 Reihen. Nicht selten wird diese FiS- 56
Finne in Irrenhiluseru gefunden, wo die an Band-
wurm leidenden Kranken sieh mit ihren eigenen
Proglottiden inficiren. Durch die Düngung der
Küehengürten können Bandwurmeicr auf den Salat
gelangen, so kann ein Mensch auch durch den
Genuss rohen Salates Finnen bekommen.
Der Cysticercus, aus welchem Taenia medio-
canelfata h in. entsteht . bewohnt die Muskeln
und die inneren Organe des Kindes. Er ist etwas
kleiner und hat einen dicken, hakenlosen Kopf.
In der Leiche einer Amerikanerin wurde der c^ti*
Cysticercus von Taenia acanthotnas WM. ge- ^ÄHESM? V§E»
funden. Sein Kopf besitzt einen dreifachen Kranz Le uckart.4maf vergrößert,
schlanker Haken.
Cysticercus visceralis Ii., das Ammenthier der Taenia marginata Butsch.,
ist sehr jrrnss, die Blase gegen den Kopf hin ausgezogen. Lebt im Schweine und
Kinde, soll aber auch im Menschen gefunden worden sein.
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CYSTIN.
377
Cystin, c, h7 xsoa, eine in seltenen Fällen Blasensteine bildende, aueh gelöst
im Harne vorkommende Substanz, welche von ihrem Entdecker Wollastox als
Cysticoxyd bezeichnet wurde. Möglich, dass das Cystin die Muttersubstanz des
als Componente der Tauroeholsäure der Galle bekannten Taurins, Ca H7 NSOa, ist,
aus welcher dieses durch Oxydation entsteht. Bezüglich der Erkennung der Cystin-
steine s. Blasensteine, Bd. II, pag. 276. Im Harnsedimente erscheint das Cystin
unter dem Mikroskope in farblosen glänzenden sechsseitigen Tafeln oder Prismen
(Fig. 57 Es ist unlöslich in Wasser, Alkohol und Aether, leicht löslich in Lösungen
der Aetzalkalien, in Mineralsäuren und in Oxalsäure ; aus sauren Lösungen ist es durch
saures kohlensaures Ammon, aus alkalischen durch Essigsäure und durch Wein-
säure fällbar. Die Fällbarkeit des Cystins aus sauren und aus alkalischen Lösungen
erklärt die Möglichkeit des Vorkommens dessell)en sowohl im Sedimente des sauren
als des alkalischen Harnes. Aus saurem Harne fällt es nach Zusatz von Essigsäure,
wenn vorhanden, nach 10 — 12 Stunden in Form eines feinen Pulvers, zugleich
mit L' raten, Harnsäure und oxalsaurem Kalk gemengt, nieder. ( 'ystinhältige Harne
zeichnen sich durch eine blassgelbe Färbung aus , im Verlaufe der alkalischen
Uährung entwickeln sie einen Geruch nach Sehwefelanimon. Das Cystin zeigt
folgende Reactioncn:
Fig. 57.
C y s t i n k r y a t a 1[1 Vergrösser un? 2?5f tob.
1. Eine Probe mit einer Lösung von Bleioxydkalium gekocht, zeigt Schwärzung,
von Schwefelblei herrührend, )>ei gleichzeitiger Bildung von Ammoniak. 2. Löst
man Cystin in Kalilauge unter Erwärmen und versetzt man die erkaltete und mit
W.-Kser verdünnte Lösung mit Nitroprussidnatrium, so erhalt man die für Schwefel-
alkalien charakteristische Violettfärbung. 3. Auf Platinblech erhitzt, schmilzt ( ystin
nicht, sondern verbrennt mit blaugrüner Flamme und Entwicklung eines scharf
sauren, an Blausflure erinnernden charakteristischen (Jemens.
Zur Bestimmung des im Harn gelösten Cystins werden 3 — 500 cem Urin
mit 20 cem 2()proeentiger Essigsäure versetzt. Das nach 24 Stunden abgeschiedene
Sediment wird auf einem aschefreien Filter gesammelt, mit verdünnter Essigsäure
und mit heissem Wasser gewaschen, getrocknet und gewogen. Nach dem Wägen
wird das Filter wieder auf den Trichter gebracht und mit einigen Tropfen verdünnter
Salzsäure das Cystin gelöst, dann wieder getrocknet und gewogen, die Differenz
aus heiden Wägungen wird als Cvstin berechnet. Entsprechend dem oben beschrie-
benen Gehalt des Niederschlages an oxalsaurem Kalk wird wegen der l'nlöslichkeit
derselben in Essigsäure bei dieser Bestimmung ein kleines Plus des Cystins resultiren.
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378
CYSTIN. — CYTISIN.
Das Vorkommen von Cystin im Harne wird als Cystinurie bezeichnet, diese
wurde in sehr seltenen Fällen bei Kindern und bei Erwachsenen beobachtet. Ueber
die Ursachen des Erscheinens des Cystins als anomalen Stoffwechselproductes im
Harn ist nichts Bestimmtes bekannt. Die Affection kann Jahre lang mit zeitweiligen
Unterbrechungen andauern, sie ist insbesondere von Bedeutung, weil das Cystin
sehr leicht zur Bildung von Blasensteinen Anlass gibt. Loebisch.
CyStitiS (xucjTt;, die Bl ase) ist ein Catarrh der Harnblasenschleimhaut, kurzweg
auch Blasencatarrh genannt. Beim Blasencatarrh ist der Harn fast immer trübe
und enthalt reichlich Schleim. So lange der Harn sauer reagirt, findet man im
8edimente farblose und rothe Blutkörperchen und Blasenepithelien. Häufig wird
jedoch der Harn schon in der Blase alkalisch. Das Sediment des alkalischen Harnes
enthält natürlich alle Stoffe, welche nur im sauren Harne gelöst bleiben können;
man findet bei der mikroskopischen Untersuchung phosphorsaure Ammoniakmagnesia
(Tripelphosphat) in sargdeekelförmigen Krystallen, saures harnsaures Ammoniak in
kugeligen Gebilden von bräunlicher Farbe, welche mehr oder minder zahlreiche
Fortsätze aussenden (Steehapfelform) , kohlensauren und phosphorsauren Kalk in
amorphen Körnern und Schollen und zahlreiche Schizomyceten. Enthält der alkalische
Harn gleichzeitig Eiter, so nimmt das Sediment eine fadenzichende, gunimi- oder
leiniähnliche, an Hühnereiweias erinnernde Beschaffenheit an, dieselbe wird beson-
ders deutlich, wenn man den Harn in ein anderes Gefäss übergiesst. Die Erscheinung
beruht darauf, dass die Eiterkörperchen unter dem Einflüsse des kohlensauren
Ammoniaks eine eigentümliche Quellung erfahren, welche sich auch im mikro-
skopischen Bilde deutlich ausspricht.
Der BlanencatArrh wird auch als Cystitis catarrhalis unterschieden von der
wahren Entzündung der Blasenschleimhaut: Cystitis cruposa, bei welcher
Entzündungsmembranen auf der Blasenschleimhaut aufliegen, und Cystitis diph-
tkeritica, welche mit diphtherischem Zerfall der Blasenschleimhaut einbergeht.
CyStOÜthen, s. Blasensteine, Bd. II, pag. 275.
CystOSetra, Gattung der Algenfamilie Fucaceae , charakterisirt durch eylin-
drische , reihenweise Luftblasen führende Aeste , welche einen stark verzweigten
Thallus bilden. Ihre Arten bilden einen Bestandteil de* Hdminthochorton.
CytinilS, eine Gattung der Rafflesiaceae, im südlichen Europa durch den auf
Cistus- Arten schmarotzenden Cytinus Hypocistü L. vertreten, einer spannenlangen,
schuppigen, blattlosen Pflanze mit monöcischen Blüthen und vielsamigen, fleischigen
Früchten. Der Saft der ganzen Pflanzen oder der Beeren kam früher als Succtis
Bypocistidis in Form schwarzrother Kuchen in den Handel und wurde als Ad-
stringens verwendet.
CytiSin, C2 , H27 N3 0. In den reifen Samen des Goldregens , Cytisus
Labumum, in kleinerer Menge auch in den BlUthen und Blättern. Auch andere
Cytisus-Arten enthalten es.
Zur Darstellung wird ein wässeriges Extract aus den gröblich gepulverten
Samen unter Zufügung von etwas Schwefelsäure gemacht, mit Kalk beinahe neu-
tralisirt, abfiltrirt und das Filtrat mit Bleiessig versetzt. Nach Entfernung des
überschüssigen Bleies mit Schwefelsäure und Neutralisiren mit Soda fällt man das
Cytisin mit Gerbsäure aus. Letztere Fällung wird mit Bleioxyd in der Warme
zerlegt und das Cytisin mit kochendem Alkohol extrahirt. Der Rückstand des
letzteren Auszuges wird mit Salpetersäure bis zur stark sauren Reaction und dann
dem 6 — 8fachen Volum absoluten Alkohols versetzt. Nach einiger Zeit hat sich
das salpetersaure Salz krystallinisch ausgeschieden. Letzteres wird mit concentrirter
Kalilauge gekocht, die sich abscheidende Oelschicbt nach dem Erstarren mit etwas
WasBer abgespült und nochmals mit Kali erhitzt. Das so erhaltene Cytisin lasat
man zur Ueberführung des Kalihydrates in kohlensaures Salz in kohlen sä urereicher
Luft liegen, löst es in absolutem Alkohol, verdampft bis zur Syrupdicke, worauf
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CYTISIN. - CZIGELKA.
379
das Cytisin zu einer weissen, strahlig kri stallinischen Masse erstarrt, die bei 10°
getrocknet wird.
Das Cytisin bildet eine krystallinische Masse von bitterem Geschmacke, ohne
Geruch. Lässt sich im Wasserstoffstrom sublimiren. Schmelzpunkt 154°. Reagirt
alkalisch, leicht löslich in Wasser und Alkohol, nicht in Aether, Chloroform und
Schwefelkohlenstoff. Es ist eine der stärksten Basen und fallt die Erden uud
Mctalloxyde aus ihren Salzlösungen. Concentrirte Schwefelsäure löst es farblos, ein
Tröpfchen Salpetersäure gibt dann orangegelbe, Kaliumbichromat erst gelbe, dann
graue Färbung. Wird von Alkaloidreagentien noch in grosser Verdünnung aus
wässeriger Lösung gefällt. Die löslichen Cytisinsalze schmecken bitterer als die
freie Base. Die einfachen Salze sind meistentheils zerfliesalich und nur schwierig
krystallisirt zu erhalten. Nur das salpetersaure Cytisin C20 H27 Ns 0, 2 HNO, + 2 H, 0
besitzt ein ausgezeichnetes Krystallisationsvermögen ; es bildet grosse, monokline
Prismen. Salzsaures Cytisin, G,0 H27 N3 0, 4 H Cl + 3 H2 0 , entsteht beim Auf-
lösen von Cytisin in überschüssiger Salzsäure und Verdunsten im Vacuum. Das
Pl.itinchloridsalz ist ein orangegelber, allmälig krystallinisch werdender Niederschlag.
Das Goldchloridsalz stellt feine, zu Büscheln vereinigte Nadeln dar. Mit Queck-
silberchlorid gibt es ebenfalls eine krystallinische Verbindung. Ist sehr giftig.
v. Schröder.
Cyti8ogenista, eine Po^i/i'o/tac^en-Gattung Toükxefort's , synonym mit
Sarothamnus Wimm. Unter Herba Gytisogenistae versteht man jedoch das Kraut
von Genist a tinctoria L.
CytiSUS, Gattung der Papilionaceae, Unterfamilie Gmüteae, charakterisirt durch
dreizählige Blätter, nionadelphische Blüthen mit zweilippigem Kelch, flache, ein-
facherige Hülsen.
Cytisus Lahimum L.t Goldregen (wegen der gelben, hängenden Blüthentrauben),
Bohnenbaum, und andere Cyti$us-Arten enthalten in allen Theilen. besonders reich-
lich in den Samen, das giftige Alkaloid Cytisin (Husemann und Marme, Zeitschr.
f. Chemie, 1865). Bei Kindern wirken schon 12 Blüthen, bei Erwachsenen 2 Samen
toxisch. Früher waren Folia LaLurni in arzneilicher Verwendung.
CytO blast ist eine nicht mehr gewöhnliche Bezeichnung für den als Zell-
kern differenzirten Theil des Protoplasma.
Czaj-ES$eilZ ist eine mit Rum, Thee und etwas Vanille dargestellte Thee-
Essenz zur schnellen Bereitung von Thee.
CzigBlkä in Ungarn, jodhaltiger muriatischer Sauerling.
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D.
D. auf Recepten bedeutet da oder detur, auf homöopathischen Recepten =
Decimal (im Gegensatz zu C = Centesimal); klein d. bedeutet meistens dosis,
z. B. D. t. d. = Dentur tales doses.
D'ArCet'8 Metall, D'Ahcet's Legirung, ist eine Legirung aus 3 Th. Zinn,
5 Th. Blei, 8 Th. Wismut; schmilzt bei 95° und dient zu Metallbadern, auch als
Wärmemesser.
D-Lini6. Mit D bezeichnete Fraunhofer eine der Hauptli nicri im Sonnen-
spectrum, nahe der Grenze von Orange und Gelb. Dieselbe sollte der Ausgangs-
punkt der Spectralanalyse werden. Fraunhofer schon erkannte die tiberein-
stimmende Lage derselben mit der gelben leuchtenden Linie im Spectrum des
Natriumdampfes. Miller in Cambridge bewies diese durch genane Messung. Foücault
gelang es, die D-Linie im continuirlichen Spectrum der weissglühenden Kohlen-
spitzen der elektrischen Bogenlampe durch Absorption vermittelst Natriumdampfes
künstlich zu erzeugen, und deutete den richtigen Zusammenhang zwischen Aus-
strahlung und Absorption , dass der Natriumdampf dieselben Lichtstrahlen zu
absorbiren vermöge, welche er glühend ausstrahlt. Keiner dieser Forscher ver-
mochte die Tragweite dieses Verhältnisses zu erkennen. Kikchhopf wiederholte
das Experiment erst mit Natrium-, dann mit Lithiumdampf im directen Sonnen-
lichte, konnte dadurch die natürliche D-Linie im Spectrum des letzteren ver-
stärken, an Stelle der rothen Lithinmlinie in demselben eine neue FRAUNHOFER'sche
Linie künstlich hervorrufen und bewies im Verein mit Bunsen durch Vergleich
aller leuchtenden Linien von glühenden Grundstoffen mit FRAUNHOFER'schen
Linien im Sonnenspectrum, das« das genannte Verhältnis» zwischen Emission und
Absorption ein allgemein giltiges sei, dass Uberall, wo in irdischen oder kosmischen
Lichtquellen nicht nur leuebteude, sondern sogar schwarze Linien durch Absorption
erscheinen, diejenigen Grundstoffe vorhanden sein müssen, welche in leuchteudem
Zustande Linien in derselben Lage des Spectrums ausstrahlen. Dieses war die
Begründung der irdischen und kosmischen Spectralanalyse.
Die D-Linie gehört nicht ganz homogenem Lichte, sondern mehreren benach-
barten Strahlen im Spectrum an. Schon durch Apparate mit einem stark zer-
streuenden Flintglasprisma zerfällt sie in zwei feine Liuien Dt von der Wellen-
länge 5895.13 und D3 von der Wellenlänge 5889.12. Bei der stärksten erreich-
baren Dispersion, einer Ausdehnung des Spectrums bis zu 10 m, theilt sich jede
Einzellinie in noch feinere Liniengruppen. Gange.
Daboia, eine giftige Schlangengattung in Ostindien, aus der Familie der
Viper in i.
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DACHLAUCH. — DAGGET.
381
DachlaUCh, Dach würze 1, Donnerkraut oder Hauswurz sind volksth.
Kamen ftlr Herba Seniperviut.
Dachsfett, s. Adeps, Bd. I, pag. 126.
DacryOÜth (o*xxfuov, Thräne und Xtdo;, Stein), heisst eine in den Thränen-
wegen sehr selten vorkommende Ealkconcretion.
DaCtyÜ (Ph. Graec., Hisp., Cod. med.) sind die Früchte der Dattelpalmen,
Phoenix dactylifera L. — 8. Datteln, pag. 411.
DäCty Ion, eine Gramineen- Gattung Villars', synonym mit Panicum L. —
Dactylon oficinale Vül. ist synonym mit Cynodon Dactylon Rick. (s.
Bd. III, pag. 374).
DactyllJS IdaeUS, Donnerkeil, Druidenstein, Lapis Lyncis ist ein im Kies
nicht selten , meist aber nur in Bruchstücken vorkommendes Fossil (aus der vor-
weltlichen Familie der Kopffttssler), von der Form kleiner, an dem einen Ende
zugespitzter Cylinder ; die Donnerkeile, von denen sich in vielen Älteren Apotheken
noch Vorräthe finden, spielten in früheren Zeiten beim abergläubischen Landvolke
eine grosse Rolle.
Dadyl, auch Camphylen genannt, ist ein Camphen, welches aus künstlichem
Kampfer (Terebentenchlorhydrat) — einem Product der Einwirkung von trockenem
(lilorwasserstoffgas auf Terpentinöl — beim Leiten der Dämpfe über erhitzten
Kalk entsteht. — Vergl. auch Campher, künstlicher, Bd. II, pag. 508.
Ganswind t.
Daemonomanie (Safowv, Gottheit und (/.acvix, Wuth), ist eine Form des
hysterischen Irrsinns, welche mit Wahnvorstellungen über die Einwirkung höherer
Milchte verknüpft ist, religiöser Wahnsinn.
Daemonorops, eine Gattung der Rohrpalmen (Calameae) , Unterfamilie
Lepidocarynae. Der dünne Stamm tragt paarig gefiederte, peitschenförmig aus-
laufende, stachelige Blätter. Die zweihäusigen Blüthen stehen in rispig verzweigten,
unter jedem Ast ein vollkommenes Scheidenblatt tragenden Kolben. Die Ö Blüthen
haben 6 an der Basis verwachsene Staubfäden und keine Spur des Fruchtknotens ;
in den Q Blüthen bilden die antherenlosen Staubfäden einen Becher, in dessen
Grunde der Fruchtknoten mit den drei pfriemenartigen Narben sitzt. Die Frucht
ist eine einsamige, geschuppte Beere, das Endosperm ist marmorirt.
Daemonorops Draco Bl. (Calamus Hotang L., Calamus Draco Wüld.),
anf den Sunda lnseln, besitzt einen bis 100 m langen, stacheligen Stamm, stache-
lige Blätter mit schmalen zugespitzten Fiedern und haselnussgroBse , gelbe, dick-
bewhuppte Beeren. Zwischen den Schuppen dringt zur Reifezeit ein rothes, rasch
erstarrendes Harz aus, welches die Beeren vollständig überzieht. Dieses Harz , von
den Früchten abgeschlagen oder durch Auskochen derselben gewonnen, kommt
als echtes Drachenblut (s. d.) in den Handel.
Dänische Tropfen = Elixir pectorale regis Daniae (Elixir e Succo Li-
quiritiae).
DafrOdil (engl.) ist Narcx88it8 Pseudonarciesus L. ; in Amerika werden die
Blüthen und Zwiebeln als Emeticnm und Nervinum angewendet. Die ersteren sind
viel wirksamer; man gibt von ihnen 1 — 2g, von den Wurzeln 2 — 8g pro dosi.
Daffy's Cathartic Elixir ist (nach hager) eine mit verdünntem Weingeist
bereitete Tinctur aus Jalape, Sennesblättern, Frangularinde, Anis, Kümmel, Kori-
ander, Galgant u. s. w.
Dagget = Birkentheer.
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382 DAHLIA. — DAMIANA.
Da tili«!, Gattung der Compositae, Unterfam. Eclipteae. — Die Wurzelknollen
der aus Mexiko stammenden und in zahllogen Varietäten cnltivirten Dahlia
variabilis Des f. ( Georgina W.) sind reich an Innlin , enthalten ausserdem äthe-
risches Oel und Bitterstoff.
Dahlia hiess ein blaustichiges Hofmann's Violett. — 8. Methylviolett.
Dahl in nannte Payen ein aus den Wurzelknollen von Dahlia pinnata darge-
stelltes Kohlehydrat, dessen Identität mit Inulin später nachgewiesen wurde.
Dalby'S Carminative EltXir ist (nach Hager) eine Mischung von 20 Th.
Tinct. Opii, 10 Th. Tinct. Äsae foetidae, 30 Th. Tinct. Castorei, 10 Th. OL
Menthae piper., 5 Th. OL Carvi, 100 Th. Spiritus, 150 Th. Syrup. Sacchari
und 5 Th. Magnesia usta und wird in Flaschen zu 30 g abgegeben.
Dalton's Atomtheorie, s. Atom, Bd. l, Pag. 310.
DaltonismUS nennt man das Unvermögen, eine von den Grundfarben wahr-
zunehmen. Der englische Physiker und Chemiker Dalton war mit diesem Augen-
fehler behaftet. — S. Farbenblindheit.
Damalursäure, c7h13o3, Damolsäure, cl2H92oa. zwei im Kuhharn
neben einander vorkommende Säuren. Städeler (Ann. d. Chemie und Pharm.
XXVII, 17) stellte sie dar aus dem sauren Destillat des Kuhharns durch Sättigen
mit kohlensaurem Natron , Ueberführung der Natronsalze in die Barytsalze und
Trennung der Barytsalze der beiden Säuren durch KryBtallisation. Das Salz der
Damolsäure krystallisirt zumeist in flachen Prismen und schmilzt beim Erhitzen.
Das Salz der Damalursäure ist leichter löslich. Die aus den Barytsalzen dargestellten
Säuren sind ölige, stark saure Flüssigkeiten, schwerer als Wasser und in demselben
nur wenig löslich. Die Damalursäure riecht wie Baldriansäure: Ganswind t.
DambOnit, CöH10(CH3)2Oti 4- 3HS0. Der Dimethyläther der Dambose ist
enthalten in dem Safte des Kautschuks von Gabon , der von den Eingeborenen
Dambo genannt wird. Gewinnung: Durch Auspressen des Kautschuks, Ver-
dampfen des Saftes und Ausziehen mit Alkohol. Schiefe Prismen, bei 195°
schmelzend, bei 200° uuzersetzt sublimirend in langen Nadeln, optisch inactiv,
nicht gährungsfäbig und FEHLrxo'sche Lösung nicht reducirend; zerfällt beim
Erhitzen mit Jodwasserstoff in Jodmethyl und Dambose. Ganswindt.
DambOSe, C6H1S06. Eine Zuckerart von der Kategorie der Glukose und
Lävulose. Findet sich als Dimethyläther im Dambonit (vergl. d.) und wird aus
diesem durch Erhitzen mit rauchender Jodwasserstoffsäure im Rohr auf 100° und
Fällen mit starkem Alkohol erhalten. Sechsseitige Prismen, Schmelzpunkt 212°;
optisch inactiv ; leicht löslich in Wasser, unlöslich in absolutem Alkohol. Die Dam-
bose verbindet sich mit Basen; ist nicht gährungsfähig. Ammoniakalisehe Blet-
zuckerlösung fällt dieselbe, neutrale nicht. Beim Erhitzen mit Salpetersäure entsteht
Oxalsäure. Bei Einwirkung von Schwefelsäure entsteht die Sulfosäure der Dambose.
Ganswindt.
Damenpulver, eine Wiener Specialität, ist ein Schminkpulver. Als Grundlage
dient höchst fein gepulvertes, mit Rosen- und Neroliöl parfümirtes Talcum vene-
tum und Reismehl, dem die eine Vorschrift den vierten Theil Cerussa, eine andere
Zinkoxyd . eine dritte endlich Wismutoxychlorid beimischen lässt. Mit Carmin
oder Eosin wird es nach Belieben gefärbt.
Damiana. Die Droge dieses Namens besteht vorwiegend aus Blättchen und
jungen Zweigen von Turnera- Arten. Besonders werden Turnera diffusa Ward.
und T. aphrodisiaca W ard, als Stammpflanzen genannt , welche beide strauch-
artigen Species in Californien und Mittclaraerika einheimisch sind.
Ausser den Blättern finden sich Blüthen. Samen und Früchte der Droge bei-
gemengt.
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I) AMIANA. — DAMMARA.
383
Blattformen der Damiant,
Die in Fig. 58 abgebildeten Blattformen sind für eine echte Damian a typisch,
oft finden sich jedoch auch anders geformte Blätter, welche auf verwandte Arten
zurückzuführen sind.
Die Blätter sind selten Uber 30 mm lang, kahl, nur ganz junge Blätter und die
Blüthenstielchen sind schwach behaart. Bei Behandlung mit Kalilauge tritt die
Aderung der Blätter deutlich hervor und man erkennt eine deutliche Mittelrippe
mit Seitennerven, welche auf die inneren Buchten des Randes zulaufen und gegen
das Ende gabelig getheilt sind. Die Unterseite
der Blätter ist mit sehr kleinen Drüschen besetzt,
die bei Behandlung mit heissem Wasser und nach
dem Ablösen unter dem Mikroskop eine maulbeer-
artige Sculptur zeigen. Die Aussenseiten der Kelch-
blätter und die jungen Zweige sind mit ähnlichen
Drüsen besetzt.
Die spärlich beigemengten Blüthen bilden in
der Droge eine geschlossen gelbliche Röhre von
5—6 mm Länge. In Wasser aufgeweicht und aus-
gebreitet erkennt man 5 farblose Kelchblätter,
mit denen 5 gelbliche Kronblätter abwechseln.
Die 5 Staubgefässe, aus einem breiten Staubfaden
und herzförmigen Antheren bestehend, stehen vor
den 5 Kelchblättern. Unterhalb der Blüthe stehen
2 Vorblätter, dieselben stützen später die Frucht, finden sich aber auch ohne
Frucht in der Droge vor. Das Carpell ist einfächerig und mündet in 3 Griffeln
mit geschlitzter Mündung. Die reife Frucht zeigt eine warzige Oberfläche und
springt als Kapsel auf.
In einer vorliegenden Probe der Droge finden sich ausserdem sehr kleine
weissliche Blüthen, offenbar als fremde Beimengungen.
Der Geschmack der Droge ist aromatisch bitterlich und erinnert, sowie der
Geruch, an die Blätter des Gagelstrauches.
Als Verwechslungen, resp. Beimengungen der echten Damiana werden
die ebenfalls unter dem Namen Damiana in Mexico bekanuten Blätter einiger
Compositen genannt. Dahin gehören Aplopappus dtscoides DG. Diese Blätter
sind jedoch durch eine auf der Oberseite hervorragende Mittelrippe, harzige, rauhe,
gesprenkelte Oberfläche und grössere Dicke ausgezeichnet.
Die Wirkung der Damiana erstreckt sich auf die Geschlechtssphäre. Nach An-
gabe amerikanischer Aerzte wirkt sie im höchsten Grade anregend.
Die Anwendung geschieht meist in Form eines Fluidextractes , welches aus
lOOTheilen der Droge mit 60procentigem Alkohol durch Maceriren und Behandeln
im Verdrängungsapparat erhalten wird. Ein Theil Extract entspricht einem Theil
der Blätter. Die Dosis des Fluidextractes beträgt 0.5— 1.5g. Prollius.
Damm, Mittel fleisch oder Perineum (xspi;, Beutel, d. i. Hodensack),
heisst in der Anatomie die kleine Körperregion zwischen After und Hodeusack
beim Manne, zwischen After und hinterem Winkel der Schanispalte beim Weibe.
Bei einer Geburt entstehen leicht Einrisse in den mütterlichen Damm (Dammrisse);
die Handgriffe, welche angewendet werden , um das Einreissen des Dammes zu
verhüten, bezeichnet man in der Geburtshilfe als Da mm schütz.
Dammara. Gattung der Coniferenfamilie Araucarieae. Wintergrüne, in Ost-
arien und Oceanien verbreitete harzreiche Bäume mit wirteligen Aesten und lederigen,
parallelnervigen Blättern. Blüthen diöcisch, die (J an der Basis von Niederblättern
umgeben, mit zahlreichen, spiralförmig angeordneten Staubgefässen, deren jedes
5 oder mehr Pollensäeke trägt; die Q einen gipfelständigen Zapfen aus zahl-
reichen, spiralig angeordneten Fruchtblättern bildend, deren jedes auf der Unter-
seite 1, selten 2 geflügelte Samenknospen trägt. Der reife Zapfen hat lederig-
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384
DAMMARA. — DAMMARH ARZ.
bolzige SchuppeD, welche sich später von der Spindel ablösen ; die Samen sind
derbschalig, einseitig geflügelt: Embryo mit 2 Cotyledonen.
D ammara alba Rumph. (D. orientalis Lamb , Agathis Dammara Hieb.,
Abtes Dammara Poir., Pinus Dammara Lamb.) auf den Sunda-Inseln , Molukkeu
und Philippinen erreicht über 30 m Höhe. Die Aeste stehen zu 4 fast horizontal,
die Blätter sind länglich, laazettlich (13:4 cm), beinahe gestielt und zweizeilig,
unterseits heller gefärbt. Die (5 Bind gestreckt eiförmig (20 : 9 mm), ihre Staub-
blätter wimperig gezähnt, Pollensäcke 8 — 24. Zapfen aufrecht auf dickem Stiele,
eiförmig (10:7 cm), mit keilförmigen Schuppen. Samen eiförmig, mit dem Flügel
den 8chuppeurand überragend.
Diese Art ist die wichtigste Stammpflanze des indischen Dammarharzes.
Dammara australis Lamb., die Kaurifichte Neuseelands, erreicht
60 m Höbe und hat dimorphe, grosse, lanzettliche (7 : 1 cm) und kleine eiförmige,
nicht zweizeiüg angeordnete Blätter. Die Zapfen sind kleiner, eiförmig (8 : 6 cm),
die Schuppen höckerig verdickt, ihr Rand wird von den Samenflügeln nicht
Diese Art ist die Mutterpflanze des recent fossilen Kauri Copals.
Damm ara ovata C. Moore auf Neu-Caledonien liefert ein recentes Dammarharz.
DammartiarZ Oder Dammar, Bezeichnung für Harze verschiedener Ab-
stammung.
1. Indische 8orten , von Hopea splendid a Friese und //. micrantha Yr.
(Dipterocarpeoe) und Dammara alba Rumph. (Auracarieae) stammend. Dammara
orientalis Lamb., von der Pharmakopoe als Stammpflanze aufgeführt, dürfte nicht
speeifisch von D. alba Rumph. verschieden sein. In neuester Zeit wird als die
wichtigste Stammpflanze des Dammar Engelhardtia spicata Bl. (Juglandaceae)
angegeben. Nach der Ph. Germ, sind nur diese aus Indien im weiteren Sinne
stammenden Sorten officinoll.
Die Hopea-Arttn finden sich mehr in Hinterindien, während die eigentlichen
Dammarfichten die mittleren Bergregionen von Java, Sumatra, Borneo, Celebes,
der Mollukken und Philippinen bewohnen.
Das Harz der genannten Bäume flieset freiwillig in unglaublicher Menge aus und
bildet kleinere oder grössere, bis 10 Pfund schwere Klumpen, welche nach dem
Abfallen oft durch Waaser fortgeschwemmt, als Felsenharz {Dammar batu der
Malayen) gesammelt werden.
Das Harz des Handels bildet tropfenförmige, längliche, oft auch ganz unregel-
mässige Stücke, mehr oder weniger farblos oder gelblich und durchsichtig. Ober-
fläche glatt, leicht zerreiblich, Bruch muschelig. Geruch fehlt der Handelswaare
meiBt, während er frisch vorhanden ist. Dammar ist weicher als Copal , aber
härter als Colophon.
2. Neuseeländisches oder australisches Dammarharz, von Dammara
australis Don., ist ein halbfossiles Harz, welches 1 — 2 m tief unter dem Boden
der Kaurifelder Neuseelauds und Neuhollands gefunden wird. Von lebenden Räumen
wird es nicht gesammelt. Das Product dieser , wie es auf Neu Caledonien ge-
sammelt wird, unterscheidet sich physikalisch nicht wesentlich von Fichtenharz
und ist unbrauchbar zu den Zwecken, zu welchen Dammarharz benutzt wird. Es
stammt von D. ovata C. M. Das halbfossile Harz von Neuseeland und Neubolland
ist dem Copal nicht unähnlich und bildet rundliche Stücke von Ei- bis Kopf-
grösse mit einer weisslichen oder schwärzlichen Verwitterungskruste. Innen ist es
brännlich, der Geschmack ist gewürzhaft, Geruch balsamisch. Die Stücke sind
oft nicht gleichmäßig gefärbt, oft streifig und trübe. Durchsichtige Stücke werden
als werthvoller geschätzt. Diese auch als Kauricopal bezeichnete Sorte dient zur
Lackfabrikation .
3. Amerikanisches Dammarharz von Arauearia brasüiana Lambert
in Südamerika zeichnet sich durch grössere Härte und rötbliche Farbe aus.
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DAMMARHARZ. — DAMPF.
385
4. Unechte Danimararten des Handels stammen nicht von Abinetineae oder
Dipterocarpeae. 80 das S aulharz von Stiorea robusta Rxb., der schwarze
Dammar (D. ttam) von Canart 'um- Arten, noch andere von Arctocarpus-Arten.
— Der sogenannte Piney-Damniar (s.d.) ist ein Talg.
Dammarharz ist löslich in Chloroform, fetten nnd ätherischen Oelen, Benzol
und Schwefelkohlenstoff. In Alkohol, Aether und Gemischen heider löst es sich
tbeilweise; ebenso in Potroläther. Heisser Alkohol hält es in Lösung.
Nach Hirschsohx fällen Ferrichlorid und Bleiacetat nicht oder wenig. Ammoniak
trübt die alkoholische Lösung. Auszüge mit Soda werden durch Essigsäure kaum
getrübt. In concentrirter Schwefelsäure löst es sich mit rother Farbe. Das speci-
fische Gewicht ist 1.04 — 1.12, dasjenige des Neuseeländischen 1.10 — 1.115.
Schmelzpunkt 120°, während der der Copalsorten bei 180—340° liegt. Es besteht
aus 80 Procent Dammarylsäure, 20 Procent eines Harzes (C10H16) und Asche
0.2 Procent, Gummi 1 Procent und Spuren von ätherischem Oel.
Dammarharz dient zur Herstellung des Empl. adhaeswum ; es ist ein wichtiger
Rohstoff für Lacke und Firnisse.
Durch Schmelzen der Abfälle wird der „Kunstdaiuniar" oder „holländische
Dammar" hergestellt. Er ist schlackenartig, schmutziggrau, in's Grünliche spielend.
Prollins.
Dammarlack, s. Lacke.
Dammarlösung, s. EUschiussmittei.
Dammerde, s. Humus.
Dampf, Dämpfe. Die Gasform von bei gewöhnlicher Temperatur flussigen
oder festen Stoffen heisst Dampf. Derselbe ist in wenigen Fällen farbig, wie beim
Schwefel, Jod, Arsen, Indigotin, meistens farblos und dann unsichtbar. Wenn ein
solcher Dampf sichtbar wird, so hat er ganz oder theilweise aufgehört, Dampf zu
Bein nnd sich entweder zu Nebel oder Dunst oder zu Rauch verdichtet. Die
erstereu sind ausgeschiedene schwebende Bläschen, Hohlkügelchen aus flüssiger
Substanz, der letztere staubförmige, massive, feste, amorphe oder krystallinische
Körperchen. Im gewöhnlichen Sprachgebrauche werden aus Uukenntniss dieser
Unterscheidungsmerkmale Dampf, Nebel und Rauch beständig verwechselt. Der
Verlust der Dampfgestalt wird herbeigeführt entweder durch Wärmeentziehung,
wie beim Entweichen des Dampfes in kältere Luft. So entstehen über den Sehloten
der Dampfmaschinen weisse Nebel, aus Schwefeldampf die staubförmigen Schwefel-
blumen. Oder gleichzeitig oder ausschliesslich bewirkt dieses ein chemischer
Procees. Bei jeder vollständigen Verbrennung in unseren Heizvorrichtungen bilden
sich nur Dämpfe und Gase, Wasserdampf und Kohlensäure.
Die Rauchbildung in den Abzügen derselben setzt die Anwesenheit von
Kohlenwasserstoffen voraus, welche alle Brennmaterialien entwickeln, selbst die
Coaks in geringer Menge. Aus Kohlensäure oder Kohlenoxyd kann sich niemals
Kohlenrauch abscheiden, ans den glühenden Kohlenwasserstoffen aber aus zwei
Ursachen. Entweder zu reichliche Luftzufuhr kühlt dieselben bis unter die Ent-
zündungstemperatur des Kohlenstoffes ab oder es fehlt an der nöthigen Menge
atmosphärischen Sauerstoffes. In beiden Fällen verbrennt nur der Wasserstoff,
der Kohlenstoff scheidet sich als Rauch ab. Wenn bei chemischen Processen die
Prodncte einen niedrigeren Siedepunkt haben, als die dampfförmigen Compo-
nenten, so entstehen Nebel, z. B. die Dämpfe vieler starker Säuren werden an
feuchter Luft aus Anhydriden zu Hydraten, oder es entsteht Rauch, z. B. von
Salmiak ans zusammentreffenden Dämpfen von Ammoniak und Chlorwasserstoff,
oder von Phosphorsäureanhydrid beim Verbrennen von Phosphor in trockenem
Sauerstoff.
Das Verhältniss zwischen dem Volumen, der Dichtigkeit und dem Drucke der
Dämpfe ist innerhalb gewisser Temperaturgrenzen, von welchen die untere dem
Reid-Kncyclopadie der ges. Pharaacie. III. 25
DAMIT.
Siedepunkte nicht zu nahe liegen darf, dasselbe wie bei den eigentlichen Oasen.
Seitdem es gelungen ist, alle Gase zu condensiren, besteht physikalisch der Unter-
schied zwischen Dämpfen und Gasen nur in der Höhe der Siedepunkte. Die Dämpfe
folgen also auch den Gesetzen von Avogadro, Mariotte und Gay-Lussac (vergl.
Dichte), nach welchen 1. die Volumina sich verhalten wie die Molekttlzahl;
2. die Drucke umgekehrt wie die Volumina oder proportional der Anzahl der
Molektlle in gleichen Volumina; 3. die Drucke bei gleichen Volumina wie die
Temperaturen , indem mit jedem Grad der Druck um 0.003665 oder ^ der bei 0«
vorhandenen Druckeinheit zunimmt. Diese Druckeinheit ist für die Dämpfe
verschiedener Stoffe ungleich, also auch die Spannkraft oder
Tension derselben bei beliebiger gleicher Temperatur, und zwar ist dieselbe
umgekehrt proportional^ der Hohe der Siedepunkte der Stoffe.
Zum Messen des Druckes der Dämpfe von Flüssigkeiten ist das Barometer in
dreifacher Art verwendbar. 1. Die luftfreie Flüssigkeit wird durch Aufsteigen
innerhalb des mit Quecksilber gefüllten Rohres eines Gefässbarometers in den
luftleeren Kaum oberhalb desselben gebracht. Es entsteht durch den Dampf der
Flüssigkeit sogleich eine Depression des Barometers. Die nach Ausgleichung der
Temperatur gemessene Differenz zwischen der Höhe dieses Barometers und der-
jenigen eines anderen, den herrschenden Atmosphärendruck anzeigenden Barometers
ist das Maass für den Druck des Dampfes. 2. Die Flüssigkeit wird auf das kurze
Ende eines Heberbarometers gegossen, dieses in eine Spitze ausgezogen und zuge-
schmolzen , nachdem durch längeres Sieden der Dampf alle Luft ausgetrieben
hatte. Dann ist die Höhendifferenz der beiden Quecksilbersäulen direct propor-
tional dem Drucke des Dampfes, welcher auf diese Weise beliebigen Tempera-
turen ausgesetzt werden kann. 3. Um bei hohen Drucken das Steigrohr nicht
unbequem lang machen zu müssen, wird dieses mit Luft gefüllt , bis zu ganz
gleichem Niveau in beiden Scheukeln Quecksilber hineingegossen, der Luftdruck
der Atmosphäre notirt und weiter , wie unter 2. verfahren. Die Tension des
Dampfes in dem einen muss jetzt den Druck der Luft in dem anderen Schenkel
überwinden, welche sich daher in bekannten Proportiooen nach dem Marioite-
schen Gesetze zusammeuziebt und eine entsprechend geringere Steigung als im
luftleeren Räume dem Quecksilber gestattet, aus wclcheu der Dampfdruck zu
berechnen ist (vergl. Manometer).
Da die Dampfspannung der Stoffe umgekehrt proportinal der Höhe ihrer Siede-
punkte ist, so lässt sich dieselbe für alle Stoffe berechnen, wenn die Siedepunkte
derselben bekannt und die Tension eines derselben gemessen wordeu war. Düren
Vergleich dieser Berechnung mit der wirklichen Messung der Dampfspannung aller
dieser Stoffe ist aber noch keine genaue üebereinstimmung erzielt worden, wozu
unzweifelhaft die Schwierigkeit der Reindarstellung und Erhaltung vieler Flüssig-
keiten während der Versuche beiträgt.
In der Industrie kommt mit wenigen Ausnahmen , wie bei den Eismaschinen,
in welchen Dämpfe von grösserer Spannung verwendet werden, fast nur der
Wasserdampf in Betracht und bildet dort ein so wichtiges, Arbeit leistendes
Agens, so wie das Medium, um die Wärme zum Sieden, Verdampfen, Trocknen
und Heizen zu verwerthen, das« die genannten allgemeinen, auch fiir den Wasser-
dampf giltigen Gesetze eine besondere Berücksichtigung verdienen.
Der Siedepunkt einer Flüssigkeit ist das Moment, in welchem die sich
entwickelnden Dämpfe den auf dieselbe lastenden Luftdruck überwinden.
Die Grösse des Luftdruckes ist schwankend und mit derselben steigt und fällt
die Temperatur des Siedepunktes in constantem bekanntem Verhältnisse. Mit
dem Barometerstande fällt daher auch der Siedepunkt bei zunehmender Er-
hebung über dem Meeresniveau der Erdoberfläche, so dass beide zu Höhen-
raessungen verwendbar sind. Bei den ersten 10..') m Steigung über dein Erdboden
beträgt das Fallen des Barometers 1 mm. Die Differenz mit dem mittleren Stande
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DAMPF.
beträft *ko j\ö oder 760 . QJJ). Da derselbe Unterschied zwischen je awei folgen-
den 10.5m Erhebung besteht, so betragt derselbe zwischen den ersten und
zweiten 10.5m =760 . (™ )\ zwischen den zweiten und dritten 10.5 m = 760 .
l. s. w. Darnach ist der mittlere Barometerstand :
Höhe über dem Meere
Pariser Zoll mm Pariser Fuaa m
26' 5" = 715 1500 = 487.5
24' 10" = 673 3000 = 975.0
22' - = 595 6000 = 1950.0
19* 6" - 527 9000 = 2925.0
14' 4" = 380 (V, Atra.) 16972 = 5525.9
13' 6" -= 365 18000 = 5850.0
8' 5" = 252 27000 = 8775.0
Der Siedepunkt des Wassers fallt anfangs bei 1000 Fnss oder 325 m um
ungefähr 1°, in grösseren Höhen in gleichen Räumen langsamer. Folgende
Siedepunkte wurden auf Bergspitzen beobachtet :
auf dem St. Bernhard-Hoapitz in 7668 Fuss Höhe 92.20°
in Quito „ 9000 „ „ 90.00°
„ n Pic von Teneriffa . „ 11200 „ „ 87.75°
„ „ Montblanc . . . . „ 14800 „ „ 86.50"
Die thatsächlich beobachteten Barometerstande und Siedepunkte auf Bergspitzen
werden durch locale und periodische Abweichungen in dem Luftdrucke beeinflusst
und stimmen daher nicht mit den aus der regelmässigen Dichtigkeitsabnahme der
Atmosphäre von unten nach oben berechneten Zahlen tiberein. Experimentell läset
sieh der Zusammenhang zwischen Siedepunkt und Barometerstand unter dem
Reeipienten einer mit Manometer versehenen Luftpumpe mit genauerer Ueberein-
8timmung verfolgen. Der jeweilige Siedepunkt des Wassers, also der Punkt , wo
sieh die Dampfspannung desselben und der Luftdruck das Gleichgewicht halten,
entspricht folgenden Barometerständen:
Siedepunkte Qu^ckailberdrunn
100" 760.000 mm = 1 Atmosphäre
82° 3*2.380 „ nahezu
66« 191.270 „ „
50" 88.743 „ „
37* 45.U3S „ „ «/,.
25" 23.090 „ „ Vat
13* U-37S , „ '/„
2° 5.748 „ , •/,„
0° . 5.059 „ „
—20° . 1.333 „
Bei mittlerem Barometerstände von 760 mm beträgt der Druck des Wasser-
dampfes von 100° nach allen Seiten auf jede Fläche von 1 Quadratzoll 15 oder
auf jeden Quadratcentimeter 1.03253 kg. Diese Einheitsgröße wird bei höheren
Dampfdrücken zur Bezeichnung derselben verwendet, so dass z. B. Dampf von
6 Atmosphären (At.) 90 & Druck auf 1 Quadratzoll oder 6.198 kg auf 1 qcm
l>edeutet. Akago und Dulonü fanden 1830, dass bis zu 27 Atmosphären Druck
der Wasserdampf dem MARiOTTE'schcn Gesetze gehorcht, über diesen Druck hinaus
die Volumina abnehmen.
In offenen Gefässeu, in welchen der Dampf nur den Druck der Luft zu ttber-
len hat, bleiben der Siedepunkt nd die Spannung diesem entsprechend un-
verändert. In geschlossenen Gelassen bei vermehrter Wärmezufuhr steigen beide
in von einander abhängigem ungeraden Verhältnisse, indem der Druck schneller
wächst als die Temperaturgrade, wie folgende Tabelle zeigt
25* Digitize
DAMPF. — DAMPFAPPARAT.
Spannkraft in
Atmosphären
Temperatur
in °C.
Druck auf
Spannkraft in
Temperatur
in "C.
Druck auf
l qcm in kg
Atmosphären
1 qcm in kg
1 . . .
. . lOO.OO
1.033
20. . . .
. . 214.70
20660
2. . . .
. . 121.40
2.066
25 ... .
. . 226.30
25.825
3 099
30.990
4 • . .
. . 145.40
4.106
35 ... .
. . 244.S5
36.155
5. . . .
. . 153.08
5165
40. . . .
- . 252.55
41.320
6. . . .
. . 160 20
6.19«
45 ... .
46.485
w * ■ «
. . 166.DO
7.231
50. . .
. 265.89
51 650
8. . . .
172.10
8.264
100 ... .
. .31136
103.300
9. . . .
177.10
9.297
206.600
10 330
300 , .
309.900
11 ... .
. . 1%.03
11363
400 . . .
423.57
413.200
12. . . .
. . 190.00
12.396
500 ... .
. .444 70
516.500
15. . . .
. .20043
15.495
1000. . . .
516.76
1033.000
So lange der Dampf unter dauernder Wärmezufuhr mit dem siedenden Wasser
in Berührung ist, bleibt seine Dichtigkeit iu dem in der Tabelle angegebenen
Verhältnisse zu seiner Temperatur. In diesem Zustande heisst der Dampf ge-
sättigt. In geschlossenen Räumen müssen die ganzen Wände derselben die
entsprechende Temperatur annehmen, welche der gewünschten Dampfspannung
entspricht. Werden dieselben auch nur an einem Punkte durch stärkere Wärme-
entziehung (äussere Kühlung) als ihnen von innen zugeführt wird, auf einer
niedrigeren Temperatur erhalten . so kann die Dampfspannung in dem ganzen
Räume keine höhere werden, als dieser entspricht, da trotz fortgesetzter Dampf-
bildung an diesem Punkte eine beständige Condensation zu Wasser , eine Destillation
erfolgt, welche die Dampfmenge vermindert. Daher unter Umständen die Noth-
wendigkeit, Kessel- und Röhrenoberflächen mit schlechten Wärmeleitern zu um-
geben.
Wenn nach völligem Verdunsten des Wassers dem Dampfe in geschlossenen
Räumen mehr Wärme hinzugeführt wird, als zu seinem Bestehen erforderlich ist,
so entsteht der ungesättigte oder überhitzte Wnsserdampf mit einer der
Temperaturzunahme entspreehenden höheren Tonsions- und Expansionsfähigkeit
Dieser Dampf bewirkt Austrocknung feuchter Gegenstände , da er noch mehr
Dampf in sich aufzunehmen vermag, und kann erst durch Abkühlung unter dem
Sättigungspunkt zu Wasser eondeusirt werdeu. Ausströmender gesättigter Dampf
erzeugt sogleich Brandwunden durch Ausscheidung siedenden Wassers auf der
Haut, der heisse ungesättigte Dampf nicht , da er der Haut Wasserdampf und
damit Wärme entzieht.
Bei gesteigerter Temperatur und derselben entsprechender Spannung erreicht
der Dampf ein Stadium, in welchem er durch keineu Druck zu Waaser condensirt
werden kann, sondern die Gasform behauptet, so lange diese Temperatur dauert
Dieser Punkt heisst die kritische Temperatur oder der absolute Siede-
punkt und liegt für Wasser bei 423°.
Gav-Lussac berechnete aus dem Volumen uud der Dichtigkeit de« aus gewogenen
Wassermengeu gewonnenen Dampfes von 100°, dass derselbe ein speci6schcs
Gewicht von 0.625 habe, also ungefähr 6 8 des Gewichtes der Luft = 1 besitze,
nachdem er gefunden hatte, dass lg Luft von 100° = 1058.47 cem, lg Wasser-
dampf von 100°= 1695.55 cem Raum einnimmt. Daraus erklärt sich das Steigen
des Barometers mit abnehmendem, das Fallen desselben mit zunehmendem Waaser-
dampfgehalte der atmosphärischen Luft. Wasserdampf von 100° nimmt den
1694fachen Raum des Wassers von 0° ein und ist um denselben Betrag leichter
als letzteres. Gange.
Dampfapparat. Apparat, in welchem mit Dampf gekocht wird. Bei Arbeiten,
die auf wissenschaftlicher Basis ausgeführt werden sollen, ist, wo es sich über-
haupt um Anwendung von Wärme handelt, die Erzeugung leicht regulirbarer,
dabei möglichst constanter Temperaturen unerlässlich. Eine solche bietet das Wasser,
welches bei 100° siedet und durch Zufuhr von kaltem Wasser leicht abgekühlt
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DAM PF APPARAT.
389
Fig. 59.
werden kann. Um dem kochenden Wasser und den von ihm entwickelten Dämpfen
aber eine möglichst vielseitig verwendbare Fassung zu geben , sind Apparate
mannigfachster Form construirt worden, die unter dem Namen Dampf apparate
in pharmaceutischen Laboratorien Verwendung finden. Diese Apparate sind von
doppeltem Werth , indem in ihnen die für die verschiedenen pharmaceutischen
Vorrichtungen, wie Ausziehen, Verdampfen, Destilliren, Lösen, Schmelzen, Trocknen
u. s. w. erfahrungsgemäß* passendste Temperatur zur Kntwickelung gelangt , dies
aber gleichzeitig durch einen möglichst geringen
Aufwand von Heizmaterial erzielt wird.
Man kann die Dampfapparate in zwei grosse
Gruppen eintheilen, und zwar in solche , welche
direct geheizt werden und den Dampf in sich
selbst entwickeln . und in solche, welche durch
einen besonderen Dampfentwickler gespeist werden.
Die der ersteren Gruppe zugehörigen Apparate
werden fälschlich auch Wasserbäder genannt.
Die einfachste Form dieser Apparate besteht in
einem Gefäss aus Kupfer oder emaillirtem Eisen,
welches mit einer Anzahl in einander passender ring-
förmiger Platten, oder einem beliebig durchbrochenen,
zur Aufnahme von Gefässen versehenen Deckel ver-
sehen ist ; zur Ergänzung des beim Erhitzen durch
die nicht luftdicht schließenden Ringe entweichen-
den Wassers sind diese Apparate meist mit einem
Niveauhalter verbunden. (Fig. 59.)
Diese Dampfbäder dienen meist Laboratoriumszwecken und können zu den
verschiedenartigsten Arbeiten benutzt werden. Dampfbäder einfachster Construction
sind ferner die in kleineren Apotheken und beim Nachtdienst gebräuchlichen Hand-
apparate zur Herstellung von Decocten und Infusionen. Sie bestehen in einem
durch Gas, Spiritus oder Petroleum heizbaren Wassergefäss, in dessen durchbrochenen
Deckel Infundirbiichsen eingelassen sind. (Fig. 60 und 61).
Fig. flo.
Fig. 61.
Zum Abzüge des überflüssigen Dampfes sind entweder kleine Oeffuungen im
Dampfkessel angebracht oder derselbe ist durch ein Kohr mit dem iunerhalb des
Kessels vorhandenen Dampfmantel verbunden, aus welchem das eondensirte Wasser
in den Kessel zurüekfliesst. Für Laboratoriumszwecke bedarf man grösserer Apparate.
Ein Apparat , welcher allen später construirten Apparaten als Basis gedient hat,
ist der nach seinem Erfinder Beindorff benannte Apparat (Fig. 62;. Derselbe besteht
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390
DAMPF APPARAT.
aus einem grösseren Wasserbassin, welches mit Wasserstand- und Wasserablassrohr
versehen , in einen heizbaren Ofen eingemauert ist. Die obere Platte ist mit
Oeffnungen für Infundirbllchsen , Schalen und andere Utensilien versehen, and
Ist gewöhnlich mit Metalldeckeln verschlossen. Dieser ursprünglich einfache
Apparat ist später vielfach modificirt, erweitert und mit mancherlei HihV und
Nebenapparaten versehen worden. Eine wichtige Verbesserung war die Anbrin-
gung eines Kühlgefässes und die Verbindung desselben mit dem Apparat,
welche ermöglicht, die abziehenden Dämpfe zu condensiren und ununterbrochen
destillirtes Wasser als Nebenproduct zu gewinnen. Nicht minder werthvoll wir
die Einsenkung einer Destillirblase in das Wassergefäss und die Verbindung:
derselben einerseits mit dem Dampfraum, andererseits mit dem Ktihlgefäss, welche
ermöglichte, eine gnt geleitete Dampfdestillation (s. Destillation) mit anderen
Fig. 6a.
Arbeiten gleichzeitig ausführen zu können. Fr. Mohr sorgte für eine bessere
Ausnutzung des Raumes, ind<m er trichterförmige Gefässe auf Stützen
der Deckplatte des Apparates einfügte. Statt des gemauerten Ofens wurden Oefen
ganz aus Gusseisen construirt , denen der Danipfapparat eingehängt wurde.
Sehr wesentlich ist auch die Verbindung eines Trockenschrankes mit
dem Danipfapparat. Mnn kann zur Erwärmung desselben sowohl die abziehenden
Feuergase , als wie auch den aus dem Apparat kommenden Dampf benützen,
bevor er in das Kühlgefflss geht.
Als ein Nebenrequisit ist der Rühr er zu betrachten, obwohl er beim Ein-
dampfen von Extraeten u. s. w. durch Bildung neuer Oberflächen von hochacbltz-
barem Werth werden kann. Derselbe bildet eine Maschinerie für sich , die durch
ein aufziehbares Räder- und Flügelwerk oder bei hinreichendem Drucke mittelst
Wasser durch ein Tr"iunielwerk in Bewegung gesetzt wird.
•
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DAMPFAPPARAT.
Ebenso wichtig, wie der Ausbau und die Completirung der bisher beschriebenen
Apparate erscheint aber deren Vereinfachung und Compensirung für mittlere und
kleinere Geschäfte. In diesem Bestreben sind vorzugliche Leistungen zu ver-
Der Ofen solcher einfacher Apparate ist von Gusseisen oder starkem Eisen-
blech, mit Feuerung, Rost und Aschekasten versehen. Derselbe ist als Zimmer-,
Heiz- und Windofen zu gebrauchen. In demselben hängt ein tiefer kupferner,
verzinnter Wasserkessel, welcher durch ein Dampfrohr mit dem Kühlgefäss in
Verbindung Bteht. Dieser Kessel kann zu Destillationen über freiem Feuer benützt
werden. Wünscht man mit Dampf zu destilliren, so wird dem Kessel, zu welchem
ein helmförmiger Aufsatz mit Abzugsrohr gehört, eine zinnerne Blase eingefügt;
beide sind durch ein Dampfzufuhrungsrohr mit einander verbunden. Will man
den Kessel als Wasserbad zum Abdampfen oder als Decoctorium benutzen, so
ersetzt man den Helm durch eine Metallplatte mit entsprechenden Oeffnungen.
Hebt man den ganzen Kessel heraus und bedeckt den Ofen mit einem Satz
eiserner Ringe, so kann man Uber freiem Feuer arbeiten. Die Ringe lassen sich
für andere Operationen durch ein grösseres Sandbad ersetzen. Bedeckt man den
Ofen mit einem Dom, so lassen sich Glüh- und Schmelzoperationen aller Art in
ihm ausfuhren. Selbst Sublimationen lassen sich unter Aufwand von etwas Ge-
schicklichkeit mit Hilfe dieses Ofens ausführen. Alle diese letztgenannten Theile
sind jedoch von unserem Standpunkte aus nur als Nebenapparate aufzufassen,
die zu dem Dampfapparat selbst in keiner Beziehung stehen.
Ungleich kräftigere Wirkungen , als der aus Selbstentwicklern stammende
Dampf, bringen gespannte Dämpfe hervor, die in einem besonderen Dampf-
entwickler unter Druck erzeugt werden. Während erstere von allen Berührungs-
flächen, die sie treffen, abgekühlt und verdichtet werden, dann durch neue Ver-
dunstung neue Kälte erzeugen und daher die in den Einhängcgefässen befindlichen
wässerigen Flüssigkeiten nie auf 100° zu erhitzen vermögen , treten gespannte
Dampfe stets einige Grad Über hundert heiss in den Dampfraum ein und ver-
mögen, selbst bei Verlust einiger Wärmegrade, jene Flüssigkeiten leicht zum Sieden
zu bringen und darin zu erhalten. (Die Spannkraft zweier Atmosphären entspricht
einer Temperatur von 121°.) Dazu kommt die leichtere Vertheilbarkeit und die
bessere Ausnutzung der gespannten Dämpfe, wovon die erstere durch Zulassen
und Absperren , letztere durch Regulirung der Feuerung unter Beobachtung des
Manometers zu erzielen ist. Als Dampfentwickler dient ein Dampfkessel, welcher
entweder eingemauert oder frei , mit Wärmeschutzmasse umgeben , liegend oder
stehend, aufgestellt ist. Der Dampfkessel muss allen gesetzlichen Anforderungen
entsprechen. Er muss auf einen bestimmten Atmosphärendruck geprüft sein, muss
Manometer, Sicherheitsventil, Wasserstandrohr und Ab- nnd Zulasshahn besitzen.
Die Gefässe, die erhitzt werden sollen, sind entweder einzeln mit Mantel (doppeltem
Boden) versehen, oder einem gemeinsamen Räume, dem Dampftisch, einge-
hängt, in welchen der Dampf eingelassen wird. Beiderlei Räume besitzen Zulass-
hähne für den Dampf und Ablasshähne fUr das Condenswasaer , welches sich all-
mälig bildet. Vielfach ist die Einrichtung getroffen, dass das in diesen Räumen
vorgewärmte Wasser zur neuen Speisung des Dampfkessels verwandt und mittelst
einer Pumpvorrichtung iu denselben zurückgeführt wird. Selbstverständlich kann
auch der gespannte Dampf zur Heizung eines gewöhnlichen Dampfapparates
benutzt werden, wie andererseits neben dieser Einrichtung ein fUr sich heizbarer
Dampfapparat in demselben Arrangement vorhanden sein kann. Die vorstehend
erwähnten Apparate in ihrer verschiedenen Form und Vervollkommnung sind in
pharmaceutischen Laboratorien fast Überall anzutreffen und daher als bekannt
vorauszusetzen, überdies aber auch aus den illustrirten Preislisten verschiedener
Firmen zu erfahren, welche die Herstellung dieser Dampfapparate als Specialität
betreiben. E 1 s n e r.
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392
DAMPFBÄDER. - DAMPFDICHTE.
Dampfbäder, s. Bd. n, Pag. 111.
Dampfdichte. Mit Dampfdichte bezeichnet man diejenige Gewichtsmenge eines
in Dampf- oder Gasform Bich befindenden Körpers, welche den gleichen Raum
erfüllt, wie eine Gewichtseinheit atmosphärischer Luft bei gleichem Druck und
gleicher Temperatur. Die Dampfdichte wird also stets eine Zahl vorstellen, welche
gefunden wird durch Division des specifischen Gewichts des zu untersuchenden
Körpers durch das spezifische Gewicht des gleichen Volumens Luft, also der
Volumeinheit. Bezeichnet man erstere mit k (Körper), letztere mit 1 (Luft), so
ergibt sich für die Dampfdichte (d) die Formel
Da man bei dieser Art der Berechnung oft auf kleine vierteilige Decimalen
kommt, so hat man neuerdings vorgezogen, als Normalvolumen statt der Luft den
Wasserstoff (w) zu setzen ; man gelangt so durchgehends zu Multiplen und, wenn
wir diese Darapfdichte mit D bezeichnen, zu der Formel:
Um mithin eine Dampfdichte bestimmen zu können , sind als Vorbedingungen
nothwendig das specifische Gewicht der Luft oder das specifische Gewicht des
Wasserstoffs. Erwägt man nun , dass die atmosphärische Luft ein in seiner Zu-
sammensetzung oft schwankender Körper ist, und dass das specifische Gewicht des
Wasserstoffs mit absoluter Genauigkeit überhaupt nicht festzustellen ist, dass ferner
sowohl Luft wie Wasserstoff dem Gay-Lussac-Mariotte' sehen- Gesetz nur an-
nähernd folgen , so ergibt sich daraus sofort , dass die auf solcher Grundlage
gewonnenen Zahlenresultate auf sehr grosse Genauigkeit keinen Anspruch machen
können.
Für die Chemie, insbesondere für die organische, hat die Bestimmung der
Dampfdichte in der Hauptsache den Zweck, die Resultate der Elementaranalyse
zu bestätigen oder zu berichtigen. Zur Illustration diene folgendes Beispiel.
Wenn man chemisch reines Formaldehyd analysirt, so erhält man :
Kohlenstoß 40 Procent
Wasserstoff . . . . . , 6.666 „
Sauerstoff 53.333 „
TOO.ÖÖÖT
Unterwirft man Essigsäure der Elementaranalyse, so erhält man genau
dieselben Zahlen; ganz genau dasselbe Resultat erhält man
aber auch bei der Analyse der Milchsäure. Die procentischen Gewichts-
resultate würden mithin in allen 3 Fällen auf dieselbe einfache Formel
CH., 0 führen. In solchen Fällen nun , wo die Element aranalvse einen weiteren
Einblick in die Natur der untersuchten Verbindungen nicht gestattet, bietet die
Dampfdichte ein werthvolles Moment für weitere Schlussfolgerungen. Bestimmen wir
nämlich die Dampfdichte dieser 3 procentisch gleich zusammengesetzten Körper, so
erhalten wir dieselbe
für Formaldehyd = 1.04
„ Essigsäure = 2.08
„ Milchsflure = 3.12.
Auf Grund dieser Dampfdichten finden wir, dass sieh trotz gleicher procen-
tiseber Zusammensetzung Formaldehyd zu Essigsäure zu Milchsäure verhält wie
1:2:3 und dass demnach die Formeln dafür lauten müssen :
für Formaldehyd CHaO
„ Essigsäure Ca H, 02
„ Milchsäure C, H6 03.
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DAMPFDICHTE.
Dieses eine Beispiel wird genügen, um die Wichtigkeit der Kenntniss der
Dampfdichte darznthun , auch trotz der Mängel , die der Bestimmung derselben
anhaften.
Von ganz hervorragendem Interesse sind die Beziehungen der Dampf-
dichte zum Molekulargewicht; beide stellen Gewichtsmengen vor, welohe
ein mit Druck und Temperatur veränderliches Volum annehmen. Daraus folgt,
dass beide für alle Stoffe stets in dem gleichen Verhältnisse zu einander stehen,
und dass sich folglich die eine Gewichtsmenge aus der anderen be-
rechnen lassen muss. In der That lässt sich das Normalvolumgewicht leicht
aus der Dampfdichte berechnen. Es muss nämlich das Normalvolumgewicht eines
jeden Stoffes sich zu dessen auf Luft bezogene Dampfdichte verhalten, wie das
Normalvolum zu dem Volum der Gewichtseinheit Luft bei gleicher Temperatur
und gleichem Drucke. Diese Relationen entsprechen genau dem
Ayogadro's c h e n Gesetz (s. Bd. II, pag. 60).
Man erhält nunmehr das Normalvolumgewicht durch Multiplication der Dampf-
dichte mit dem für alle Gase gleichen, unabänderlichen Reductionsfactor 28, 87;
z. B.:
Dampfdirhte auf Luft Normalvolnmgewkht
bezogen
Wasser .... 0.625 X 28, 87 = 18
Schwefelwasserstoff . 1.179 x 28, 87 = 34.
Da nun nach dem AvOGADRO'schen Gesetz das Molekulargewicht eines Körpers
dem Normalvolumgewicht desselben gleich sein oder das eine durch das andere
dhidirt, den Quotient 1 geben soll, so müssen auch die Dampfdichten aller
Körper den Molekulargewichten derselben proportional sein;
und es muss ferner das Di visionsproduct aus Molekulargewicht und
Dampfdichte einen für alle Fälle gleichen, constanten Quo-
tienten geben, und zwar muss dieser constante Quotient gleich sein dem oben
genannten Eeductionsfactor 28, 87.
Aus allem Gesagten ergibt sich, dass die Dampfdichte uns auch eine Controle
der Richtigkeit unserer auf anderem Wege festgestellten Molekulargewichte ermög-
licht. Der Factor aus der gewonnenen Dampfdichte und dem con-
stanten Quotienten 28, 87 muss eine Zahl ergeben, welche gleich
ist der Summe der Molekulargewichte der einzelnen Elemente
des betreffenden Körpers ; z. B. :
Dampfdichte des Wassers 0.625 X 28, 87 = 18.
Wasser HsO = 2H(2) -I- 0(16) = 18.
Dampfdichte des Methylalkohols 1.11 X 28, 87 = 32.
Methylalkohol CH4 0 = C(12) + 4H(4) + 0(16) = 32.
Umgekehrt aber muss sich auch die Dampfdichte eines Körpers
aus dessen Molekulargewicht berechnen lassen, z. B. Ammoniak
NH, = N(14) + 3H(3) = = 0.5967.
In der That ist dieses die bestimmte Daropfdichte des Ammoniaks.
ßesässen wir eine absolut gleich und unveränderlich zusammengesetzte Normal-
luft und könnten wir stets mit absolut chemisch reinen Körpern arbeiten,
so hätten wir in der Dampfdichte das Mittel, zu normalen Molekulargewichten
zu gelangen. Zur Zeit sind wir noch nicht soweit, und wenn die Richtigkeit des
AvoGADEO'schen Gesetzes heute auch über allen Zweifel feststeht, so haben wir
bis jetzt doch nur wenige Fälle, wo das Molekulargewicht und das aus der
Dampfdichte berechnete Normalvolumgewicht sich vollständig decken. Meist
sind die Differenzen nur unwesentliche, und die Schuld dafür liegt wohl in den
unvermeidlichen Mängeln der Dampfdichtebestimraung , theils auch in der nicht
absoluten Reinheit der untersuchten Körper.
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394 DAMPFDICHTE.
Die nachfolgende Tabelle wird das Gesagte am besten veranschaulichen :
Molekular-
Dampf- |
Normal-
Volumen
de.s
dichten
Bill -LilUl
volum-
Molekular- :
fr,i\\ i i h tR
Name der Verbindung
Gewicht
Formel
= M
bezogen i
_ H
- 5"
.
H,0
18
U.Ö4D
IQ n
1 AAA
HCl
36.5
1 VJ7
iUi A
oo.u
i Aia
Brom Wasserstoff ... . . . «
HBr
81
O 7-1
4. 4 0
7Q Q
/Ö.O
i rvoo
1 .u*o
HJ
128
A AÄ'i
lOQ 3
A fiQ-y
H,S
34
1 17Q
1.1 tu
StA A
i aaa
N H4
17
17 9
14.4
AGQ«
CH4
16
U.DO 4
Iß 1
10.1
A QQß
CHC13
119.5
i nie
4.-6 10
101 7
141./
Uam mm aI
78
0 ß7s.
4.0/0
77 9
i nm
1.U1U
lfiUl.MlnlkAliAl
CH.U
32
111
1.11
30 A
i fMTkn
A^tnylalkohol
i C,H,0
46
1 *i 1 a
40.0
A QK7
A .««ln1t.Al.Al
C Hu0
88
0.14
ÜA ß
w.o
A Q07
A A»1...1»t1.n«
; c.h.,,0
74
O KHK
4.000
7a1
74
1 AAA
A 1^a.1...J
C.H.O
44
1.0O4
44.4
0.996
a «k« Aft aI AHA#l ** aaLA*Ä
r h o
1 KU
1.0»
40.»
i rtAO
l.< *J4
C H <>.
60
2.122
61.3
0.979
C.H.O,
88
3.10
89.5
0.983
C H.,0,
'02
3.66
105.7
0.965
C. H„ 0,
122
4.20
1215
1.006
CaH:N
45
1.594
46.0
0.978
C, H- N
SiCl4
93
170
3.21
92.7
1.003
0.991
5.94
171.5
CSH4
28
<
0.978
28.2
0.993
Wie aus vorstehender Tabelle hervorgeht, ist die Dampfdichte von der
Grösse des Molekulargewichtes und der Auzahl der Atome im
Molektll nicht abhängig. Dagegen folgt daraus, dass Körper, welche
ein gleiches Molekulargewicht besitzen, auch gleiche Dampf-
dichten besitzen müssen und dass die Dampfdichten aller Körper
unter einander in demselben Verhältnisse stehen, wie die Atom-
gewichte; hat z. B. ein Körper ein doppelt so hohes Atomgewicht , als ein
anderer, so ist auch seine Dampfdichte eine doppelt so grosse; z. B. :
Aldehyd Molekulargewicht 44, Dampfdichte 1.532,
Butteraäure „ 88, 3.10.
In dem bisher Besprochenen ist die Dampfdichte auf Luft bezogen. Geht
mau dagegen von der auf Wasserstoff bezogenen Dampfdichte aus,
so muss , um durch Rechnung zum Normalvolumgewicht zu gelangen , die
Dampfdichte mit 2 multiplicirt werden. Daraus folgt, dass die Normal-
volumgewichte (und also auch die Molekulargewichte) stets
doppelt so gross sind, als die auf Wasserstoff bezogenen Dampf-
dichten. Setzt man den Wasserstoff = 1 , so erhält man z. B. folgende
Dampfdichten :
Für Wasser 9
„ Aether 37.08
„ Benzol 39.74
„ Stickstoff 14.02
„ Quecksilber 100.07
„ Sehwefel 31.93.
Verdoppeln wir diese Zahlen, so stimmen die Resultate fast vollständig mit
deu Molekulargewichten überein.
So einfach nun auch die auf die Daiupfdichte sich beziehenden oder von ihr
abgeleiteten Gesetze sind, so tritt doch bisweilen der Fall ein, dass dieselbe dieeea
Gesetzen nicht folgt. Wir gelangen daun zu Resultaten, welche von der obige*
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DAMPFDICHTE. - 1) AMPFD1C HTEBESTI MM U NG .
Gesetzmässigkeit so weit abweichen, dass hier von einem blossen Fehler in der
Beobachtung oder von einer Mangelhaftigkeit der Bestimmungsmethode nicht mehr
die Rede sein kann. Der Salmiak z. B. bat eine Dampfdichte = 0.93. Unter
Anwendung der obigen Gesetze wurde sich das Normalvolumgewicht auf 26.7
berechnen. Das Molekulargewicht des Chlorammoniums ist aber (NH4 Cl = N (14)
+ 4H (4) 4 Cl (35.5) = 63.6. So lange man die Ursache dieser Abweichung noch
nicht erkannt hatte, bezeichnete man derartig abweichende Dampfdichten als ab-
norme Dampfdichten. Als Ursache dieser abnormen Erscheinungen sehen
wir nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft die Dissociation an (vergL
diese). Man nimmt an, daes in diesen von der Regel abweichenden Fällen der
zn untersuchende Körper beim Verdampfen Bich zersetzt, dass durch die Wärme-
vermehruDg die Molekularcohäsion gelockert und schliesslich uberwunden wird,
und dass der Körper in Dampfform in seine beiden Componenten zerfällt. Eine
derartige Trennung der Componenten findet, wie dies unter Dissociation ausführ-
licher erörtert ist, nur im dampfförmigen Zustande statt, beim Uebergange in den
tropfbar-flüssigen oder festeu Aggregatzustand verbinden sich die Componenten
wieder. Das Chlorammonium zersetzt sich beim Uebergange in den Gaszustand in
ein Gemisch von Ammoniakgas und Salzsäuregas. Wir haben in dem Dampf, den
wir als „Salmiakdampf" bezeichnen, nicht 1 Volum wirklichen Salmiaks in gas-
förmigem Zustande, sondern 2 Volumen eines Gemisches von Ammoniak
und Chlorwasserstoff, für welche sich leicht die Dampfdichte findet:
NH + HCl _ 53.5 _ 2(. 75
Es gibt aber auch noch andere Verhältnisse, unter denen die Dampfdichte sich
von den obigen Gesetzen mehr oder minder entfernt, mindestens aber doch
noch nicht constant genannt werden kann. Ausführliche Beobachtungen haben
ergeben , dass constante Dampfdichten, die unabhängig von Druck und
Temperatur sind, nur dann erhalten werden , wenn die Dämpfe hinreichend weit
von ihrer Condensation entfernt sind. Für die meisten Dämpfe beginnt die con-
stante Dichte erst bei einer Temperatur , welche mindestens 30° über dem
Siedepunkt liegt. Für die Dichte des Wasser dampf es ist z. B. bei dem Drucke
einer Atmosphäre gefunden:
bei 109° 129' 175" 200'
0.65« 0.633 0.625 0.626
Von 175° an bleibt also die Dampfdichte merklich constant und entspricht
genau dem Molekulargewicht Hs 0 = 18. — Für Alkoholdampf ist gefunden:
bei 88° 98* HO' 125" 150" 175° 200*
1.7*5 1.649 1.610 1 603 1.604 1.607 <'.6'»2.
Hier beginnt die Dichte Oonstanz etwa bei 125°, also bei circa 45° über dem
Siedepunkt. — Bei der Essigsäure beginnt der Dampf erst bei wesentlich höherer
Temperatur constant zu werden, nämlich bei 240", während ihr Siedepunkt bei
110» liegt. Für E«sigsäuredampf ist gefunden:
bei 125« 150" 180° W •« 240° *50* 310° 336"
3.18 2.73 2.44 2.25 *.ö9 2.08 2.U8 208.
Die vorstehenden Beispiele beweisen, dass die Dampfdichte mit wach-
sender Temperatur bei constante in Druck abnimmt. Selbstverständ-
lich folgt daraus, dass sich bei constant gehaltener Temperatur, aber
Verminderung des Druckes das gleiche Resultat erzielen lässt.
Dieser letztere Umstand ist von Wichtigkeit, weil er gestattet, die Bestimmungen
der Dampfdicbte auch bei minder hohen Temperaturen, ja selbst bei einer Tempe-
ratur, die noch unterhalb des Siedepunktes liegt, vorzunehmen, und damit
den Fehlerquellen, welche die Dissociation in einzelnen Fällen verursacht, von
vornherein vorzubeugen. ' Ganswindt.
Dampfdichtebestimmung. Die Bestimmung der Dampfdichte, das heisst das
Auffiuden jener Zahl, welche angibt, wie vielmal schwerer ein Dampf ist als ein
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396 DAMPFDICHTEBESTIMMUNG.
dem Dampfvolnmen gleiches Volumen Luft, welche denselben Druck und dieselbe
Temperatur wie der Dampf besitzt, ist eine sehr umständliche Arbeit und er-
fordert ziemlich complicirte Apparate.
Die Methoden zur Ermittelung der Dampfdichte unterscheiden sich im Principe
von einander dadurch, dass entweder ein bestimmter vorhandener Raum mit dem
constanten Dampfe des zu untersuchenden Körpers angefüllt, oder indem ein
bestimmtes Quantum des betreffenden Körpers in Dampf von mindestens 30° Aber
dem Siedepunkt des betreffenden Körpers verwandelt und dessen Gewicht und
Rauminhalt festgestellt wird. In allen Fällen erfordert die Feststellung des Resul-
tates weitläufige mathematische Rechnungen, über welche ich im Nachfolgenden
umsomehr hinwegsehen zu können glaube, als der Apotheker niemals in die Lage
kommen wird, eine derartige Bestimmung auszuführen.
1. Die Methode von Dumas. Dieselbe erfordert einen kleinen Rundkolben
oder Glasballon von 250 — 500 ccm Inhalt; dieser wird gereinigt und getrocknet,
indem man seinen Hals mit einer Ca Cl-Röhre verbindet und mittelst einer kleinen
Luftpumpe wiederholt auspumpt ; dann wird der Hals zu einer
feinen Röhre ausgezogen, diese umgebogen und abgeschnitten
(b. Fig. 63). Nachdem man den Rand der Spitze abgeschmolzen,
wird der Apparat gewogen und gleichzeitig der Thermometer-
und Barometerstand notirt. Dann wird die zu untersuchende
8ubstanz in den Ballon gefüllt. Die Füllung geschieht in ähn-
licher Weise wie bei der Elementaranalyse durch Erwärmen des
Ballons und Eintaueben der Spitze in die Flüssigkeit, welche
beim Abkühlen aufgesaugt wird; ist der Körper fest, so muss
er zuvor geschmolzen werden. Zum Versuch sind je nach der
Grösse des Ballons 5 — 10 g Substanz nöthig. Nun beginnt
die Ueberführung des Körpers in Dampfform. Der Ballon
wird je nach dem Siedepunkt der Substanz in ein Bad von Wasser, Oel oder
Paraffin so untergetaucht , dass die Spitze eben aus dem Bade heraussieht.
Durch das Erwärmen und die unterhalb des Siedepunktes sich bildenden Dämpfe
wird zunächst die Luft aus dem Ballou getriebeu; später, wenn die Substanz
siedet, strömt Dampf aus der Spitze aus. Bald nachdem die Temperatur des Bades
30 — 35° höher ist, als der Siedepunkt der Substanz, ist die constante Dampf-
dichte erreicht. Sobald der Dampfstrom aufhört , schmilzt man die Spitze des
Ballons zu und notirt gleichzeitig die Temperatur des Bades und den Barometer-
stand. Der herausgenommene und wohl gereinigte Ballon wird wieder gewogen
und Temperatur und Barometerstand bei der Wägung notirt. Schliesslich wird die
Spitze des Ballons unter ausgekochtem, luftfreiem Wasser abgefeilt und abgebrochen.
Der Ballon füllt sich dabei mit Wasser und wird so mit der Spitze nochmals
gewogen.
Durch beschriebene Operationen sind folgende Grössen ermittelt worden:
das Gewicht des mit Luft gefüllten Ballons,
das Gewicht des mit Dampf gefüllten Ballons,
das Gewicht des mit Wasser gefüllten Ballons,
die Temperatur des Dampfes im Moment des Zuschmelzens,
die Temperatur bei der Wägung des mit Dampf gefüllten Ballons,
der Barometerstand im Moment des Zuschmelzens,
der Barometerstand bei der Wägung des mit Dampf gefüllten Ballons,
die Dichtigkeit des den Ballon füllenden Wassers.
Bei der dann folgenden Rechnung ist ferner noch zu berücksichtigen:
der eubische Ausdehnungscoe'fficient des Ballonglases,
das Volumen des Ballons bei der Temperatur zur Zeit der Wägung des mit Dampf
gefüllten Ballons,
das Volumen des Ballons bei der Temperatur im Moment des Zuschmelzens. endlieh
das Gewicht von 1 ccm der verdrängten Luft.
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DAMPFDICHTEBESTIMMUNG.
Der zur Ausführung der DüMAs'schen Methode nöthige Apparat ist der ein-
fachste und gestattet die Bestimmung der Dampfdichte auch fflr höhere Tempera-
turen; die Methode hat aber den Nachtheil, das» der meiste Theil des Dampfes
zur Verdrängung der Luft im Ballon verwendet wird und verloren geht und dass
bei der Berechnung eine grosse Anzahl von Factoren in Betracht gezogen werden
muss, wenn das Endresultat auf Genauigkeit Anspruch raachen soll.
2. Die Methode von Gay-Lussac. Diese sucht für ein gegebenes Gewicht
Substanz den zugehörigen Raum auf, welchen dieselbe im Dampfzustande einnimmt.
In dem beigefügten GAV-Li'SSAc'schen Apparat ist das Ilaupterforderniss eine einer-
seits geschlossene, circa 400 mm lange, in Cubikcentimeter graduirte, mit trockenem
Quecksilber vollständig gefüllte Glasröhre </. welche in ein cylindrisches, zur Hälfte
mit Quecksilber gefülltes Gefäss umgestülpt wird. Da die Röhre g kürzer ist als
die normale Barometerhöhe , so bleibt dieselbe beim Umstülpen auch vollständig
gefüllt. In diese Röhre wird nun eine vorher gewogene Menge Substanz gegeben.
mit Wasser oder Oel gefüllt. Die Wahl des Mediums hängt theils von dem Siede-
punkt der zu untersuchenden Substanz, theils aber auch davon ab, ob man die
Dampfdichte bei Temperaturen unter oder über 100° bestimmen will.
Nun erwärmt man das Bad bis annähernd zur constanten Dampfdichte der
Substanz, also 25 — 30° über deren bekannten Siedepunkt. Die Folge davon ist
die Sprengung der Glaskugel ; die Substanz verdampft und drängt in entsprechen-
den Mengen das Quecksilber in der Röhre nach unten. Hat man bei circa 30°
über dem Siedepunkt nach vollständigem Verdampfen der Substanz (man erkennt
dies daran, dass das Quecksilberniveau in g constant bleibt) die Temperatur und das
Volumen des Dampfes in g notirt, so erübrigt nur noch die Beobachtung des
Dampfdruckes ; hierzu wird die Schraube r (von bekannter Länge) so weit herum-
geschraubt, dass die Spitze das Quecksilber in c berührt. Man hat damit folgende
Factoren ermittelt:
Fig. 64.
Zu diesem Zwecke bläst man
sich eine kleine, sehr dünn-
wandige Glaskugel von einigen
Millimetern Durchmesser, deren
Oeflnung man zu einer feinen
Spitze auszieht ; nun wägt man
genau. Dann taucht man die
offene Spitze der gelinde er-
wärmten Glaskugel in die zu
untersuchende flüssige , respee-
tive geschmolzene Substanz ;
bei dem Abkühlen zieht sich
die Flüssigkeit in die Kugel;
nöthigenfalls wiederholt man
das Erwärmen und Eintauchen.
Nach geschehener Füllung wird
die Spitze zugoschmolzen und
durch nochmalige Wäguug das
Gewicht der Substanz bestimmt.
Die mit der Substanz gefüllte
kleine Kugel wird nun mit der
nöthigen Vorsicht von unten in
die Röhre g eingeführt. Nach-
dem der Apparat soweit vor-
bereitet, wird über das Rohr
ein weiterer, beiderseits offener
Cylinder m gestülpt, in das
Quecksilber eingetaucht und
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398
DAMPFDICHTEBESTIMMUNG.
dag Gewicht der eingeführten Substanz in Gramm,
das Volumen des Dampfes in Cnbikcentiraeter,
die Höhe der Quecksilbersäule in g, reducirt auf 0°,
die Barometerhohe, reducirt auf 0°,
die Temperatur des Dampfe«,
die Spannkraft, welche der Quecksilberdampf bei der Temperatur des Dampfes
ausübt.
Aus diesen Daten wird dann die Dampfdichte durch Rechnung unter Zuhilfe-
nahme der GRA.HAM-OiTO'schen Tabellen bestimmt.
3. Die Methode von A. W. Hofmann ist eine wesentliche Verbesserung
der vorigen , beruht aber auf den gleichen Principien. In dem HoFMANN'schen
Apparat ist statt der 400 mm langen Röhre g ein Glasrohr gewählt, welche« circa
1 m lang und 15 mm weit, im Uebrigen aber, wie bei Gay-LüsSAC, oben geschlossen,
in Cubikcentimeter getheilt, mit Quecksilber gefällt und in eine Quecksilberwanne
umgestülpt ist. Da dieses Rohr höher ist , als die normale Barometerhöbe , so
füllt hier das Quecksilber beim Umstülpen in das Rohr g und es entsteht eine
Barometerleere von circa 25 cm Länge. Durch diese Modifikation wird die Constenz
der Dampfdichte schon bei einer Temperatur erreicht, welche unterhalb de» Siede-
punktes liegt. Zur Einbringung der Substanz dient ein kleines Glasröhrchen mit
Glasstöpsel, welche 0.02 — 0. 1 g Substanz zu fassen vermag. Dieses Röhrchen wird
vor und nach der Füllung gewogen und dann, wie beim GAY-LüSSAc'schen Apparate,
von unten eingeführt. Bei Körpern von nicht so hohem Siedepunkt springt der
Stöpsel sofort nach dem Eintritt in die Barometerleere aus dem Röhrchen, bei
höher siedenden bei gelindem Erwärmen. Da bei solcher Beschaffenheit de« Appa-
rates nur verhältnissmässig niedrige Temperaturen nöthig sind, so finden wir hier
statt des äusseren Cylinders m des GAY-LussAc'schen Apparates einen Glasmantel
von etwa 90 cm Länge und 4 cm Dicke, welcher sich nach oben und unten ver-
jüngt und durch Gummiringe am inneren calibrirten Rohr befestigt wird; in der
Nähe der oberen und unteren Dichtungsstelle sind seitliche Zuleitungs- und Ab-
leitungsrohre von Glas angeblasen. Leitet man nun durch das obere Zuleitungsrohr
Dampf von siedendem Wasser oder einer anderen höher siedenden Flüssigkeit in
diesen Glasmantel, so umhüllt dieser das Baroraeterrohr und erwärmt es bis auf
seine eigene Temperatur. . •
Apparat sowohl als Ausführung sind verhältnissmässig einfach und selbst von
in physikalisch-chemischen Arbeiten minder Geübten auszuführen. Auch die Berech-
nung vereinfacht sich hier, da die Spannung de* Quecksilberdampfes hier nicht
berücksichtigt zu werden braucht. Die Methoden von Gay-Lissac und Hofmaxn
haben im Vergleich mit der von Dumas noch den grossen Vortheil, das«, wenn
die zu untersuchende Substanz mit geringen Mengou einer minder flüchtigen Sub-
stanz verunreinigt ist, dies das Endresultat wenig beeinflusst. Beim DüMAs'schen
Verfahren verdampft zunächst reine Substanz und der zuletzt im Ballon ver-
bleibende Dampf enthält fast die gesamtnte Menge der Verunreinigung und gibt
somit ein erheblich unrichtigeres Resultat für die Dampfdichte der fraglichen Sub-
stanz. Beide Methoden haben den weiteren Vorzug, die Dampfdichte bei ver-
schieden hohen Temperaturen bestimmen zu können. Beim Gay-Lüssac-
schen Apparate braucht man nur die Erhitzung unter entsprechendem Wechsel
des Badmediuins zu steigern , beim Hofmanx Vheu die Dämpfe höher siedender
Flüssigkeiten durch den Dampfmantel gehen zu lassen. Die HoFMAXx'sehe Methode
hat in Folge ihrer Barometerleere endlich noch den Vortheil vor der Gay-
Lussac' sehen, dass sie eine Bestimmung der Dampfdichte bei geringerem Druck und
niedrigeren Temperaturen gestattet ; z. B. lftsst sich die Dichte des Dimethylanilins,
welches bei 192° siedet, schon bei 100° bestimmen; dagegen eignen sich diese
Methoden nicht für die Bestimmung der Dampfdichte hochsiedender Flüssigkeiten,
weil das dabei unumgänglich nothwendige Quecksilber selbst bei 360° siedet. Für
Körper dieser Art benutzt man entweder die Dl'MAS'sche oder die nachfolgende Methode.
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D A M PFD I CHTEBESTIM M U NG . 399
4. Erste Methode von Victtor Meyer. Das Originelle der Meyer' sehen
Methode besteht in dem Ersatz des Quecksilbers durch das Woon'sche Metall,
eine Legirung aus 15 Th. Wismut, 8 Th. Blei, 4 Th. Zinn und 3 Th. Cadmium,
deren Schmelzpunkt bei 70° liegt und die im Handel käuflich vorkommt. Diese
Leerung muss vor dem Gebrauche einigemal unter Benzol, dann unter Weingeist
awgekocht werden, dann trocknet man sie im Wasserbade unter Umrühren und
Entfernen der schaumigen Schlacke, erhitzt zur vollständigen Trocknung auf 150°,
laust auf 100° abkühlen und füllt dann in den Apparat. Als Medium für das
Had benützt Victor Meyer schmelzenden Schwefel , und es erhellt daraus , dass
diese Methode nur auf Körper anwendbar ist, welche die WooD'sche Legirung
nicht angreifen und deren Siedepunkt nicht höher als der des Schwefels liegt.
Der Victor MEYER'sche Apparat ist eine gleichschenklige Röhre , deren einer
Schenkel zu einer Kugel aufgeblasen ist , welche in einer feinen Capillare endigt
(Fig. 65).
Fig. 65. Fig. 67.
Die zu untersuchende Substanz wird in einem Glaseimerohen von nebenstehender
Form nach vorherigem genauem Wägen bei a in den Kugelapparat gegeben und
dann der so beschickte Apparat nochmals ganz genau gewogen. Nun wird die bis
auf genau 100° abgekühlte Legirung bei a in den Apparat gefüllt, wodurch das
Glaseimereben gegen die Spitze b gehoben wird. Sobald Kugel und Schenkel ganz
gefüllt sind, wird erstere bei b zugeschmolzen. Um zu erreichen, dass der Apparat
genau bei der Temperatur des siedenden Wassers gefüllt sei, wird derselbe noch
eine Zeit hindurch in ein Gefäss mit siedendem Wasser gehängt; sobald keine
weitere Ausdehnung, das heisst kein Austreten von Metalltropfen bei a mehr er-
folgt, streicht man die Metallkuppe bei a ab, trocknet den Apparat sorgfältig und
wägt abermals. Diese Wägung muss einigermasson schnell geschehen, damit nicht
ein zu grosses Erkalten des Apparates eintritt, weil er dann leicht bersten würde.
Nun ist der Apparat für die Dampfdichte-Bestimmung fertig. Man befestigt ihn an
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400
DAMPFDICHTEBESTIMMUNG.
Fig. 68.
einem metallenen »Stabe und hängt ihn in erneu gusseisernen Tiegel von circa
400 ccm Inhalt, welcher 130 g Schwefel enthält. Dieser wird erhitzt, bis er siedet
und seine Dämpfe aus den Fugen des Tiegeldeekels hervortreten und sich ent-
zünden , weshalb die ganze Operation unter einem Abzüge vorgenommen werden
musa. 2ö Minuten nach dem Auftreten der Dämpfe nimmt man den Apparat aus
dem Tiegel. Der Dampf des zu untersuchenden Körpers hat einen Theil der Le-
girung bei a herausfliessen machen und das Niveau derselben steht in der Kti?el
tiefer als im Schenkel. Das Niveau in der Kugel muss markirt uud der Barometer-
stand notirt werden. Es erübrigt nur noch eine nochmalige genaue Wägung des
Apparates, worauf man alle Dateu zur Rechnung beisammen hat, nämlich :
das Gewicht der angewandten Substanz,
das Gewicht des angewandten Metalles,
das Gewicht des ausgeflossenen Metallen,
die Barometerhöhe auf 0° redueirt,
die wirksame Metallsäule,
die Temperatur des Schwefeldampfes.
Letztere ergibt sich aus dem Barometerstande, nachdem durch Regnadlt's
Untersuchungen festgestellt ist, dass der Schwefel siedet:
bei 447.71° 447' 44<V> 445° 444° 443*
für den Druck ?H3.04inm 7o5u8mni 74-V87 mm 73i.t>ümin 721.45 mm 710.24 mm.
Der Druck des abgeschlossenen Dampfes ist gleieh der auf 0° reducirten Baro-
meterhöhe, vermehrt um den Druck, den die im Schenkel a
überstehende Metallsäule ausübt.
Das Volumen des Dampfes berechnet sich aus dem Gewicht
des bei der Temperatur des siedenden Schwefels ausgeflossenen
Metalles und aus dem Gewichte des angewandten Metalls.
Damit sind alle Daten zur Rechnung gegeben.
5. Zweite Methode von Victor Meyer, für alle Fälle
anwendbar. Diese Methode ist besonders charakteristisch da-
durch, dass weder die Temperatur des untersuchten Dampfes,
noch das Volumen des benutzten Gefässes zur Berechnung der
Dampfdichte nothwendig ist. Zudem ist der Apparat ein verhält
nissmässig einfacher. Den Hauptbestandteil bildet eine etwa
80 cm lange Röhre, welche in ihrem unteren Viertel zu einem
cyündrisehen, etwa 40 mm weiten, circa 100 ccm fassenden Hohl-
raumes ausgeblasen ist (s. Fig. 68). Oben erweitert sich die-
selbe und wird mit einem Kautschukstopfen <f, welcher stets
bis zu einer bestimmten Marke eindringt , verschlossen. Kurz
unterhalb dieses Verschlusses ist das Gasentbindungsrohr a an-
geschmolzen. Dieser Apparat wird in den Kolben c eingesenkt,
dessen Hals 50 cm lang ist und dessen Kugel 80 ccm Inhalt
hat. Diese wird mit Diphenylamin Nil (Cü Hfi)2 gefüllt, welches
bis zum Sieden (bei 310°) erhitzt wird ; dadurch wird die Tem-
peratur von b eine constante , was sich daran erkennen lässt,
i_
10
l
ha'
dass aus dem unter Wasser mündenden Entbindungsrohre a
keine Luft mehr austritt. Ist dieser Moment eingetreten, so
wird über a eine mit Wasser gefüllte graduirte Röhre gestülpt,
der Stopfen d abgenommen , die in einem kleinen Fläschchen
abgewogene Substanz in den Apparat hineingeworfen und d
schnell wieder geschlossen ; auf dem Boden von b befindet sich
zur Vorsorge etwas Asbest. Sobald die eingeführte Substanz ver-
dampft, tritt bei a Luft aus, welche in der graduirten Röhre
aufgefangen und gemessen wird. Letztere Messung ist so auszu-
führen , dass man die Röhre , sobald keine Luft mehr in die-
selbe tritt, in einen mit Wasser gefüllten Cylinder so stellt, dass das Niveau
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D A M PFD 1 C HTEBEST I MMUXG. — DAMPFFARBEN.
401
innerhalb und ausserhalb des Rohres gleich steht. Nach einiger Zeit liest man
das Luftvolumen ab und notirt die Temperatur des Wassers und den Barometer-
stand. — Reicht die Siedetemperatur des Diphenylamins zur Verdampfuog der
Substanz nicht aus, so wendet man statt des Kolbens c einen offenen Tiegel und
statt des Diphenylamins schmelzendes Blei an.
Nach Beendigung der Operation hat man folgende Daten:
das Gewicht der eingeführten Substanz in Grammen = p,
das Luftvolumen in der graduirten Röhre in Cubikcentimeter = V,
die Temperatur des Wassers in der graduirten Röhre = t,
die auf 0° reducirte Barometerhöhe = B,
den Druck des Wasserdampfes bei t° = w.
Mit Hilfe dieser Factoren berechnet Victor Meyer die Dampfdichte nach
folgender Gleichung:
T) _ p. (273 + t). 2140
~~ V. (B — W).
Ist z. B. bei Bestimmung der Dampfdichte des Diphenylamins im Bleibade ge-
funden werden:
p = 0.0905 g,
V = 13.6 cem,
t = 17.0°,
B = 714.8 mm,
w = 14.4 mm,
so würde D sein - °-°905 " (273 + 1?) ' 214-° - 0 0905 ' 290 ' 2140 - • 5 90
so würde D sein _ ^-.^^g—— } _ -^—^.-^ 5.90.
Die Begründung der obigen MEYER'schen Formel ist hoch interessaut, würde
hier aber entschieden viel zu weit führen ; nur kurz erwähnen möchte ich noch,
dass die Zahl 2140 das Resultat folgeuder Gleichung ist:
760
— iyy — 2140
0.001*93.273
und dass die vorstehenden Zahlen sich ableiten aus Formeln zur Berechnung des
Gewichtes eines bestimmten Volumens Luft von bekannter Temperatur und be-
kannter Barometerhöhe, also von Factoren, die durch die gesammten Rechnungen
zur Bestimmung der Dampfdichte sich hindurchziehen. Ganswind t.
Dampffarben nennt man in der Zeugdruckerei jene Farben, zu deren Be-
festigung die Waare nach dem Bedrucken der Einwirkung heissen Wasserdampfes
ausgesetzt wird. Die neueren Dämpfapparate bestehen meist aus cylindrischen,
liegenden doppelwandigen Kesseln mit Thoren an der Stirnseite, durch welche die
auf Rahmen gehängte Waare eingeschoben werden kann. Ist dies geschehen, so
wird die Thüre geschlossen und schwach gespannter Dampf in das Innere des
Kessels und zwischen die Wandungen eingelassen.
Die Wirkung des Dampfes kann eine verschiedene sein. Hat man mit Traganth,
Dextrin etc. verdickte Theerfarbstoffe auf Schafwolle oder Seide gedruckt, so
erweicht der Dampf das Verdickungsmittel, der Farbstoff geht successive in Lösung
und vereinigt sich mit der Faser. Dies ist somit eine Art des subjeetiven Färbens.
Farbstoffe, welche die Faser nur adjectiv färben, werden zusammen mit der
Beize aufgedruckt. So kann man Dampfalizarinroth auf Baumwolle durch Auf-
drucken einer passend verdickten Mischung von Alizarin, essigsaurer Thonerde
und essigsaurem Kalk erzeugen. Beim Dämpfen geht das Alizarin successive in
Lösung, treiDt die Essigsäure aus ihren Salzen aus und bildet einen mit der Faser
sehr innig verbundenen, rothen Alizarinthonerdekalklack.
Bei manchen Dampffarben spielen sich hinwieder Vorgänge ab, die sich durch
eine intermediäre Kttpenbildung erklären lassen.
Endlich gehören auch noch die Albumin- und CaseTn färben zu den
Dampffarben.
Real-Encyclop&die der ge«. Pharmacie. III. 26
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402
DAMPFFARBEN. — DAMPFTRIOHTER.
Druckt man mit Albuminlösung verdickte Farben auf und dämpft, so {rerinnt
da» Albumin und klebt somit die eingerührten Farbstoffe auf die Gewebe auf.
Man verwendet diese Befestigungsart nur für fertige Farbstoffe, welche weder
zur Faser, noch zu Beizen Verwandtschaft haben, insbesondere beim Bedrucken
von Baumwollengewebcn mit Ultramarin, Chromgrün, Chromgelb, Russ etc. Für
lichtere Farben nimmt man Eieralbumin , welches ans Hühnereiern durch Ein-
trocknen des Eiweisses bei circa 50° gewonnen wird, für dunklere Farben das
billigere Blutalbumin. Albuminfarben können einen ziemlichen Grad von Echtheit
besitzen , nur werden sie beim Waschen , 8eifen etc. , verhältnissmässig leicht
abgerieben.
Ob eine Waare mit Albuminfarbcn bedruckt ist oder nicht, kann man mit dem
Mikroskope leicht entscheiden , indem die Fasern in diesem Falle mit undurch-
sichtigen , unregelmässigen Massen beklebt erscheinen , während sie bei anderen
Färbemethoden durchscheinend bleiben und reine Contouren zeigen. Benedikt.
Dampfform. Eine Bezeichnung für den vorübergehend elastisch-flüssigen Zu-
stand von Körpern, welche unter normalen Verhältnissen tropfbar-flüssig oder fest
sind , einen Zustand , aus welchem sie durch geeignete Condensationsiuittel —
Druck, Herabminderung der Temperatur — wieder in den normalen tropfbar-
flüssigen oder festen Zustand übergeführt werden können.
DampfkOChtopf ist eigentlich ein kleiner Digestor in Form eines Kochtopfes
mit hermetisch schliessendem Deckel. Der Zweck desselben ist eine erhöhte Ein-
wirkung des gespannten Dampfes und der damit gleichzeitig eintretenden Erhöhung
der Temperatur über den Siedepunkt des Wassers auf das zu kochende Object.
Durch dieses Verfahren werden z. B. Speisen viel vollkommener weich und mürbe
gekocht, als solches unter uormalen Verhältnissen überhaupt möglich ist. Ob dabei
lediglich eine mechanische Einwirkung des Wasserdampfes stattfindet, oder ob in
Folge der Dissociation auch chemische Einwirkungen dabei stattfinden, mag hier
unerortert bleiben. Bekannt ist der Dampfkochtopf unter dem Namen Papjx-
schcr Topf. Ganswindt.
Dampfleberthran, bezeichnet gute Sorten Leberthran, s. d.
Dampfstrahlgebläse, ein auf dem Princip der BuxsEx'schen Wasserluft-
pumpe beruhender kleiner Apparat. Durch eine feine Oeffnung tritt Wasserdampf
aus einer Dampfleitung in ein etwas erweitertes Rohr und saugt hierbei durch
eine seitlich befindliche Oeffnung Luft an. Diese Apparate finden Anwendung zur
Absaugung vou schädlichen Gasen , Dämpfen oder Staub-beladener Luft aus den
Arbeitsräumen; sie finden deshalb Verwendung in der chemischen Industrie und
vielen technischen Fabrikationszweigeu, bei denen viel Staub entwickelt wird (Filz-
fabrikation, Spinnereien etc.). Durch geeignete Vorrichtungen zur Absorption
können die in der chemischen Industrie abgesaugten Gase (Salpctrigsäure, Schweflig-
säure) wiedergewonnen werden.
Wird das Dampfstrahlgebläse zum Anwärmen von Wasser benutzt , indem die
Austrittsmündung durch Anfügen eines entsprechend langen , mit vielen Löchern
versehenen Rohres modificirt wird, so saugt dasselbe, wenn Dampf eingelassen
wird, Wasser statt Luft an und das Erhitzen des Wassers bis zum Kochen geht
ohne das sonst heftige Geräusch vor sich. Zu diesem Zwecke finden die Dampf-
strahlgebläse vielfache Anwendung in der chemischeu Industrie, in Brennereien,
Färbereien, zum Erwärmen des Kesselspeisewassers n. s. w.
Dampftrichter ist ein nach Art des Opodeldoc- oder Heisswassertrichters
construirter Blechtrichter , resp. Dampfmantel. Dieses einfache Instrument besteht
aus dem Trichterraum, dem Dampfmantel und den beiden Ansatzrohren für Dampf-
Zugang und -Abgang. Verbindet man das obere dieser Rohre mit einem Dampf-
entwickler und steckt an das untere einen Gummischlauch zur Ableitung von
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DAMPFTBICHTER. — DAPHNE.
Dampf und Condensationswasser , so ist damit der Dampftrichter zum Gebrauch
fertig; ein solcher zeigt eine Temperatur von 70 — 75° und eignet sich vortreff-
lich zum Filtriren von Fett, Talg, Wachs, Oacaoöl u. dergl. Ganswind t.
DanaiS, Gattung der Riibiaceae. Diöcische Klettersträucher mit achselständigen,
wohlriechenden Inflorescenzen. Kelchröhre kurz, Corolle trichterig mit zottigem
8chlund , aus dem die 5 Staubgefässe bei (J herausragen , bei 9 der 2spaltige
Griffel. Die kugelige Kapsel ist von den Kelchzähnen gekrönt und öffnet sich in
der Mitte der Fächer. Die Samen sind häutig geflügelt.
Danais fr agraria Comm. , auf Madagascar und den Mascarenen, besitzt
eUiingliche, bis 5 cm lange, kahle Blätter und gegenständige Trugdolden aus kleinen
rothen Blutben. In der von orangerothem Milchsaft strotzenden Wurzel fanden
Heck EL und Schlagdenhauffen ein in Alkohol und Wasser lösliches Glycosid
Dana in. Eine Abkochung der Wurzel ist ein Volksraittel gegen Hautkrankheiten.
Dand6li0n, in England gebräuchliche, aus dem französischen dem de lion
eorrumpirte Bezeichnung für Taraxacum.
Dandelion and Quinine Bilious and Liver Pills von King bestehen
(nach E. Geissler) in der Hauptsache aus Rhabarber und Aloe' mit bitteren
aromatischen Extracten.
Daniel^ Hygrometer, 8. unter Hygrometer.
Dannecy's Pilulae Terebinthinae bestehen aus 4 g 01. Terebinth. rea.
10 g Gera alba, 0.1g Ol. Citri und 5g Saccharum zu 80 Pillen; mit Zucker
zu conspergiren.
Danziger Goldwasser ist ein wasserklarer, angenehm schmeckender süsser
Liqueur, dem auf 11 etwa 2 dg Aurum foliatum in feiner Vertheilung beige-
mischt ist. — Danziger Oel = Oleum Terebinthinae; Danziger Tropfen =
Tinctura aromatica (auch Tinct. amara).
Daphne, Gattung der nach ihr benannten Familie, welche jetzt als eine
Gruppe der Thymelaeaceae aufgefasst wird. Sträucher mit zäher, lang- und fein-
faseriger Rinde , meist lederigen Blättern , vierzähligen Blüthen mit abfalleudem
corollinischem Kelch und mit Beerenfruchten .
1. Daphne Mezereum L., Seidelbast, Kellerhals, Mezereon,
Garou, ist ein kleinor bei uns heimischer, aber nirgends häufiger Strauch mit
krautigen Blättern , vor deren Entwicklung im ersten Frühjahre die rosenrothen,
wohlriechenden , leicht abfallenden Blüthen meist zu dreien gebüschelt in den
Achseln der vorjährigen Blätter erseheinen. Die rothen Beeren reifen im August
bis September.
lieber die in vielen Ländern officinelle, in die neue deutsche und in die
österreichische Pharmakopöe aber nicht mehr aufgenommene Rinde, s. Mezereum;
über die als Arzneimittel obsoleten , aber angeblich zur Pfefferfälschung und als
EsRigwürze hier und da noch verwendeten, jedoch giftigen Früchte, s. Coc-
cognidium (Bd. III, pag. 188).
2. Daphne Gnidium L. , Italienischer Seidelbast, Purgir-
s trauen, ist ein somniergrttner Strauch der Mittelmeerländer, besitzt aber etwas
lederige Blätter, weisse oder röthliehe Blüthentrauben in den oberen Blattachseln
and im trockenen Zustande schwarze, glänzende Beeren.
Die Südländer benützen diese Art (Cortex Gnidii s. Thymelaeae monspeliacae
und Grana Gnidii) wie wir Mezereum.
Die chemischen Bestandteile dürften dieselben sein: das Glycosid Daphnin,
Daphnetin und eigenthümliche Harze in der Rinde, Coecogninsäure in den
Heeren. Die letzteren enthalten auch beträchtliche Mengen (über 30 Procent) eines
*ebarf schmeckenden fetten Oeles.
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404
DAPHNE. — DARMCATAKUH
3. Daphne Lai/reola L. besitzt lederige, wintergrüne Blätter, achsel-
ständige, meist fünfblüthige , gelblichgrüne Blüthentrauben und schwarze Beeren.
Die Riude wird als Cortex Mezerei in den Handel gebracht, ist aber von ihr
leicht an der grünlichen (statt gelben) Farbe des Bastes zu unterscheiden. Sie ist
weniger wirksam (Flückigeb).
Daph netin, C9Hfl04, ist ein Spaltungsproduct des Daphnins, und bildet feine,
farblose oder gelbliche Prismen, welche bei 253° schmelzen und unter Zersetzung
sublimiren. Löslich in kochendem Wasser und noch leichter in kochendem Alkohol,
fast unlöslich in Aether ; ganz unlöslich in Chloroform, Benzol, Schwefelkohlenstoff.
In ätzenden und kohlensauren Alkalien mit rother Farbe löslich. Eisenchlorid gibt
in der wässerigen Lösung eine grüne, bei Zusatz von kohlensaureu Alkalien roth
werdende Färbung. Ammoniakalische Silberlösung und Fehling 'sehe Lösuug werden
von Daphnetin rasch reducirt. Ganswindt.
Daphnin, c16h16o9 4- 2H,o, ist ein Olucosid und findet sich in der Rinde
von Daphne Mezereum und JJaphne alpin a. Man gewinnt es am besteu aus
dem Extr. Mezerei durch Auskochen mit Wasser , Fällen der Lösung mit
Bleizucker, Filtriren und Kochen des Filtrates mit Bleiessig. Der so gewonnene
Niederschlag wird unter Wasser mit Schwefelwasserstoff zerlegt und das Filtrat zum
Syrup verdunstet. Nun wird mit Wasser verdünnt, das abgeschiedene Harz durch
Schütteln mit Aether entfernt und krystallisircn gelassen. Grosse farblose reet-
anguläre Prismen, welche bei 100° ihr Krystallwasser verlieren; beim Erhitzen
über seinen Schmelzpunkt sublimirt es unter Zersetzung. Ammoniakalische Silber-
lösung reducirt es kaum, Fehling' sehe Lösung dagogen nur sehr langsam. Wenig
löslich in kaltem Wasser, leichter in kochendem, noch leichter in kaltem und ganz
leicht in warmem Alkohol , unlöslich in Aether. In ätzenden und kohlensauren
Alkalien mit gelber Farbo löslich; Eisenchlorid färbt die concentrirte wässerige
Lösung bläulich. Daphnin ist isomer mit Aesculin und zerfällt wie dieses beim
Kochen mit verdünnten Säuren oder beim Behandeln mit Emulsin in Daphnetin
und Zucker , C16 H,8 0» + H2 0 = C9 H„ 04 4- Cfi H12 0„. Ammoniakalische Silber-
lösung reducirt es beim Kochen , FEHLiNG'sche Lösung hingegen nur sehr
langsam. Ganswindt.
DapiChO heisst der aus dem Boden gegrabene Kautschuk.
Dar kau in k. k. Oesterreich isch-Schlesien hat eine kalte Kochsalzquelle, welche
in 1000 Th. COa 0.U27 , NaCl 22.047, Mg.J 0.024 und Mg3 Br 0.126 enthält.
Der Bromgehalt ist grösser als bei irgend einer untersuchten Quelle gleicher Art.
Das Wasser und das durch Abdampfen hergestellte jod- und bromhaltige „Dar-
kauer Jodsalz" wird viel versendet.
Darm Oder Darmcanal ist ein röhrenförmiges, der Verdauung und Auf-
saugung der Nahrangsstoffe dienendes Organ, welches in der Bauchhöhle unter-
gebracht ist und dessen Längeuausdehnung die Körperlänge des Thieres um ein
Mehrfaches übertrifft. Die im Magen für die Verdauung vorbereiteten Nahrungs-
mittel gelangen durch den Pförtner (Pylorus) in den Darm und werden daselbst
unter Hinzutritt von Galle, Bauchspeichel und Magensaft weiter verdaut und die
für die Ernährung geeigneten Bestandtheile des Speisebreies durch die Chylus-
gefässe dem Blute zugeführt ; die für die Ernährung nicht geeigneten Bestandtheile
werden als Koth nach aussen geschafft. Die Fortbewegung dos Speisebreies im
Darme geschieht durch die peristaltischen Bewegungen des Darmes, welche am
besten als wurmförmige versinnlicht werden. Ueber die einzelnen Abschnitte des
Darmes vergleiche man : Duodenum, Dünndarm, Blinddarm, Dickdarm, Mastdarm,
After.
DarniCatarrh (Catarrhus intestinalis) ist eine acute oder chronische Erkran-
kung der Darmschleimhaut, welche alle Abschnitte des Darmes betreffen kann.
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DARMUATARRH. — DARWIN SCHE THEORIK
405
Ursachen des Danucatarrhs sind : Erkaltungen , schwer verdauliche und verdorbene
Nahrung, Anhäufung von Stuhlniassen in den unteren Darmabschnitten in Folge
trfl^er Darmbewegung oder in Folge erschwerter Passage durch Verengerung des
Darmrohres. Darmcatarrh entsteht auch durch Aufnahme giftiger Substanzen :
Brechweinstein, Arsen, Sublimat, drastische Abführmittel. Kinder im ersten Lebens-
jahre werden oft von Darmcatarrhen heimgesucht ; künstlich genährte durch unpassende
oder qualitativ schlecht beschaffene Nahrung; Brustkinder durch Ucberfütternng.
Wie sehr schon seit alten Zeiten die Unsitte um sich gegriffen hat , einen Säug-
ling, so oft er schreit, an die Brust zu legen, geht schon daraus hervor, dass in
der Umgangssprache das richtige Wort „säugen" durch das unpassende „stillen4*
fast ganz verdrängt ist.
Darminfusion (Enterochysis), wird die in der Neuzeit vielbentitzte und
besonders durch Mosler und Caxtani empfohlene Application von Wasser oder
medicamentöser Flüssigkeit vom Mastdarm aus auf höhere Partien des Dickdarms
und selbst des Dünndarms genannt , welche mit gewöhnliehen Klystieren nicht
erreicht werden können. Man kann dieselben entweder mit dem Clysopomp oder
mit dem HEGAß'schen Trichterapparate ausführen, bedient sich jedoch, da das
rasche Einstürzen grösserer Flüssigkeitsmengen von vielen Kranken nicht gut
ertragen wird, besser eines Irrigators mit längerem Gummischlauche, am besten des
KOMP'sehen Apparates, bei dem man die Schnelligkeit des Ausflieasens will-
kürlich beschränken und an einer Glasscala controliren kann. Die Aufsaugungs-
verhältnisse für Medicamente bei Darminfusion entsprechen im Wesentlichen denen
der Subcutaninjection 5 der Eintritt der Ausscheidung im Harn ist beim Chinin-
sulfat sogar etwas früher, das Ende derselben etwas später (Carofalo). Die
internen Dosen wirksamer Arzneimittel bedürfen daher keiner Steigerung.
Th. Husemann.
Darmsaiten verschiedener Dicke benützt man in der Chirurgie zur Erweite-
rung* von Strictnreti. (Vergl. Bougies, Bd. II, pag. 363.) In neuester Zeit wurden
sie von Lister als Nähmaterial bei seiner antiseptischen Wundbehandlung ein-
geführt. — Vergl. Catgut, Bd. II, pag. 599.
DarniSChwimmprobe ist eine von Breslau 1*G6 eingeführte Methode zum
Nachweis, ob ein Kind todtgeboren ist. Sie stützt sich auf die bis dahin über-
sehene Thatsache, dass Magen und Darm ungeborener Kinder ebenso luftleer
sind wie die Lunge, daher im Wasser untersinken. Es kann daher, abgesehen
von Ausnahmen, welche der Gerichtsarzt zu constatiren hat, der im Wasser
schwimmende Darm als Beweis gelten, dass eine Leibesfrucht geathmet, also
gelebt hat.
Darmsteine. Concremente im Darracanal von Menschen und Thicren; nicht
selten sind es blosse Ablagerungen auf einen in den Darm gelangten, nicht ver-
daulichen Körper, der den Kern bildet. Die chemische Zusammensetzung ist nicht
immer die gleiche, meist bestehen die Darmsteine aus phosphorsaurer Ammoniak-
magnesia; oft findet sich auch als Bestandteil Calci umphosphat oder -Carbonat
oder beide. — Vergl. Concremente, Bd. III, pag. 242.
Daruvär in Süd-Ungarn besitzt Akratothermen von 40 — 46°.
Darwinsche Theorie. Bis vor wenigen Jahrzehnten war auf dem Gebiete
der sogenannten exaeten Naturwissenschaften die Ansicht vorherrschend, dass alle
einzelnen Arten der Organismen durch oinen Schöpfungsact aus der Hand des
Schöpfers hervorgegangen, dass sie, wie Agassiz sagt, „verkörperte Schöpfungs-
g-edanken Gottes" seien. Auf allen anderen Gebieten erkannte man den beständigen
Wechsel der Formen und Wirkungen an; man führte letztere auf wechselnde,
wiederum in ihrer Art von veränderlichen Bedingungen abhängige Ursachen zurück ;
man sprach von einem „Fluss der Erscheinungen". Hier blieben alle die auf den
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DARWIN SCHE THEOEIE.
Formenreichthum der belebten Natur sieb beziehenden Fragen unberührt: man
betrachtete die Pflanzen- und Thierarten als gegebene Thatsachen und scheute
sich geradezu, der hier und da auftauchenden Anregung zu einer vorurteilsfreien
Behandlung derselben zu folgen.
J. Ray hatte den Begriff der „Art" festgestellt Ihm schloss sich Linne an.
Nach ihm „existiren so viele Arten , wie zu Anfang verschiedene Formen vom
unendlichen Wesen geschaffen worden sind." So nachdrücklich war bis dahin die
Art als die Grundlage alles systematischen Verständnisses noch nicht hervor-
gehoben worden. Mit dieser Definition der Art fiel ferner die Ansicht von der
Festigkeit und Unveränderlichkeit der Art zusammen. Ccvier erklärte daher:
„Die Beständigkeit der Species ist eine nothwendige Bedingung für das Bestehen
der wissenschaftlichen Naturgeschichte." Veranlassung zu diesem dogmatischen
Lehrsatze gab Cuyier die Untersuchung der in den egyptischen Pyramiden ge-
fundenen Thiermumien. Jedoch schon Etiexxe Geoffroy 8aint Hilaire und
Lamarck griffen die Lehre von der Artbeständigkeit an, sie erinnerten daran,
dass die egyptische Periode viel zu kurz sei, um aus der Uebereinstimmung der
Mumien mit den jetzt lebenden Arten, zumal bei der Stabilität der äusseren Ver-
hältnisse, auf die Uuveränderliehkeit der Arten schliessen zu können. Der größte
Verfechter der Cüvier' scheu Ansichten war Agassjz. Nach ihm gehören die Arten
einer gegebenen Erdperiode an und haben ferner bestimmte Beziehungen zu den
während dieser Zeit vorherrschenden physikalischen Verhältnissen, sowie zu den
gleichzeitigen Pflanzen und Thiereu. Niemals komme eiue Species in zwei ver-
schiedenen Perioden vor. Zu Anfang einer jeden neuen Periode seien sämmtliche
Organismen plötzlich und au jedem ihrer Wohnorte gleichzeitig und in grosser
Anzahl vorhanden gewesen.
Es kann nun zwar nicht in Abrede gestellt werden, dass vielleicht der grösste
Theil der jetzt existirenden Organismen für die descriptive Botauik und Zoologie
sieh im Zustande einer gewissen Stabilität hinsichtlich ihrer äusseren und inneren
Verbältnisse befindet. Diese Stabilität ist aber unter allen Umständen nur eine
zeitliche. Es gibt eine grosse Anzahl von Arten, die sich nur durch ein con-
stantes Merkmal unterscheiden lassen. Dies eine Merkmal kann aber nur eine
bestimmte Zeit, und zwar so lauge als constant betrachtet werden , bis neu auf-
gefundene Zwischenglieder diese Differenz verwischen. Wir finden ferner ganze
Glasscn von Organismen, welche sich in ihrem gegenwärtigen Zustande in einem
solchen Schwanken und Verändern der Formen befinden, dass „Art-" und „Gattungs-
kennzeichen" nicht festzuhalten siud. Die Untersuchungen Carpenter's über die
Foraniiniferen hatten das Resultat ergeben, dass in dieser Gruppe niederer Orga-
nismen überhaupt nieht von „Arten", sondern nur von Formenreihen die Rede
sein könne. Ein höchst lehrreiches Beispiel von der im Laufe der Zeit eintretenden
Veränderung der Art bietet die in dem Sttsswasscrkalk von Steinheim in Wttrttem-
berg vorkommende Tellerschnecke (Planorbis mufft 'formt») . Nach Hilgexdobp
vertheilen sieh die Varietäten dieser Schnecke in den etwa 40 petro graphisch su
unterscheidenden Schichten so, dass einzelne Schichten durch das alleinige Vor-
kommen oder durch Vorherrschen einzelner oder mehrerer Varietäten charakterisirt
werden, welche sieh innerhalb der Schicht constant oder wenig abweichend zeigen,
gegen die folgende Schicht aber durch Uebergänge zu den nachfolgenden Formen
hinüberführen. Auch für die Ammoniten wurde die Unmöglichkeit, sie in Arten
zu trennen, nachgewiesen.
Gegen die auf das Paradies zurückgehenden älteren Definitionen der Art erhoben
sich schon im vorigen Jahrhundert Stimmen. Die ersten Andeutungen finden wir
bei Georg Foiister ^ 17^7) und Kant (17!K)), welch Letzterer die Möglichkeit
einer stufenweisen Entwicklung der Organismen annimmt. Gleichzeitig mit Kant
war es besonders Goethe, welcher den Gedanken der allmäligen Entwicklung der
Organismen weiter verfolgte und ausbildete. Doch blieben seine Anstrengungen,
ebenso wie die eines Bukfox und des älteren Geoffboy Saint Hilaire von der
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DARWINSCHE THEORIE.
407
Mitwelt unbeachtet. Erst durch Lamarck's Werk: „Philosophie geologique (1809)"
ward die Aufmerksamkeit auf die Wahrscheinlichkeit gelenkt, dass alle Verände-
rungen sowohl der organischen wie der unorganischen Welt die Folgen von
Naturgesetzen, nicht von wunderbaren Zwischenfällen seien.
Von Weiss wurde 1813 zuerst der Gedanke, dass dieenigen organischen
Wesen im „Kampf um's Dasein" sich siegreich erhalten und dann weiter abändern,
welche Umänderungen erfahren, die ihnen eine Ueberlegenheit Aber die anderen
Individuen derselben Art verschafft haben, in Bezug auf bestimmte Charaktere
der Menschenrassen ausgesprochen. In demselben Sinne äusserte sich Wells.
W. Herbert erklärte 1822, es sei durch Versuche unwiderlegbar dargethan, dass
Pflanzen -Arten nur eine höhere und beständigere Stufe von V arietäten seien.
Grant fügte dem 1826 hinzu, dass die entstandenen Arten durch fortdauernde Ver-
änderungen verbessert würden. 1834 erklärt R. E. v. Barr, dass die organischen
Arten „nur vorübergehende Zeugungsreihen seien, die durch Umbildung aus ge-
meinsamen Stammformen sich entwickelt haben." Aehnliche Aussprüche finden wir
bei Leopold v. Büch (1836), Rafinesque (1836), Haldemann (1844) und dem
jüngeren Geoffroy Saint Hilaire (1850). Zu diesen gesellten sich ferner der
Wiener Botaniker Inger, der Paläontolge Carus, Schaafhausen, Al. Braun u. A.
Cuvier's Annahme grosser Erdrevolutionen für die Erklärung der geologischen
Erscheinungen war von Lyell in dessen 1830 erschienenem Werke : „Grundsätze
der Geologie" zurückgewiesen worden. Alle jene grossen Umänderungen finden
ihre Erklärung in der Annahme grosser Zeiträume, während deren sie statt-
gefunden haben.
Alle diese Untersuchungen bahnten den Weg zu der neuen Theorie, welche
Darwin in seinem 1859 erschienenen Werke „On the origin of species by means
of natural selection" entwickelt hat. Die Bühne für die sich wiederholenden Acte
der Neuschöpfungen war nach und nach zusammengefallen, der Glaube an die
Unveränderlichkeit der Arten war erschüttert, die Descendonzlehre mit dem
Darwiuismus wurde eine geschichtliche Notwendigkeit. Charles Darwin begleitete
als Naturforscher die wissenschaftliche Expedition des englischen Schiffes „Beagle"
in den Jahren 1831 — 1837. Bereits auf dieser Reise fasste er den Gedanken der
Abstammungstheorie, welcher er nach seiner Rückkehr sein ganzes Leben widmete.
Er verband nicht nur sämratliehe hierhergehörigen Erscheinungen, sondern benützte
namentlich die von den Organismen selbst dargebotenen Lebensäusserungen zu
einer Erklärung der Formenmannigfaltigkeit und des Ursprungs der Arten.
Darwin beweist aus der Untersuchung der Individuen, dass sich die „Arten" ver-
ändern müssen, dass dieselben nur zeitlich fixirte Zustände in dem beständigen Ent
wicklungsprocess des organischen Lebens sind. Gleichzeitig zeigt er aber an der
Hand zahlreicher Zeugnisse aus dem Leben der Organismen, dasB die Entwicklung
einer Classe oder einer Abtbeilung vom Allgemeinen zu immer specialisirteren
Formen stattfinden muss, wie ferner die Entwicklung eines Individuums in
gedrängter Form die der ganzen Classe wiederholt, wie daher die figürlich- als
verwandt bezeichneten Formen in wirklicher Blutsverwandtschaft zu einander
stehen.
Die tägliche Erfahrung lehrt, dass die zu einer Art gehörigen Individuen
niemals absolut einander gleichen, dass sie also mehr oder weniger einander
unähnlich sind und so von dem vermeintlichen Urbilde der Art abän.dern.
Man sah sich daher veranlasst, Varietäten aufzustellen, welche als locale, endemische
oder klimatische Abänderungen in einen gewissen Bezug auf die umgebenden
Bedingungen gestellt wurden. Oft gab man sich auch gar keine Mühe, eine Er-
klärung dieser Abänderung zu suchen.
im nun nachzuweisen, auf welchem Wege solche Umänderungen erlangt worden
seien, studirte Darwin zunächst die Hausthiere und Culturgew.'lchse. Diese Orga-
nismen zeigen, dass bedeutende Abänderungen iti grossem Umfange möglich sind.
K« ist ans den Erfahrungen der Thier- und Pflanzenzüchter der Beweis geliefert
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408
DARWINSCHE THEORIE.
worden, dass kein einziges System des lebenden Körpers von dieser Variabilität
unberührt gelassen wird. Die Abänderung selbst kann ihren Grund haben in den
minder einförmigen und von denen der Stammeltern abweichenden Lebensbedin-
gungen, in einem UebertiuBS an Nahrung, in der Aenderung der Gewohnheit, in
den Wechselbeziehungen der Entwicklung der Individuen etc.
Als Ursache der Abänderungen können die vor oder während des Zeugungs-
actes auf das zeugende Individuum wirkenden Einflüsse gelten, ferner die verschie-
denen Bedingungen, denen die Eier oder Keime wahrend ihrer Entwicklung
ausgesetzt sind, und welche in den verschiedenen physikalischen, chemischen,
mechanischen, überhaupt moleculären Eigenschaften derselben bestehen. Diese Eigen-
schaften aber bedingen wiederum das in bestimmten Grenzen nothwendige Fest-
halten an einer allgemeinen typischen Form.
Eine Wiederholung der Abänderung kann ferner die ursprüngliche vergrössern,
die neu erworbenen Charaktere können sich vererben. Die Zeugungsproducte
sind anfänglich Theile der zeugenden Individuen, sie haben dieselben Eigenschaften,
sie wachsen und entwickeln sich in derselben Richtung wie ihre Erzeuger. Die
Erfahrung lehrt, dass die Zahl derjenigen Abänderungen, welche sich vererben,
so gross ist , dass man die sich nicht vererbende Abänderung als Ausnahme
betrachten kann. Die Thier- und Pflanzenzucht beweisen das strenge Vererben
der verschiedensten Abändernngen. Als Regel ist nach Darwin anzunehmen, dass
die abweichende Bildung bei der Vererbung gewöhnlich in demselben Alter, oder
auch früher, niemals aber später eintritt. Der Einflnss äusserer Bedingungen auf
Bildung von Abänderungen ist von grosser Bedeutung. Abänderungen können z. B.
durch Paarung mit unveränderten Individuen wieder verschwinden. Es befördert
daher Isoliruug die Erhaltung bestimmter Varietäten, während Kreuzung leicht
zum Rückschlag führt.
Bei den Pflanzen besteht ein ziemlich strenges Gesetz der Vererbung. Diese
bezieht sich nicht blos auf die wichtigsten speeifischen Charaktere, sondern selbst
auch auf die geringfügigsten Merkmale. Selbst abnorme , krankhafte Charaktere
oder Neigung, dergleichen anzunehmen, können vererbt werden; so z. B. gewisse
Missbildungen der Blüthen, Früchte und Samen, Panachirung der Blätter, Bleich-
sucht, Gelbsucht, Phyllomanie etc.
Variabilität und Erblichkeit sind daher die thatsächlichen Theile der Darwin-
sehen Theorie.
Bei allen Abänderungen kommt es darauf an, ob sie dem Organismus nützlich
oder schädlich sind. Die nützlichen Abänderungen müssen die Erhaltung und
weitere Verbreitung des Wesens nothwendig fördern, während die schädlichen
den Untergang desselben herbeiführen werden. Die Notwendigkeit erhellt aus
dem „Kampf um's Dasein", welcher zwischen allen Wesen der Welt statt-
findet, und welcher sich als ein unabwendbares Naturgesetz herausstellt. Da von
jeder Art viel mehr Individuen erzeugt werden, als bestehen können, so
muss in dem Kampfe um's Dasein dasjenige Wesen mehr Aussicht auf Bestehen
haben, welches in einer ihm vorteilhaften Weise von seines Gleichen abweicht
und sich vermöge dieser Abänderung den bestehenden örtlichen Verhältnissen
anpasst. Es werden also nur diejenigen Individuen erhalten, welche eine, wenn
auch noch ho geringe, vorteilhafte Abänderung besitzen. Das Ringen um's Dasein
tritt am heftigsten zwischen den nächsten Verwandten auf, weil der Kreis
ihrer Lebensbedingungen am ähnlichsten, häufig fast identisch ist. Auf die Fra^e,
welche Individuenformeu bleiben bei der naturgemässen Vermehrung derselben
leben, antwortet Darwin: Die begünstigten Rassen werden erhalten. Spencer
ändert diesen Satz etwas um, indem er sagt: Das Passendste überlebt das
andere. Es bleibt also nur das Individuum leben , das unter den gegebenen Ver-
bältnissen leben kann. Die starre Nothwendigkeit wählt, d. h. erhält. Darwin
hat das bessere Bestehen in Folge des Kampfes um's Dasein und die daraus noth-
wendig folgenden Resultate „die natürliche Züchtung" genannt. Die
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DARWINSCHE THEORIE.
409
Züchtung oder Zuchtwahl ist eine natürliche oder künstliche, letztere tritt
ein, wenn ein Z fichter versucht, gewisse Varietäten, auf die er es abgesehen hat,
in lixiren, erstere, wenn die Individuen, die den eomplicirten Bedingungen, denen
«ie ausgesetzt sind, am besten entsprechen, die anderen «berieben und sich allein
fortpflanzen. Das letztere hat zur Folge, dass die Eigenschaften, welche den
gegebenen Verhältnissen am meisten Rechnung tragen, d. h. ihnen am vollständigsten
angepasst sind, sich am sichersten erwerben und fixiren. Es tritt eine natürliche
Anpassung oder Adaption an die gegebenen Verhältnisse ein.
Die natürliche Züchtung führt das Aussterben der in geringerem Grade bevor-
zugten Individuen einer Art herbei, es erlöschen also einzelne Formen oder auch
Zwischenglieder zwischen verschiedenen Arten, woraus sich dann spflter getrenntere
Arten ergeben. Darwin bezeichnet diesen Vorgang als die „D i v e r g e n z d e s Cha-
rakters".
Als „geschlechtliche Zuchtwahl" bezeichnet Darwin die Bildung von
Geschlechtseigenthümlichkeiten der Männchen, durch welche sie in den Bewerbungen
am die Weibchen unterstützt werden und durch Rückwirkung dieser Eigentüm-
lichkeiten eine Abänderung und Vervollkommnung der Art herbeiführen.,
Wir wissen nun freilich nicht, nach welchen Gesetzen alle diese Abänderungen
vor sich gehen. Darwin nennt die Einflüsse der sich entwickelnden und umge-
staltenden Organe unter einander „die Wechselbeziehungen des Wachs-
tburas". Aus den angestellten Beobachtungen lassen sich Schlüsse ziehen, wie
es möglich sei, dass ein Individuum der einen Art sich ganz allmälig in ein
solches einer anderen Art verwandeln kann, wie man sich ferner die Entwicklung
der geistigen Eigenschaften oder des Instinctes der Thiere denken kann, wie die
Unfruchtbarkeit der Kreuzung verschiedener Arten im Gegensatze zur Frucht-
barkeit gekreuzter Varietäten zu erklären ist. Darwin's unsterbliches Verdienst ist,
dass er zeigte, welche Macht auf die als veränderlich vorliegenden Individuen und
Arten wirkt und welche Resultate aus dieser Einwirkung hervorgehen müssen.
Die Abstammungslehre wurde von ihm durch die Selectionstheorie begründet,
deren Grundgedanke der ist, dass die Rolle des Rassen züchtenden Menschen in
der Natur durch den Kampf um's Dasein ersetzt wird, und dass durch die mit der
Zeit eintretende Cumulirung anfänglich geringer, dann immer mehr hervortretender
Vorzüge die niedrigeren Organismen in höhere verwandelt werden. Es ist viel-
fach die Frage aufgestellt worden, wo die unendlich vieleu Zwischenformen
geblieben sind, welche nothwendig existirt haben müssen? Die Unvollständigkeit
der in den Versteinerungen sich zeigenden organischen Reste hat nach Darwin
ihren Grund in dem Gange der geologischen Entwicklung der Erdrinde. Vielleicht
die Hälfte aller geologischen Ablagerungen wurde während langsamer Hebungen
wieder zerstört. Ferner kennen wir von den Versteinerungen führenden Schichten
nur einen kleinen Theil. Dann ist auch zu erwägen, dass die die Uebergänge ver-
mittelnden Formen meist eine kürzere Lebensdauer als Form gehabt haben werden,
als die als Arten auftretenden ständigen Varietäten. Aber selbst die verhältnissraässig
wenigen Funde lassen in hohem Grade die Wahrscheinlichkeit einer stufenweisen Ent-
wicklung der Organismen erkennen und sind Belege für die Theorie der Ab-
stammung der Wesen von einander. Zur Erklärung des nachweisbaren Fortschritte«
vom Niederen zum Höheren, vom Einfachen zum Zusammengesetzten glaubte man
nun einen vorausbedachten Entwicklungsplan, welcher die Abänderungen leitet,
annehmen zu müssen. Diese Annahme weist die DARWiN'sche Theorie zurück.
Das Niedere wird nur dadurch zu einem Höheren, dass der Körper zur Ausführung
der verschiedenartigsten an ihn gestellten Leistungen immer specialisirter entwickelte
Organe erhält, welche den besonderen Leistungen angepasst werden. Es müssen
also die Abänderungen für die Individuen am günstigsten sein, welche sie befähigen,
immer specialisirtere Stellen im Haushalte der Natur einzunehmen. Die schärfer auf-
tretende Concurrenz führt zu einer weiter gehenderen Anpassung an die gegebenen
Verhältnisse, zu einer grösseren Complication des Baues.
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DARWIN SCHE THEORIE. — DASYMETER.
Wenn nun auch ein exact mathematischer Beweis dafUr nicht beigebracht
werden kann , dass unter bestimmten Verhältnissen eine bestimmte Abänderung
auftreten muss, so ist andererseits diese von Thatsachen ausgehende und sich an
thatsächliche Verhältnisse anlehnende Lehre weder vom allgemeinen logischen oder
speciellen physiologischen oder biologischen Standpunkte aus zu widerlegen. Keine
andere Theorie ist so tief eingreifend in die Lehre von der ganzen organischen
Welt eingetreten als die Descendenzlehre. Durch sie wird zunächst die Systematik
verständlich. Die Systematik stellte die Organismen nach äusseren und inneren
Aehnlichkeiten zusammen. Eine Antwort auf die Frage, woher diese grössere
oder geringere Uebereinstimmuug , die Abstufung, die Mannigfaltigkeit stamme,
wusste sie nicht zu geben. Man sprach wohl von Grundformen der Typen , aber
über das innerste Wesen dieser Typen vermochte man nicht Rechnung abzulegen.
Die ÜARwrx'sche Lehre erklärt die Thatsache, dass die Arten sich zu Gruppen
ordnen, diese wieder anderen, weiteren untergeordnet sind, einfach dadurch, dass
alle diese vereinigten Formen durch Abänderung, Vererbung, Erhaltung des
Passendsten aus früheren einfacheren, den gemeinsamen Bau darbietenden, hervor-
gegangen sind. Der Nachweis der Verwandtschaft wird daher zu einem wirklichen
genealogischen Stammbaum. Die Systematik hat nun die Aufgabe, die Stamm-
bäume der verschiedenen Gruppen der Organismen wiederzugeben und mit einander
zu verbinden. Jeder Stamm begreift alle Formen, welche von einer ursprünglichen,
einfachen Stammform abstammen. Durch solche Stammbäume ist es auch nur allein
möglich, die Verwandtschaft der fossilen Fonneu mit den jetzt lebenden nachzu-
weisen ; sie nur ermöglichen, dieselben in eiu System zu bringen. Es ist unmöglich,
nur aus physikalischen, physiologischen oder mechanischen Gründen die vergleichende
Anatomie, die thierische Morphologie zu erklären , wohl aber wird dieselbe ver-
ständlich, wenn man alle diese Formen als von einer gemeinsamen Stammform
ererbte ansieht.
Wir ersehen hieraus, wie die DARWix'sche Theorie die Form in den Kreis der
natürlichen Vorgänge führt, wie sie methodisch auf den Gang der Untersuchung
wirkt, wie sie die Teleologie aus der Betrachtung lebender Wesen verbannt. Ihr
Einfluss reicht noch weiter auf andere, nicht streng zu den Naturwissenschaften
zu rechnende Gebiete. Alle Aeusserungen des Lebens, sowohl individuelle Eigen-
schaften, wie sociale und politische Einrichtungen etc. , sind dem Gesetz unter-
worfen, dass nur das leben und bestehen bleibt, was leben und bestehen kann.
Die Concurrenz der einander entgegenstehenden Einrichtungen führt einen Kampf
um's Dasein, in dem nur das Lebensfähige den Sieg behält, das Passendste leben
bleibt. Die DARWix'sche Theorie lässt die Frage, ob die materialistische oder
idealistische Weltanschauung die berechtigte sei, ganz unberührt. Sie benützt
vielmehr in streng logischer Consequenz nur die wissenschaftlichen Resultate und
Methoden, gleichviel welcher Art diese sein mögen. Aber auch sie besteht einen
Kampf, nämlich den gegen die wissenschaftliche Indolenz, die sich aus reiner
Bequemlichkeit Schranken setzt, weit ab von der Grenze eines noch gut und
auch sicher zu durchforschenden Gebietes.
Als die Hauptvertreter der DARWix'schen Theorie sind zu nennen: Hackel,
Louis Bücbxer und Karl Vogt und als deren Hauptgegner: Broxx, Gikbel
und Boxa Meyer. Alle die gegnerischen Beurtheilungen der DARWTN'schen
Lehre haben das gemeinsam, „dass sie den hypothetischen Charakter der Beweis-
führung unbeachtet lassen , während sie seine Berechtigung zugestehen."
Sydow.
DasjeSpiS (daxjes pü, holl. Dachsbarn). Bezeichnung für Hyraceum (s. d. f.
Th. Hnsemanu.
Dasymeter. Ein Apparat zur Prüfung der Festigkeit des Papieres durch
Zerreissen. Der älteste Apparat dieser Art ist das HORACK'sche Dasymeter, der
beste Apparat in dieser Richtung ist das Dasymeter von Hartig-Recsch.
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DAT1SCA. — DATTELN.
411
DcitiSCcl, Gattung der nach ihr benannten Familie. — JJatisca cannabitia L.,
eine im Mediterrangebiet heimische Pflanze vom Habitus des Hanfes, vielstengelig,
istig', kahl, mit fiederschnittigen, hellgrünen Blattern und achselständigen Blüthen-
trauben. In Italien wird Herba Datiscae arzneilich angewendet. Von der spinnbaren
Bastfaser macht man, wenigstens im Grossen, keinen Gebrauch.
Datiscaceae, Familie der Passtßorinae. Sie umfasst nur 4 , theils perenni-
nirende, theils baumartige Pflanzen, von denen 3 in den Mediterranlandern und
in Ostindien, die vierte in Mexico und Californien einheimisch ist. Charakter;
Blttthen regelmässig, diöcisch, selten zwitterig. Krone unscheinlich oder fehlend.
(5 Blttthen mit fünfblätterigem, grünlichem Perigon. Zahl der Staubgefässe ver-
schieden, öfter 5. Griffel 3 , zweitheilig. Fruchtknoten unterstandig. Frucht eine
vielsamige, meist oben offene Kapsel.
Datiscin, c21 HjS Oj j, ist ein Glykosid, welches in dem Kraut und den
Wurzeln von Datisca cannabina L. vorkommt , lange Zeit hindurch für Inulin
gehalten und zuerst von Stenhoüse (Ann. d. Chein. Pharm. 98, pag. 106) darge-
stellt wurde durch Ausziehen der Wurzeln mit Holzgeist, Concentriren der Auszüge
zum Syrup, Abscheiden der harzigen Theile durch Hiuzufügen des halben Volumens
heissen Wassers und Krystallisireulassen der klar abgegossenen Flüssigkeit ; durch
Abpressen, Auflösen in Alkohol, nochmaliges Fällen harziger Materie und Krystal-
lisireulassen bilden sich farblose, durchscheinende . weiche, seidenglänzeude Nadeln.
Blätter von neutraler Reactiou, die bei 180° schmelzen, in kaltem Wasser wenig,
in siedendem reichlicher, nur wenig iu Aether, aber sehr leicht in Alkohol löslieh
sind. Mit Alkalien und alkalischen Erden gibt es tiefgelbe Lösungen; mit Blei-
salzen und Ziunsalzen gibt es hellgelbe, mit Kupfersalzen grünliche, mit Eisen-
salzen dunkel braungrflne Niederschläge. Es schmeckt sehr bitter, liefert beim
Schmelzen mit Kali Salicylsaure , bei Einwirkung von concentrirter Salpetersäure
Oxalsäure und Pikrinsäure, und zerfällt beim Erhitzen mit verdüunten Säuren in
Zucker und Datiscetin, C,6H10O6, farblose, geschmacklose Nadeln, sehr leicht
löslich in Aether, ziemlich leicht in Alkohol und Alkalien; Usst sich fast uuzer-
setzt sublimiren. Ganawindt.
Datteln, Dactyli, Palmula, Tragemata, sind die Beerenfrüchte der Dattelpalme,
Phoenix dactilyfera L. , neben der Zwergpalme (Chamaerops humilis) die
einzige Palrae, welche dauernd in der gemässigten Zone vorkommt. Jenseits des
Atlas und in Arabien einheimisch, ist sie durch Cultur im ganzen Mittelmeergebiet
verbreitet ; in Europa besonders in Elche, Provinz Valencia, wo ein 6 — 7000 Stämme
starker Wald noch Ernte im Grossen ermöglicht. Die günstigste Breite in der alten
Welt für das Gedeihen derselben liegt innerhalb des 21).— 35.°. Das Gangesdelta
bildet im Osten, die canarischen Inseln im Westen die Grenze. In der neuen Welt
weist Westindieu und die Westküste von Südamerika cultivirte Dattelpalmen auf.
Zur Fruchtreife ist eiue mittlere Jahrestemperatur von 25 — 30° erforderlich,
weshalb die Datteln der europäischen Mittelmeerländer nicht immer zur Reife
gelangen.
Die Frucht ist elliptisch, cylindrisch oder eiförmig, je nach der Varietät, von
der sie abstammt, oft auch stumpfkautig. Etwa 4 — 8cm laug, 2 — 3cm dick,
fleischig, braungelb oder grünbraun. Das Exocarp ist häutig, beinahe durch-
scheinend , der Same länglich schmal mit fast parallelen Seiten, mit bauchseitiger
Lftngsfurche und einem oft marmorirten Endosperm. Auf die Aussenhaut folgt
eine dicke Schicht Fruchtfleisch, welche nach innen vom Kern durch eine dünne
weisse innere Fruchthaut getrennt ist, welche diesen Io9e umschliesst. Die Frucht
des Handels ist stets etwas runzelig und von ausgeschwitztem Zucker klebrig.
Die Datteln enthalten 50 — 60 Procent Glukose, ausserdem Gummi und Cumarin.
Diese Bestandtheile bedingen ihren Werth als Nahrungs- und, wenn man will,
Arzneimittel.
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412 DATTELN. — DATÜRA.
Die Datteln werden in Europa zumeist über Triest und Marseille eingeführt.
Man unterscheidet im Handel alexandrinische, berberische, Bassorah- oder per-
sische und Shax- oder tunesische Datteln. Letztere Sorte geht fast ausschliesslich
über Marseille. Alexandriner stehen am höchsten im Preise, dann folgen die
berberischen und persischen. Pr oll ins.
Nach neueren Mittheilungen von Laxderer (Zeitschr. f. landw. Gew. 1885)
gemessen die Mohammedaner geröstete Dattelkerne als Kaffeesurrogat f ,,C h a r m a d e")
und angeblich werden auch in Europa Dattelkerne zu demselben Zwecke ver-
wendet. Die Erkennung dieses Surrogates ist mit Hilfe des Mikroskopes leicht.
Die Dattelkerne (Samen) bestehen zum überwiegenden Theile aus einem bein-
harten Endosperm , in welches der Embryo gebettet ist. Die Endospermzellen
(Fig. 69, A,) sind unregelmässig rundlich , in der Verdickung sehr verschieden
(0.006 — 0.03 mm), mit in Wasser unkenntlichen Zellengrenzen, in Alkalien stark
quellend und dann deutlich geschichtet, ungefärbt, auf Celluiose reagirend.
Fig. 69.
A B C
Gewebe der Dattelkerne. A Endosperm : R Oberhaut ; 0 Parenchym der Samenschale
mit den Gerbstoffschläuchen y. Verirr. 160.
Die Samenhaut (Fig. 69, B,^ besteht aus gestreckten, annähernd rechteckigen, aber
vielfach gekrümmten, ungleichmässig verdickten und dicht von Poren durchsetzten
Zellen. Ein charakteristisches Formelement sind auch die im Parenchym reichlich
vertheilten Gerbstoffschläuche, welche durch ihre Grösse und Zarthäutigkeit, sowie
durch ihren homogenen, braunrothen Inhalt, der sich mit Eisensalzen dunkelgrün
färbt, auffallen (Fig. 69, C). J. Moeller.
Dattelpflaume ist Dwspy* 'os Lotus L. (Ebenaceae). Holz und Rinde wurden
früher als Guajacum patavinum (s. d.J wegen ihrer adstringirenden Eigen-
schaften angewendet.
Datlira, Gattung der Solanacrar, Abtheilung der Hyoscyameae , eharak-
terisirt durch die Kapselfrucht. Die Kapsel von Datura ist fachspaltig und durch
falsche Scheidewände gefächert, der Kelch röhrig und löst sich nach der Frucht-
reife mit einem ringsum laufenden Riss ab. Corolla trichterförmig mit gefaltetem
Saum. Von der nahe verwandten Gattung Hyoscyamus unterscheidet sie sich
durch die bei letzterer mit Deckel aufspringende Kapsel.
Datura Stramm oni um L.t Stechapfel, Pommeepineuse, Thorn-
appel, eine jetzt über ganz Europa, in Amerika und auch zum Theil in Afrika
verbreitete Art, ist asiatischen Ursprungs und soll aus den Gebieten um den
Kaspisee stammen. Erst im 16. Jahrhundert gelangte sie nach Deutschland nnd
Westeuropa, von Zigeunern eingeschleppt. Sie wird bei uns 0.5 bis 1 m hoch,
mit dickem, hohlen , kahlen , gabelastig verzweigten Stengel und gegenständigen
Zweigen , an denen die gestielten Blätter einzeln oder zu zweien sitzen. — S.
Strammonium.
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DATUBA. — DAUCUS.
Die Blüthen stehen einzeln aufrecht und gabelständig, der Kelch ist blassgrtin,
fiinfkantig und etwas aufgeblasen. Die fünf Lappen der wohlriechenden weissen
Blumenkrone sind in eine scharfe lange Spitze ausgezogen. Die weisse Farbe der
Krone geht oft in's Violette über, welche Spielart als D. Tatula L. in Gärten
cultivirt wird.
D. sanguinea in Peru und D. ferox in China und Cochinchina dienen zur
Bereitung berauschender Getränke. Pro 11 ins.
Datura Tatula. Die geschnittenen Blätter der Datura Tatula, mit etwas
8alpeter imprägnirt, bilden den Hauptbestand t heil der englischen Specialität „The
Datura Tatula specific for asthma".
DatuHn ist ein in Datum Strammtmium vorkommendes Alkaloid, welches
in Beinen Eigenschaften und Wirkungen mit Atropin identisch ist; vergl. A tropin,
Bd. II, pag. 4. Daturinsalze = Atropiusalze.
Daubitz'SCher Krällterliqueur, ein aromatisch-bitterer Schnaps Berliner
Provenienz, vor etwa 25 Jahren viel genannt und viel berufen, insofern er neben
Hoff's Malzextract und Jacom's Königstrank gewissermassen den Geheimmittel
schwinde! inaugurirte, ist nicht immer gleich zusammengesetzt befunden worden.
Anfänglich enthielt er viel Aloe' und Lärchenschwamm , anf Einschreiten der Ge-
sundheitspolizei ist der Gehalt daran sehr herabgemindert, zeitweise sind beide
wohl auch ganz weggelassen worden.
DaUCUS. Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Cmbelliferae,
charakterisirt durch verkehrt eiförmige Blumenblätter, mit eingebogenen Läppchen,
die äusseren Blüthen strahlend; Frucht vom Rücken zusammengedrückt, auf den
Nebenrippen mit einer einfachen Reihe von Stacheln, Thälchen einstriemig, Frucht-
träger ungetheilt.
1. Dauern Carota L., Möhre, Mohrrübe. Vogelnest (von der Form der
Fruchtdolde), Pastinak im Mittelalter (der Name ist erst später anf Pastinaca
sativa tibertragen). Ein- und zweijähriges Kraut mit gefurchtem, rauhhaarigen
Stenge), Blätter doppelt oder dreifach gefiedert, mit länglich lanzettlichen Zipfeln,
Hülle und Hüllblättchen vielblättrig, Hüllblätter dreispaltig bis fiedertheilig. Blüthen
weiss oder röthlicb, Gipfelbltithe verkümmert dunkelpurpurroth , sehr selten die
ganze Dolde so gefärbt. Wurzel der wilden Pflanze dünn, holzig, der eultivirten
dick, fleischig, nach Grösse und Farbe (roth bis gelbweiss) sehr variirend. Durch
ganz Europa, mit Ausnahme des Nordens, auf Wiesen und an Wegen gemein
und oft angebaut.
Die Wurzel dient als Nahrungsmittel und Viehfutter. Früher wurden die Früchte
der wildwachsenden Pflanze (Sein. Dauci silvestrxsj als Diureticum verwendet,
der eingedickte Saft der Wurzel als Succ. Dauci inspissatus.
Ferner wird die Wurzel Kaffeesurrogaten (Cichorie) beigemengt. Man hat bei
der Untersuchung auf die sehr engmaschigen Netzgefässe und das Fehlen der
Milchsaftschläuche zu achten, auch sind zuweilen die hellen FarbstofTkrystalle, die
mit Schwefelsäure eine blaue Lösung geben, noch zu erkennen.
Die Wurzel der rothen Varietät enthält den dunkelrothen Farbstoff Carotin
und das farblose Hydrocarotin , Zucker 10.4 Procent, Pectinsäure, Proteinstoffe.
Die eultivirte Wurzel besteht aus einer s 3 des Durchschnitts starken Rinde,
die nach innen erhebliche Lücken zeigt; sie wird gebildet von zartwandigem
Parenchym. Die Gefässbündel, von breiten Markstrahlen unterbrochen, bestehen
aus Netzgeflssen und getüpfelten Holzzellen. Bei der wilden Wurzel ist die Rinde viel
dünner und die Markstrahlen viel schwächer.
2. Daucus hispanicus Gouan. am Mittel- und atlantischen Meer und Daucus
Gingidium L. in Sicilien (letztere vielleicht nur Varietät der ersten) liefern nach
Einschnitten in den Stengel Gummiharz, das früher als si eil isches Bdellium
verwendet wurde.
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1
414 DAUCUS. — DAVY'S LAMPE.
Daucus cretensis hiess Athanianta cretensis L. (Umbelliferae) , die im mittleren
UDd südlichem Europa wachsende Augen- oder Hirschwurz. Sie ist 4, besit/.t
eine rüben förmige, mehrköpfige Wurzel, einen etwas zottigen Stengel, doppelt-
fiederschnittige Blatter, 6— 12strahlige flache Dolden mit 1— ablättriger Halle
und 4— «blätterigen Hüllchen, weisse Blttthen mit fünfzähnigem Kelchsaum und
längliche, nach oben verschmälerte, graue, weisshaarige (6 mm lange, 1 mm dicke)
Früchte mit fünf niedrigen Riefen und 2 — 3striemigen Thälchen. Diese riechen
und schmecken angenehm gewürzhaft und waren einst auch als Semen (richtig
Fructus) MyiThidis creticae in Verwendung. Hart wich,
Dauergewebe nennt man im Gegensatz zu den Meristemen oder Theilungs-
geweben alle nicht weiter durch Theüung sich vermehrenden Gewebe pflanzlicher
Organe. Die Zellen des Dauergewebes haben ihre definitive Ausbildung erlangt
und führen daher dor Regel nach kein Plasma mehr. Der Holzkörper der Holz-
pflanzen besteht z. B. aus Dauergewebe. Tschirch.
Dauerpräparate. Als Dauer präparate bezeichnet man diejenigen mikro-
skopischen Präparate, welche, um eine längere Autbewahrung zu vertragen, in beson-
derer Weise hergerichtet werden. — S. Präparate.
DauerSpOren, Ruhesporen, werden diejenigen Sporen genannt, welche erst
eine bestimmte Zeit ruhen müssen , bevor sie sich weiter entwickeln können , im
Gegensatz zu den meisten anderen Sporen, welche sofort nach ihrer Reife keim-
fähig sind. Die Dauersporen vermögen, geschützt durch ein stark entwickeltem
Exosporiuro, die ungünstige Jahreszeit zu überleben, um nach Ablauf derselben zu
keimen; sie ersetzen also in physiologischer Hinsicht die bei bestimmten Pilzen
auftretenden Dauermycelien.
Dauersporen treten bei Pilzeu aus den verschiedensten Familien auf.
Sydow.
DaVe$PS PulviS OpÜ C0mp08., gegen Diarrhöe, besteht aus 0.03 Opium
und 0.4 Älumen pro dosi.
Davids-Thee, gegen Brust- und Lungenleideu, ist ein Theegemisch verschieden-
artiger Zusammensetzung; der „echte Karolinenthaler Davids - T h e e"
soll bestehen aus gleichen Theilen Herba Centaurii min. , Hb. Hyssopi, Hb.
Ghaeropkylli aronuitici, Hb. Marrubü albi, Hb. Cardui bmed., Flores Mille-
folii und Lieben Islandicus,
DavidSOll'SChe Zahntropfen sind (nach Hager) ein Gemisch von 3 Th.
Cajeputöl und 1 Th. Nelkenöl.
Davis' Pain Killer, eine englische Specialität , ist (nach Hager) eine
Mischung aus 20 Th. Kampferspiritus, 20 Th. Capsicuratinctur und 100 Th. Guajak-
harztinetur. — Davis' Pilulae laxativae enthalten neben Aloeextract und Eisen-
vitriol viel Bilsenkrantextraet (0.05 pro Pille) und Strychn osextract. — Davis'
Chloranodyne, g. Chloranodyne.
Davy's Arsenprobe ist der Arsennachweis nach Marsh, mit der Modifi-
cation, dass das Wasserstoff- und Arsenwasserstoffgas durch Natriumamalgam ent-
wickelt wird. Aus der alkalischen Flüssigkeit wird kein Antimonwasserstoffgas
entwickelt. — S. Arsennachweis, Bd. I, pag. 581.
Davy's Lampe ist ein in Bergwerken, welche „schlagenden Wettern" aus-
gesetzt sind, gebräuchliches Grubenlicht, eine Oellampe, deren Flamme innerhalb
eines Hohlcylinders aus feinem Drahtgewebe brennt. Von aussen in diesen Cylinder
eindringende brennbare Gase entzünden sich zwar an der Flamme innerhalb des-
selben, vermögen aber das die Wärme stark ableitende Drahtgewebe nicht bis zur
Entzündungstemperatur des Gasgemenges zu erhitzeu, so dass die Verbrennung des
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DAVY'S LAMPE. — DECANTHIBEN
415
letzteren sich nicht nach aussen fortpflanzen kann. 8 Proceut Grubengag der
atmosphärischen Luft beigemengt sind schon brenubar, 20 Procent verlöschen die
Lampenflamme durch Sauerstoffentziehung, brennen aber im Cylinder fort, 30 Pro-
cent brennen nicht mehr aus Mangel an Sauerstoff. Gänge.
Dawamesk ist eiue aus Haschisch mit Butter, Zucker und Gewürzen be-
reitete Conserve.
Dax, stid französische, schon den Kömern bekanute (Aquae Tarbelicae) Thermen
bis zu 60° mit geringem Mineralgehalt , darunter hauptsächlich Chlornatriuin und
Kalksulfat.
Day'S Probe auf Eiter (im Harn) besteht im Znsatz von 1—2 Tropfen
oxydirter (alter oder mit Luft geschüttelterl Guajakharztinetnr zum Harn, wodurch
bei Anwesenheit von Eiter eine blaue Färbung eintritt.
De l'lsie, in Russland gebräuchliche Thermometerscala ; der 0° ist = 100°
Cels. und 150° De l'Isle ist gleich = 0° Cels.
DeaCOnS ChlOrprOCeSS. Die Herstellung von Chlorgas in grossen Mengen,
wie sie bei der Fabrikation des Chlorkalks gehandhabt wird. Näheres darüber ent-
halt der Artikel Chlorkalk, Bd. III, pag. 80.
Deakel, s. Diachel.
Debourze's Liqueur obstetricale istjTinctura secaiis comuti.
DebOUt'S Emulsion taenifuge, ein in Frankreich beliebtes Bandwurmmittel
ist (nach Dorvault) eine concentrirte und versüsste Emulsion von Semen Cucur-
bitae mit 3 — (> Procent Extractum Filicis maris. — Deboufs GlyCÖrole de
Chloroforme ist eine Mischung aus 1 Th. Chloroform, 1 Th. Tinctura Croci
und 50 Th. Gli/cerin.
Debreedwa Oder DeVÜdOra, das Holz oder die Rinde eines uubekannteu
Baumes aus Britisch-Guyana, angeblich gegen Impotenz wirksam.
Decandria, Name der X. Classe des LiNN'K'sehen Pflauzensvstems. Zu der-
selben gehören alle diejenigen Pflanzen, deren Blüthen 10 freie, d. h. nicht mit-
einander verwachsene Staubgefässe besitzen. Die Classe Decandria zerfällt in
folgende, sich nach der Zahl der Griffel (1 — 5) richtende Ordnungen: 1. Monogynia,
2. Digynia, 3. Trigynia, 4. Tetragynia, 5. Pentagyuia.
Decandrus oder de e andrisch (zehnmännigj wird ferner jede Blüthe ge-
naunt, welche 10 Staubgefäße besitzt (Flos decandrutt) , daher führt auch die
4. Ordnung der Classe Monadelphin und die 4. Ordnung der Classe Diadelphia
den Namen Decandria.
Decanthiren, Ab g i e s s e n, D e c a n t h a t i o, ist eine Operation, die das Ab-
scheiden einer Flüssigkeit vom Bodensatze bezweekt. Entweder ist letzterer flüssig
und schwerer, als die tiberstehende Flüssigkeit, (»der er ist fest, pulverförmig. In
diesem Falle decanthirt man auch wohl die in der Flüssigkeit schwebenden, feineren
und leiehtereu Theilcheu von den gröberen und schwereren, welche sich schneller
am Boden absetzen.
Das Abgiessen selbst geschieht entweder durch allmäligcs Neigen der Gefässe
oder in besonderen Decanthirgefässen (Kübeln, Töpfen s. d.).
Das Decanthiren wird in den Fällen angewandt, wo möglichst rasch grössere
Mengen Flüssigkeit zu entfernen sind und wo man grosse Mengen eines Körpers
schnell auszuwaschen, auszulaugen oder feinere Theile von gröberen zu trennen
hat, wie z. B. beim Schlämmen, Lävigiren.
Der Trennung von Flüssigkeiten untereinander oder von flüssigen und festen
Körpern steht dem Decanthiren das Verfahren der Scheidung durch sogenannte
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DECANTH1REN. —
DECKFARBEN.
Seheidetrichter und die Filtration, ferner das Abheben durch Stech- und Sauge-
heber, durch capillare Körper (Baumwolle u. s. w.) und das Dialysiren gegenüber.
K. Thümmel.
Decanthirtöpfe sind irdene oder porzellanene Töpfe von meist bedeutendem
Inhalt zu dem Zweck, einen Niederschlag von der darüber stehenden Flüssigkeit
durch blosses Abgiesseu (Decanthiren) ohne Filtration zu trennen. Um dieses ohne
Neigen der Töpfe zu erreichen , sind in der Wandung derselben verschiedene
Tuben in verschiedener Höhe angebracht, entweder senkrecht über einander oder
spiralig, und mit Stopfen verschlosseu. Bei der Operation des Decanthirens entfernt
man nach vollendetem Sedimentiren die Stopfeu successive, von oben beginnend.
Eine Vervollkommnung dieser Methode ist noch dadurch zu erreichen , dass man
statt des Korkes einen durchbohrten Gummistopfen verwendet, durch welchen ein
Gla,shahn geht. Dadurch wird erreicht, dass vornehmlich in deu unteren, dem
Niederschlage am nächsten befindlichen Flüssigkeitsschichten die durch das Ab-
fliessen entstehende Strömung nicht so stark wird, oder doch so geregelt werden
kann , dass ein mechanisches theilweises Mitreissen des Niederschlages nicht er-
folgen kann. Gans wind t.
Decimalwage, eine zum Abwägeu grösserer Mengen dienende Wage, bei
welcher das aufgelegte Gewicht infolge der Construction der Wage dem zehn-
fachen Gewicht der abzuwägenden Substanz entspricht. Die Decimalwagen tragen
nur den Aichstempel der Handelawagen, s. unter Wagen.
Decipilim — Symb. Dp — ist ein 1878 von M. Delafoxtaixe im Samarskit
von Nord-Carolina entdecktes Metall, dessen Atomgewicht etwa 130 beträgt und
dessen Oxyd die Formel DpO zukommt.
Deckblatt, Tragblatt (Bractea), bedeutet in der Botanik ein blattartiges
(oft auch nur schuppenförmiges) Organ, aus dessen Achsel ein Blüthenstiel oder
ein Zweig des Blütheustandes entspringt. Von den übrigen Blättern ist das Deck-
blatt durch seine Grösse und Gestalt, oft auch durch andere Färbung verschieden
(z. B. bei Tilia).
Das Decklatt ist von dem Vorblatte zu unterscheiden. Letzteres geht an den
Bltithenstielen dem Perianthium oder den Sexualorganeu in der acropetalen Ent-
wicklung unmittelbar vorauf. Oft fallen beide Begriffe für ein und dieselbe Sprossung
zusammen, indem das Vorblatt eiuer tiefer stehenden ßlüthe zum Deckblatt einer
höher stehenden wird.
In den Formenkreis der Deckblätter sind auch die Glumae der Gräser , die
Hülle (Involucrum) der Malvaceae, Dipsaceae, Umbelliferae und die Spreublättehen
fPaleae) der Compositen zu zieheu. 8 y d o w.
Deckfarben oder Gouachefarben heissen in der Malerei jene Farben, welche
den Grund, auf welchen sie aufgetragen sind, nicht durchscheinen lassen. Dadurch
unterscheiden sie sich von den Lasurfarben oder durchscheinenden Farben. Je dünner
die Schichte ist, welche nothweudig ist , um den Grund vollständig zu verdecken,
desto grösser ist die Deck kraft der Farbe.
Die Deckkraft einer Farbe ist von dem Grade ihrer Vertheilung, von der Form
und dem Durchsichtigkeitsgrad der kleinsten Theilchen und deren Lichtbrechungs-
vermögen abhängig. Je verschiedener das letztere von dem Lichtbrechungsvermögen
der zum Anreiben der Farbe benützten Flüssigkeit ist, desto grosser ist die Deck-
kraft. Bei Oelfarben ist ferner zu berücksichtigen, dass einige Farben chemische
Einwirkungen auf Oele ausüben, z. B. das Bleiweiss.
Im Allgemeinen besitzen die durch Fällung hergestellten Mineralfarben die
grösste Deckkraft. Unter den weissen Farben deckt Bleiweiss am besten.
Die Vergleichung zweier Farben hinsichtlich ihrer Deekkraft geschieht nach
Gkntele in folgender Weise:
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DECKFARBEN — DECL1 NATION.
417
Man lasst sich gehobelte Brettchen aus einerlei Holz und Farbe (am besten von
Buchenholz) anfertigen, die alle eine gleich grosse Oberfläche haben, z. B. 12 cm
lang und 7 cm breit sind. Man wägt dann genan gleiche Quantitäten jeder Farbe
ab, reibt dieselben auf einer Glastafel mit gewogenen und gleichen Quantitäten
Oel an und streicht jede Probe mit einigen Tropfen Terpentinöl auf ein Brettchen.
Dazu bedient man sich ganz kleiner Haarpinsel, die man nach dem Gebrauche
jedesmal mit Terpentinöl auswäscht. Benedikt.
Deckglä8er. Die Deckgläser werden aus dünnem, zur Zeit etwa 0.08 — 0.3 mm
dickem Glase in quadratischer, rechteckiger oder kreisrunder Form ausgeschnitten
nnd dienen dazu, um das der mikroskopischen Beobachtung zu unterwerfende, in
der Regel in einer Flüssigkeit liegende Präparat einzudecken und so die Berüh-
rung der Vorderlinse des Objectivsystems mit der Einschlussflttssigkeit oder das
Beschlagen durch Verdunstung zu verhindern. Die Grösse der Deckglaser schwankt
in der Regel zwischen 10 — 20 mm Durchmesser — grössere Deckgläser werden
Eur für besondere Fälle angewendet — und richtet sich nach der Grösse des
m beobachtenden Gegenstandes, sollte aber immer lieber etwas zu gross, als zu
knapp genommen werden. Die Dicke wird theils durch die Beschaffenheit des
Präparates, theils durch den Arbeitsabstand des Objeetives und bei stärkeren
Objectiven durch deren Orrection , welche für eine bestimmte Dicke ausgeführt
nnd von den optischen Werkstätten in Bruchtheilen des 0.1 mm angegeben zu
werden pflegt, bestimmt.
Zarte, schon unter geringem Drucke leidende Objecto verlangen die Anwen-
dung dünner Deckgläser, welche auch durch einen kleinen Ärbeitsabstand der an-
gewendeten Objective geboten wird. Sind stärkere Objective für eine bestimmte
Deckglasdieke corrigirt, so sind grössere, «Iber wenig Hunderttheile des Millimeters
hinausgehende Abweichungen von dieser Deckglasdicke zu vermeiden , wenn das
betreffende Objectiv nicht etwa eine Correctionsvorrichtung besitzt, vermöge der
die Ausgleichung auch etwas grösserer Dickenverschiedenheiten ermöglicht wird.
Um Zeit zu ersparen , hält man sich die für die stärkeren Objectiv Systeme be-
stimmten Deckgläschen nach Dicken sortirt, nachdem man diese mittelst eines so-
genannten Deckglastasters ermittelt hat. Dippol.
DeCkpapp = Reservage.
Declination oder Abweichung eines Sternes bedeutet die senkrechte Höhe
desselben über (nördliche oder 4- Declination) oder unter (südliche oder — De-
clination) dem Aequator des Himmelsgewölbes, welche zur Polhöhle (Abstand des
Sternes von einem der Pole) addirt, stets einen Viertelkreis oder 90° des De-
el i n a t i o n s- oder Stundenkreises bildet, welcher die senkrecht durch den Stern
auf den Himmelsäquator gelegte Ebene begrenzt, was für die Hiramelskugel das-
selbe bedeutet wie für die Erde, die Meridiane. — Declinationskreis heisst
auch am Aequatorialinstrumente, einem Teleskop der Sternwarte, der auf dem Himmels-
äquator senkrecht stehende Kreis mit G radein theil ung , auf welchem je nach der
Neigung des Tubus die Declination eines Sternes gemessen wird, sobald das Bild
desselbeu genau in den Schnittpunkt des Fadenkreuzes im Gesichtfelde eingestellt
war. — Magnetische Declination heisst die horizontale Abweichung der
magnetischen Meridiane von den geographischen Meridianen, welche daher kommt,
dass die beiden Pole , d. h. die Kraftcentren des Erdmagnetismus nicht auf der
geographischen Erdaxe liegen. Ihre Lage im Innern der Erde ist unbekannt. Die
Richtung der durch dieselben gehenden Axe kann an den beiden von derselben
getroffenen Punkten der Erdoberfläche durch die verticale Stellung der Magnet-
nadel (I n c 1 i n a t i o n, s. d. ) gefunden werden. Dieser eine Punkt dem magnetischen
Nordpole gegenüber liegt in Nordamerika westlich der Hudsonsbai, der andere
dem Südpole gegenüber in der südlichen arktischen Zone. Die auf deu Decli-
uationskarten verzeichneten magnetischen Meridiane oder I s o g o n e n , d. h.
Real-Encyclopädle der ges. Pharmacie. III. 27
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■118
DECLINATION. — DECOCTA.
die Linien von gleicher Declination, bilden unsymmetrisch auf der Erde vertheilte
Cnrven von keineswegs constanter Beschaffenheit , sondern verändern ihre Lage
mit den in der Richtung und Intensität schwankenden magnetischen Strömen im
Erdinnern. Der Nordpol des Erdmaguetismus stösst den Nordpol der Magnetnadel
ab und zieht den Südpol derselben an, der Südpol des Erdmagnetismus verhält
sich gegen die beiden letzteren entgegengesetzt. Daraus folgt an jedem Punkte
der Erde eine bestimmte Einstellung der Magnetnadel parallel dem durch den-
selben gehenden, magnetischen Meridiane. In einem, in den geographischen Meri-
dian eingestellten Coropass, dessen Durchmesser durch 0°, also nach Norden ge-
richtet ist, zeigt daher die Ablenkung der Magnetnadel stets den Winkel der
Declination. In Europa, Afrika und auf dem atlantischen Ocean decünirt die
Magnetnadel westlich, ebenso in einem kleinen Theile von Ostasien, auf der übrigen
Erde östlich. Gänge.
DeCOCta (von decoquere, abkochen). Abkochungen nennt man in der Siede-
hitze bereitete Auszüge aus Vegetabilien, die zu Heilzwecken bestimmt sind. Sie
werden, zum Unterschiede von den in ähnlicher Weise hergestellten Infusen oder
Aufgüssen in der Weise bereitet, dass man die zur Abkochung bestimmten Ingre-
dientien mit dem kalten Ausziehungsmittol (Menstruum) übergiesst und in einem
geeigneten Gefässe , der Infundirbüchse oder Decoctpfanne, im Wasserbade , bis-
weilen auch auf freiem Feuer während einer halben Stunde den Dämpfen des
siedenden Wassers aussetzt oder andernfalls während der genannten Zeit in be-
ständigem Sieden erhält und den so gewonnenen Auszug noch heiss von den er-
schöpften Vegetabilien abpresst (colirt). In der Regel werden Decocte bei solchen
Vegetabilien vorgeschrieben, deren wirksame Bestandtheile schwieriger löslich sind
und der Gefahr der Verflüchtigung weniger unterliegen. Als Menstrnnm dient fast
immer das Wasser ; in gewissen Fällen, wie bei Decoctum Ghinae, wird ein Säure-
zusatz znm Wasser verordnet, um möglichst viel von den Chinaalkaloiden in die
Abkochung überzuführen. Derartige Decocte müssen in Porzellangeßlssen bereitet
werden. Gewisse Ingredientien , so z. B. Cortex radicis Granati, werden durch
Kochen mit Wasser allein nur unvollkommen erschöpft ; in viel vollkommenerem
Maasse ist dies der Fall, wenn man dieselben vor dem Abkochen mit etwas Spiritus
durchfeuchtet und womöglich kurze Zeit damit stehen lässt. Was den Concentra-
tionsgrad der Abkochung anbelangt, so wird derselbe im einzelnen Falle von dem
Arzte vorgeschrieben. Wo dies nicht der Fall ist, da sind die Decocte, sofern die
Ingredientien nicht starkwirkender Natur sind , in dem Verhältniss zu bereiten,
dass auf 1 Th. Substanz 10 Th. Decoct gewonnen werden. Die erste Auflage
der deutschen Pharmakopoe hatte ausser diesem für gewöhnliche Decocte normirten
Verhältniss noch concentrirte und höchst conceutrirte Decocte aufgenommen und
für die ersteren vorgeschrieben, dass auf je 10 Th. 1.5 Th. und für letztere auf
die gleiche Menge 2 Th. Substanz zu nehmen sind.
Bisweilen wird zu den Decocten noch ein Zusatz von Stoffen verordnet, die
besser durch Infusion ausgezogen werden. Diese Substanzen werden dann erst
gegen Ende der Abkochung zugesetzt. Auszüge, welche auf diese Art bereitet
sind, werden als Decocto-Infusa bezeichnet. Finden sehr harte, holzige Drogen
Verwendung zu einem Decoct , so werden dieselben häufig vor der wirklichen
Decoctbereitung mehrere Stunden bei gewöhnlicher Temperatur macerirt oder
bei 50 — 60° digerirt, um die Droge aufzuquellen (Macera tions-Decoct,
Digest ions-Decoct).
Als Gefilsse zur Herstellung der Decocte dienen in der Regel besondere, zu dem
in den pharmaceutischen Laboratorien gehaltenen Dampfapparat passende Einsatzge-
filsse, die man gewöhnlich „IufundirbUchsen" nennt. Dieselben sind aus reinem Zinn,
für gewisse Fälle aus Porzellan gefertigt und passen mittelst eines am oberen
Theile angebrachten Verdichtungsringes so in die Oeffnung des Dampfkessels, dass
etwa s, t des ganzen Gefässes von dem Wasserdampf umgeben werden. Um auch
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DECOCTA. — DECOCTÜM FOWLERI. 419
die Decocte zur Nachtzeit oder, wenn der Dampfapparat gerade nicht geheizt ist,
nach Vorschrift im Dampfe bereiten zu können, hat man bisweilen kleinere, mit
Spiritus oder Gas heizbare Wasserbäder, sogenannte „Decoctorien" in der Officin
angebracht, die zur Aufnahme von einer oder mehreren der oben als Infundir-
btichsen beschriebenen Qeftsse eingerichtet sind. In einigen Lfindern, wie z. B. in
Baden ist das Vorhandensein eines solchen Decoctoriums in den Apotheken gesetz-
lich vorgeschrieben. Sehr geeignet für diesen Zweck sind die Wasserbftder mit
constantem Niveau, da bei ihnen nur eine ganz niedere Wasserschichte im Kochen
erhalten zu werden braucht, so dass man schon in kurzer Zeit über ein volles
Dampfbad verfügt
Zur Trennung des Decoctes von den erschöpften Vegctabilien bedient man sich
der Colirtflchor, die bisweilen durch Decoctseiher ersetzt werden können. Sind
relativ viel Vegetabilien zu einem Decoct verwendet worden, so gelingt die gründ-
liche Trennung des Auszuges nur durch Anwendung einer Presse.
Eine besondere Art von Decoct ist das Decoetum Salep , das richtiger als
Mucilago Salep bezeichnet wird. Bei ihm bleibt das zur Herstellung verwendete
Saleppulver in der Flüssigkeit. Es ist mehr eine Art Kleister als eiu Decoct und
wird am besten in dem zur Dispensation bestimmten Glase bereitet, indem man
1 Th. trockenes Saleppulver in dem Glase mit 10 Tb. kalten Wassers zusammen
schüttelt und dann so rasch als möglich 90 Th. kochendes Wasser hinzufügt und
das Ganze bis zum Erkalten schüttelt. Holdermann.
DeCOCtum albUm Sydenhami (Apozeme blanc). Je 15 Th. Comu Cervi
raup, und Mica Panis albi werden mit 1000 Th. Aqua zu 700 Th. Colatur ein-
gekocht und in derselben 7l , Th. Gummi arabicum und 15 Th. Saccbarum ge-
löst. Dem Apozeme blanc der Ph. Gall. wird noch 1 Procent Aqua Aurantii
flor. beigemischt.
DeCOCtum AloäS Compositum. Je 3 Th. Aloe, Myrrha, C) 'ocus und
Kalium carbonicum und 12 Th. Saccus Liquiritiae werden mit so viel als nöthig
Wasser zu 300 Th. Colatur gekocht uud dieser 25 Th. Tinct. Cardamomi hin-
zugegeben.
DeCOCtum antihydrOpiCUm Dr. Maxa. Aus 23 Th. Radix Ononidis und
1 a Th. Folia Digitalis wird mit 200 Th. Wasser eiu Decocto- Infusum bereitet;
in diesem werden je 5 Th. Extractum Gratiolae und Nitrum gelöst und dann
noch 20 Th. Oxymel Scillae hinzugefügt.
DeCOCtUm Avenae LOVeH. 40 Th. Avena exeorticata und 5 Th. Liynum
Santali rubri werden mit so viel als nöthig Wasser zu 500 Th. Colalnr gekocht
und in dieser 3 Th. Nitrum und 12 Th. Saccharum gelöst.
DeCOCtum Chinae faCtitilim, eine merkwürdige Verirrung der früheren
Pharm, pauperum Berolin., wurde bereitet aus Cortex Hippocastaui, Cortex Salicis,
Kadix Gentianac. Radix Calami und Radix Caryophyllatae.
DeCOCtum CryStaliorum der früheren Ph. Hannov. ist eiue Auflösung von
5 Th. Tartarus depuratus iu 445 Th. Aqua fervida mit einem Zusatz vou 50 Th.
Syrupus Rubi Jdaei.
DeCOCtUm FeltZÜ, Tisaue de Feltz. 60 Th. Radix Sarsaparilla* , 7»/a Th.
Ichthyocolla und 80 Th. Stibium sulfuratum niyrum laeviyatum (letzteres in ein
Leinwatidafickchen eingenäht} werden mit 2000 Tb. Wasser zu 1000 Th. Colatur
gekocht.
DeCOCtUm FOWleH ist eine Abkochung von 35 Th. Folia Nirotianae mit
go viel als nöthig Wasser zu 280 Th. Colatur. welcher 70 Th. eines 70proeentigen
Spiritus hinzugefügt werdeu.
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420
DECOCTUM FRANGULAE. —
1)EC< ICTUM SARSAPARILLAE,
Decoctum Frangulae concentratum. 1 Th. Cortex Frangulae wird mit
4 Th. Wasser auf 2 Th. Colatur eingekocht. Man setzt dem Decoct, um es halt-
barer und wohlschmeckender zu machen, etwas Cognac oder Pomeranzentinctur zu.
DeCOCtlim Granati. AU Baudwurmmittel : 60 g Cortex radicis Granati
werden mit 720 g Wasser zwölf Stunden macerirt, dann zu 240 g Colatur einge-
kocht. — Nach Küchexmeister werden 180 g Cortex rad. Granati mit 1000 g
Wasser 24 Stunden macerirt und zu 180 g Colatur eingekocht. — Nach Walden-
burg werden 30 g Cortex rad. Granati mit 300 g Wasser zwölf Stunden macerirt,
zu 240 g Colatur eingekocht und dieser 30 g Syrup. Zingiberis hinzugefügt. —
Nach Richter werden 60 g Cortex rad. Granati mit 600 g Wasser eine Nacht
hindurch macerirt und dann zu 300 g eingekocht ; mit der erkalteten Colatur werden
30g Oleum Ricini und log Gummi Arabicum zur Emulsion gemacht. — Nach
Mosler werden 50 g Cortex rad. Granati mit 500 g Wasser zu 250 g Colatur
gekocht, mit 2 g Extractum Filicis, 2 g Gummi Arabicum zur Emulsion gemacht
und dieser noch 30 g Syrupus Menthae piper. hinzugefügt. — Nach Bloch werden
140 g Cortex rad. Granati mit 800 g Wasser zu 250 g Colatur gekocht, mit der
Colatur werden 25 g Flores Koso infundirt und der nochmals durchgeseihten Flüssig-
keit 50 g Alkohol zugemischt.
DeCOCtum Pini VillOSUm HoffmannL 35 g Turiones Pini werden mit
400 g Wasser zu 150g eingekocht; der Colatur werden 200g Vitium aibum bei-
gemischt, nach 24stündiger Digestion wird filtrirt.
DeCOCtum Pollini. Nach der früheren Ph. Austr. wurden 75 g Putamen
nucutn Juglandis, je 15 g Radix Sarsapanllae und Radix Ckinae , je 7'2g
Lapis Pumicis pule, und Stibium sulfuratum nigrum (diese beiden Substanzen
in ein Leinwandsackchen eingenäht) mit 1000 g Wasser zu 350 g Colatur einge-
kocht. — In vielen Officinen gilt dagegen folgende Vorschrift : 30 g Radix Sarsa-
parillae, 25 g Lignum Guajaci, 8 g Cortex nueum Juglandis und 21 2g Stibium
sulfur. nigrum laevig. werden mit 1000g Wasser auf 700g eingekocht und der
Colatur je 30 g Aqua Cinnamomi und Syrup. Aurantii cort. zugesetzt.
DeCOCtum pUrificanS St. MaHae. Aus 100 g Radix Sarsaparillae und
10 g Radix Liquiritiae werden 200 g Decoeto-Iufusum bereitet.
DeCOCtum QuerCUS aiuminatUm. Zu 60 Th. Decoctum Quercus «mit
4 Th. Cortex Quercus bereitet) werden 1 Th. Alumen pulver. und 4 Th. Syrupus
simplex gegeben.
DeCOCtum Sarsae COmpOSitUS (Ph. Brit.). 150 g Radix Sarsaparillae,
je 15g Lignum Guajaci, Lignum Sassafras und Radix Liquiritiae , 7*ag
Cortex Mezerei mit 1500 g Wasser eine Stunde lang zu digeriren, dann 10 Mi-
nuten lang zu kochen.
DeCOCtum Sarsaparillae Compositum (Decoctum Zittmanni). Während in
früheren deutscheu Pharmakopoen die Vorschrift zu diesem Decocte der Magistral-
formel von Decoctum Zittmanni vollständig entsprach, hat dieselbe in neuerer
Zeit eine ziemliche Vereinfachung und Abruudung in den Gewichtsmengen erfahren.
Pharm. Germ. I. gab einem so vereinfachten Decoctum Sarsaparillae comp, noch das
Synonym Decoctum Zittmanni und bestimmte in einer Anmerkung, dass den Species
Calomel und Zinnober in dem Falle beizufügen sei, wenn der Arzt ausdrücklich
„Decoctum Zittmanni" verordnet habe; in Pharm. Germ. II. ist aber von dem
ursprünglichen Decoctum Zittmanui, auf welches der einstige grosse Kuf des Mittels
doch zurückzuführen ist, gar nicht mehr die Rede.
Pharm. Austr. führt als Hauptnamen Decoctum Zittmanni und als Synonym
Decoctum Sarsaparillae comp., die von ihr gegebene Vorschrift entspricht auch ziem-
lich der alten Magntralforuiel und lautet: a) D. Z. fortiU8. 20g Radix Sarsa-
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DECOCTÜM SARSAPARILLAE. — DECREP1T1REN.
421
parillae werden mit der nöthigen Menge Wasser 24 Stunden lang digerirt, dann
(in ein Leinwandsäckchen eingenäht) 1 g Saccharum pulv. , 1 g Aluinen pulv.,
0.8g Calomel und 0.2g Zinnober hinzugegeben und 2 Stunden hindurch gekocht;
gegen das Ende der Kochung füge man noch 0.8 g Früchts Anisi vulg., 0.8 g
Fructus Foeniculi, 5 g Folia Sennae und 2.5 g Radix Liquiritiae hinzu, presse
aus, colire und bringe die Colatur auf 500g. — b) 0. Z. ItlitiuS. Die rück-
ständigen Species des starken Decocts und 10 g Radix Sarsaparillae werden
mit der nöthigen Menge Wasser zwei Stunden lang gekocht; gegen das Ende
der Kochung füge man je 0.5 g Cortex Citri, Semen Cardamomi, Cortex Cinnamomi
und Radix Liquiritiae hinzu, presse aus, colire und bringe die Colatur auf 500 g.
Die Vorschrift der Pharm. Germ, zu Decoctum Sarsaparillae compositum lautet :
a) fortillS. 100 g Radix Sarsaparillae sind mit 2600 g Wasser 24 Stunden
lang zu digeriren, dann nach Zusatz von je 5 g Saccharum und Alumen in einem
bedeckten Gefäss unter öfterem Umrühren drei Stunden lang der Hitze des siedenden
Wasserbades auszusetzen ; hierauf werden je 5 g Fructus Anisi und Fr actus
Foeniculi, 25g Folia Sennae und 10g Radix Liquiritiae zugegeben, noch
\i Stunde digerirt und schliesslich unter Auspressen colirt. Nach dem Absetzen
und Abgiessen wird das Gewicht der Colatur durch Wasserzusatz auf 2500 g ge-
bracht. — b) mltius. 50 g Radix Sarsaparillae behandelt man wie vorher
mit 2600 g Wasser, gibt je 5 g Cortex Citri, Cortex Cinnamomi, Semen Ca r da-
momi, Radix Liquiritiae hinzu, digerirt noch 1 4 Stuude, presst dann aus, lässt
absetzen und bringt die abgegossene Flüssigkeit auf 2500 g.
Dem Decoctum Sarsaparillae compos., beziehungsweise Decoctum Zittmanni ähn-
liche Präparate sind das Decoctum Passerini, D. Salvadori, D. Vinache u. s. w. ;
dagegen ähneln Decoctum antisyphiliticuni Arnoud, D. antisyphil. Astruc, D. Lissa-
bonnense u. a. mehr dem Decoctum Pollini (s. d.), insofern die Abkochungen
unter Zusatz von Stibium sulfuratum nigrum gemacht werden.
Decoctum Smythii. 30 g Radix Sarsaparillae, je 15 g Antimoniutn cru-
dum , Lapis Pumicis und Terra sigillata alba und 5 g Cornu Cervi ustum
(diese vier Substanzen in ein leinenes Säckchen eingebunden) werden mit 700 g Wasser
zu 350 g Colatur gekocht.
D6C0CtUm SOlveilS. Je 15 g Radix Cichorii und Radix 1 'araxaci werden
mit 300 g Wasser zu 250 g Colatur gekocht.
DeCOCtum SUdorifiCUm (Apozenie sudorifique Ph. Gall.). 60 g Lignum
Guajaci und 30 g Radix Sarsaparillae werden mit der nöthigen Menge Wasser
eine Stunde lang gekocht und nach Zusatz von 10 g Lignum Sassafras und 20 g
Radix Liquiritiae noch zwei Stuuden lang digerirt; die Colatur betrage 1000g.
DeCOCtum Zittmanni, s. Decoctum Sarsaparillae compositum.
«
G. Hofmann.
Üecrepitiren (Verknistern). Beim Erhitzen mancher Salze, wie z. B. des Chlor-
natriums, des Kalisalpeters, Chlorsäuren Kaliums und Bleinttrats in Krystallen zer-
springen dieselben und werden einzelne Bruchstückchen oft auf ziemliche Ent-
fernungen umhergesehleudert. Es rührt diese von einem deutlieh wahrnehmbaren
Knistern begleitete Erscheinung davon her, das* das in der von den Krystallen
eingeschlossenen Mutterlauge enthaltene Wasser (Decrcpitationswassen sich in
Dampf verwandelt, und dass der Dampfdruck die Krystalle zersprengt. Das Ver-
knistern ist besonders lebhaft beim raschen Erhitzen grösserer Krystalle. Will man
einen dadurch bedingten Verlust vermeiden, so ist das betreffende Salz fein zu
zerreiben und vor dem stärkeren Erhitzen bei eiuer 100° nicht überschreitenden
Temperatur vollständig auszutrocknen.
Steinsalz , welches in kleinen Hohlräumen eingeschlossenes , stark coniprimirtes
Gas enthält, lässt beim Auflösen in Wasser Verknistemngsgerä tisch wahrnehmen
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422 DECREP1TIREN. - DEFÄCATION.
(Knistersalz ; das Gas des Knistersalzes von Wielicka enthält nach BüXSKX
84 Proeent Methan, reichlich 10 Procent Stickstofl" und kleine Mengen von Kohlen-
dioxyd und Sauerstoff) • sobald die die Hohlräume verschließenden Salzwände durch
Auflösung erheblich geschwächt sind, werden sie durch den Druck des einge-
schlossenen Gases zersprengt.
Auch zahlreiche andere Mineralien enthalten in bisweilen sehr grossen, meist
aber mikroskopischen Hohlräumen Wasser und Salzlösungen (z. B. Quarz- und
Feldspathe), Luft oder flüssige Kohlensäure (z. B. im Bergkrystall, Topas und in
einem Pyrit von Coshan l'opper Mine bei Seull Harboor [Connty Com]) eingeschlossen,
welche beim Erhitzen, beim genannten Pyrit bisweilen schon bei 24°, in Folge ihrer
Ausdehnung und Vergasuug und des dadurch bedingten starken Druckes Decre-
pitiren veranlassen.
Letzteres kann endlich bei Mineralien mit blätterigem oder spathigem Gefüge
auch durch ungleichmäßige Ausdehnung der Mineraltheilchen beim Erhitzen ver-
ursacht werden. Ulbricht.
DeCUDitUS. Druckbrand oder Durchliegen nennt man die brandige
Zerstörung der Haut, die bei schweren Krankheiten an jenen Stellen vorkommt,
welche fortwährendem Drucke ausgesetzt sind. Je weniger Weichtheile zwischen
Haut und Knochen sich befinden, desto leichter kommt es zum Druckbraud; doch
bleiben auch Personen mit ausgiebigem Fettpolster nicht immer verschont. Die
Ursache des Decubitus liegt wahrscheinlich darin , dass durch den fortwährenden
Druck die Circulation in deu gedrückten Theilen zu träge wird und in Folge
dessen die mangelhaft ernährten Hantfitellen absterben.
Decussirt. Sind alternirende Quirle zweigliederig, d. h. sind gegenständige
Aeste, Blätter und Blüthenstiele an den zugehörigen Hauptaxen so übereinander-
gestellt, dass das obere Paar genau über die Lücken des zunächst unteren Paares
zu stehen kommt, wodurch sie, von oben oder unten betrachtet , vier im Kreuze
steheude Reihen bilden, so nennt man die Stellung der Glieder decussirt. (Nicht zu
verwechseln mit crueuttuft, gekreuzt, kreuzständig). Sydovr.
Dedoublement nennt man das Auftreten von zwei Blattorganen, wo eigent-
lich nur eines stehen raüsste. Es kanu dies sowohl als Monstrosität nur in ver-
einzelten Fällen bei einer Art oder Gattung (vierblätterige Kleeblätter), als auch
als regelmässige Bilduog bei ganzen Familien und Gattungen, sowie einzelnen
Arten vorkommen. So sind die Blüthenkreise bei Butomus umbcllatu* L. drei-
theilig. An Stelle eines jeden Staubgefässes des äusseren der beiden Staubgefäss-
kreise stehen jedoch in Folge von Dedoublement zwei paarweise beisammen , so
dass also im Ganzen neun Staubgefässe vorhanden sind. c. Mylius.
DefäCaÜOn ist die Entle erung des Kothes aus dem Mastdarm durch die
peristaltischen Darmbewegungen unter Beihilfe der Bauchpresse und eines Muskels,
welcher den Mastdarm umgibt nud den Beckenausgang abschliesst (Musculus
hiotor ani). Der Sehliessmuskel des Afters erschlafft bei Beginn der Defäcation.
Gewöhnlich wird durch die Anstrengung der Bauchpresse zuerst der Harn aus der
Blase entleert ; nur weun durch besonders kräftige Peristaltik die Kothsäule sehr
tief hinabgedrückt ist, übt diese einen solchen Druck auf die zwischen Mastdarm
und oberen Theil der Harnröhre gelegene Vorsteherdrüse (Prostata), dass die
Harnröhre dadurch verschlossen und der Harn erst am Schlüsse der Defäcation
entleert wird. Der Wille allein ist selten im Stande eine Defäcation zu veran-
lassen. Bei gesunden Menschen tritt die Kotheutleerung gewöhnlich regelmässig
alle 24 Stuuden einmal ein. Wahrscheinlich üben die Kothmaasen selbst den Beiz
zur Auslösuug von Contraetioneu in den Muskeln, welche bei der Defäcation mit-
hellen, und es bleibt die Frage, warum dieser Reiz alle 24 Stunden einmal aus-
geübt wird. Die Ursache davon könnte sein: erstens eine bestimmte Menge des
in dem unteren Darmabsehnitte angesammelten Kothes und da regelmässig lebende
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I
DEFÄCATION. — DEFECT.
423
Menschen in je 24 Stunden ziemlich gleich grosse Nahrungsquantitäten aufnehmen und
verdauen, so würde auch nach je 24 Stunden die erforderliche Kothmenge erreicht sein.
Zweitens könnte möglicher Weise nicht blos die Kothmenge, sondern auch ein bestimmter
Flnlnissgrad derselben als Reiz zum Auslösen der nöthigen Muskelkräfte erforder-
lieh sein. Die Fäulniss geht unter dem Einflüsse organischer Fäulniaserreger vor
sich — im Rothe findet man ja zahllose verschiedenen Arten angehörende
Bacterien. Die Annahme, dass eine Vegetationsperiode der hier in Betracht
kommenden Fäulnisserreger (bei Körpertemperatur) 24 Stunden beträgt, hat nichts
Unwahrscheinliches und so wäre es verständlich, warum der Inhalt der untersten
Darmabschnitte einmal in 24 Stunden einen Reiz ausübt, welcher der zu seiner
Fortschaffung auszulösenden Muskelkraft adäquat ist. — S. auch Diarrhoe,
ß* ~' M. Mö)|ler.
Defect ist ein Ausdruck, mit welchem der Pharmaceut einen durchaus anderen
Begriff verbindet , als sonst Uebung ist ; denn während man sich dieses Wortes
als Substantiv zu bedienen pflegt , um einen qualitativen Mangel materieller
oder ideeller Art zu bezeichnen , versteht der Apotheker darunter die Gesaramt-
heit der in einem bestimmten Zeitpunkt in seinem Geschäft quantitativ nicht
mehr für lange ausreichenden Verbrauchsgegenstände, und während im gewöhnlichen
Leben das adjectivische Fremdwort „defect" einen Zustand der Beschädigung an-
deuten soll, meint der Pharmaceut damit,' dass der betreffende Gegenstand in einer
nur noch für kurze Zeit ausreichendeu Menge vorhanden sei. Ein völliges Fehlen
oder „Defectsein" eines Artikels wird in einem gut geleiteten Apothekengeschäfte
nur höchst selten vorkommen können, weil es eben Sache des Personals ist, bei
Zeiten auf den gesunkenen Stand des Vorraths aufmerksam zu machen, worauf
die Beseitigung des Defectes, also die Wiedererneueruug der Vorräthe in der ge-
eigneten Weise erfolgen muss, wenn nicht etwa nur die Aufnahmsbehälter der
Offiein allein leer gebraucht sind und einfach in den Vorratbsräumen wieder auf-
gefüllt werden, nachdem sie der Receptar an einen besonderen, hierzu bestimmten
Platz, oder wie der technische Ausdruck lautet, auf den „Defect", scilicet Defect-
platz, gestellt hatte. In vjelen und nicht den weniger gut geführten Apotheken
wird dieses Geschäft des „Kinfassens" der defect gewordenen Artikel durch den
Leiter der Apotheke selbst besorgt oder überwacht, weil eben dann die grösste
Sicherheit geboten ist , dass es zu einem eigentlichen Defectwerden , zu einem
völligen Fehlen der Vorräthe nie kommen wird, sondern rechtzeitige Erneuerung
erfolgt.
Dieses geschieht durch Bestellung der durch den Handel bezogenen Artikel
einerseits, durch Darstellung der Präparate im Laboratorium andererseits. Ist in
einem Geschäfte die letztere Aufgabe einem bestimmten Pharmaceuten ausschliess-
lich für kürzere oder längere Zeit Übertragen, so bezeichnet man ihn als Defeetar
für die Dauer dieser besonderen Function.
Eine streng durchgeführte Treunung der Defectur von der Reeeptur ist natür-
lich nur bei grösserem Personal möglich. Sie hat ihre Vortheile und ihre Nach-
theile. Die ersteren liegen in der Ausbildung einer grösseren technischen Fertig-
keit und in der Erwerbung eines besseren Ueberblieks über die Gesammtheit der
zu lösenden Aufgabe, die letzteren in einer gewissen Einseitigkeit der erworbenen
Fertigkeiten und in der Schwierigkeit der gegenseitigen Vertretung der Assistenten.
Ein monatlicher Functionswechsel zwischen Receptar und Defeetar dürfte geeignet
sein , die Nachtheile auszuschliessen und die Vortheile zu bewahren , ausserdem
aber jedem Assistenten die doch höchst wüusehenswerthe Gelegenheit bieten, sich
alle zur späteren, selbstständigen Geschäftsleitung erforderlichen praktischen
Kenntnisse mit Sicherheit zu erwerben. Zu den Functionen des Defectars gehört
in der Regel auch das Auffüllen der leer gewordenen Gefässe der Offiein.
Ergibt sich hierdurch auch in den grösseren Vorrathsbehältern ein Defect . so
wird derselbe notirt, wozu die Defect tafel, eine in den Vorrathsräumen be-
findliche einfache Schiefertafel, dient. Ist der Apothekenbesitzer nicht ganz altein
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424
DEFECT. — DEFERVESCEXZ.
oder besorgt er das Einfassen nicht selbst, so ist eine tägliche Durchsicht der
Defecttafel am Platze, um zu erfahren, ob ein Artikel „stark defect", d. h. nur
noch in sehr unzulänglicher Menge vorhanden ist, und um zugleich eine 8cheidung
vorzunehmen in solche Artikel, welche eingekauft und in solche, welehe im Labora-
torium, etwa auch in der Stosskammer selbst hergestellt und deshalb auf die in
diesen Räumen befind liehen Defecttafeln notirt werden. Ein Dofectbuch wird
gewöhnlich nur für die letztere Gruppe von Artikeln, also fllr dio selbst bereite-
ten, geführt , obgleich eine Ausdehnung solcher Einträge auch auf die gekauften
Gegenstände von grösstem Nutzen und dem einfachen Aufbewahren der zusammen-
gehefteten Facturen bei weitem und schon der damit verbundenen Möglichkeit der
alphabetischen Anordnung wegen vorzuziehen ist. Während das eigentliche, wohl
auch als Laboratorium sjourual oder Elaborations buch bezeichnete
Defectbueh in chronologischer Anordnung die hergestellten Präparate nach Art,
Gewicht , sowie Menge der verwendeten Ingredienzen und erzielten Ausbeute auf-
führt, so dass ein Nachschlagen nur durch kürzeres oder längeres Durchblättern
geschehen kann, wird in einem allgemeinen Defectbueh jeder einzelne in der Apo-
theke geführte Verbrauchsartikel seiue bestimmte Seite oder Seitenzahl an der be-
treffenden Stelle des Alphabets ein- für allemal zugewiesen erhalten. Man ist mit-
hin, wenn es sieh um Erneuerung eines Vorrathes handelt, in der angenehmen
Lage, ohne jeden Zeitverlust sofort uachsehen zu können, wie lange eine bestimmte
bezogene oder bereitete Menge des in Frage kommenden Artikels dem Bedarfe
genügt hat, auf welchem Wege, woher, zu welchem Preise sie beschafft war. Be-
züglich der selbsthergestellten Präparate wird ein solches allgemeines Defectbueh
nur Datum und Quantum, daneben aber deu Hiuweis auf die Seite des Elabora-
tionsbuches zu euthalten haben , in welchem letzteren dann die obeu erwähnten
Einzelheiten zu linden sind.
Seit mit dem Zurücktreten der früheren, in bestimmtem Sinue syntheti riehen
Thätigkeit des phannaceutischen Laboratoriums die analytische, prüfende für die
zahlreichen dem Handel entnommenen chemischen, sowie für einzelne pharmazeu-
tische Präparate in den Vordergrund getreten ist , scheint die Führung eines
besonderen Prtifungsbuches oder, wie man solches mit wenig Glück auch
getauft hat, eines R e visionsjournales sehr am Platze zu sein, worin in
chronologischer Reihenfolge die Ergebnisse der Untersuchung eingekaufter Artikel
aufgezeichnet und besondere, dabei gemachte Beobachtungen und Erfahrungen
erwähnt werden. Auch auf dieses Prttfungsbuch kann das Hauptdefectbuch bei den
einzeluen Einträgen durch Angabe der betreffenden Seitenzahl hinweisen. Absolut
nothwendig ist ein solcher Hinweis auf die Seitenzahl anderer Bücher im allge-
meinen Defeetbuche dann nicht, wenn in deu erste ren , ebenso gut wie in dem
letzteren die genauen Datumangaben nicht fehlen, weil sich ja dann die Stelle, au
welcher in chronologisch geordneten Büchern gesucht werden niuss, unmittelbar
von selbst ergibt.
Unter D e f e e t u r versteht man die Summe aller dem Defectar übertragenen,
aus Vorstehendem leicht zu entnehmenden Obliegenheiten. Hierzu auch die erwähnte
Prüfung der eingekauften Artikel zu rechnen, dürfte nur in Ausnahmsfällen zu
empfehlen sein, da sich der für die richtige Beschaffenheit aller vorhandenen Arznei-
mittel ja doch stets verantwortlich bleibende Geschüftsvorstand dieser wichtigen
Aufgabe nie entschlagen, sondern diesen modernen Theil der Defectur, wenn irgend
möglich, selbst besorgen sollte. Vulpius.
Defens' Linimentum contra scabiem ist eine Mischung aus je 15 Th.
Pulv. sem. Staphisaijriae und Pule. sein. Sabudülae , 2 Th. Fuligo und
quantum satis Oleum Oliva?.
DefßrveSCenZ ist der rebergang des fieberhafteu Zustandes in den fieber-
losen, also der Temperaturabfall am Ende einer fieberhaften Erkrankung. Die
Defervescenz erfolgt entweder auf dem Wege der Krisis, d. h. ganz unver-
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DEFEHVESCENZ. — DEFLUVIÜM.
425
mittelt folgt auf die Fiebertemperatur eine normale oder gar subnormale Tem-
peratur; oder sie erfolgt durch Lysis, d. h. die Temperatur sinkt allroälig im
Verlaufe von Tagen bis zur Norm. Die Defervescenz macht sich auch durch ver-
mehrte Ausscheidung der Secrete und Exerete bemerklich : Schweis* und Urin
kommen reichlich (kritische Ausscheidungen der älteren Aerzte), auch die Ab-
sonderung der Verdauungssäfte wird viel lebhafter. — S. auch Fieber.
Dsfinition. Dieselbe bezieht sich auf die Leistung dioptrischer Instrumente
zur Erlangung scharfer Bilder, speciell auf diejenige des Linsensystemes eiues
Mikroskops. Unter definirender Kraft oder Begrenz ungsvermögen
desselben wird der Grad verstanden, bis zu welchem es gelingt , die Bilder der
Objecte und ihrer Details in den äusseren Umrissen scharf zu begrenzen. Dieses
hängt davon ab, wie weit bei einem Systeme durch die richtige Wahl der Gestalt
seiner Componenten und geeigneter Glasarten die sphärische und chromatische
Aberration beseitigt worden ist, da beide aus verschiedenen Gründen ein Aus-
einanderfallen des Bildes in mehrere, nicht congruente Bilder bewirken. Dieses ist
Oberhaupt das Grundprincip der Herstellung guter Mikroskope , welches auszu-
fahren die grösste Kunst der Technik ist. Der detinirenden gegenüber wird die
penetrirende Kraft, bei Teleskopen das Dur chdringungs vermögen,
bei Mikroskopen richtiger das Unterscheidungsverraögen, die Fähigkeit
genannt, sehr feine Details des Objectes im durchfallenden Lichte als sichtbare
dunkle Linien oder Punkte erkennen zu lassen. Dieses ist abhängig von der
Grösse des Oeffnungswinkels des Objectives, d. h. desjenigen Winkels, welchen
zwei von jedem einzelnen Punkte des Objectes bis zu den Endpunkten des horizon-
talen Durchmessers der untersten Linse des Systemes ausgehende Strahlen mit ein-
ander bilden. (S. A p e r t u r, Bd. I, pag. 457.) Derselbe bedingt die Lichtstärke eines
Systemes, weil um so mehr der von jedem Objectpunkte divergirend ausgehenden
8trahlen die Linse treffen, je grösser dieser Winkel wird. Aber die Lichtstärke
ist es nicht, welche das Unterscheidungsvermögen erhöht, sondern die durch Ver-
grösserung des Oeffnungswinkels vermehrten, s c h r ä g einfallenden Strahlen, welche,
je schräger sie auf die sichtbar zu machenden Details fallen, umsomehr die von
ihnen abgewendeten Conturen derselben in den Schatten stellen und dadurch als
dunkle Zeichnung auf hellem Untergrunde abheben. Wie ersichtlich , ist dieser
Vorgang derselbe wie bei der absichtlich herbeigeführten schrägen Beleuchtung
durch schiefe Stellung des Spiegels, mit dem Unterschiede, dass hier die Schatten
der Conturen in dem Objecte selber hervorgerufen werden , dort im Bilde durch
verloren gehende Strahlen entstehen. Gänge.
Deflagrometer, einer der vielen für die Prüfung des Petroleums auf die
Entzündungstemperatur seiner Dämpfe (von Doxrud) empfohlenen Apparate.
DeflUVium Oder EflUVium (capillorum) , Psilo»i«, ist abnorm reichliches
Ausfallen der Kopfhaare mit nicht hinreichendem oder gänzlich ausbleibendem
Nachwuchs. Defluvium ist häufig eine Alterserscheinung, kommt aber auch bei
jugendlichen Individuen theils in Folge ererbter Disposition vor, oder veranlasst
durch die verschiedensten Hautkrankheiten. Der Haarausfall auf dem Kopfe findet
meist über dem Stirnbein und über den Scheitelbeinen statt, also an jenen Stellen,
wo die Haut dicht über dem Knochen liegt; viel seltener am Hinterhaupte. Die
Ursache dürfte wohl sein, dass Unregelmässigkeiten in der Circulation, z. B. ver-
minderter Blutzufluss zu den Hautgefässen, an einer solchen Stelle, wo unter der
Haut noch eine dicke Gewebsschichte liegt, wie eben am Hinterhaupte, leichter ab-
geglichen werden können, als dort, wo solche Schichten fehlen. Ebenso wäre das
seltene Vorkommen von Haarausfällen am Rumpfe zu erklfiren.
Alle jene Hautkrankheiten , welche uuter Narbenbildung ausheilen , bewirken
ein Nichtwiederwachsen der verloren gegangenen Haare. Nach Typhus, Scharlach
und Rothlauf fallen zuweilen sämmtliche Kopfhaare aus, wachsen jedoch meist
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DEFLUVIÜM. — DEGRAS.
wieder nach. Von chronischen Allgemeinerkrankungen ist es die constitationelle
Syphilis, die zu bedeutenden Haarverlusten führt ; jedoch ist eine Restitution nach
Ausheilung der Krankheit möglich. Die Therapie ist gegen das Kahlwerden und
gegen die Kahlheit in den meisten Fällen ohnmächtig; desto breiter macht sich
seit jeher der Schwindel mit Haarwuchsmitteln und liefert nur eineu wiederholten
Beweis für den alten Erfahrungssatz, dass die Aussicht auf Heilung um so geringer
ist, je mehr Mittel gegen eine Krankheit empfohlen werden. — S. auch Haar-
wuchsmittel.
Deformitäten. Diese Bezeichnung passt ihrem Wortlaute nach auf alle Form-
fehler des Körpers, würde sich also auch auf alle angeborenen oder erworbenen
Defecte, abnorme Spaltbildungen und Verwachsungen (Atresien), Lageverände-
rungen einzelner Organe (Ectopien) beziehen. Die Chirurgen fassen den Begriff
enger und verstehen darunter Richtungsabweichungen an Rumpf und
Gliedern, also Verkrümmungen. Letztere sind in manchen Fällen angeboren (Klump-
fuss, Klumphand , sehr selten ist eine Verkrümmung der Wirbelsäule mit zur
Welt gebracht) : zweitens entstehen Verkrümmungen bei jugendlichen Individuen
durch Wachsthumsstörungen , hervorgerufen durch Rhachitis (rhaehitische Hühner-
brust, rhachitiscbe Verkrümmung der Wirbelsäule und der Extremitäten) ; drittens
können Deformitäten durch Verletzung, Entzündung, Lähmung und Contractur
entstehen. In der Behandlung von Verkrümmung der Gliedmaassen hat die Ortho-
pädie grosse Erfolge errungen , indem sie sowohl beginnende Verkrümmung in
ihrem Weiterschreiten aufhält, als auch ausgebildete Deformitäten redressirt.
Degeneration (Entartung). Unter Degeneration versteht man bei Pflanzen
und Thieren eine Veränderung, welche zur Verschlechterung führt, wodurch werth-
volle Rasseneigenthümlichkeiten verloren gehen ; den Gegensatz zur Veredlung.
Strenge Inzucht fördert die Degeneration, während zweckmässige Kreuzungen sie
verhüten. Nicht minder bewirkt dies eine sorgfältige Auslese zur Nachzucht.
Schon in Virgil's Georgicon, Hb. I, 197—200, lesen wir :
Vidi lecta diu, et multo spectata labore,
Degenerare tarnen, ni vis humana quotannis
Maxima quaequo manu legeret. Sic omnia fatis
In pejus ruere, ac retro sublapsa referri
mit entschiedenem Anklänge an DARWiJj'sche Ideen. — In der Pathologie versteht
man unter Degeneration gewöhnlich eine solche Veränderung von Körperorganen,
in Folge welcher sie ihren physiologischen Functionen nicht mehr nachkommen
können, ohne dass sie eine Volumsverriugernng erfahren hätten. Ist letzteres der
Fall, dann spricht man von Atrophie.
Degenöl oder Schwarzer Degen, ein voiksth. Name für oienm Rusci;
Weisser Degen — Oleum Terebinthinae.
Degommiren heisst die Behandlung der Rohseide mit heissen Seifenlösungen,
wobei sie den grössten Theil des die eigentliche Seidenfaser umhüllenden Seiden-
leimes verliert und glatt und glänzend wird. — S. Seide. Benedikt.
Degorgiren, eine in der Champagnerfabrikation geübte Manipulation , siehe
Champagner, Bd. II, pag. 648.
DegraS, Gerberfett, Lederfett, Weissbrühe.
In der Säniischgerberei fs. dort) werden die Häute eiuer eigenthüm-
lichen Behandlung mit Walfisch- oder Leberthran ausgesetzt, wobei sich das Fett
zum Theil mit dem thierischeu Gewebe verbindet , zum Theil aber durch Aus-
winden und Ausziehen mit Pottaschenlösiing iu allerdings sehr verändertem Zu-
stande wiedergewonnen wird. Der letztere Theil führt dann den Namen „Degras"
und tiudet zum Einfetten des lohgaren Leders Verwendung.
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DEGBAS. — DELIBIUM.
427
Als Ersatz dieses echten Degras kommen unter demselben Namen auch künst-
liche , mit Leber- , Walfisch- , Menhaden- , Sardinen- oder japanesischem Thran
hergestellte Productc in den Handel, denen häufig noch Talg, Harz oder Oelsäure
augesetzt ist.
Für die Degras ist nach Jean ein Gehalt an einer bar zahnlichen Sub-
stanz charakteristisch, welche bei der Oxydation des Thranes in Berührung mit
der thierischen Haut entstanden ist und das Fett befähigt, sich mit grossen Mengen
Wasser (bis über 50 Procent) so innig zu emulgiren , dass auch naeh monate-
langem Stehen noch keine Entmischung eintritt. Benedikt.
DehisCeilZ heisst in der Botanik der Act oder auch die Art und Weise des
regelmassigen Oeffnens eines früher geschlossenen Organs, so z. B. der Staub-
beutel, der Fruchtkapseln etc. Die Kapseln springen entweder längs der ver-
wachsenen, die Sanian tragenden Ränder auf — longitudinale Dehiscenz —
oder die Kapsel (Capsula circumscissa) öffnet sich durch Ablösung eines oberen
Theiles des Pericarps, der wie ein Deckel abfällt — transversale Dehiseenz.
S y d o w.
Dehnbarkeit nennt man die Fähigkeit der meisten Metalle, Wärme aufzu-
nehmen , ohne dass dabei die Molekularcohäsion eine wesentliche Verringerung
erfährt. Die Dehnbarkeit der Metalle ermöglicht das Hämmern oder Walzen der-
selben in Bleche oder Blätter und das Ausziehen derselben zli Draht. Die Dehn-
barkeit ist für die verschiedenen Metalle eine verschiedene ; während Gold sich
in dünne Blättchen von 0.00001 mm Dicke strecken lässt , sind Wismut und
Antimon so wenig dehnbar, dass sie sich ohne grosse Mühe zu Pulver reiben
lassen. Ganswind t.
DejeCtiOfl s. Excremente.
Dekan, C10Ha2. Ein gesättigter Kohlenwasserstoff der Fettreihe, homolog dem
Methan und Aethan. Findet sich im Petroleum; Siedepunkt 161°. Spec. Gew. 0.757.
DekatylalkohOl, C10H22O, ist der dem Dekan correspondireude Alkohol,
welcher, aus Petrolcumdekan gewonnen, bei 210 — 215° siedet.
Delacroix' Emplätre agglutinatif (Empiastrum ad eiavos pedum Ph.
Gall.) ist eine Mischung aus 200 Th. Retina Pini , 50 Th. Elemi , 25 Th.
Terebinthiua veneta und 25 Th. Oleum Lauri.
DeÜOUX' Jüd-KlyStir, bei Dysenterie, besteht aus 1 g Kalium jodatum,
10 g Tinct. Mi und 200 g Aqua. — DeÜOUX' Piltllae Olibani, gegen Bronchial-
catarrh, bestehen aus je 2 g Olibanum und Sajjo medicatus zu 30 Pillen.
Delirium (de lira, aus der Furche, vom Wege abgehen, oder von >'?(vo;,
albernes Gewäsch) , ist die Aeusserung einer fehlerhaften psychischen Thätigkeit.
Damit unsere geistige Thätigkeit in normaler Weise sich vollziehe, ist nöthig, dass
1. eine normale innere sinnliche Wahrnehmung stattfinde, 2. dass sich nach be-
stimmten A.s8oeiationsgesetzen die Verbindungen der Vorstellungen in normaler
Weise vollziehen; 3. dass die Vorstellungen von gewissen normalen adäquaten
Gefühlen begleitet werden und 4. dass unser Ich im Stande ist, eine Controie der
augenblicklich eindringenden Sinnepeindrücke , Vorstellungen und Gefühle vorzu-
nehmen und sie je nach dem Ausfall dieser Controie zu bestätigen oder zurück-
zuweisen. Die Erhaltung der letzten Fähigkeit ist die wichtigste, um ein normales
psychisches Leben möglich zu machen. Je nachdem eine der drei ersten Voraus-
setzungen nicht erfüllt ist, unterscheidet man Sinnesdelirien, Verstandes- und
Gefühlsdelirien. Jedoch können gleichzeitig auch zwei oder gar alle drei genannten
Qualitäten fehlen. Delirien können durch locale Erkrankungen im Gehirn, durch
Allgremeinerkrankungen und auch durch Vergiftungen veranlasst sein. Klinisch
unterscheidet man auch das san fte Delirium (Delirium mite s. blandum), wobei
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DELIRIUM. — DELPHINOIIUN.
der Kranke ruhig daliegt und für sich spricht, meist zwischen den Zähnen
murmelnd (Delirium mussitans), und das wilde Delirium (D. ferox) , in
welchem der Kranke durch einen blinden Trieb zu heftigem, tobenden Reden und
gewaltsamen Handlungen hingerissen wird.
Delirium tremens, Säuferwahnsinn, ist die Folge der chronischen Alkohol-
vergiftung, und zwar ist der Fuselgehalt des Alkohols das eigentlich Schädliche.
Delpech'S CapSUleS aUX CubebeS enthalten je 0.7og eines ätherisch-
alkoholischen Cubebenextracts.
DelpeCh et GuiChard'S VesiCatOire ist ein nach Art des englischen
Heftpflasters auf Guttaperchapapier gestrichenes Pflaster; der Gelatinemasse wird
so viel Kalicantharidat (in Spiritus gelöst) beigegeben, dass jeder Quadratdeei-
meter des Vesicntoirs 0.01g Cantharidat enthalt.
Delphinin, Delphininum ist ein Alkaloid in den Samen von Delphinium
Stajthüagria L. Es wird daraus gewonnen durch Extraction mittelst mit Wein-
säure gesättigten Alkohols, welcher alle 4 Alkaloide aufnimmt. Man destillirt den
Alkohol im Vacuum ab, schüttelt den Rückstand mit Ligroin, übersättigt dann mit
Soda und zieht mit Aetber aus. Die ätherische Losung enthält das Delphinin.
das Delphinoidin und Detpbisin; im Rückstände verbleibt das Staphisagrin. Aus
der Lösung krystaflisirt zuerst das Delphinin in kleinen Rhomben, welche kaum
löslich in Wasser, löslich in Alkohol, Aether uud Chloroform sind, von bitterem
Geschmack, schwach alkalischer Reaction. Mit Acpfelsäure und Schwefelsäure gibt
es eine orangene, nach einigen Stunden dunkelrosenroth und schliesslich schmutzig
cobaltblau werdende Färbung. — Das Delphinin ist intensiv giftig.
Ganswindt.
Delphinium, Gattung der Rannuculacrae, ünterfamilie Helleboreae. Kräuter
mit bandförmig getheilten Blättern und schönen Inflore^cenzen grosser, meist blau
oder purpurn gefärbter, zygomorpher Blüthen. Kelch corollinisch , fünfblättcrig,
unregelmässig, das obere (hintere) Blatt gespornt, hinfällig. Kronenblätter typisch
5 oder 8, an denen aber 3, beziehungsweise 4 abortiren ; im ersteren Falle sind
die 2 Kronenblätter verwachsen und stecken im Sporn des Kelches; im zweiten
Falle sind die 4 Blumenblätter frei, nur die beideu mittleren gespornt und im
Sporn des Kelches steckend. Staubgefässe zahlreich, Carpelle-l — 5, sitzend, frei,
zu mebrsamigen Balgkapseln sich entwickelnd.
Delphinium St aphisagria L. , S t op h an s k ra u t , Läusekraut,
eine südeuropäische Art, ist 0 ; der Stengel ist steif, zottig, die Blätter sind 5 bis
7 spaltig, ihre Lappen ganz oder 3spaltig, die Blüthenstiele an der schlaffen Traube
sind länger als die blauen Blüthen, welche vier bartlose Blumenblätter besitzen.
Die Kapseln sind bauchig, zottig und enthalten nur wenige erbsengrosse Samen.
Diese enthalten mehrere Alkaloide uud sind unter dem Namen Staphisagria
(s. d.) in arzneilicher Verwendung.
Delphinium Consolida L., ist eine auf unseren Aeckern häufige, 0
Pflanze mit 3theilig-vielspaltigen Blättern, dunkelvioletten, einfach gespornten
Blüthen, aus denen sich nur je eine kahle Kapsel entwickelt.
Von dieser Art stammen die von Ph. U. St. aufgenommenen Sem. ConsoUdae
regalis 8. Calcatrippae, Larkspnr Sced. — S. Consolida, Bd. III, pag. 275.
Jfflphinium Ajacis L. , eine durch reichblüthige Trauben, kurze und
dieke Blüthenstiele. einspornige Blüthen und behaarte Früchte charakterisirte. eben-
falls 0, südeuropäische Art, wird in unseren Gärten am häufigsten gezogen.
DeiphiflOidin ist ein Alkaloid in den Sameu von Delphinium Staphisagria L.
reber die Gewinnung vergl. Delphin in: nach Auskrystallisiren des l>elphinins
wird das Delphinoidin aus der Mutterlauge gewounen. Amorph, löslich in Alkohol.
Aether, Chloroform: fast unlöslich in Wasser. Mit je 1 Tropfen concentrirter
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DELPHIN« »IDIN. — DEMULCENTIA.
Zuckerlösung und Schwefelsaure braun, bei Zusatz von Wasser grün werdend. Mit
Schwefelsäure und Brorawasser entsteht eine schön violette Färbung.
Ganswind t.
Delphinthran, Huile de Dauphin globicephale, Dolphinoil. Dieser Thran wird
aus dem Speck des schwarzen Delphins, Delphinus globiceps, gewonnen. Er bildet
eine citronengelbe, zugleich fisch- und lederartig riechende Flüssigkeit , welche in
Alkohol ziemlich löslich ist. In der Kälte setzt er Spermacet — Palmitinsäure-
cetylester — ab. Er enthält ebenso wie der Meerschweinthran beträchtliche Mengen
des Triglycerides der Valeriansäure.
Der Delphinthran findet dieselbe Verwendung wie der Pottwalthran (Oleum
cti) und wird auch zu dessen Verfälschung verwendet. Benedikt.
Delphisiü ist ein Alkaloid in dem Samen von Delphinium Staphisagria. In
Warzen krystallisirend, löslich in Alkohol, Aether und Chloroform. Zeigt dieselben
Farbenreactionen wie das Delphinoidin. Ganswindt.
Deltametall ist eine Legirung aus Kupfer , Zink und Eisen , welche grosse
Härte und Zähigkeit besitzt, leicht zu bearbeiten ist, und eine hohe Politur
.'tniu mint.
Demarquay'S Pulvis deSinfeCtOriUS, Verbandpulver, ist eine Mischung
aus gleichen Theilen Kalium permanganicum, Calcium carbonicum und Amyltim.
DeiTieaUX' Melange desinficient ist gleich dem Coaltar saponatum,
Bd. III, pag. 178.
Dementia, A n o i a oder Blödsinn ist jener Zustand krankhafter Störung
der geistigen Thätigkeit, welcher durch erworbene Schwäche der geistigen
Functionen charakterisirt ist. Die geistige Schwäche solcher Individuen, bei denen
es zu einer psychischen Entwicklung gar nicht gekommen ist, wird als Idiotis-
mus bezeichnet. Nach dem Grade der Herabsetzung der Intelligenz unterscheidet
man drei Formen des Blödsinnes: 1. Schwachsinu, 2. agitirten Blöd-
sinn, Verwirrtheit, allgemeine Verrücktheit, 3. apathischen Blödsinn. Der
Blödsinn beruht auf einer Erkrankung der grauen Hirnrinde.
Demonstration im Sinne der empirischen Wissenschaften bedeutet die an-
schauliche Darlegung eines Gegenstandes oder eines Ereignisses; so spricht man
von einer Demonstration an der Leiche oder von der Demonstration einer physi-
kalischen Erscheinung mit Hilfe des Experimentes. In der Philosophie bedeutet
Demonstration den unmittelbaren Beweis, welcher entweder durch eine Aufklärung
der bezuglichen Begriffe erfolgt oder durch die Einsicht in die Unmöglichkeit de«
Gegentheiles.
DemulCentia (demulceoy besänftigen, lindern), auch Protect iva heisst diejenige
Abthciluug der mochanisch wirkenden Arzneimittel , welche auf entzündliche und
ulcerative Processe local dadurch günstig wirken, dass sie über den erkrankten
Partien eine schützende Decke bilden, welche äussere Schädlichkeiten (mechanische
Insulte, Tcmperaturwechselj fernhält. Die namentlich bei Catarrheu der Schleim-
haut im Schlund, Mageu und Dann häufig gebrauchten Mittel, von denen übrigens
viele auch zu den E m o 1 1 i e u t i a (s. d.) und C o n t e n t i v n (s. d.) gezählt werden
können, wirken umso besser, je weniger leicht sie zur Aufsaugung gelangen. Es
sind daher auf Schleimhäuten in Wasser unlösliche oder colloide Substanzen ge-
eigneter als lösliche oder im Mageu oder Darm in lösliche Verbindungen über-
gehende Zuckerstone und Stflrkemehlarten. Zu ersteren gehören die Arabin, Bassorin
und Schleim enthaltenden Medicamente (arabisches Gummi, Tragarth, Salep, Eibisch,
Malvc, Quittenkerne, Semina Psyllii, Leinkuchen, Kad. Symphyti, Medulla Sassa-
fras, Oortex l'lmi interior, Carrageen und Agar-Agar), die Leimmittcl (Gelatina,
Hausenblase, Hirschhorn;, forner verschiedene vegetabilische und animalische
f
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430
DEMULCENTIA. — DENATURIREN.
Pulver (Lycopodium, Bismuthum nitricum, Zinkoxyd, Bolus, Talk), ferner das
Wachs und die wachsartigen Stoffe (Walrat , Paraffin). Ausser diesen dienen als
Schutzmittel verschiedene Sorten Stärkemehl und stärkemehlartige Stoffe (Dextrin,
Alantwurzelj, diverse Zuekerarten (Rohrzucker, Milchzucker) und Sussstoffe (Honig,
Sussholz, Succus Liquiritiae, Rhizoma Polypodii, Johannisbrod , Feigen, Datteln,
Jujuben , Passulae), endlich flüssige und feste Fette (Mandel-, Mohn-, Oliven-,
Rüb-, Lein-, Cocos- und Lorbeeröl, Muscatnussbutter, Cacaobutter, Schmalz, Butter,
Rindermark, Lanolin, Talg, Paraffin, Vaselin) und fetthaltige Pflanzentheile (Mandeln,
Hanf-, Mohn- und Leinsamen, Pistacien, Pinien u. a.). Die Fette und Wachsarten
dienen als Demulcentien seltener, als solche wie in bestimmten Arzneiformen, die
man aus ihnen darstellt, innerlich namentlich in Form der Emulsionen (6. d.),
äusserlich in Form der Salben, Cerate und der einfachen Pflaster. Auch Glycerin
und das daraus bereitete Unguentura Glycerini, Watte, Wasserglas, Collodium,
Traumaticin gehören hierher. Th. Husemann.
DGflclturir&n nennt man das Vermischen der hoch besteuerten oder einem
Monopolzwange unterliegenden Producte , z. B. Spiritus und Kochsalz, mit solchen
Substanzen, durch welche dieselben als Genussmittel untauglich gemacht werden.
Von der Steuer (wo ein Monopol besteht, liegt diese in dem hohen Verkaufs-
preise) soll nur derjenige Theil der genannten Producte getroffen werden, welcher
direct dem Genüsse dient, nicht aber jener Antheil , der in der Landwirthschaft
und Industrie zur Verwendung gelangt. Der Staat hat ein Interesse daran, diese
letzteren nicht zu hoch zu belasten und befreit darum das Salz und den Alkohol,
die nicht Genusszwecken dienen, von der Steuer ; er will sich aber gleichzeitig sicher-
stellen, dass nichts von dem steuerfreien Antheile der genannten Stoffe zu Genuss-
zwecken verwendet wird uud er so eines Theiles seines Einkommens verlustig
geht. Diese Sicherstellung sucht der Staat im Denaturiren von Salz und Spiritus.
An die Mittel , welche zum Denaturiren dienen sollen , werden vor Allem zwei
Forderungen gestellt: sie sollen entweder gar nicht oder nur in schwieriger und
darum nicht lohnender Weise aus dem denaturirten Product entfernt werden können,
und zweitens sollen sie der technischen oder landwirthschaftlichen Verwendung des
letzteren keinerlei Hinderniss in den Weg legen. Es ist begreiflich, dass es nicht
leicht ist, diesen Anforderungen zu genügen; es wird auch gegenwärtig, nachdem
die Denaturirung in vielen Staaten eingeführt ist, fortwährend nach Verbesserungen
des Verfahrens gesucht.
Für Salz werden in Deutschland als Denaturirungsmittel je nach der Ver-
wendung des Salzes benutzt :
Eisenoxyd (l/4 — 3 8 Proceut), Wermutkrautpulver (V4 — 1 Procent), Holzkohlen-
mehl (' 4 Procent); Petroleum Procent); Carbolsüure (I/4 Procent); Kohlen-
staub (2 — 12 Procent); Russ (* 2 — 1 Procent); Seifenpulver (1 Procent); Kienöl
(V4 Procent); Thran (l 2 — 5 Procent); Mennige (3 4 — 1 Procent); calc. Glauber-
salz (2—5 Procent); calc. Soda (4 — 5 Procent); Schwefelsäure (1 — 5 Procent);
Salzsäure (2—4 Procent); Braunkohlenmehl (2 Procent); Braunstein (1 — 5 Pro-
cent); Anilin-Mutterlauge (5 Procent) ; Anilinfarbstoffe (2 — 5 Procent); Indigo-
brühe, Fuchsin oder Jodlauge (1 — l1 3 Procent); Kupfervitriol (10 Procent) :
Kupferchlorid oder chromsaures Kali (5 Procent): Pikrinsäure; Kreosot (\'4 Pro-
cent); Holzessigsäure (3/4 Procent); kryst. Soda (10 Procent); Lubricatingol
(l/2 Procent); Eisenvitriol (4 Procent); Fluorcalciura (5 Procent); Mergelasche
(100 Procent); Steinkohlenmehl (2 Procent); Alaun (6 — 10 Procent); Palm- oder
Cocos<"'»l (5 Procent); Smalte (1 Procent); Torfmehl (2 Procent); Braunkohlenöl
oder Thierol (J 3 Procent); Rückstände aus der Schwefelsäurefabrikation (3 Pro-
cent); Schwefelkies (3 Procent); Klanenmehl (5 Procent); Kalkhydrat; stinkendes
Thieröl (0.08 Procent); Zinn- oder Bleiasche (5 Procent); Sand; Pfannenstein mit
Braunkohle ; Verdünnen mit Wasser.
In Oesterreich wird denaturirtes Salz billiger abgegeben: Zur Lederfabri-
kation und Vorbereitung der rohen Häute (Denaturirung mit Soda oder mit Alaun
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DENATURIREN. — DENITH1REN.
431
(5 Procent), zur Fabrikation von Darmsaiten (10 Procent Natronaalpeter), von
Seifen, Thonwaaren und Glas (3 Procent geglühte, in Wasser geloste Soda), zur
Holzconservirung auf Schiffswerften (1 Procent Zinkvitriol), für Erzeugung von
sonstigen Producten, deren Menge sieh controliren lässt, dann für Papier-, Cotton-
und Bleichfabriken (l/a Procent Eisenvitriol in Wasser gelöst und Kohlenstaub).
Ausnahmsweise wird gestattet : die Denaturirung mit Glaubersalz (30 Procent), mit
Holzessig oder Schwefelsäure (genügend, um die Salzmasse ganz zu durchdringen).
Spiritus. Aus dem am 1. Januar 1880 in Kraft getretenen Regulativ für
das Deutsche Reich*) sei hervorgehoben:
Steuerfreier Branntwein darf zu allen gewerblichen Zwecken, ausgenommen die
Bereitung von Seife, Parfümerien, alkoholhaltigen Fabrikaten, welche zum mensch-
lichen Genüsse dienen oder dienen können, verwendet werden. Die Denaturirung
geschieht gewöhnlich mit 5 Procent Holzgeist, für einzelne Gewerbe mit
folgenden ausserdem zugelassenen Mitteln: zur Herstellung a) der Alkaloide (mit
5 Procent Holzgeist oder ra Procent Terpentinöl oder 0.025 Procent Thieröl;
b) der als Arzneimittel gebrauchten Extractivstoffe wie Jalappenharz, Scammonium
(\a Procent Terpentinöl); c) des Chloroforms, Jodoforms, Aethers und Chloral-
hydrates (0.025 Procent Thieröl), d) des Collodiums, Hoffmannsgeistes , Tannins,
der Salicylsäure und salicylsaureu Salze (10 Procent Schwefeläther) , des Essigs
(300 Procent Wasser und 100 Procent Essig von 6 Procent Gehalt an Essigsaure).
Der zum Denaturiren verwendete Holzgeist soll ein spec. Gew. von höchstens
0.840 besitzen (d. h. mit einem Alkoholometer von Tralles bei 12*/9° R. mindestens
88 Procent anzeigen); bis 60° R. erhitzt, sollen mindestens 90 Procent davon über-
destilliren; mit dem gleichen Volum Wasser gemischt, soll er klar bleiben oder
höchstens schwach opalisiren ; von lOccni soll beim Schütteln mit 20 com Natron-
lauge von 1.3 spec. Gew. mindestens 1 ccm ungelöst bleiben; lOccni Holzgeist
mit 20 ccm Wasser und 20 ccm einer Lösung von 1 Th. Brom in 80 Th. Essig-
sflure von 50 Proc. Gehalt vermischt, sollen diese Lösung entfärben (durch die An-
wesenheit von Allylalkohol und Holzölen im Holzgeist, deren Menge aber wegen
ihrer schädlichen Wirkungen nicht mehr als das anderthalbfache der vorgeschriebenen
Mindestmenge betragen darf). In neuerer Zeit sind Uber die Verwerthbarkeit
eines als Abfallproduct in der Theerindustrie gewonneneu Gemisches von Pyridin-
basen Versuche mit zufriedenstellendem Resultate angestellt worden.**)
In Oesterreich wird steuerfreier Spiritus zugelassen zur Fabrikation von
Bleizucker (Denaturirung des höchstens öOgradigen Branntweines mit 80 g Kampher
oder 160g thierischem Theeröl — oder bei mindestens 80gradigem Spiritus:
mit 3 hl Wasser, 1 hl Essig von 6 Procent nebst 25 ccm rohem Thieröl auf je 1 hl
Spiritus), zur Erzeugung von Schwefeläther und Chloroform (25 ccm rohes Thieröl
auf 1 hl Spiritus vou mindestens 80°), zur Herstellung von Knallquecksilber (Spiritus
von mindestens 88° mit 5 Procent Holzgeist von den im Deutschen Reiche vor-
geschriebenen Eigenschaften). J. Mauthner.
Dengue ist eine fieberhafte Infectionskrankheit , welche namentlich im tropi-
schen Amerika verbreitet, in neuerer Zeit auch in Ostindien uud Aegypten, bisher
nicht in Europa aufgetreten ist.
Denltriren. Mit Denitriren bezeichnet man im Allgemeinen eine Befreiung
oder Reinigung gewisser Producte von Salpetersäure, salpetriger Säure und niedrigeren
Oxydationsstufen des Stickstoffs. Im engeren Sinne bezeichnet es einen bei der
Schwefelsäurefabrikation regelrecht sich abspielenden Process: die Befreiung der
neugebildeten Schwefelsäure von Salpetersäure- und Salpetrigsäuredämpfen. Dieses
geschieht durch einen Kühlapparat, in welchem die Temperatur der Dämpfe durch
kaltes Wasser erniedrigt wird und dann in den unteren Theil des Apparates, den
*) Sowie ans dem Bundesrat hsbeschluss vom 7. Juli 1S81.
**) Chem. Zeit. 1885, pag. 911.
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432 DENITRIREN. — DENTITION.
sogenannten Denitrificateur, einen von Gay Lcssac in die Technik eingeführten
Apparat, gelangt. Derselbe besteht aus Bleiplatten; über der unteren leeren Ab-
theilung befindet sich ein mit Blei überzogener Eisenrost, auf welchem sich die
Cokessäule erhebt, über welche von oben herab die durch eine Brause zerstäubte,
mit salpetriger Saure beladene Schwefelsäure hinabrieselt, während von unten durch
den Rost Dämpfe einströmen. Bei der in der Cokessäule eintretenden Wechsel-
wirkung von Flüssigkeiten und Dämpfen gibt erstere alle salpetrige Säure an die
Dämpfe ab, welche in die Bleikammer entweichen und dort von Neuem oxydirend
wirken. Ganswind t.
Denmark, volksth. Bez. für Radix Valeri anae mmoris.
Dennler's Eisenbitter, s. Bd. i, Pag. 264.
Dens Cani8 ist der von Tournefort aufgestellte, mit Erythronium L.
synonyme Gattungsname einer Liliacee aus der Gruppe Ttdipoideae.
Die Zwiebel von Erythronium Dens canis L.y einer im mittleren und südlichen
Enropa vereinzelt vorkommenden Art, dient in Sibirien als Nahrungsmittel, angeb-
lich auch („Kardyk") zu Heilzwecken. Sie ist länglich eiförmig, zugespitzt, am
Querschnitte fast stielrund und enthält nach Dragexdorff 51.2 Procent Stärke,
14.3 Procent Zucker, 12.3 Procent Gummi und Dextrin, 1.0 Harz, aber keine
eigenartigen Stoffe.
Dentaria, Gattung der Cruciferae, Cnterfam. Arabideae. Kräuter mit kriechen-
dem, fleischigem, beschupptem Wurzelstock, im Blüthenbau mit Cardamine überein-
stimmend, von ihr wesentlich nur durch die am Rande eingebogenen Cotyledonen
verschieden.
Von Dentaria bulb i f er a L., einer durch zwiebelähnliche Brutknospen
in den Blattachseln ausgezeichneten Art, wurde das Rhizom als Radix Dentariae
minoris s. Antidysentericae arzneilich verwendet.
Radix Dentariae ist auch ein Synonym von Pyrethrum.
Rad ix Dentariae major is hiess das jetzt obsolete Rhizom von Lathraea
Squamaria L.
Dentin. Zahnbein, Elfenbein, Ebur, ist die eigentliche Zahnsubstanz,
durchzogen von den Zahncanalchen, welche sämmtlich in die Zahnhöhle münden.
An dem oberen , freien Theile des Zahnes ist das Dentin in der Regel von
„Schmelz" überzogen, an dem Wurzeltheile von „Cement".
Dentine ist der Name einer ganzen Anzahl Zahntincturen, Zahnwässer, auch
Tropfen gegen Zahnschmerz verschiedenster Zusammensetzung.
Dentition, Zah n e n. Schon im dritten Monate des embrvonalen Lebens be-
ginnt beim Menschen die Anlage der Zähne. Im knöchernen Kiefer des Neuge-
borenen findet man die Kronen der Milchzähne schon mit Schmelz versehen : auch
die Keime der bleibenden Zähne sind in demselben schon vorgebildet. Der Durch-
bruch der Zähne durch das Zahnfleisch, das eigentliche Zahnen nimmt durch-
schnittlich die Zeit vom 7. bis 24. Leben sraonatc in Anspruch. Zuerst erscheinen
die mittleren unteren Schneidezähne (3. — 10. Monat, Mittel 7. Monat), daun die
mittleren oberen (!>. — 16. Monat), die äusseren oberen (10. — HJ. Monat), die
äußeren unteren (13. — 17. Monat); dann folgen nicht die Eckzähne, sondern
früher als diese die vorderen Backenzähne (16. — 21. Monat; . die Eckzahne
(16.— 25. Monat), die hinteren Backenzähne (23.-36. Monat, Mittel 24. bis
30. Monat). Die Reihenfolge ergibt sich am übersichtlichsten aus folgendem Schema.
V.) n I* r> 3_
US) Vi 15 7 1
4 6 14 _9 17
2 8 16 10 18
in welchem die Ziffern die Stellung der Zähne in den Kiefern bedeuten. Im
Einzelnen kommen jedoch erhebliche Verschiedenheiten auch unter normalen Vcr-
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DENTITION. — DEPILATOKIA.
bflltnissen vor. Rhachitis lind Syphilis verspaten den Durchbruch der Milchzähne.
Nach der ersten Zahnung hat das Rind 20 (Milch-) Zähne. Im 7. Jahre beginnt
«las /.weite Zahnen. Zunächst brechen die ersten (bleibenden) Stock- oder Mahl-
zähne in beiden Kiefern hervor. Dann beginnt der Zahn Wechsel ; in derselben
Ordnung, in welcher die Milchzähne durchgebrochen waren, fallen sie aus und
bleibende Zähne treten an ihre Stelle. Nach vollendetem Zahnwechsel wachsen die
zweiten Mahlzähne in beiden Riefern. Die letzten Mahlzähne , die sogenannten
Weisheitszähne, durch welche die Zahl der bleibenden Zähne auf 32 gebracht wird,
folgen erst im 18. bis 25. Lebensjahre oder noch später.
DeodOroleYü, Synonym für Vaselin.
Dephlegmator, ein Apparat zur fractionirten Destillation, der zwischen
Destillirblase und Kühlapparat eingeschaltet aus Gemischen verschiedener Dämpfe
die schwerer flüchtigen condensirt und in die Blase zurückfliessen lässt. Nur die
leichter fluchtigen gelangen in den Kühlapparat und werden dort condensirt. Das
in der Blase verbleibende wird Phlegma oder Lutter genannt. Inder Spiritus-
rectification, Petroleumdestillation und Rectification der Steinkohlentheeröle (Benzol
n. b. w.) finden unter dem Namen Colonnenapparat oder Säule viele ver-
schieden construirtc Dephlegmatoren Anwendung.
Auch für chemische Laboratoriumszwecke sind verschiedene Dephlegmatoren
cfnstruirt worden und in Gebranch. Diese werden auf eine Rochflasche, als
Destillirblase, aufgesetzt und tragen am oberen Ende ein Thermometer sowie seit-
lich ein Abflussrohr. Die am häufigsten benutzten Vorrichtungen bestehen in
einer Füllung des Dephlegmators , einer entsprechend langen, angemessen weiten
Glasröhre, mit Glasperlen (Hempel) oder darin, dass in jenem Rohr in Zwischen-
räumen mit oder ohne Erweiterung des Rohres, kleine Körbchen von Platin-
drahtnetz angebracht sind (Brown, Belohoubeck, Linnemann'). Die ersten
Theile der Dampfe condensiren sich in jeueui Apparat und verschliesscn die
Zwischenräume zwischen den Glasperlen, beziehentlich im Drahtnetz; wenn
nun weiterhin ein Dampfgemisch durch jene Flüssigkeitsschichten hindurch dringt,
wird der schwerer flüchtige Antheil desselben condensirt , währeud der leichter
flüchtige weiter geht. Zu gleichen Zwecken , allerdings weniger wirksam , sind
auch sich mehrfach bauchig erweiternde Glasröhren (Fractiousaufsätze) in Ver-
wendung. Hier bewirkt die äussere Luft die Kühlung und die in den kugeligen
Erweiterungen condensirte Flüssigkeit fliesst durch ein seitlich angebrachtes Knie-
rohr nach der nächst unteren Kugel zurück. — S. auch Destilliren und
Fraetioniren, und Fig. 72, pag. 448. Schneider.
DepilatOria (pilus, das Haar), Enthaarungsmittel, sind entweder mechanisch
oder chemisch wirkende Mittel. Bei der Application der ersteren, das sind stark
klebende Pechpflaster (s. a. P s i 1 o t h r o n) werden die zu entfernenden Haare ausge-
rissen, eine barbarische und schmerzhafte Procedur. Die chemisch wirkenden
Depilatorien sind Aetzkalk und Aetzalkalicn, besonders aber die Sulfide und Sulf-
hydrate derselben, ferner Auripigment (dreifach Schwefelarseu) mit Aetzkalk. Diese
Verbindungen — auch bei der Anwendung von Auripigment mit Aetzkalk entsteht
Sehwefelcalcium — erweichen die Hornsubstanz, also auch die Haare so sehr, dass
diese mit eiuem Falzbein, Hornlöffel oder Messerrücken von der Haut abgelöst
werden können.
Die Depilatorien werden als Cosmetica zur Entfernung von Haaren, welche au
gewöhnlich unbehaarten Stellen vorkommen , verwendet ; nur das Rhusma findet
bei Orientalen und bei orthodoxen Juden auch zur Entfernung der Kopf- und
Barthaare Anwendung. Alle reizen die Haut und dürfen deshalb nicht zu lange
auf derselben belassen werden ; nach dem Abwaschen des Mittels ist auf die
gewöhnlich geröthete und etwas empfindliche Haut Fett , Cold-cream oder Puder
aufzutragen. Das Auripigment kann auch , zumal wenn es kein natürliches ist,
Baal-Encyclopidie der Phannade. III. 28 Djgitize<J by Googk
434
DEPILATORIA. — DEP03ITION.
sondern aus chemischen Fabriken bezogen wird, durch den Gehalt an arseniger
Säure schädlich wirken.
In neuester Zeit benützt man den elektrischen Strom zum Depiliren.
Depilatoria, Enthaarungsmittel. Das am längsten bekannte und im Orient
auch jetzt noch fast ausschliesslich angewendete Depilatorium, Rhusma Turcarum,
ist eine Mischung aus 1 Tli. Auripigment (gelbes Schwefelarsen) und 5 Th. Atter
kalkpulver mit heissem Wasser zu einem Brei augerührt; dieser wird auf die
mit Haaren besetzten Stellen der Haut messerrückendick aufgetragen und sobald
die Schicht zu trocknen beginnt, mit einem Holzspahn wieder entfernt. — Auri-
pigment ist ferner Bestandtheil des Oepilatorium DelcrolX (4 Th. Auripigment,
30 Th. Calcaria usta und 60 Th. Gummi arabicum), des Depilatorium Plenck
(5 Th. Auripigment, 50 Th. Calcaria usta und 30 Th. Amylum Tritici) und
des Rhusma Bühligen (3 Th. Auripigment und 15 Th. Calcaria usta) , die
sämmtlich in der oben angegebenen Weise zur Anwendung gelangen.
R. Boettger war der Erste, der auf die depilatorische Wirkung der Schwefel-
alkalien aufmerksam machte; das Depilatorium Boettger wird in der Weise
bereitet , dass mau aus Aetzkalk uud Wasser einen dünnen Brei macht und in
diesen so lange Schwefelwasserstoff einleitet, bis die Masse völlig damit gesättigt
und Conchae praeparatae 30 Th. — Depilatorium Boudet ist eine Mischung
von 3 Th. Natrium sulfhydratum, 10 Th. Calcaria usta und 10 Th. Amylum.
— Das Mexicanieche und das Orientalische Enthaarungsmittel, zwei Berliner
Specialitäten, stellen eiuen Brei dar, aus Schwefel kalium und Wasser bestehend.
— Poudre depilatoire von Brüning ist gepulvertes Schwefelkalium, mit etwas
Moschus versetzt, welches beim Gebrauch mit Wasser zu einem Brei anzurühren
ist. — Auch Schwefelhary um gibt ein gutes Depilatorium, z. B. 1 Th. Schwefel-
bar y um, 1 Th. Aetzkalk und 2 Th. Amylum. — Alle die vorstehend genannten
trockenen Mischungen werden beim Gebrauch mit Wasser zu einer weichen Paste
angerührt und wie oben angegeben verwendet.
Endlich sollen sich auch durch folgende Salbe die Haare schmerzlos entfernen
lasseu : 4 Th. Natrium carbon., 2 Th. Calcaria usta, 5 Th. Carbo Ligni, 5 Tb.
Glycerin und 30 Th. Adeps. G. Hofmann.
Deplaciren. Wörtlich: Verdrängen. Bei der Deplaeirungsmethode handelt es
sich um ein Verdrängen einer mehr oder minder gesättigten Lösung durch eine
minder gesättigte oder ungesättigte. So ist z. B. das Auswaschen von Nieder-
schlägen, das Entfernen der Mutterlauge von den Kry stallen eine Deplacirung.
Die Deplaeirungsmethode wird ferner überall da angewendet, wo es sich um Ex-
traction eiues Körpers durch irgend ein Lösungsmittel handelt. Das eigentlich
Charakteristische für die Deplaciruug ist die Schichtung des zu erschöpfenden
Materials in mehr oder minder hohe cylindrische , nach unten sich verjüngende
Formen , das unveränderte Liegenbleiben dieses Materials bis nach beendigter
Operation und das Aufgiessen der deplacirenden (percolirenden oder extrahirenden)
Flüssigkeit (Wasser, Alkohol . Aether , Benzol , fettes Oel und dergl.) auf den zu
erschöpfenden Körper. Die Flüssigkeit durchdringt den zu erschöpfenden Körper,
löst das in ihm Lösliche und kommt ziemlich concentrirt unten an. Die Deplacirung
wird durch Aufgiessen neuer Meugen Flüssigkeit und Ablassen der concentrirten
bewirkt. Sie ist mithin eine Methode der Extraction. Für die Zwecke der Deplacirung
sind verschiedene Apparate construirt worden, von denen der ROBlQUEi'sche Ver-
drängungsapparat der bekannteste ist. Ueber diese Apparate vergl. Verdrän-
gungsapparate. Ganswindt.
DepOSition (deponere, ablegen), s. Ablagerung (Bd. I, pag. 24).
Paschkig.
Th. Hngemann.
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DERBY CONDITION POWDER. - DERMATODECTE3. 435
Derby CoilditiOn POWder, ein amerikanisches Fabrikat, ist ein ,, Universal-
heilmittelu bei Krankheiten der Pferde etc. and besteht (nach Schädler) ans
circa 40 Tb. Foenum graecum, je 20 Th. Wachholderbeeren und Antimonium crudum,
je 10 Th. 8chwefel und Salpeter, und 2 Th. Brechweinstein.
Derivate. Das Wort entstammt dem lateinischen derivare = ableiten, und
man bezeichnet in der Chemie als Derivate solche Verbindungen , die von einer
als Prototyp aufgestellten sich ungezwungen ableiten lassen. So spricht man von
den Derivaten der Alkohole und elassilicirt als solche eine ganze Reibe von Ver-
bindungen, denen allen aber das für die Alkohole besonders charakteristische
Alkoholradical gemeinsam ist: Einige Derivate des gewöhnlichen Aethylalkohols
mögen das Gesagte veranschaulichen :
H>U CSH0>U Ha>N C2H30>U H>ö
Aethylalkohol Aether Aethylamin Essigsäure- Aethylsulf-
äthylester hydrat
u. s. w. Alle diese Derivate des Aethylalkohols enthalten das Radical C2H6
desselben.
Analog lassen sich u. A. auch von den organischen Sauren sehr viele Derivate
ableiten, so z. B. von der Essigsäure:
CsHSH>° C,h!o>° °hS°>S C8H30.C1 etc.
Essigsäure Essigsäureanhydrid Sulfoessigsäure Acetylchlorid
Wie der erste Blick zeigt, ist auch in allen diesen Derivaten das gemeinsame
Radical Cä H3 0 enthalten.
Ausser den vorerwähnten Derivaten , welche intact das Alkohol-, resp. das
Säureradical enthalten , kennt man jedoch auch noch solche Derivate , bei denen
in diesen Radicalen eine Substitution stattgefunden hat, indem ein, zwei oder mehr
Atome Wasserstoff ersetzt sind durch ein , zwei oder mehr Halogenatome oder
durch ein, zwei oder mehr ein werthige Radicalgruppen. Man bezeichnet diese
Derivate als Substitutionsderivate uud erhält als solche beispielsweise von der
Monochloressigsäure Dichloressigsäure Trichloressigsäure Cyanessigsäure.
Jehn.
Derivation, Derivantia, Derivativ a, derivative Methode (Me-
tkodus derivahva) , von derivare, ableiten (rivus , Bach), s. Ableitung
(Bd. I, pajr. 25). Th. Husemann.
Dermasot, ein Mittel gegen Fussschweiss, ist eine etwa 8procentige Lösung
von essigsaurer Thonerde in Wasser, mit einigen Tropfen E*3igather versetzt uud
mit Kosanilin schwach roth gefärbt.
Dermatica (&paa, Haut), Hautmittel, Bezeichnung für die auf die Haut-
thätigkeit und besonders auf deren hauptsächlichste Function, die Schweisssecretion,
vennehrend oder herabsetzend wirkende Mittel. Andere wenden den Ausdruck auch
auf alle bei Hautkrankheiten verwendeten Medicamente an. Th. Husemann.
Dermatine wird ein neues Isolirmaterial genannt, welches Kautschuk und
Guttapercha zu ersetzen bestimmt ist. Ueber die Art der Herstellung desselben
ist znr Zeit etwas Näheres nicht bekannt.
DermatodecteS, zur Ordnung der Acarina (Milben) gehörige Spinne nthiere,
welche auf der Haut leben, kahle Stellen uud Borken verursachen, ohne Gänge
zn bohren. Dermatodectes eqtri Gerlach wird bis 1 3 mm laug, lebt auf Pferden,
I i Indern, Schafen.
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DERMATOGKN. — DESHYDRATION.
Dermatosen (U^x Haut, yvtxta erzeuge), ist derjenige Theil des Meristems
am Stammscheitel angiogpermischer Phanerogamen aus dem die Epidermis hervor-
geht. Er bildet eine oberflächliche Zellreihe, deren Zellen sich nur durch Scheide-
wände rechtwinklig zur Oberfläche theilen, also als einfache Zellreihe verbleiben.
Man braucht den Ausdruck im Gegensatze zuPeriblem und Plerom (s.d.).
Tschirch.
DermatOmyCOSen heissen jene Hautausschläge, deren Entstehung auf die
Ansiedelung pflanzlicher Parasiten zurückgeführt wird, z. B. Herpes tonsurans,
Favus.
DermatOZOeil (oe-ax, Haut und *öov, Thier) können nur die ausschliesslich
oder doch zeitweise in der menschlichen Haut selbst wohnenden Parasiten bezeichnet
werden ; die blos an Haaren oder an Kleidern haftenden sind E p i z o e" n.
Zu den Dermatozoen gehören: Acorus folliculorum (Haarsaekmilbe) ; Sar-
copfes scabiei (Krätzmilbe) ; Cysticercus Cellulosae (Finne) ; Filaria medinensis
(Medinawurm); Ixodes Ricinus (Zecke); Leptus autumnalis (Herbst-Grasmilbe);
Palt>x pcrietrans (Sandfloh).
OermenchysiS (&p|Mt, Haut und fryy&o, eingiessen), von Rezek vorgeschla-
gener Nanie für Subcutaninjection* Th. Husemann.
DermerethistiCa (&pox, Haut, scsft&o, reizen), hautreizende Mittel, Ab
tneilung der Acria (Bd. I, pag. 116\ wozu ausser den Acria epispastira noch
verschiedene bei chronischen Hautkrankheiten örtlich angewendete , gelinder
wirkende Reizmittel aus den Abtheilungen der ätherischen Oele, Harze und
Balsame, Chrysarobin und diverse empyreuinatische Producte (verschiedene Theer-
arten, Naphthol, Pyrogallol u. A.) gehören. T^h. Husemann.
Dermoid, s. Baig, Bd. n, Pag. 122.
Dermophylla, eine Cucurbitaceen-Gattnng. — Dermophylla pend uli nn
Munso (Bryonia fieifolia Law. , JB. Toyuya Vell., Trianosperma ßcifolia
Hart.) ist ein brasilianischer Strauch, dessen fleischige Wurzel neben Stärke ein
bitteres Harz enthält. Sie dient in der Heimat zu Heilzwecken , besonders als
Purgans.
Derosnes Salz war lange Zeit hiudurch, am Anfaugc dieses Jahrhunderts,
die Bezeichnung des 1803 vom Derosxe dargestellten Narcotins, dessen basische
Natur und Verschiedenartigkeit vom Morphium erst 14 Jahre später erkannt
wurden. Durchschnittlich wurde es als mckonsaures Morphium betrachtet und da-
her denn auch der Name Dekosne's Salz; vergl. auch Narcotin.
G a n g w i n it t.
Desaga's Keuchhustensyrup ist (nach Hager) nichts weiter als ein mit
Rosanilin gefärbter, etwas Alkalicarbonat enthaltender Zuckersyrnp.
Desault's Unguentum ophthalmicum. , Pommade de Desault, ist (nach
Dokvault) eine Mischung von je 1 g Hydrargyrum oxydatum , Zincum tur»/-
datum, Plumbum aceticum, Alutnen ustum, 0.15 g Hydrargyrum bichloratum
corros. mit 8 g Unguentum rosatum rubrum.
DeshydrattOn. Wörtlich: Entwässerung. Man bezieht diesen Ausdruck ge-
meinhin nur auf Weingeist , welchen man von dem mit grosser Zähigkeit festge-
haltenen, keineswegs chemisch gebundenen Wasser befreien will. Der höchste von
den Spritfabriken in den Handel gebrachte Weingeist, der Spiritus rectißentissimus
der Pharmacopöen, enthält 9<> Procent Aethylalkohol und 4 Procent Wasser. Durch
Deshydration kann man noch 21,3 — 3 Procent Wasser entfernen und erhält da-
durch den Alcohol ahsohttus von i>8.5 — 1)9 Procent Aethylalkohol. Dieses letzte
Procent Wasser hat man dem Aethylalkohol auf keine bis jetzt bekannte Weise
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DESHYDRATIOK. — DESINFECTION.
437
entziehen können. Zur Dehydration bedient man sich des sogenannten Colonnen-
Apparates, einer kugelförmigen Destillirblase mit Dampfmantel und hohem cylin-
drischem Rohr an Stelle des Helms; dieses Rohr (die Colonne) besitzt eine grosse
Anzahl von Etagen, welche circa 15 cm von einander abstehen und mit frisch
geschmolzenem Chlorcalcium beschickt sind, Aber welches der Dampf zickzackförmig
streichen muss, ehe er in den Kühler gelangt. Ganswindt.
Desfiydrogenation. Ein chemischer Process, bei dem von einem Körper
oder einer Verbindung durch Einwirkung von Oxydationsmitteln oder von Halogenen
Wasserstonatome abgespalten werden , ein Process , den man gemeinhin mit
Oxydation bezeichnet, was jedoch thatsächlich falsch ist. Als Oxydation kann man
nur denjenigen Process anerkennen, bei welchem der dem Oxydationsmittel unter-
worfene Körper Sauerstoff aufnimmt, wo also dem ursprünglichen Körper
ein oder mehrere Sauerstoffmoleküle binzuaddirt werden. In allen den Fällen
aber, wo der behandelte Körper keinen Sauerstoff aufnimmt, vielmehr aus dem
bisherigen Verbände Wasserstoff- Atome abgespalten werden, kann von
Oxydation doch füglich keine Rede sein. Erklären lässt sich die Bezeichnung
„Oxydation" nur so, dass man sagt, die Abspaltung von Wasserstoff-Atomen habe
stattgefunden durch Einwirkung oxydirender Substanzen. Nun ist
aber bekannt, dass wir in vielen Fällen das gleiche Resultat erzielen durch Be-
handeln mit Chlor. Man sagt daher wohl auch „das Chlor wirke oxydireud", was
doch thatsächlich nicht der Fall ist. Wir erhalten nur durch Einwirkung von
Chlor in vielen Fällen das gleiche Resultat , wie durch Einwirkung oxydirender
Agenden; aber die Bezeichnung Oxydation ist hier doppelt unzulässig, weil hier
eine Abscheidung von Wasserstoffmoleküleu erfolgt , welche keineswegs durch Ein-
wirkung von Sauerstoff und Bildung von Wasser bedingt ist. Die einzig richtige
Bezeichnung für diesen Process der Abspaltung von Wasserstoff ist jedenfalls
Deshydrogenation, wie wir nach geuau denselben Principien doch auch von
Desoxydation sprechen.
Am schönsten lässt sich der Unterschied dieser beiden verschiedenen Pro-
oesse erkennen bei dem Uebergange der bekannteu Alkohole der Fettreibe von
der Formel CnH3n + 1 .OH in die entsprechenden Säuren. Dieser Process wird
gemeinhin als Oxydationsprocess bezeichnet, bei dem im ersten Stadium der Oxy-
dation ein intermediäres Produet: Aldehyd, entsteht, während sich bei fortgesetzter
Oxydation die correspondirende Säure bildet. Thatsächlich verhält sich die Sache
aber so, dass die Aldehydgruppe sich bildet aus dem Alkohol durch Deshydro-
genation; dagegen bildet sich die Säure aus dem Aldehyd durch Oxydation.
Z. B. Aethyl-Alkohol = Ca Hö OH = C2 H„ 0.
Aethylaldehyd (Acetaldehyd) = C H„ 0 — 2 H = Cs H4 0 = CH3 . COH.
Aethylsäure (Essigsäure) = C2 H, 02 = C2 H, 0 -4- 0 = CHS . COOH.
Ganswindt.
Designolles Pulver, s. Pikrinsäure.
DesinfeCtiOn, DesinfeCtiOnSmittel. Der jetzt so vielgebrauchte Auadruck
„Desinfection" tritt zunächst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts bei einigen
englischen Schriftstellern mehr nebensächlich in der Zusammensetzung „Disinfectants"
(■= Desinfectionsmittel), als Buchtitel im Jahre 1801 in Guyton Morveau's
Werk „Desinfection de l'air" (Paris) auf. In begrifflicher Beziehung stellt sich
das „Desinficiren" selbstverständlich dem „Inficiren" gegenüber, ohne jedoch dem
Sprachgebrauche nach das präcise Gegentheil des letzteren vollgiltig auszudrücken.
Vielmehr steht das „.Inficireh" zunächst noch immer in einer schwer löslichen
Verbindung zum Begriffe der Vergiftung, uicht weniger bezieht es sich, wenn
man das Wort mit „Anstecken" übersetzen will, gleichzeitig auf die Verbreitungs-
art der in Frage kommenden Krankheiten. Jedenfalls bezweckt die Desinfection,
Anstecknngsstoffe — sie mögen in ihrer Gestalt bereits erkannt oder hypothetisch
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418
DES1NFF.CTI0N.
a d genommen sein — an ihrer Uebertragung auf empfängliche, gesunde Menschen
zu bindern, die gefährlichen Stoffe zu zerstören, resp. bis zur Unschädlichkeit zu
verändern, endlich auch , sie an solche Orte zu schaffen , wo sie Ansteckungen
nicht mehr hervorzubringen im Stande sind.
Es liegt durchaus in der Entwicklung dieser unter sich verschiedenen Auf-
gaben, dass die verschiedenen praktisch interessirten Kreise sich nicht gleich-
roässig mit den Mitteln beschäftigt haben, welche dem einen oder dem anderen
Ziele dienen. Die verschiedenen Methoden der Reinhaltung des Bodens (Beseitigung
der Fflcalien), der Zerstörung durch Feuer, der Anwendung der trockenen oder
feuchten Hitze zu Desinfectionszwecken — sie werden als ferner liegende anzusehen
sein, wo es sich — wie hier — in erster Reihe darum handelt, einen Ueberbliek der-
jenigen Desinfectionsaufgaben zu geben, welche mittelst chemischer Agenden zu
erreichen sind. Bei diesem Bestreben ist es nicht zu umgehen, Stellung zu jenen
Mitteln zu nehmen, welche man in früheren Perioden der Forschung als geruchs-
verändernde Desinfectionsmittel oder als antimiasmatische Mittel bezeichnet hat,
welche dagegen zur Zeit vielfach als „Desodorantie n" den wirklichen Des-
infectionsmitteln gegenübergestellt werden. Die Entwicklung der Lehre von den
Miasmen, wie sie sich wahrend des Mittelalters durch eine Reihe von Jahr-
hunderten vollzog, führte darauf, der den Menschen umgebenden Luft, mit welcher
er in unvermeidlicher intimer Berührung lebt , einen Hauptantheil an der Ver-
breitung der ansteckenden Krankheiten zuzuerkennen. Es bildete sich folgender
Gedankengang : „Die Ansteckungsstoffe entwickeln sich in Folge von Zersetzungs-
processen. Zu den schlimmsten Zersetzungsprocessen gehört die ammoniakalische
Fäulniss, und als Richter über das Vorhandensein von Fäulniss entscheidet das
Geruchsorgan." So wurden in weiteren Schlüssen alle diejenigen Mittel , welche
üble Gerüche vertrieben , verhinderten oder übertäubten , als Desinfectionsmittel
erster Classe angesehen, die Desinfection mit der Desodorisation vollkommen
identificirt, wiewohl es nichts weniger als erwiesen war, dass übelriechende Gase
ansteckten oder auch nur die stetigen Begleiter der gefürchteten Ansteckungs-
stoffe bildeten.
Gegen sämmtliche gasige Verunreinigungen der Athemluft erscheint die Zu-
führung neuer Luft, die dadurch zu bewirkende Verdünnung und mechanische
Entfernung aller dieser Gase als das rationellste (weil innerhalb physikalischer
Beweisführung liegende) Mittel. Allein man hat noch bis in die neueste Zeit eine
Reihe von chemischen Mitteln gegen offensive Gase und Miasmen in's Feld geführt
und besonders der oxydirenden Wirkung, wie sie dem Ozon, dem Chlor, dem
Brom, Jod, der salpetrigen und schwefligen Säure, dem über-
mangansauren Kali innewohnt, eine zerstörende Einwirkung auf die prä-
sumirt schädlichen Luftverunreinigungen zugeschrieben. Ozon sollte, als Riech-
und Farbstoff zerstörend, mittelst Abgabe des in ihm locker gebundenen dritten
Atoms Sauerstoff, kräftig oxydirend auch auf Miasmen wirken ; bei Jod, Brom und
Chlor sollte diese hypothetische Wirkung auf dem grossen Vereinigungsstreben
zum Wasserstoff beruhen, so dass der freiwerdende Sauerstoff des Wassers für fähig
gehalten wurde, die gewünschten energischen Oxydationen auszuführen. Dem
Chlor wurde seine souveräne Herrschaft in der Desodorisation und Antimias-
matik noch durch die Kraft gesichert, mit der es die Kohlenwasserstoffe, den
Schwefelwasserstoff, das Ammoniak und nahezu alle wasserstoffhaltigen, organischen
geruchausströmenden Stoffe thatsächlich zerlegt.
Als leicht Sauerstoff abgebend genoss die salp etrige 8 äure, als denjenigen
chemischen Verbindungen, welche locker gebundenen Sauerstoff enthalten, diesen
entziehend, die Bchweflige Säure den Ruf eines Antimiasmaticum. Unter de«
nicht flüchtigen oxydirenden Mitteln wurde namentlich das übermangansaure
Kali zur riiKchädliehmachung gasförmiger Zersetzungsproducte verwandt, weil
es in Berührung mit leicht oxydablen Stoffen zu Manganoxydul reducirt wird und
durch theilwei.se Abgabe seines Sauerstoffes stinkende Körper zersetzt. Auf chemi-
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DESINFECTION.
439
scher Grandlage beruhte ferner die Anwendung der Mineralsäuren als Des-
odorißationsmittel , da sie Ammoniak zersetzen, eine Wirkung, die ferner unter
den organischen Säuren besonders der Essigsäure zukommt. In Flüssigkeits-
gemischen bewirkten Eisenvitriol und andere sauer reagirende Salze diesen
Effect, in Abfallsflflssigkeiteu bildeten Eisen, Zink und verschiedene ihrer
Verbindungen mit dem darin befindlichen Schwefelwasserstoff und Schwefel-
ammonium, Schwefelmetalle und desodorisirten derartige Flüssigkeiten auf diese
Weise.
Demnächst wurden als Antimiasmatica noch legitimirt jene festen , porösen
Körper, welche das Vermögen besitzen , Gase in bedeutender Menge zu absorbiren
und gleichzeitig die Oxydation der gebundenen Gase zu bewirken, wie der Platina-
moor, die frisch geglühte thierische, die Holz- und Torfkohle, und die
FäUnngsmittel, Chemikalien, welche dem Ablauf der Zersetzungsprocesse durch
Entfernung eines der für die Zersetzung unbedingt nothwendigen Factorcn
unterbrechen : Aetzkalk, der mit der in faulenden Flüssigkeiten reichlich vor-
handenen Kohlen- und Phosphorsflure die entsprechenden unlöslichen Niederschläge
bildet , und Aluminiumsalze, welche sich mit Alkalien , Ammoniak und
Schwefelammonium leicht zu Thonerdehydraten niederschlagen, sind hier in erster
Reihe zu erwähnen. Dagegen kann für die Möglichkeit, dass die Luft durch
Räucherungen mit wohlriechenden Harzen, ätherischen Oelen oder mit Essig
aus einer schädlichen Luft in eine unschädliche verwandelt werde, kein plau-
sibler Grund angeführt werden. Selbst der noch zuweilen von Anhängern der
Räucherungen vorgeschützte Zweck: alle derartigen Operationen riefen Bewegun
gen der Luft und vermehrten Austausch derselben mit äusseren Luftschichten
hervor, kann durch Ventilation, durch Beschleunigung des Luftaustausches auf
mechanische Weise viel sicherer und vollständiger erreicht werden. Ausserdem ist
mit Recht geltend gemacht worden, dass überall da, wo wohlriechende Gase
die übelriechenden verdecken uud übertäuben, eine gewisse Schwierigkeit ein-
tritt, die Quellen der letzteren schnell aufzuspüren, resp. die Unreinigkeiten selbst
zu entfernen.
Das eigentliche Urtheil über die Desodorantien wurde jedoch erst gesprochen,
als die Desinfectionsforschung sich in der sogenannten bacterioskopischen
Methode eine ganz neue Grundlage schuf. Nachdem zuerst das Kriterium der
Geruchsempfindung verdrflngt worden war durch die gröberen Reactionen , welche
das Leben kleinster Organismen bei der Berührung mit chemischen Desinfections-
mitteln entfaltet, gelang es bald, die Anforderungen an diese Reactionen immer
schärfer zu präcisiren. Die Verfärbungen , das Aufhören der Eigenbewegung,
das Eintrocknen wurden als unzureichend erkannt, und es gilt jetzt wohl
unwidersprochen als nothwendige Anforderung an ein Desinfectionsmittel, dass es
kräftig genug sei , bestimmte , sehr lebenszähe Krankheitsorganismen so zu ver-
ändern und zu beeinflussen, dass sie ihre Fortpflanzungsfähigkeit
verlieren.
Unter der Voraussetzung, dass die meisten Krankheitserreger, besonders aber
die bereits in Bacillenform entdeckten (Rauschbrand-, Lepra-, Tuberkel-, Typhus-
bacillen) ebenfalls Dauerformen haben dürften, hat R. Koch die Abtödtuug einer-
seits der Stäbchenform, andererseits der Dauersporen des Milzbrandes als
Minimalforderungen an die Mittel zur Desinfection aufgestellt. Die bei seinen
Versuchen befolgte Methode bestand darin , dass Seidenfäden , welche mit milz-
brandsporenhaltiger Flüssigkeit reichlich getränkt und dann getrockuet waren, in
Lösungen des zu prüfenden Desinfektionsmittels gethan wurden, und darin längere
Zeit verweilten. In Nährgelatine (Blutserum Gelatine) zur Züchtung angesetzt,
wuchsen nicht abgetödtete Sporen unter den geeigneten Brutbedingungen zu
charakteristischen Milzbrandfflden aus, wahrend abgetödtete Sporen absolut reactions-
loa verharrten und die Nflhrgelatine klar und unverändert Hessen. Die Inficirung
geeigneter Thiere wurde häufig als Parallelversuch vorgenommen.
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DESLXFECTION.
Eine Desinfection — im Sinne dieser Sporentödtung — erzielten nach
eintägiger Einwirkung:
Frischbereitetes Chlorwasser,
Bromwasser von 2 Proeent Bromgehalt,
Jod w asser,
Sublimatlösung von 1 Procent Sublimatgehalt,
Lösung von Kali hypermang. (5 Procent),
0 8 miumsäure- Lösung von 1 Procent Gehalt,
Carbolsäure (nicht unter 10 Procent in Lösung).
Nach fünftägiger Dauer der Einwirkung erreichten
Terpontiuöl,
Chlorkalk in öprocentiger Lösung,
Schwefelammonium — den Tödtungseffect.
Sechs Tage bedurften zu gleicher Wirkung:
Eisenchlorid]: T »
~, , ... } in oprocentiger Lösuug.
Chlorpikrin |
Nach lOtägiger Wirkung waren die Milzbrandsporen durch
Chinin (1 Procent mit Salzsäure).
Salzsäure (2 Procent in Wasser),
Arsenik (1 Procent in Wasser),
Ameisensäure (von 1.120 spec. Gewicht);
nach 30tägiger Einwirkung noch durch
A et her — getödtet.
Ohne Tödtungseffect blieben (nach beliebig langer Einwirkung) : Destillirtes
Wasser, Alkohol, Aceton, Glycerin, Buttersäure, Oel, Schwefel koh 1 eil-
st off, Chloroform, Benzol, Petroleumäther, Ammoniak, Chlorammonium, Koch-
salzlösung (concentrirt) , Chlorcalciumlösung , Chlorbarium (5 Procent in
Wasser) , Bromkalium , Jodkalium , Kalkwasser , Schwefelsäure, Cblor-
z i n k, Zink- und Kupfervitriol, schwefelsaures Eisenoxydul , schwefelsaure Thon-
erde, Alaun, chromsaures und doppeltchromsaures Kali, Chromalaun, Chrom-
säure, chlorsaures Kali, Borsäure, Borax, Schwefelwasserstoffwasser, Schwefel-
ammonium, Senföl mit Wasser, Essigsäure, essigsaures Kali, essigsaures Blei,
Kaliseife , Milchsäure , Tannin , Triäthylamin, Benzoesäure und benzoe-
s a u r e 8 Natron, Zimmtsäure, Indol. Skatol, Leucin, Chinin (ohne Salz-
säure), Jod in Alkohol, Valerian-, Palmitin-, Stearin-, Oleinsäure (sämmtliche in
Aether), Xylol, Thymol, Salicylsäure (diese drei in Alkohol) , Salicylaänre,
in Oel, Oleum animale und Oleum Menthae pip. (in Alkohol).
Die indifferente Haltung dieser Stoffe (die besonders seitens der gesperrt ge-
druckten viel Auffälliges hat) bezieht sich — wie betont werden muss — lediglich
auf Milzbrands poren. Auf der anderen Seite bedürfen manche wirksame
Mittel einer viel zu langen Einwirkungsdauer, um für praktische Desinfectionszwecke
noch brauchbar zu sein. Denn es kommt in der Praxis oft vor, dass die zu des-
inficirenden Gegenstände mit dem in flüssiger Form vorhandenen Desinfections-
mittel nur flüchtig angefeuchtet , besprengt oder gewaschen werden können : in
solchen Fällen soll das Mittel in wenigen Minuten seinen Zweck erfüllen. Von
Mitteln, welche zur Erreichung des Desinfectionszwecke» mehrere Stunden in An-
spruch nehmen, wird sich sagen lassen, dass ihre Anwendung eine sehr schwerfällige,
von Mitteln, welche sporentödtend erst in mehr als 24 Stunden wirken, dass die
Procedur mit ihnen im Grossen kaum noch ausführbar ist. Somit würden sich
nach diesen Koch 'sehen Ermittlungen als brauchbare Desinfectionsmittel nur
Chlor, Brom, Jod und Sublimat herausstellen.
Dieses letztere Mittel war es nun auch, welches seine enorm desinficirende
Kraft des Weiteren in der Reihe von Versuchen bewährte, welche Koch über
die Frage nach der Entwicklungshemmung der Milzbrandfäden (nach gleicher
Methode) anstellte. Für diesen Zweck erwies sich Sublimat bereits im Verhältnis«
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DESINFFXTION.
441
einer Lösung von 1 : lOOOOOO als wirksam , da es bei dieser Verdünnung schon
einen unverkennbar hemmenden Einfluss auf das Wachsthum der Milzbrandbacillen
ausübte; in einem Lösungsverhältnisse von 1:300000 hob es ihre Entwicklung
vollständig auf. Sehr einflussreioh erwiesen sich in gleichem Sinne
der Aethylalkohol in Verdünnung von 1 : 167000 Wasser
das Senfol „ r „ 1 : 330000 „
das Terpentinöl „ „ „ 1 : 75000 n
das Thymol „ „ „ 1 : 80000 „
Bei einer Reihe weiterer untersuchter Körper lag der Maassstab der Verdünnung,
in welcher sie eine erkennbare Beeinflussung des Bacillenwachsthums ent-
falteten, weit entfernt von demjenigen , in welchem sie kräftig genug waren, das-
selbe ganz aufzuheben. So bei
Arscnigsaurem Kali : die Behinderung bei 1 : 100000,
die Aufhebung bei 1
10000
fhromsäure :
••
r
„ 1:10000,
••
'<
r 1
:5000
Pikrinsäure :
••
„ l : lowo,
„ 1
:5000
lihtiuäure :
n
•■
r 1 : 40000,
-
„ 1
:8Ö00
rebermangansaurem Kali : „
„ 1:30000.
••
* 1
:1400
Borsänre :
„ 1:1250,
„ 1
:S00
Borax:
«
r 1 : 2UOO,
•■
V
- 1
:700
Salzsäure :
••
r \ : 251 X),
T!
••
„ 1
:17O0
Salicylsäure :
„ 1 : 3*00,
r
* 1
:1500.
Jod Hess erE
it im Verhältniss
von
1 : 5000, Brom
und Chlor
bei
1 : 1500,
Carbolsäure bei 1 : 1250 eine merkliche Beeinflussung des Bacillenwachsthumes
erkennen. Merkwürdig und für praktische Desinfectionszwecke vielleicht von weit-
tragender Bedeutung ist die ebenfalls gelegentlich dieser Versuchsreihe ermittelte
Tbatsaehe, dass K aliseife bei 1 : 5000 bereits eine Behinderung, bei 1 : 1000
vollständige Aufhebung des Wachsthumes der Milzbrandbacillen bewirkt. Von nicht
unbedeutend hemmender Wirkung, aber zur völligen Aufhebung der Entwicklung
doch zu schwach erwiesen sich noch Kampfer, Eucalyptol, Chloralhydrat, chlor-
saures Kali, Essigsäure und roher Holzessig, Alkohol und Kochsalz.
Seit der allgemeineren Einführung der oben dargelegten Methoden, die Des-
infectionsmittel und die ihnen zugetrauten Wirkungen an Keinculturen bestimmter
Mikroben auszuprobiren, haben sich im Wesentlichen z wei Richtungen der Forschung
geltend gemacht; die eine geht darauf aus, für jede neuentdeckte pathogene
Mikroorganismenart ein specifisches Desinficiens zu entdecken, wie es etwa das
8ublimat den Milzbrandsporen gegenüber darstellt, und möglichst eben auch die
am meisten gefürchteten Dauerzustände der pathogenen Bacillen zu bekämpfen.
In diesem Sinne haben Koch und seine Schüler an Tuberkel- und Cholera-Bacillen,
andere Forscher (8ternberg) an Diphtherie- und Pockenorganismen, an Lepra-
bacillen, Gonorrhoecoccen etc. zahlreiche Versuche angestellt, von denen — als
von actueller Bedeutung — noch die hinsichtlich der Cholera erhaltenen hier
Platz finden mögen. Eine Entwicklungshemmung der Cholerabacillen bewirkten am
entschiedensten :
('hinin bei einem Lösungsgehalt von 1 : 5000
Kupfersulphnt „ „ ' „ 1:jTi00
Pfefterminzöl „ „ „ „ 1:2O»0
(Karbolsäure r „ .. .. 1:400
Kampfer n m „ „ 1:300
Alaun - r - r 1:100
Eisenxnlfat r „ „1:50
Jedoch erwies sich auch den Cholerabacillen gegenüber unter allen chemischen
Mitteln das Quecksilbersublimat am wirkungsvollsten (nebenbei sterben gerade
diese Bacillen leicht und schnell durch Trocknen ab;.
Die zweite Richtung in der Erforschung neuer Desinfectiousmittel (beziehungs-
weise in der Werthbestimraung bereits bekannter) nimmt als Object die wider-
standsfähigsten Bacterien: so neben den Sporen des Milzbrandes noch besonders
einen grössere Sporen bildenden Bacillus, der sich in jeder Gartenerde vorfindet.
Ein Mittel, welches diese Mikroorganismen tödtet (so deducirt man) wird auch
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442
DESINFECTION.
ein unfehlbarer Beweger aller noch unbekannten krankheitserzeugenden Mikroben
sein. Nach diesem Schema sind ganz neuerdings Brom und Chlor (das letztere
mit relativ besseren Ergebnissen) und vor Allem (mit sehr zufriedenstellendem
Resultat) der strömende Wasserdampf — die feuchte Hitze — auf ihre bacterien-
tödtende Kraft erforscht worden.
Bei dieser Lage der Desinfectionsfrage würde es nur verwirrend wirken können,
wollte man an dieser Stelle die so oft wiederholten Uebersichten derjenigen Stoffe
reproducireu, welche den Fäcalien, um sie angeblich zu desinficiren, beigemischt
worden sind. Eine reelle Mikroorganismentödtung ist innerhalb der Fäcalmasaen
nahezu unausführbar; zur Desodorisirung dienen am rationellsten die billigsten
noch wirksamen Mittel: Eisenvitriol, Chlorkalk, rohe Carbolsäure.
Für alle sonstigen Desinfectionsz wecke sind als unentbehrlich zu bezeichnen:
a) Ein billiges Haushaltungsmittel zur Erfüllung der primitiven Anforderungen
im Grossen, zur Keiniguug von Böden, Möbeln, Gerätschaften, benutzter Kranken-
wasche. Dieses Mittel scheint gefunden in der K a 1 i s e i f e (auf 10 Liter lauwarmes
Wasser 15 g grüne Seife), da eine Lösung von 1 : 1000 bereits eine vollständige
Aufhebung des Wachsthumes der Milzbrandbacillen bewirkt.
Ii) Ein Mittel, welches bestimmte Krankheitserreger (besonders die der Wund-
infectionen) sicher tödtet, mit den menschlichen Körperflächen (Operationsfeld,
operirende Hand) in unschädliche Berührung gesetzt werden kann und auch, in
die Luft verstäubt, einer Wirkung auf dort etwa vorfindliehe Krankheitserreger
fähig ist, ohne die Luft unathembar zu machen: Die Carbolsäure, Concen-
tration 3 — 5 Procent , wovon die erstere zu Sprühvorrichtungen und körperlichen
Reinignngszwecken, die zweite zur Desinfection von Instrumenten und Vermischung
mit Excreten;
c) erschien noch neuerdings ein Mittel unentbehrlich, welches die Aufgabe erfüllen
sollte, jene Keime abzutödten, welche man sich vom Kranken auf die Begrenzungs-
flächen des Krankenraumes und in die Luft des Krankenzimmers übergegangen,
in derselben suspendirt denkt. Ganz treffend nennt ein amerikanischer Forscher
dieses aus einer laienhaften, aber noch nicht widerlegten Hypothese hervorge-
gangene Bestreben : additional precaution. Bei der notorischen Unzulänglichkeit
der früher zu diesem Zweck benutzten schwefligen Säure (in 15 g auf 1 cbm) and
Angesichts einiger dem Brom in stärkerem Maasse anhaftenden Unzuträglichkeiten
war man für diesen Zweck wieder zum Chlor (gleiche Theile Chlorkalk und Sah-
säure innig gemischt) zurückgekehrt.
(I) Bei besonders gefährlichen Infectionskrankheiten dürfte das Sublimat nicht
entbehrt werden können, nachdem seine ausserordentlich aicher abtödtende Wirkung
an so vielen resistenten Bacterienarten erprobt worden ist. In Laienkreisen wie
bei Behörden stösst seine Einführung noch vielfach auf Hindernisse wegen seiner
Giftigkeit. Jedoch ist eine Sublimatlösung, wie sie für die meisten Desinfections-
zwecke vollkommen ausreicht : von 1 : 5000 noch nicht so giftig, wie eine fünf-
procentige Carbollösung. Unvorsichtigem Gebrauch bei der Anfeuchtung von
Wäsche und Kleidern , beim Zusatz zu verdächtigen Ausscheidungen , bei der
Hände- und Körperreinigung Hesse sich dadurch vorbeugen, dass von einer durch
den Arzt zu verschreibenden , als „Gift" zu signirenden und aufzubewahrenden
SuMimatlösung von 1:1000 erst im Momente der Anwendung ein Theil mit
fünf Theilen (kalten) Wassers zur schwächeren Lösung verdünnt würde.
Als fünftes unentbehrliches Desinfection smittel ist die Hitze (in besonderen
Anstalten applicirt) anerkannt.
Was schliesslich die in der Praxis auszuführenden, von den polizeilichen
Orgauen zu überwachenden Desinfeetionsanweisungen anlangt, so sind
neueren und neuesten Datums sehr vereinfachte Vorschriften pnblicirt worden.
Während die seitens der Statthaltern in Böhnieu vom 16. April 1880 (und in
geringerem Grade auch die Verordnung des Berliner Polizei-Präsidiums
vom 15. August 1883; noch besondere Verfahrungsweisen für Luftdesinfectionen
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DESINFKCTION.
443
und ihnen nahestehende Aufgaben enthalten, beschrankt sich die neueste An-
weisung der letztgenannten Behörde vom 7. — 8. Februar 1887 auf peinlichste
Reinlichkeit für den Kranken selbst, seine lebende und todte Umgebung, das
Krankenzimmer und dessen gesammten Inhalt; ausgiebige und häufige Erneuerung
der Luft im Krankenzimmer; schleunigste Entfernung und Unschädlichmachung
aller Ansteckungastoffe und werthloser Gegenstände.
Als Desinfectionsmittel dienen: a) strömender überhitzter Wasser-
dampf in den von der Stadt Berlin eingerichteten Desinfektionsanstalten ;
b) halbstündiges Kochen in Wasser; c) eine öprocentige Carbol-
säurelösung, hergestellt durch sorgfältige Mischung (Umrühren) von 1 Theil
sogenannter lOOprocentiger Carbolsäure (Acidum carbolicum depuratum) mit
18 Theilen Wasser; d) eine 2procen tige Carbolsäurelösung, hergestellt
aus l Theil derselben Carbolsäure mit 45 Theilen Wasser; e) Verbrennung
werthloser Gegenstände.
Neben der Reinigung der Ciosetsitze (mit öprocentiger Carbolsäure-
lösung), dem Verbot des Essens und Trinkens im Krankenzimmer, der Ver-
brennung von Verband stücken und der Reinigung der Instrumente
(ebenfalls mit 5procentiger Carbollösung) und der Beseitigung übler Gerüche durch
Lüftung allein (nicht durch Räuchern) ordnet diese Desinfectionsanweisung an :
„Nach Ablauf der Krankheit bringe man benutzte, nicht waschbare K 1 e i d u n g 8-
stücke, Betten, Kissen, Matratzen, Decken, seidene Stoffe,
Teppiche, Pelzwerk, Polstermöbel ohue fournirtes äusseres Holzgestell
vorsichtig, d. h. ohne viel zu rühren, beziehungsweise gar zu schütteln oder aus-
zuklopfen, in ein mit 2procentiger Carbolsäurelösung angefeuchtetes Leinentuch
eingebunden, in eine der städtischen Desinfectionsanstalten mittelst deren Trans-
portwagen."
„Besudelte Ledersachen (Schuhwerk) siud mit öprocentiger Carbolsäure-
lösung zu reinigen."
„Alle werthlosen Gegenstände (Bettstroh, unbrauchbar gewordene
Kleider und dergleichen) werden verbrannt, und zwar, soweit nach Umfang
möglich, im Heiz- oder Kochherd , welcher zur Zeit mit Speisen nicht besetzt
sein darf; grössere Gegenstände aber, wie grosse Mengen Bettstroh, gefüllte
oder leere Bettsäcke und dergleichen werden durch die Revierpolizei den
städtischen Desinfectionsanstalten zur Unschädlichmachung überwiesen."
In Bezug auf Räume und deren Grenzflächen beschränkt sich ferner
die Berliner Anweisung auf das Folgende :
„Polirte und geschnitzte Möbel, Bilder mit Rahmen, Metall- undKuust-
gegenstände werden mit trockenen Lappeu scharf, Tapeten wie gestrichene
Wände mit Brod trocken und scharf abgerieben, nachdem der Fussboden des
Zimmers vorher mit öprocentiger Carbolsäurelösung stark angefeuchtet ist."
„Von den Wand flächen, welche mit Auswurfsstoffeu des Kranken besudelt
sind, müssen Tapeten, beziehungsweise Anstrich nach Anfeuchten mit öprocentiger
Carbolsäurelösung durch Abkratzen in entsprechender Ausdehnung entfernt werden."
„Alle Fussböden ohne Unterschied, Thflren, Fenster, sowie alle Holz-
bekleidungen ohne Politur sind nach Cholera, Pocken, Diphtherie, Fleck- und
Rückfalltyphus mit öprocentiger Carbolsäurelösung sorgfältig abzuscheuern ; letztere
lässt man in etwaige Dielenfugen einziehen nnd wäscht die gereinigten
Flächen mit reinem Wasser nach."
„Das zum Abreiben verwendete Brod, beziehungsweise die Lappen werden ver-
brannt, etwa noch brauchbare Tücher in 2procentiger Carbolsäurelösung auf 24 Stunden
eingeweicht, dann in Wasser gekocht und in heisser Kali-Seifenlösung gewaschen."
„Nachdem so jeder Gegenstand im ehemaligen Krankenzimmer, wie jeder Theil
des letzteren .selbst, vorschriftsmäßig und sorgfältig gereinigt ist, lüfte man das
Kraukenzimmer nach Cholera, Pocken, Diphtherie, Fleck- und Rückfall-
Typhus 24 Stunden hindurch."
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414
DESINFECTION.
Es wird also das Verbreiten von gasförmigen Emanationen (Brom, Chlor,
schweflige Säure) ganz vermieden. — Verdächtig« Leichen sollen — ohne sie
zu waschen — in mit Carbol getränkte Leinentücher eingehüllt und baldmöglichst in
die Leichenhalle geschafft werden. Alle der Ansteckung ausgesetzten Personen
sollen die Hände in 2procentigc Carbollösung, Pfleger auch Bart- und Haupthaar
sorgfältig reinigen, die Desinfeotoren einen besonderen Arbeitsanzug bei
ihrem Dienst tragen.
Es ist zu erwarten, dass die Sanitätspolizeibehörden durchwegs dieses sehr
vereinfachte Reglement adoptiren werden, sobald dasselbe erst einmal praktisch
bewährt und in seiner Leistungsfähigkeit probehaltig befunden sein wird.
Literatur. (Es »ind nur Haupt werke aufgeführt ; ein vollständiges Verzeichnis
findet sich in Eulenburg' s Real-Encyclop&die, Art. Desinfection): Angus Smith, Desinfectants
and Desinfection. Edmburg 1869. — Faye, Queis sont les vrais agenta chimiques etc.
Compt. rend. ltiTO. — H. Eulenberg und H. Vöhl, Die Kohle als Desinfectionsmittel
und Antidot. Vierteljahrschr. f. gerichtl. Med. 1^70. — C. Esse. Die Desinfection von
Kleidungsstacken, Matratzen etc. in öffentl. Krankenhäusern. Vierteljahrschr. f. öffentl. Ge-
sundheitspflege. 1871. — Reinigung und Entwässerung Berlins. Hefte von 1871 und folgende. —
Liebreich, Ueber präcipitirende Desinfectionsmittel. Bert. klin. Wochenscbr. 1872. —
Devergie, De la desinfection de la morgue de Paris. Ann. d'hyg. 1873. — Adams. On
the use of desinfectants. London 1873. — Camer er, Ueber Desinfection und D esodorisirung
der Excremente. Württemb. Corr.-Bl. 1874. — öalkowski, Ueber einige Desinfectionsmittel
Vierteljahrschr. f. gerichtl. Medic. 1875. — Vallin. De la desinfection par lair chaud.
Ann. d'hyg. 1877 und 1878. — Merke, Die DesinfectionseinrichtunRen in Moabit. Vircbow's
Archiv 1879 und 1880. — v. Pettenkofer, Bericht über die Desinfection von Schiffen.
Berlin 1879. — Mehlhausen, Versuche über die Desinfection geschlossener Räume.
Ebenda. — A. Wer u ich, Grundriss der Desinfectionslehre. Wien 1880. Zweite Auflage,
1882. — F. Hoff mann, Ueber Deainfectionsmaaseregeln. Vierteljahrschr. f. öffentl. Gesund-
heitspflege. 1880. — Pasteur et Collin, Etablissements ä Paris etc. Ann. d'hyg. 1880.
— Wolffhügel, Koch, Gaffky, Löffler, Htippe. Knorre, Mittheilungen ans dem
kaiserl. Gesundheitsamte. Berlin 1881, Nr. 5 6, 8, 9. 10, 11. — G. M. Stern berg. Ex-
periments with Desinfectants. Nat Board of Health.-Bull. 1881. — E. Vallin, Traite des
desinfectants et de la desinfection. Paris 1882. — Hoppe, Ueber einige Vorfragen zur
De*infectionslehre. Militärarzt!. Zeitschr. 1882. — B.Fischer und B. Pros kauer. Ueber
die Desinfection mit Chlor und Brom. Mitheilnngen d. kaiserl. Gesundheits-Amtes. 1884. —
Conferenz zur Erörterung der Cholerafrage. II. Berl. klin. Wochenschr. 1885. — M. Wolff.
Ueber die Desinfection durch Temperaturerhöhung. Virchow a Archiv 1885. — Ueber städt.
Depinfectionsanstalten. Verband], des d. Vereines f. öffentl. Gesundheitspflege in Breslau. 18S6.
W e r n i c h.
Von den vom Publikum in den Apotheken häufig verlangten Desinfection*-
mittein (die aber, wie aus der vorstehenden Abhandlung ersichtlich ist , ihrem
grö»8teu Theile nach, nur „Desodorirungsraittel" sind) mögen folgende
genannt sein:
Desinfectionsmittel, a) pulverförmige. 10 Th. rohe Carbolsäure, mit 90 Tb.
Torfgrus, Sägespähnen, Steinkohlenasche oder dergl. gut gemengt. — 20 Th. rohe
Carbolsäure , 30 Th. Kalkhydrat, 50 Th. Torfgrus. — 10 Th. Steinkohlentheer,
90 Th. Sägespähne , Torfgrus , Asche oder dergl. — 10 Th. rohe Carbolsäure
unter DO Th. Torfgrus gemischt, dann mit 100 Th. grob gepulvertem Eisenvitriol
vermengt. — 10 Th. rohe Carbolsäure. 15 Th. Kalkhydrat, 75 Th. Gyps. —
Chlorkalk für sich allein oder mit gelöschtem Kalk oder Gyps gemischt. — 80 Tb.
angekohlte Sägespähne mit 20 Th. concentrirter roher Eisenchloridlösung besprengt.
— Alle Torfgrus (Torfmull, Torfspreu) enthaltenden Mischungen eignen sich be-
sonders zum Kiustreuen in Abtritte, Nachtstuhle, Pissoirs etc., weil Torf ausser-
ordentlich aufsaugefähig ist; auch da9 zuletzt aufgeführte Gemisch ist sehr wirk- *
sam und findet beispielsweise auf allen Stationen der sächsischen Eisenbahnen Ver-
wendung. Zum Aufstellen in Krankenzimmeru wählt man eine Mischung von 10 Tb.
reiner Carbolsäure mit 90 Th. Sägespan uen.
Desinfectionsmittel, b) flüssige. Schmierseifenlauge, durch Lösen von ITh.
Schmierseife in 100 Th. weichen Wassers hergestellt. — Carbolwasser, aus 2 Th. roher
«►der 1 Th. reiner Carbolsäure mit 100 bis 50 Th. Wasser hergestellt; das aus
reiner Carbolsäure hergestellte Wasser, 1 : 100. kann auch zum Verstäuben in
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DESINFECTION. — DESORGANISATION. 445
Krankenzimmern u. 8. w. benutzt werden. — Chlorkalklösung, ans 1 Th. Chlor-
kalk zu 100 big 50 Th. Wasser. — Eisen vitriollösung, aus 1 Th. Eisenvitriol zu
4 Th. Wasser. — Sublimatlösung, 1:1000, das allerbeste Mittel, aber nur bei
Ueberwachung durch einen Sachverständigen! — Ausserordentlich desodorisirend
wirken Lösungen von Kaliumpermanganat (1 Th. zn 100 bis 50 Th. Wasser), be-
sonders auf Flüssigkeiten, bei festen Massen nur an der Oberflache. — Die
SüVERN'sche Desinfectionsflüssigkeit besteht aus 100 Th. gelöschtem Kalk, 15 Th.
Chlormagnesium, 15 Th. Steinkohlentheer und 300 Th. Wasser.
Desinfectionsmittel, c) gasförmige. Hierher sind zu rechnen die Räucherungen
mit Chlor, Brom, schwefliger 8äure u. dergl. ; werden solche in der Apotheke ver-
langt, so empfiehlt es sich, immer erst mit dem betreffenden Arzte Rücksprache zu
nehmen. Zur Ausführung der Räucherung geben die in allen Staaten erlassenen
amtlichen Verordnungen Anleitung (ebenso die MYLius'sche „ Anweisung zur Des-
infection in Krankheitsfällen", Pharmac. Centralhalle, Jahrg. 25, pag. 323, auch
als Separatabdruck erschienen).
Desinfectionsspiritus. Kölnisch- Wasser mit 1 bis 2 Prooent Carbolsflure ; zum
Verstauben in Krankenzimmern, auch als Zusatz zum Waschwasser.
Desinfectionsseife ist Seife mit einem Zusätze von 10—20 Procent Carbol-
säure; wirklich desinflcirend wirkt aber nur die S ublima t seife, vorausgesetzt,
dass sie kunstgerecht hergestellt ist, was sich Äusserlich dadurch kundgibt, dass sie
weiss oder fast weiss, aber nicht grau oder gar schwärzlich ist. G. Hof mann.
Desinficientia (Desinfectants), Desinfectionsmittel, die zur Zerstörung
der Erreger contagiöser Krankheiten in Anwendung kommenden Mittel , welche
eine Abtheilung der Antiseptica (Bd. I, pag. 446) bilden. Th. Hu Bemann.
DesmobaCterien. Mit diesem Ausdrucke bezeichnete F. Cohn jene Bat-
terien (s. Bd. II, pag. 78), bei denen die einzelnen Zellen die Form von längeren
Stäbchen oder Faden besitzen, während er die aus ganz kurzen Stäbchen be-
stehenden Baeterien Mikrobacterien nannte. Andere Autoren fassen aber
sowohl die kürzeren als die längeren stäbchenförmigen Baeterien unter der Be-
zeichnung Bacillen zusammen. Weichselbanin.
DeSIIOS' Bandwurmmittel ist eine der DEBOUT'schen Emulsion taenifuge
(8. d.) ähnliche Emulsion aus Semen Cucurbitae.
DeSOdOrisantia, Deodorisantia (franz. desodorisants in Analogie mit Des-
infectants neugebildet). Bezeichnung einer Abtheilung namentlich früher bei Des-
infection viel benutzter Mittel, deren Angriffspunkt die bei Fäulnissprocessen und
nicht selten auch bei infectiösen Processen sich entwickelnden fötiden Gase (vor-
waltend Schwefelwasserstoff und flüchtige Fettsäuren) bilden, indem sie entweder
deren Geruch durch ihren eigenen, stärkeren, aber relativ angenehmeren verdecken
(Räucherungen mit Harzen , Acetum aromaticum , Carbolsäure , Jodoform) oder die
Gase selbst mechanisch binden (Kohle) oder sie durch Oxydation zerstören (Chlor,
Brom, Jod, Chlorkalk, JavellescIio Lauge, Kaliumpermanganat, Ozon und Ozonide,
Wasserstoffsuperoxyd u. a.). Obsehon die Deodorisantien in der Desinfection (s. d.)
jetzt eine untergeordnete Rolle spielen , da nur weuige auch auf die organisirten
Erreger von Fäulnis« und Infectiou energisch deletär wirken (s. Bd. I, pag. 448 ),
sind sie dennoch bei fötiden Secreten, Ulcerationen u. s. w. nicht eutbehrlich.
T h. Hoiemann.
Desorganisation bedeutet die Umbildung geformter Bestandteile der Pflanze
in ungeformte. Die Desorganisation ist also stets mit einem Verluste der Stmctur,
oft auch mit einer chemischen Metamorphose verbunden. Sie kann Zellinhalts-
bestandtheile betreffen , z. B. die Stärke- oder die Chlorophyllkörner — dieselben
verlieren dabei ihre charakteristische Form und innere Structur und verwandeln
sieb in formlose Klumpen — oder die Zellmembran , die alsdann ebenfalls, oft
unter chemischer Veränderung, in ungeformte Massen übergeht. Eine Desorgani-
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446
DESORGANISATION. — DESTILLATION.
»ation unter chemischer Veränderung, beziehungsweise Auflösung erleidet die Stärke
beim Keiniungsprocess nnd die Chlorophyllkörner in den Blättern im Herbst ; eine
Desorganisation, verbunden mit Ueberftthrung in Gummi, erfährt die Zellmembran
bei der Gummibildung bei den Akazien und Aniygdalaceen. Desorganisation ist
also meist gleichbedeutend mit rückschreitender Metamorphose. Tschirch.
DeSOXyCOdeill, C18Hj,NOat bildet sich beim Erwärmen von Codein mit
Bromwasserstoffsäure auf 100« neben Bromcodid und Bromtetracodein. Unlöslich
in Wasser, färbt sich rasch an der Luft. Ganswind t.
DeSOXydatiOII. Ein chemischer Process, dessen Endresultat Abspaltung von
Sauerstoflmolekttlen ist. Wird dieser Process an Körpern vollführt, welche zuvor
erst durch Aufnahme von Bauerstoff in die Sauerstoffverbindung übergeführt waren,
so bezeichnet man denselben wohl auch mit Reduction. Letztere Bezeichnung
gebraucht man vornehmlich bei der Desoxydation von Metalloxyden entweder im
Wasserstoffstrom oder mittelst der Reductionsflamme des Löthrohrs. Ganswind t.
DeSOXymOrph'm, C17H,9NOs. Bildet sich bei der Einwirkung von Brom-
wasserstoff auf Bromcodein und gleicht ganz dem Desoxycodein. Ganswind t.
Destillation. Man versteht unter Destillation im Allgemeinen ein Verfahren,
durch welches eine Flüssigkeit durch Zuführung von Wärme in Dampf und dieser
durch zweckmässige Abkühlung wieder in Flüssigkeit zurQckverwandelt wird.
Eine besondere Art ist die trockene Destillation, durch welche aus nicht
flüssigen, meist kohlenwasserstoffhaltigen Körpern theils gasartige, theils tropfbar
flüssige, theils feste Stoffe erhalten werden.
Die Destillation ist ein Process, welcher auf dem Gebiete der Phannacie, der
wissenschaftlichen und praktischen Chemie, der Technologie und der Hygiene die
grösste Verbreitung und die mannigfachste Anwendung gefunden hat.
Ueberall wird entweder die Reindarstellnng der flüchtigen Stoffe oder eine Ab-
scheidung derselben von minder flüchtigen Stoffen bezweckt.
Den einzelnen Zwecken entsprechend sind besondere Apparate construirt
worden. Sämmtlichen Apparaten sind drei Haupttheile gemeinsam eigentümlich :
das Destillationsgefäss, in welchem die betreffende Substanz erhitzt wird,
die Kühlvorrichtung, in welcher die Verdichtung der Dämpfe stattfindet und
die Vorlage, in welcher das Destillat gesammelt wird (in welche es herab-
tröpfelt, destillere). Für wissenschaftliche Untersuchungen und bei der De-
stillation im Kleinen bedient man sich gewöhnlich gläserner , selten irdener oder
metallener Destillationsgefässe und verwendet als solche Kolben oder Retorten.
Erstere müssen mit einem mit Abfflhrungsrohr verbundenen Aufsatz, dem Helm,
oder mit Kork verschluss, durch welches ein Abzugrohr für die Dämpfe geht, ver-
seheu sein. Letztere sind für gewisse Zwecke mit einem Tubus versehen, durch
welchen Thermometer, Gasleitungsröhren und andere Gegenstäude in die Flüssig-
keit eingeführt werden können ; auch ist die Füllung der Retorten durch den
Tubus derjenigen durch den Hals vorzuziehen. Die Erhitzung dieser Gefässe ge-
schieht bei niedrig siedenden Flüssigkeiten auf dem Dampf- oder Wasserbade, bei
höher siedenden Stoffen auf dem Oel- oder Sandbade, oder über freiem Feuer mit
untergelegtem Drahtnetz. Glasgefässe , welche über freiem Feuer erhitzt "werden,
müssen möglichst gleichmässige Wandstärke besitzen. Bei Retorten muss der Hals
schön gebogen sein und der Tubus einen richtigen Sitz haben. Um das Stossen,
d. h. das plötzliche Auftauchen grösserer Dampfblasen , zu vermeiden , legt man
Gegenstände in die Flüssigkeit, die eine möglichst grosse Oberfläche darbieten,
z. B. gewaschenen, scharfkörnigen Sand, Bimssteinstückchen, Platinspiralen, oder be-
deckt, wo es angebracht ist, die Flüssigkeit mit einer dünnen Schicht von Paraffin.
Als Kühlgefäss wendet man entweder lange gerade oder sehlangenförmig gebogene
Röhren an , welche , innerhalb eines zweiten Gefässea ruhend , von zuflie&sendem
Wasser umspült werden können. Die erstbezeichneten, in compendjöse, leicht be-
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DESTILLATION.
447
wegliche Form gebracht, sind unter dem Kamen LiEBia'sche Kühler (Fig. 70)
bekannt ; kleine Schlangenrohrktihler sind Bestandteile der Salleeon- A p p a r a t e.
8eltener bedient man sich einfacher Zwischenrohre, die mit Fliesspapier oder Zeug
umwickelt sind, welches von Zeit zu Zeit mit frischem Wasser betröpfelt wird.
Wohl aber findet öfter unter völliger Weglassung eines besonderen Apparates ein
directes Kühlen der Vorlage statt, sei es durch Einlegen derselben in Eiswasser,
oder sei es durch Belegen derselben mit Textilatoffen und ununterbrochene Be-
feuchtung derselben mit kaltem Wasser. In den LiEBiG'schen Kühler muss das
Wasser von unten eintreten und nach oben zu emporsteigen; der Zufluss musB
so geregelt sein, dass es nicht über 20—25° warm ablauft. Als Recipient
oder Vorlage kann jedes passende Gefäss Verwendung finden; gewöhnlich nimmt
man Kolben oder Flaschen dazu. Bisweilen fehlt es an einer passenden Verbindung
zwischen Destillationsgefäss, Kühlapparat und Vorlage ; entweder es ist der Retorten-
hals zu kurz oder* zu weit, oder es bedarf eines Zwischengliedes zwischen Kühlrohr
und Vorlage. Man behilft sich in
Fl*- 70 diesen Fällen mit V o r s t Ö s s e n
oder Allongen, die in den ver-
schiedensten Formen, meist oben
weit, bauchig, uuten spitz zu-
laufend, bisweilen gebogen, oder
aus mehreren Theilen bestehend,
construirt sind. Sie werden mit
Hilfe durchbohrter Korke in oder
über die entsprechenden Theile
geschoben, oder mit feuchter
Thierblase dampfdicht mit dem
Apparatein Verbindung gebracht.
Zu gewissen Zwecken ist eine
Destillation im luft verdünn-
ten Raum nothwendig, und
zwar dann , wenn entweder die
Dämpfe bei gewöhnlicher Siede-
temperatur eine Zersetzung er-
leiden, oder wenn der Rückstand,
auf dessen Gewinnung alsdann
der Hauptwerth gelegt ist, nicht
anders, als durch Anwendung
unter dem Siedepunkt der Flüssig-
keit liegender Temperaturen un-
zersetzt zu erhalten ist (conden-
sirte Milch , Zucker , Malz- uud
Fleischextract). Der luftverdünnte Raum lässt sich durch Anbringung einer Wasser-
luftpumpe, deren Saugrohr durch einen Tubus der doppelt tubulirten Vorlage
geführt wird, und vorausgesetzt , dass alle Theile des Apparates luftdicht unter
einander verbunden sind, erzeugen. Wo eine Luftpumpe nicht vorhanden ist , lässt
sich ein Vacuum dadurch erzeugen, dass man durch Erhitzen der Flüssigkeit, ohne
zu kühlen, zunächst die Luft durch Dampf vertreibt und nun erst anfängt zu kühlen.
Man kann hierzu dem Apparate eine Einrichtung geben, welche ermöglicht, die
OerTnung, aus welcher die Luft entwichen, zu schliessen (durch Glashahn oder
Znschmelzen) ; oder man lässt die Luft durch ein, durch den zweiten Tubus der
Vorlage luftdicht geführtes zweischenkliges , mit seinem längeren Schenkel in
Quecksilber tauchendes Rohr durch das Quecksilber hindurch entweichen. Im
letzteren Falle steigt, so wie die Kühlung beginnt, das Quecksilber im Rohr so weit
in die Höhe, als dem verminderten Dampfdrucke im Innern des Apparates ent-
spricht und dient somit gleichzeitig als Manometer und als Sicherheitsvorrichtung.
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DESTILLATION.
Um Flüssigkeitsgeinische, deren einzelne Theile bei verschiedenen Temperaturen
flüchtig sind , von einander zu trennen, bedient man sich der fractionirten
Destillation. Diese besteht darin, dass man die Destillation in gewissen
Zwischenräumen, z. B. von 10 zu 10 Grad, unterbricht und die einzelnen Fractionen
wieder fractionirt destillirt, bis man constant siedende Flüssigkeiten erhält. Man
hat hierbei mit der Thatsache zu rechnen, dass in Mischlingen Flüssigkeiten mit
höherem Siedepunkt bereits anfangen , mit den niedriger siedenden Flüssigkeiten
zu verdunsten , und dass die Verdunstung umso schneller von statten geht , als
die Uber der Flüssigkeit befindliche Atmosphäre wechselt. Deshalb geben die ersten
Fractionen keine constant siedenden Elicte, sondern bedürfen, wie bereits angegeben,
mehrfacher Rectification. Günstigere Erfolge lassen sich erzielen, wenn Vorkehrungen
getroffen werden, dass ein Theil der verdichteten Dämpfe, und zwar vorzugsweise
die schwerer siedenden Flüssigkeiten entsteigenden Dämpfe, in das Destillationsgefäss
wieder zurückfliesscn kann, was schon zum Theil dadurch zu erreichen ist, da»
man die Retorte hoch, d. h.
mit dem Halse nach oben F»g- 7i- Fi<?- 72-
gerichtet , stellt. Ungleich
bessere Resultate werden
durch Anwendung von Kngel-
röhren, die dem Destillations-
gefäss aufgesetzt werden und
als Kühler wirken, erhalten.
Unter diesen Röhren wird
eine von Linnemann ange-
gebene Form besonderer Be-
achtung empfohlen. Diese
Röhren, welche mit zwei bis
drei kugelförmigen Ausbla-
sungen und einem seitlichen
Abzugsrohr versehen sind,
sind an beiden Seiten offen.
Durch die obere Oeffnung
wird ein Thermometer luft-
dicht bis zur ersten Kugel
eingeführt, mit dem unteren
Ende wird das Rohr selbst
dein Kork verschluss des
Destillirkolbens eingefügt ;
das Abflussrohr wird mit
dem Kühler verbunden. In
den cylindrisehen Theil der Kugclröhre werden mehrere Körbchen von geflochtenem
Platindraht etagenförmig über einander geschoben ;' dieselben werden durch ihre eigene
Federkraft festgehalten. (Fig. 71 und 72.) Von den die Maschen der Drahtnetze
passirenden Dämpfen werden durch Luftkühlung die schwerer flüchtigen zunächst
verdichtet, füllen die Körbchen mit Flüssigkeit an und bewirken , dass die nach-
strönienden Dämpfe zunlekirchalten und ebenfalls gezwungen werden, sich ihrer
schwerer flüchtigen Autheile zu entledigen. In ähnlicher Weise wirken die kugel-
förmigen Erweiterungen der Röhre, während das in der obersten Kugel selbst
befindliche Thermometer den genauen Siedepunkt des Destillates angibt.
Unter Rectification versteht man wiederholte Destillation, um ein Destillat
von grösserer Reinheit zu erhalten, aber auch ein Verfahren , nach welchem eine
Flüssigkeit durch Einführung von Dämpfen, welche einer gleichen Flüssigkeit
entstammen, zur Destillation gebracht wird. Den im Destillationsgefäss ver-
bleibenden Rückstand, den schwerer flüchtigen Theil des Inhaltes, nennt man das
Ph 1 egin a.
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DESTILLATION.
449
Aach behufs Ausführung1 umfassenderer Destillationen werden in pharmaceu-
tischen Laboratorien und chemischen Fabriken Glasapparate benutzt. Insbesondere
zur Destillation von Säuren oder solchen Stoffen, welche anderes Material angreifen
würden, verwendet man Destillationsgefässe von Glas oder gebranntem Thon. Der-
artige Retorten haben entsprechende Dimensionen und werden in eigens construirten
Oefen, Capellen- oder Galeerenöfen, seltener über Gasöfen erhitzt. Kühlvorrichtung
und Vorlage sind den übrigen Grössenverhältnissen angepasst. Für andere Destilla-
tionen bedient man sich mehr oder weniger grosser metallener Kessel — Blasen
— die mit einem helmartigen Aufsatz, dem Helm, versehen sind, von welchem
ein seitliches Abzugsrohr in das Ktihlrohr führt.
Die Blasen sind entweder eingemauert und werden direct erhitzt, oder sie liegen
in einem besonderen Behälter und werden von aussen her durch Dampf, gewöhn-
lich durch gespannte Dämpfe erhitzt, oder es wird durch einen im oberen Theil
der Blase befindlichen Tubus Dampf in dieselbe eingeführt und so der Inhalt zur
Destillation gebracht. Der Helm , welcher auflutirt oder aufgeschraubt wird ist
Fig. TU.
ebenso, wie das Kühlrohr von Metall. Nur bei älteren und kleineren Apparaten
findet ein Lutiren mit einem Kitt von Leinmehl, Bolus und Wasser statt; bei
grösseren Apparaten verriehtet ein zwischen den Rändern, die zusammengeschraubt
werden, befindlicher Gummireifen die Diehtung; zinnerne Apparate bedürfen über-
haupt keiner Dichtung, wenn alle beweglichen Theile eonisch passend zu einander
geschliffen sind. Blase, Helm und Kühlrohr können die verschiedenste Gestalt haben.
Man gibt den Blasen eine kugelförmige, ovale oder zwiebeiförmige Gestalt, je
nachdem man glaubt, die vorhandene Wärmequelle am besten ausnutzen zu können.
Sie sind meist von Kupfer, innen verzinnt, seltener von anderem Metall (Blei,
Platin, Guss- und Schmiedeeisen, letztere meist nur zur trockenen Destillation).
Der Helm ist meist von demselben Metall , aus welchem die Blase gefertigt ist,
bisweilen von Zinn. Er ist klein oder gross, kalbkugel-, glockeu- oder kegelförmig,
stets mit einem seitlichen Abzugrohr versehen. Das Kühlrohr ist fast stets von
Kupfer und ruht in dem Ktthlfass, in welchem es vom Kühlwasser umspült
wird. Schlangen förmig gebogene Kühlrohre sind schwer zu reinigen ; man zieht
ans diesem Grunde aus zickzackförmig aneinander gereihten Einzelröhren con-
Keal-ivucyclupadie der «es. Pharinacie. III. 29
450
DESTILLATION.
struirte Kühlrohre vor. Die Anschlüsse liegen ausserhalb des Kühlfasses und ge-
statten durch Abnahme des Schraubenverschlusses ein leichtes Reinigen der einzelneu
Röhrentheile. Für gewisse Zwecke , z. B. zum Zweck der Alkoholgewinnung, sind
den Destillirapparaten noch Nebeneinrichtungen gegeben, die allerdings für den
betreffenden Zweck selbst als Haupteinrichtungen erscheinen müssen. Man wünscht
die fluchtigen Bestandtheile des Blaseninhaltes möglichst vollständig und in reinster
Form zu gewinnen und sucht dies dadurch zu erreichen, dass man die Dämpfe
des Destillates wiederholt der Einwirkung kühler Metallflachen aussetzt und da-
durch die schwerer flüchtigen, leichter condensirbaren Bestandtheile derselben (das
P h 1 e g m a) veranlasst, verdichtet in die Blase zurückzufliessen. Die hierzu dienen-
den Apparate werden Dephlegmatoren oder R ect if icatoren genannt. Eine
andere Modifikation ist die Anbringung des Vorwärmers, in welchem die später
zur Füllung der Blase dienende Flüssigkeit durch die in der Blase entwickelten
Dämpfe erhitzt wird, wodurch einmal die Dämpfe selbst wasserarm werden,
der Flüssigkeit Alkohol entzogen und eine Menge Brennmaterial gespart wird.
Grosse Spiritusbrennereien sind für Dampfbetrieb eingerichtet ; die vollkommensten,
in Deutschland am meisten benutzten Apparate sind die von Pistorius und der
Colonnenapparat von Savalle.
Auch in pbarmaccutiseben Laboratorien bedient man sich mit Vorliebe der
Dampfdcstillation. Ein diesem Zwecke dienender, sehr compendiöser und
weit verbreiteter Apparat ist der von Bkindorff construirte. — S. Dampf-
apparate.
Soll mit der Destillation eine Extraction verbunden werden, so wendet man
gespannte DMmpfe an, die in einem getrennt vom Destillirapparat aufge-
stellten Dampfkessel entwickelt, und mit welchen gewöhnlich mehrere Apparate
gleichzeitig gespeist werden. Dieses Verfahren wird vorzugsweise bei der Dar-
stellung aromatischer Wässer und ätherischer Oele angewandt. Die zerkleinerten
Substanzen, aus denen die flüchtigen Bestandtheile gewonnen werden sollen, werden
locker auf ein den Boden der Blase bedeckendes Sieb geschüttet. Die 100° heissen
Dämpfe treten durch eine im Boden der Blase befindliche Oeffnung ein und durch-
dringen das Material in kräftig lösender Weise.
Die Destillation wird so lange fortgesetzt, bis ein färb- und geruchloses Destillat
erhalten wird. In Fabriken ätherischer Oele ist zwischen Kühler und Blase eine
Florentiner Flasche eingeschaltet, aus welcher das noch ölhaltige wässerige Destillat
durch ein bis fast auf don Boden der Blase gehendes Rohr immer wieder in diese
zurückgeführt wird, bis völlige Entölung stattgefunden hat.
Eine andere Methode zur Erlangung kräftiger aromatischer Wässer oder
Spirituse nennt man Cohobiren. Sie besteht darin, dass man das Destillat in
die Blase zurückgibst und entweder wiederholt über denselben Destillationsrtick-
stand oder über neue Mengen derselben Substanz abzieht. Auf diese Weise werden
die in der Pharmacie gebräuchlichen zehu- und mehrfach concentrirten Wässer
hergestellt.
Die Destillation im luftverdünnten Raum findet mannigfache Anwendung
in pharmaceutischen Laboratorien und in der Grossindustrie. Das Hauptaugenmerk
ist hierbei weniger auf das Destillat, als wie auf Gewinnung des Destillationsrtirk-
standes gerichtet. Man bedient sich hierzu eigens construirter , sogenannter Va
cuumapparate (Fig. 74).
Die Blase bildet hier ein verzinnter Kessel, welcher in einen grösseren Kessel
so eingelassen ist, dass der Zwischenraum mit Dampf gespeist werden kann. Ein
anderes Dampfrohr führt in den Kessel hinein, um den zur Austreibung der Luft
benöthigten Dampf zulassen zu können. Ferner ist ein mit Hahn und Sangrobx
versehener Tubus an dem Kessel angebracht , um während des Arbeitens neue
Flüssigkeit aus dem Vorrathsgefäss nachziehen zu können. Endlich iBt noch eine
zur Einführung eines Thermometers befindliche Oeffnung in demselben vorhanden.
Den Helm bildet eine mittelst Gummiringes luftdicht aufgesetzte Glasglocke, welche
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DESTILLATION.
451
im oberen Tbeil eine mit Manometer und Vierwegehahn versehene Hülse trägt, an
welche gleichfalls das nach dem Condensator führende Abzugsrohr angeschraubt
ist. Der Condensator, innerhalb dessen ein mit Wasserleitung in Verbindung zu
Hetzender Kühler liegt, dient zur Wiedergewinnung der oft werthvollen Flüssig-
keiten (Aetber, Alkohol etc.), die aus einem am unteren Theil des Apparates an-
gebrachten Hahn abgelassen werden können. Ein am oberen Theil des Apparates
angebrachter Hahn kann mit einer Luftpumpe in Verbindung gebracht werden,
die in Betrieb gesetzt wird, wenn nicht vorgezogen wird, die Luft durch Dampf
auszutreiben.
In chemischen , Mineralwasser- und in Eisfabriken , sowie auf Kriegsschiffen
fuuctioniren Apparate zur schnellen Darstellung grosser Mengen von
destillirtem Wasser. Sie bestehen in der Hauptsache aus zwei sehr grossen,
durch Dampfrobr mit einander verbundenen Cylindern , von denen der eine als
Fi«. 74.
Danipfentwickler, der andere als Condensator dient. Der eine ist bis zur zulässigen
Höhe mit vorgewärmtem Wasser gefüllt , welches durch ein innerhalb desselben
liegendes System von Danipfröhren zum Sieden gebracht wird. Der Heizdampf
wird in einem besonderen Kessel entwickelt. Die aus dem Entwickler in den
Condensator entweichenden Dämpfe passiren mehrere in demselben liegende Systeme
von Kühlröhren, die von continuirlich frisch zulaufendem Wasser umspült werden,
und werden hier condensirt. Das ablaufende Wasser wird in einem Bassin ge-
sammelt und von hier abgelassen. Derartige Apparate vermögen täglich 60 b
destillirtes Wasser und darüber zu liefern.
Völlig verschieden von der Destillatiou der Flüssigkeiten mit verhältnismässig
niedrigem Siedepunkt ist die nur bei hohen Temperaturen ausführbare trockene
Destillation, die in der Technik eine hervorragende Rolle spielt. Während
dort chemisch fertige, nur in ihren äusseren Kigeusehaften verschiedene Körper
29*
452
DESTILLATION.
von einander getrennt werden, oder doch nnr chemische Zersetzungen niederer
Grade stattfinden, finden hier tiefeingreifende Zersetzungen statt. Der trockenen
Destillation werden gewöhnlich nur organische Körper, d. h. solche, die
in der Hauptsache aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und ßtickstoff bestehen,
unterworfen. Beim Erhitzen derselben entweicht zunächst das in ihnen vorhandene
hygroskopische Wasser. Bei weiterer Erhitzung findet eine Lockerung der Atome,
eine Spaltung der Moleküle und eine Umlagerung derselben statt, die zur völligen
Autlösung des bisherigen Bestandes und zur Neubildung der verschiedensten und
complicirtesten Verbindungen führt. Die Gestaltung derselben wird stets von der
Natur des Materiales, von der Höhe der angewandten Temperatur und der Art
ihrer Steigerung, von dem im Destillationsgefass befindlichen Druck, von der Form und
Grösse der Destillationsgefässe selbst und von der Art der Dampfverdichtung
abhängig sein. Im Allgemeinen wird sich ein Theil des gelockerten Sauerstoffes
mit äquivalenten Mengen Wasserstoff und Kohlenstoff zu Wasser und Kohlensäure
verbinden. Wasserstoff- und Kohlenstoffatome werden sich zu Kohlenwasserstoffen
aneinander lagern. Stickstoffatome werden zur Bildung von Ammoniak- oder Am-
moniurobasen oder Cyanverbindnngen Verwendung finden. Während bei der Destil-
lation kohlenstoffarmer Körper, wie Oele, Harze, die Gesammtmenge des Kohlen-
stoffes zur Bildung flüchtiger Stoffe verbraucht und entfernt wird, bleibt von
kohlenstoffreicheren Körpern, von Brennmaterialien, Brandölen, ein grosser Theil
des Kohlenstoffes in Form von Coaks oder Brandharzen u. s. w in der Retorte
zurück. Je mehr Wasserstoff im Destillationsmaterial vorhanden ist, um so grösser
wird im Allgemeinen die Menge der complicirteren Zersetzungsproduete sein.
Als Destillationsgefäss pflegt man gusseiserne, seltener irdene Retorten zu ver-
wenden ; noch seltener werden aus Platten oder Blechen zusammengenietete Kästen,
die in Gefässöfen eingesetzt werden, benützt. Die Retorten haben entweder Kessel-
form, oder es sind liegende, seltener stehende, mit Mannloch versehene Oylinder ; sie
sind zu mehreren neben- und übereinander einem Ofen eingebettet und werden,
entweder jede für sich, oder mehrere gemeinsam durch eine Feuerung erhitzt.
Was die Condensationsvorrichtungen anbetrifft, so sind sie den Destillations-
produeten entsprechend, und es sind häufig für diejenigen, welche als die werth-
vollsten gelten, noch besondere Neben- und Reinigungeapparate, wie z. B. bei der
Bereitung von Leuchtgas, angebracht. Meistens sind die Abzüge der einzelnen
Retorten zu einem grösseren Hauptrohr vereinigt ; seltener werden die Destülations-
produete der einzelnen Retorten für sich aufgefangen. Wenn nicht etwa das Haupt-
augenmerk auf die Gewinnung des festen Destillationsrückstandes, wie bei der Ver-
coakung der Kohlen, gerichtet ist, so wird man auf die ergiebigste Ausbeute von
flüssigen oder gasförmigen Producten zu sehen haben. Den flüssigen Theil bilden
zwei Schichten, eine wässerige und eine ölige Schicht. Die wässerige Flüssig-
keit reagirt alkalisch, wenn Ammoniak und Stickstoffverbindungen vorwalten
(z. B. in dem bei der Verkohlung der Knochen und bei der Darstellung des Leucht-
gases enthaltenen Destillat) oder sie reagirt sauer, wenn sie Essigsäure und von
der Reihe der fetten Körper ableitbare Verbindungen enthält (z. B. in dem bei
der trockenen Destillation des Holzes erhaltenen Destillat). Die ölige Flüssigkeit,
aus welcher eine Anzahl wichtiger Stoffe abgeschieden werden kann (wie Paraffin,
Naphthalin, Kreosot, Benzol u. s. w.) und welche den Ausgangspunkt für eine
höchst wichtige Farbenindustrie bildet, wird Theer genannt. Der bei der Ver-
kohlung der Knochen gewonnene Theer ist als rohes ThierÖl (Oleum animale
f'oftidum) in Apotheken usuell. UeberaU, besonders aber bei der Gewinnung des
Holzessigs, sind Vorkehrungen getroffen, dass beide Arten von Flüssigkeiten ge-
trennt von einander aufgefangen werden können. Es geschieht dies durch Ein-
schaltung grosserer Gefässe zwischen Retorte und Kühlvorrichtung, in welcher sich
die schwerer flüchtigen, leichter condensirbaren Stoffe absetzen. Als eigentliche Con-
densationsvorrichtungen dienen entweder wirkliche, mit Schlaugenrohr etc. versehene
Kühlfäaaer oder mau bedient sich einer Anzahl durch Blei- oder irdene Rohre unter
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DESTILLATION. — DEVONISCHES SYSTEM.
453
einander verbundener, mit Abzughahn versehener kleinerer GefHssc, die man einfach
der Einwirkung der kühlen Luft überlässt. Die gasförmigen Producte werden,
wenn ihre Gewinnung, wie die des Leuchtgases, nicht Hauptzweck ist, entweder
Leuchtzwecken nutzbar gemacht und bei ihrem Anstritt aus dem für sie bestimmten
Abzugrohr direct verbrannt oder sie werden in die Feuerung geleitet und kommen
der Heizung zu Gute. Sie bestehen ans einer Mischung von brennbaren (Kohlen*
Wasserstoffen , Kohlenoxyd u. s. w.) und nicht brennbaren Gasen (Kohlensäure) und
müssen, wenn sie allgemeinen Brennzwecken dienen sollen, von allen Uureinig-
keiten durch einen besonderen Reinigungsprocess befreit werden. — S. Leuchtgas.
Eisner.
Determination, d. h. Bestimmung, nennt man das Hinzufügen besonderer
Merkmale zu einem allgemeinen Begriffe, wodurch dieser an Inhalt gewinnt,
dagegen an Umfang abnimmt; so wird der weite Begriff „Mensch" durch die
Bestimmung „alt" zum engeren Begriffe „Greis". Der Gegensatz zu Determination
ist Abstraction, d. L die Ausdehnung oder Verallgemeinerung eines Begriffes
dureh Hinweglassen besonderer Merkmale.
Detonation ist der Knall, welcher hervorgerufen wird durch das Hinein-
stürzen von Luft in einen durch plötzlich eintretende chemische Zersetzungen
(Pulver, Dynamit) oder Verbindungen (Knallgas, Chlorwasserstoffgas) erzeugten
luftleeren Raum. Meist ist eine Detonation von Licht- oder Wärmeentwickelung
begleitet, welche indessen nicht zum Wesen der Detonation gehören. Detonation
ist also nicht, wie in einigen Lehrbüchern zu lesen, „eine chemische Trennung
oder Vereinigung unter Verpuffung", auch nicht „der unter starkem Geräusch
verlaufende Act einer chemischen Verbindung", sondern lediglich das Verpuffen
oder der Knall selber, also nur eine secundäre akustische Erscheinung in Folge
einer chemischen Zersetzung oder Verbindung. Ganswind t.
Deuteropin, ein wenig gekanntes Opiumalkaloid, s. d.
DeutO- (aus dem Griechischen) bezeichnet die höhere Oxydationsstnfe und
war früher in der pharmazeutischen Nomenclatur, jetzt noch in Frankreich, in
Gebrauch. Deutochloruretum Hydrargyri, Deutochlorure de mercure sublim £ —
Hydrargyrum bichloratum; Deutojoduretum Hydrargyri, Deutojodure de mer-
cure — Hydrargyrum bijodatum. Ferner: Deutochromas, Deutomnrias, Deuto-
nitras, Deutooxydum. Die niedrigere Oxydationsstufe wird dieser Nomenclatur
entsprechend mit Proto- bezeichnet.
Deutsch- Kreutz in Ungarn besitzt einen viel versendeten alkalischen Säuerling.
Derselbe enthält in 1000 Th. NaH003 0.877, CaH^CO^ 0.963. MgH^rCO,),
0.319, NaCl 0.093.
Deutscher Kaffee, ein Wurzelsurrogat, s. Cichorienkaffee, Bd. III,
pag. 133.
Devay's Pilulae Zinci valerianici. ig Zhcum mierian., o.ig Extr.
Belladonna« , je 1 g Extr. Chinae und Extr. Gentianae zu 20 Pillen, welche
versilbert werden.
Devergie's Solutio arsenicalis. o.ig Addum arsenicosum und O.ig
Kalium carbonicum werden in 500 g Aqua gelöst, dann 0.5 g Spiritus Melitta*
compo8. hinzugefügt und mit Tinctura GoccioneVae gefärbt. 1 g Solutio enthält
O.OO02g arsenige Säure.
Devildora, *. Debr e e (1 w a.
DeVOniSCheS System ist eine auf dem silurwehen System auflagernde
mächtige Schichtengruppe sedimentärer Gesteine; en trennt das silurisehc System
von der Steinkohlengruppe.
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454
DEXTKAN. — DEXTRIN.
Dextran, C, H10 Oö, ist ein durch Gährung gewonnenes Gummi und bildet sieb
bei der Milchsäuregährung des Zuckers neben Milchsflure und Mannit, kann
auch bei der Milchsflurebereitung als Nebenproduct gewonnen werden. Es findet
sich oft in grosser Menge in der Melasse und wird daraus gewonnen durch Zusatz
von 40 — 50 Procent Wasser, Ansfluern mit HCl, und Zumischen von Alkohol.
— Amorphe, in Wasser zu einer klebrigen Flüssigkeit leicht lösliche Masse,
welche von Alkohol als elastische, fadenziehende Masse gefällt wird. 8tark reehts-
drehend ; reducirt FEHLiXG'sehe Lösung nicht, gibt aber mit derselben /einen hell-
blauen Niederschlag. Geht durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure langsam
in GlukoBe Über. Ganswind t.
Dextrin, Stflrkegummi, C„Hl0OB. Das Dextrin gehört zur Gruppe der
Kohlehydrate, deren aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehende Glieder
die letztgenannten Elemente im wasserbildenden Verbflltninse besitzen. — Vor-
kommen und Bildung: Das Dextrin ist zuerst von Vaitquelix 1811 erkannt,
von Persoz und Payen 1833 naher untersucht und von verschiedenen Forschern
in Getreidekörnern (Fürstkxberg, vox Plaxta, Stein) und in den aus solchen
hergestellten Nahrungsmitteln, wie Bier und Brod, gefunden worden; auch ist das-
selbe (von Llmpricht, Bkrxhard und Saxsox) in Blut, Muskeln, Milz und Leber
von körnerfressenden Thieren nachgewiesen worden. Es ist im Allgemeinen als
ein bei der Umwandlung der 8tärke in Zucker entstehendes Zwischenproduct zu
betrachten. Diese Umwandlung kann auf mannigfache Art bewirkt werden : durch
Rösten des Stärkemehls , durch Einwirkung von Säuren oder von 'Diastase auf
Stärkemehl. Gewinnung: Das Rösten der Stärke geschieht entweder in flachen
Kästen oder in rotirenden Cylindern . die einer Temperatur von 180 — 200° aus-
gesetzt werden. Bei höherer Temperatur findet leicht Verbrennuug der Stärke
statt, während feuchtem Stärkemehl niedrigere Temperaturen (160°) der Umbildung
günstig sind. In manchen Fabriken wird beliebt . das Stärkemehl unter Zusatz
geringer Mengen fremder Hilfsmittel (Milch , Alaun; mit Wasser zu formbarer
Masse anzurühren , diese in Stücke zu schneiden , zu rösten und zu sieben. Das
durch den Röstprocess gewonnene Dextrin wird im Handel Leiocom oder Lei o-
gomme (Röstgummi) genannt. — Bei der S äu r e b eh an d 1 ung kommen Salz-
säure , Schwefel- , Salpeter- und Oxalsäure in Betracht. Sowohl Menge, wie Ver-
dünnung und auch Zeit der Einwirkung werden durch praktische Betriebserfah-
rungen ermittelt und festgestellt. Nach einem von Payen mitgetheilten Verfahren
werden 1000 kg Kartoffelstärke mit 3001 Wasser und 2 kg concentrirter Salpeter-
säure durchfeuchtet: die getrocknete uud gesiebte Masse wird, auf flache Schub-
laden in 3 — 4 cm hohe Schichten ausgebreitet, 1 — 1.5 Stunden in einem 110»
warmen Luftbade erhitzt. Die Säuren müssen arsen- und chlorfrei sein; arsenfrei
aus hygienischen Grüudeu, chlorfrei, weil bei der Anwenduug chlorhaltigen Dex-
trins in der Textilindustrie das Chlor die Wirkung der Druckfarben etc. beein-
trächtigen würde. Wird Oxalsäure verwendet, so muss dieselbe, wenn die Einwirkung
vollendet ist, mittelst Calciumcarbonates wieder entfernt werden. Eine von Ficixrs
herrührende Vorschrift ftlr das früher officinelle Präparat Hess 300 g Kartoffel-
stärke mit 1.51 kaltem Wasser und £ g Oxalsäure anrühren und im Wasserbade s»
lange erhitzen , bin eine herausgenommene Probe durch Jodlösung nicht mehr
gebläut wurde. Sodann wurde die Lösung mit gefälltem Calciumcarbonat nea-
tralisirt, nach zweitägigem Stehen tiltrirt und das Filtrat zur Trockne gebracht.
Bei der Einwirkung der Diastase auf Stärkemehl, von der zur fabriksmässigen
Gewinnung des Dextrins nur selten Gebrauch gemacht werden dürfte, ist zu be-
obachten , dass .die umwandelnde Wirkung dieses Fermentes fast ausschliesslich
zwischen 60 und 75« stattfindet. Bei niedrigerer Temperatur wird sie unverhält-
nissmässig stark vermindert, bei höherer hört sie ganz auf. Nie wird Diastase in
Substanz, sondern stets Malzanfguss oder Malzschrot verwendet. — Eine praktisch©
Anwendung des Rö st \ erfahren« wird auch bei der Darstellung der Kindernähr-
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DEXTRIN".
455
mehle ausgeübt, während das Diastaseverfahren , welches hier allerdings bis zur
fast vollendeten Verzuckerung fortgesetzt wird, einen Hauptprocess in der Bier-
brauerei repräsentirt. — Dasjenige, was bisher als Dextrin bezeichnet
wurde , ist als ein reines , scharf eharakterisirtes Präparat nicht anzusehen ; es
wird vielmehr stets mit mehr oder weniger grossen Mengen von Stärke, Trauben-
zucker und denjenigen Substanzen verunreinigt sein, welche zur Darstellung des
Fabrikates dienten. Dazu kommt, dass bei der Verzuckerung der Stärke nicht ein
bestimmtes Zwischenproduct, sondern eine Menge solcher entstehen , die alle mit
dem Namen „Dextrine" belegt, aber durch ihr Verhalten gegen Jodlösung von
einander unterschieden werden. So werden die ersten ümsetzungsproducte , deren
Losungen durch Jodtinctur noch blau gefärbt werden, als Amy logen und
Amy lodextr in , ein durch Jod rothbraun gefärbtes als Erythrodextrin
oder a-Dextrin, ein anderes , welches durch Jodlösung nicht mehr sichtbar
verändert wird , als Achroodextrin oder - D e x t r i n bezeichnet , während
die vollendete Maltose als Maltadextrin oder v- Dextrin aufgefasst werden
soll. — Reines Dextrin > ist aus dem Handelspräparat durch mehrmaliges Auf-
lösen in Wasser und Fällen mit Alkohol zu erhalten: das Trocknen des Nieder-
schlages muss bei gewöhnlicher Temperatur, am besten Uber Schwefelsäure nnter
dem Recipienten einer Luftpumpe, geschehen, da feuchtes Dextrin bei höherer
Temperatur grosse Neigung hat, sich in Traubenzucker zu verwandeln.
Eigenschaften: Das im Handel vorkommende Dextrin bildet entweder ein
weisses (durch den Säureprocess gewonnenes) oder ein gelbes bis bräunliches Pulver
(durch den Röstprocess gewonnen) oder gummiartige Stücke mit muschligem Bruch
oder, wasserhaltig, einen dicken grauen Syrup. Das reine Dextrin ist ein weisses,
gerueh- und geschmackloses Pulver vom spec. Gew. 1.52. Reines Dextrin löst sich
in gleichen Theilen Wasser zu einem neutral reagirenden, klebrigen Syrup, während
die Handelspräparate einen erheblichen Rückstand ungelöst lassen. Die wässerige
Lösung lenkt die Ebene des polarisirten Lichtstrahles erheblich nach rechts ab,
(a)j = 176°. In absolutem Alkohol und in Aether ist das Dextrin unlöslich.
Diastase führt Dextrinlösungen bei 60 — 75° in Maltose über, jedoch nicht voll-
ständig, und bei verschiedenen Temperaturen verschiedene Mengen. Dextrin ist
nicht direct gährungsfähig ; weil bei der Bierbrauerei durch den Zusatz des Hopfens
die zuckerbildende Wirkung der Diastase zu einer Zeit aufgehoben wird, wahrend
welcher noch unzersetztes Dextrin in der Würze vorhanden ist, so wird solches
aueh im fertigen Biere noch zu finden sein. Verdünnte Säuren führen das
Dextrin in Traubenzucker über; als Nebenproduct entsteht ein unverjährbarer
Körper, den Bechamp Amyloid genannt hat und welcher ebenfalls, wenn
auch minder, die Ebene des polarisirten Lichtes nach rechts hinablenkt. Bei Ein-
wirkung heisser concentrirter .Salpetersäure entsteht in Wasser lösliche Oxalsäure
(Unterschied vom Gummi, welcher in Schleimsäure übergeführt wird , die sich
beim Erkalten der Lösung ausscheidet j : bei Einwirkung rauchender Salpeter-
schwefelsäure entsteht in Wasser unlösliches, in Weingeist lösliches Diu it ro-
de x tri n C6n8(NOa)205. Beim Erhitzen mit Essigsilureanhydrid entsteht Tri-
aeetyldextrin H7 (C2 H3 0)s 05. FEHLiXG'sche Lösung wird in der Kälte
nicht, wohl aber bei längerem Erhitzen, von Dextrinlösung reducirt : BARFOKo'sche
Lösung (essigsaure Lösung von essigsaurem Kupfer) wird auch beim Erhitzen
nicht reducirt (Unterschied vom Traubenzucker). Bleizuckerlösuug fällt Dextrin-
lösung nicht, wohl aber auf Zusatz von Ammoniak (Unterschied von Gummi).
Durch Kalk- und Barytwasser werden DextrintÖsungcn gefällt, durch Borax, Gerb-
säure und Eisenchlorid aber nicht.
Prüfung: Die Prüfung des Dextrins kann umfassen die Bestimmung der
Feuchtigkeit, des Aschengehaltes, der löslichen und unlöslichen Bestandteile, des
Gebaltes an reinem Dextrin. Die Feuchtigkeit wird durch Austrocknen einer
gewogenen Menge bei 110°, am besten in einer im Oelbadc liegenden U-förmigen
Röhre unter Durchleiten von getrockneter Luft, bestimmt. Der Gehalt an an-
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456
DEXTRIN.
organischen Körpern wird durch Einäscherung einer gewogenen Menge im
Platintiegel ermittelt. Den Gehalt an löslichen Stoffen findet man durch Be-
bandeln einer gewogenen Menge lufttrockenen Dextrins mit der lOfachen Menge
Wasser ; man verdampft einerseits das Filtrat zur Trockne mit Nachtrocknen bei 110°,
andererseits wird das ungelöst Gebliebene im gewogenen Filter bei 110° getrocknet,
um gegenseitig Controle auszuüben. Der Gehalt an reinem Dextrin wird nach
Rodssin folgendermaassen ermittelt: Eine gewogene Menge des Rohdextrins wird
mit Wasser zur ßyrupconsistenz angerührt; die Mischung wird mit dem zehn-
fachen Volumen 90procentigem Weingeist vermischt; der Niederschlag wird mit
Weingeist gewaschen , getrocknet und gewogen. 1 g dieses getrockneten Dextrins
wird in lOccm Wasser gelöst; die Lösung wird mit 30ccm 56procentigem Wein-
geist, 4 Tropfen 26procentiger Eisenchloridlösung und 0.3 g Kreide — zur Fällung
von etwa vorhandenem, mit Eisentrihydroxyd sich verbundenem Gummi — versetzt,
gut geschüttelt und filtrirt. Das Fütrat wird mit 95procentigem Alkohol gefällt;
nach 24 Stunden wird die überstehende Flüssigkeit abgegossen, das Dextrin in
wenig Wasser gelöst und zur völligen Trockne gebracht. Der gewogene Rückstand
entspricht dem in 1 g enthaltenen reinen Dextrin und ist alsdann auf die Menge
des in Angriff genommenen Rohdextrins zu berechnen.
Bestimmung: Behufs Ermittelung des Dextrins für analytische Zwecke pflegt
man dasselbe in Traubenzucker überzuführen und diesen nach Soxhlet mit Fbhling-
scher Lösung zu bestimmen. Die Ueberführung geschieht durch 6stttndiges Erhitzen
mit 2procentiger Schwefelsäure im Oel-, Salz- oder Luftbade bei 110° in zuge-
schmolzenen Glasröhren oder in REiscHAUER'schen Druckfl&schchen. Nach Allihn
soll durch l1 2stündiges Kochen einer lOprocentigen Dextrinlösung mit 2procentiger
Salzsäure über freiem Feuer unter Anwendung eines Rückflusskühlers dasselbe
Resultat zu erreichen sein. 10 Th. Traubenzucker werden 9 Th. Dextrin bei der
Berechnung gleich erachtet. Dextrin neben Traubenzucker ist mit FEHLiNG'scher
Lösung zu bestimmen , da diese zunächst nur von letzterem , vom Dextrin aber
erst nach längerer Zeit redncirt wird. Die Bestimmung des Dextrins neben
Rohrzucker unterliegt grösseren Schwierigkeiten. Sie geschieht nach Sachse
durch Ueberführung beider in die entsprechenden Zuckerarten (Invertzucker und
Dextrose) und Ermittelung ihres Verhaltens gegen FEHLiNG'sche und SACHSK'sche
Lösung. Während sich die erstere gegen beide Zuckerarten gleich verhält, reducirt
die letztere ungleiche Mengen derselben, und zwar sollen nach Sachse 40 ccm seiner
Lösung (18 g Quecksilberjodid und 25 g Kaliumiodid in Wasser gelöst unter Zusatz
von 80 g Kaliumbydroxyd in Wasser gelöst zu 11 aufgefüllt) 0.1342 g Dextrose,
aber nur 0.1072 g Invertzucker entsprechen. Würden nun z. B. 25 ccm der
invertirten Lösung gerade genügen, um die in 40 ccm der SACBSE'schen Lösung
enthaltene Menge (0.72 g) Jodquecksilbers zu zersetzen und hätte dieselbe Menge,
mit FEHLiNG'scher Lösung geprüft, 0.125 g Zucker ergeben, so würde die Berechnung
folgendermaassen sein:
x + y = 0.125 (x Dextroae, y Invertzucker)
x- = *• 5.36 K.J und y . ^ - T . 6.71 Ka J
5.36 z + 6.71 y = 0.72
x + y =0.l¥5
x = U.0S7
v = 0.137
Die Mischung bestand also aus 87 Th. Dextrin und 37 Tb. Rohrzucker
(J. König, Die menschl. Nahrungs- und Gcnussmittel. Berlin, Julius Springer).
— Anwendung: Das Dextrin wird vorzugsweise in der Technik gebraucht, al*
Verdickungsniittel der Beizen für Zinkdruck, zur Herstellung der Farben in Kattun-
und Tapetendruckereien . in der Medicin zur Anlegung von Trockenverbänden,
früher auch zur Darstellung trockener Extracte. Eisner.
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DEXTRO-QÜININE. — DIACAUSTICA.
457
Dextro-Üuinine = Diconchinin, Ct0 Ht6 N4 09 , ist unter erstgenan ntem
Namen als Ersatz des Chinins in Amerika in Gebrauch. — 8. C hin aal kaloide,
Bd. II, pag. 696.
Dextrogyr = den polarisirten Lichtstrahl nach rechts drehend.
Dextrose = Traubenzucker. S. Glukose.
dg = Decigramm. Officiell sind die Maassbezeichnungen Deci- (Vto) und
Deka- (10/,) nicht gebräuchlich, sondern nur die Bezeichnungen für den 1 ,00
(Centi-), Sooo (Milli-) oder den (Hekto-) und »<"><> \ Th. (Küo-). — S.
Gewichte.
Di- (griechische Vorsilbe = doppelt), in gleicher Weise in Verwendung, wie"
die aus dem Lateinischen entlehnte Vorsilbe B i - (s. d.), z. B. Diacetas, Distdfat.
Die neue chemische Nomenclatur wendet ausschliesslich die Vorsilbe Di- an, um
zu bezeichnen, dass im Derivat zwei gleiche Substituenten enthalten sind , z. B.
Diäthyl, Diphenylamin, DioxybernsteinsSure, Diazoverbindungen, Diamine u. s. w.
Di, das chemische Symbol von Didym.
Diabetes (o\xßxivi«>, bindurcbfliessen). Jede mit andauernder Ausscheidung
ungewöhnlich grosser Harnmengen einhergehende Krankheit wurde von den Alten
als Diabetes bezeichnet. Diabetes bedeutete also Polyurie. Gegenwärtig wendet
man den Namen Diabetes nur auf zwei Formen von Polyurie an und unterscheidet
sie als Diabetes mellitus und Diabetes insipidus ; beide entstehen nicht in Folge
von Nierenerkrankung. Beim Diabetes mellitus wird mit dem Harne Trauben-
zucker ausgeschieden; deshalb wird die Krankheit auch Zuckerbarnruhr genannt.
Der Zuckergehalt variirt von Spuren bis 10, ja bis 25 Procent ; die ausgeschiedene
Zuckermenge beträgt im Mittel 200 — 300 g, in extremen Fällen 1000 g täglich.
Der Zucker ist auch im Blut und in sämmtlichen Secreten nachweisbar; so im
8peioheI. im Schweiss, in den Thränen, im Magensaft, im Lungenauswurf, in
diarrhoischen Stuhlentleerungen und auch in Transsudaten. Der Krankheitsverlauf
ist ein chronischer.
Beim Diabetes insipidus beobachtet man eine abnorm gesteigerte Harn-
menge ohne gleichzeitigen Zuckergehalt ; die Stickstoffausscheidung ist nicht immer
vermehrt. Die Krankheit verläuft chronisch und kommt im Gegensatz zu D. mellitus
meist bei jüngeren Individuen vor. Die täglichen Harnmengen belaufen sich auf
mehrere Liter.
Beide Arten von Diabetes können bei Thieren künstlich erzeugt werden.
Ein Stich, der eine bestimmte Stelle am Boden der vierten Gehirnkammer
trifft, verursacht Diabetes mellitus, man hat diese Stelle das Diabetescentrum
genannt. Wenn eine Stelle am Boden des vierten Ventrikels unmittelbar vor
diesem eigentlichen Diabetescentrum verletzt wird, entsteht einfache Polyurie ohne
Zucker, also ein dem Diabetes insipidus gleicher Zustand.
Diabetes bark wird von englischen Drogisten die Rinde von Anacardium
occidentale L. genannt.
DiaCaUStica (xsuw, ich brenne) nennt man die Figur, welche ein cylindrisches
Lichtbflndel bildet, nachdem es durch eine stark gekrümmte Sammellinse hindurch-
gegangen und gebrochen worden ist. Von einer schwach gekrümmten Linse wird
dieser Lichtcylinder in einen Lichtkegel umgewandelt , dessen 8pitze im Brenn-
punkte der Linse liegt. Bei stark gekrümmten Linsen sind die Brennpunkte der
Randstrahlen und der centralen Strahlen merklieh von einander entfernt; es ent-
steht somit eine Reihe aufeinander folgender immer mehr spitz werdender Licht-
kegel, deren gemeinsame Berührungsfläche die Diacaustica oder die diacaustische
Fläche ist ; sie hat die Gestalt eines Zeltdaches mit einwärts geschweiften Conturon.
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458
DIACAUSTICA. — DIÄTHYLACETAL.
Ein durch die Axe der diacaustischen Flüche gelegter Schnitt gibt eine diacauatische
Linie. Die Diacaustica ist die Ursache, dass stark gekrümmte Linsen undeutliche
Bilder geben. — 8. Aberration, Bd. I, pag. 10, und Katacaustica.
Diacetsäure = Acetessigsäure, s. d. Bd. I, pag. 50.
Diachel (Oder Diakel), verstümmelte Abkürzung von Diachylon (owt und
Wik). Weisser Diachel oder weisses Diachylonpflaster ist Emplastrum
Lithargyri; gelber Diachel ist Empl. Lithargyri compositum; brauner Diachel
ist das vorige, mit Ocker braun gefärbt. Diachylonsalbe , b. Unguentum
"diachylon.
DiaCOdiOn, von o*ti und xoÄix (Mohnkopf), ein aus Mohuköpfen bereitetes
Mittel, daher Syrupus diacodion u. s. w.
DiaCridium Oder DiagridiOn ist ein altes Synonym für Scammonium.
Diadelphia doppelt und ix>g/$*S;, Bruder), XVII. Classe des LiNXE'schen
PflanzensystemB. Die zu derselben gehörenden Pflanzen besitzen Zwitterblüthen,
deren Staubgefässe iu zwei Bündel verwachsen sind oder ein Staubgefäss ist frei
und die übrigen sind verwachsen. Die Staubbeutel sind frei.
Je nach der Zahl der Staubgefilsse (4 — 6 — 8 — 10, von den letzteren 9 ver-
wachsen, 1 frei) unterscheidet man die Ordnungen: 1. Tetrandria, 2. Hexandria,
3. Octandria, 4. Decandria. Die Blumenkrone ist schmetterlingförmig , daher die
hierhergehörigen Pflanzen Papüionaceae genannt werden. Sydow.
Diaetetica (Siam^?, zur Lebensweise, zur Diät gehörig), Mittel, welche,
ohne hervorragende Arzneiwirkung zu zeigen, vorzugsweise zur Ernährung der
Kranken dienen und aus den zur Erhaltung des gesunden Körpers dienenden
Naturproducten oder aus denselben gemachten Zubereitungen, welche der Digestion
geringen Widerstand darbieten, bestehen. Die am meisten benutzten Diaetetica
sind Fleisch und Milch und die zahlreichen Präparate aus diesen (Fleischextract,
Pepton, Serum lactis, Kumys, Kefir u. a. m.), aus dem Pflanzenreiche die Cerealieu
und Hülsenfrüchte nebst ihren nicht minder zahlreichen Zubereitungen ( Kindermehle,
Malzextracte, Leguminosen u. s. w.). Auch die zum Theil den Genussmitteln zu-
fallenden gebräuchlichen Getränke iKaffee, Thee, Chocolade, Bier, Weinj werden
den Diaetetica zugezählt. Die alte Eintheilung der Medicamente in diätetische,
chirurgische und medicinische (Celscs) ist gegenwärtig nicht mehr durchzu-
führen. Th. Huaemann.
Diäthylacetal Und DimethylaCetal haben Verwendung als Ersatz des
Chloralhydrats gefunden. Das erstere, Diäthylacetal, kurzweg Acetal genannt,
OCH
Aethylidendiäthylftthcr, CöH140ä = CH3 . CH<\ findet sich im Verlauf der
U L/a Jd,.
Branntweindestillation und entsteht durch Oxydation von Alkohol mittelst Braun-
stein und Schwefelsäure. Es ist in Wasser schwer löslich, nach Alkohol riechend,
siedet bei 104° und besitzt ein spec. Gew. = 0.8314 bei 20°. Das Dimethyl-
OCH
acetal, Aethylidendiraethyläther , C4 H,0 02 = C H, . CH«^,^«1 findet sich im
rohen Holzgeist und bildet sich bei der Oxydation eines Gemenges von Aethyl-
alkohol und Methylalkohol ; es ist eine ätherische Flüssigkeit, siedet bei 64° und
besitzt ein spec. Gew. vou 0.867 bei 1°. Vermuthlich durchlaufen beide den Orga
nisuius uuzersetzt. Als Form der Darreichung empfiehlt sich eine Emulsion, zum
Inhaliren eignet sich Diäthylaeetal , seines höheren Siedepunktes wegen , weniger
gut als Diuiethylacetal. Die Dosen sind noch nicht sicher festgestellt. — S. auch
Acetale, Bd. I, pag. 10. .Schneider.
Diacetin. Ein Essigsäureester des Glycerins C8
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D1ÄTHYLAM1N. — DIAGRAMM.
Diäthylamin, NH<ca * stellt ein Ammoniak vor, in dem 2 Atome Wasser-
stoff durch 2 Aethylgruppen ersetzt sind. Man^gewinnt es durch Einwirkung von
Bromäthyl auf Aethylamin, wobei sich bromwasserstoflsaures Diäthylamin in gelben
Nadeln abscheidet. Brennbare, bei 57.5° siedende, in Wasser leicht lösliche
Flüssigkeit. Starke Base, welche wohlcharakterisirte Salze bildet. Ganswind t.
Diagnosis (& ayiyvtocxti), genau erkennen, unterscheiden) nennt man das Er-
kennen eines Naturobjectes oder eines Zustandes aus der 8umme seiner charakteri-
stischen Merkmale. In der Naturgeschichte stellt man die Diagnose über ein Thier,
eine Pflanze, ein Mineral, indem man die allgemeinen und eigentümlichen Merkmale
des Gegenstandes zusammenfasst und daraus Familie, Gattung und Art bestimmt.
Die Diagnose gibt die zur Unterscheidung erforderlichen Merkmaie in mög-
lichster Kürze an und wird daher meist nur einige Organe zu berücksichtigen
haben, während im Gegensatz hierzu die Beschreibungen sowie die zwischen
Diagnose und Beschreibung stehenden Charaktere ein vollständiges Bild geben
sollen. Man kann, der Eintheilung der Naturreiche entsprechend, Classen-, Familien-,
Gattung»-. Artdiagnosen unterscheiden, die sich in der Regel auf einzelne be-
stimmte Organe erstrecken. So hat man es bei den Gattungsdiagnosen der Pflanzen
wesentlich mit den Eigenschaften der Blüthentheile, einschliesslich der Frucht, bei
den Artdiagnosen aber mit denen der vegetativen Organe zu thun. Zur Abfassung
der Diagnosen bediente man sich früher ausschliesslich und bedient man sich auch jetzt
noch in den meisten wissenschaftlichen systematisch-botanischen Werken der lateini-
schen Sprache, die sich hier, wo Missverständnisse durchaus vermieden werden müssen,
ihrer internationalen Verständlichkeit wegen namentlich empfiehlt. Mylins.
In der Heilkunde stellt man die Diagnose einer Krankheit aus ihren Symptomen.
Bei der Stellung der Diagnose muss von der medicinischen Zcichenlehre, S e m i o t i k,
Gebrauch gemacht werden ; doch ist man häufjg genug genöthigt, die Modalität
des Auftretens, sowie den Verlauf der Krankheit mit in Betracht zu ziehen um
zu einer bestimmten Diagnose zu gelangen. Besonders im Beginne einer Erkran-
kung muss die Diagnose häufig in suspenso gelassen und in der Behandlung blos
auf die Bekämpfung lästiger Krankheitssymptome hingearbeitet werden. Die Wissen-
schaft, welche die Kunst lehrt, Krankheiten richtig zu erkennen, nennt man
Diagnostik.
Diagometer sind von Rousseau und Palmikri construirte Apparate, die
dazu bestimmt sind, das elektrische Leitungsvermögen fetter Oele rasch und sicher
zu messen. Es sollen sieh damit besonders leicht Verfälschungen des Olivenöles
erkennen lassen , da das elektrische Leitungsvermögen desselben weit kleiner ist.
als das der anderen Oele. Benedikt.
Diagramm. Um die Zahl uni die Anordnung der Blüthentheile in einfacher
Weise zu versinulichen und viele Blüthen in dieser Hinsicht vergleichen zu können,
bedient man sich des Blüthengrundrisses oder des Diagramms. Es ist dies ein
Schema, in welchem die Blüthentheile im Grundriss nach Zahl und Stellung zu
einander durch Zeichen dargestellt sind, die ungefähr ihrem Querschnitt entsprechen.
Ea werden hierbei die einzelnen Blüthenblattkrcise, so namentlich Kelch- und Kron-
blfltter, zur besseren Unterscheidung mit verschiedener Schraffirung versehen. Um
den Werth des Diagramms noch zu steigern, wird auch wohl die Lage der Blüthe
zu den vorausgehenden Blättern, sowie bei Seitenbltithen zur Abstammungsachse
angemerkt. Schwierige und abnorme Erscheinungen in der Bildung einer Blüthe
können durch die schematische Zeichnung eine Erklärung finden , und zwar wird
ein solches Diagramm, bei dessen Composition auch theoretische Erwägungen statt-
finden, ein theoretisches genannt, während es andererseits, wenn es nur die
Äussere Erscheinung ohne Erklärungsversuch wiedergibt , als empirisches be-
zeichnet wird.
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460
DIAGRAMM.
Die Vergleichung der Diagramme ergibt, dass die Anordnung der Blätter
der einzelnen Kreise zweifacher Art sein kann und darnach unterscheidet
Fig. 75.
Diagramm der Diagramm der Diagramm der Diagramm einer
Lifienblüthe. Cruciferenblüthe. Leinhlüthe. Schmetterlingsbluthe.
Die auf einanderfolgenden Kreise bedeuten von aussen nach innen: Kelch, Blumenkrone,
Staubgefässkreise, Pistill. Der Punkt deutet die Stellung der Blüthenstaudsaxe an. (Nach
£ i c h 1 e r und Leunis-Frank.)
man zwei grosse Gruppen von Bltlthenformen , nämlich cyclische und acyc-
1 i s c h e.
Diagramme der Scrophulnrineenblüthe.
A von Vtrlnttcum mgrum. B von Linaria vuigarit mit gespornter
Unterlippe, C von OratMa of/lcinalu.
Diagramme der Labiatenblüthe.
I> von Irmina a'bnm mit 4 didynamiscben
Stanbgofässen, K von Sa! via orjtdnatis mit
8 Staubgefässen (nur die eine Antheren-
hälfte ausgebildet) und 2 Staminodien.
* Unterdrücktes Staubgeflw.
Fig.
o
C y c 1 i 8 c h e Blttthen sind solche, deren Kreise Quirle bilden, wobei jedoch bemerkt
werden muss, dass aus der Deckung der Kelch- und Kronenblätter in der Knospe
bei vielen auf eine ursprünglich spiralige
Anordnung geschlossen werden kann. Nach
der gewöhnlich für jede Blüthe charakteri-
stischen Anzahl von Blättern in jedem Blüthen-
kreise unterscheidet man von letzteren z w e i-,
drei-, vier-, fünf- etc. gl ie der ige (di-
mere, trimere, tetramere, pentamere etc.).
Dimere Bl Athen kreise haben, z. ß. Circaea und
Majauthemum. trimere die meisten Monocotyle-
donen, tetramere Oenothera und viele Rubia-
ceen, pentamere viele Dicotyledonen, hexamere
Lythrum, heptamere Trientalis. Das Androe-
ceum und Gynaeceum von Sempervivum zeigt
bis zu zwanzig Blätter in cyclischer Anord-
nung. Obwohl meist sämmtliche Blüthenkreise
gleichgliederig sind , tritt doch auch, nament-
lich im Gynaeceum eine andere An/.ahl — in
der Regel eine geringere — auf (z. B. üm-
bellifercn), während sich andererseits die er-
wartete Anzahl eines Kreises vervielfältigt. Der
letztere Fall wird vorzugsweise durch Auftreten mehrerer übereinander stehender
Quirle (z. B. das sechsblätterige, aus zwei dreigliederigen Quirlen bestehende Perigon
Acyclischer Blüthengrundrisa der See-
rose fSvphar tarnt«/.
t-6 Kelchblätter ; t—ts Kronenblätter :
mehrere ISgliederige Wirtel von Staub-
gefässen; ein «»fächeriger Frucht
knoten. (.Vach K i c h 1 e r.)
Google
DIAGRAMM. — DIALYSE.
461
vieler Monocotyledonen) oder durch Chorise (s. Bd. III, pag. 102) oder durch
Dedoubl ement (s. pag. 422) hervorgerufen. Die aufeinanderfolgenden Quirle
alterniren ziemlich ausnahmslos, und wenn bei einer Blüthe die Blatter zweier
Kreise superponirt sind, pflegt man anzunehmen, dass zwischen beiden Kreisen
ein Quirl normal unterdrückt ist.
Acyclische Blüthen (Fig. 77) sind solche, bei deren Formationen die Blätter nicht
in Kreisen oder Quirlen, sondern spiralig angeordnet sind, wobei die Blätter in der
Kegel in sehr grosser und nicht bestimmter Anzahl auftreten. Hierher gehören z. B. die
Blflthen der Nymphaeaceen, Magnoliaceen, Calycanthecn, Cacteen. Siud einzelne
Kreise einer Blüthe cyclisch, andere derselben aber aeyclisch, so nennt man die
Hlüthe hemi eye lisch, so z. B. bei Anemone, Hepatica, Banunculus, deren Kelch
und Krone sich cyclisch, Staubgcfässe und Carpelle aber aeyclisch zeigen. —
Vergl. auch Blüthen formein, Bd. II, pag. 318. C. Mylius.
Diagrydium. a. Scammonium.
DialOSe, eine von Payen aus Dialiumfrtichten , die in China statt der
Seife zum Waschen benutzt werden , dargestellte , im höchsten Grade quellbare
Substanz.
Dialysate. Diai ysirte Tincturen sind in Amerika aufgetauchte alkoho-
lische Tincturen, vorwiegend alkaloidhaltiger Drogen, die der Dialyse unterworfen
werden , um Harze , Fett und Farbstoffe etc. zu entfernen. Die erhaltenen
dialysirten Tincturen sollen sich aus diesem Grunde auch mit Wasser, Syrup,
Salzlösungen , Glycerin ohne Trübung oder Niederschlag klar mischen. D i a 1 y-
sirtes Ki sen = Liquor ferri dialysati. Dialysirtes Mutterkor n-
extract = Extractum iSecalis cornuti dialysatum. Dialysirte Seife = Sapo
dialysatus.
Dialysator, s. D i a 1 v g e.
Dialyse ist die Bezeichnung für einen ganz eigenthümlichen Trennung« Vor-
gang zwischen verschieden gearteten, in der gleichen Lösung befindlichen Stoffen
mittelst Diffusion durch eine Scheidewand von
vegetabilischem Pergament. Man bedient sich
für Zwecke der Dialyse gemeinhin eines
Apparates , bestehend aus einem Glasgefäss,
dessen Boden aus Pergamentpapier besteht
(am besten einer weithalsigen Flasche oder
eines Pulverglases, dessen Boden man mit
Sprengkohle absprengt und dessen Halsöffnung
man dann mit Pergamentpapier umbiudet , und
einem grösseren mit Wasser gefüllten Cylin-
der. Senkt man dann das Pergaraentpapier-
gel'äss s<» weit in den mit dcstillirtem Wasser
gefüllten Cylinder , dass die Flüssigkeiten in
beiden Gefassen in gleichem Niveau stehen,
so ist damit der dialytische Apparat, der
Dialysator, fertig. Die Trennung auf
dem Wege der Dialyse beruht auf dem ver-
schiedenen 1 >iti'usiuns\ ermögen verschiedener
Körper durch vegetabilische Membranen ; bei
einer grossen Anzahl von Körpern, vornehm-
lich solcher, welche krystallisationsfHhig sind , ist das Diffusionsvermögen ein be-
sonders grosses, bei anderen hingegen ist die Diffusibilitflt eine höchst geringe
oder gleich Null. Man hat auf Grund dieses Verhaltens die Körper in zwei Kate-
gorien gebracht, und die erstereu KrystalLoide, die letzteren dagegen, welche
Fig. 78.
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DIALYSE. - DIAMANT
durchgehend amorph und nicht selten gallertartig sind, Colloide genannt. Die
Dialyse dient also zur Trennung der Krystalloide und Colloide ; so z. B. von
Alkaloiden (welche diffundiren) und Extractivbestandtheilen, wie Harz, Chlorophyll,
Farbstoff (welche zurückbleiben). Der Vorgang der Trennung mittelst Pergament-
papier wird als Dialyse bezeichnet, der Vorgang der Diffusion aber, also das
Diffundiren selbst, als Osmose oder Diosmose. Gans w in dt.
Dialysirte Kieselsäure ist Kieselsäurebydrat in reiner wässeriger Lösung,
mittelst der Dialyse gewonnen. Setzt man zu einem Ueberschuss von verdünnter
Salzsäure eine Lösung von kieselsaurem Natron, so entsteht kein Niederschlag
und das Kieselsäurehydrat bleibt gelöst. Diese Lösung enthält aber noch Chlor-
natrium und Salzsfture. Bringt man dieselben in einen dialytischen Apparat, wie
derselbe unter Dialyse beschrieben wurde, so diffundiren die letzteren durch die
Membran und die Kieselsäure bleibt gelöst als dialysirte Kieselsäure zurück.
Ganswind t.
DialytiSCher Apparat dient zur Trennung von Körpern durch Dialyse
und ist unter Dialyse beschrieben.
Diamagnetismus, vom Eisen sowie vom Nickel und vom Kobalt wusste mau
schon vor langer Zeit, dass sie von einem Magnetpole angezogen werden. Die
übrigen Körper, bei welchen man eine solche Anziehung nicht bemerkte, bezeichnete
man als nicht magnetisch. Faraday hat 1845 gezeigt, dass ein kräftiger Magnet-
pol auf jeden Körper eine Wirkung ausübt ; dass die Reihe der magnetischen,
oder von ihm paramagnetisch genannten Körper viel grösser ist ; das» Mangan,
Chrom, Palladium, Platin, Cerium, Osmium, Titan und auch verschiedene nicht
metallische Substanzen , wie Turmalin , Flussspat , Graphit, Holzkohle und manche
Sorten von Papier und Siegellack sich einem Magnetpole gegenüber ähnlich ver-
halten, wie Eisen, d. h. kugelförmige Stücke (nicht geometrisch kugelförmig, son-
dern nur in dem Sinne, dass keine Dimension besonders vorherrscht) dieser Sub-
stanzen werden von jedem Pole angezogen ; in Stäbchenform zwischen zwei Magnet-
pole aufgehängt, stellen sie sich axial, es fällt nämlich die Längenachse des
Stäbchens zusammen mit der Verbindungslinie beider Pole. Kugelförmige Stücke
anderer Stoffe hingegen werden von jedem Magnetpole (Faraday verwendete die
Polo kräftiger Elektromagnet«) abgestossen : in Stäbchenform zwischen den Polen
aufgehängt, stellen sie sich äquatorial, d. h. senkrecht auf die Verbindungs-
linie beider Magnetpole. Diese Eigenschaft einer grossen Reihe von Körpern, von
einem Magnetpole abgestossen zu werden, nannte Faraday Diamagnetis-
mns. Besonders ausgezeichnet ist der Diamaguctismus des Wismutes und des
Antimons.
Auch Flüssigkeiten und Gase sind dem Magnetismus unterworfen. Zur Prüfung
auf Paramagnctismus oder Diamagnetismus worden Flüssigkeiten in eine dünn-
wandige Glasröhre gefüllt, das Rohr horizontal zwischen den Magnetpolen aufge-
hängt und nachgesehen, ob es sich axial oder äquatorial stellt. Die Flammen
brennbarer Gase erhalten durch die Magnetpole eine äquatoriale Stellung. Nach
Plücker's Versuchen ist Sauerstoff paramagnetisch und Wasserstoff diamagnetisch.
Diamant (Demant, engl. Diamond, franz. Diamant — vom griechischen
a.bzy.zt; = unbezwingbar abgeleitet — russ. und pers. Almas), der im Verhältnis«
zu seinem Gewicht und seiner Grösse, sowie seiner Seltenheit und ausgezeichneten
Eigenschaften wegen werthvollgte aller Edelsteine.
Die wichtigsten Fundorte des Diamanten liegen in Vorderindien zwischen dem
14° und 26° n. Br. , auf Borneo und Sumatra, in Brasilien, besonders in den
Provinzen Minas-Geraes, Matto- Grosso und Bahia, in Südafrika zwischen dem Oranje-
und Vaalfluss mit Kinrechnung des Nordufers des letzteren , im Ural , in Nord-
amerika (im südlichen Alleghany-Gebirge in den Staaten Nordcarolina und Georgia),
in Califoruien u. s. w.
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DIAMANT.
463
Der Diamant findet sieh allermeist in einem eigenartigen Alluvium , in den
sogenannten Diamantseifen, in bis 6m und darüber tiefen, mannigfache Gemeng-
theile , wie Lehm , Thon , Sand , Grand , Geschiebe , Conglomerate und Breccien
führenden Schuttablagerungen der Flussbette oder am Fusse oft hoher Berggipfel.
In Indien und Brasilien haben die hier und da mehrere Meter tief liegenden
diamantführenden Schichten dieser Ablagerungen nur selten eine Mächtigkeit von
1 m. Merkwürdigerweise ist immer nur eine solche Schicht vorhanden. Ihre Grund-
masse oder „Matric" besteht in Indien aus einem hier und da durch Lehm oder
Thon verbundenen Gemenge von Sand und Grand aus Sandstein, Quarz, Jaspis,
Chalcedon und Carnool mit Einmengungen grösseren Geschiebes von Hornstein,
Granit, Kalkconglomerat u. s. w. Auf der Westseite des Ratoos-Gebirges auf
Borneo liegon die aus Serpentin, Diorit, Quarzgeschieben und verhärtetem Mergel
bestehenden diamantführenden Seifen unter mächtigen Dammerdeschichten ; die
IH.nuanten sind hier von Gold und Platin begleitet. In Brasilien, in Nordamerika
und im Ural ist der Itacolumit das Muttergestein. Auch hier wird der Diamant heute
nur noch durch Wäscherei aus den Geröllablagerungen und Sanden der Fluss-
thäler, in denen er lose neben anderen Edelsteinen und oft auch neben Gold vor-
kommt , gewonnen. Die Diamantgruben Südafrikas, welche die durchschnittlich
ziemlich grossen, fast immer aber etwas gelblich gefärbten sogenannten Cap Diamanten
liefern, liegen entweder unmittelbar an den Ufern der Flüsse (River Diggings) oder
in beträchtlicher Entfernung von Wasserläufen (Dry Diggings). In jenen ist Vor-
kommen nnd Gewinnung der Diamanten ähnlich wie in Indien und Brasilien. Die
gesammten diamantf Uhrenden Massen haben eine Mächtigkeit bis zu 12 m; die
Diamanten liegen in einem mit lehmigem Sand oder Thon gemengten buntfarbigen
Gerölle und Geschiebe von mancherlei Quarzvarietäten, versteinertem Holz, von
solchen Gesteinen, die im oberen Flusslaufe anstehen und in den „Dry Diggings"
vorkommen. Die letzteren bilden etwa den Maren der Eifel vergleichbare krater-
artige Vertiefungen, welche nach oben hin mit einer lichtgelblichen mürben, von
15 — 20 m Tiefe ab mit einer dunkelbläulichgrauen, sehr festen, einem veränderten
vulcani8irten Tuff gleichenden Masse ausgefüllt sind. Nur in dieser tuffigen Masse,
welche zahlreiche Bruchstücke und oft gewaltige Felsmassen der angrenzenden
GeBteine einschließt, werden Diamanten gefunden. In diesen Vertiefungen ist man
selbst bei 150 m Tiefe nicht auf anstehenden Fels gestossen. An der Oberfläche
wird der diamantführende Boden in einer Mächtigkeit von bis 1 m von porösem
Kalktuff und darauf lagerndem rothem Sande bedeckt, welche Ablagerungen durch
die Atmosphärilien oft tief in die Unterlage hinabgeführt wurden und dabei aus-
nahmsweise und zufällig Diamanten einschlössen. E. Cohn . welcher die Diamant-
felder Südafrikas eingebend studirt hat, hält die „Dry Diggings" für Producte
vulcanischer Thätigkeit, die isolirten k rater förmigen Becken für wirkliche Krater ;
er nimmt an, es sei ihre Ausfflllmasse in Form einer durch wässerten Asche , den
Auswurfsmassen der Schlammvulcaue ähnlich, zur Eruption gelangt, die eingebetteten
Bruchstücke und Felsmassen aber seien Theile der bei der Eruption gehobenen,
durchbrochenen und zertrümmerten Schichten der Schiefer und Sandsteine mit den
eingeschalteten Diabaslageru, welche das Plateau der sogenannten Karooformation
bilden, auf dem die „Dry Diggings" liegen.
Die Diamantenwäscherei ist eine vielfach mit den einfachsten Hilfsmitteln be-
triebene Sehlämmarbeit. Alle leichteren Theile, wie Lehm, Thon und Sand , werden
auf schiefer Ebene, am Maharadi in Vorderindien z. B. nur ein etwa 2 m langes,
mit etwa 8 cm hohem Rande versehenes Brett, durch Wasser weggeschwemmt, hier-
auf die groben Theile ausgelesen und nun der Rückstand auf Diamanten durch-
sucht. In Brasilien erfolgt das Sammeln der diamantführenden Flussablagerungen
in der trockenen Jahreszeit nach vorheriger Ableitung des Wassers durch Dämme,
das Waschen aber während der Regenzeit. Unter fortwährendem Umrühren werden
hier in Trögen die diamanthaltigen Massen so lange ausgeschlämmt, bis das Wasser
völlig klar abläuft, worauf der Rückstand in der Hand durchsucht wird. Die „Dry
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464
DIAMANT.
Diggings" Süd-Afrikas werden seit etwa zehn Jahren in sehr regelmässiger Weise
und sorgfältig ausgebeutet ; die Wäsche erfolgt mit Hilfe von Maschinen , welche
täglich bis zu 500000 kg und mehr des diamantfahrenden Bodens zu waschen
gestatten. Seit jener Zeit hat man auch in Afrika viel kleine Diamanten unter
1 Gran Gewicht, die früher meist verloren gingen, gefunden.
Die ältesten, freilich sehr mangelhaften Nachrichten Uber den Diamant rühren
von Plato her. Weit ausführlichere Mittheilungen über ihn machte Plixiüs, dem
schon die indischen Diamanten und die Thatsache bekannt waren, dass mit Diamant
andere Edelsteine geschnitten werden können. In Indien ist der Diamant jeden-
falls schon im grauen Alterthume bekannt gewesen. In Brasilien hatte man glänzende,
beim Goldwaschen gefuudene Steine, die erst im Jahre 1727 als Diamanten erkannt
wurden, bisher weggeworfen oder als Spielmarken benützt. In Nordcarolina wurden
Diamanten im Jahre 1845 aufgefunden, nachdem lange vorher A. v. Humboldt
auf die Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens hingewiesen hatte und kurz vorher
Itacolumit aufgefunden worden war. Auch für den Ural war aus den bestehenden
geologischen Verhältnissen das Vorkommen von Diamanten durch mehrere Forscher
und zuletzt durch A. v. Humboldt vorbergeaagt worden. Die ersten Diamanten
wurden hier im Jahre 1829 gefunden. Die Anzahl und das Gewicht der im Ural
gefundenen Steine ist nur unbedeutend. In Südafrika entdeckte man das Vor-
kommen von Diamanten 1867, auf Sumatra 1840.
Der Diamant ist ziemlich reiner Kohlenstoff. Er stellt die eine der drei ätio-
tropen Modifikationen des Kohlenstoffs dar. Alle Krystallformen , in denen der
Diamant gefunden wird, gehören dem regulären oder Tesseralsysteme an. Die
Formen, in denen er am häufigsten auftritt, sind das Octaeder (vorzugsweise bei
den indischen) und das Rhombendodekaöder (besonders häufig bei den brasilianischen
Diamanten) ; doch kommen auch audere abgeleitete Formen , Combinationen und
Zwillingsformen (schwer zu verarbeiten), selten der Würfel und das Tetraeder vor.
Auch Zusammenhäufungen und Verwachsungen sind gefunden worden. Viele, selbst
grosse Rohdiamanten lassen kaum deutlich ausgebildete Krystallflächen erkennen,
zumal die letzteren selbst bei regelmässigen Formen allermeist gekrümmt sind;
es haben dann solche Rohdiamanten oft eine recht unansehnliche Gestalt.
Meist ist die Oberfläche der Diamanten glatt , bisweilen aber auch rauh und
gestreift und selbst von einer schuppigen oder höckerigen und rissigen Rinde
bedeckt.
Die Diamanten sind entweder völlig durchsichtig oder weniger durchsichtig bis
undurchsichtig, ganz farblos (vom hohen ersten Wasser) oder mehr oder weniger
und in mehreren Schattirungen roth, gelb, grün, blau, braun und selbst schwarz
gefärbt. Auch Diamanten mit gefärbten Punkten , Flecken , wolkigen oder moos-
artigen Zeichnungen in der meist farblosen Hauptmasse und mit Sprüngen (soge-
nannten Federn) kommen vor. „Wasser" ist der technische Ausdruck für die
höheren Grade der Durchsichtigkeit und Farblosigkeit.
Der Diamant ist durch ausserordentlichen, eigentbümlichen Glanz, durch hohes
Liehtbrechungsvermögen (Brechungacoeffieient = 2.487) und prächtiges Farbenspiel
(Feuer), das heisst durch bedeutende Farbeuzerstreuung ausgezeichnet; sein Feuer
ist um so grösser, je höheren Grades sein Wasser, je vollkommener seine Durch-
sichtigkeit und Farblosigkeit ist.
Trotz seiner grossen Härte (10. und höchster Grad der Härtescala) besitzt er
weuig Festigkeit ; er ist spröde uud leicht pulverisirbar. Parallel den Flächen des
regulären Octaeders Iässt sich der Diamant leicht spalten und so für die nach-
folgende Bearbeitung vorbereiten. Er zeigt einen muscheligen, hin und wieder
auch splitterigen Bruch.
Das speeitische Gewicht der Diamanten schwankt zwischen 3.33 (ein nord-
amerikanischer Steinj und 3.55 (orangefarbener indischer Diamant).
Der Ausdehn uugseoefficient des Diamauten ist nach Fitzeau sehr klein (Verlänge-
rung der Längeneinheit von 0 — 100° = 0.000132 ; gewöhnliches Glas = 0.000861)
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DIAMANT.
465
und nimmt mit sinkender Temperatur rasch ab (bei — 42.3° = 0, wonach also
hier der Diamant seine grösste Dichte erreicht).
Die specifische Wärme des Diamanten beträgt nach Regnault zwischen + 9»
nnd 98° = 0.1469; sie wird nach Weber erst bei 985° constant: 0.459.
Der Diamant leitet die Wärme schlecht, die Elektricität nicht; durch Reibung
wird er positiv elektrisch, verliert aber seine Elektricität schon nach kurzer Zeit
wieder vollständig.
Plinius hielt noch den Diamant für unverbrennlioh, Newton aber sc bloss aus
dem starken Lichtbrechungsvermögen und der Dichte des Diamanten, dass er ver-
brennlich sein müsse. Experimentell wurde seine VerbrennUchkett zuerst 1694
seitens der Akademie del Cimento zu Florenz dar^ethan; im Focus eines sehr
grossen Brennspiegels bekam der Diamant Risse und verschwand ohne vorheriges
Schmelzen unter starkem Funkeusprtthen. Später wurden wiederholt Diamanten
bei Luftzutritt verbrannt; es ergab sich, dam dazu bereits die Schmelzhitze
des Silbers (etwa 1000°) ausreicht Mehrere Beobachter stimmen darin über-
ein, dass der Diamant beim Verbrennen im Focus des Brenn.spiegels oder vor dem
Knallgasgcblflse sich schwärzt, als wäre er berusst und dann abfärbt. Beim Ver-
brennen von Diamant in einer mit Gas geheizten Muffel und von Diamantsplittern
auf Platinblech vor dem Löthrohre konnte wohl nur deshalb niemals Schwärzung
beobachtet werden, weil hier die Hitze zur Graphitbildung nicht ausreichte (G. Rosb).
Bei völligem Luftabschlüsse . scheint er selbst noch in der Schmelzhitze des Roh-
eisens vollständig unveränderlich zu sein, dagegen in heftigster Weissgluth (Schmiede-
eisenschmelzhitze) mit Beibehaltung der Form allmälig in Graphit flberzugehen
(G. Rose). Obwohl schon früher Lavoisiee nachgewiesen hatte, dass das Ver-
brennungsproduct der Diamanten Kohlendioxyd ist, zeigte doch erst H. Davy, dass
der verbrennliche Tbeil desselben nur aus Kohlenstoff besteht. In Sauerstoff zum
Glühen erhitzt verbrennt der Diamant unter lebhafter Feuererscheinung. Mit
schmelzendem Kalisalpeter liefert er kohlensaures Kalium. Im feingepulverten Zu-
stande kann er sogar durch Erhitzen mit einer Lösung von chromsaurem Kalium
in mit einem Fünftel Volumen Wasser verdünnter Schwefelsäure langsam zu Kohlen-
dioxyd oxydirt werden. Zwischen den in Kohlenspitzen endigendeu Polen einer aus
100 Elementen bestehenden BüNSEN'schen Batterie wandelt sich Diamant unter
ausserordentlich lebhafter Lichtentwickelung nach vorher »er Erweichung in eine
coaksähnliche Masse um und Dbspeetz beobachtete, dass er im luftleeren Räume
oder in einem indifferenten Gase unter dem Einflüsse einer aus 500—600 Bunskn-
schen Elementen bestehenden Batterie sich verflüchtigt, in Graphit verwandelt und
Schmelzung zeigt. Beim Verbrennen hinterlässt er eine Kleinigkeit einer röthlichen,
bisweilen aus glänzenden* Theilchen zusammengesetzten, Kieselsäure und etwas
Eisenoxyd enthaltenden Asche.
Seit etwa fünfzig Jahren kommt von Brasilien her ein aschgrauer bis bräunlich-
schwarzer derber Diamant in den Handel, der in der Provinz Bahia, und zwar
ebenfalls im 8eifengebirge, in Gestalt rundlicher Körner oder in rundlichen Stücken
von bis Wallnussgrösse, ja selbst bis zum Gewichte von 1 kg gefunden wird.
Die Edelsteinschneider nennen diese Diamantvarietät Garbonado oder Gar-
bo n a t. Trotz seiner porösen Beschaffenheit hat er doch eine ausserordentliche
Härte. Sein Bpecifisches Gewicht wurde zu 3.01—3.42 gefunden. Beim Erhitzen
verhält er sich insofern vom Diamant verschieden , als er bei Weissgluth in der
Muffel staubartige Theilchen umherspritzt und sich mit kleinen Auswüchsen be-
deckt (G. Rose) Er hinterliess 0.27 — 2.03 Procent gelbliche Asche, welche aus
eisenhaltigem Thon und sehr kleinen durchsichtigen Kryställchen bestand. Des-
Cloiskaüx fand zwei kleine Exemplare, welche Octaöder und Hexaeder mit ab-
gerundeten Kanten und rauhen Flächen waren, Göfpebt aber beschrieb ein Korn,
dessen eine Seite abgerundet war, während die andere drei Kanten zeigte, welche
zu einer Ecke zusammenstiessen , die wie die dreiflächige Ecke eines Rhomben-
dodekaöders aussah. G. Rose vermuthet deshalb, es sei der Carbonat eine Pseudo-
Keal-Encyelop&dle der ges. Pbarm&cie. III. 30
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466
DIAMANT.
morphose. Nach Cohen ist er durch innige Verwachsung1 zahlreicher kleiner Indi-
viduen entstanden, die sich gegenseitig in ihrer Ausbildung gehemmt haben.
Mancher Carbonat ist so dicht, dass er sich, wegen der grossen Härte aber nur
mit seinem eigenen Pulver, schleifen lässt und dann schöne Steine mit voll-
kommenem Diamantglanz liefert. Gepulvert wird er zntn Schleifen der Diamanten
und anderer Edelsteine, sowie zu Felsbohrungen, zum allerfeinsten Abdrehen und
Egalisiren von Stahl- und Porzellanwalzen (z. B. in Müllereien) u. s. w. verwendet.
Wegen seiner starken lichtbrechenden und verhältuissmässig nicht grossen
farbenzerstreuenden Kraft (= 0.38) hat man einige Male versucht, aus Diamant
von sphärischer Aberration möglichst freie und möglichst achromatische Linsen für
Mikroskope herzustellen. Kleine, zu Schmucksteinen nicht mehr verwendbare Dia-
manten mit nicht allzuscharfen Naturspitzen, geben die sogenannten Glaserdiamanten ;
sie ritzen das Glas nicht blos, sondern veranlassen bei richtiger Führung und unter
massigem Druck einen zusammenhängenden, etwa bis auf 0.1 mm Tiefe eindringenden
Sprung. Zu Schreib- oder lithographischen Diamanten, sowie zu Diamantbohrern
(für Stahl, Glas, Gestein u. 8. w.) und zum feinsten Abdrehen von Metall und anderen
harten Stoffen (Rand der Taschenuhrjrlaser, Stahl- und Porzellanwalzen) verwendet
man dagegen die beim Zurichten der Diamanten durch das Spalten mit dem Stahl-
meissel abfallenden Bruchstücke, soweit sie passende, scharfe Spitzen und Kanten
haben.
Die Kunst der Diaroantschneiderei reicht mindestens bis in's vierzehnte Jahr-
hundert zurück. Berühmt durch grossartige Diamantschneidereien (mit Dampfbetrieb)
ist Amsterdam. Die Hauptarbeiten des Diamantschneiders sind das Spalten oder
Klieven zur Beseitigung fehlerhafter Stellen und zur Herstellung der Flächen
(Facetten) im Rohen mit Hilfe eines feinen, messerförmigen Meisseis, das Schneiden.
Formen oder Grauen , ein Schleifen , durch welches dem Steine seine allgemeine
Form gegeben wird und die grösseren Flächen mit annähernder Genauigkeit her-
gestellt werden und endlich das Schleifen oder Polire», die Herstellung sämmt-
licher Flächen in der rechten Grösse, Form nnd gegenseitigen Neigung. Das
Schneiden und Schleifen kann, ausser mit gepulvertem Carbonat, nur mit mehr oder
weniger feinem Diamantpulver, welches im Stahlmörser aus den Abfällen vom
Spalten und aus für Schmuckgegenstände unbrauchbaren Steinen, aus dem soge-
nannten Diamantbrot, hergestellt wird , bewerkstelligt werden. Das Schleifen er-
folgt auf der mit Diamantpulver und Olivenöl bestrichenen, mit grosser Geschwindig-
keit in horizontaler Richtung sich drehenden , aus Gusseisen oder weichem Stahl
bestehenden flachen Scheibe der Schleifmühle. Für das Schneiden und Schleifen
wird der Stein mit Hilfe einer leichtflüssigen Legirnng in dem sogenannten Kitt-
stock oder Kegel, beziehungsweise in einer Hülse oder Doppe, diese letztere aber
mit ihrem Stiel in einer Zange befestigt; eine Beschwerung der letzteren (2kg)
drückt den Stein an die Scheibe der Mühle an.
Die häufigste und geschätzteste Form der Schmuckdiamanten ist die Brillant-
form, welche auf zwei abgestutzte, an ihren Grundflächen verbundene Pyramiden
zurückzuführen ist. Die oberste Schliffflache heisst Tafel, die unterste, ihr gegen-
überliegende und mit ihr parallel verlaufende heisst Kalette (cnlasse). Ausser dem
Brillant sollen noch der Halbbrillant (nur nach oben als Brillant geschliffen, Unter-
teil fehlend) und die Rosette (Raute oder Rose), der Hauptform nach eine Pyramide
(Untertheil fehlt) mit zwei Reihen Flächen, von welchen die der oberen in eine
gemeinsame Spitze zusammenlaufen und Sternfacetten heissen, angeführt werden. Zur
Schönheit der Schmuckdiamanten gehört unter Anderem ein richtiges Verhältniss der
Dimensionen (Höhe des Ober- und Uutertheils, Grösse von Tafel und Kalette u. s. w.).
Diamanten werden fast immer „ä jour" gefasst, das heisst so, dass der Stein frei
schwebend nur durch einzelne Krallen der Fassung gehalten wird, seine ganze
Ober- und beziehungsweise auch seine Unterseite also völlig freiliegt.
Der Werth der Diamanten richtet sich nach deren Grösse, nach dem Grade
der Reinheit und Fehlerlosigkeit , nach der Schönheit und Gleichartigkeit der
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DIAMANT. - DIANENBAUM.
Färbung, nach der Art und Vollkommenheit des Schnittes und nach dem Feuer
der Steine. Kauf und Verkauf der Diamanten erfolgt nach dem Gewichte. Die
Gewichtseinheiten sind Gran und Karat (= 4 Gran = dem Gewichte des trockenen,
bohnenförmigen Samens einer in Oatafrika vorkommenden, Kuara genannten
Papilionacee) ; das Karat entspricht einem Gewichte von 197.0 (Amboina) bis
215.99 mg (Livorno), meist einem Gewichte von 205.0 (Batavia, Borneo und
Leipzig) bis 206.13 mg (Wien). Der Preis der Diamanten ist ein ausserordentlich
verschiedener. Er wächst bei sonst gleicher Fehlerlosigkeit, bei gleicher Farbe und
gleichem Feuer, weit rascher als das Gewicht. Wenn z. B. 20 Diamanten von
je 1 Karat Gewicht 6000 Mark kosten, dann wird ein Stein gleicher Güte von
20 Karat Gewicht einen Preis von 120000 Mark und darüber haben. Roh-
diamanten gewinnen in der Regel bedeutend an Werth durch den Schnitt; ihr
Werth kann sich aber auch erheblich vermindern , wenn beim Schnitt Fehler
sichtbar werden, wenn dabei sehr viel entfernt werden muss oder wenn der Schnitt
ein mangelhafter ist. So verminderte sich das Gewicht des durch seinen herrlichen
Brillantschliff ausgezeichneten „Pitt" oder „Regent" im französischen Kronschatze bei
dem zwei Jahre in Anspruch nehmenden Schneiden von 410 bis auf 137 Karat;
trotzdem wurde der Werth dieses Brillanten im Jahre 1791 auf 12 Millionen Francs
geschätzt. Ulbricht.
DiamantfUCh$in heissen sehr reine Fuchsinsorten (s. Fuchsin).
Diamantine GllignOt'8 ist (nach Hagbb) eine Mischung aus Gummi Arabi-
cum, Dextrin, Traganth und Gelatine und wird bei der Fabrikation künstlicher
Blumen gebraucht.
Diamantkitt Den Namen Diamantkitt führen verschiedene, insbesondere zum
Kitten von Metallen oder von Glas und Steineu auf Metalle verwendete Kitte.
Nach Hagbh erhält man einen guten Diamantkitt , wenn man 1 6 Tb. Bleiglatte,
15 Th. Schlämmkreide und 50 Tb. geschlämmten Graphit mit so viel Leinölfirniss
zusammenarbeitet, bis eine plastische Masse entsteht. Die Mischung wird vor dem
Gebrauche erwärmt. Benedikt
Diamantleim ist ein zum Kitten von Glas, geschliffenen Steinen, Korallen etc.
verwendeter Kitt. Zu seiner Bereitung lässt man 4 Th. Hausenblase in Wasser
oder verdünntem Weingeist quellen, erwärmt auf dem Wasserbade bis zur Lösung
und setzt eine Lösung von ' a Th. Ammoniakharz und 1 /, Th. Galbanum in 2 Th.
mögliehst schwachem Spiritus hinzu. Benedikt.
Diamantmörser sind kleine Mörser von polirteni Stahl und dienen zum
Zerkleinern von Erzen.
Diamidobenzol = Phenvi endiamin, b. d.
Diamidotripheny ImethanfarbstofFe. s. Triphenyimethanfarbsto f f e.
Diamine, s. Amine, Bd. I, pag. 295.
Diandria (fK; und xv^, gen. avo*pö;, Mann), Name der Ii. Classe dos Lixnb-
sehen Pflanzensystemes , die Pflanzen mit zweimännigen , d. h. zwei freie Staub-
gefäsae besitzenden Zwitterblüthen umfassend. Die Classe gliedert sich nach der
Zahl der vorhandenen Griffel (1, 2, 3) in die Ordnungen : Monogynia, Digynia,
Trigynia.
In den LlNNK'schen Pflanzenclassen Gynandria (XX) , Monoeeia (XXI) und
Dioecia (XXII) ist Diandria ferner Name der 2. Ordnung derselben. Sydow.
Dianenbaum, Silberbaum, Arbor Dianae, Veraltete Bezeichnung für die
baumartigen Ausscheidungen von metallischem Silber, welche sich bilden, wenn
man elektropositive Metalle , z. B. Zink oder Quecksilber, mit Silbernitratlösungen
von bestimmter Concentration übergiesst. Benedikt.
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DIANTHUS. - DIAPHRAGMA.
DlänthllS, Gattung der Caryophyllaceae, Unterfamilie Süeneae. Kräuter mit
knotig gegliedertem Stengel, gegenständigen schmalen Blättern und fdnfzähligen
Blöthen, deren Kelch an der Basis mit Deckblättern umgeben ist.
Die Blumenblätter der bekannten Gartennelke (Dianthus Caryopkyllus L.)
waren ehemals als Flore* Tunicae s. Caryophyllorum rubrorum in arzneilicher
Verwendung.
Diapensia, Gattung einer nach ihr benannten kleinen Familie der Bicornes.
Es sind kleine, dichte Rasen bildende Sträucher mit sich deckenden, schmalen,
ganzrandigen Blättchen und einzelnen, gipfelständigen Blüthen, welche regelmässig,
zwitterig, fttnfzählig sind und sich zu fachspaltig-dreiklappigen Kapselfrüchten
entwickeln.
Herba Diapensiae ist eine durch nichts gerechtfertigte synonyme Bezeichnung
für Herba Saniculae.
DiaphaeniX, ein aus aromatischen Pulvern und Dattelnmus bereitetes Electua-
rium der Ph. Gall., enthält Scammonium.
Diaphal! (ö\x, durch und <pa(vo{x.xi, ich scheine) ist soviel wie durchscheinend.
Glasgemälde auf Fenstern sind Diaphanbilder, weil sie beim Hindurchsehen gegen
helles Licht ihren Effect zeigen. Gewöhnlich bezeichnet man mit dem Namen
Diaphanbilder eine Nachahmung der Glasgemälde, bestehend in illuminirten oder
buntfarbig gedruckten Lithographien, welche mittelst eines klaren Firnisses (Diaphan-
lack) durchscheinend gemacht und auf eine oder zwischen zwei Glastafeln geklebt
werden.
Diaphonometer, Durchsichtigkeitsmesser, ist ein in verschiedener Form
ausgeführter Apparat , um aus dem Grade der Durchsichtigkeit die Concentration
einer Flüssigkeit zu ermitteln. Das Auge ist zu quantitativen Schätzungen dieser
Art nicht befähigt, wohl aber bei wechselnder Dicke der Schicht einen bestimmten
Grad der Beleuchtung, bei welcher das Bild einer Lichtflamme sichtbar wird oder
erlischt, festzustellen , wobei dann die Länge des ausziehbaren Rohres umgekehrt
proportional der Concentration der in demselben enthaltenen Flüssigkeit ist. Solche
Instrumente sind zum Prüfen der Milch auf Wasserzusatz im Gebrauche, aber bei
dieser so sehr wechselnden Waare, deren Durchsichtigkeit von der nicht immer
gleichen Grösse der Butterkflgelchen beeinflusst wird, nicht zuverlässiger als so
manche andere Vorschläge. Höchst empfindlich ist das Auge beim Vergleiche der
Lichtstärke zweier aneinander grenzender Objecte und ist bei Stoffen, deren Durch-
sichtigkeit, Farben Intensität und Concentration sgrad einander proportional sind,
weit sicherer und ebenso einfach das Colorimeter von Wolff und die Photometrie
durch quantitative Spectralanalyse zu empfehlen. Gänge.
Diaphoretica (von o\a<po;^op.xi , verdunsten), ursprünglich Mittel, welche die
gesammte Hautausdünstung (otac^opjGi?) befördern, im Gegensatze zu den die gas-
förmige Ausdünstung (o\x7r>o$), s. Perspiratio insensibilis) fördernden D i a p n o i c a
und zu den die Wasserausscheidung auf der Haut vermehrenden H i d r o t i c a , jetzt
als Synonym der letzteren sehr gebräuchliche Bezeichnung für sc h weiss-
treibende Mittel (s. Hidrotica). Brcnton beschränkt die Bezeichnung
Diaphoretica auf Stoffe, welche nur unbedeutende Vermehrung der Schweisssecretion
bedingen und stellt sie den Sudorifica als den stark schweisserregenden Mitteln
gegenüber. Th Huaemann.
Diaphragma oder bi ende bedeutet eine gewöhnlich ringförmige Scheibe,
welche einen Theil der in ein dioptrisches System einfallenden Lichtstrahlen auf-
zufangen und nur so viele und solche Strahlen durch die Oeffnung im Centmm
hindurchzulassen bestimmt ist, wie zu einer zweckdienlichen Beleuchtung und zu
der correcten Wiedervereinigung des vom Objecte refleetirten Lichtes zu sym-
metrisch gelegenen Bildpunkten erforderlich und geeignet sind. Ein natürliches
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DIAPHRAGMA. - DIASTASE.
•IM
automatisches Diaphragma ist die Regenbogenhaut des Auges, welche die Netzhaut
gegen zu starke Lichtreize durch Zusammenziehen der Oeffnung schützt. In fast
allen dioptrischen Apparaten findet Bich in der Entfernung der Brennweite vor
dem Collectivglase eine Blende. In der Camera des Photographen gehören zu
federn Objective mehrere besondere Blenden, deren richtige Wahl zur Erzielung
guter Beleuchtungseffecte das geübte Auge des Künstlers und des Technikers
erfordert. — Vergl. auch Mikroskop. Gänge.
Di&pilOiCä (omcttv^u, ausdünsten), Mittel, welche die gasförmige Hautausdünstung
(JPerspiratio inaensibtlis) vermehren. Dieselben entsprechen wesentlich den sch weiss -
treibenden Mitteln (s. Hidrotica). Th. Hasemann.
Di<Urh06 ($txp-p&o, durch fli essen) nennt man einen krankhaften Zustand, bei
welchem die Stuhlentleerungen der Zahl nach vermehrt und von flüssiger Beschaffen-
heit sind. Die Ursache der Diarrhoe ist entweder ein Darmcatarrh oder eine Ent-
zündung der Darmschleimhaut (Typhus, Ruhr, Cholera). — S. auch Abführ-
mittel, Bd. I, pag. 18.
DiaSCOrdilim, eine nur wenig mehr gebräuchliche adstringirende Latwerge,
Electuarium Diaseordium. Es werden 1 Th. Opium, 5 Th. Bolus Armena, je
10 Th. Flores Rosae und Radix Tormentillae, je 71,', Th. Oortex Cinnamomt
und Rhizoma Zingxberis (sämmtliche Ingredienzien in fein gepulvertem Zustande)
mit 59 Th. Met lege artis zur Latwerge gemischt 100 Th. enthalten 1 Th. Opium.
DiaspOT ist das in der Natur krystallisirt vorkommende, Basen gegenüber
als Saure auftretende Aluminiumhydrat, H,A1S04.
Diastase, ein in den Pflanzen viel verbreitet vorkommendes, in Wasser lös-
liches, ungeformtes Ferment-Enzym, welches die Fähigkeit besitzt, in wässeriger
Lösung Starke zunächst in Dextrin und weiter in Traubenzucker oder in Maltose
umzuwandeln. Der chemische Vorgang der diastatischen Einwirkung ist der der
Wasseranlagerung, wobei es zur Spaltung eines wasserfreien Moleküls (Anhydrids)
in einfachere und in wasserhaltige Moleküle kommt. So kann man sich die Bildung
von Dextrin und Maltose aus Stärke nach folgendem Schema verlaufend vorstellen :
3 C6 II10 Oft + 2 Ha 0 = C, H10 06 -i- C12 Has Ou + Ha 0
Stärke Dextrin Maltose.
Da das bei der Einwirkung der Diastase entstehende Dextrin bald weiter zu
Zucker hydratisirt wird, lässt sich der Verlauf des Processes quantitativ sehr
schwer nachweisen. (Im Thierkörper sind diastatisch wirkende Fermente im Speichel
und im Secret der Pancreasdrüse enthalten).
Wie schon oben angedeutet, ist die Diastase im Pflanzenreiche allgemein ver-
breitet, nur ruhende Pflanzenorgane, welche keine Vegetationserscheinungen zeigen,
sind manchmal frei davon. So wurde die Diastase im ruhenden Samen der meisten
Pflanzen nachgewiesen, gleiohgiltig, ob sie Stärke besitzen oder nicht, jedoch wurde
sie in Samen von Lupinen und Mandeln vermiest, ebenso im Sclerotium des
Mutterkorns. Im keimenden Gerstenkorn entwickelt sich die grösste Menge dieses
Enzyms vom dritten bis zum siebenten Tage, bis zum dreifachen der ursprünglich
vorhandenen Menge. Indem im keimenden Samen die unlösliche Stärke durch
Diastase in lösliche Verbindungen übergeführt wird, erhält der Samen die Fähig-
keit Wasser aufzunehmen, womit der zur Weiterentwicklung des Keimes führende
Vegetationsprocess eingeleitet wird.
Die Darstellung der Diastase aus den zerkleinerten Pflanzentheilen gelingt
nach allen für die Isolirung der ungeformten Fermente des pflanzlichen und
thierigehen Organismus angegebenen Metboden. Aus Wickensamen , gekeimter
Gerste isolirte v. Gorup-Besanez durch Extraction mit Olycerin und nach-
herige Fällung mit Alkohol ein in Wasser lösliches Ferment, welches nicht
nur Stärke in Zucker umwandelte , sondern auch Eiweiss in verdünnter Salzsflure
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DIASTASE. - DIATHERMAN.
in Pepton überführte ; dieses Ferment wirkte daher diastatisch und zugleich pepto-
nisirend (über andere Darsteliungsmethoden der Diastase s. bei Enzyme). Die
Reindarstellung der ungeformten Fermente ist mit grossen Schwierigkeiten ver-
bunden , es ist daher über ihre elementare Zusammensetzung bis jetzt wenig
Brauchbares bekannt, so schwankt z. B. der Kohlenstoffgehalt von nach ver-
schiedenen Methoden isolirter Diastase zwischen 45.7 und 65.9 Procent C.
Von praktischer Bedeutung — schon wegen des Brauprocesses , bei welchem
die Diastase des Malzes, die darin vorkommende Stärke und Dextrin in Maltose
umwandelt — ist das Verhalten der Diastase bei verschiedenen Temperaturgraden.
In wässeriger Lösung wirkt die Diastase von 20 — 60° am besten, als optimale
Wirkungstemperatur werden 60° angegeben, bei 65° ist die Schwächung der
zuckerbildenden Eigenschaften deutlich, etwas Uber 75° erhitzt, wird sie wirkungs-
los. Jedoch lehrt schon die Praxis der Darrmalzbereitung, dass im trockenen
Zustande die Diastase ohne Schädigung ihrer Fermentwirkung bis 120° erhitzt
werden kann. Das Gefrierenlassen diastatischer Lösungen mindert die Wirksamkeit
derselben nicht im Geringsten. Die Wirkung der Diastase wird durch Anwesen-
heit kleiner Mengen von Säuren (bis zu 0.25 pro Mille 8äurehydrat), ferner durch
4procentige Kochsalzlösung befördert, höhere Säuremengen und concentrirtere Koch-
salzlösungen (8 Procent und darüber) wirken nachtheilig.
Wie bei allen enzymotischen Processen die Producte derselben durch ihre An-
wesenheit die Processe selbst benachtheiligen , so ist dies auch bei der Wirkung
der Diastase der Fall; auch hier werden die letzten Mengen Dextrin erst dann
von der Diastase angegriffen, wenn man vorher die schon gebildete Maltose
entfernt hat. Loe bisch.
Diastole (öix-gt&Xü) , auseinanderschicken , ausdehnen) nennt man in der
Physiologie die Erschlaffung des Herzmuskels und die Ausdehnung der Herzhöhlen,
welche nach jeder Herzcontraction eintritt. Nur einen sehr kurzen Moment, in der
sogenannten Herzpanse, befindet sich das ganze Herz in Diastole; während die
Herzkammern noch in Diastole verbleiben, contrahiren sich schon die Vorhöfe —
sie treten in die 8ystole — und pressen das Blut in die noch erschlafften und
geräumigen Herzkammern. Sind dieselben mit Blut gefüllt, dann beginnt die Zu-
sammenziehung — Systole — der Kammern. Durch die Systole wird das Blut aus
der rechten Herzkammer in die Lungenarterien und aus der linken Herzkammer
in die Aorta getrieben.
DiateSSerOn. Electuarium Diatesseron und Emplastrum Diatesseron, beide
stellenweise noch gebräuchlich. Das Electuarium ist eine Mischung von gleichen
Theilen Pulv. Gentianae, — Galangae, — bacc. Lauri, — bacc. Juniperi
und — Myrrhae mit so viel als nöthig Mel despumatum. — Das Emplastrum
wird bereitet durch Zusammenschmelzen von 40 Th. Adeps , 80 Th. Cera flava,
10 Tb. Terebinthina und 10 Th. Resina Pini und, nachdem die Masse halb
erkaltet ist, Hinzufügen von je 71 2 Th. Pulv. bacc. Lauri, — bacc. Juniperi,
— rad. Galangae und — Myrrhae.
Diatherman nennt Melloni solche Körper, welche Wärmestrahlen durch-
lassen, die sieh also gegen Wärmestrahlen so verhalten, wie die durchsichtigen
Körper gegen Lichtstrahlen (s. auch Äther man). Die Luft ist ein diathermaner
Körper und ebenso sehr viele flüssige und feste Körper, wenn auch in sehr un-
gleichem Maasse. Es ist nämlich zwischen den Wärmestrahlen ein ganz ähnlicher
Unterschied, wie zwischen den gefärbten Lichtstrahlen. Eine Platte von Citronen-
säure lässt Wflrmestrahlen durch, wenn auch in nicht sehr grosser Menge; fallen
die durch Citronensäure hindurchgegangenen Wärmestrahlen auf eine Alaunplatte,
so werden sie von der Alaunplatte fast gänzlich durchgelassen ; derselbe Alann
lässt hingegen gar nichts von den Wärmestrahlen durch, die durch eine Glas-
platte hindurchgegangen sind. Diese Erscheinung hat die grösste Aehnlichkeit mit
dem Durchgang des Lichtes durch gefärbte Mittel; Lichtstrahlen, welche durch
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DIATHERMAN. — DIATOMEAE. 471
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ein grünes Glas gegangen sind, werden bekanntlieh von anderen grünen Gläsern
leicht durchgelassen ; sie werden aber absorbirt , wenn man sie anf ein rothes
Glas fallen lässt. Mklloni nannte die Eigenschaft der Körper, gewisse Wärme-
strahlen vorzugsweise zu absorbiren, Diathermansie (Podillet's Thermanismus).
8teinsalz, welches in hohem Grade diatherman ist, besitzt keine Diathermansie;
es lässt alle Wärmestrahlen gleich gut durch.
Diathese (o\£ und fKhjpit, bestimmen; wörtlich also dem latein. Disposition
entsprechend) ist nach dem jetzigen medicinischen 8prachgebraucbe eine individuelle,
angeborene (ererbte) oder acquirirte Krankheitsanlage, bestehend in vermehrter
Empfänglichkeit oder in verminderter Resistenz gegen die Krankheitsursache. Unter
hämorrhagischer Diathese versteht man die Neigung zu Blutungen. Nervöse oder
neuropathische Diathese ist die grosse Neigung zu Erkrankungen des Nerven-
systems. Unter syphilitischer, carcinomatöser und tuberculöser Diathese versteht
man die Neigung zur Vervielfältigung der Krankheitsherde , nachdem einmal ein
Krankheitsherd entstanden ist. Harnsäurediathese ist die Neigung zur Ablagerung
harnsaurer Salze, auf verminderter Oxydation stickstoffhaltiger Substanzen beruhend.
Diatomeae, eine Familie der Algae. Die Diatomeen, früher auch Bacterien,
Stabthiereben genannt, sind einzellige, durch Diatomin gelb oder braun gefärbte,
symmetrische, mit verkieselter Zellhaut versehene Algen. Sie leben theils einzeln,
theils in linearer Vergesellschaftung zu Bändern oder Tafeln verbunden. Vor fast
allen anderen Algen sind sie durch die verkieselte Zellenmembran , den Kiesel-
panzer, ausgezeichnet. Derselbe ist weder durch Feuer noch Verwesung zerstörbar.
Die Oberfläche des Kieselpanzers zeigt die mannigfachsten Sculpturen, welche für
die Charakteristik der Gattungen wichtige Momente darbieten. Der Panzer selbst
besteht aus 2 schachtelartig übereinander greifenden Seiten. Die Form der Zellen
ist sehr regelmässig. Stets lassen sich 2 differente Seiten „Schalen- und Gürtel-
seite" oder auch „Haupt- und Nebenseite" erkennen. Die beiden symmetrischen
Hälften der Zelle sind von etwts ungleicher Grösse, die eine greift , gleichsam
wie der Deckel einer 8chachtel, über die Ränder der anderen hinweg. Viele
Diatomeen leben freischwimmend im Wasser, andere sind festsitzend. Einige Arten
zeigen eine, meist in der Richtung ihrer Längsachse vor- und rückwärts gleitende
Eigen bewegung. Die Vermehrung geschieht durch Theilung der Mutterzellen in
nur einer Richtung. Die Theilung der Zelle wird dadurch eingeleitet, dass die beiden
symmetrischen Hälften, die „Schalen", ihre umschliessenden Ränder, „Gürtel-
bänder", von einander abschieben. Hierdurch zerfällt der Zellinhalt in 2 Theile,
indem sich an die Gflrtelbänder eine Scheidewand angetzt, welche die Mutterzelle
halbirt. Jede Hälfte ergänzt nun die durch die Theilung verloren gegangene
andere Hälfte. Das Gürtelband der neuen Hälfte wird nun stets in dasjenige der
älteren eingeschoben. Hieraus erhellt, dass jede neue Zellhälfte entsprechend kürzer
sein muss als die zugehörige ältere, dass also stets kleinere Individuen gebildet
werden. Diese Abstufung in der Grösse der Zellen lässt sich z. B. sehr schön an
den zu Bändern vereinigten Individuen wahrnehmen, doch hat diese allmälige Ver-
kleinerung der Zellen ihre Grenze. Ist dieselbe erreicht, so bilden sich eigen-
tümliche Organe, Auxosporeu (s. Bd. U, pag. 61), welche die ursprüngliche
Grösse wieder herstellen. Ausser dieser ungeschlechtlichen Vermehrung findet
auch eine geschlechtliche Fortpflanzung durch Conjugation statt, mit bald 1, bald
2 auxosporenähnlichen Zygoten.
Die Diatomeen wurden zuerst von Nitzsch 1817 genauer beschrieben; er
stellte die beweglichen zu den Thieren , die unbeweglichen zu den Pflanzen.
Ehrknbero reihte sie den Infusorien an. Agardh und späterhin Kützing erklärten
sie für Pflanzen, wohin sie jetzt auch allgemein gestellt werden.
Die Verbreitung der Diatomeen ist unermesslich. Sie kommen wohl in allen
Gewässern, sowohl in süssen, wie in salzigen vor. Vorzugsweise finden sie sich in
stehenden, flachen Wasseransammlungen, doch sind auch Arten aus bedeutenden
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DIATOMEAE. - DIAZOKORPER.
Tiefen der Meere heraufgezogen worden. Sie setzen sich meist am Boden als zarte,
schleimige Haut von brauner Farbe ab. Oft reissen diese Lager ab und schwimmen
dann in grosseren oder kleineren Flocken an der Oberfläche. Ferner findet man
Diatomeen an den Randern der Flusse , in Quellen , Rinnsteinen , an feuchten
Felsen , Bergabhängen , Mauern , in Wasserleitungen , Pumpen , Wassertrögen , in
den Polstern der Moose , an anderen fadenförmigen Algen etc. Beim Aus-
trocknen der Wasseransamminngen gelangen sie mit dem Staub in die Luft und
werden so tiberall hingeweht. Man findet sie daher auch ebensowohl auf Dflehern
und Baumen, auf Berg- und Thurmspitzen, als in dem Bflcherstaube. Viele Arten
sind als wahre Kosmopoliten Aber die ganze Erde verbreitet, andere sind hingegen
an bestimmte Localitäten gebunden. Die chemische Beschaffenheit der Gewässer
ist hierbei von grossem Einfluss.
Wie schon oben hervorgehoben wurde, ist der Kieselpanzer der Diatomeen
unverweslich. Durch diese Eigentümlichkeit erlangen dieselben eine hohe geologische
Bedeutung. Als zweiter Factor tritt hierzu ihre grenzenlose Vermehrung. Die
losen Schalen sinken zu Boden und häufen sich allmälig an. So besteht z. B. der
Schlamm der Häfen von Wismar, Cuxhafen und Pillau bis Aber l/a seiner Volumens
aus solchen Diatomeenschalen. So wird es. auch erklärlich, dass diese Wesen im
Laufe der Jahrtausende mächtige Ablagerungen, ja Felsen und ganze grosse
Gebirgslager erzeugen konnten. Man kennt eine grosse Anzahl solcher vorwelt-
licher Diatom eenlager. Zu den grössten derartigen gehören die Lager bei Bilin
in Böhmen, in der Lttneburger Haide und in und um Berlin. — Vergl. Kiesel-
guhr.
In technischer Hinsicht gewähren die fossilen Diatomeen mancherlei Nutzen.
Sie liefern ein gutes Polirmittel, finden Verwendung bei der Glas-, Steingut- und
Dynamitfabrication und dienen zur Verfertigung der „FaBRONi'schen Ziegel". Die
sogenannten essbaren Erden 's. Geophagie) enthalten nach Ehrenbbro's Unter-
suchungen ebenfalls Diatomeen. Sydow.
Diatomiru Endochrom, der gelbbraune Tarbstoff der Diatouiaceen , wird
durch Säuren wie durch Alkalien grünlich, durch concentrirte Schwefelsäure schön
spangrün.
Diazokörper oder Diazoverbindungen.
Lässt man auf die primären Monamine der Fettreihe salpetrige Säure einwirken,
so wird die Amidogruppe durch eine Hydrozylgruppe ersetzt, indem die Reaetion
nach folgendem Schema verläuft : C8 H6 . NH, + HNO, = N, + C, H6 OH + H, 0.
Es entsteht also unter Entwickelung von Stickstoff und Bildung von Waaser
der entsprechende Alkohol.
Wendet man dieselbe Reaetion auf die primären Monamine der aromatischen
Reihe an, »o verläuft die Reaetion in zwei Phasen, indem zunächst die sogenannten
Diazoverbindungen entstehen, welche erst bei längerer Berührung mit Waaser
oder beim Erwärmen mit Wasser in die betreffenden Hydroxylverbindungeu —
Phenole — Übergehen:
C„ H, . NHa, HNO, + HNO, = C8 H, . N, .NO, t 2 H, 0 ;
Salpetersäure? Anilin Salpetersaures Diazobenzol
C, Hs . N, . NO, + H, 0 = C, H6 . OH + N, + HNO,.
Phenol.
Structurtheoretisch betrachtet man die Diazokörper als stickstoffhaltige, aro-
matische Verbindungen, welche sich dergestalt von der zweiwertbigen Gruppe
— N = N — ableiten lassen , dass die eine Valenz durch einen einwerthigen
aromatischen Kohlenwassorstoffrest , die andere durch eine einwerthige eiektro-
negative Gruppe gesättigt ist : C„ H6 . N = N . NO,.
Wie bereits erwähnt, gehen die Diazoverbindungen beim Erwärmen mit Wasser
in die entsprechenden Phenole über , erhitzt man dieselben jedoch , besonders in
Gestalt ihrer schwefelsauren Salze, mit starkem Alkohol, so wird die Stickstoff-
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DIAZOKÖRPER. — DICHOPSIS.
473
gruppe durch Wasserstoff ersetzt und ein Kohlenwasserstoff gebildet nach folgendem
allgemeinen Schema :
CeHj.l^.HSO, + CaH6OH zzCeH« + N, + H,S04 + C8HtO.
Benzol Aldehyd.
Die Salze der Diazoverbindungen sind meist krystallisirbare, farblose, in Waaser
leicht lösliche Körper, welche ziemlich unbeständig sind und beim Erhitzen oder
durch Schlag heftig explodiren. In der Theerfarbenindustrie spielen sie eine nicht
unbedeutende Rolle, indem eine Reibe der schönsten Farbstoffe der Einwirkung
von Diazoverbindungen auf Phenole oder aromatische Amine, sowie der Umsetzung
von Diazoamidoverbindungen sein Dasein verdankt , z. B. Tropäolin , Safranin,
Nigrosin, Bismarckbraun u. s. w.
Diazoamidoverbindungen. Sie entstehen durch Einwirkung der Salze
der Diazoverbindungen auf primäre oder secundäre aromatische Monamine:
C,H6.N« .NO, + 2C9He.NHs = 0, H* . N, . NH . C H5 + C, H8 . N H„ HN08,
Anilin Diazoamidobenzol salpetersaures Anilin
oder aueh direct durch Einwirkung von salpetriger Säure auf eine ätherische
oder alkoholische Lösung der erwähnten Monamine:
2 C„ H5 . NH, + HNO* = 2 H, 0 + C6 H6 . Na . NH . C, H6.
Das so erhaltene Diazoamidobenzol bildet goldgelbe, in kaltem Alkohol schwer
lösliehe, in Wasser unlösliche Nadeln, welche bei 91° schmelzen und bei höherer
Temperatur verpuffen.
Auch aus dem Toluidin , dem Xylidin u. s. w. lassen sich auf analoge Weise
Diazoamidoverbindungen darstellen. Jehn.
DiazOreSOrCin, s. Resorcinblau.
DiaZOreSOnifin, s. Resorcinblau.
DibenZOylhydrOCOton, C>aH38Oa. Ein Bestandteil der Cotorinde neben
Lencotin, Cotoin, Dicotoin und Piperonylsäure, findet sich im Rob-Leueotin, dem
Hauptbestandteil der Cotorinde. Ganswind t.
Dicamale ist der indische Name für ein von Gardenia lucida Rxb. (Rubiaceae)
stammendes Gummi. Es erhärtet zu einer dunkelbraunen Masse, welche auf frischen
Brnehflächen oder beim Erwärmen nach Katzenharn riecht. In der Heimat Ost-
indien dient es als Heilmittel. Fflr uns hat es nur Interesse wegen seines Gehaltes
an Gardenin (s. d.).
Dicentra, eine Gattung der Fumariaceae, von welcher mehrere asiatische
und amerikanische Arten wegen ihrer schön gefärbten und eigentümlich geformten
Blüthen bei uns cultivirt werden.
Die Einöllen von Dicentra canadensis DC. (Diclytra eximia Pursh.), Turkey
Com, Squirrel com, sind in Nord- Amerika ein Volksmittel wie bei uns
Corydalis.
Dichasium (te, zweifach und Trennung) ist ein cymöser drei-
blüthiger, besonders bei den Caryophyllaceen häufiger BlOthenstand, bei dem die
Gipfelblöthe von zwei gleich hoch inserirten, also gegenständigen, gleich langen,
blüthentragenden Seitenachsen ttbergipfelt wird (Fig. 66, Bd. II, pag. 321). Oft
ist das Dichasium zusammengesetzt, d. h. die Seitenachsen verzweigen sich wieder
dichasial. Tschirch.
DichopSIS, Gattung der Sapotaceae. Bäume des tropischen Asien mit lederigen
Blättern, in deren Achseln oder an den Knoten der Zweige die BlOthenbflschel
sitzen. Kelch und Krone sechslappig, Fruchtknoten sechsfächerig, zu einer oft nur
ein* oder zweisamigen Beere sich entwickelnd.
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DICH0P8IS. — DICHR01SMÜS.
Dichopsis Gutta Benth. (honandra Gutta Hook.) ist ein Baum mit
rostroth behaarten Zweigen und kurz gestielten Blüthen, deren Kelch die zwei-
samige Beere stützt. Sie ist die wichtigste Stammpflanze der Guttapercha (s.d.).
Dichotomie (%a, zweifach und Tefxvw , schneide) , oder dichotomische Ver-
zweigung kommt dadurch zu Stande, dass der .Hauptspross nicht weiter wächst,
der Stammscheitel sich vielmehr in zwei Theile theilt und aus jedem derselben
sich ein Seitenspross entwickelt. Die Seitensprosse sind gleich lang und auf gleicher
Höhe inserirt (bei den höheren Cryptogamen häufig). Unter falscher Dichotomie
ist meist ein Dichasium (s. d.) zu verstehen (z. B. Vt#cum). Tschirch.
Dichotomische Methode. Das Bestimmen der Pflanzen und Tbiere, oder
das Aufsuchen des Namens einer uns unbekannten Art wird durch die von
Lamarck zuerst in „Flore francaise, Paris 1778" angewandte analytische oder dicho-
tomische Methode sehr erleichtert. Von zwei Bich gegenseitig ausschliessenden
Charakteren muss immer einer auf die zu bestimmende Art passen. Der Suchende
wird nun durch eine Ziffer oder ein Zeichen so lange auf neue Gegensätze ver-
wiesen, bis sich der Name der Art ergibt Sydow.
DichfOä, eine Gattung der Saxtfragaceae mit nur einer Art:
D ichroa febrifuga Low. ist ein im südöstlichen Asien heimischer immer-
grüner Strauch, dessen Blätter für fieberwidrig gelten. 8ie sitzen gegenständig,
sind lanzettlich, bis 10 cm lang, kahl. Die Inflorescenzen sind terminal, dolden-
traubig. In einem fast kugeligen, fünfzähnigen Kelch sind die 5 dicklichen,
aussen weissen , innen blau gefärbten Blumenblätter inserirt. 8tanbgefäs.se 15,
ungleich, mit blauen Antheren. Frucht eine 4fächerige, vielsamige Beere.
Dichroismus, Zweil'arbi^keit, nennt man die Eijreuschaft fester oder flüssiger
Stoffe, in verschiedenen Richtungen ungleiche Farben zu zeigen. Dieses geschieht
bei zahlreichen farbigen durchsichtigen Körpern in der Art , dass das hindurch-
gelassene Licht in anderer Farbe erscheint, als das reflectirte Licht. Wenn keine
weiteren bestimmenden Umstände hinzutreten, beruht dieses nur auf electiver
Absorption der verschiedenen Strahlen des zusammengesetzten Lichtes der Be-
leuchtungsquelle von Seiten des Körpers. Z. B. von Sonnen- oder Lampenlicht
refleetirt weingeistige Chlorophylllösung grünes und lässt rothes Licht hindurch,
Lackmustinctur refleetirt blaues und lässt violettes Licht hindurch. Selbstverständlich
muss die Lichtquelle die betreffenden beiden homogenen Farben enthalten, welche
als die herrschenden erscheinen sollen. Bei einfarbiger homogener Beleuchtung
kann jeder Körper nur in dieser einen Farbe erscheinen und, wenn er dieselbe
weder durchzulassen noch zurückzustrahlen vermag , in gar keiner Farbe. Das
rothe Quecksilberjodid z. B. erscheint im Lichte der gelben Natriumflamme
schwarz.
Wenn zu der Absorption noch Fluorescenz hinzukommt oder auch ohne die
erstere, so wird die Zweifarbigkeit der Stoffe weit auffälliger. Unter Fluorescenz
verstehen wir die durch die Molekularanordnung mancher Stoffe bewirkte Um-
wandlung der Lichtwellen von schnellerer in solche von kürzerer Schwingungs-
dauer. Es werden dadurch selbst die sonst unsichtbaren, über das violette . Ende
des Speetrums hinausreichenden, ultravioletten Wärmestrahlen sichtbar gemacht
und scheinen violett oder blau. Z. B. eine farblose Chininsulfatlösung oder eine
Aescnlinlösung fluorescirt auf der Oberfläche hellblau, das grüne Uranglas grün-
gelb, die gelbe Eosinlösung rosenroth. Auch die scheinbar umgekehrte Erscheinung,
die Verwandlung der Strahlen von grösserer Wellenlänge in solche von kleinerer
Wellenlange und .Schwingungsdauer, ist beobachtet und Calorescenz genannt
worden, wodurch die das äusserste rothe Spectralende überragenden, unsichtbaren
ultrarotben Wärmestrahlen in Spectralfarben übergeführt werden. So erscheinen
die gelbe FluoresceYnlösung und die Curcumatinctur auf der Oberfläche gelbgrün,
das gelbe Petroleum blau. Dieses Iasst sich bis in grosse Verdünnung der Lösungen
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DICHROISMUS. — DICHTE.
475
verfolgen and tritt mit besonderem Glänze in dem elektrischen Leuchten der
GEissLEfi'schen Röhren hervor. Als Ursache der Fluorescenz und der Calorescenz
wird das Zusammentreffen von Lichtwellen verschiedener Länge angenommen,
welche sich zu gemeinsam schwingenden Wellen von niedrigerer oder höherer
Schwingungszahl vereinen, ähnlich wie durch Resonanz die Combinationstöne
entstehen.
Speciell bezeichnet man mit Dichroismus die Eigenschaft aller doppelbrechenden
farbigen Körper, in der Richtung ihrer Hauptaxe eine andere Farbe zu zeigen,
als in den senkrecht auf die letztere gerichteten, übrigen Richtungen. Es kommt
dieses daher, dass nur in der Richtung der Hauptaxe keine Doppelbrechung
stattfindet, also senkrecht zu derselben schwingendes, unpolarisirtes Licht hin-
durch geht, in allen anderen Richtungen jeder Strahl aber doppelt gebrochen,
d. n. in zwei polarisirte, einen ordentlichen und einen ausserordentlichen Strahl
getheilt wird , von denen der erstere senkrecht , der letztere parallel zur opti-
schen Hauptaxe schwingt. Von diesen zeigt der ordentliche Strahl dieselbe
Absorption wie das unpolarisirte Licht, wie man sich vermittelst eines Polarisations-
apparates überzeugen kann, der ausserordentliche Strahl eine abweichend ausge-
wählte Absorption seiner homogenen Bestandteile, daher dort, wo derselbe auftritt,
die veränderte Gesammtmischung der Farbe des Krystalles im durchfallenden
Lichte. In auffallender Weise zeigen dieses Verhalten der Turmalin, viele Platin-
doppelsalze, der Herapatbit, das Morphiumtetrajodid und die Doppelsalze zusammen-
gesetzter Ammoniumbasen, wie das Tetramethylammoniumtrijodid und das Penta-
jodid, Gange.
Dichromsäure. eine polymere Modifikation der Chromsäure. Vergl. Bd. III,
pag. 118, Saures chromsaures Kali.
Dichromsaures Kali = Kaliuni btchromicum,
Dichte. Die Dichtigkeit eines Körpers hängt von der Quantität der in dem
Volumen , welches derselbe einnimmt , angehäuften materiellen Masse ab und , da
die Anziehung, also die Schwere und somit das Gewicht des Körpers seiner Masse
proportional und das specinsche Gewicht ein vergleichendes Maas« der Gewichte
gleicher Volumina der Masse ist, bo bietet das letztere einen Maassstab für die
Dichtigkeit. Wie bei dem speeifischen Gewichte wird daher als Einheit der Dichtig-
keit für feste und flüssige Körper das Wasser, für gasförmige Körper die Luft
angenommen und, wo ausnahmsweise feste oder flüssige Körper mit Gasen ver-
glichen werden, ist zu berücksichtigen, dass 1 cem Wasser von +4° lg, 1 cem
Luft von 0° bei 760 mm Druck 0.00121)3 g wiegt.
Das Volumen , also auch die Dichtigkeit , wird verändert durch Ausdehnung
oder Znsammenziehung der Körper und diese werden durch von aussen einwirkende,
mechanische Kräfte, Zug oder Druck, durch Aufnahme oder Abgabe von Wärme
und durch innere molekulare Veränderungen bewirkt, wie sie der ücbergang aus
einem Aggregatzustande in einen anderen und derjenige aus dem amorphen in den
kristallinischen Zustand oder aus einer Krystallform in eine andere begleiten.
Diese genannten Ursachen der Veränderungen der Dichtigkeit treten selten einzeln,
sondern meist zu mehreren zusammen auf, begreiflich am meisten an festen
Körpern und machen dadurch die Zu- und Abnahme der Dichte derselben zu
keiner regelmässigen, der einen oder anderen einzelnen Einwirkuog proportionalen.
Es hat daher besonders für feste, aber auch für flüssige Körper kein allgemein
giltiges Gesetz der Dichtigkeitszu- und -Abnahme aufgestellt werden könuen,
sondern die Kenntniss des Verbaltens jedes einzelnen gründet sich auf die Er-
fahrung in den vielfachen Beobachtungen an den Stoffen, welche in gleichem
Grade den Naturforscher, den Physiker wie den Techniker interessiren. Wir kennen
daher keinen normalen Zustand zum Vergleiche für feste Stoffe. Nicht einmal dem
allgemeinen Gesetze der Materie, nach welchem das Atomgewicht das Product aus
dem speeifischen Gewichte und dem Atomvolumen sein müsste, so dass das letztere
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1
476 DICHTE.
durch Division des Atomgewichtes durch das .specifische Gewicht als stets constante
Grösse resultirt, ordnen sich die festen Stoffe unter; denn nur bei wenigen wird
diese constante Grösse beobachtet, bei manchen annähernd, bei anderen gar nicht.
Bei den festen Körpern verhindern die durch den starren Zustand erschwerte
Beweglichkeit der Moleküle und die grosse Cohäsion, dass dieselben aus der durch
bestimmte Kräfte, als mechanischen Druck (Pressen, Walzen, Hämmern) bewirkten,
veränderten Dichte freiwillig in den Zustand der früheren Dichte zurückkehren, nach-
dem die Einwirkung dieser Kräfte aufgehört hat. Hier müssen erst andere entgegen
wirkende Kräfte mithelfen, z. B. mechanische Erschütterung kann amorphe Stoffe
(nach dem Schmelzen erstarrte Bichromate) plötzlich in Krystalle umwandeln, die
Wärme durch Reibung, die durch Schmieden und Strecken amorph gemachten eisernen
Wagenaxen krystallinisch machen, das Erwärmen bis zu einem gewissen Grade
(sogenannte« Anlassen) die Dichte des Stahles und des Glases reguliren.
Die Leitungsfähigkeit der Stoffe für Wärme, Licht und Elektricität , also die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit und die Länge der Wellen ihrer schwingenden
Atome, während die Schwingungsdauer eine stets constante Grösse bleibt, sind
gleichfalls von der Dichte derselben abhängig, stehen aber auch in keinem geraden
Verhältnisse zu derselben, weil die molekulare Structur nicht allein von ihnen ab-
hängt Dieses zeigt sich namentlich an dem nicht proportionalen Verhalten des
specifischen Gewichtes zu dem Brechungsexponenten, dem Ausdrucke der ungleichen
Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes in verschiedenen Medien, welche als die
optische Dichte der Stoffe bezeichnet werden kann. Die Art des Stoffes nnd
die chemische Zusammensetzung ist hier mehr entscheidend als das specitische
Gewicht desselben. Es gibt homologe Reihen von Verbindungen (Kohlenwasserstoffe,
Aether, Alkohole, Säuren), in denen mit stufenweise wiederholtem Eintreten der
Gruppe CH2 das specifische Gewicht, der Brechungsexponent und der 8iedepunkt
proportional wachsen. Dagegen haben ohne nachweisbaren Zusammenhang oft spe-
eiflsch schwerere, oft specifisch leichtere Stoffe einen höheren Brechungsexponenten
als andere, wie folgende Zusammenstellung zeigt:
Name
Zusammen-
setzung
1 Siedepunkt ^SSSST
Brechungs-
exponente
Methylalkohol
cn4o
66"
0.796
1.333
C4H60
78.7"
0.801
1.366 ,
C^O
88 - 92°
0.804
1.386
C4 Hl0 0
1(36-108°
0.807
1.401
1413
Cf Ht, 0
131.8°
0.813
34 8°
0.717
1.357
103°
46.2°
r
1.000
1.335
Schwefelkohlenstoff
1.272
1.643
Crownglaa (Dollond) . . .
2.484
1.615
Flintglas (Fraonh o f'er) . .
fr
2.135
1.713
Z
1 _
1
3500
2.487
Die Abnahme der Dichte der Flüssigkeiten beim Erwärmen ist nur für wenige
derselben der steigenden Temperatur proportional und auch hier nur zwischen be-
stimmten Temperaturgrenzen. In der Nähe des Siedepunktes nimmt die Ausdehnung
schneller zu als die Temperatur. Ein eigentümliches abweichendes, für die Wärme-
vertheilung auf der Erdoberfläche höchst wichtiges Verhalten zeigt das Wasser.
Seine grögste Dichtigkeit Hegt nicht bei dem Gefrierpunkte , sondern bei +4°.
Bis — 10°, welcher bei Vermeidung jeglicher Erschütterung ohne Gefrieren zu
erreichen ist, dehnt sich dasselbe wieder aus. Die kälteren, schliesslich zu Eis
erstarrenden Schichten schwimmen daher oben auf der Meeresfläche, wo sie von
der Frühlingssonne wieder geschmolzen werden, was nicht möglich sein würde,
wenn das Wasser von 0° das dichteste wäre, an den Grund sänke nnd die
wärmeren Schichten so lange nach oben verdrängte, bis die ganze Wassermasse
den Gefrierpunkt erreicht hätte und dann bis auf den Grund erstarrte. Die Eis-
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DICHTE.
477
massen würden so überhand nehmen, das« die arktischen Zonen die gemässigten
verdrängen und bis an die tropischen Zonen grenzen würden. Für die Fauna und
Flora des Meeres nicht minder bedeutsam ist diese Lage des Dichtigkeitsmaximums
desselben, in Folge deren in allen Zonen in grossen Tiefen die gleiche Dichtigkeit
und die gleiche Temperatur sich behaupten.
In Flüssigkeiten aufgelöste Stoffe verändern die Lage des Dichtigkeitsmaximums,
des Gefrierpunktes und des Siedepunktes. l>a» Meerwasser ist am dichtesten bei
+ 3.67°, das destillirte Wasser bei +4° und dehnt sich letzteres beim Erw&rmen
von dort bis 100° um nahezu 4!/3 Procent aus, denn aus 1.000000 werden 1.043114
Volumina. Eine sehr gleichmassige Ausdehnung hat das Quecksilber. Diese im
Vereine mit dem grossen Abstände seines Erstarrungs- und Siedepunktes, semer
grossen Wärmeleitungsiiihigkeit und seinem hohen Bpecifischen Gewichte machen
dasselbe zu dem geeignetsten Materiale als Füllung vieler Messinstrumente (Thermo-
meter, Barometer, Manometer) und zum Bestimmen der Volumina von Hohlräumen,
welche es erfüllt, aus seinem Gewichte.
Die Dichte der Gase. Dieselbe harmonirt nach zwei Richtungen mit hoch-
wichtigen chemischen und physikalischen Gesetzen, welche zwar nur innerhalb
gewisser Grenzen gelten , aber auch die Abweichungen von denselben sind auf
gesetzliche Ursachen zurückgeführt worden.
1. Ist nach Avogadro unter gleichen Umstünden (Druck und Temperatur)
in gleichen Volumina desselben Gases stets die gleiche Anzahl Moleküle enthalten
und ist daher das Gewicht dieses Volumens der Quotient aus der Division des
Molekulargewichtes durch das specifische Gewicht des Gases und der Ausdruck
de» Molekularvolumens. Das Volumen einer Verbindung aus gleich grossen Volumina
der Bestandteile ist gleich der Summe der letzteren , z. B. 1 Vol. Wasserstoff
und 1 Vol. Chlor verbinden sich zu 2 Vol. Chlorwasserstoff. Sind die Volumina
der Bestandtheile ungleich, so verdichten sich dieselben in der Verbindung nach
ermittelten einfachen Proportionen, z. B. 2 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Sauerstoff
zn 2 Vol. Wasserdampf, 3 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Stickstoff zu 2 Vol.
Ammoniak.
2. Ist nach dem MARiOTTK'schen Gesetze die Dichtigkeit eines Gases pro-
portional dem Drucke und das Volumen desselben umgekehrt proportional dem
letzteren.
Die erwähnten Abweichungen beziehen sich darauf r dass die proportionalen
Besiehungen zwischen Dichtigkeit, Volumen und Druck nicht bei allen Temperaturen
gelten , sondern sowohl in niedrigen , welche dem Verdicbtungspunkte in einen
anderen Aggregatzustand nahe rücken, als auch in hohen Temperaturen sich ver-
schieben. Man unterschied bis vor Kurzem Dämpfe, coercibele und vollkommene
Gase. Die ersteren sind bei gewöhnlicher Temperatur fest oder flüssig, die zweiten
werden das Eine oder Andere durch Druck oder Abkühlung, bei den dritten hielt
man letzteres für unmöglich. Seitdem Caillktet und Pictkt sogar den Wasser-
stoff eondensirt haben, müssen alle Stoffe unter einem allgemeineren Gesichtspunkte
betrachtet werden, von welchem aus alle Dichtigkeitsverhaltnisse, deren drei Haupt-
stufen die Aggregatzustände sind, aU das Resultat der verschiedenen, sich theils
verstärkenden, theils einander entgegen wirkenden Aeusserungen der Energie, der
Schwere, der molekularen Anziehung, der Wärme, des Lichtes, der Elektricität und
de« Magnetismus, betrachtet werden. Wir können hier nur auf das Wichtigste
eingeben, um die Abweichungen zu erklären. 8o lange man vollkommene Gase
und die unbeschränkte Herrschaft des MARiOTTE'schen Gesetzes annahm, bezeichnete
man die ersteren als solche, deren Moleküle gar keine Anziehung auf einander
ausübten. Man vergass, dass der Begriff Materie ohne Anziehung (Schwere, Ge-
wicht) nicht haltbar ist. Richtig ist, dass in geringerer Dichtigkeit (niedrigem
Drucke, hoher Temperatur, grosser Ausdehnung) die im Quadrate der Entfernung
der Moleküle von einander abnehmende Anziehung unter diesen Bedingungen eine
verschwindend kleine Grösse wird, bei verstärktem Drucke (niedriger Temperatur)
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DICHTE. — DIC KENWACHSTHUM.
mit Annäherung der Moleküle au einander im Quadrate derselben so wachsen
mnss, dass dieselbe ihre Wirkung zu derjenigen des Druckes addirtT so dass das
Volumen ein kleineres, die Dichte eine grössere wird, als dem Drucke und der
Temperatur entspricht. Die Abweichungen der Proportionalität «wischen Druck,
Volumen und Dichtigkeit der Gase in hohen Temperaturen können ihren Grnnd
in der veränderten Anziehung oder Dissociation der Atome in den Molekülen haben,
durch welche auch entsprechende 8pectralerscheinungen erklärt werden. Gänge.
DicfltersteinÖl, volksth. Bezeichnung des Oleum philosophorum.
DiCinChOnin, s. China-Alkaloide, Bd. II, pag. 696.
Dfck'S Wundersalbe, eine in vielen Gegenden Deutschlands sehr beliebte
Spezialität, ist ein Pflaster ähnlich dem Emplaatrum fuscum campkorotum.
Dickdarm nennt man den 1.2 — 1.5 m langen letzten grösseren Darmabschnitt ;
er besteht aus dem Blinddarm (Coecum), aus dem Grimmdarm (Colon), welcher
in einen aufsteigenden (Colon ascendens), in einen quer gelagerten (Colon trans-
versum) und in einen absteigenden Theil (Colon descendens) unterabgetheilt wird ;
an den letzteren schliesst sich das schon zum Theil im kleinen Becken gelegene
8 romanum, eine s- förmig gekrümmte Schlinge, welche unmittelbar in den Mast-
darm tibergeht. Der aufsteigende Theil des Dickdarmes liegt rechts, der absteigende
links in der Bauchhöhle; beide haben nur geringe Beweglichkeit.
Das Quercolon besitzt ein gekröseartiges Aufhängeband von Seite des Bauch»
feiles und ist dadurch sehr verschiebbar.
Der Dickdarm ist viel weiter als der Dünndarm; seine Oberfläche ist vielfach
ausgebuchtet. In diesen Ausbuchtungen, Haustra genannt, wird der Koth dnreh
Aufsaugung seiner flüssigen Bestandteile härter und beginnt sich zu ballen.
Der Dickdarm ist überhaupt mehr für die Aufsaugung verdauter Nahrungs-
bestandtheile als für die Verdauung eingerichtet; absolut ausgeschlossen ist jedoch
die Verdauung sogar von Eiweissstoffen im Dickdarme nicht; man ist auch im
Stande Kranke durch Klystiere, wenn auch unvollkommen und nicht für sehr lange
Zeit, zu ernähren.
DiCkeriWaChsthum wird bei den Pflanzen sowohl bei der Membran der
einzelnen Zellen wie bei ganzen Organen beobachtet. Das Dickenwachsthum
der Membran beginnt für gewöhnlich erst dann, wenn die Zelle ihre endgiltige
Gestalt angenommen hat, also nicht mehr in die Fläche wächst. Es erfolgt durch
Intn8susception neuer Cellulosetheilchen, für gewöhnlich nur auf der Innenseite
(centripetal) , ist aber sehr selten ein gleichmässiges. Bisweilen ist es so stark,
dass die Zelihöhle fast ganz verschwindet (Bastzellen , Steinzellen). Die bei der
ungleiehmässigen Verdickung düonbleibenden Membranstellen nennt man, falls sie
im Verhältnis« zu den verdickten zurücktreten, Tüpfel (s. d.). Die Verdiekungs-
art der Zellwand ist eine sehr mannigfaltige. Man findet warzige und leistenartige
Verdickungen (letztere z. B. bei den Endospermzellen der Kaffeebohne, wo die
Membran im Querschnitt ein rosenkranzförmiges Aussehen besitzt), ferner ring-
und spiralförmige (bei den Ring- und Spiralgefässen) und netzförmige (sowohl bei
Parenchymzellen , z. B. in der Fencbelfrucht , als bei Gefässen), sowie leitor- und
treppenförraige (bei Gefässen). Bisweilen ist die Verdickung auch nicht allseitig
vorhanden oder doch nicht allseitig gleich stark, so z. B. bei den Epidermiszellen.
die aussen stärker als innen und bei den Zellen der Endodermis, die meist innen
starker als aussen, und den Collenchymzellen, die nur in den Ecken verdickt sind.
Fast immer besitzt die Verdickung eine mechanische Bedeutung, nur bei einigen
Palmsaraen geschieht sie behufs Aufspeicherung von Reservecellulose.
Das Dickenwachsthum ganzer Organe wird in seiner Form durch Tangentialtheilungeu
in den Zellen bedingt. Es erlischt mit der definitiven Ausbildung des Organs.
Die Stämme und Wurzeln der Dikotylen und Gymnospermen besitzen aber
ausserdem noch die Eigenthflmlichkeit. ihren Umfang durch sogenanntes secundäres
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DICKEN WACHSTHUM. — DICOTYLEAE.
479
Dicken wach sthum vergrftssern zu können. Dieses secundäre Diekenwaehsthum wird
durch das Vorhandensein eines dauernd bildongsthätig bleibenden, ringförmig den
Holzkörper umgebenden Meristems bedingt. Dieses Meristem ist das C a ra b i u m
(s. Bd. II, pag. 505.). Es fehlt den Monocotylen in der typischen Form ganz.
Bei einigen Monocotylen (Dracaena, Aloö, Yucca) jedoch, die gleichfalls, wenn schon
in beschränktem Maasse, in die Dicke zu wachsen vermögen , findet sich in der
Peripherie eine cambiumähnliohe Zone, die sowohl Grundparenchym als Procambium-
stränge erzeugt. Tschirch.
DickmaiSChverfahren. Eine bei der Brauerei, besonders schwerer Biere,
übliche Methode, s. Bier, Bd. II, pag. 293.
Dicksaft. Eine in der Zuckerfabrikation übliche Bezeichnung für den durch
Piltriren und Verdampfen concentrirten Dttnnsaft (s. d.).
DiCÜnUS doppelt und xlivrj, Lager, Bett), bezeichnet Pflanzen, deren
beiderlei Befruchtungsorgane — Staubgefässe und Griffel — nicht beisammen,
sondern in verschiedenen Blüthen getrennt vorkommen, also getrennt geschlechtig.
Die hierher gehörenden Pflanzen bilden die Dicltnta, eine Hauptabtheilung des
LiNNE'schen Pflanzensystemes , die Classen Monoecia (XXI) , Dioecia (XXÜ) und
Bdygamia (XXIII) umfassend. Sydow.
DiCOnchinin, s. China-Alkaloide, Bd. II, pag. 696.
Dicotoin, cuH34on, ist ein indifferenter Bestandteil der echten Cütorinde,
der Rinde einer aus Bolivia stammenden Rubiacee, welche neben Cotoin (vergl.
auch dieses) Dicotoin und Piperonylsäure enthält. Das Dicotoin wird erhalten aus
den Mutterlaugen beim Umkrystallisiren des Cotoins, wobei sich das Dicotoin in
glänzenden, fast weissen Blättchen abscheidet. Schmelzpunkt 74 — 77°. Wenig
löslich in kochendem Wasser, leicht in Alkohol, Aether, Chloroform und Alkalien.
Die alkoholische Lösung gibt mit Eisenchlorid eine tief braunrothe Färbung.
Ganswind t.
DiCOtyleae, Hauptgruppe der Angiospermae, welche allgemein als die höchst
entwickelte des Pflanzenreiches angesehen wird. Wie der Name (o\; zwei und
xoTv).T)Otov, Keimblatt) andeutet, gehören zu den Dicotyledonen alle diejenigen Ge-
wächse, deren Keimling mit (fast) stets zwei gegeuständigen Keimblättern
versehen ist, zwischen denen die Endknospe liegt. Diese Keimblätter sind oft
gestielt, laubartig über den Boden tretend, nur wenn sie sehr dick und fleischig
sind, in der Samenschale bleibend. Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel
und genügt es daher nicht, allein auf Grund der morphologischen Verhältnisse der
Keimblätter entscheiden zu wollen, ob eine Pflanze zu der Dicotyleae oder zu
der dieser gegenüber stehenden Gruppe der Monocotyleae zu rechnen ist.
So ist z. B. bei der Abtheilung ßulbocapnua der Gattung Corydalü , ferner
bei Rannuclus Ficara nur ein Keimblatt ausgebildet. Bei den Hypopytiaceae,
Orbancheae, Balanophoreae, Raffiesiaceae und anderen Schmarotzern sind beide
Keimblätter verkümmert, den meisten Arten der Gnscuteae fehlen sie vollständig.
Treten mehr als zwei Keimblätter (drei oder vier) auf, wie dies bei einzelnen
Gattungen (Acer, Delphinium, Tilta etc.) nicht selten der Fall ist, so sind diese
Bildungen jedoch nur als abnorme zu betrachten. Aus diesen Anführungen erhellt
cor Genüge, dass nur eine Untersuchung der ganzen Pflanze — Habitus, Bau der
Blfithe, Waehsthums Verhältnisse des Stengels und der Wurzel — die Frage, ob
dicotvledonisch oder monocotyledonisch beantworten kann. Der Stengel der Dicotyle-
donen zeigt auf seinem Querschnitt meist nur einen, zwischen Rinde und Mark
liegenden Kreis von Gefässbündeln, nur bei wenigen Arten (Nympkaea, Papaaer)
liegen dieselben zerstreut. Die Gefässbttndel selbst haben unbegrenztes Wachsthum.
Blätter meist mit verzweigten, oft zierlich netzförmig anastomosirenden Nerven. In
den Blüthentheilen ist die Zahl fünf vorherrschend, seltener vier oder ein Viel-
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D1C0TYLEAE. — DICYPELLIUM.
facbes dieser beiden Zahlen. Gewöhnlich lässt sich ein äusserer (Kelch) und innerer
(Krone) deutlich verschiedener Kreis von Blflthenhttllen erkennen. Das Würz eichen
des Embryos verlängert sich stets zu einer wenigstens einige Zeit bleibenden
Hauptwurzel.
Die zahlreichen Familien der Dicotyleae hat man zur besseren Orientirung in
einige grössere Unterabtheilungen gebracht. So unterschieden de Candolle und
Endlicher Polypetalae (Kronbl&tter mehrere, getrennt), Oamopetalae (Kronblfttter
verwachsen) und Apetalae (Krone vollständig fehlend oder nur der Kelch blumenkron-
artig ausgebildet). Bentham und Hooker lassen die Apetalae fallen und ver-
einigen unter dem Namen Monochlamydeae alle die Pflanzen, welche eine einfache
Blöthendecke oder ein Perigon haben. Al. Braun stellte die meisten Apetalae zu
den Polypetalae. Eichler endlich unterscheidet nur noch zwei Unterabtheilungen :
Choripetalae (inclusive Apetalae) und Sympetalae. Sydow.
DictamnUS, Gattung der Rutaceae mit einer einzigen Art:
Dictamnus albus L. (D. Fraxinella Pers.) , Dictam, Asch- oder
Eschwurz, Spechtwurz , ^ Hirschpoley, ist durch ganz Mitteldeutschland auf kal-
kigem, bewachsenem Boden verbreitet, fehlt aber in Westphalen und im Norden
der Rheinprovinz. Der Stengel ist etwa Im hoch, drüsig behaart, ebenso auch
die Blumenblätter und Staubfäden. Blätter unpaarig gefiedert, mit eiförmig, spitzen,
gesagten Fiedern, durchscheinend punktirt. Blflthen in einer endständigen Traube.
Blttthe schwach, unregelmässig; Kelch ötheilig, abfällig; Kronblätter 5, rosa oder
mit weissen Streifen, selten weiss und meist etwas ungleichmässig gestaltet ; Staub-
fäden 15, frei; Fruchtknoten oberständig; Frucht aus 5, am Grunde verwachsenen,
borstig-rauhen Kapseln bestehend, welche an der inneren Naht 2klappig auf-
springen.
Angewendet wurde die jetzt obsolete Radix Dictamni. Richtiger ist Cortex
radicis Dictamni, denn zum officinellen Gebrauch dient nur die von den inneren
Holztheilen befreite Wurzel nach vorherigem Abschälen der Aussenrinde.
Die Droge bildet daher rinnenförmig zusammengerollte Stücke, von weisser
Farbe. Der eigentümliche Geruch und der scharfe Geschmack der frischen, finger-
dicken fleischigen Wurzel verliert sich fast ganz beim Trocknen.
Im Handel finden sich nur Bruchstücke von einigen Centiroeter Länge.
Als Bestandteile sind ätherisches Oel, Harz und Extractivstofle aufgefunden.
Von der früher behaupteten Wirkung als Antihystericum , Emmenagogum und
Diureticum ist die heutige Medicin zurückgekommen.
Herba Dictamni er etici stammt von Oriqanum Dictamnus L. (Beringeria
Pseudo Dictamnus Berth., Marrubium Pneudo Dictamnus L.), einer auf Kreta ein-
heimischen Labiate, ausgezeichnet durch 4zeilig gestellte, an der Spitze röthliche
Bracteen.
Die gewürzig riechende und schmeckende Pflanze ist bei uns obsolet, in ihrer
Heimat wird sie noch jetzt als verdauungsbefördernd gebraucht. Prollias.
Dicyail, freies Cyan C8N, oder (CN)2; s. Cyan.
DiCypelHum, Gattung der Lauraceae, Gruppe Oreodaphneae, mit einer ein-
zigen, in Brasilien heimischen Art:
D icypellium caryophyllatum Nees , ein aromatischer Baum mit
alternirenden, schwach lederigen, kahlen Blättern und seitenständigen diöcischen
Inflorescenzen. Die Q Blflthen haben ein lederiges, sechstheiliges Perigon und
12 Staminodien in vier verschieden entwickelten Wirtein, indem die drei äussersten
Staubfädenrudimente corollinisch, die inneren schuppenförmig, die beiden mittleren
Wirte! zungenförmig sind. Die Frucht ist eine trockene, von dem Perigon und
den äusseren Staminodien gestützte Beere. Der Bau der cJ Blüthe ist unbekannt.
Die Rinde kommt als Nelkenzimmt, Cortex caryophyl latus , Ca ssia
caryoph yllala (Bd. II, pag. 575), in den Handel.
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DIDIER'S WEISSE GESUNDHEITSKÖRNER. — DIDYMIUM.
481
Didier'8 weisse Gesundheitskörner sind nichts weiter als sorgfältig aus-
gesuchter und gereinigter weisser Senfsamen.
Didymilim. Symbol Di. Vierwerthig. Sein Atomgewicht ist nicht genau bekannt
und zu 142.1 (P. T. Cleve) bis 147.1 (B. Braunes) bestimmt worden.
Nachdem Mosander in der bis dahin für einen einheitlichen Körper gehaltenen
Ceriterde 1839 das Lanthan nachgewiesen hatte, fand er darin als zweiten Be-
gleiter des Ceriums im Jahre 1841 das Didyra, welches später als ein regelmässiger
Begleiter des Lanthans in zahlreichen Mineralien, in Kalksteinen, im carrarischen
Marmor, in Koprolithen, Pflanzen, Knochen und im Menschenharn nachgewiesen
wurde. Bereits im Jahre 1882 glaubte B. Brauner die Existenz dreier, dem
Didym sehr nahe stehender, aber unter sich verschiedener Metalle im Didymoxyde
annehmen zu müssen , von denen er das eine als das eigentliche Didymium mit
dem Atomgewichte 145.4 ansah, das zweite als Diß (Atomgewicht etwa 141),
das dritte als Diy (Atomgewicht über 145.4) bezeichnete. Im Jahre 1885 nun ist
es C. Auer v. Welsbach gelungen, durch mehrhundertfaches ümkrystallisiren eines
Gemenges von Lanthan- und Didymammoniumnitrat aus stark salpetersaurer Lösung
zunächst das Lanthan vom Didym zu trennen und darzuthun , dass letzteres aus
zwei Metallen, aus dem dem Lanthan nahestehenden, lauchgrüne Verbindungen
liefernden Praseodym (Pr; Atomgewicht 143.6) und aus dem in verhältniss-
mässig grösserer Menge vorhandenen, rosa- oder amethystfarbene Verbindungen
liefernden Neodym (Nd; Atomgewicht 140.8) besteht.
Zur Darstellung des Didymiums und seiner Verbindungen geht man von deu bei
der Gewinnung des Ceriums ausCerit verbleibenden Mutterlaugen (Bd. II, pag. 634) aus.
Zunächst sind dieselben , besonders die zuletzt erhaltenen , auf einen etwaigen
Ceriumgehalt zu prüfen und nötigenfalls davon zu befreien. Eine kloine Menge
der Flüssigkeit wird in der Platinschale eingedampft und der Rückstand über kleiner
Flamme vorsichtig erhitzt; bleibt die Schmelze selbst bei andauerndem Erhitzen
klar, so ist jedenfalls nur sehr wenig Cerium vorhanden. Nun wird das Erhitzen
fortgesetzt, bis der Innenraum der mit einem Uhrglase bedeckten Schale sich tief-
gelb färbt, und die rasch abgekühlte Schmelze mit wenig Wasser anhaltend ge-
kocht; tritt hierbei eine Trübung nicht ein, so ist Cerium nicht vorhanden. Bei
halbwegs reichlicherer Anwesenheit von Cer hat man zur Abscheidung desselben
einen Theil der betreffenden Mutterlauge mit Oxalsäure auszufällen , den ausge-
waschenen Niederschlag zu glühen, gut mit Wasser zu einem dicklichen Brei zu
verreiben, diesen der kochenden, ziemlich concentrirten Mutterlauge zuzusetzen
(um so mehr, je mehr Cerium vorhanden ; ein Ueberschuss schadet in concentrirten
Lösungen nicht; und das Kochen unter Umrühren kurze Zeit fortzusetzen. Die
cerfreien Mutterlaugen werden mit Oxalsäure ausgefällt. Damit der Niederschlag
nicht zu dicht werde, trägt man anfänglich die heisse, stark verdünnte Nitrat-
lösung unter Umrühren in die ebenfalls stark verdünnte und heisse Oxalsäure-
lösung ein ; sobald die Flüssigkeit ganz von Niederschlag erfüllt erscheint, können
allmälig concentrirtcre Lösungen zugesetzt werden. Der ausgewaschene und ge-
trocknete Niederschlag wird in Platin so lauge und so stark geglüht, bis er eine
rothbraune Farbe angenommen hat. Die Hälfte dieses Oxydgemenges wird nun in
mässig verdünnter Salpetersäure gelöst, mit der erkalteten Lösung die andere
Oxydhälfte in einer dicken Schale gut verrieben und die ganze Masse in einem
geeigneten Glasgefässe so lange gut umgerührt, bis ihre Farbe in Folge der ein-
tretenden Selbstcrwärmung in ein schmutziges Blassroth übergegangen ist. Tritt
diesmr Farbenwechsel nicht ein, so ist die Lösung entweder zu verdünnt, in welchem
Falle man die Masse im Wasserbade zu erwärmen hat, oder zu concentrirt, in
welchem Falle die ganze Masse erstarrt. In jedem Falle lässt man erkalten, um
dann durch Decautiren und Ausziehen mit Wasser das Lösliche vom Unlöslichen
zu scheiden , und das Verfahren sowohl bei dem fast (las ganze Didym enthalten-
den Rückstände, als auch bei der lanthanhaltigen Lösung mit dem Unterschiede
R«al-Encyclop&die der Ses. Pharmacie. III. 31 Digiti;
4^
ÜIDYMIÜM. — UIERVILLA.
zu wiederholen, dass man jetzt statt der Hälfte nur ein Viertel der ans den
Oxalaten dargestellten Oxyde mit der Lösung der Hauptmenge verreibt; die
Lanthanlösung sei jetzt etwas verdünnter als die Lösung für die erste Scheidung.
Eine nochmalige Wiederholung des Verfahrens, wobei nur ein Achtel der Oxyde mit
der Nitratlösung verrieben wurde , gab C. Al'Ek v. Welsbach (Monatshefte d.
Chem. 5,511) nach Beseitigung von etwas Calcium eine reine Lanthaulösung und
einen Didymniederschlag, der nur noch eine geringe Menge von Ytteritmetallen und
sehr wenig Cer enthielt und davon, da die basischen Nitrate der Ytteriterden und
des Ceriums in der concentrirten wässerigen oder in einer verdünnten alkoholischen
Didymnitratlösung unlöslich sind, durch wiederholte fractiouirte Fällung befreit
werden konnte (a. a. 0. 4, 630).
Metallisches Didym lässt sich in gleicher Weise wie das Ceriummetall durch
Elektrolyse des geschmolzenen Didymchlorids darstellen; es ist weiss, mit einem
ßtioh in's Gelbe. Sein specifisches Gewicht beträgt 6.54. An trockener Luft oxydirt
es sich leichter als Cerium. In der Flamme verbrennt es gleich diesem mit ausge-
zeichneter Lichtentwickelung. Es ist gleich dem Cerium vierwerthig. Seinem Oxyde
kommt die Formel Diä Os zu (Pr2 08 und Nd208 nach C. Auer v. Welsbach).
Ulbricht.
DidymsaEze Sie sind rosenroth oder roth mit einem Stich in's Violett (zur
Farbe der Praseodym- und Neodymsalze (vergl. pag. 481). Ihre wässerigen
Lösungen reagiren neutral und schmecken süss zusammenziehend. Aus denselben
fällen Aetzkali und -Natron, sowie Schwefelammonium, gallertartiges, feucht
rosafarbenes Didymhydroxyd (Di2 [H0]6) , die Carbonate der Alkalimetalle volumi-
nöses rosenrothes kohlensaures Didym (Di8 [COä]j, H3 0). Die Sulfate der Alkali-
metalle (auch des Ammoniums) erzeugen blassrothe , krystallinische , im Ueber-
schusse des Fällungsmittels schwer lösliche, in Wasser löslichere Doppelsabte
(z. B. K2S04, Dia (8008 + 2HsO). Oxalsäure bewirkt eine nur bei Gegenwart
von viel freier Säure nicht vollständige Ausfällung. Das Didym ist durch eigen-
tümliche Absorptionsspectra charakterisirt , welche die Lösungen seiner Salze,
diese selbst, sowie das Didymglas zeigen. Abbildungen derselben sind in Bd. 6
der Monatshefte f. Chem. enthalten. Die Spoctra des Didyms setzen sich aus denen
des Praseodyms und Neodyms zusammen. Ein Cer- und Lanthangehalt der Didym-
verbindungen beeinflusst die Absorptionsspectren nicht, wohl aber in hohem Grade
ein Gehalt der Lösungen an freier Salpetersäure (s. auch Spectralanalyse).
Didynamia (&{;, doppelt und ouvxui;, Kraft;, Name der XIV. Classc des
LiNXF.'schen Pflanzen systemes. Die derselben angehörenden Pflanzen besitzen
Zwitterblüthen mit 4 freien Staubgefässen, von denen 2 länger und 2 kürzer sind,
wie dies bei der Mehrzahl der Labiatae und Scrophulariaceae vorkommt. Die
XIV. Ciasse zerfällt in die Ordnungen: Gymnospermia , Früchte in 4 einsamige
Klausen zerfallend und Angiospermia, Früchte sich nicht in 4 Klausen theilend.
S y d o w.
Diefenbach^ SpetieS diliretiCae bestehen aus 1 Th. Baccae Junipri,
2 Th. Radix Levütici und 4 Th. Berba Violae tricol.
Dfeffenbachia, Gattung der Ä raceae, Unterfamilie Aglaonemoideae. —
Dieffenbaehia Seguine Schott (Galadium Segumum Vent., Arum
Sequinum L.) aus dem tropischen Amerika enthält in allen Theilen einen höchst
giftigen, heftige Entzündung erregenden Saft, dessen Wirkung nach Hagek noch
gesteigert wird durch zahlreiche in ihm suspendirte mikroskopische Krystallnadeln.
Eine Abkochung und eine Tinctur des Krautes sowohl wie des Rhizoms scheint
in Amerika arzneilich versucht worden zu sein; jetzt ist die Pflanze verschollen.
Diervilla, eine Gattung der Gapn'foliaceae , welche in mehreren Arten bei
uns als Zierstrauch gezogen wird. Von Symphoricarpos Mönch unterscheidet sie
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DIEBVILLA. — DIFFEBENZIRÜNGSSYSTEME.
483
sich durch die einfächerige, nicht vom Kelche gekrönte Fracht. — Stipitts Dier-
villae waren früher in Nordamerika als üiureticum in Gebrauch.
DieSbaCher BlaU ist ein durch Auskochen mit verdünnter Schwefelsaure
und Salpetersäure gereinigtes Pariserblau. Benedikt.
Diefee'8 Krällter-BrUStSyrUp ist Zuckersyrup, mit etwas Saccharum tostum
braun gefärbt; Dietze's UniV6r8alkräutere8SenZ ist ein aromatisch bitterer Schnaps.
Differentialmanometer, Manometer.
Differenzanalyse. Als Differenzanalyse sind diejenigen quantitativen Be-
stimmungen zu bezeichnen, bei denen eiu Einselresultat nicht durch directe
gewichte- oder maassanalytische Bestimmung, sondern indirect durch die Differenz
zwischen einem Gesammtresultat und einem direct bestimmbaren Einzelresultate
bestimmt wird. Es wird sich dabei vornehmlich um die Bestimmung solcher Körper
handeln, welche entweder keine oder doch für Wägungen nicht geeignete Nieder-
schläge geben , oder um dio Trennung flüchtiger von nicht flüchtigen Stoffen. —
So wird z. B. das Natrium neben Kalium in der Hauptsache durch Differenz bestimmt,
indem man die Chlormetalle zunächst wägt und dann das Chlor bestimmt. Aus
diesen zwei gewonnenen Zahlen lässt sich dann durch Differenzrechnung der Gehalt
an Kalium und Natrium feststellen. Es verhält sich nämlich die Differenz D zwischen
dem Gewicht G der Chlormetalle und derjenigen Menge, die mau hätte erhalten
müssen , wenn alles Chlor als Chlorkalium vorhanden wäre , zu dem gesuchten
Chlornatrium, wie die Differenz zwischen den Molekulargewichten des Chlorkaliums
und Chlornarriums (16.04) zu dem Molekulargewicht des Chlornatriums (58.36);
also D : x = 16.04 : 58.36, und x = - *-?f-3-.
Betrachtet man nun die Chlormetalle als reines Chlorkaliuni, so lässt sich der
Chlorgehalt daraus durch Rechnung finden. Die Differenz zwischen dem berechneten
und dem dnreh Wftgung oder Titration bestimmten Chlor gibt die Grösse D. Durch
Einsetzen dieses Werthes in die obige Formel ermittelt man leicht das Chlor-
natrium. Die Differenz des Gesammtge wicht« G und des gefundenen Chlornatriums
gibt das Chlorkalium.
Ein Beispiel der anderen oben erwähnten Methode bietet die Bestimmung des
Broms neben dem Chlor durch Differenz. Hat man ein Gemenge von Brom- und
Chlorsilber, so glüht man dasselbe und wägt c? in einer Kugelröhre. Lässt man
nuu unter beständigem Erhitzen eiueu Chlorstrom so lauge durch die Kugelröhre
gehen, bis keine Abnahme des Gewichts mehr erfolgt und alles Brom durch Chlor
subfltituirt ist , so ist das Brom durch den Gewichtsverlust leicht zu bestimmen.
Derartige Differenzanalysen sind jedoch nur dann zulässig, wenn zuvor durch
qualitative Bestimmuug die Anwesenheit nur zweier Körper festgestellt ist, und
wenn dieselben als solche in reinem Zustande vorhanden sind. Ganswind t.
Differenzirungssysteme. Unter den Systemen der Reinigung und Ent-
wässerung von Städten figuriren auch die Differenzirungssysteme. welche nicht, wie
die Sehwemrocanalisation, sämmtliche Abfallstoffo. Abfall- und Niedersehlagswässer
einheitlich und uugetrennt entfernen, sondern eine Ditferenziruug in der ßehandluug
der verschiedenen Stoffe eintreten lassen. Wir haben wesentlich 2 Differenzirungs-
systeme zu unterscheiden.
. Das von Lierntr eingeführte Differenzirungssystein Cm Verbindung mit einer
pneumatischen Canalisation und das von Waeixg vorgeschlagene sogenannte
Separate-System.
I. LiKRNUR'd Differeuzirungssystem setzt folgeude Einrichtungen voraus.
a) Die Anlage eines möglichst wasserdichten , glasirten Röhren , respective
Canalnetzes für filtrirtes Strassen- und Hauswasser, sowie gereinigtes Gewerbe-
abwasser, mit porösen Tributarien für das Grundwasser und die Lüftung des Bodens ;
Ausntttzung dieses filtrirten Canalwassers mittelst Wiesenbau, falls geeignete
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DIFFERENZIRUNGSSYSTEME.
Felder dazu vorhanden und keine Bedenken des Abiaufens etwa unbenutzter
Quantitäten in den betreffenden Fluss im Wege stehen ; — sonst aber weitere
Reinigung desselben mittelst „unterbrochener Filtration" durch eine als Brenn-
material brauchbare oder sonst verwerthbare Filtrirsubstanz.
b) Die Anlage einer von der äusseren Atmosphäre völlig abgeschlossenen
eisernen Röhrenleitung, mit Luftdruck anstatt Wasser als Bewegkraft, zur unter-
irdischen Wegschaffung von Abort- und Waterclosetstoflen u. s. w. nach einer Stelle
ausserhalb der Stadt hin, woselbst deren Verwandlung in einen trockenen, trans-
portablen und aufbewahrungsfähigen Dünger vorgenommen werden kann.
Zur Verwirklichung dieses Programmes kommen drei gesonderte Canalnetze in
Anwendung; a) ein absolut dichtes, aus glasirtem Steingut hergestelltes Netz für
Haus- und Regenwasser, das zuvor mittelst Filtrationen von allen darin suspen-
dirten Stoffen, wie Küchenabfällen, Strassenkoth etc. gereinigt ist; b) ein poröses
Netz für die Trockenlegung des Bodens, respective für das Gleicherhalten des
G rund Wasserstandes ; c) ein luftdichtes, eisernes Netz für gährungsfähige Stoffe,
wie Fäcalien, Küchenabfälle, Speisereste etc. (pneumatisches System).
Das Resultat, nur filtrirtes Hans- und Regenwasser in das Canalnetz aufzu-
nehmen, wird durch folgende Einrichtung angestrebt : „Zunächst wird das Strassen-
wasser in einem Gully aufgefangen, in welchen ein beweglicher Eimer zur Auf-
nahme des mitgeführten Schlammes verwendet wird; in dem oberen Theil dieses
Eimers ist nun eine zwischen Rosten festgehaltene Strohmatte angebracht ; dieselbe
hat in der Mitte eine Oeffnung, durch welche sich das Strassenwasser direct in
den Eimer ergiesst, während sich das Ablaufrohr des Gully oberhalb der Matte
befindet. Das Strassenwasser muss sich deshalb, aufwärts steigend, durch die Matte
filtriren und lässt somit unter allen Umständen die suspendirten Schlammstoffe im
Eimer zurück, bis derselbe gefüllt ist.
Wie das Strassenwasser, so wird auch das Haus- und Küchenwasser zum
Behufe der Ausscheidung aller suspendirten Stoffe (als Speisereste und sonstige
Küchenabfälle) nach einem Scblammkasten hinabgeführt. Dieser Kasten hat einen
Rost von feinem Kupferdrahtgeflecht, unterhalb dessen das Schmutzwasser einge-
leitet wird, während oberhalb die Abflussöffnung angebracht ist. Das Wasser kann
also tagsüber immer nach dem Canal hin ablaufen , aber nur , nachdem es durch
das Geflecht biudurch gegangen ist und seine suspendirten Stoffe in einer Tasche
am Boden des Kastens durchgelassen hat. Diese Tasche steht mit der pneumatischen
Röhrcnleituug in Verbindung und wird täglich durch den nämlichen Luftstrom,
welcher die Abortstofle hinwegführt, entleert.
Das Wasser, das für Industriezwecke gebraucht war, wird beim Differenzirnngs-
system nur nach vorhergegangener Reinigung zugelassen.
Zur Entfernung der fäulnissfähigen Stolle , d. h. der Abortstoffe und Küchen-
abfälle, dient die pneumatische Röhrenleitung. In einem bestimmten Gebäude
arbeitet eine Luftpumpmaschine, welche in gewissen unter dem Boden des Ge-
bäudes angebrachten (gusseisernen und luftdicht verschlossenen) Reservoirs einen
luftleeren Raum von etwa 8 \ 'Vacuum während der Tageszeit unterhält.
Von diesen Hauptreservoirs aus laufen Röhren (sogenannte Magistralrohre i
durch die Hauptstrassen in allen Richtungen, wie Radii von einem gemeinschaft-
lichen Ceutrum ausgehend. Diese Magistralröhren dieuen dazu, um das in dem
Ilauptreservoir erzeugte Vacuum nach gewiesen Stellen des Weichbildes der Stadt
hin fortzupflanzen. Eine solche Stelle wird von der Mitte eines Stadtviertels von.
etwa 200 — 250 m Radius gebildet. Es wird also das Weichbild der Stadt in
Häusercomplexe von 400 — 500 Meter Länge und Breite eingetheilt.
In der ungefähren Mitte einer jeden solchen Häusergruppe liegt unter dem
Strassenpflaster ein gusseisernes, luftdicht verschlossenes Reservoir, ähnlich dem
Hauptreservoir.
Ein solches Strassenreservoir dient als gemeinschaftlicher Entleerungsapparat
aller in dessen Bezirk vorhandenen Aborte und Küchenschlammkasten.
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DIFFERENZ IKUNGSSYSTEME.
185
Die Strassenreservoirs liegen entlang den vorerwähnten Magistralröhren etwa
wie Stationen an Eisenbahnlinien und können mittelst Absperrhähnen mit den-
selben nach Belieben in Verbindung gebracht werden.
Durch Oeffnen eines solchen Hahnes wird das Vacuum, welches in den
Magistralröhren vorhanden ist, augenblicklich auf das betreffende Strassenreservoir
ausgedehnt. Es kann deshalb ein jeder mit solch' einem Reservoir versehener
Häusercomplex gesondert von allen anderen bedient werden.
Gewisse sogenannte Hauptröhren laufen zu diesem Zwecke von den Reservoirs
ab der Strasse entlang und von diesen Hauptröhren zweigen sich rechts und links
wieder Seitenröhren ab, welche mit den Aborten der Häuser des betreffenden
Complexes in Verbindung stehen.
Wenn nun einer, der auf dem Hauptrohre dicht neben dem Reservoir befind-
lichen Hähne geöffnet wird, so entleeren sich säraratliche Aborte der umliegenden
Häuser zu gleicher Zeit in dieses Reservoir.
Die Aborte sind aus folgenden Bestandteilen zusammengesetzt:
1. Ein Aborttrichter aus glasirtem hartem Steingut, aus welchem Material der
Syphon und die verschiedenen Formen von Einlassrohren zur Abführung der
Fäcalien in das gleichfalls aus Steingut fabricirte Fallrohr verfertigt sind.
2. Ein kurzer innerer Aborttrichter ohne Boden, entweder aus emaillirtera
Eisen oder aus weissem Steingut.
3. Das Urinirbecken und dessen bleierner Syphon, zum Luftabschluss des ab-
laufenden Harnes; letzterer sammelt sich in einem ebenfalls ans Blei verfertigten
Rohr und wird von dort aus mittelst kleinerer Bleiröhren in die verschiedenen
Abortsvphons vertheilt, damit dieselben auf diese Weise mit der andernfalls
mangelnden Urin- oder FlOssigkeitsmenge versehen werden.
Ventilatoren und Luftreinigung. Eiu aus Zink verfertigtes Venti-
lationsrohr dient zur Ableitung der im Syphon etwa sich entwickelnden übelrie-
chenden Gase in die äussere Luft. Zur Beförderung des Luftzuges ist das über
das Dach des betreffenden Gebäudes hervorragende Ventilationsrohr mit einem
WoLPERT'schen Luftaauger versehen.
Das obere Ende eines jeden Fallrohres ist mit einem Luftreiniger versehen :
derselbe besteht aus einem Gefässe aus Zink, von innen mit einem perforirten
Cylinder versehen und mit Holzkohlenstückchen aufgefüllt. Die im Fallrohr be-
findliche Luft kann deshalb nur in die änssere Atmosphäre entweichen, nachdem
sie durch die Löcher des perforirten Cylinders und durch die Kohlenstücke durch-
gegangen und somit desodorisirt worden ist.
Was nun das endliche Schicksal der Abfallstoffe beim LiERNUR'schen System
anbelangt , so können die Fäcalien und der Küchenspülichtschlamm , die zu-
sammen per pneumatische Röbrenleitung entfernt werden, entweder in flüssiger
Gestalt auf den Feldern verwerthet werden oder eingedickt und zu Poudrette
verarbeitet werden. Für die Haus- und Strassenwässer ist auch bei Likrnur die
Berieselung vorgesehen ; tritt diese jedoch nicht ein , so erfolgt ein Einleiten in
die öffentlichen Ströme oder aber es geht diesem eine Filtration durch Coaks
vorher.
Es ist sicher, dass ein solches System, wenn vollständig nach dem Programm
durchgeführt, vor dem der Abfuhr grosse Vorzüge besitzt, mit diesem gestattet
eR ja die Vcrwerthung der Düngstofle, sorgt aber doch für rasche Entfernung
aller Abfälle und sucht sogar auch den Grundwasserstand zu reguliren. Wohl
werden von Technikern diesem System, was die Durchführbarkeit an allen Orten
betrifft, Einwenduugen gemacht, die aber vom Vertreter desselben als nichtig
angesehen werden.
II. Ein zweites Differenzirungssystem, das sogenannte „Separate-System", auch
System Waring oder System von Memphis genannt, das 1849 zuerst von E.
Chadwick und Philii« vorgeschlagen wurde , wurde in neuester Zeit besonders
von Waring wieder aufgenommen, da in den Jahreu 1879 — 18SO die wegen
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486
DIFFFJJ ENZIB UNG SS YSTEME. — DIFFRACTION.
ihrer Gelbfieberepidemien bekannte Stadt Memphis damit versehen wurde. Das
Princip besteht darin , dass zwei von einander unabhängige Leitungen bestehen,
die eine für die Entfernung des natürlichen oder Oberflächenwassers und die
andere für die Abfuhr der künstlichen oder Haus- und Bodendrainage. In Folge
der Ausschliessung des Regenwassers können die Caliber der Röhren und Canäle
kleiner ausfallen.
Der Durchmesser der Abortröhren ist auf 9cm vermindert, die Abtrittrohre
haben einen Durchmesser von 10 cm und der Hauscanal einen solchen von 15 cm.
Nach Warixg ist ein Gefälle von 2 auf 1000 hinreichend, nach Poxtzex
5 zu 1000. Die Röhren sind innen gcfirnisst und in Memphis an ihren Kopf-
enden mit automatisch sich entleerenden Wasserbassins (flushing tanks) versehen,
von denen ungefähr 180 auf 68 km Canalisation entfallen.
Nach diesem Systeme sind verschiedene kleine Städte der Vereinigten Staaten
von Amerika canalisirt: Omaha (Nebraska), Norfolk (Virginien), Kalamazoo
(Michigan), Keene (New Hampshire), Pittsfield (Massachusetts), Birmingham
(Alabama), Buffalo (New- York). Im Jahre 1883 wurde sodann in einem begrenzten
kleinen Theile von Paris, im Quartier du Marais, ein Versuch nach diesem
Systeme gemacht.
Literatur: Ch. T. Liernur, Ueber die Canalisation von Städten auf getrenntem
Wege — Premiere Application ä Paris en 1883 de l'a^gainissement suivant le Systeme
Waring par Erncst Pontzon. Paris 188-1. Soyka.
Diffractio II. Unter Diffraction oder Beugung des Lichtes versteht man die
Abweichung eines Lichtstrahles von der geradlinigen Fortpflanzungsrichtung , wenn
derselbe eine enge Oeffnung passirt. Lässt man ein Lichtbündel durch eine
schmale Spalte in ein verfinstertes Zimmer treten und bringt einen weissen
Schirm in seinen Weg , dann sieht man wohl das Bild des Spaltes auf dem Schirm
in weisser Farbe, aber es ist viel breiter als bei geradliniger Fortpflanzung des
Lichtes, das der Spaltenbreite entsprechen würde und überdies ist dieses Bild an
seinen Rändern von farbigen Säumen eingefasst. Diese farbigen Säume bestehen
aus Farbenfeldern in derselben Aufeinanderfolge, wie in einem Spectrum, welches
durch ein Prisma entworfen wird. Man nennt jenes durch eine feine Spalte erzeugte
Spectrum ein Diffractionsspectrum oder Beuguugsspectrum. Das Speerrum
ist umso breiter, je schmäler die Spalte ist. Besonders schöne Beugungsspectra
erhält man, wenn das Licht anstatt durch eine feine Spatye durch eine Glas-
platte geht, in welche zahlreiche Parallelliuien eingeritzt sind.
Die Bcugungsspectra kommen durch Interferenz der Lichtwellen zu Stande.
Die Lichtäthertheilchen. welche sich in der Spalte befinden , können als Mittel-
punkte von Lichtwellcnsystcmen betrachtet werden. An solchen Stellen des
Schirmes, welche von Strahlen getroffen werden , deren Gangunterschied eine halbe
Wellenlänge betrügt, vernichten diese Strahlen sich in ihrer Wirkung gegenseitig
in Folge entgegengesetzter Schwinguugsphasen. Der Punkt würde dunkel er-
scheinen, wenn mit monochromatischem Lichte experimentirt worden wäre ; im
weissen Lichte hingegen sind alle Lichtsorten vertreten und an dem Punkte z. B.,
wo für violette Lichtstrahlen der Gangunterschied eine halbe Wellenlänge aus-
macht und violettes Licht ermittelt wird, erreicht der Gangunterschied aller anders
gefärbten Lichtstrahlen keine halbe Wellenlänge; dieser Punkt wird in der eora-
plementaren Farbe zu violett, also gelb erscheinen. Weil bei einem solchen Ver-
suche alle ausschlaggebenden Grössen : die Breite der Spalte, ihre Entfernung vom
Lichtschirme, die Breite der Spectralbänder, resp. der Abstand einzelner FttAUX-
HOFEu'schen Linien vom Bilde der Spalte, genau gemessen werden können , so
dient ein solches Experiment auch dazu, um die Wellenlänge der Lichtstrahlen
zu berechnen.
Die Erscheinungen der Diffraction wurden zuerst von Grimaldi 1665 beob-
achtet ; sie .sind für die Theorie des Lichtes von grösster Bedeutung geworden ;
hier wurde zuerst gezeigt, das zwei Lichtstrahlen einauder auslöschen können, dass
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DIFFKACT10N. — DIFFUSION.
487
Lieht zn Liebt summirt den Effect dunkel geben kann , eine Thatsacbe , welche
als mit der Emissionshypothese vollständig unvereinbar der Undulationstheorie zum
Durchbruche verholfen hat.
Diffusion ist die gegenseitige Durchdringung von zwei oder mehreren flüssigen
oder gasförmigen Körpern. Bei den Flüssigkeiten erfolgt dieselbe ohne Rücksicht
auf ihre verschiedenartige Dichtigkeit nur dann, wenn die Moleküle heterogener
Flüssigkeiten eine grössere Anziehung auf einander ausüben als die Moleküle
jeder derselben unter sich, z. B. diejenigen • des Wassers und des Spiritus. Ueber-
wiegt aber die Anziehung der gleichartigen Moleküle unter einander, so entsteht
keine Diffusion und nach gewaltsamer Mischung durch Schütteln eine freiwillige
Trennung, wie beim Wasser und Oel. Graham untersuchte das Diffusionsvermögen
verschiedener Stoffe, indem er conceutrirte Lösungen derselben auf den Boden
einer Wassersäule brachte, und fand für dieselben sehr ungleiche Werthe. Nament-
lich ergab sich ein grosser Unterschied zwischen krystallisirten und amorphen
Stoffen, von welchen die ersteren reichlich und schnell, die letzteren wenig und
langsam diffundiren. Er nannte jene Krystalloide, diese Colloide (Leim,
Gummi, Schleim).
Die Erscheinungen der Diffusion der Flüssigkeiten werden oft im Vereine mit
denjenigen der Endosmose geschildert, ohne den Unterschied zwischen beiden
in das rechte Licht zu setzen. Die Endosmose oder Diosmose ist allerdings
stets von Diffusion begleitet, enthält aber noch ein neues Element, eine
Scheidewand besonderer Art zwischen beiden Flüssigkeiten , welche ihrerseits
auch eine ungleiche Molekularanziehung auf dieselben ausübt, dieselben in ungleicher
Menge aufnimmt und nun an den entgegengesetzten Seiten in Berührung mit
den heterogenen Flüssigkeiten durch Diffusion austauscht. Solche Scheidewände
sind die pflanzlichen und thierischen Zellenwandungen, thierische Blase, Leder,
Pergamentpapier, Kautscbukplatten etc. Liemg hat bewiesen, dass jede solche
Membran bestimmte, unter einander sehr abweichende Mengen von Wasser, Salz-
lösungen, Alkohol und anderen Flüssigkeiten aufnehmen kann, welche sie nur
dureh starken mechanischen Druck, durch Diffusion an andere Flüssigkeiten oder
. durch Verdunsten wieder abgibt. Eine Blase vermag viel mehr Wasser als Alkohol
aufzunehmen. In Folge dessen wird der Alkohol in einer mit demselben gefüllten
Blase in Wasser getaucht, durch Aufnahme des letzteren schwächer, in trockener
Luft aufgehängt, durch grossere Wasserimbibition und Verdunsten desselben an der
Ausscnseite stärker. Kautschuk nimmt mehr Alkohol als Wasser auf. In einem
Kautachukbeutel unter Wasser vermindert sich Alkohol durch Diffusion, in der
Luft durch Verdunsten. Die Capillargefässe dieser Membranen sind so eng
nnd der durch Adhäsion bewirkte Reibungswiderstand der Flüssigkeit in dem-
selben ist so gross, dass ein hydrostatischer Druck von eiuigen Metern Höhe die
Endosmose nicht beeinträchtigt, sondern von der letzteren überwunden wird. In
einem unten durch Blase geschlossenen, mit Alkohol gefüllten, in Wasser ge-
tauchten Rohre steigt durch Wasseraufnahme die Flüssigkeit meterhoch. Wasser
in einem Rohre in gleicher Weise in Alkohol getaucht, sinkt schnell und beträcht-
lich unter das äussere Niveau des letzteren herab.
Die Diffusionsanalyse oder Dialyse ist eine eudosmotische Trenuung
von Colloiden und Krystalloiden aus ein und derselben Lösung, in welcher erstere
zurückbleiben, während letztere leicht und vollständig in Wasser diffundiren und
aus diesem rein abgeschieden werden können. Eine thierische Blase, mit einer
Lösung von Rohrzucker und Schleimzucker gefüllt, gibt nur ersteren an Wasser
ab, bis der Gehalt an demselben innerhalb und ausserhalb der Blase sich aus-
geglichen hat und verliert bei Erneuerung des Wassers denselbeu gänzlich. Diese
Methode hat wichtige Verwendung zu Präparaten (Syr. Frrri oxydati) und in
der gerichtlichen Analyse gewonnen (Trennung von Arsenigsäureanhydrid und
vou Alkaloiden aus Magen- und Darminhalt). Die Apparate zu diesem Zwecke,
mit Pergamentpapier überspannte flache Trommeln, heissen Dialysatoren.
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DIFFUSION. — DIGESTIV A.
Unter endosm otis ehern Aequivalent versteht man die Wassennengen.
welche bei der Dialyse durch thierische Blase mit anderen Substanzen von dem
Gewichtswerthe 1 ausgetauscht werden. Dasselbe ist aber keine constante Grösse,
sondern wächst mit der Temperatur und findert sich mit dem Concentrationsgrade
der Lösungen.
Die Diffusion der Gase. Ganz anders als die Flüssigkeiten verhalten sich
die Gase. Sie durchdringen sich sämmtlich gegenseitig. In einem Gasgemische
erfüllt jedes einzelne Gas den gebotenen Raum , als ob die anderen gar nicht
vorhanden seien. Die Schnelligkeit dieser Ausbreitung ist umgekehrt proportional
der Dichtigkeit des Gasgemenges. Die Diffusion zweier heterogener, durch eine
poröse Scheidewand getrennter Gase erfolgt durch die letztere hindurch und wird
Transfusion genannt. Die Geschwindigkeit derselben für die einzelnen Gase fand
Graham umgekehrt proportional den Quadratwurzeln aus ihren speeifisehen Gewichten.
B Unsen corrigirte dieses Gesetz auf Grund eigener Experimente, nach welchen
jedem Gase ein besonderer Reibungscoefficient beim Durchdringen capillarer Röhren
zukommt, welcher seine Ausflussgeschwindigkeit erheblich verlangsamt. Wasserstoff
in einem unten in Quecksilber getauchten, oben durch Gyps oder Thon geschlossenen
Rohre diffundirt durch letzteren so viel schneller als die von oben eindringende
Luft, dass das Gasvolumen abnimmt und das Quecksilber in dem Rohre steigt.
Ein mit Luft erfülltes Rohr in einer Wasserstoffatmosphäre bewirkt das Gegen-
theil: eine Volum Vermehrung des Gasgemisches und Depression der Quecksilber-
säule. Die Bewegung der letzteren wird in Bergwerken zum Schliessen und Oeffnen
eines elektrischen Stromes verwendet an Läutewerken zur Warnung vor schlagen-
den Wettern. Schon ein geringer Gehalt an Grubengas in der Atmosphäre diffundirt
schleunig durch eine in Quecksilber tauchende Thonzelle des Apparates. Gänge.
DiffusionSVerfahren. Das in der Zuckerindustrie übliche Auslaugen des
Rübenbreies auf dem Wege der Dialyse. Der Rübenbrei und die in Scheiben
geschnitteneu Rüben werden dann D i flu sionsschnitzel, die dazu verwendete
Maschine wird Diffusionsbatterie genannt.
DifflJSionS-OenOSkop ist ein Instrument, um zu prüfen, ob Wein echt oder
gefälscht , resp. künstlich gefärbt sei : an diesem Apparate ist der hochgelehrte
Name übrigens noch das Beste, denn sonst liegt demselben kein wissenschaftliches
Priucip zu Grunde, und er ist darum von problematischem Werth.
Gans windt.
DigallUSSäure = Tannin. Gallusgerbsäure, s.d.
Digeriren, ciuc Substanz mit einer Flüssigkeit bei einer Wärme von 50 bis
60° eine Zeit lang in bedecktem Gefäsae, unter bisweiligem Umrühren oder Um-
schütteln, sich selbst überlassen. Das Digeriren (die Digestion) bezweckt
die Extractiou der in der betreffenden Flüssigkeit löslichen Stoffe der Substanz
oder eine für fernere Verarbeitung vorbereitende Erweichung oder Aufquellung.
DigeStlVa (digero, verdauen), heissen alle die Verdauung befördernden Arznei-
mittel, als welche theils der normalen Verdauung betheiligte oder nach Art von
Verdauungfermenten wirkende Substanzen ^Salzsäure, Diastase, Pepsin, Pancreatin,
Ochsengalle, Milchsäure und andere Säuren, PapaTn), theils Stoffe angewendet
werden, welche durch Steigerung der Secretion des Magensaftes die Peptonisirung
der Eiweisskörper steigern. Zu den letzteren, welche man auch Stomnchica oder
Magen mittel nennt, gehören Kochsalz, verschiedene Gewürze (Senf, Pfeffer,
Capsicum) und die Amarn (Bd. I. pag. 287), welche wahrscheinlich neben der
reflectorisch durch Reizung der Magennerven hervorgerufenen Steigerung der
Pepsin- und Salzsäureabscheidunsr auch noch eine in gleicher Weise zu Stande
kommende Vermehrung der Speichel- und Darmsaftsecretion zu Stande bringen,
endlich die Alkalien und Alkalicarbonate, deren günstige Wirkung bei Verdanungs-
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i
DIGESTIV A. - DIGITALIN. 489
Störungen übrigens auch von neutralisirender Wirkung auf die bei Magencatarrh
häufig auftretende Vermehrung normaler und Bildung abnormer Säuren (Essigsäure,
Buttersaure) abhängt, wobei das gebildete Chlornatrium oder Chlorkalium wiederum
anregend auf die Magensaftsecretion wirkt. Besondere beschleunigende Wirkung
auf die Magenverdauung wird auch dem Dextrin zugeschrieben, das nach Schiff
geradezu die Ladung der Pepsindrttsen im Magen veranlasst, nach Anderen durch
die aus ihm gebildete Milchsäure digestiv wirkt.
In der älteren Chirurgie wird der Ausdruck Digestiva auf Stoffe übertragen,
welche die Eiterung befördern und ist synonym mit Maturantia und Suppurantia :
daher die Namen Unguentum digesttvnm, Digestif animJ, Digestif mercuriel.
Th. Huseraann.
Digestive lOZengeS RoWOrthS sind dem „Tamar-Indien" ähnliche Conserven.
— Digestivpastillen sind mit Oleum Menthae pip. aromatisirte Trochisci Natrii
bicarbonici (Vichy-Pastillen). — Oigestivpulver ist Natrium bicarbonicum. —
Digestivsalbe oder schlechtweg Digestiv ist Unguentum Terebintbinae compos.
— Digestivsalz (Sal digestivum Sylvii) ist ein altes Synonym des Chlorkalium
= K Cl ; jetzt pflegt man meist Natrium bicarbonicum als Digestivsalz zu dis-
pensiren. — Digestivwein ist Vinum Pepsini. •
DigeStOT, DigeStOrium. Als Digestoren bezeichnet man alle jene Gefosse,
in welchen entweder Flüssigkeiten allein , meist jedoch feste Körper mit Flüssig-
keiten zusammen der Wirkung der Wärme ausgesetzt werden, gleichviel, ob dieses
durch Kochen über directem Feuer, durch Einleiten von gespanntem Dampf oder durch
indirectes Erhitzen mittelst Dampfmantels oder Dampfschlange geschieht. Obgleich der
Begriff des Digerirens das Sieden eigentlich ausschliesst, dienen die Digestoren in
der Grossindustrie meist zum anhaltenden Kochen unter erhöhtem Druck, sie sind
daher meist von Schmiedeeisen construirt, auf Atmosphärendruck probirt und mit
allen dem entsprechenden Vorrichtungen versehen. — Das pharmaceutische Dige-
storium ist dagegen meist nur ein einfaches Dampfbad und bezweckt ein längeres
Erwärmen durch directen nicht gespannten Dampf bei einer den Siedepunkt des
Wassers keinesfalls übersteigenden, meistens aber denselben überhaupt nicht er-
reichenden Temperatur. Ganswind t.
Digitalin. Mit dem Gesammtnamen Digitalin bezeichnet man das wirksame
sehr giftige Princip der kurz vor der Blüthe gesammelten Blätter der wildwachsenden
Digitalis purpurea, welches zuerst von Homo J.E im Jahre 1845 isolirt
wurde. Bald nachher zeigte sich schon , dass das Digitalin von Homolle kein
einheitlicher Stoff, sondern ein Gemenge verschiedener Körper war ; auch die heute
diesen Namen führenden Präparate des Handels sind keine einheitlichen chemischen
Individuen, sondern Gemenge verschiedener Bestandtheile der Digitalis oder deren
Zersetzungsproducte, welche von den verschiedenen Autoren nicht immer mit dem-
selben Namen belegt worden sind. Je nach der Darstellungsweise wechseln die
in dem käuflichen Digitalin enthaltenen Bestandtheile nach Art und Quantität, in
Folge dessen auch die chemischen, physikalischen und physiologischen Eigenschaften
der Handelsdigitaline sehr von einander abweichen. Ihrer chemischen Natur nach
gehören die Bestandtheile des Fingerhuts zum Theil den Glykosiden, zum Theil
den Bitterstoffen an. Nach ihren physikalischen Eigenschaften , Löslichkeit in
"Wasser und Chloroform, nach dem krystallinischen und nicht krystallinischen Zu-
stande, nach ihrer Provenienz, ja selbst nach dein Namen des Fabrikanten unter-
scheidet man die Handelsdigitaline, welche im Wesentlichen in deutsches
Digitalin, ein amorphes Präparat, welches in Wasser und Alkohol leicht, in
Chloroform aber schwer löslich ist uud in französisches Digitalin oder
Digitalin von Homolle und Digitalin von Nativellk, amorphe und krystal-
linische Präparate, welche in Wasser und Alkohol schwer, in Chloroform leicht
löslich sind, zerfallen.
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490
DIGITALIN.
Digitalin von Nati volle. Darstellung. 1000 g gepulverter Digitalia-
blätter werden mit 1000 g Wasser, in welchem 250 g Bleiacetat gelöst sind, innig
gemischt und Dach 24sttlndigem Stehen in einem Verdrängungsapparat mit Alkohol
von 50 Procent erschöpft. Der Auszug wird mit einer gesättigten wässerigen
Lösung von 40 g doppeltkohlensaurem Natrium versetzt, vom Alkohol befreit und
auf 2000 g eingedampft und mit dem gleichen Volumen Wasser vermischt. Die
nach vollständiger Klärung ausgeschiedene Masse wird gesammelt, abgepresst,
in 1000 g Alkohol von 80 Procent suspendirt und zu der heissen Mischung 10 g
Bleiacetat hinzugefügt.
Das Filtrat wird mit 50 g Thierkohle versetzt, eingedunstet und der Rückstand
mit Chloroform erschöpft. Der beim Verdunsten des Chloroforms bleibende Rück-
stand enthält unreines Digitalin. Man löst es in 100g Alkohol, setzt lg essig-
saures Blei und 10 g Thierkohle hinzu, lässt das Gemisch 10 Minuten lang sieden
und filtrirt. Von dem klaren Filtrat wird der Spiritus abdestillirt , der Rückstand
— Digitalin mit etwas Fett — wird in 10g 90procentigem Spiritus gelöst, die
Lösung mit 5 g Aether und 15 g Wasser versetzt und kräftig umgeschüttelt. Es
bilden sich in der Ruhe zwei Schichten , von denen die obere gefärbte das Fett,
die untere nicht gefärbte das Digitalin enthält. Beim freiwilligen Verdunsten
letzterer Lösung scheidet sich* das Digitalin in Krvstalleu aus, welche durch Waschen
mit weuig Aether gereinigt werden. Um das Digitalin in vollkommen reinem Zu-
stande zu erhalten, löst man es nochmals in der 20faehen Menge Chloroform, ver-
dunstet die filtrirtc Lösung zur Trockne, löst hierauf den Rückstand in 30g
Alkohol von 90 I*rocent, setzt Thierkohle hinzu, kocht 10 Minuten, filtrirt und
lässt das Filtrat von Neuem freiwillig verdunsten. Ergibt sich auch nach dieser
Reinigung noch ein schwach gelb gefärbtes Digitalin, so löst man dieses warm in
der genau ausreichenden Menge Spiritus von 1*0°, setzt der erkalteten Lösung
halb so viel Aether und doppelt so viel Wasser zu, als man dem Gewichte nach
Spiritus gebraucht hat, verschliesst und schüttelt.
Das Digitalin scheidet sich in Krystallen aus. Die Ausbeute beträgt etwa
0.1 Procent der von der zweijährigen Pflanze unmittelbar vor der BlUthe ge-
sammelten Blätter.
Eigenschaft eu. Leichte weisse Krystalle von der Form kurzer feiner
Nadeln, welche um dieselbe Axe gruppirt sind. Es ist geruchlos, sehr bitter, in
Wasser kaum löslich, leicht löslich in Alkohol von 00° und Chloroform, weniger
löslich in absolutem Alkohol, fast unlöslich in Aether. Concentrirte Schwefelsäure
löst es mit grüner Farbe auf, welche durch Bromdampf in Roth übergeht. Auch
Salz- oder Phosphorsäure löst es mit schön smaragdgrüner Farbe.
Das N.vnvELLE'sche Digitalin (Digital ine cristallisee Gall.) besteht
neben geringen Mengen Paradig itogenin undToxiresin nahezu vollständig
aus dem Digitoxin Schmiedeberg's , dem am stärksten wirkenden Digitalis-
bestandtheile (s. unten).
Digitalin von Horn Olle. Darstellung. Gepulverte Digitalisblätter werden
mit Alkohol von 40 — 50 Procent erschöpft, die Auszüge werden mit Bleiesaig in
geringem Ueberschusse versetzt, filtrirt, das Filtrat wird mit Sodalösung alkalisch
gemacht. Aus dem Filtrate wird der Alkohol durch Destillation entfernt, der
Rückstand mit Gerbsäure versetzt , der Niederschlag nach dem Auswaschen mit
lauwarmem Wasser mit Bleiglätte innig gemischt, im Wasserbade getrocknet und
mit Alkohol von dO Procent extrahirt. Der gelb gefärbte Auszug wird mit Tbier-
koble entfärbt und die nach dem Verdunsten des farblosen Filtrates zurückbleibende
gelblichweisse krvstallinische Masse durch Ausziehen mit Aether noch von geringen
Mengen Fett etc. befreit.
Eigenschaften. Gelblichweisse geruchlose Warzen oder Schuppen ohne
krvstallinische Structur von neutraler Reaction und höchst bitterem Geschmaeke,
welche sich wenig in kochendem Wasser, schwer in Aether, leicht in Alkohol und
Eisessig lösen.
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DIGITALIN.
491
Es besteht ans dem Digital in Schmied eberg's neben wenig Digitoxin
und Digitogenin. Das Digitalinum der Ph. Brit. soll im Wesentlichen nach
der Vorschrift von Homolle dargestellt werden.
Nach der Ph. Gall. wird ein amorphes, in Chloroform lösliches Digitalin
(Digitaline amorphe) in folgender Weise bereitet: 1000g gepulverte
Digitalisblätter werden in einem Verdrängungsapparate mit 1 1 Wasser befeuchtet
und nach und nach kleine Mengen Wasser nachgegossen, bis 3 1 Flüssigkeit erhalten
sind, deren Dichte mindestens 1.05 betragen muss. Diese werden mit 250 g Blei-
essig vom spec. Gew. 1.32 gemischt, der Niederschlag wird abfiltrirt, das Filtrat
mit den Lösungen von 40 g Natriumcarbonat und 20 g Natriumamraoninmphosphat
versetzt und filtrirt. Das Filtrat wird mit 40 g Gerbsäure gefällt und der Nieder-
schlag auf einem Filter gesammelt, mit 25 g Bleioxyd und 50 g Kohle gemischt,
getrocknet und mit Spiritus von 90° erschöpft. Der zur Trockne verdunstete
alkoholische Auszug wird mit Wasser ausgezogen, dann mit Spiritus von 90°
aufgenommen ; die weingeistige Lösung wird eiugcdunstet und der Rückstand mit
Chloroform erschöpft. Durch Verdampfen der Chloroformlösung erhält man schliesslich
das Digitalin in Form einer harzigen zerreiblichen Masse. Es bildet ein leicht
gelblich w eisses Pulver von einem eigen thümlichen aromatischen Gerüche und grosser
Bitterkeit, und unterscheidet sich von dem nach der englischen Pharmakopöe
gewonnenen Präparate durch grössere Wirksamkeit, indem das auf ähnlichem Wege
gewonnene Product noch mit Chloroform ausgezogen wird.
Deutsches Digitalin. Die Darstellung desselben entspricht im Grossen und
Ganzen der des HoMOLLE'schcn Digitalins. Man zieht das nach jener Vorschrift
beim Verdunsten der weingeistigen Lösung erhaltene Präparat noch mit Wasser
aus ; das beim Verdunsteu dieses wässerigen Auszuges hinterbleibende Digitalin —
der in Wasser lösliche Antheil des HoaiOLLiVscben Digitalins — bildet das
„deutsche Digitalin".
Gelblichweisses , amorphes Pulver von neutraler Reaction und sebr bitterem
Gesehmacke. Leicht iu Wasser und Alkohol, wenig in Aether und Chloroform
löslich. Die wässerige Lösung schäumt beim Schütteln. Concentrirte Schwefelsäure
löst es mit röthl ich brauner, später kirschrot!» werdeuder Farbe. Die frisch bereitete
Lösung in Schwefelsäure färbt sich sofort violettroth , wenn sie mit einem zuvor
in Bromwasser eingetauchten Glasstabe unigerührt wird. Concentrirte Salzsäure
löst es mit smaragdgrüner Farbe. Den Hauptbestandteil bildet nach Schmikde-
BERC» das Digitaleiu, das Digitonin neben geringen Mengen Digitalin
und Digitoxin.
Ausser diesen wichtigsten Haudelsdigitalinen unterscheidet man noch einige
andere Digitalinpräparate. Man spricht vom Digitalinum amorph um,
Digitalinum crystallisatum, von Merk's und FF.LTt-N's Digitalin etc.
Alle diese Digitaline sind wechselnde Gemenge von sehr verschiedenem pharmako-
dynamischem Werthe.
Die sich vielfach widersprechenden Angaben über die verschiedenen Bestand-
teile der Handelsdigitaline sind durch die schon erwähnte Arbeit Schmiedeb-rg's
wesentlich geklärt worden. Schmiedebkhg isolirte aus den Handelsdigitalinen vier
Verbindungen, welche gut charakterisirte Körper in den Digitalisblättern bereits
vorkommen. Es sind dieses die von ihm als Digitonin, Digitalin, Digitalein
und Digitoxiu bezeichneten stickstofffreien Körper. Neben diesen wurden die
Zersetzung8producte derselben in den verschiedenen käuflichen Digitalinen auf-
gefunden.
Digitonin, C31 H68 0I7(V). Weisses amorphes, nicht hygroskopisches Pulver, in
Wasser und Weingeist leicht, schwerer in absolutem Alkohol löslich, unlöslich in
Aether, Benzol, Chloroform. Es wird dem ,,deutscben Digitalin" durch ein Ge-
misch gleicher Volumtheile Chloroform und absolutem Alkohol entzogen und aus
dieser Lösung durch Aether gefällt. Die wässerige Lösung schäumt stark und
wird durch Bleiessig und Gerbsäure gefällt. Beim Kochen mit starker Salzsäure
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DIGITAL IX.
entsteht eine granatrothe Färbung. Digitonin ist ein Glykosid. Verdünnte Sänren
spalten es in Zucker, Digitoresin und DigitoneYn. Das Digitonin macht
den Hauptbestandteil des käuflichen, leicht löslichen Digitalins (deutsches Digitalin)
aus. In physiologischer Beziehung ist es dem Saponin sehr ähnlich. Die charak-
teristische Digitalinwirkung zeigt es nicht. Dem Gemische von Digitoresin und
DigitoneYn entzieht Aether das Digitoresin. Beim Kochen einer alkoholischen
DigitoneYnlösung mit verdünnter Salzsäure entsteht ein Digitonin genannter, in
farblosen Nadeln oder vierseitigen Prismen krystallisirender Körper. Paradigito-
g en i n, ein aus Benzol in Nadeln krystallisirender Körper, entsteht vielleicht in Folge
einer Gährung aus der wässerigen Lösung des Digitonins bei längerer Aufbewahrung
desselben neben dem Digitoresin. Es findet sich in dem „krystalliairten
Digitalin" von Nativelle und dürfte mit der Digitalose von Homolle und
Qu even NE identisch sein.
Digitalin (C5H80.2)n. Der wesentliche Bestandteil des Digitalins von
Homolle und Qitevennf. Bedingt neben dem Digitalein auch bei dem in Wasser
und Spiritus leicht löslichen Digitalin die eigentümliche Wirkung auf das Herz.
Zu peiner Darstellung wird käufliches Digitalin mit alkoholfreiem Aether möglichst
extrahirt, der Rückstand wird mit absolutem Alkohol ausgezogen, unreines Digitonin
bleibt zurück und die alkoholische Lösung mit 1 3 — 1 2 Volumen Aether versetzt,
wodurch Digitonin und etwas Digitalein gefällt werden , während Digitalin neben
nicht unerheblichen Mengen DigitaleYn in Lösun? bleibt. Nach dem Abdestilliren
des Aethers scheidet sich beim Verdunsten des mit etwas Wasser versetzten
Destillationsrückstandes das Digitalin ab. Es wird durch Waschen mit Wasser
von der Digitalein enthaltenden Mutterlauge befreit und durch Auflösen in Alkohol
und Verdunsten der alkoholischen Lösung weiter gereinigt. Es bildet farblose,
stark lichtbrechende, kugelförmige Körperchen ohne krystallinische Struetur, welche
in kaltem Wasser kaum löblich sind , sehr wenig sich in Aether und Chloroform,
leicht in Alkohol lösen. In eoncentrirter Schwefelsäure löst sich das Digitalia
mit goldgelber Farbe, welche durch eine Spur Brom in eine prachtvoll rosenrothe
Färbung übergeht. Mit einer Mischung gleicher Theile Weingeist und Schwefel-
säure bis zur Gelbfärbung erwärmt, färbt es sich auf Zusatz eines Tropfens sehr
verdünnter Eisenchloridlösung blaugrttn. Das Digitalin ist ein Glykosid. Beim
Kochen seiner alkoholischen Lösung mit sehr verdünnter Salzsäure wird es in
Glykose und Digitaloresin gespalten.
Digitalein. Bildet neben dem Digitonin einen Hauptbestandteil des käuflichen
löslichen Digitalins (deutsches Digitalin). de* Digitalins von Walz, des Digitalein*
von Nativelle und von Goerz. Bei der Darstellung des reinen Digitalins bleibt
es in der wässerigen Mutterlauge und wird durch Eintrocknen derselben im Vacuum,
Lösen in Alkohol und Fällen mit Aether gewonnen. Es bildet, so dargestellt, eine
gelbe amorphe, leicht in Wasser, auch in Alkohol, kaum in Aether und Chloro-
form lösliche Masse, welche in wässeriger Lösung stark schäumt, die Reactionen
des Digitalins gibt, die physiologische Wirkung des Digitalins besitzt und sich
beim Kochen in Glykose und Digitaliresin spaltet.
Digitoxin, C2l H33 07 (?). Dieser am giftigsten wirkende Bestandtheil der Digitalis,
welcher nicht zu den Glykosiden gehört, bildet den Hauptbestandteil des krystal-
lisirten Digitalins von Nattvki.lk , in welchem auch das schon erwähnte Para-
digitojrenin vorkommt. Zur Darstellung des reinen Digitoxins werden die gepulverten
Digitalisblätter mit Wasser und darauf mit öOprocentigem Weingeist erschöpft, die
weingeisthaltigen Auszüge mit Bleiessig und Ammoniak gefällt. Von dem nach
Möglichkeit neutral gehaltenen Filtrat wird der Alkohol abdestillirt. Der beim Er-
kalten aus dem Destillationsrückstande sich absetzende Bodensatz wird mit ver-
dünnter Sodalösung, dann mit Wasser gewaschen, getrocknet und mit Chloroform
ausgezogen. Der beim Verdunsten des Chloroforms bleibende Rückstand wird so
lanjrc mit Petroleumäther oder Aether behandelt , als diese gefärbt werden , der
Rückstand sodann aus heisseni tfOproeentigera Alkohol umkrystallisirt.
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DIGITAL! X.
Farblose, perlmutterglänzende Nadeln oder vierseitige Blättchen, unlöslich in
Wasser, wenig löslieh in Aether, leicht löslieh in hoissein Alkohol und Chloroform.
Schmelzpunkt = 240°. Die Lösung in concentrirter Salzsäure färbt sich beim
Erwärmen gelb bis grlin. Mit concentrirter Schwefelsäure und Brom färbt es sich
nicht. Die durch Erwärmen mit einer Mischung von gleichen Theilen Weingeist
und Schwefelsäure erhaltene gelbe Lösung färbt sich durch wenig Eisencblorid
blaugrfln. Beim Kochen seiner alkoholischen Lösung mit sehr verdünnten Mineral-
säuren wird das Digitoxin in Toxiresin, eine harzartige, farblose, in Wasser
unlösliche Substanz, Ubergeführt.
Mit dem Namen Digitin, passives Digitaliu, oder „Substance crystallisee
inerte" bezeichnet Nativelle einen in farblosen, geschmacklosen Nadeln krystal-
lisirenden Digitalisbestandtheil, welcher keine Wirkung auf den Organismus ausübt.
Das Digitin ist in Wasser, Aether und Chloroform kaum löslich, leicht löst es sich
in heissem Alkohol. Die Lösung in concentrirter Schwefelsäure ist roth gefärbt.
Die von Walz als Digitalin, Digitaloin oder Digitaloinsäure, Digi-
tal a c r i n und Digitalosamin bezeichneten Digitalisbestandtheile , auch die
Spaltungsproducte des Digitalins, das Digitaletin, Paradigitaletin dürfen
wohl ebenso wie das Digitaline von Kosmaxx Anspruch auf reine chemische
Individuen nicht machen.
Von den durch Schmiedeberg aus den Digitalisblättern isolirten charakteristischen
Körpern besitzen drei, nämlich das Digitalin, DigitaleSn und das Digitoxin die für die
Digitalis eigentümliche , die Herzthätigkeit regulirende Wirkung. Von diesen unter-
scheidet sich das Digitoxin in quantitativer Hinsicht, da es bedeutend stärker wirkt,
sehr von den beiden anderen Körpern. In den verschiedenen Handelsdigitalinen sind,
je nach Herstellungsart und je nach Beschaffenheit der zur Herstellung dienenden
Digitalis, die vier von Schmiedrbebg isolirten Digitalisbestandtheile und deren
Zersetzungsproducte in variirender Menge enthalten, in Folge dessen die Wirkung
derselben eine sehr verschiedene ist. Die Einführung eines der reinen Digitalis-
bestandtheile in den Arzneischatz begegnet noch manchen Schwierigkeiten. Der
Verwendung des Digitoxins steht die Unlöslichkeit in Wasser entgegen, welche
eine unregelmässige Resorption des giftigen Stoffes befürchten lässt; das Digitalin
und das Digitalem, welche wegen ihrer geringeren Giftigkeit die Wirkung
erst in grösseren Gaben zeigen , sind für die praktische Verwendung noch zu
schwer in reinem Zustande darzustellen. Auch der Gebrauch der Digitalisblätter
ist nicht unter allen Umständen ein sicherer, da die verschieden wirkenden
Bestandteile nicht immer in demselben Mengenverhältniss in den Blättern vor-
kommen und bei ihrer verschiedenen Löslichkeit in Wasser, Alkohol, auch in sehr
wechselnder Menge in den Digitalispräparaten (Infusion , Tinctur , Extract etc.)
zugegen sind. Die Wirkung de« Digitalins und der Digitalispräparate ist demnach
quantitativ eine unsichere.
Unter den geschilderten Verhältnissen bereitet die Werthbestimmung der
Digitalisblätter und der aus diesen hergestellten Präparate grosse Schwierigkeiten.
Eine chemische Werthbestimmung hat sich , soll sie Bedeutuug haben , auf die
Einzelbestimmung der vorhandenen Mengen jener drei Bestandteile, des Digitalins,
DigitaleYns uud Digitoxins, zu erstrecken, die Methoden müssen auf die Eigenschaften
dieser Stoffe begründet werden.
Zum Nachweise in forensisch -chemischen Fällen bedient man
sich des Verfahrens von Stas-Otto oder Duagendobff (s. Gerichtliche
Chemie) und erkennt das nach einem dieser Verfahren abgeschiedene Digitalin
an dem physiologischen Verhalten und demjenigen -gegen Schwefelsäure und Brom-
wasser.
Die Aufbewahrung des Digitalins in Apotheken geschieht höchst vorsichtig.
Die Kinzelgabe wird zu 0.001 — 0.003 angegeben, erheblich geringer ist sie jeden-
falls für das krystallisirte , wesentlich aus Digitoxin bestehende Präparat zu be-
messen. H. Beckurts.
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494
DIGITALINGRUPPE. — DIGITALIS.
DigitflHngrUppe. Man fässt unter dieser Bezeichnung eine Reihe von Pflanzen
und Pflanzenstoffen zusammen, welche die für Digitalis charakteristische Wirkung
auf die Herzthätigkeit besitzen. Es gehören hierher:
Adonidin im blähenden Kraute von Adonis vernalis L. (Ranunculaceae).
Antiar in in dem als Pfeilgift verwendeten Milchsafte von Antiaris toxicaria
Lesch. (Artocarpeae).
Apocynin und Apocyneln in der Wurzel von Apocynum cannabinum L.
Convallamarin in Conrallaria majalis L. (LMaeeae).
Digital in im Kraute von Digitalis purpurea L.
ErythrophleTn, ein Alkaloid (das einzige in dieser Gruppe) aus der
Sassyrinde von Erythrophlaeum guinecnse O. Don (L^guminosae).
Evonymin in der Rinde von Eoonymus atropur purem Jqu (Celastraceae).
Hellebor ein im Rhizom und den Wurzelblättern der Helleborus-Arten
(Ranunculaceae) .
Neriin, NeriodoreTn und Neriodorin, ersteres aus Nerium Oleander L.f
letzteres aus N. odorum IV. ( Apocynaceae) .
Oleandrin neben Neriin in Nerium Oleander L.
Scillaen (Scillitoxin) in der Zwiebel von Scilla maritima L (Liliaceae).
Strophanthin in den Samen von Strophanthns hispidus DC. (Apocynaceae) .
Tanghinin*) in den Früchten von Tanghinia venenifera Poir,, einem mada-
gassischen Baume (Apocynaceae).
Thevetin in den Samen von Thevetia neret'folia Jus*. (Apocynaceae).
Ein thierisches Secret, das von Fornara aus der Haut einiger Kröten (Bufo-
Arten) dargestellte Phrynin oder Bufidin, scheint ebenfalls in grossen Gaben
Ähnlich wie Digitalin zu wirken.
DigitclIiS, Gattung der Scrophulariaceae, Unterfamilie Digitaleae. Zwei- oder
mehrjährige Kräuter mit einfachem oder ästigem, meist hohem Stengel, alternireu-
den, ganzrandigen oder gekerbten, beziehungsweise gesägten Blättern, grossen,
vorblattlosen, in eine terminale Traube vereinigten Blüthen und eiförmiger, wand-
spaltig aufspringender Kapsel.
D ig it a l is pur pur ea L., rother Fingerhut, Digitale, Foxglove.
Durch ganz Westeuropa bis Sudskandinavien (Throndhjem) und auf Cornea und
Sardinien verbreitet , aber nur stellenweise , besonders in Bergwäldern , dort an
liebten Stellen, gern auf Basalt und Porphyr. Häufig in dem rheinischen Schiefer-
gebirge, dem Schwarzwald, den Vogesen, Thüringen. Sachsen, dem Harz. Im Süden
häufiger. Fehlt dem Jura, der schweizerischen Hochebene, den Alpen etc. Bisweilen
der schönen Blüthen wegen und (seltener) zu Heilzwecken auch angebaut. Besonders
im Harz nnd in Thüringen wird Digitalis zu arzneilichen Zwecken gesammelt.
Die Pflanze ist zweijährig und entwickelt im ersten Jahre eine grosse Kosette
von bodenständigen Blättern. Dieselben verschmälern sich ziemlich bald in den
geflügelten, bis 20 cm langen, kantigen Blattstiel. Die Spreite ist stumpf eiförmig
und erreicht eine Länge von 30 cm bei einer Breite von 17 cm. Sie sind schwach
behaart. Im zweiten Jahre entwickelt sich der bis 2 m hohe, ja noch höhere (meist
30 — 150 cm), meist einfache, selten oberwärts ästige, stielrunde, durch zahlreiche
einfache Haare sammtartig-graufilzige Stengel. Die Stengelblätter sind alternirend, weit
von einander entfernt, eiförmig bis eilanzettlich, zugespitzt, durchschnittlich 5 — 20 cm
lang, gekerbt, oberseits kurzhaarig, unterseits graufilzig ; besonders längs der Nerven
stehen dicht gedrängte, weiche Haare. In der Cultur verschwindet der Haarüberzug
oftmals jranz oder nahezu ganz.. Die untersten Stengelblätter laufeu an der Basis
allmülig in den langen geflügelten, mit breiter Basis dem Stengel ansitzenden Blatt-
stiel aus, die mittleren sind kurz gestielt, die obersten sitzend. Die Deckblätter der
Blüthen sind klein, ungestielt und lang zugespitzt. Alle Blätter sind mit in spitzem
Winkel schwach bogig aufsteigenden Seitennerven und reichem, kleinmaschigem,
*) Nicht „Janjrhinin", wie in Folge eines vererbten Drtickfehlors allenthalben za lesen ist.
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DIGITALIS.
■195
auf der Unterseite stark ausgeprägtem und hervortretendem Adernetze versehen.
Durch dieses reich entwickelte Adernetz erscheint das Blatt uneben und etwas Bteif.
Die ansehnlichen zygomorphen Blüthen stehen in grosser, einseitswendiger Traube,
deren Axe ebenfalls drüsig filzig ist. Sie sind von Deckblättern behüllt. Kelch
ötheilig, oberster Kelchzipfel lanzettlich, spitz und kurzer als die übrigen ver-
kehrt eiförmigen, stumpfen Segmente. Corolle 4 cm gross, abwärts geneigt, bauchig-
glockig, oberhalb des Fruchtknotens etwas eingeschnürt, aussen kahl und bellpurpuni,
innen, besonders an der Basis, bärtig mit dunkelrothen , oft weiss gesäumten
Flecken, selten ganz weiss. Saum schief, fast zweilippig, kurzlappig. Oberlippe
sehr stumpf, zuweilen ausgerandet , kurz und breit, durch Verwachsung zweier
Petala entstanden, die abgerundeten Lappen der Unterlippe kurz-eiförmig, der nach
unten geschlagene Mittellappen breiter als die Seitenlappen und länger als diese
und die Oberlippe. Die zwei langen und zwei kurzen, bogenförmig aufsteigenden
Staubfäden (Didynamia) sind der Kronenröbre oberseits angedrückt und im
Antherentheile paarweis genähert, die spreizenden Antherenhälften fliessen an
der Spitze zusammen. Sie sind gelb und mit rothen Punkten versehen. Der eben-
falls bogenförmig aufsteigende und angedrückte Griffel spaltet sich in 2 Narben.
In dem spitzkegelförmigen Fruchtknoten sitzen an herzförmiger Placenta zahlreiche
Ovula. Die eiförmige Kapsel springt wandspaltig-zweiklappig auf, die eingebogenen
Ränder der Klappen lösen sich nicht vollständig von der Placenta. Die zahlreichen
Samen sind klein, länglich bis kugelig.
Folia Digitalis (in allen Pbarmakopöen) sind nur von der wildwachsen-
den blühenden oder eben aufblühenden Pflanze, also im zweiten Jahre (Ph. Brit.,
Un. St.) im August und September, von trockenen Standorten (Ph. Belg., Rom.)
zu sammeln. Man soll sie vor dem Blühen fPh. Gall.), bei Beginn desselben (Ph.
Austr., Belg., Hung., Norv., Rom., Suec.) oder während der Blüthezeit (Ph. Fenn.,
Genn., Neerl.), wenn etwa zwei Drittel der Blüthen sich geöffnet haben (Ph. Brit.)
sammeln (Hirsch) und mit peinlicher Sorgfalt rasch im Schatten (Ph. Hung., Neerl.)
trocknen. Vor der Blüthezeit (Mai , Juni) oder nach derselben (im Herbst) ge-
sammelte Blätter sind weniger wirksam. Ganz zu verwerfen sind die im ersten
Jahre gebildeten Wurzelblätter (Berxbkck, Dannenberg, Reusch, Schneider,
W. Mayer). Die cultivirten werden für weniger wirksam gehalten (v. Schroff
bestreitet dies). Es scheint, das* es nicht unzweckmässig ist , die starken Mittel-
rippen vor dem Gebrauche zu beseitigen. Im Himalaya gezogene Blätter haben
sich wirkungslos gezeigt (Flückiger).
Die officinellen (also kleineren Stengel-) Blätter sind dünn , unregelmässig ge-
kerbt, eiförmig länglich, 10 — 30 cm lang und 5 — 10 cm (bis 15) breit (Ph. Germ.,
Fenn.) — nach der Ph. Hisp. sind sie 10 — 15 cm, nach Ph. Un. St. 10—30 cm
nach der Ph. Brit. 10 — 12.5 cm lang — zugespitzt, doppelt gekerbt, runzelig,
oben mattgrün, weichhaarig (nicht sternhaarig;, unten weisslich und weichfilzig. Das
reich verzweigte Adernetz ist besonders auf der Unterseite ausgeprägt und trägt
daselbst einen Filz von nicht verästelten, weichen Haaren iPh. Germ.). Gegen
das Licht gehalten sieht man innerhalb des gröberen Adernetzes noch ein feineres.
Die untersten Stengelblätter verlaufen in einen laugen geflügelten Blattstiel , die
oberen sind sitzend (Ph. Austr., Neerl.). Die durch ein helles Drüschen gekrönten
Kerbzähne des Randes sind an den untersten Blättern sehr breit und sanft ge-
wölbt, an den oberen Blättern kleiner, etwas eckiger, aber ebenfalls nicht sehr
scharf hervortretend (Flückiger).
Die Anatomie der Blätter ist sehr einfach. Die Epidermis der Oberseite besitzt
gar keine oder nur wenige Spaltöffnungen, die der Unterseite viele von typischem
Bau. Die Epiderraiszollen sind oberseits polygonal unterseits wellenförmig im Um-
riss. Auf beiden Seiten finden sich Trichome (Fig. 79), die bald ein-, bald mehr-
seitig (oft vierzellig) sind ; sie endigen entweder in eine stumpfe Spitze oder in ein
rundes Köpfchen. Auch Köpfchenhaare mit mehrzelligen Köpfchen finden sich da und
dort. An den Nerven tritt die Behaarung stärker hervor (Fig. 79). Krystallablage-
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496 DIGITALIS.
rungen fehlen (Unterschied von Belladonna und Hyoscyamus). Die BlattUmint
ist sehr dünn, etwa O.lmm.
Da die Blätter von der blühenden Pflanze zu sammeln sind, so besteht die
Droge meist aus den oberen, fast sitzenden Blattern (die unteren sind zu der Zeit
meist schon abgestorben), oft hangen ihnen noch Reste der Stengelepidermis an
der Basis an, da sie flüchtig abgerissen werden.
Frisch riechen die Blätter widerlich ; dieser Gerach verliert sich beim Trocknen
fast ganz. Der Geruch der Droge ist charakteristisch und deutlich, nicht unange-
nehm, besonders beim Infus sehr gut hervortretend, nach der Ph. Brit. angenehm, der
Ph. Germ, eigenartig, aber uieht aromatisch. Geruchlose Waare, die die Ph. Austr.
und Hung. fordern, ist zu verwerfen. Der Geschmack ist widerlich ekelhaft bitter
(Ph. Dan., Graec., Hisp., Hung., Xeerl., Norv., Un. St.), sehr bitter (Ph. Austr.,
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DIGITALIS.
497
Belg., Brit., Gall.), auch scharf (Bei?., Graec., Rom.), unangenehm (Hirsch) und
nicht aromatisch. Er tritt bei einem Aufgusse besonders charakteristisch hervor.
Das Infusum (1 : 10) röthet Lackmus und wird durch Eisenchlorid dunkel ge-
färbt. Nach einigen Stunden entsteht ein brauner flockiger Bodensatz. Gerbsäure-
löeung (l : 10) erzeugt in dem erkalteten Infus einen starken Niederschlag. Das
Infusum (1:10) mit dem dreifachen Gewichte Wasser verdünnt gibt mit Gerbsäure
eine Trübung (Ph. Germ., Fenn.) ; verdünnt man mit Wasser, so wird die Lösung
wieder klar. Ferrocyankalium trübt innerhalb 15 Minuten das Infus. Ammoniak
darf keine grüne Färbung hervorrufen (Unterschied von Inula Conyza). Bisweilen
gelatiniren die Digitalisinfuse. Die Digitalisblätter enthalten Di gi talin, Digi-
tal e* in, Digitoxin (8chmiedeberg), Paradigitogenin, Digitonin (dem Saponin
ähnlich), Digitasolin, Digitalacrin, Digitalsäure, Antirhinsäure (Morix), Digitalosmin,
ein Stearopten (Walz), Digitaleinsäure (Kosmann), Inosit (Marme).
Ob alle diese Stoffe oder noch andere in den Blättern selbst vorgebildet sind,
erscheint noch fraglich (s. Digital in).
Die Asche beträgt 10.56 Procent (Flück[GEr).
Das frische Kraut wird entweder sofort zu Extract verarbeitet oder auf
schattigem Boden im Dunkeln rasch getrocknet, bei 30° nachgetrocknet, geschnitten
oder gepulvert, und vor Licht geschützt (Ph. Austr. , Belg., Graec.), unter
den stark wirkenden Substanzen in gut verschlossenen Glas- oder Thongefässen
aufbewahrt. 5 Th. frische Blatter geben 1 Th. trockene (Hager). Man erneuert
den Vorrath alljährlich (Ph. Germ., Austr., Fenn., Helv., Hang., Norv., Russ.).
Das Pulver wird nur in geringer Menge vorräthig gehalten (Ph. Dan., Russ.) ;
nach der Ph. Dan. sind die zu seiner Herstellung verwendeten Blatter zuvor von
ihren Rippen zu befreien (Ph. Dan.).
Die Digitalis ist ein souveränes Mittel zur Regulirung der Herzthätigkeit und
bei bestimmten Erkrankungen des Herzens und ihren Folgezustäuden geradezu
unersetzlich. Bei ihrer Anwendung und Dispensirung ist die entschieden
cumulative Wirkung zu beachten.
Am häufigsten verwendet man sie im Infus (0.2! pro dosi ad 1.0! pro die
Ph. Germ. , 0.6 pro die Ph. Austr.). Die Digital isprAparate sind weniger zuver-
lässig. Man gibt das E x t r a c t zu 0." '3 — 0.2 (! , das A c e t u m zu 10 — 30 Tropfen
(2.0! pro dosi, ad 10.0! pro die), die alkoholische Tinctur zu 10 bis
30 Tropfen (1.51 pro dosi, ad 5.0! pro diej, die ätherische Tinctur zu
5—15 Tropfen (1.0! pro dosi, 3.0! pro die).
Als Verwechslungen der Digitalisblätter können gelten: Die Blätter von
Digitalis ambig ua Murr. (D. grandiflora Lam., I). ochroUuca Jacq.). Die-
selben sind stiellos, schmäler, laug eiförmig, mehr zugespitzt, minder behaart, nicht
runzlig (weniger hervortretendes Adernetz), höchstens 6 cm breit. Die Stengelblätter
mit sehr scharfen Sägezähnen. Die borstliche Behaarung spärlicher. Aehnlich wie
diese sind auch die Blätter von 1) lutea L (länglich-lanzettlich, gesägt, kahl,
gewimpert) und D. parvißora Lam. Wenn, wie es vorgeschrieben ist, die
Digitalisblätter von der blühenden Pflanze gesammelt werden, so ist eine Ver-
wechslung mit denen der eben erwähnten nicht roth. sondern gelb blühenden Arten
ausgeschlossen.
Die Blätter von Verbaacum nigrum L. sind unten länglich-eiförmig, am Grunde
herzförmig und nicht in deu Blattstiel verschmälert, oberseits fast kahl, unterseits
dünnfilzig. Die oberen eiförmig-länglich, fast sitzend. Verbascum Lychm'tis L. hat
oberseits fast kahle, unterseits staubig-filzige, graue, steife Blätter. Die unteren sind
elliptisch-länglich, in den Stiel verschmälert, die oberen sitzend, eiförmig, zugespitzt.
Verbascum Thapaus L. hat kleingekerbte, beiderseits mit gelblichem Filze dicht
bedeckte Blätter, ebenso V. thapsi forme Schrad. und Phlomoides L. Alle Ver-
bascumblätter sind dicker als Digitalis, nicht bitter und mit Stern haaren versehen.
Die Blätter von Inula Conyza DC. (Conyza squarrosa L.) sind lebhaft
grün , brüchig , elliptisch, spitzlich, oberseits weichhaarig, unterseits dünnfilzig,
Re*I-Encyclop&die der jce«. Pharmacie. III. 32
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4U8
DIGITALIS. — DILATOMETER.
gesägt oder ganzrandig. Haare abstebeud. Innerhalb des groben Fasernetzes
der Nerven bei durchfallendem Licht kein feineren durchscheinend. Frisch etwa*
aromatisch. Kaum bitter. Bei Inula Helenium Seiteunerven unter fast rechtem
Winkel abgehend.
Die Blätter von Symphytum ofßcinale L. sind herablaufend, untere eilanzett-
förmig. in den Blattstiel verschmälert, obere lanzettlich, rauhhaarig, ganzrandig,
nicht bitter.
Die Blätter von Teucrium Scorodonia L. sind nicht filzig, gestielt und herz-
förmig.
Häufiger als auf diese Verwechslungen kommt es auf eine schnelle Unterscheidung
der geschnittenen Digitalisblätter von den in der Apotheke daneben stehenden
Fol. Belladonnae und Hyoscyatni &n. Dieselbe ist mikroskopisch leicht auszuführen.
Die mit Alkohol entfärbten Blattabschnitte lassen schon in der Flächenansicht
bei Belladonna die mit körnigem Kalkoxalat erfüllten Zellen und bei Hyoscyamus
die Kalkoxalatkry stalle erkennen. Bei Digitalis fehlen alle Krystallbildungen.
Tschirch.
DiQltäricl, Gattungsname mehrerer Gramineae. Digitaria Scop. ist synonym
mit Panicum L., Digitaria Jus», synonym mit Cynodon Rieh., Digitaria Adans.
synonym mit Tripsacum L.
Digitaria sanguinalis Per*., die Bluthirse, ist synonym mit Panicum san-
guinale L., deren stärkereiche Früchte (Semen Ischaemi s. Graminis sangui-
nariij als Nahrungsmittel dienen. — S. Hirse.
Digitaria stolonifera Schrad. ist synonym mit Cynodon Dactyhn Rieh.
Digne in Frankreich (Dep. Basses Alpes) besitzt 6 Thermen von 32 — 45°,
welche Schwefelwasserstoff und ziemlich viel Chlornatrium enthalten.
Digynia (JH;, doppelt und yv>v^, Weib). Name der II. Ordnung der Clausen
I bis XU des LiNNE'schen Ptianzensystemes. Die zur Ordnuug Digynia gehörenden
Pflanzen besitzen Blüthen (flores digyni) mit zwei Griffeln oder Staubwegen.
Sydow.
DihomOCinChonidin = Homocinchonidiu.
DihydrOStrychnifl, C31 H,„N2 04, bildet sich (neben Trihydrostryehnin) beim
Erhitzen von Strychnin mit dem lOfachen Volumen kalt gesättigten Barytwa&sers
im Druckrohr auf 135 — 140°. Mikroskopische Nadeln, wenig löslich in Wasser.
Gibt mit Kaliumdichromat und Schwefelsäure nicht die Strychninreaction.
Gans winde
Dikafett, DikablJtter ein aus den Samen von Irmngia Barteri Hook, ge-
wonnenes Fett, welches in der Seifenfabrikation und als Ersatz der Cacaobntter
Verwendung findet. Benedikt.
DikällUlId heisst in Ostindien das aus dem Stamme von Gardenia lucida Rxb.
(Rubiaceae) fliessende Harz. Es Ist gelb, krystallinisch, fast vollständig in Alkohol
löslich und riecht nach Lauch. Stexhoüsk stellte aus demselben goldgelbe Kry-
stalle eines von ihm Garden in benannten Harzes und gegen 0.2 Proeent
ätherisches Oel dar.
Dilatation ist eine über das physiologische Maass hinausgehende Erweiterung
einer Höhlung des Körpers, wie z. B. der Herzhöhlen, des Magens oder eines
Darmabschnittes. Eine solche Erweiterung entsteht entweder durch EreehlalVung
der Musculatur oder durch behinderte Eutlcerung des Inhaltes. Dilatiren nennt
man künstliches Erweitern einer Verengerung in den Körpercanälen , z. B. einer
Strictur der Speiseröhre, der Harnröhre oder des Mastdarmes. — 8. auch Bougie.
Dilatometer ist ein Apparat, der zum Messen der Ausdehnung von Flüssig-
keiten durch die Wärme dient. Von Silbekmaxn wurde ein solcher Apparat zur
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DIL ATOMETER. - DIMKTHYLANILIN.
499
Bestimmung des Alkohols in wässerigen Mischungen angegeben. Derselbe besteht
im Wesentlichen aus einem von 25° bis 50° reichenden Thermometer und einem
mit einer empirisch festgestellten Scala versehenen Glasrohr, in welches bis zu
einer Marke die zu prüfende auf 25» erwärmte Flüssigkeit eingefüllt wird. Hierauf
senkt man den Apparat in Wasser von 50° und beobachtet, bis zu welcher: Theilstrich
die Flüssigkeit steigt. Die Grösse der Ausdehnung ist verschieden je nach dem
Alkoholgehalt der Mischung. Zucker und Salze beeinflussen das Resultat nicht
wesentlich. Der Apparat findet gegenwartig keine Anwendung mehr.
J. Mauthner.
Dill ist Anethum graveolens L. — Toller Dill ist Hyoscyamus.
Dilleniaceae, Familie der Gistifl orae. Bäume, Stmuclwr oder Halbstrflucher,
seltener krautartige Gewächse; viele derselben sind Blätterpflanzen, ausschliesslich
der wärmeren Zone angehörend. Charakter : Blüthen zwitterig. Kelch 4 — öblätterig,
bleibend, in der Knospenlage dachig ; Krone 4 — öblätterig ; Staubgefässe zahlreich,
frei oder zu Bündeln verwachsen, Antheren niemals aufspringend; Griffel 5—13;
Fruchtblätter zahlreich ; Frucht eine Beere oder zweiklappige Kapsel, ein- bis
vielsamig. . Sydow.
DillÖl. Das ätherische Oel der Früchte von Anethum graceolens, durch Dampf-
destillation gewonnen, stellt frisch ein farbloses oder schwach gelbliches, ziemlich
dünnflüssiges Oel vor, von dem eigentümlichen Geruch des Dillsamcns und corre-
spondirendem Geschmack. Es gehört zu den zusammengesetzten ätherischen Oelen
und enthält nach Nietzki als Hauptbestandteile 60 Procent Kohlenwasserstoff, bei
170—175° siedend, 30 Procent Carvol, bei 225—230° siedend, und 10 Procent
eines Terpens CI0H19, bei 155 — 160° siedend. Ganuwindt.
DÜUVialgebilde, Diluvium. Als solche bezeichnet man Meeresablagerungen,
welche der Zeit nach unter den vorhistorischen die letzten waren, somit die aller-
jüngsten sind. Sic bestehen meist aus lockeren , nicht sehr deutlich geschichteten
Anhänfungen von Lehm, Sand, Kies, Geschieben und grösseren Felsblöcken
(erratische Blöcke). Im Diluvium werden verhältnissmässig nur wenige organische
Reste gefunden : man glaubt deshalb, dass die Bildungsperiode des Diluvium eine
kurze gewesen sei. Diluvialgebilde werden bis zu einer absoluten Höhe von 300 m
angetroffen. Da die Diluvialgebilde in den tief gelegenen Theilen der alten und
der neuen Welt ein ausgedehntes Terrain occupiren, so muss angenommen werden,
dass ein grosser Theil des jetzigen trockenen Landes früher von Meeren bedeckt
war. Die Ursache für die abwechselnde Ueberfluthung und Trockenlegung so grosser
Ländergebiete ist mit Wahrscheinlichkeit in der Hebung und Senkung der Erd-
kruste zu suchen. Die erratischen Blöcke sind sicher durch schwimmende Eisfelder
von ihrer ursprünglichen Lagerstätte weggeführt worden.
Dimethyl-PrOtOCateChUSäure, C„ H, (CHs 0)a . COOH. Auch als Veratrum-
siinre bekannt; findet sich im Sabadillsamen. Nadeln von ISO0 Schmelzpunkt, kaum
loslich in Wasser, leicht dagegen in Alkohol und Aether. Ganswind t.
Dimethylamin s. C a d a v e r a 1 k a l o i d e, Bd. II, pag. 445 und Methylamin.
Dimethylanilin, Cg h,, n oder c6h5.n(Ch,)s.
Zur Darstellung des Dimethylanilins, welches im Handel schlechtweg Methyl-
anilin genannt wird, erhitzt man in mit Rührwerk versehenen Autoclaven reines
Anilin (Blauanilin) mit der berechneten Menge Natronlauge auf 100° und lässt
Chlormethyl einfliessen. Die Reaction vollzieht sich nach der Gleichung:
C, H6 . NHS + 2 Na HO + 2 CH3 Cl = 2 NaCl + 2 H, 0 + C6 H5 N (CH8)2 ;
oder man erhitzt salzsaures Anilin mit Methylalkohol auf 180 — 200°.
Das Product wird durch Destillation gereinigt und enthält sodann noch einige
Procente Monomethylanilin, C„ Hö . NH . CH3 .
32*
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50u
DIMKTH YLANIL1N. — DIMORPHIE.
Reines Dimethylanilin ist eine farblose Flüssigkeit, die sich an der Luft all-
niälig bräunt. Es siedet bei 192° und erstarrt bei +0.öw. Specifisches Gewicht
O.HG bei 15°.
Pas technische Methylanilin bildet eines der wichtigsten Materialien in der
Farbenindustrie, indem es zur Darstellung von Bittermandelölgrün , Methyl violett,
Methylenblau, Methylorange, Aurarain etc. Verwendung findet.
Zur Prüfung des Methylanilins auf einen Gehalt an Anilin oder Monomethyl-
anilin verfahrt A. W. Hofmann in folgender Weise:
Das Oel wird in Aether gelöst und vorsichtig mit verdünnter Schwefelsaure
versetzt, so lange sich noch ein Niederschlag bildet, welcher aus schwefelsaurem
Anilin besteht. Dann wird abfiltrirt, die ätherische Lösung verdunstet und der
Rückstand mit Essigsäureanhydrid gekocht. Dabei verwandelt sich das Monomethyl-
anilin in Acetmethylanilin, H5 . N . CHS . Ca H30. Bei der nun folgenden Destil-
lation geht zuerst Dimethylanilin, zum Schlüsse das bei 245° siedende Acetmethyl-
anilin über.
Reines Dimethylanilin erwärmt sich nicht, wenn man es mit dem gleichen
Volumen Essigsäureanhydrid mischt. Tritt beim Vermischen von je 4ccm der
beiden Flüssigkeiten eine Temperatursteigerung ein, so ist Monomethylanilin vor-
handen, und zwar für jeden Grad der Temperaturerhöhung circa 1 2 Procent.
NÖLTINO und Boas Boasson bestimmen den Gehalt an Monomethylanilin in
folgender Weise: 30g Dimethylanilin werden in 80g concentrirter Salzsäure und
V9 Liter Wasser gelöst, gut gekühlt und mit einer wässerigen Lösung von 38 g
Natriumnitrit vermischt. Dabei geht das Monomethylanilin in Methylphenylnitrosamin
C„ H6 . N (NO) . CIL , das Dimethylanilin in salzsaures Nitrosodiraethylanilin,
NO . C6 Ht . N fCHa ja . H Cl, über. Man schüttelt wiederholt mit Aether aus, wobei nur
die erstere Verbindung aufgenommen wird, verdunstet den Aether, trocknet den
öligen Rückstand und wägt. Aus dem Gewichte des Nitrosamins findet man die
Menge des Monomethylanilins durch Multiplication mit 0.786. Benedikt.
Dimethyloxychinicin = Antipyrin.
DimethylpyirOl. Eine Base von der Formel C(j H9 N. Bildet sich bei der
trockenen Destillation der Knochen. Unangenehm riechendes Oel. Siedepunkt 165°.
Ganswind t.
Dimethylxanthin s.Cadaveralkaloide, Bd. II, pag. 443.
Dimorphie wird die Eigenschaft einfacher oder zusammengesetzter Stoffe ge-
nannt , in zwei Krystallformen aufzutreten , welche nicht auf dieselbe , sondern
auf zwei ungleiche Grundformen zurückzuführen sind. Solche Ungleichheiten sind
entweder in ein und demselben oder in zwei verschiedenen Kry Stallsystemen
möglich. Der erste Fall , dass beide solcher Grundformen in demselben Systeme
bleiben, ist nur bei dem regulären Systeme, in welchem unter allen Umständen
die Axen unter einander gleich lang sind und sich rechtwinkelig in ihren Halbirungs-
punkten schneiden, ausgeschlossen. In den anderen Systemen sind entweder nur
die Axen oder auch noch die Kreuzuugswinkel derselben ungleich. Die hierdurch
bedingte Grösse der Neigung der Kry stallflächen gegen einander ist für jeden
nicht dimorphen, einfachen oder zusammengesetzten Stoff eine ganz bestimmte
charakteristische uud bietet den einzigen Anhalt bei der Erkennung desselben an
Winkelmessungen , da die meist unsymmetrische Ausbildung der verschiedenen
Flächen die Gestalt der Grundform verhüllt. Ein beliebiges Längen- oder Neigungs-
verhältniss der Axen kommt bei einem und demselben Stoffe also nicht vor, wohl
aber unter Umständen eine bestimmte Abweichung von dem normalen Verhältnisse,
indem eine Axe um eine gewisse Grösse verlängert oder verkürzt wird, woraus
innerhalb desselben Systemes für die Grundform wie für die abgeleiteten Formen
Dimorphie folgt. Wenn dieses z. B. die Hanptaxe des quadratischen Systemes
betrifft, so kommen als Grundform Qnadratoetaeder mit zwei verschieden starken
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DIMORPHIE. — DIOECIA.
501
Zuspitzungen an den Endpunkten der Hauptaxe und von denselben abgeleitet
quadratische Säulen von zwei verschiedenen Längenverhältnissen zu dem Querschnitte
der Krystalle vor. Diese Art der Dimorphie ist weniger in die Augen fallend
und seltener beobachtet worden, als der zweite von Mitscherlich am Schwefel
entdeckte Fall der Dimorphie in zwei verschiedenen Krystallsystemen. Der Schwefel
zeigt nach dem Erstarren aus dem geschmolzenen Zustande oder aus heissen
Lösungen krystallisirt dem monoklinischen Systeme angehörende rhombische Säulen,
natürlich vorkommend oder aus kalten Lösungen ausgeschieden Rhoinben-
octaöder des rhombischen Systeme». Das Calciumcarbonat erscheint als Aragonit
oder aus heissen Lösungen gefällt in rhombischen Säulen, als Kalkspath oder kalt
gefällt in hexagonalen RhomboCdern.
Wenn be\ zwei isomorphen (gleiehgestaltigen) Stoffen der eine derselben
Dimorphie zeigt, so ist dieselbe auch für den anderen wahrscheinlich und wird
Isodimorphie genannt. Wo die Ueberführung des letzteren in die zweite Form
künstlich noch nicht gelungen ist, wird diese Lücke mitunter durch natürliches
Vorkommen ausgefüllt. Antimonigsäureanhydrid z. B. kommt sublimirt und natür-
lich als Senarmontit in regulären Octaödern, sublimirt und als Weissspiessglanzerz,
Antimonblüthe in rhombischen Säulen, das Arsenigsäureanhydrid sublimirt nur in
regulären Octaödern, durch unbeabsichtigte, der natürlichen ähnliche Bildung in
einem Hochofen der Halsbrückener Hütte bei Freiberg in rhombischen Tafeln vor.
Ein Fall von Trimorphie ist bei dem Nickelsulfat bekannt. Dasselbe
kryBtallisirt :
mit 7 H20 unter 15° in rhombischen Säulen,
mit 6 HjO über 15° in quadratischen Octaßdern,
mitunter über 30° in monoklinischen Formen.
Die Mehrgestaltigkeit , im Allgemeinen mit Polymorphie oder Hetero-
morphie bezeichnet, beruht auf verschiedener Moleknlarstructur der gleichen
Stoffe und ist ähnlich wie zwischen dem amorphen und krystallinischen Zustande
derselben mit abweichendem specifisehen Gewichte uud ungleichem Leitungsver-
mögen für Wärme, Licht und Elektricitat verknüpft. Einwirkung verschiedener
Grade von Licht und Würme bedingen, wie wir sahen, bestimmte Bildungsforinen
und vermögen auch die eine Form in die andere überzuführen. Durch Erwiirmen
zerfallen die monokliuischon Krystalle des Schwefels in RhombenoctaPder, die rhom-
bischen Säulen des Aragon its in dem Kalkspathe ähnliche Rhomboeder, die gelben
monoklinischen Krystalle des Quecksilber jodids in rothe quadratische Octaöder.
Was bei schnellem Erwärmen plötzlich, erfolgt allrafllig meist ebenso durch frei-
willige Wärmeaufnahme. Die rhombisehon Säulen des Nickelsulfat zerfallen im
Lichte in quadratische Octaeder. Gänge.
DinitrOCellulOSe, vergl. Collodium, Bd. III, pag. 214, und Nitrocellu-
lose.
Dinitronaphtol, *. Martiusgeib.
Dinkel, Dinkelweizen, auch Spelt oder Spelz genannt, Tritte um
Spelta L., ist eine vorzüglich in Süddeutschland und in der Schweiz als Sommer-
und Winterfrucht gebaute Weizenart, deren reife Kürner von den Spelzen um-
hüllt bleiben, daher von denselben in besonderen Mühlen befreit werden müssen.
Die Halme werden in Italien zu Strohhüten verarbeitet.
DinnefOrt'S Fluid Magnesia, eine englische Specialitilt. ist eine concentrirte
Aqua Magnesia? carboniene.
DiOeCia doppelt und oi/.o:. Haus), Name der XXII. Classe des Li xxk sehen
Pflanzensystems. Die Pflanzen dieser Classe besitzen getrenntgeschlechtige I dielinlsehe)
Blüthen, bei welchen männliche und weibliche Blllthen auf verschiedene Individuen
vertheilt sind , so dass letztere selbst als männliche und weibliche unterschieden
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b02
DIOECIA. — DIOSCOKEACEAE.
werden, im Gegensatz zu den einhäusigen (monöcischen) bei denen beiderlei BKtthen
auf demselben Individuum auftreten.
Die Classe JJioecia zerfällt nach Zahl , Stellung und Bau der Staubgefässe
wieder in 14 Ordnungen: Monandria, Diandria, Triandria, Tetrandria, Pent-
andria, Hexandria, Octandria, Enneandria, Decandria, Dodecandria (11 bis
20 Staubgefässe), Icosandria (20 und mehr dem Reiche eingefügte Staubgefässe),
Polyandria (20 und mehr der Blflthenachse eingefügte Staubgefässe), Mona-
delphia (Staubfäden verwachsen) Syngenesia (Staubbeutel verwachsen).
Dioecia ist bei Lijtne ferner der Name einer Ordnung der Classe Poly-
gamia (XXIII). Sydow.
DiOOll, Gattung der Cycadeen-F&aaUe Zamieae, mit einer einzigen in Mexico
heimischen Art : Dioon edule Lindl. Die wallnussgrossen Samen werden gegessen
und dienen zur Bereitung von Mehl und Stärke.
Dioptrie. Eine Methode der numerisch genauen Bestimmung des Vermögens
einer Brille, Lichtstrahlen zu sammeln oder sie zu zerstreuen, würde bereits Bd. II,
pag. 386, besprochen. Wie dort angegeben, ist die Brenn weite der Brillengläser
das Maass für die Stärke der Brille; als Einheit gilt nach dieser Bezeichnung
eine Linse, deren Brennweite 1 Zoll beträgt; je grosser die Brennweite eines
Brillenglases, desto höher die Nummer der Brille und desto geringer ihre Wirkung.
In neuerer Zeit wurde ein anderes System für die Numerirung der Brillen ziem-
lich allgemein adoptirt. Die Stärke der Brille wird nicht nach der Brennweite
ihrer Gläser, sondern nach ihrer B rech kraft gemessen. Die Brechkraft einer
Linse, deren Brennweite 1 m beträgt, wurde als Einheit für die Brechkraft fest-
gesetzt und als Dioptrie bezeichnet. Brennweite und Brechkraft stehen zu ein-
ander in einem umgekehrten Verhältnisse , je grösser die Brennweite, desto kleiner
die Brechkraft. Eine Brille Nr, 2 ist eine solche von 2 Dioptrien (=2 D), d. h.
von der doppelten Brechkraft, wie die Normalbrille, die Brennweite ihrer Gläser
beträgt 0.5 m. Eine Brille Nr. 10 oder eine solche von 10 D hat Gläser von der
Brennweite 0.10 m. Eine halbe Dioptrie (— 0.5 D) entspricht einer Brennweite von
2 m. Je höher also die Nummer der Brille, desto stärker ist sie. Mit Ausnahme
des Umstandes, dass dieser neuen Bezeichnung das metrische Maass zu Grunde
gelegt ist , hat das System vor dem älteren nichts besonderes voraus. Da man
aus der Anzahl der Dioptrien leicht die Brennweite in Centimeter ausrechnen kann,
so hat man nur die Anzahl dieser Centimeter in Zolle umzuwandeln um die
Nummer zu finden, welche der Brille nach der älteren Bezeichnungsweise zu-
kommen würde. Noch einfacher erhält man das Resultat, wenn man 37 (Im hat
nahezu 37 Zoll) durch die Anzahl der Dioptrien dividirt. Eine Brille von 5 Dioptrien
ist also 37:5 = 1- 6 nach alter Ausdrucksweise.
DiOrrexin, ein aus Pikrinsäure, Schwefel, Kalium- und Natriumnitrat, Säge-
spänen und Holzkohle bestehendes Sprengmittel.
DiOSCOrea, Gattuug der nach ihr benannten Familie. Etwa 1G0 Arten, welche
meist in den Tropen Asiens und Amerikas, einige auch in Neuholland und Afrika
vorkommen. D sativa L. und 1>. alata L. werden durch die ganzen Tropen
cultivirt. Die bis zu 20 k schweren Knollen dienen als Yamswurzeln ihres Stärke
gehaltes wegen als Nahrung.
Die frischen Knollen wirken betäubend und schmecken bitter. Durch Einweichen
in Wasser und Kochen werden sie essbar.
Die Ignamen- oder Dioscoreenstärke bildet ein sehr weisses feines Pulver aus
eiförmigen abgeflachten Körnern bestehend. Dieselben sind am spitzen Ende keil-
förmig und haben dort einen Kern. — S. Arrowroot, Bd. I, pag. 579.
Prollius.
D'lOSCOreaceae, Familie der Lih\ 'floiae. Meist krautartige, perennirende
Pflanzen , seltener Halbstrflucher oder Sträucher , mit windendem Stengel und
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DIOSCOREACEAE. - DIOX1NDOL.
503
knolligem Wurzelstocke , fast sämmtlich den tropischen Gegenden eigentümlich,
in Deutschland nur eine Art (Tamm). Charakter: Blüthen in Aehren oder Trauben,
klein, 2 hänsig. Perigon 6spaltig. (5 Blüthen mit 6 Staubgefäaaen , deren Antheren
einwärts aufspringen, Q mit 3 Griffeln. Fruchtknoten 3fächerig, 1— 2eiig, unter-
Htiindig. Frucht eine geflügelte Kapsel oder Beere. Sydow.
DiOSITia, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Rutaceae, in neuerer
Zeit theils zu Barosma (s. Bd. II, pag. 153), theils zu Empleurum (s.d.)
gezählt.
Dl'OSmeae, Gruppe der Rutaceae. Kleine Bäume oder Sträucher, seltener
perenirende Kräuter , die grösstenteils im aussertropischen Afrika und in Neu-
holland einheimisch sind. 8ie unterscheiden sich von den verwandten Gruppen
hauptsächlich durch den Bau der Frucht, von den Ruteae durch das meist elastisch
vom Epicarp abspringende Endocarp, von den Aurantieae durch die Kapselfrucht.
S y d o w.
Diosmin, ein aus den Bnccoblättern isolirter, nicht näher charakterisirter Stoff.
Diosmose. s. Endosmose.
Diospyrinae , Abtheilung der Sympetalae, zu welcher die Sapotaceae, Ehe-
naceae und Styracaceae gehören, sämmtlich Holzpflanzen. Blüthen regelmässig.
8taubgefässe von sehr verschiedener Anzahl , zuweilen zahlreich , in 2 Kreisen.
Kelchstaubgefässe nicht selten fruchtbar. Ovar gefächert. Sydow.
DiOSpyPOS, Gattung der Ebenacenp mit ineist tropischen Arten. Es sind Holz-
gewächse mit alternirenden Blättern, in deren Achseln die meist diöcischen Blüthen
sitzen. Kelch und Krone sind behaart, oft 4 bis dspaltig. In der (5 Blüthe sind
4 oder zahlreiche Staubgefässe. in der Q neben einer geringeren Zahl von Stami-
nodien ein 4fächeriger, oft wieder untergetheilter Fruchtknoten, welcher sich zu
einer kugeligen oder eiförmigen Beere entwickelt.
Diospyros Lotus L., Dattelpflaume, die einzige auch im südlichen
Europa vorkommende Art, besitzt kirschgrosse, bläulich-schwarze Beeren, welche
gegessen und zur Branntweinbereitung verwendet werden. Schon Plinius gedenkt
ihrer als Fabae graecae. Das Holz war einst als Lignum Guajacan s. Guajaci
patatn'ni in arzneilicher Verwendung.
In den Vereinigten Staaten sind die unreifen Früchte von Diospyros virginiana
L.y Persimmon, Plaqueminier, ofticinell, und man benützt sie als Adstringens und
Amarnm in Gaben von 15 — 60 g.
Dieselbe Verwendung finden in Ostindien die Beeren von D. Embryopteris Pers.
Wichtiger als die bisher genannten sind die im Tropeugürtel verbreiteten Arten,
welche das echte Ebenholz liefern. Als solche werden genannt.
In Ostindien: Diospyros Ebenuni Retz. , D. Ebenaster Reiz., D. Me-
lanoxylon Rxb , D Royiii Wall. , D. tomentosa Rxb. , D. glutinosa Koen.,
D. lan-ceolata Rxb., D. Mnbolo Rxb., D. silvatica Rxb., D. kirsuta L. ßl.
In Hinterindien und auf den ostasiatischen Inseln: Diospyros nigra
DC, D. lobata Lour.. D. decandra Lour., D. mahibarica Koen., D. Kaki L.fil.
Auf den ostafrikanischen Inseln: Diospyros Mtlanida Poir., D.Tesse-
laria Poir., D. Uu com eins Poir., D. Sapota Rxb., D. Ebenum Retz., D. Kaki
L., D. Mabolo Rxb., D. exculpta Hamilt.
In Westafrika: Diospyros Ebenum Retz.
Im tropischen Amerika: Diospyros Mabolo Rxb., T). obnvata.
Dioxindol, cH h7no„ ist ein Derivat des Isatins und wird aus demselben
erhalten durch Kochen einer mit etwas Salzsäure versetzten wässerigen Lßsung
desselben mit Zinkstaub und Ausziehen de« gebildeten Dioxindol» mit Acther. Das
Dioxindol ist eine Säure und wird auch H y d r i n d i n s ä ur e genannt. Es krystallisirt
in grossen rhombischen Prismen ans Alkohol farblos, aus Wasser gelblich ; löslich
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504
DIOXIKDOL. — DIPHTHEIUTIS.
in Wasser und Alkohol. Schmilzt bei 180° zur violetten Flüssigkeit und zersetzt
sich bei 195° unter Bildung von Anilin. Die wässerige Lösung geht beim Stehe«
an der Luft wieder in Isatin über. Es verbindet sich mit 1 At. Metall zu wobl-
charakterisirten Salzen , geht aber auch mit S&uren Verbindungen ein. Die alko-
holische Lösung wird durch Ammoniak violett gefärbt und gibt beim Rochen einen
violetten, in Salzsäure löslichen Niederschlag. Ganswind t.
Dioxybernsteinsäure = Weinsäure, s.d.
Diphenylamitl. C1SH,,N, wird im Grossen durch Erhitzen von salzsaurem
Anilin mit Anilin auf circa 230° dargestellt. Die Operation wird in Autoclaven
vorgenommen, deren Ventil man von Zeit zu Zeit ein wenig öffnet, um das frei-
gewordene Ammoniak entweichen zu lassen. Die Reaction vollzieht sich nach
der Gleichung:
CG H,, . NH2 . H Cl + Cfl H6 . NH2 = C6 H* N . HCl + NH3
' H I
Anilinchlorhydrat Anilin . , .
Diphenylaminchlorhydrat.
Man verdünnt sodann mit Wasser, wobei sich das Diphenylaminchlorhydrat in
freies Diphenylamin und Salzsaure zerlegt, bebt das Diphenylamin ab und reinigt
es durch Destillation.
Das Diphenylamin bildet in reinem Zustande farblose Krystalle, welche
in Wasser unlöslich, in Alkohol und Aethcr leicht löslich sind. Es schmilzt bei
54° und siedet bei 310°.
Das Diphenylamin ist eine secundäre Base, die sich mit Säuren zu losen Ver-
bindungen vereinigt. Es ist sehr reactionsfähig und findet in der Farbenfabrikation
Anwendung zur Herstellung eines sehr reinen Anilinblau, des Diphenylaniin-
blau (s. Anilinblau).
Seine Nitroproductc, insbesondere das Tetra- und Hexanitroproduct sind schöne
gelbe bis orangegelbe Farbstoffe, welche aber technisch nicht verwendet werden
(b. A n r a n t i a). Schmilzt man Diphenylamin mit Schwefel . so entsteht Thiodi-
phenylamin , welches als die Muttersubstanz des Methylenblau (s.d.) anzu-
sehen ist.
Die Lösung von Diphenylamin in Schwefelsäure ist eiu sehr empfindliches
Reagens auf Salpc ter säure und andere oxydirende Substanzen, wie salpetrige
Saure, Chlorsäure, unterchlorige SiSure, Chromsäure, Eisenoxydsalze etc. Man über-
giesst 10 mg Diphenylamin mit einer geringen Menge concentrirter Schwefelsäure,
fügt Wasser bis zur Lösung hinzu und verdünnt mit Schwefelsäure auf lOOecm.
Von dieser Lösung bringt man circa 0.5 cem in ein kleines Porzellanschälchen
und lässt einen Tropfen der auf Salpetersäure zu prüfenden Lösung hineinfallen.
An der Berührungsstelle der Flüssigkeiten bildet sich ein Ring von prächtig blauer
Farbe. Diese Reaction kann natürlich auch umgekehrt zum Nachweise von Diphenyl-
amin dienen (Kopp, Laar). Benedikt.
Diphenylaminblau, s. a n i 1 i n b I a u.
Diphenylrosanilin, 8. Phenyi violett.
DiphtheriÜS (Sictfspx, Haut, Membran) nennt man eine Erkrankung, durch
welche ein gerinnbares Exsudat zwischen den Gewebsbestandtheilen der Schleimhaut
und auf der Oberfläche der Schleimhaut entsteht. Solche diphtherische Membranen
lassen sich demzufolge von ihrer Unterlage nicht abziehen oder wegwischen. Nach
einigem Bestände zerfallen diese Membranen unter gleichzeitigem brandigen Zer-
fall der erkrankten Schleimhaut. Beim Croup ist die ausgeschwitzte Membran von
der Schleimhaut abhebbar; doch ist die Grenze zwischen Croup und Diphtberitis
nicht immer scharf zu bestimmen. Fast jede Schleimhaut des Körpers kann diph-
therisch erkranken. Am häufigsten beobachtete man in den letzten Jahrzehnten die
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DIPHTHERITIS. — DIPSACUS. 505
Rachendiphtheritis, namentlich bei Kindern. Die Betheiligung zahlreicher Lymph-
drüsen und die schwere Alteration des Allgemeinbefindens beweisen, dass die
Rachendiphtheritis eine Allgemein erkrankung des Organismus und nicht blos ein
locales Leiden vorstellt. Höchst wahrscheinlich ist ein Mikroorganismus die Ursache
der Erkrankung ; doch ist es trotz zahlreicher und eifriger Bemühungen noch nicht
gelungen , den krankmachenden Pilz mit Sicherheit zu bestimmen , was umso be-
greiflicher ist, als der Mund auch im normalen Zustande zahlreiche Bacillen und
Coccen beherbergt.
Dipikrylamin, NH<£« [js j^1, ist Dipheuylamin, in dessen beiden Pbenyl-
gruppen je 3 At. H durch 3 At. NO, substituirt sind. Man erhalt es nach Mertens
(Ber. d. d. ehem. Gesellsch. Bd. 11, pag. 845) durch Lösen von Diphenylaroin in
concentrirter Schwefelsflure und Eingießen dieser Lösung in rauchende Salpeter-
säure. Hellgelbe Prismen fast unlöslich in Wasser und Aether. Verhalt sich wie
eine Saure; die Salze finden als orange Farbstoffe Verwendung. Ganswind t.
Diplom (oV^Xdo;, doppelt, zweifach zusammengelegt). Das Wort wird gegen-
wartig für eine beschrankte Anzahl von Urkunden gebraucht, so für Adelsbriefet
für Urkunden über die Ertheilung akademischer Würden und Aufnahme in ge-
lehrte Gesellschaften. Bei den Römern bedeutete es ein aus zwei Blattern zu-
sammengelegtes , von den Kaisern selbst oder von höheren Staatsbeamten ausge-
fertigtes Schreiben , durch welches einzelnen Personen gewisse Vorrechte oder
Vortheile zuertheilt wurden.
Diplopie, Doppeltsehen. Ein Gegenstand erzeugt auf der Netzhaut eines jeden
Auges ein Bild. Wenn diese Bilder auf identische Stellen der Netzhaut fallen, so
sind wir im Stande, beide Bilder zu einem Gesammteindrucke zu verschmelzen;
im entgegengesetzten Falle erhalten wir Doppelbilder. Wenn wir einen Punkt mit
beiden Augen fixiren , so sehen wir vor und hinter ihm liegende Gegenstande
doppelt. Man fixire die Spitze eines in der rechten Hand gehaltenen Bleistiftes
und bringe den linkeu Zeigefinger das eine Mal vor, das andere Mal hinter den
Bleistift. ('S. auch Horopter.; Die Doppelbilder sind gleichnamig, wenn
das Bild auf derselben Seite liegt, wie das Auge, dem es angehört; sie sind ge-
kreuzt, wenn das Bild des rechten Auges links und dasjenige des linken Auges
rechts liegt. Beim Sehen mit einem Auge entstehen in manchen Fallen von einem
Gegenstände mehrere Bilder: so wird die Mondsichel von Vielen mehrfach gesehen.
Man nennt diese Erscheinung DipUrpia oder Polyopia monocularis ; sie beruht
auf Unregelmässigkeiten in der Krümmung der Augenlinse.
Dippel S Oel ist Oleum animale aethereum.
Dipsacaceae, eine Familie der Aggregate?. Meist einjährige oder perennirende
krautartige Pflanzen, seltener Sträucher, durch ganz Europa, Asien und Afrika
zerstreut. Durch die Form ihres Blüthenstandes criunern die bipmeueeen sehr
an die Gompwtitrn, denen sie auch in systematischer Beziehung nahe stehen. —
Charakter: Blätter ohne Nebenblätter. Bltlthcu in A ehren oder Köpfchen, auf einem
nackten oder mit Spreublättehen besetzten Blüthenboden stehend. Tragblatter der
unteren Bliithen eine Hülle bildend. Unterste Hüllblätter öfter ohne Blüthen in
ihren Achseln. Blüthen zwitterig, mit einer kelchartigeu Hülle versehen. Eigent-
licher Kelch öfter mit borsteuförmigen Abschnitten. Krone unregelmässig, öspaltig,
fast 2Iippig, seltener durch Verschmelzung der beiden oberen Abschnitte 4 spaltig.
Staubgefässe 4 das 5. fehlschlagend). Fruchkuoten unterständig, lfacherig und
einsamig. Sydow.
DipsaCUS, Gattung der nach ihr benannten Familie. Borstige oder stachelige
Kräuter mit kugeligen Blüthenköpfen , deren Hüllkelch vielblätterig stachel-
ppitzig ist.
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506 DIPSACUS. - DJPTEROCARPUS.
Dips actis Fu l Ion um MM., Weberkarde, Kardendistel, ist durch
die starken, zurückgekrümmten Deckblätter ausgezeichnet. Die getrockneten ßlüthen-
köpfe werden deshalb in der Tuchfabrikation zum Rauhen des Lodens allgemein
benützt, und die Pflanze, deren Heimat das südliche Europa ist, wird im Grossen
angebaut. Als Arzneipflanze ist sie obsolet.
Dipsomanie (ou^a, Durst) ist periodisch auftretende Trunksucht.
Diptam ist Dictamnus albus L.
Dipteren sind Insecten mit zwei glasartigen Flügeln , welche radiär geädert
sind, und mit zwei zu Schwingkölbchen verkümmerten Hinterflügeln; ihre Mund-
theile sind saugend. Sie haben eine vollständige Verwandlung ; ihre Larven heissen
Maden. Von den 21000 Species gehören 8000 zn den Fliegen (Muscida).
DipteHx, von Schrebkr aufgestellte, jetzt gewöhnlich zu Goumerouna Aubl.
gezogene Gattung der Papilionaceae. Bäume des tropischen Amerika. Mit gegen-
ständigen, paarig oder unpaarig gefiederten Blättern, die Blüthen in endständigen
Rispen, die beiden oberen Kelchzähne gross, flügeiförmig, die drei unteren zu einer
kleinen Lippe verwachsen, Fahne und FKlgel ausgerandet zweispaltig. Staub-
gefässe monadelphisch. Hülse zusammengedrückt, steinfruchtartig, mit holzigem
Endocarp.
Dipterix odorata Willd., in Guyana, Venezuela (Angostura) und Brasilien (Para)
liefert die „holländischen Tonkabohnen".
Dipterix oppositifolia Willd. liefert die aus Cayenne und Brasilien kommenden
kleineren und weniger geschätzten „englischen Tonkabohnen".
Dipterix Pteropus Mart. in Brasilien hat ebenfalls wohlriechende Samen, die
aber nicht auf den europäischen Markt gelangen. Hart wich.
DipterOCarpaCeae, Familie der Cistiftorae, fast säramtlich der Flora Ost-
indiens angehörig, einige wenige im tropischen Afrika. Es sind meist hohe
Bäume , seltener kletternde Sträucher , die reichlich balsamisch - harzige Säfte
und ätherische oder fette Oele führen. Charakter: Blüthen in achselständigen
Trauben. Kelch röhrig oder glockenförmig, 5theilig, bleibend, zuletzt die Frucht
umschlicssend. Krone öblätterig. Staubgefässe in mehreren Kreisen, zahlreich,
frei oder nur etwas verwachsen. Griffel 1. Fruchtknoten gewöhnlieh 3fächerig,
einsamig. Sydow.
DipterOCarpilS, Gattung der nach ihr benannten Familie. Hohe Baume des
tropischen Asien mit ganzrandigen oder buchtig gekerbten Blättern. Nebenblätter
sehr gross und abfallend, eine ringförmige Narbe hinterlassend. Die Blüthen sind
gross und zu Trauben vereinigt. Krone 5blätterig mit vielen Staubfäden. Von
den 5 Kelchspalten oder Zähnen wachsen 2 zu grossen Flügeln aus. Frucht-
knoten 3fächerig. Frucht nicht aufspringend.
Von den etwa 25 Vertretern der Gattung, welche in Indien zu den Charakter-
bäumen der Wälder gehören, werdeu eine Anzahl zur Gewinnung eines Balsams
benützt, der an Stelle des Copaivabalsains in der asiatischen Medicin und vor
Allem als Lackmaterial benützt wird.
Dieser „Gurjun-" oder „Gardschanbal sam" (Bd. II, pag. 131), auch
von den Engländern als „Wood-oil" bezeichnet, ist wohl in geringerer Menge
in den meisten Dipterocarpus- Arten enthalten, deren bis 3 — 4 in im Umfange
dicken Stämme oft vollständig damit angefüllt sind.
Zur Gewinnung dienen insbesondere folgende Arten :
D. ceylanicus Thw-titw auf den Bergen Ceylons;
D. triner ei* Bl., D. gracilis Bl. und D. retusus Bl. in West-Java, ersterer
auch auf den Philippinen :
D. litoralifs BL auf der stldjavaiiisehen Küste und der daran liegenden Insel
Nusa Kambangan :
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DIFfEROCARPÜS. — DISPERSION.
507
D. incanus Roxb. und D. costatus Roxb. an der nordwestlichen Küste Hinter-
indiens, insbesondere in den Wäldern von Pegu und Tschittagon. In letzterer
Provinz auch D. costatus Roxb. ;
D. turbinatus Gaert. ßl. und D. alatus Roxb. sind ausser im eigentlichen
Hinterindien auch auf den Andamaninseln , in Siam, Tenasserim, Birma und
Tschittagon einheimisch. Eretere Species findet sich auch noch in den angrenzenden
Theilen Bengaleus. Prollius.
DtrCft, eine Gattung der Thymelaeaceae , charakterisirt durch Zwitterblüthen
mit hinfälligem Perigon und 8 ungleich langen Staubgefässen. Die Frucht ist
eiusamig.
Von Dirca palustris L., einem kleinen nordamerikanischen Strauche, benutzt
man die Rinde als Brech- und Abführmittel in Gaben von 0.3 — 0.4 g. Auch die
übrigen Theile der Pflanze haben, wenngleich in geringerem Grade, dieselbe
Wirkung.
DiSCOlTiyceteS, eine Familie der Ascomycetes. Theils fleischige, weiche, leicht
vergängliche, theils leder- bis hornartige, dauerhafte Pilze. Sie wachsen theils auf
blosser Erde , theils als Saprophyten auf verwesenden Pflanzentheilen , theils als
Parasiten auf lebenden Pflanzen. In letzterem Falle bildet sich ein endophytes,
freiftdiges Mycelium, und die Fruchtkörper entstehen auf der Oberfläche des
Substrates, oder brechen aus derselben hervor. Die Fruchtkörper selbst sind sehr
mannigfach gestaltet. Wir finden bald gestielte, köpf-, keulen- oder hutförmige,
bald sitzende , becher- , kelch- , napf- oder schüsseiförmige Träger (Apothecien).
Andere stellen kleine, meist schwarze oder braune, gestreckte, strichförmig gerade
oder gewundene, sich verschiedenartig öffnende Behälter dar, welche entweder
ihrer ganzen Länge nach dem Substrat aufgewachsen oder theilweise demselben
eingesenkt sind, so dass nur die obere Seite frei liegt. In noch anderen Fällen
sehen wir grosse, zusammengesetzte, polsterförmige Stromata, welche die einzelnen
Gehäuse enthalten. Die Discomyceten unterscheiden sich von der nahe verwandten
Familie der Pyrenomyceten (Kernpilze) hauptsächlich durch die Bildung der
Hymeniumschicht. Dieselbe tritt nicht, wie bei den Pyrenomyceten, angiocarp auf,
sondern sie wird auf einem wenigstens zur Fruchtreife weit offenen, Scheiben- oder
becherförmigen Träger (Cupula, Discus) , oder auch auf der ganzen Oberfläche
des Fruchtkörpers gebildet. Zuweilen bildet das Mycel Sclerotien, aus denen die
Fruchtkörper hervorwaehsen.
Die Discomyceten sind in zahlreichen Arten über die ganze Erde verbreitet.
Mehrere der grösseren sind essbar. Eigentlich giftige gibt es nicht. Sydow.
DiSCUS (Scheibe), nennt man bei den Phanerogamen eine Scheiben- oder polster-
artige Verbreiterung der Achse, d. h. des Blflthenbodens innerhalb der Blüthe selbst,
(Citrus, Acer). Der Discus ist entweder hypogyn (unterweibig) oder epigyn (ober-
weibigj. Im ersteren Falle sitzt der Fruchtknoten auf dem Discus, im zweiten
unter demselben (Cornus). Der Discns kann sowohl innerhalb (Terebinthinae),
wie ausserhalb der Staubfadeukrcise (Aesculina?) liegen (intra-, beziehungsweise
extrastaminaler Discus). Für gewöhnlich trägt der Discus Drüsen.
Bei einer Abtheilung der Pilze, den Discomyceten, die ihre Asci in einer Schicht
an der Oberfläche tragen, nennt man den mit dem Hymenium versehenen Theil
den Discus. Tschirch.
Dispensation, die Abgabe der Arzneien seitens des Apothekers au das Publikum,
s. unter Arzneiabgabe, Bd. I, pag. 623.
Dispersion (dispersere , zerstreuen), Farbenzerstreuung, nennt man
die durch Brechung bewirkte Zerlegung einer Lichtart in ihre nicht weiter zerleg-
baren Bestandtheile. Das Mittel zu einer solchen Zerlegung bietet der Durchgang
des Lichtes durch ein Prisma , wobei sich ein schmales Bündel ursprünglich
paralleler Strahlen in einen divergirenden Büschel ausbreitet , welcher auf einem
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I
508 DISPERSION.
entgegengehaltenen weissen Sehinn ein farbiges Band , ein 8 p e c t r u ra (s. d.),
erzeugt. Unabhängig von der Quelle, aus welcher das unzerlegte Lieht stammte,
zeigen sich im Spectrum immer nur einige oder alle der sieben Hauptfarben Roth,
Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigoblau, Violett mit den dazwischen liegenden
Nuancen und es wächst die durch die Brechung hervorgerufene Ablenkung der
farbigen Strahlen von der ursprünglichen Richtung in derselben Reihenfolge. Läset
man durch eine kleine Oeffnung im Aufl'angschirm einen Theil dieser Strahlen
noch weiter geben und neuerdings auf ein Prisma treffen, so wird er durch das-
selbe zwar von seiner Richtung abgelenkt , d. h. gebrochen , aber nicht weiter
zerlegt. Licht von solcher Beschaffenheit nennt man homogen oder elementar.
Ursache der Zerstreuung ist die verschiedene Brechbarkeit der homogenen Licht-
sorten, die sich subjectiv durch ihre Farbe, objectiv durch ihre Schwingungsdauer
(s. Licht) unterscheiden , so das» dem rothen Lichte die grösste , dem violetten
die kleinste Schwingungsdauer zukommt. Im leeren Räume pflanzen sich alle
Strahlen mit gleicher Geschwindigkeit fort, in durchsichtigen Körpern aber wird
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit durch die Anwesenheit der Körpermoleküle ge-
stört, und zwar derart, dass sie für schneller schwingende Strahlen, also für solche
mit kleinerer Schwingungsdauer, kleiner wird als für Strahlen mit grösserer
Schwingungsdauer. Diese Verschiedenheit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit be-
dingt dann auch eine verschiedene Ablenkung der Strahlen vom ursprünglichen
Weg (s. Brechung, Bd. II, pag. 374).
Die Dinerenz der Brechungsquotienten einer Substanz für die äussersten Strahlen
des Sonnenspectrums, nämlich jenen , welche den FRAUNHOFER'schen Linien A
und H entsprechen , bezeichnet man als totale Dispersion der Substanz, als
partielle hingegen die Differenz der Brechungsquotienten für irgend zwei Strahlen.
Die totale Dispersion gibt ein Maass für die Länge des ganzen Speetruma. die
partielle nur für die Ausdehnung der zwischen den angenommenen Grenzstrahlen
liegenden Farben. Für ein und dieselbe brechende Substanz bleibt das Verhältnis«
der Ausdehnung einer Farbe zur Ausdehnung des ganzen Spectrums constant, wie
sich auch die Länge beider in Folge eiuer Aenderung des brechenden Winkels ändern
mag. Für verschiedene Substanzen erlangt aber sowohl die partielle wie die totale Dis-
persion sehr verschiedene Wcrthe. So ist letztere beispielsweise für Crownglas Nr. U :
0.02073, für Flintglas Nr. 13 : 0.04331, also bei der zweitgenannten Glassorte ungefähr
doppelt so gross als bei der erstgenannten, während die Brechungsquotienten ftlr
gleiches Licht bei beiden verbilltnissmässig wenig von einander abweichen. Diese
Verschiedenheit der Dispersion bei ungefähr gleichem Brechungsquotienten ermög-
licht es, durch Combination von Prismen oder Linsen beider Glassorten eine
Brechung des Lichtes ohne Farbenzerstreuung zu erzielen (s. Achromatische
Linsen, Bd. I, pag. 64).
In neuester Zeit wies Gladstoxe darauf hin, dass die Länge des durch eine
brechende Substanz unter sonst gleichen Umständen gelieferten Spectrums sehr be-
deutend von Beimengungen oder Verunreinigungen beeinflusst wird, während der
Brechungsexponent, der ja in ausgedehntem Maasse zn solcbeu Prüfungen heran-
gezogen wird, sich hierbei wenig ändert. Gladstone bezeichnet deshalb das Ver-
hältniss der Länge des Spectruins zur Dichte der Substanz (das speci fische
Dispersionsvermögen) als ein sehr empfindliches Erkenuongsmittel der Rein-
heit, durch das beispielsweise bei Alkohol schon eine Beimenguug von 1 Pro-
cent Benzin oder dergleichen mit Leichtigkeit entdeckt werden kann.
Manche Substanzen brechen Strahlen von grösserer Schwingnngsdauer stärker
als solche von kleinerer Schwingungsdauer. Eine derartige Farbenzerstreuung be-
zeichnet man als anormale Dispersion. Sie kommt bei Lösungen von Körpern
mit lebhaften Oberflächenfarben, wie z. B. Anilinblau, Anilingrüu , Aniünviolett,
übermangansaurem Kali u. a. vor. Die V ersuche zeigten , dass ein solches Ver-
halten bei jenen Stoffen eintritt . die für gewisse Strahlen ein besonders starke«
Absorptionsvermögen besitzeu. Bei jeder solchen Absorption von Strahlen wird
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DISPERSION. — DISTELN.
509
nämlich der Brechungsquotient der benachbarten Strahlen von grösserer Schwingungs-
dauer vergrößert , jener für Strahlen von kleinerer Schwingungsdauer verkleinert,
und zwar um so mehr, je näher ihre Schwingungsdauer jener der absorbirten
Strahlen kommt.
Bei krystallinischen Körpern spricht man auch von einer Dispersion der Elaati-
citäta- und optischen Axen und versteht darunter die Veränderung ihrer Lage je
nach der Farbe des zu den Experimenten angewendeten Lichtes. Pitsch.
Disposition, 9. Diathese.
Diserfieston, mit Ihrema Don. synonyme Gattung der Umbelliferae.
DiSS ist der arabische Name von Ampelodesmos tenax Lk. (Gramineae,
Amndineae) , welche in Nordafrika, aber auch in Italien, Spanien, auf Sicilien
und Corsiea vorkommt. Das auf den Blttthen desselben sich bildende Mutterkorn
kommt als Ergo t de Diss aus Algier nach Frankreich. Es ist zwei- bis
dreimal länger als Seeale cornutum, schmächtiger und gedreht. Lallemand
gewann aus demselben 2.3 Procent WifiGER'sches Ergotin und 30.6 Procent
fettes Gel.
DiSSimUÜrte Krankheiten sind verheimlichte Krankheiten im Gegensatze
zu den simulirten oder vorgeschützten Krankheiten. Durch die hohe Ausbildung
der objectiven Untersuchungsmethode ist das Verheimlichen einer Krankheit ziem-
lieh schwer gemacht.
DiSSOCiatiOn. Mit Dissociation bezeichnet man eine durch Wärme herbei-
geführte Zersetzung, welche dem Streben der chemischeu Kräfte zuwiderläuft uud
durch Abkühlung oder Wärmeentziehung wieder rückgängig gemacht wird. Die Zer-
setzung einer chemischen Verbindung wird dabei als Wirkung der Wärme be-
trachtet, sobald dieselbe uuter Wärmeabsorption stattfindet, als eine Leistung von
Arbeit gegen das Streben der chemischen Kräfte. Dass hier die Wärme allein die
zersetzende Kraft ausübt, geht am besten daraus hervor, dass die Wirkung nach
dem Erkalten wieder rückgängig gemacht wird, worin das eigentliche Kriterium der
Dissociationserscheinungen zu suchen ist. Beispiele hierfür bietet am besten das
Phosphorpentaehlorid , PC15, welches sich beim Erhitzen in Phosphortrichlorid und
Chlor zerlegt, welches letztere durch seine Farbe deutlich die Zersetzung kenn-
zeichnet. Aehnlich verhalten sich fast säiumtliche Verbindungen des Stickstoffes,
die aus Ammoniak oder aus Substitutionsproducten desselben durch directe Ver-
einigung mit anderen Bestandteilen, mit Chlor-, Brom- oder Jodwasserstoff, mit
Schwefelwasserstoff und mit Kohlensäure entstehen ; aber auch eine Menge anderer
Körper zeigen die Erscheinung der Dissociation , z. B. Schwefelsäure in Schwefel-
säurcanhydrid und Wasser, Chloralhydrat in Chloral und Wasser u. s. w. Die
Erscheinungen der Dissociation gestatten eine Erklärung der sogenannten abnormen
Dampfdichten, d. h. derjenigen Dampfdichten, welche sich dem AvoGADROsehen
Gesetze nicht unterordnen ; betrachtet man in diesen Fällen den Dampf als ein
durch Dissociation entstandenes Dampfgemisch, so gestattet dieses die Unterordnung
unter das genannte Gesetz.
Nicht immer erstreckt sich die Dissociation gleich über die ganze Masse des
Dampfes, nicht selten verflüchtigt sich ein Theil unzersetzt und mischt sich mit
den Zersetzungsproducten ; die Zersetzung schreitet aber in solchen FäUen mit
steigender Temperatur fort, bis bei genügend hohen Wärmegraden der Dampf nur
noch ein Gemisch der Zersetzungsprodncte enthält. In Folge dessen ändert sich
das Volumgewicht mit der Temperatur und wird erst nach vollendeter Zersetzung
ein constantes. Gaaswindt.
Disteln, Cardveae, sind eine Unterfamilie der Compositae mit den Gattungen
Carduus, Cirsium, Cynara, Silybum. Ihre Blätter sind stachelig gezähnt, ihre
vielblüthigen Köpfchen haben einen dachziegeligcn Hüllkelch, eineu mit borstigen
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510
DISTELN. — DISTOMA.
Spreublattern besetzten Blüthenboden , durchaus röhrige Blüthen , deren Pappus
mehrreihig am Grunde zu einem Ringe verwachsen und abfällig ist.
DlStichiasiS fäb. doppelt und TTtyo;. Reihe), Zweiwuchs der Wimpern. Dar-
unter versteht man das Hervorwachsen einer zweiten Reihe von Wimpern an der
inneren Lefze des Augenlidrande«. Wirklicher Zweiwuchs ist sehr selten und dann
angeboren ; gewöhnlich ist der Zweiwuchs nur ein scheinbarer , entstanden durch
krankhafte Schwellung und Verbreiterung des Bodens, auf dem die Wimperu
sitzen, so dass sie in zwei Reihen zu wachsen scheinen. — S. auch Trichiasis.
Distoma. WUrmer aus der Classe Cotyloidea (Napfwürmer), Ordnung Trema-
toda (Saugwürmer), haben eineu Saugnapf am vorderen Ende, einen zweiten
ventralen in verschiedener Entfernung, doch nie am Ende des Körpers. Sie sind
Zwitter mit Ausnahme des Gynaecophorus.
Die aus den Eiern entstandenen Larven wandern zunächst in Molluskeu oder
in Schnecken ein: diese Thiere sind die provisorischen Wirthe; in ihnen bilden
sich geschlechtslose Formen, welche dann in definitive Wirthe einwandern und sich
zu echten Distomen umbilden. Bei den Distomen ist also der Generationswechsel
noch complicirter wie bei den Cestoden.
Distoma hepatic u m Rud., L e b e r e g e 1, ist blattförmig, oval, 28 mm lang,
12 mm breit, hat die Saugnäpfe in
kurzer Entfernung hintereinander ;
zwischen beiden die Geschlechts-
öfTnung ; lebt in den Gallengängen,
manchmal auch im Darm, selten
im Innern der Hohlvene oder in
anderen Venen und kann dadurch
in verschiedene Körpertheile ge-
langen; daraus erklärt sich das
Auftreten von Distoma hepaticum
in Abscessen. Der Parasit kommt
vor bei Schafen , bei anderen
Wiederkäuern, auch beim Pferd,
Esel , Elefanten , Schwein , Eich-
hörnchen , Kaninchen , Känguruh,
seltener beim Menscheu, und zwar
besonders im Inundationsgebiet der
Narenta in Dalmatien. Bei den
Wiederkäuern erfolgt die An-
steckung massenweise, gewöhnlich
- „ , - , IHitnna lanetolatvm 8mal Vergr. Distoma hepaticum
auf sumpfigen oder Überschwemmt (Nach Leukart nndJaksch.) *mal vergr.
gewesenen Weideplätzen. Die
Seuche ist als Leberfäule oder Egelseuche bekannt; sie tritt besonders
häufig bei Schafen, bei Hasen und Hirschen auf.
Distoma lanceolatum Mehlis, nur 8mm lang und 2mm breit, lebt in
den engeren Gallengängen, ist weniger gefährlich ; findet sich im ungarischen Rind-
vieh häufig, seltener beim Menschen.
Distoma heterophyes v. Siebold, nur 1 — 1.5 mm lang, wird im Darme
der Einwohner Egyptens gefunden.
Distoma haemato b i u m Bilharz ( Gynaecophorus haematobius, Büharzia
haematob.) wurde von Bilharz in Egypten entdeckt. cJ 12 — 14mm lang, ist
platt und hat vorstehende Bauchränder, welche eine Rinne bilden ; Q ist schlanker,
cylindrisch und länger, 16 — 19 mm, und liegt zum Theile in der Bauchrinne des
CJ. Der Parasit ist iu Egypten so häufig, dass vielleicht nur die Hälfte der Be-
wohner frei von ihm ist; lebt in der Pfortader und auch in anderen Unterleibs-
venen ; kommt ausser im Menschen auch bei afrikanischen Affen vor. Durch Ein-
Fig. 80. Fig. 81.
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DISTOMA. — DITHIONSÄÜRE.
511
dringen in die Harnletter und in die Blase wird er besonders gefährlich ; auch die
in Egypten häufige Steinkrankheit soll durch in die Blase gelangende Eier dieser
Thiere hervorgerufen werden. Ebenso beruht eine am Vorgebirge der guten Hoff-
nung und auch in anderen Gegenden Afrikas bei Kindern häufig vorkommende
Hämaturie auf der Anwesenheit des Oynaecophorus, denn man findet im entleerten
Harn dessen Eier und Embryonen. Die Art der Infection ist nicht bekannt.
DiStorSiOn (torqueo), Verstauchung, ist eine durch mechanische Gewalt
herbeigeführte Verletzung in Gelenken, durch welche ihre Bänder gezerrt werden.
Ditäl'n, C„ HaeN, 04, auch Echitamin genannt, ist eines der Alkaloide der
Dita rinde (cf. Ditamin). Die alkalisch gemachte Lösung des alkoholischen Rück-
standes, aus welchem durch Schütteln mit Aether das Ditamin gewonnen ist, gibt
nach Zusatz von festem Kali und Chloroform Ditatn oder Echitamin ab ; die Chloro-
forrolösung wird verdunstet, der Rückstand mit concentrirter Salzsäure aufgenommen.
Es scheidet sich salzsaures Echitamin aus, das man umkrystallisirt und mit con-
centrirter Kalilauge zerlegt. — Dicke, glasglänzende Prismen mit 4 Mol. Krystall-
wasser. Ditatn ist eine starke Base, ziemlich leicht löslich in Wasser, noch leichter
in Alkohol, sehr wenig löslich in Benzol; wird aus der Lösung saurer Salze durch
Ammoniak nicht gefällt (Unterschied von Ditamin). Concentrirte Schwefelsäure löst
Echitamin intensiv purpurroth. Ganswind t.
Ditamin, cj9h19nOj, ist eines der 3 Alkaloide der Ditarinde. Die Rinde
wird durch Extraction mit Petroleumäther vom Fett befreit, mit Alkohol aus-
gekocht, die alkoholische Flüssigkeit abgedampft, der Rückstand mit kohlen-
saurem Natron übersättigt und mit Aether ausgeschüttelt, die ätherische Ditamiu-
lösung durch Schütteln mit Essigsäure in essigsaures Salz umgewandelt, das
schliesslich mit Amnion zerlegt wird. Amorphes Pulver, leicht löslich in Alkohol,
Aether, Chloroform, Benzol; schmilzt bei 70 — 75°. Löst sich leicht in verdünn-
ten Säuren und wird daraus durch Ammoniak in Flocken gefällt. Concentrirte
Salpetersäure färbt Ditamin gelb, später dunkelgrün, zuletzt orangeroth.
Ganswindt.
Ditarinde , Cortex Alstoniae, Cortex Tabernaemontanae, stammt
von Alstonia scholarin B. Br. (Apocynaceae), einem grossen, in Hinterindien,
auf den Sunda Inseln, Molukken und Philippinen heimischen Baume. Sie ist gegen
0.6 cm dick, leicht, hellfarbig, aussen über dem schwammigen Kork thcilweise
noch silberglänzende Schüppchen tragend, innen körnig. Unter dem Mikroskope
erweist sich der Kork durch einseitig verdickte Steinzellen geschichtet; die Mittel-
rinde enthält Steinzellen, MilchsaftBchläuche und Krystallzellen , ebenso der Bast,
welcher von meist dreireihigen Markstrahlen durchzogen ist. Ihr Geschmack ist
bitter, schwach aromatisch. — In den Heimatländern gilt die Ditarinde als Fieber-
mittel. Das Extract derselben, welches toxische Eigenschaften zeigt, kam als
rohes Ditatn in den Handel und man nahm in demselben ein Alkaloid an. Durch
die Untersuchungen von Jobst, Hesse und Habnack ist das Vorhandensein dreier
Alkaloide: Ditamin, Echitenin und Ditam (gleichbedeutend mit Echitamin) fest-
gestellt, neben noch 5 anderen indifferenten Stoffen : Echikautschin , Echicerin,
Echitin, Ecbitem und Echiretin. Das Ditain (s. o.) wirkt ähnlich wie Curare.
Die Rinde von A. constricta F. Müll., einer neuholländischen Art, ist der
vorigen sehr ähnlich.
L ite ratur: Fl ückiger und Hanbnry, Pharroacogr. — Hesse, Liebig's Ann. Bd. CHI.
— Harnack, Arcb. f. eiper. Path. u. Pharma kol. Bd. VII. — Vogl, Commentar.
J. Moeller.
Dithionsäure oder Unterschwefelsäure. Empirische Formel : H2 Sa 08 ;
SO OH
Struoturformel nach Mendelejbff: gQa*Qjj- Sie wurde 1879 von Gay-Lussac
und Welter entdeckt. Dir Anhydrid ist nicht bekannt.
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512
DITHIONSÄURE. - DITTMANN'S KRAFTPULVER.
Sie bildet sich bei der Einwirkung; von feingepulvertem Braunstein auf eine
kalt erhaltene Lösung von Schwefeldioxyd in Wasser: Mn Os + 2SOa = Mn 8,0,5.
Leitet man in Wasser, worin frisch gefälltes Eisenoxydhydrat vertheilt ist, Schwefel-
dioxyd, so erhalt man eine rothe Lösung von Ferrisulfit, welche beim Stehen sich
entfärbt nnd dann Ferrosulfit und Ferrodithionat enthält, Fe* (SOs)3 = Fe S03 +
FeSaO0. Untersehwefligsäure, Dithionsäure und schwefligsaure Salze geben in saurer
Lösung mit Uebermangansäure ebenfalls Unterschwefelsaure , aber wohl nur in
Folge der Einwirkung entstandenen Schwefeldioxyds auf gebildetes Mangan-
hyperoxyd.
Zur Darstellung des Säurehydrate« und der Dithionate, welche übrigens bis
heute ohne praktische Bedeutung sind, leitet man in stets kalt zu erhaltendes
Wasser (bei eintretender Erwärmung bildet sich fast nur Sulfat), in welchem fein
gepulverter Braunstein durch fortwährendes Umrühren aufgeacblämmt erhalten
wird, mittelst Schwefelsäure und Kohle (die gleichzeitig entwickelten Oxyde des
Kohlenstoffes sind unschädlich) dargestelltes Schwefeldioxyd. Die filtrirte Lösung
des gebildeten Mangandithionates wird bis znr gerade alkalischen Reaction mit
Aetzbaryt ausgefällt. Mit Hilfe der abermals ültrirten Lösung (des Baryutnditbio-
natea) gelangt man tu den übrigen unterschwefelsauren Salzen durch Wechsel-
zersetzung mit den äquivalenten Mengen der Sulfate jener Metalle, deren Salze
dargestellt werden sollen. Zur Darstellung der Dithionate der Alkalimetalle kann
man auch die neutrale Lösung des betreffenden schwefligsauren Salzes mit fein-
gepulvertem Braunstein kochen und durch Krystallisation etwa gebildetes Sulfat
vom unterschwefelsauren Salze trennen.
Daa Unterschwefelsäurehydrat wird erhalten, wenn man die Lösung
des unterschwefelsauren Baryums mit der äquivalenten Menge Schwefelsäure zer-
setzt, aus der geklärten Flüssigkeit etwa unzersetztes Salz durch eine Kleinigkeit
Schwefelsäure , einen etwaigen Ueberschuss von Schwefelsäure aber durch zurück-
gehaltene Lösung des Barytsalzes entfernend, nnd schliesslich die völlig klare Lösung
im Vacuum über Schwefelsäure verdunsten lässt. Es gelingt so , das Säurehydrat
in Gestalt eines Syrups vom spec. Gew. 1.347 zu erhalten. Versucht man die
freie Säure weiter zu concentriren, so zerfällt sie in Schwefelsäure und Schwefel-
dioxyd ; dieselbe Zersetzung erleidet das Säurehydrat beim Erwärmen seiner wässe-
rigen Lösung. An der Luft bildet sich in letzterer langsam Schwefelsäure; rascher
wird die Untersebwefelsäure durch Salpetersaure , Chlor und andere Oxydations-
mittel in Schwefelsäure umgewandelt. Wasserstoff in statu uascendi reducirt die
Unterschwefelsäure zu Schwefeldioxyd.
Die unterschwefelsauren Salze (Dithiouate) sind sämmtlich in Wasser
löslich und auch in Lösung sehr beständig. Beim Glühen zerfallen sie zunächst
in Schwefeldioxyd und neutrales Sulfat. Dieses Verhalten und die Oxydirbarkeit
der freien Unterschwefelsäure zn Schwefelsäure gestatten die Nachweisuug der
Dithionsäure und ihre quantitative Bestimmung (nach vorheriger Oxydation mit
mässig verdünnter Salzsäure und Kaliumchlorat aus der Menge des nach Zusatz
von Chlorbarynm gebildeten Baryumsnlfates k Ulbricht.
Ditolyl, CUHU. Ein Kohlenwasserstoff der aromatischen Reihe von der allge-
meinen Formel Cn Ha n _ u. Es sind zwei Ditolyle bekannt, ein 0- und ein p-Ditolyl,
beide erhältlich aus dem correspondirenden o- oder p-Bromtolnol : erstercs eine
bei 277 — 288° siedende Flüssigkeit, letzteres bei 121 u schmelzende Prismen.
Dftten'8 aperient-toniC Pills enthalten Cotoquinthen, Nuces vomicae, Rha-
barber, Aloe\ Ferrnm sesquichloratum, Enzianpulver etc.
Dittl's Species amaricantes sind ein Gemenge von 1 Th. Cortex Cinna-
momi, 1 Th. Ilerba Menthae piper. und 2 Th. Herba Centaurii min.
Dittmann'S Kraftpulver ist Gerstenmehl mit Dextri n und Eichenrinden-
extract. — Dittmann'S Lohecur besteht im Baden in Gerberlohe und im Ein-
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DITTMANN'S KRAFTPULVER. — DIURETICA.
513
nehmen des „Kraftpulvers". — Dittmann's elektrische Waschseife ist eine
Natronseife , der so viel Wasserglas zugesetzt ist , dass die Seife bald steinhart
and anbrauchbar wird.
DillUsi8, ein angeblich aus Hausenblase und Natriumbicarbonat bestehendes
(französisches) Bierklärmittel.
DiuretiCä (oioupijTucö;, den Harn befördernd, von 5ioupeo|xai , auf den Harn
wirken), harntreibende Mittel. Als solche bezeichnet man eine beträchtliche
Anzahl von Medicamenten, die vorzugsweise bei hydropischen Ansammlungen (Wasser-
sucht) benutzt werden, um durch Steigerung der Urinabsonderung den Körper
von jenen zu befreien. Die Dinretica sind die wichtigsten aller Hy dragoga
(s. d.), entfernen aber nicht allein Wasser, sondern auch die stickstoffhaltigen
Umsatzproducte des Stoffwechsels, die sie in verstärktem Maasse zur Ausscheidung
bringen, und deren Anhäufung im Organismus sie vorbeugen. So erklärt sich ihr
Nutzen nicht allein bei gestörter Nierenfunction , sondern auch bei Gicht und
Lithiasis, und da sie auch andere im Organismus angehäufte oder abgelagerte
Stoffe, soweit deren Entfernung durch den Urin möglich ist, zur Ausscheidung
bringen, ihr Gebrauch bei chronischen Metallvergiftungen. Die auf ihren Ge-
brauch folgende Verdünnung des Harns kann ausserdem auf bestehende Reizungs-
zustände der Harnwege (catarrbalische und eiterige Entzündung des Nierenbeckens
und der Blase u. s. w.) günstig influiren und auf diese Weise palliativ bei Stein
nnd Gries wirken , mitunter auch zur Lösung derartiger Concretionen beitragen.
Dass die Wirkungsweise der einzelnen Diuretica eine verschiedene sei, haben
schon die Alten erkannt, welche dieselben in zwei Hauptabtheilungen, Diurettca
calida und JHuretica frigida, brachten, die von Einzelnen bis in die neueste
Zeit festgehalten wurden. Erst ganz neuerdings aber ist man dabin gelangt, im
Anschlüsse an die Erweiterung unserer Kenntnisse Aber die physiologischen Ver-
hältnisse der Harnabsonderung und die Function der Niere, überhaupt der Kenntniss
der Wirkung einzelner Diuretica näher zu treten und dabei auch die Frage positiv
zu beantworten, ob es Mittel gibt, welche auch beim Gesunden eine Vermehrung
der Harnabsonderung zu Wege bringen. Nachdem Khahmer bei Selbstversuchen
mit einer Anzahl der beliebtesten Diuretica aus beiden Abtheilungen keine Ver-
mehrung der täglichen Harnmenge erhalten und Buchheim und Megevand zu
demselben Resultate gelangt waren, bewies zuerst Münch für Natriumcarbonat
am Menschen und C. Ph. Falck für Kochsalz am gesunden Thiere das Vor-
handensein einer derartigen Wirkung, und Brunton erhielt an sich bei Versuchen
mit Digitalis eine solche Vermehrung der Diurese, dass die vermehrte Wasser-
ausscheidung ein erhebliches Durstgefflhl veranlasste. Auf alle Fälle aber ist die
Wirkung der Diuretica weit prägnanter bei Kranken (Wassersüchtigen^, bei denen
die Steigerung der Harnabsonderung oft so gross ist, dass sie das 1' 8 — 3fache
der normalen Urinmenge beträgt. Dass der Betrag beim Gesunden geringer ist,
hat nichts Auffallendes, da ja hier die durch die Nieren fortgeführte Wassermenge
aus dem Blute stammt, dem ja nur ein beschränktes Wasserquantum entzogen werden
kann, ohne dass es eine Eindickung erfährt , die überhaupt das Bestehen einer
normalen Harnabsouderung nicht mehr zulässt.
Obschon die Verhältnisse der einzelnen Diuretica noch keineswegs völlig er-
schöpfend studirt sind, kann man doch dieselben in zwei Abtheilungen zerlegen,
je nachdem sie direct auf die bei der Harnabsonderung betheiligten Gewebs-
bestandtheile (Epithel der gewundenen Harncanälchen) wirken oder eine Verän-
rung- der Circulation bedingen , durch welche die Diurese gesteigert wird. Als
.Stoffe der ersten Art, welche die Secretionszellen der Niere so modificiren, dass
vermehrte Wasserabscheidung erfolgt, sind Harnstoff (Abeles) und Coffein
(v. Schkokdkr) erwiesen; verniuthlich wirken in analoger Weise auch die salini-
schen Diuretica, wohin vor Allem die fixen kohlensauren Alkalien, besonders
die Bicarbonate den Kalium, Natrium und Lithium, und diejenigen pflanzensauren
Real-Encyclopadie der gea. Pbarmacie. LH. 33
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51-1
DIURETICA.
Salze, welche nach ihrer Resorption in Carbonate Übergehen (Tartrate , Aeetate,
Citrate), ausserdem Chloride nnd niilchsaure und Salpetersäure Alkalisalze gehören.
Kohlensaures Natrium bedingt nach Versuchen von Münch zunächst Retention von
WaBser im Organismus und Verminderung der taglichen Harumenge ; nach Aufhören
der Zufuhr steigt die Wasserausscheidung so. dass mehr abgegeben wird als
ingerirt und in den ersten Versuchstagen zurückgehalten wurde. Die Vermehrung
der Diurese durch Natriumsalpeter und noch weit mehr durch Coffein findet auch
bei Äusserst niedrigem Blutdrucke statt, wo sonst keine oder nur eine sehr
geringe Abscheid ung besteht. Die Filtrationsgeschwindigkeit, welche Weikabt
als Ursache der diuretischen Wirkung der Alkaliverbindungen ansah, reicht nicht
ans, da die vou Weikart aufgestellte Reihe solcher Verbindungen nach ihrer
Filtrationsgeschwindigkeit (Natriumcarbonat , Chlorkalium, Natriumsulfat, Kalium-
nitrat, Chlornatrium und Natriumphosphat) keineswegs der Reihenfolge der
diuretischen Wirksamkeit dieser Mittel entspricht. Dagegen lässt sich nicht in Abrede
stellen, dass bei gewissen Nierenleiden die Wiederherstellung grösserer Harnmengen
damit im Zusammenhange steht, dass der Harnentleerung im Wege stehende Wider-
stände in den Harncanälchen (Faserstoffcylinder, Schleim) durch die stärkere Secre-
tion weggeschafft werden. Bei den Kalisalzen ist übrigens die Wirkung auf Herz
und Blutdruck ein nicht zu unterschätzender Umstand ; dasselbe gilt von den als
Diureticum viel gebrauchten alkalischen Säuerlingen und alkalisch-muriatischen
Wässern, bei denen die eingeführte Wassermenge durch Verstärkung des Blut-
druckes die Action steigert. Der Gehalt an Alkalisalzen und die Wassermengen
bei der Anwendung in Tisanenform sind übrigens auch die einzigen oder doch
wesentlichsten Factoren der gesteigerten Diurese bei Anwendung einzelner vege-
tabilischer, der Volksmedicin angehöriger Mittel, wie Arenaria rubra, Statte*'
Armeria, Carex arenaria, Bardana f Parietaria, Linaria, Linum, Heiichrysum
arenarium, Panicum, Juncus, Stigmata Maydü, Asparagus, und anderer als
THuretica emollientia zusammengefasster Medicamente. Das Gleiche gilt von der
neuerdings mit Recht bei Wassersucht dringeud empfohlenen Milch. Mit der Wirkung
der pflanzensauren Alkalien harmonirt der diuretische Effect der an citronen-
saurem Kalium und Calcium reichen Citronen und des Presssaftes der Johannis-
beeren, neben welchem auch andere Presssäfte , z. B. von Wassermelonen,
Mohrrüben, sowie die der zu Frllhlingscuren angewendeten Kräuter aus gleichem
Grunde diuretisch wirken. Ob die auch als solche bei Wassersucht verwendeten
organischen Säuren (Weinsäure, Milchsäure) noch durch eine steigernde Wirkung
auf den Blutdruck die Diurese fördern, steht dahin; gewiss ist, dass nach dem
Genüsse kohlensäurehaltigen Wassers die Harnmenge in den ersten Stunden weit
reichlicher ist, als nach der gleichen Menge gleich temperirten gewöhnlichen Wassers.
Die auf die Circulation wirkenden Diuretica weichen auch darin unter einander
ab, dass ihr Einfluss entweder auf den Kreislauf im Allgemeinen oder auf die
Circulation in die Nieren sich richtet. Das erstere ist der Fall bei den soge-
nannten Diuretica dynamica, zu welchen die beiden gepriesensten harntreibenden
Mittel, die Scilla und die JJigitali« gehören, welche durch Erregung kräftigerer
Contractionen des Herzmuskels und gleichzeitig auch durch Verengerung der
Gefässe den allgemeinen Blutdruck steigern. Ganz wie diese wirken Adonis.
Convallaria und verschiedene physiologisch nach Art des Digitalins wirkende
Mittel, die bei Hydrops im Gefolge von Herzkrankheiten ihre Hauptverwendang
finden. VerBuche erwiesen, dass die von dieser Gruppe der Diuretica mit Aus-
nahme von Strophanthus (Fräser) verursachte Gefässverengerung in der Niere
so stark sein kann, dass es zur gesteigerten Diurese nicht oder erst dann kommt,
wenn der Gefässkrampf nachlässt: auch kann die Wirkung der Digitalis am
Krankenbett mitunter durch ein stark auf die Gefässe Erweiternd wirkendes Mittel
(Amylnitrit, Nitroglycerin) wesentlich gesteigert werden (Brunton), indem dadurch
stärkere Gefässfüllung in den Nieren stattfindet. Auf die Erzeugung der letzteren
ist zum Theile auch der diuretische Effect des Alkohols, ganz besonders aber
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DIURETICA. — DIVIDIRTE PULVER.
515
derjenige der Diuretica calida 8. acria zurückzufahren, welche bei ihrer Elimina-
tion als solche oder in Form verschiedener ümwandlungsproducte direct auf das
Gefässsystem der Niere wirken , ohne die Secretionszellen wesentlich zu beein-
flussen. Zu diesen 8toffen, welche bei Application grosser Mengen geradezu Nieren-
entzündung unter Abnahme der Harnmenge, Abstossung von Nierenepithel und
Auftreten von Eiweiss und Blut im Harn bedingen können, gehören namentlich
diverse ätherische Oele (Terpentinöl , Wachholderöl , Copaivaöl , Senföl) , Harze
(Guajakharz) und Balsame (Terpentin-, Copaivabalsam), sowie Vegetabilien, welche
solche enthalten, wie Turiones Pini, Baccae et Lignurn Juniperi, Thuja, Sabina,
Sem. Sinapis, Sem. Erucae, Meerrettig, Sedum acre und namentlich eine Menge
von Pflanzen aus der Familie der Umbelliferen (Ligusticum, Petroselinum, Apium,
Anethum, Cerefolium u. A. m.); ferner Cantharidin und cantharidinhaltige Käfer.
Mit Unrecht zählt man zu den Diuretica solche Mittel, welche nur durch Be-
seitigung pathologischer Zustände, sei es der Niere selbst, sei es anderer Organe,
welche durch Druck auf die Niere die Harnabsonderung hemmen , sei es des
ganzen Organismus, die normale Diurese wieder herstellen könneu. Dahin gehören
die bei Nierenhyperämie und Albuminurie oft recht werthvollen Adstringentien
(Tannin, Bleizucker, Zinkvitriol;, das durch Wegräumung von Milzschwellung und
als allgemeines Tonicum oft" wirksame Chinin , das Eisencitrat u. A. m. Auch die
sogenannten Diurttica drastica (Outti, Coloquinthen, Elaterium), wirken wohl nur
indirect durch Beseitigung von Compression oder Blutuberfüllung. Sieht man aber
auch von diesen Diuretica indirecta #. symptomatica ab, so bleibt in der Classe
der harntreibenden Mittel noch eine 8erie übrig, die, obschon mitunter sehr
wirksam, nach dem gegenwärtigem Stande der Pharmakodynamik mit Bestimmtheit
keiner der besprochenen Abtheilungen zugewiesen werden können. Solche Diuretica
incertae sedis sind z. B. Spart ium Scoparütm, Geniata tinetoria, (Monis, Cainca,
Pareira brava , Cimicifuga racemoaa , Rhododendron chri/mnt/iutn , Pyrola
umbellata, Ballota lanata, von denen die letztgenannten möglicherweise durch
ätherisches Oel wirken. Th. HuBemann.
DiVBrgenZ (diu, auseinander und cergete, wenden). Wenn au eiuem Pflanzen-
theil eine Mehrzahl seitlicher Organe entspringt, wie namentlich Blatter an Stengeln,
so sind in Bezug auf die Anordnung dieser Organe zwei Fälle möglich. Entweder
liegen die Anheftungspunkte dieser Seitenglieder gerade Übereinander, dann fallen
ihre M e d i a n e u , d. h. die die Achse des Hauptgliedcs enthaltenden , die Seiten-
glieder symmetrisch theilendcn Ebenen , zusammen , oder die Anheftungspunkte
liegen nicht gerade übereinander, dann schneiden sich die Medianen unter irgend
einem Winkel. Dieser Winkel heisst die Divergenz der Seitenglieder und wird
gewöhnlieh in Bruehtheilcn des Umfanges des Haupt organes angegeben. Es würden
sich also z. B. bei 1 3 Divergenz die Medianen zweier Seitenglieder in einem
Winkel von 120° schneiden. C. Mylius.
DiVluirte PulVBr (dispensirte Pulver) sind in gefaltete Papierkapseln
(Palverkapseln) eingehüllte , in der zum directen Gebrauch bestimmten Menge
abgewogene, medicamentöse Pulver oder Pulvermischungen. Das Gewicht dividirter
Pulver ist verschieden und schwankt etwa zwischen 50 mg bis 5 — 10 g: die
am häutigsten angewendeten Gewichtsmengen sind 0.3 — 0.5 g. Bei Verwendung
sehr geringer Mengen stark wirkender Körper (Oentigramm bis Bruchtheile von
einem Milligramm) wird ein Zusatz von Zucker, Milchzucker, Gummipulver u. s. w.
gemacht, mit dem erstere fein verriebeu werdeu. Zur Anfertigung der dividirteu
Pulver bedient man sich der sogenannteu Pulverkapseln oder Pulverschiffchen,
von Horn gefertigt, in welche die einzelnen abgewogenen Dosen geschüttet werden,
um von hier aus in die Papierkapseln gefüllt zu werden. Für hygroskopische
Substanzen (Extract. Opii) oder flüchtige Stoffe fCamphora, Chloral. hydratum)
verwendet man Papierkapseln aus Wachs- oder Paraftiupapier ; für schleeht-
sebmeckeude Substanzen essbare Oblaten, s. Oblaten.
33»
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516
DIVIDIVI. — D0CT0R.1 ^it«
Dividivi, Libidibi, Samak, N anacascalote, Ouatta-pana, sind die
gerbstoffreichen Hülsen der in 8lld- und Mittelamerika heimischen Caesalpinia
corian'n Wil/d., eines 4 — 5 m hohen Strauches mit 6 — 7 paarigen Fiederblättern,
rispigem Blüthenstand mit gelben Blüthen. Die Holsen sind S- oder schnecken-
förmig eingerollt, in diesem Zustande 1.5 — 3.0cra lang; auseinandergerollt würde
die Lftnge bis zu 10 cm betragen. Die Breite betragt 2— 3 cm, die Dicke bis
0.5 cm. Beide Hälften sind mit einander fast völlig verwachsen, die Aussenseite
ist etwas glänzend kastanienbraun, das innere Gewebe ockergelb. Jede Hülse ent-
hält 2—8 linsenförmige, 5mm lange, glänzend braune Samen. Ein Strauch
liefert bis 50 k Hülsen.
Die Hülsen enthalten 30 — 50 Procent Tannin und finden zum Gerben und
Färben ausgedehnte Verwendung; ihr medicinischer Gebrauch ist auch in ihrer
Heimat unbedeutend. Der Hauptsitz des Gerbstoffes ist im Parenchym unmittelbar
unter der Epidermis. In Honduras stellt man aus ihnen mit einem natürlich
vorkommenden Eisensulfat Tinte dar, die als Nacascolo zum Färben dient.
Die Rinde der Pflanze, obscho'n sie nur 3 Procent Gerbstoff enthält, wird in
Nicaragua zum Gerben benutzt. Hart wich.
DiXOll'S antibiÜOUS PHl8 sind 0.15g schwere Pillen, aus je 8 Tb. Aloe,
Scammonium, liheum und 0.6 Th. Tartarus stibiatus bereitet.
Doberaner Zahntropfen, eine Mischung aus gleichen Theilen Tinctura Opn
crocata, Spiritus aethereus und Oleum Menthae piper.
DOChmiUS, Gattung der Nematoda. — S. Anchylostoma, Bd. I, pag. 368.
DOCtOr ist der Titel, mit welchem das Publikum in Deutschland den ausüben-
den Heilkünstler, Arzt, Chirurg oder selbst Thierarzt anzureden pflegt, gleichviel
ob derselbe die zur Erlangung der Doctorwürde vorgeschriebenen Bedingungen
erfüllt bat oder nicht. Diese Würde wird jetzt ausschliesslich von den Facultäten
der Universitäten , in Amerika auch von gewissen Colleges ertheilt. 8ie findet
sich zuerst in der Mitte des zwölften Jahrhunderts in Bologna als eine Auszeich-
nung für Juristen, denen damit die Fähigkeit zu lehren zugesprochen wurde. Zu
den Doctoren des Civilreehtes (Doctores legum) und des kanonischen Rechtes
(Ihctores decretorum j kamen im dreizehnten Jahrhunderte noch eigene Doctoren
des Notariats, die Doctores medicinae oder physicae, solche der Grammatik, der
Logik und Doctores philosojihiae et aliarum artium, auch Doctoren der Theologie.
Bis dahin, und in Italien noch weiter hinaus, mussten sich die bei den Univer-
sitäten gradnirten Nichtjuristen mit dem Titel TMagistri" begnügen, der für
die philosophischen Graduirten noch bis in dieses Jahrhundert hinein in Sachsen
festgehalten wurde und noch jetzt in Oesterreich und Russland an Pharraaceuten
nach abgelegter Prüfung an der Universität als ein dem Doctortitel nicht völlig
gleicher (Magister pharmaciae) ertheilt wird. Auch in den Vereinigten Staaten
wird der Titel Magister pharmaciae (Ph. M.) von den Colleges of Pharmacy als
eine höhere Würde an früher Examinirte, sogenannte Graduated in Pharmacy
<Pb. G.), auf Grund einer Dissertation (vom National College in Washington
unmittelbar nach der Prüfung) verliehen. Von Alters her knüpfte man in allen
Facultäten mit Ausnahme der theologischen die Erwerbung des Doctorgrades an
eine verschieden bemessene Studirzeit, ein oder mehrere Examina, eine öffentliche
Disputation, einen feierlichen Act, die sogenannte Promotion, bei welcher
letzteren dem die Doctorwürde Suchenden eine auf Pergament gedruckte Urkunde,
das sogenannte Doctordiplom, überreicht wurde, und die Zahlung einer Geld-
summe. Für Diejenigen, welche nur die Examina absolvirt hatten, wurde die nicht
eben classisclie Bezeichnung Doctorandus üblich, in der theologischen Facultit
auch der Name Licentiat, der früher auch als akademischer Grad Solchen
gegeben wurde, welche nur einzelne Examina gemacht hatten und aueh heute in
Spanien fLiccnciadu en farmacia) eine Zwischenstufe zwischen dem Doctor der Phar-
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DOCTOR.
517
macie und dem Baccalaureus (Backiller &n farmacie) bildet, wie der Phar-
maceut nach absolvirten Studien dort genannt wird. In einzelnen Staaten hat
man auch Doctordiplome nur auf Grnnd einer Arbeit ohne vorheriges Examen
ertheilt, doch ist diese „Promotto in absentia" mehr und mehr abgekommen,
weil wiederholt Betrügereien mit Unterschiebung fremder Arbeiten vorkamen, und
an preussischen Universitäten abgeschafft. Dagegen wird mitunter der Doctortitel
wissenschaftlich verdienten Männern , namentlich häufig bei Jubiläen , „honoris
causa", ohne Gebühren verliehen , hochverdienten Pharmaceuten namentlich auch
das Doctorat der Medicin.
In der älteren Zeit, besonders im 15. und 16. Jahrhundert, war das Doctorat
mit besonderen Ehren und Privilegien verbunden. Es gewährte den persönlichen
Adel , die 8tiftsfähigkeit , die Freiheit von Steuern und Kopfgeld , die Befreiung
von der FoUer in Criminalprocessen u. A. m. Diese hohe Achtung verlor sich jedoch
im Laufe der Jahrhunderte, und schon 1762 konnte man in Hessen Cassel bei
Aufstellung einer Rangordnung es wagen, die Doctoren in eine Rangclasse mit
den Kammerdienern, Hausconditoren , Büchsenspannern und Küchenschreibern zu
setzen, aus der man sie allerdings 1786 um zwei Stufen in die Gesellschaft der Hof-
prediger und Superintendenten promovirte. Jetzt ist das Doctorat in Deutschland ein
blosser Titel ohne Rechte, nothwendig nur für die akademische Carriere ; aber auch
hier ist die ursprüngliche Berechtigung jedes Doctors, an der Universität als Doctor
legen» Vorlesungen zu halten , aufgegeben und die Venia legendi von weiteren
Studien und Examina abhängig gemacht. Dies Sinken der Achtung des übrigens
noch immer sehr gesuchten Titels, und zwar nicht blos des ohne Examen erlangten
sogenannten Doctor bullutus, sondern auch wenn solcher durch Examina .erworben
wurde, ist zum grossen Theile darin zu sucheu, dass an mauchen Universitäten
besonders Ausländern gegenüber das als Rigorosum bezeichnete Doetorexamcn
sehr gelinde genommen wurde (nSumimus pecuniam et mittimus asinum in
^mtriam"). Dem in der neuesten Zeit von Buchanan* in Philadelphia betriebenen
Schwindel, ausschliesslich gegen Zahlung einer bestimmten Summe Doctortitel zu
vergeben, wodurch selbstverständlich dem Doctorat jede Bedeutung geraubt worden
wäre, ist durch die Gesetzgebung des Staates Pennsylvania ein Riegel vorgeschoben
worden. In einzelnen deutschen Staaten, z. B. in Sachsen, ist in Folge dieses
Schwindels mit dem sogenannten Dr. Philadelphiae die Führung des Doctortitels,
welcher vou Universitäten ausserhalb des Deutschen Reiches verliehen wordeu. nur
mit Genehmigung der Landesregierung gestattet. Ob die unbefugte Führung des
Doctortitels in Deutschland unter den § 360 des Strafgesetzbuches fällt , welcher
die unbefugte Annahme von Titeln , Würden oder Adelaprädicaten mit Geldstrafe
zu 150 Mark oder mit Haft belegt, ist juristisch zweifelhaft; dagegen ist die
Führung des Titels seitens eines Curpf uschers (s. Bd. III. pag. 355) strafbar,
weil dadurch der Glaube erweckt werden kann , dass der Betreffende die Bedin-
gungen zur Approbation als Arzt erfüllt habe.
Der Titel eines Doctor i>harmaciae existirt in Deutschland nicht , vielmehr
müssen die Pharmaceuten , wenn sie einen akademischen Grad erlangen wollen,
denselben bei der Facultät, der die Pharmacio zugeordnet ist, erwerben. Dies ist
nicht die medicin ische, sondern die philosophische, oder die von letzterer abgezweigte
naturwissenschaftliche Facultflt. Auf einzelnen Hochschulen , z. B. Göttingen , ist
die Pharmacie als Prüfungsgegenstand bei dem Doctorexameu statutarisch ausge-
schlossen. Die Vorbedingungen sind in Preussen Absolvirung der Maturitätsprüfung
und dreijähriges Studium.
In Oesterreich ist die Erwerbung des Doctorates der Pharmacie (häufig
auch Doctorat der Chemie genannt) an die Bedingungen geknüpft . dass alle zur
Erlangung des Magister iums (s.d.) vorgeschriebenen Erfordernisse erfüllt und
die drei strengen Prüfungen mit ausgezeichnetem Erfolge abgelegt, überdies in
einem dritten Universitätsjahre die Collegien über allgemeine unorganische und
organische, dann über analytische und pharmaceutische Chemie als ordentlicher
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518
DOCTOR. — DÖBEREINER S FEUERZEUG.
Hörer (wag ein Gymnasial-Maturitätszeugniss voraussetzt) frequentirt worden. Am
Ende des dritten Jahres hat der Candidat zwei durch das Los zu bestimmende
chemische Operationen vorzunehmen, darüber zugleich einen mündlichen Vortrag
zu halten, wahrend dieser Prüfung eine Dissertation Uber irgend einen chemischen
und verwandten Gegenstand vertheilen zu lassen und da, wo es bisher üblich war,
einige Streitsatze zu vertheidigen. Hinsichtlich der Promotion, der Beeidigung und
der Diplomausfertigung gelten die Normen der medicinischen Facultät (Min.
Erl. v. 14. Juni 1859, Z. 8759).
Auch in den Staaten , wo der Titel eines Doctor der Pharmacie existirt , wie
in Russland (hier neben dem Magistertitel, welche beide ihrem Inhaber eine Be-
vorzugung bei der Besetzung von Staatsapothekerstellen und die Fähigkeit zur
Bekleidung von Lehrerstellen an Universitäten verschaffen, wobei jedoch der Magister-
titel nur zur Erlangung eines Extraordinariats qualificirt), Holland und Italien ist
die durch Maturitätsprüfung bekundete höhere Allgemeinbildung eine der wesent-
lichen Vorbedingungen.
Literatur: Dieck, Art. Doctor in Ersch und Grnber, Encyclop. Bd. XXVI. — H. J.
Moeller, Den uuvaerende pharmacentiske Uddannelse. Kopenh. 1881. Th. Husemann.
Dodecaeder (kita«, zwölf) ist ein von zwölf congruenten Flüchen begrenzter
Körper. Dag Rhombendodecae*der findet sich in schöner Ausbildung bei den
Kryetalleu des Granates, Rothkupfererzes und Boracits; die Begrenzungsfliichen
sind Rhomben (Rauten). Die Trigonaldodccaeder, von gleichschenkeligen
Dreiecken gebildet, bei den Krystallen vou Fahlerz und Kieselwismut. Die Del-
toiddodecaeder, von Deltoiden , das ist Vierecken mit 2 Paareu gleicher
Seiten und einem Paar gleicher Winkel gebildet (man denke sich über dieselbe
Grundlinie nach oben und nach unteu mit verschiedenen Schenkeln je ein gleich-
schenkeliges Dreieck construirt) kommt beim Fahlerz etc., aber nicht als selbst-
ständige Form, sondern in Coinbinationen vor. Die Pentagondodeca i;derr
von 12 symmetrischen Fünfecken (ein symmetrisches Pentagon hat vier gleiche
Seiten und 2 Paare gleicher Winkel i beim Pyrit und Glauzkobalt. Das reguläre,
d. h. von gleichseitigen und gleichwinkligen Pentagonen begrenzte Dodecaeder
kommt als Krystall nicht vor, weil die Parameter seiner Flächen kein rationales
Verhültniss bilden. Mit Ausnahme des Rhombendodecaöders sind sümmtliche ange-
führten Dodecaeder Halbgestalten oder hemiedrische Gestalten.
Dodecandria, XI. Classe des Linne' scheu Pflanzensystems. Dodecandrische,
zwölfraännige Blflthcn besitzen 12—20 freie Staubgefässe.
Die Classe gliedert sich nach der Zahl der Stempel (1 , 2, 3 , 12) in die Ord-
nungen: Monogynia, Digynia, Trigynia, Dodecagynia.
Dodecandria ist bei Linne auch Name der 10. Ordnung der Classe Dioecia
(XXII) Sydow.
Dodekail. Ein Acther von der Formel C13HJ6, bei 200° siedend.
DÖbereiner S Feuerzeug. Diese interessante Zündmaschine beruht auf der
Eigenschaft des Platinschwammes , durch darauf strömendes Wasserstoffgas in's
Glühen gebracht zu werden und dann den Wasserstoff zu entzünden. Das auf
diesen Principien basirte DöBKREJNEB'sche Feuerzeug, auch Wasserstofflampe genannt,
reprä.scntirt einen perpetuirlich wirkenden Wasserstoff Entwickelungsapparat, der in
oft «ehr elegantem Gewände in feinen Salons sich vorfindet. Das Wesentliche
dieses Salonfeuerzeuges ist der durch den Deckel oder eine Platte verschließbare,
zum grftssten Theil mit verdünnter Schwefelsäure gefüllte Cylinder. In diesen
taucht ein zweiter, oben und unten offener, kürzerer und engerer Cylinder, oder
eine nach oben verjüngte Glasflasche ohne Boden, ziemlich bis auf den Boden des
ersten Cylinders hinab. Der Hals des zweiten Cylinders wird durch den Deckel
des ersten Cylinders hermetisch geschlossen. In diesen zweiten Cylinder, reep. die
Flasche, ragt, im Deckel befestigt, ein Zinkkolben. Durch den Deckel geht in-
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DÖBEREINEBS FEUERZEUG. — DOGWOOD. 519
mitten des Verschlusses der zweiten Flasche eine feine, durch einen Metallhahn
verschliessbare Oeffnnng. Wird dann das Feuerzeug zusammengestellt, so taucht
man den mit dem Zinkkolben versehenen Cylinder in das Schwefelsäuregefäss unter
gleichzeitiger Oeffnung des Hahnes. Steht die Schwefelsäure in beiden Gefässen
gleich hoch, so wird der Hahn geschlossen. Der sich dann entwickelnde Wasser-
stoff sammelt sich in dem innern Gefasse, und da er durch den Hahn nicht ent-
weichen kann, drangt er die Flüssigkeit abwärts so lange, bis dieselbe unter dem
Zinkkolben steht, womit die weitere Gasentwickelung sofort aufhört. Damit ist das
Feuerzeug zu continuirlichem Gebrauche fertig. Oeflhet man nun den Hahn, so
strömt das Wasserstoffgas aus, die Flüssigkeit steigt im zweiten Gefasse wieder,
der Zinkkolben taucht wieder in die Saure und die Wasserstoffentwickelung beginnt
von Neuem. Das aus dem Metallhahn ausströmende Gas wird auf einen Platin-
Bchwamm dirigirt, der die Entzündung des Gases veranlasst. Die Art und Weise,
wie das Platin hier eigentlich wirkt, ist bis heute noih nicht recht erklart, und
wird als katalytische Wirkung bezeichnet. Gauswindt.
DÖglingsälire nennt Scharling eine aus dem Döglingthran gewonnene,
flüssige, der Oelsäure sehr ähnliche Fettsäure. Sie ist bei gewöhnlicher Temperatur
flüssig und wird bei einigen Graden über 0 fest. Salpetrige Säure verwandelt sie
in DöglingelaYdiusäure. Ob sie, wie Scharling meint, das nächst höhere Homologe
der Oelsäure 0,6H85O2 ist, oder ein Gemenge verschiedener Säuren, ist noch nicht
entschieden. Benedikt.
Döglingthran. Hnile de Rorqual rostre, Doegling oil, Bottlenose oil. Dieses
Fett stammt vom Dögling, Hypercodon rostratus, einem der Familie der Cetaceen
angehörigen Fische. Der Döglingthran nähert sich in seiner Zusammensetzung
dem Pottwalthran und setzt, wie dieser, in der Kälte reichlich Spermacet ab. Der
flüssige Antheil besteht zum grossen Theile aus dem Döglingsäureester des Dodecatyl-
alkohols, C1B H89 09 . Cta H26.
In Bezug auf sein spec. Gew. , auf die Löslichkeit in Eisessig , auf das Ver-
halten gegen Schwefelsäure, salpetrige Säure, zeigt dieser Thran die grosste
Aehnlichkcit mit dem Pottwalthran, zu dessen Verfälschung er dient, indem
er bedeutend niedriger im Preise steht. Der Döglingthran hat häufig einen un-
angenehmen Geruch , welcher daher rührt , dass der Speck meist erst nach der
Rückkehr der Schiffe zur Fettgewiunung ausgekocht wird (Allen). Benedikt.
DOQ-ballS (Hundepillen) von Boldt in Genf sind 0.15 g schwere Pillen, aus
2 Th. Aloe und 1 Th. Radix Gentianae bestehend.
Dogwood ist der engl. Name für Comus, von welchem drei Arten (C. cir-
cinata L'Herit. , C. Horida L. , C. sericea II Herit.) von Ph. Un. St. aufge-
nommen sind. Man verwendet die Rinde als Tonicum und Autitypicum.
Anatomisch ist sie cbarakterisirt durch den grosszelligen Kork , welcher nach
aussen durch eine Reihe hufeisenförmig verdickter Zellen abgeschlossen ist, durch
den Mangel der Bastfasern in der Innen rinde , welche erst im Alter Steinzellen-
gruppen bildet, endlich durch Einzelkrystalle im Bastparenchym und in den Mark-
strahlen.
In neuerer Zeit kommt als J a m a i c a D o g w o o d die Wurzelrinde von Pis-
cidia Erythrina L. (Papilionacrae) in den Handel und wird als Hypnoticum
und Anodynum gerühmt. Die Rinde ist sehr hart, am Bruche blätterig-splitterig.
Der Bast ist durch Bastfaserbündel , welche allseitig von Krystallkammerfasern
umgeben sind, geschichtet. Auch die Siebröhren treten regelmässig in tangentialen
Strängen auf. Die Markstrahlen sind meist dreireihig. Steinzellen fehlen. Zerstreute
Zellen enthalten eiue harzartige Substanz.
Als wirksamen Bestandteil betrachtet mau das P i s c i d i n , einen in fast
farblosen Prismen krystallisirenden , in Wasser unlöslichen Körper von der Zu-
sammensetzung C2„ H2, 08 (Hart). j. Moeiier.
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520
D0K1MASIE. — DONKERKRAUT.
Dokimasie, DokimaStik, die in der metallurgischen Technik benutzte
Prüfung und quantitative Bestimmung des Metallgehaltes der Erze und Legirungen
(Probirkunst).
Die Ausführung der dokinietrischen Bestimmungen geschieht auf trockenem
Wege, durch Schmelzprocesse in zum Theil eigentümlichen, nur dazu verwendeten
Gefässen und erfordert grosse technische Fertigkeit.
Die Metalle, um welche es sich hierbei handelt, sind vorwiegend Gold, Silber,
Kupfer, Blei, Wismut, Zinn, Nickel, Kobalt, Quecksilber. Dieselben werden bei
den Processen entweder in reiner metallischer Form als Kflgelchen gewonnen,
oder durch Zusatz gewogener Mengen anderer Elemente (Silber) als Legirung
erhalten und gewogen.
Als Reductionsmittel dienen Borax, Soda, Stärkemehl, Graphit u. a., als Schmelz-
gefftsse Knochenschälchen (aus weiss gebrannten Knochen), kelchförmige Thontiegel,
Kobleprisraeu u. s. w.
In der* technischen Sprache bedeutet 1 Centner = 100mg, s. Probir-
kunst.
Dolde (Umhella) ist ein racemöBer (botrytischer) , d. h. in acropetaler Folge
sich entwickelnder Blflthenstand , bei welchem aus dem Gipfel der unterdruckten
Bluthenspindel annähernd gleich lange Blüthenstiele sich entwickeln (z. B. Gornwt
mas). Trageu die letzteren statt einzelner BlUthen Döldchen, so entsteht eine
zusammengesetzte Dolde (z. B. die meisten Um belli ferne). Dolde und
Doldchen pflegen von Nebenblättern gestutzt zu sein, welche man als Hülle
( involucrum ) und H ü 1 1 c h e n ( involucellum ) unterscheidet.
Es können in derselben Inflorescenz auch Aehren und Köpfchen doldig gruppirt
sein oder aus Dolden können sich in basipetaler Entwicklungsfolge Wickel und
Schraubel zusammensetzen. Gemeinbin nimmt man aber auf diese complicirten
Verhältnisse in der beschreibenden Botanik keine Rücksicht; man geht in der
Bequemlichkeit häufig sogar weiter und spricht vou doldigen Blüthenständen, wenn
nur der Habitus einer Dolde vorhanden ist.
DoÜChOCephalen, s. Brachycephalen, Bd. II, pag. 365.
DOÜChOS, LiNXE'sche Gattung der Papilxonace.ae, Gruppe der Phaseoloideae,
deren Arten jetzt zu anderen Gattungen gezogen werden.
Doli cli os Soja L., s. 8oja, Dolichos urena L. und 1). pruriens L.,
s. Mucuna. Hartwich.
Dolomit ist eine aus kohlensaurem Kalk und kohleusaurer Magnesia bestehende
Gesteinsart. Durch Ablagerung von Talk und Glimmer erhalten die Dolomite häufig
ein schiefrigea Aussehen. Sie verwittern leicht.
Dom nennt man den für Bünden 'sehe oder MASTE'sche Brenner und Lampen
auf dem an der oberen Mündung des Gasrohres aufgeschraubten Sternring ruhenden
Flammenmantel . der also lediglich den Zweck hat . eine zu grosse Ausstrahlung
vou Wärme zu verhindern , und die letztere möglichst auf den zu erwärmenden
Körper zu concentrireu. Ganswind t.
DonaX ist eine von Pallas aufgestellte, mit Arundo L. synonyme Gattung
der Gramineae. — Donax Lour. ist synoym mit Maranta Fluni.
DofHie'S Probe auf Eiter (im Harn) besteht darin, dass man zu dem Harn-
sediment ein Stückchen Actzkali gibt und umrührt, wobei der Eiter grünlich und
dichter wird und zuletzt einen Klumpen bildet.
Donnerkeil oder Oonner8tein, s. Dactylus Idaeus.
Donnerkraut ist Herba Sempervivi. — Donnerrebe ist Herba Hederae
terrestri*. — DonnerWUTZel ist Radix Aristolochiae cavae.
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DONOVAN'S LIQUOR ARSENICALIS. — DOPPELBRECHUNG.
521
DonOVan S Liquor arsenicaÜS ist eine Jodarsenik enthaltende Lösung
(Liqueur jodoarsenicale de Donovan). Nach Boüchaedat wird dieser Liquor be-
reitet durch Lösen von 0.2g Arsenicum jodatum, 0.4g Hydrargyrum bijodatum
und 4 g Kalium jodatum in 120 g Aqua destill. — Hebra hat den Liquor abge-
ändert und lässt ihn folgendermaassen bereiten: 1.25 g Aeid. arsenicosum, 3.25g
Hydrargyrum und 2.5 g Jod werden, mit Spiritus befeuchtet, in einer Reibschale
verrieben, bis ein gleichmässiges Pnlver entstanden ist ; dieses wird in einer Mischung
von 40g Jodwasserstoffsäure (aus lg Jod bereitet) und 540g Aqua destill, durch
Schütteln gelöst.
Doppeladler, auch Salzburger Vitriol genannt. Ein durch Zusammenkrystal-
lisiren erhaltenes Vitriolgemisch aus 76 Procent Eisen- und 24 Procent Kupfer-
vitriol.
Doppelbrechung. Die Brechung des Lichtes nennt man die Eigenschaft des-
selben, in Folge seiner ungleichen Fortpflanzungsgeschwindigkeit in verschiedenen
Medien beim Eintritt in ein neues Medium , wenn der Einfallswinkel kleiner als
90° ist, an der Grenze unter einem Winkel abgelenkt zu werden. Bei dieser ein-
fachen Brechung, welche in allen strncturlosen amorphen und in den krystallislrteu
8toffen des regulären Systemes stattfindet, bleiben nach dem SNELL'schen Brechungs-
gesetze der einfallende und der gebrochene Strahl in derselben Ebene und die
Sinus des Einfalls- und des Brechungswinkels verhalten sich zu einander wie die
Geschwindigkeiten des einfallenden und des gebrochenen Strahles , so dass wir
letztere aus ersteren und umgekehrt bestimmen können. Die Doppelbrechung
beruht in der Hauptsache auf denselben Grundsätzen, aber mit der Abweichung,
dass an der Grenze des zweiten Mediums der einfallende Strahl in zwei ge-
brochene Strahlen getheilt wird, von denen nur einer die beiden Bedingungen
des SNELL'schen Gesetzes erfüllt, der andere aus der Ebene des einfallenden
Strahles abweicht und eine andere, schnellere oder langsamere Fortpflanzungs-
geschwindigkeit hat, welche zu derjenigen des einfallenden Strahles nicht in dem
geraden Verhältnisse der Sinus von Einfalls- und Brechungswinkel steht. Der
erstere gebrochene Strahl wird der ordentliche oder gewöhnliche, der
letztere der ausserordentliche oder ungewöhnliche genannt.
Als Ursache dieser Erscheinung müssen wir eine besondere molekulare oder
atomistische Strnctur annehmen, welche das Licht nöthigt, in dieser besonderen
Weise zu schwingen; denn sowohl das entstehende wie das sich fortpflanzende
Licht besteht in Schwingungen materieller Atome. Wir sind zu dieser Annahme
umsomehr berechtigt, als die Art des atomistischen Aufbaues unzweifelhaft auf
das Engste mit der äusseren Strnctur zusammenhängt, namentlich bei den kry-
stallisirten Stoffen. Es zeigen die letzteren mit Ausnahme derjenigen des regulären
Systemes sowie viele Gebilde des pflanzlichen und thierischen Organismus Doppel-
brechung.
Huyghens, der Entdecker der Doppelbrechung, charakterisirt die Wellenober-
flfiche des ordentlichen und des einfach gebrochenen Lichtes, welches von jedem
Punkte aus sich allseitig strahlenförmig radial gleich schnell ausdehnt, als eine
Kugel, diejenige des ausserordentlichen Strahles als ein Ellipsoid (eine abgeplattete
oder nach den Polen ausgezogene Kugel) , in dessen längerer Achse das Licht
sich schneller, in dessen kürzerer Achse dasselbe sich langsamer fortpflanzt. Treffen
nun bei der Doppelbrechung zwei so abweichend gestaltete Wellenoberflachen in
der Art zusammen, dass die elliptische Welle die kugelförmige umsckliesst (Fig. 82),
so fallen der Kugeldurchmesser und der kleinste Durchmesser cd des Ellipsoids
zusammen und nur in dieser Richtung findet keine Doppelbrechung statt, dagegen
in allen anderen , und der ausserordentliche Strahl pflanzt sich schneller als der
ordentliche Strahl fort, am schnellsten in der Richtung des längsten Durchmessers
ab. Dieses ist in der Tbat bei den negativen Kry stallen des quadratischen
Systemes der Fall , dessen Grundform das Rhomboeder (isländischer Doppelspat),
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DOPPELBRECHUNG.
dessen Hauptachse kürzer als die Nebenachsen ist. Umachliesst dagegen die kugel-
förmige Welle des ordentlichen die ellipsoidische des ausserordentlichen Strahles
(Fig. 83), so fällt der Kugeldurchmesser mit dem langen Durchmesser des Ellipsoids
zusammen und der sich in der Richtung a £>, des kleinen Durchmessers des Ellip-
soids, fortpflanzende ausserordentliche Strahl ist langsamer als der ordentliche
Strahl ef. Nur in der Richtung cd laufen beide Strahlen zusammen und findet
keine Doppelbrechung statt. Solches zeigen die positiven Erystalle des hexa-
gonalen Systemes (Bergkrystall), in welchen die Hauptachse langer ist als die drei
Nebenachsen. Die Krystalle der genannten beiden Systeme heissen daher ein-
achsige doppelbrechende, weil nur in einer Achse keine Doppelbrechung
erfolgt. In den Krystallen der anderen drei Systeme, des rhombischen, des mono-
klinischen und des triklinischen, gehorchen beide Strahlen, der ordentliche wie der
ausserordentliche, dem SNELL'schen Gesetze nicht und sind beide durch ellipsoidische
Wellenoberflächen charakterisirt ( Fig. 84), welche sich in ihren langen Durchmessern
a b und c d kreuzen. Hier gibt es zwei Richtungen , in welchen der ordentliche
und der ausserordentliche Strahl gleich schnell zusammen laufen nnd keine Doppel-
brechung stattfindet. Es sind dies die diagonalen Verbindungslinien ef und g h
der >ier Schnittpunkte der Ellipsen. Diese Krystalle werden zweiachsige
doppelbrechende genannt.
Flg. 82. Fig. 83. Fig. 84.
C C
d d
Stark ausgeprägte Doppelbrechung, also grosse Wegdifferenz zwischen dem
ordentlichen und ausserordentlichen Strahle, gibt sich bei durchsichtigen Medien
dadurch zu erkennen, dass in allen Richtungen ausser iu der Hauptachse von
durch dieselben betrachteten Objecten zwei Bilder erscheinen. Bei grossen Bildern
ist nur eine Verschiebung der sich nicht deckenden Conturen bemerkbar. Kleine
Bilder erscheinen ganz getrennt und rotiren um einander beim Drehen des Kry-
stalle» um den einfallenden Strahl , wobei das Bild des schnelleren , weniger ge-
brochenen Strahles die Mitte einnimmt, eventuell den kleineren inneren Kreis be-
schreibt. Schwache Doppelbrechung entzieht sich so der Beobachtung.
Die Doppelbrechung zeigt besondere Beziehungen zu der Polarisation des Lichtes.
Jeder, auch der einfach gebrochene Strahl ist mehr oder weniger polarisirt, d. h.
die unzähligen Schwingungsebeuen desselbeu , welche die Fortpflanzungsrichtung
senkrecht kreuzen, sind in eine einzige vereinigt.
In diesem Falle bewegen sich die Schwingungen in derjenigen Ebene, welche
der einfallende und der gebrochene Strahl mit einander machen. Bei der Doppel-
brechung gilt dieses nur fflr den ordentlichen Strahl, der ausserordentliche Strahl
wird auch polarisirt, seine Schwingungsebene steht aber rechtwinklig auf der ge-
nannten Ebene und auf den Schwingungen des ordentlichen Strahles. Je stärker
die Doppelbrechung, desto vollständiger die Polarisation. Ausgezeichnet sind der
isländische Doppelspat, der Turmalin . der Herapathit, Doppelsalze des Platins,
die meisten Alkatoide.
Das p o 1 a r i s i r t e Licht (»«.Licht und Polarisation) vermag die Doppel-
brechung auf zweierlei Art sichtbar zu machen, wenn die letztere stark ausgeprägt
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DOPPELBRKCHUNG. — DOPPEL VITRIOL.
523
ist, durch eine Drehung der Polarisationsebene des Analysators des Polarisations-
apparates, in Folge dessen nicht wie ohne das Object die grösste Verdunklung des
Gesichtsfeldes bei rechtwinklig gekreuzten und die grösste Helligkeit bei parallel
gestellten NicOL'scheu Prismen, sondern bei anderen Winkeldrehungen des Analy-
sators eintritt. Ein weiter reichendes Mittel bieten die Interferenzfarben , welche
bei geeigneten Dicken des Objectes nur doppelbrechende Körper zeigen, wodurch
das Polarisationsmikroskop dem gewöhnlichen Mikroskope an Fähigkeit der Diffe-
renzirung von Structurtheilen der Objecte weit überlegen ist. Die farbigen doppel-
brechenden Körper zeigen sämmtlich Dichroisrous, eine andere Farbe im durch-
fallenden als im auffallenden Lichte. Bei der Doppelbrechung verschwindet der
eine Strahl durch Absorption, der andere wird durchgelassen.
Die Doppelbrechung gibt auch der Mineralogie ein Mittel, in zweifelhaften
Fallen, in denen die äussere Gestalt der Mineralien nicht ausgebildet oder zer-
stört worden ist, um zu entscheiden, welchem Kryetallsysteme dieselben angehören.
Bei geeigneter Durchsichtigkeit und seukrecht zur Hauptachse abgespalten oder
geschliffen, zeigen solche Krystalie symmetrische Figuren in den Farben der Newton-
sehen Ringe, und zwar die einachsigen doppelbrechenden, durch ein rechtwinkliges
Kreuz unterbrochene concentrisebe Kreise, die zweiachsigen doppelbrechendeu zwei
neben einander liegende ovale Ringsysteme von einigen elliptischen Ringen zu-
sammen umschlossen.
Das Polarisationsmikroskop eignet sich nicht zu solchen Beobachtungen wegen
zu starker Vergrößerung der Figuren und Vertheilung, also Schwächung der
Farben, wohl aber die Turmalinzange und eigens zu diesem Zwecke hergerichtete
Polarisationsapparate.
Auch doppel brechende organische Gebilde, wie die Stärkekörner, zeigen ähnliche
Erscheinungen, nicht die Ringfiguren, wohl aber die Unterbrechungen derselben
in Gestalt für die Stammpflanzen charakteristischer Kreuze oder Curven, welche
bei parallelen Nicols farblos, bei gekreuzten Nicoig schwarz erscheinen. Giuge.
Dopp6lCyanid6 sind Verbindungen der in Wasser unlöslichen Cyanide der
Schwermetalle mit Cyankalium. Derartige Doppelverbindungen sind in Wasser
meist löslich und gut krystallisirbar ; vergl. auch Cyanverbindungen.
Doppelmuffe, ein zur Ausrüstung der als Apparatenhalter dienenden Stative
gehöriges Requisit. S. Muffe und Stative.
Doppelsalz fAreanum duplicatum, Sal de duobus, Tartarus vitriolatus », ein alter,
ans der frtlheren Art der Darstellung hergeleiteter Name fttr Kalium sulfuricum.
Doppelsalze sind solche Salze mehrbasischer Säuren, in welchen die Wasser-
stoffatome durch verschiedene Metalle vertreten sind, wie z. B. Kaliumnatriumsulfat
KNaSO,, Natriumammoniumphosphat H Na (N H4 ) P 04 u. s. w. Diese Salze stehen
mit den Forderungen der Werthigkeitstheorie durchaus im Einklaug. Dasselbe lässt
sich jedoch nicht sagen von den ebenfalls als Doppelsalze bezeichneten Verbin-
dungen, welche ihre Existenz der Vereinigung sogenannter Haloidsalze verdanken :
AgCI,NaCl Silberchloridchlornatrium, 2 KCl, PtCl4 Kaliumplatinchlorid; da hier
die einfachen Salze schon gesattigte Moleküle sind, so betrachtet man diese Doppel-
salze als moleculare Verbindungen und nimmt an, dass hier andere Anziehuugs-
kräfte thätig sind, als die, welche in der Wertigkeit der Elemente ihren Aus-
druck finden. Jehn.
Doppelte Buchführung, s. Apotheker-Buchführung, Bd. I, pag. 471.
Doppelvitriol oder gemischter Vitriol ist kein eigentliches Doppelsalz, sondern
mir ein durch Zusamraenkrystallisiren von Eisen- und Kupfervitriol erhaltenes
Salzgemisch von verschiedener Zusammensetzung. Hierhin zählen der sogenannte
Salzburger mit 76 Procent, der Admouter mit 83 Procent und der Doppeladmonter
mit 80 Procent Eisenvitriol.
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5*4
DOPPEL WASSERGLAS. — DORONlCUiL
DoppelwaSSerglaS ist ein Gemisch aus Kalium- und Natriumwasserglas und
wird nach Döbereinbr erhalten durch Zusammenschmelzen von 152 Th. Quarz-
pulver, 57 Th. calcinirter Soda und 30 Th. Pottasche.
Dorailt, volksth. Bezeichnung für verschiedene Pflanzen, so für Marrubium,
Ptarmica, Antirrhinum, Doronicum, Gentiana.
Dorema, Gattung der Umhelliferae , Unterfam. Peucedaneae , Charakter-
pflanzen des persischen Hochlandes. Der dicke, nur Blattscheiden und Grundblatter
tragende Stengel wird über mannshoch. Die halbe Höhe der Pflanze nimmt der
rispige Blflthenstand ein , auf dessen Zweigen die hüllenlosen , einfachen Dolden
wie Köpfchen sitzen. Die Blüthen sind zwitterig, weiss oder gelb. Die Frucht ist
sehr flach, länglich eiförmig, schmal geflügelt, schwach gerippt, in den Thälchen
einstriemig, auf der Fugenseite zwei- bis vierstriemig.
Dorema Ammoniacum Don besitzt einen grossen, rübenförmigen, ander
Spitze Ästigen Wurzelstock , welcher frühestens im 5. Jahre den Blütheuschaft
treibt. Dieser wird bis 2.5m hoch, ist hohl, durch Scheidewände gegliedert, in
der Jugend weissflaumig, später ganz kahl, gestreift, in der oberen Hälfte einfach
verzweigt. Die grossen dreizähligen Grundblätter umscheiden die Stengelbasis, ihre
Abschnitte sind einfach- oder doppelttiedertheilig, die Blättchen ganzrandig, lederig,
etwas herablaufend. Die Blüthen sind weiss, weichhaarig, die Früchte mit starken,
die Rippen überragenden Striemen.
Der in allen Theilen der Pflanze reichlich enthaltene Milchsaft (Gummiharz)
ist das Ammoniacum (s. Bd. I, pag. 298).
Dorema Aucheri Boiss. und I). robust um Loßus haben dreifach-
fiedertheilige Grundblätter mit schmalen Blättchen , gelbe Blüthen und undeutlich
gestriemte Früchte.
Dorema aureum Stocks ist nicht näher bekannt. Die drei letztgenannten
Arten liefern ebenfalls Gummiharz, doch gelangt es entweder nicht in den Handel
oder es wird von Ammoniacum nicht unterschieden.
Dorn (spinn) heisst in der beschreibenden Botanik ein in eine stachelige Spitze
umgewandeltes Stengel- oder Blattgebilde. Zweigdornen hat z. B. die Schlehe,
Blattdornen der Sauerdorn, die Robioie. Von den Stacheln unterscheiden
sie sich wesentlich dadurch , dass die letzteren Oberhautgebilde sind, daher keine
Gofässbündel euthalteu und leicht von ihrer Unterlage abgebrochen werden können.
Domapfel, volksth. Bezeichnung für Datum Strammonium L.
Domstein bildet sich bei der DorngrafJirung oder Tröpfelgradirung der Salz-
Soole als harter, gelblich- bis graulich - weisser krystallinischer Ueberzug auf den
Zweigen der Dornwände, welche meist aus Prunus spinosa gebaut werden. Die
Zusammensetzung des Dornsteins ist zwar abhängig von der der Quellsoole , doch
weichen die Dornsteine in den verschiedensten Sooleu nur wenig von einander ab.
In der Hauptsache besteht er aus krystallinisckem Gyps mit grösseren oder geringeren
Mengen von kohlensaurem Kalk. Wenn uach einigen Jahren der Dornstein zu
stark wird, müssen die Dornen herausgenommen und durch neue ersetzt werden.
Der Dornstein gibt getrocknet und gemahlen ein vorzügliches Düngemittel und
eignet sich wegen seiner Härte und seiner leichten Durchlässigkeit zum Be-
streuen von Wegen, die durch ihre helle Farbe einen sehr freundlichen Eindruck
machen. Ganswind t.
DorOniCUm. Gattung der Compositae, l'nterfam. Senecioneae , charakterisirt
durch den nackten Blütbenboden, dio kopfig abgestutzten Griffelschcnkel und den
haarigen Pappus, welcher jedoch den randständigen Früchten fehlt.
Doronicu m Parda Manches L., Gamswurz, Kraft- oder Schwindel-
würz, ist eine ausdauernde rauhhaarige Pflanze des Hochgebirges. Das höchstens
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DORONICUM. — DOSIMETRIE.
525
kleinfingerdicke Rhizom treibt Ausläufer, langstielige, herzförmige Grundblätter und
einen bis über meterhohen Stengel mit nach oben zu umfassenden und sitzenden
Blättern. Die terminalen gelben Blflthen erinnern an Amica.
Radix D&ronici galt mit Unrecht für giftig. Sie schmeckt, wie übrigens die
ganze Pflanze, bitter und scharf.
Die Aehnlichkeit mit ^Irntca-Blüthen lässt eine Verwechslung zu. Alle Doro-
nicum Arten haben aber viernervige Zungenblttthen und sind daran , sowie an
dem abgestutzten Griffelschenkel und an den pappusfreien Randblttthen leicht zu
erkennen.
DOrSCh heissen mehrere Gadus- Arten (s. d. und Oleum Jecoris).
DOPStsniä, Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Moraceae, aus-
gezeichnet durch ein achselständiges, lang gestieltes Receptaculum, auf welchem
Blütheu beiderlei Geschlechtes sitzen, und zwar die mit 2 Staubgefässen wenig
eingesenkt, die Q mit zweispaltigem Griffel in tiefen Gruben. Aus den letzteren
entwickeln sich Steinfrüchte.
Dorstenia GontrajervaeL. im tropischen Amerika, besitzt einen cylin-
drischen , ein- oder zweiköpfigen Wurzelstock , aus welchem langgestielte , fieder-
schnittige, buchtig gezähnte Grundblätter entspringen. Das Receptaculum ist
schildförmig-quadratisch, am Rande gelappt.
Das Rhizom dieser und anderer Arten gilt in den Heimatländern als Mittel
gegen Schlangenbiß und Fieber.
Dosimetrie. ÄTs Dosimetrie oder dosimetrische Medicin wird ein von
dem Genter Chirurgen Burggrakve eingeführtes und jetzt in Belgien, Frankreich,
Holland , Italien und Spanien verbreitetes Verfahren der Krankheitsbehandlung
bezeichnet, dessen Grundlage die ausschliessliche Verwendung chemisch reiner und
meist stark wirkender Arzneistoffe in steigender Dosis bis zur Erzielung physio-
logischer Wirkungen ist. Der Name (von o*6fft;, Gabe und uirpov, Maas») ist
gewählt, weil die Medicameute in genau abgemessenen Gaben dargereicht werden,
wozu sich die Anhänger der Methode der homöopathischen Streukügelchen (Granules)
aus Milchzucker, die mit einer Lösung der activen Stoffe imprägnirt sind, ausnahms-
weise auch aus indifferenten Materialien dargestellter Pillen, Pulver, sowie der
Leimformen bedienen. Die Materia mediea der dosimetrischen Medicin, wie sie von
Burggraeve aufgestellt wurde, besteht mit Ausnahme von wenigen mehr indiffe-
renten Pflanzenstoffen (Cubebin, Quercin, Asparagin, baldriansaure Salze) vor-
waltend aus den Alkaloiden (Aconit in, Atropin , Brucin , Col chicin, Coniin,
Daturin, Hyoscyamin, Picrotoxin, Strychnin, Veratrin) und Glycosidon (Bryonin,
Digitalin, Eiaterin , Sc Mit inj , ausserdem aus verschiedenen, mehr oder minder
stark wirkeuden unorganischen Stötten , wie Jod , Calciummouosulfat (das Haupt-
mittel der Dosimetrie bei Diphtheritis) und eine reiche Suite vou Arsenikalien.
Neuerdiugs hat Renterghhm den fraglichen Arzneisehatz noch bedeutend erweitert.
Die stärksten Mittel werden zu \, 2, andere zu 1 mg, die schwächeren zu 1 cg im
Anfange gegeben, welche Mengen auch die in der auf Bdrggkaeve's Veranlassung
in Paris gegründeten Fabrik des Apothekers Chanteaid gefertigten Granulös
dosimetriques, welche die fragliche Firma in Schachteln mit 10 Röhren & 20 Granules
ihren Abnehmern liefert, enthalten sollen. Die einzelnen Mittel werden ent-
weder für sich oder combinirt, in letzterem Falle, um neben dem Hauptfactor der
Krankheit (Dominaute der Dosimetriker) aueh die mitwirkenden Ursachen
( Variante) zu bekämpfen, gegeben, in fieberhaften Affeetionen namentlich im
Beginne in sehr kurzen Intervallen ( l:t — 1 2 Stunde), um dem Entstehen örtlicher
Veränderungen vorzubeugen. Eine Kritik der Methode selbst gehört nicht hierher;
dagegen muss bezüglich der von Burggkaeve eingeführten Form der Streu-
kügelchen geltend gemacht werden, dass dieselbe für die wirklich exaete Dosirung
sehr ungünstige Chancen bietet, wie denn auch Wefers Bettink die Ch a N T ka u p* seh en
Granules ganz ungenau dosirt fand, und dass ausserdem manche der in Chantkaud's
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DOSIMETRIE. — DOSIS.
Granules vorhandenen chemischen Pflanzenstoffe (Scillitin, Elaterin) nach der hohen
Dosirung keine reinen Stoffe sind.
Literatur: Van Rentorgbem, Corapendium de medecine dosimetrique (Preisschrift).
Paris 1886. Th Husemann.
DoSirungsflaSChe, eine für den Gebrauch des Patienten bestimmte Flasche,
die bei Umkehrung und gewisser Stellung des Stöpsels erlaubt, dass der hohle
Stöpsel, der gerade den Inhalt eines Esslöffels oder Kaffeelöffels fasst , sich füllt.
Nactj Drehung des Stöpsels um seine Axe wird die Verbindung zwischen Stöpsel
und Flasche unterbrochen und der Patient kann, nachdem die Flasche in ihre
richtige Stellung zurückgebracht und der Kork von dem Tubus im Stöpsel entfernt
worden ist, direet aus dem Stöpsel der Flasche die Medicin nehmen.
Dosirungsgläser, Ei nnehmegläser, sind kleine etwas conische Trink-
gläser mit glattgeschliffenem Rand, die in der Wandung Striche und die betreffen-
den Bezeichnungen „Esslöffel, Kaffeelöffel" oder „5ecm, lOccm" tragen und zum
bequemeren und sicheren Eingeben von Arzneien dienen.
DosiS (von &ou>fu, geben) oder Gabe bezeichnet die Menge, in der ein
Arzneimittel oder Gift in den Organismus gelangt.
Man neunt die Quantität, in der ein Medicament unter gewöhnlichen Verhalt-
nissen beim Erwachsenen gegeben wird, die medicinale Gabe oder Mittel-
gabe, Dosts medicinalis s. media. Mengen von Arzneimitteln welche bestimmte
Erscheinungen bei Gesunden und Kranken hervorrufen, heissen im Gegensatze zu
kleineren Mengen derselben, welche dies nicht thun, physiologische Dosis,
Dosis physiologica. Bei Ueberschreitung dieser Quantitäten, resultiren toxische
Mengen, welche in der Therapie nur ausnahmsweise zulässig sind und von
bestimmten Stoffen nur auf ausdrückliche Vorschrift des Arztes dispensirt werden
dürfen. Diejenigen Dosen , welche der Arzt ohne Gefahr für das Wohl seiner
Patienten nicht überschreiten darf und welche ohne besonderen A'ormerk auf dem
Recepte nicht expedirt werden dürfen, heissen Maximaldosen, Dosis maxima.
Von toxicologischem Gesichtspunkte aus unterscheidet man eine giftigeDosis,
Dosis toxica, als eine solche, welche Vergiftungserscheinungen mit nicht tödt-
lichem Ausgange hervorruft, von der tödtlichen Dosis, Dosis letalis, als
derjenigen Menge, welche gewöhnlich den Tod bedingt, wobei man auch noch die
geringste Menge eines Giftes, welche den Tod herbeiführen kann, als minimal
letale Gabe, Dosis letalis minima, bezeichnet. Die Franzosen halten diese Unter-
schiede nicht fest, insofern sie unter Dose toxique häutig die letale Giftmenge verstehen.
Die Dosis ist vou allen Bedingungen der Arznei- und Giftwirkuug die aller-
wichtigste. Selbst die giftigsten Substanzen, die, wie Aconitoxin, Blausäure, Nicotin,
in Dosen von weniger als 1 mg toxisch werden können, verlieren in noch geringeren
Mengen jede Spur einer Wirkung auf den Organismus. Die Annahme, dass solche
infinitesimale Mengen eines activen Stoffs diejenigen Krankheitserscheinungen be-
seitigen, welche grosse Mengen desselben hervorrufen, ist eine Fabel. Die Gaben-
grösse hat übrigens nicht allein auf das Quantum des Effects, sondern auch auf die
Qualität der Wirkung besonderen Kinfluss. Es rührt dies manchmal davon her, dass ein
Arzneikörper mehrere active Substanzen von verschiedenartiger Wirkung ein-
schliesst, vou denen die Wirkung des erneu sich bei geringen Gaben nicht geltend
macht, weil er in solchen nicht wirkt, z. B. die purgirenden Stoffe des Rhabarbers
bei kleinen Dosen desselben. In vielen Fällen zeigt sich aber auch erhebliche
Wirkungsverschiedenheit bei differenten Mengen desselben Körpers, und insbesondere
kommt es häufig vor, dass Stoffe, welche in mittleren Dosen erregend wirken, in
grösseren die Function desselben Körpertheils schwächen (Alkohol, Aether, Kampher.
Veratrin u. a. m. i. In anderen Fällen tritt bei grossen Dosen eine besondere Wirkung
auf bestimmte Organe hervor. So bedingt Brechweinstein in einer gewissen Dosis durch
Reizung der Magenschleimhaut und der Darmperistaltik Erbrechen und Abführen,
während kleinere Dosen dies nicht thun , dagegen zur Resorption gelangen und
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DOSIS. 527
auf Kreislauf und Athmung wirken ; ebenso bleiben bei erheblichen toxischen Gaben,
hier aber in Folge von Lähmung der Darmnerven, die Brechdurchfälle aus und
resultiren nur entfernte Vergiftungserscheinungen. Der Brechweinstein bildet auch
ein schlagendes Beispiel für den Satz, das» es keineswegs gleichgiltig ist, ob man
dieselbe Menge des Medicamentes auf einmal, oder in vertbeilten Gaben im Laufe
des Tages verabreicht. Man hat, von der Hauptwirkung ausgehend, in älterer Zeit
beim Tartarus stibiatus u. a. analog wirkenden Stoffen eine brechenerregende oder
volle Gabe, Dosis plena, und in verschiedene Bruchtheile zerlegte oder ge-
brochene Gabe, Dosh refracta, unterschieden; doch kann man ebenso gut
von kleben und grossen Einzelgaben reden, zumal wenn man, wie es bei uns
üblich ist, die Einzeldosis als diejenige Menge betrachtet, von welcher aus man
die Gesammtgabe für den Tag, die Tagesgabe, berechnet. Bei angemessenen
Zwischenräumen zwischen den Einzelgaben ist selbst in Bezug auf Maximaldosen
nur bei Stoffen mit cumulati verWirkung (s. Bd. III, pag. 331) die besondere
Bestimmung einer Tagesgabe nothwendig.
Die mittlere Dosis medicamentöser und toxischer Substanzen wird durch eine
Anzahl von Umständen wesentlich alterirt; namentlich gilt dies von Stoffen mit
Resorptionswirkung (Bd. I, pag. 657), bei welcher alle Momente, welche das Ver-
halfcniss der Menge des zu einer gegebenen Zeit im Blute und in den Geweben
vorhandenen Arzneimittels zu der Masse des Körpers alteriren , in's Gewicht
fallen. Dahin gehören in erster Linie Grösse und Körpergewicht, worauf auch
wesentlich die Einflüsse des Lebensalters und des Geschlechts zurückzufahren sind,
insofern selbstverständlich in dem Körper eines Erwachsenen das von einem Medica-
mente oder Gifte beeinflusste Organ von diesen geringere Menge erhält als bei einem
halb so grossen und halb so schweren* Kinde. So erklärt auch der Umstand, dass
Frauen leichter als Männer sind, die Thatsaehe, dass die mittlere medicinale Dosis
sich bei ersteren niedriger (auf etwa Dreiviertel) stellt. Das Gewicht ist für die
toxische und letale Dosis von solcher Bedeutung, dass in wissenschaftlichen Unter-
suchungen nur die relative Dosis, d. h. die für ein Kilogramm giftige, be-
ziehungsweise tödtliche Menge angegeben wird, die allerdings für verschiedene
Thierspecies sehr different aasfällt Man hat für das Verhältniss der medicinalen
Dosis in den einzelnen Jahren des kindlichen Lebensalters bestimmte Dosen-
scalen aufgestellt, die jedoch vielfache Modifikationen erleiden müssen, wenn,
wie so häufig, das Kind durch ungewöhnliche Grösse oder Schwere oder umge-
kehrt durch Kleinheit und Magerkeit von den Altersgenossen abweicht. Die älteste
Scala von Juncker, gewöhnlich als diejenige von Ganbiüs bezeichnet, normirt die
Dosis für das Lebensalter von weniger als 1 Jahr auf 1 15 — 1 14, von 1—2 Jahren
auf 1 e, von 2 — 3 Jahren auf 1 „, von 3 — 4 Jahren auf J/4, von 4 — 7 Jahren auf
1 3, von 7 — 14 Jahren auf 1 3 und von 14 — 20 Jahren auf 4;3 der Normaldose
für den Erwachseneu (= 1). Young berechnet die Dosis für Kinder unter
12 Jahren so, dass er dem Alter des Kindes 12 Jahre hinzuzählt und die Summe
durch das Lebensalter dividirt , so für 2 Jahre 0 — = ^' für 3 Jahre
3 4- 12 1 £t
- - ■■ = 5 u. s. w. , Cholmley so, dass er die Zahl des nächsten Geburtstages
mit 25 dividirt, so für ein 4jähriges Kind ft 25 , für ein 6jahrigea 7, 15, eine Be-
rechnungsweise, welche namentlich für das metrische Gewichtssystem (bei Multipli-
cation mit 4) sehr bequem ist (Brunton*). In Deutschland ist die Scala von
HüFKLAND am gebräuchlichsten, welche, wenn man die Normaldosis (25 — 50 Jahre)
»uf 100 setzt, folgende Ziffern gibt:
V,— 2 Monat 1.25- 5 1- * Jahre 25 -32.5
1- 2 „ 5-10 2-3 „ 32.5-40
2- 3 „ 10-12.5 3- 4 „ 40-45
3- 5 „ 12.5—15 4-5 „ 45 -50
5—7 „ 15-17.5 5-10 „ 50 —«2-5
7- 9 „ 17.5^ 20 10-20 „ 62.5-87.5
9-11 „ 22.5-25 : 20-25 „ S7.5-10O
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DOSIS. — DOSOLOGIA.
Diese Scala bat den Vorzug, dass sie namentlich für die jüngsten Lebens-
perioden unter keinen Umstanden schädliche Normaldosen gibt, ist aber ebenso
wenig wie eine der anderen auf rationelle Principien basirt. Allerdings entspricht
das Verhältniss des Körpergewichts des Neugeborenen (1 : 20) zu dem des Er-
wachsenen ganz gut der HuFELANü'schen Zahl, namentlich wenn man hinzunünmt,
dass die Blutmenge beim Neugeborenen 1/10, beim Erwachsenen 1 I3 des Gesammt-
gewichtes ausmacht : ebenso ist die Ziffer für den 2. Lebensmonat annähernd richtig,
da bis dahin das Körpergewicht sieh verdoppelt hat. dagegen ist die Zunahme in
den ersten Lebensmonaten keineswegs eine so gleichmäsaige, wie sie Hüfelaxd's
Scala voraussetzt, und in Bezug auf die späteren Jahre ist kein Parallelismus der
Zunahme des Körpergewichts, das sich vom ersten bis zum siebenten Jahre wieder
und bis zum 13. Lebengjahre noch einmal verdoppelt, ersichtlich. Es muss übrigens
hervorgehoben werden, dass die allgemeinen Regeln der Scalen viele Abweichungen
bei einzelnen Mitteln erleiden. Besonders niedrig ist bei Kindern die Dosis des
Morphins und Opiums, offenbar entsprechend der geringeren Schwere und Ent-
wicklung des Gehirns, auf welche sie wirken; die nach den Scalen sich berech-
nenden Maximaldosen für Neugeborene bedingen heftige Vergiftungserscheinungen.
Drastica können in sehr niedrigen Dosen bei Kindern Gollaps erzeugen. Merk-
würdig sind nach Versuchen von G. A. Falck die ebenfalls mit Differenzen der
Nervencentren zusammenhängenden Dosenverhältnisse des Strychnins, das bei neu-
geborenen Thieren, wo es nur schwierig Tetanus erzeugt, etwa dieselbe Giftigkeit
wie beim erwachsenen zeigt, vom 10 — 40. Tage aber weit heftiger wirkte.
Hufeland hat auch für die höheren Lebensalter (von 50 — 70 Jahren 100 — 75,
von 70 — 80 Jahren 70 — 62.5) Dosenverhältnisse aufgestellt, die indeas auch
häufige Ausnahmen erfahren, indem in allen •Lebensperioden ein sehr geschwächter
Zustand Erniedrigung, dagegen relativ kräftige Constitution Erhöhung der Arznei-
gaben bedingt.
Andere Modification der Dosis bedingende Momente verdanken ihren Einfluß
ihren Beziehungen zu den beiden Factoren , von denen die Grösse der zu einer
gegebenen Zeit im Blute vorhandenen heilsamen oder giftigen Substanz abhängt,
zur Aufsaugung und Elimination. Was die Resorption fördert, erniedrigt, was jene
bindert, steigert die Gabengrösse; bei der Elimination ist es umgekehrt. So
erklären sich die Dosenverhältnisse bei den verschiedenen Applieationsweisen.
Setzen wir die interne medicinale Mitteldosis = 1 , so ist die Dosis medic. bei
directer Einführung iu's Blut = 1 s — 1 4 , bei intraperitonealer Injeetion = 1
dagegen bei endermatischer Application = 2, bei epidermatischer Application = 3—6,
überall entsprechend der vennehrten, beziehungsweise veringerten Aufsaugung. Bei
der Subcutaninjection gleicht die beschleunigte Elimination wieder die beschleunigte
Resorption aus , so dass die Dosis hier ziemlich genau der internen entspricht.
Die alte Ansicht, dass bei Application in das Rectum die Dosis doppelt so hoch
wie bei interner Application zu geben sei, ist durch neuere Untersuchung wider-
legt. Die Bedeutung der Elimination zeigt sich besonders in dem Eintlusse von
Nierenkrankbeiten auf die Dosen narcotischer Stoffe und demjenigen der Nieren-
exstirpation auf interne Curaredosen (Bd. I, pag. (567), die Bedeutung der Re-
sorptionsgeschwindigkeit in demjenigen der Darreichungsformen und des Magen-
inhalts auf Arznei- und Giftmenge im Allgemeinen (Bd. 1, pag. 665;.
Der modificirende Eiufluss verschiedener Krankheitszustände auf die Doseu
wurde bereits bei der Arzneiwirkung (Bd. I, pag. 667) besprochen; den Eiufluss der
Gewöhnung und der Immunität s. in den betreffenden Artikeln.
Th. Husemann.
D0Si8 letaÜ8, D08I3 tOXiCa, siehe den vorigen Artikel.
DOSOlogia (Mcu;, Gabe; aovo;. Lehre), die auch als PomJogie bezeichnete
Abtheilung der Pharmakologie, welche die Arzneigaben behandelt.
Th. Husemann.
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1
DOSTEN. — DOüNDAKE. 529
Dosten, volksth. Name für Origanum. — Brauner oder gemeiner
Dosten ist Origanum vulgare L.t kretischer oder spanischer Dosten
ist Origanum smyrnaeum L. oder Origanum hirtum Lk.
D08t6n Öl. Das ätherische Gel von Origanum vulgare L., dnreh Destillation
aus dem frischen blühenden Kraut mit Wasserdampf gewonnen , ist nach der
Bereitung ein schwach hellgelbes, mit der Zeit durch Sauerstoffaufnahme dunkler
gelb werdendes Oel von charakteristischem starkem Geruch und scharfem Geschmack,
hat ein spec. Gew. von 0.87—0.97 und siedet constant bei 161°. Es gehört zu
der Classe der lediglich aus Terpenen C10 H16 oder Polyterpenen (Cl0H,e)D be-
stehenden ätherischen Oele, wogegen Kabe (Journal f. prakt. Chemie) die Formel
C50Hl0O angibt. Gans wind t.
Dotter ist jener Theil des thierischen Eies , welcher zur Bildung oder auch
zur Ernährung des Embryo bestimmt ist : Bildungsdotter und Nahrungsdotter. Bei
den Eiern der Vögel, Amphibien und Fische macht der Nahrungsdotter (das Ei-
gelb) den überwiegenden Bestandteil aus. Beim Vogelei stellt der sogenannte
„Hahnentritt", ein nahe der Oberfläche des Dotters gelegener weisser Fleck, den
Bildungsdotter vor. Der Nahrungsdotter betheiligt sich nicht morphologisch, son-
dern nur durch Abgabe seiner chemischen Bestandtheile am Aufbau des Embryo.
Als Nahrungsmittel hat der Dotter einen hohen Werth wegen seines Reichthumes an
Eiweisskörpern ; er enthält 51.8 Wasser, 16.8 Vitellin, 1.5 NucleYn, 20.3 Fette
(Palmitin, 8tearin, Olero), 0.4 Cholesterin, 1.2 Glycerinphosphorsäure , 7.2 Leci-
thin, 0.3 Cerebrin, 0.5 Farbstoffe, 1.0 8alze.
Dotterbllimenkraut ist Herba Oalendulae. — Dotterkraut ist Gamelina
tativa.
DotterÖl. Die Bezeichnung Dottertfl wird meist für das Oel aus Camelina
sativa Crz., dem Leindotter, zuweilen auch für Eieröl gebraucht (s. Leindotteröl
und Eieröl).
Doublet. Das Doublet besteht aus zwei fest miteinander verbundenen plan-
convexen Linsen, welche entweder wie bei dem WoLLASTON schen Doublet mit
ihren convexen Seiten nach uuten geweudet erscheinen, oder wie bei den ueueren
diese einander zugekehrt haben. Dasselbe hat vor der einfachen Lupe den Vortheil,
dass es unter sonst gleichen Umständen eine vollkommenere Verbesserung der
beiden Abweichungen gestattet , während es zugleich eine grössere Oeffnung und
damit in Verbindung stehend grössere Lichtstärke und ein ausgedehnteres und
mehr geebnetes Sehfeld besitzt.
Die Fassung des Doublet* ist schon wegen der erforderlichen Annäherung des
Auges an die obere Linse am besten eine schüsseiförmige Messingfaasung , in
welcher die einzelnen Linsen fest eingesetzt und durch Verschraubung in bestimm-
tem Abstände miteinander verbunden sind, während die zur Abhaltung der schäd-
lichen Randstrahlen dienende, mit der Fassung fest verbundene Blendung entweder
dicht hinter der vorderen oder vor der vorderen Linse liegen kann. Dippel.
DOUChe, s. Bad, Bd. II, pag. 110.
DoUfldake, aueh Njimo, Quinquina africain und Quinquina de
Rio-Nunez genannt, ist die Kinde einer west-afrikanischen Rubiacee (Sarco-
cep/ialus escnlentu8 Afz.) , in welcher Rochefontaine, Feris und Marcus ein
fieberwidriges Alkaloid, Donndakin. gefunden haben wollen.
Nach den neuesten Untersuchungen von Haeckel und Schlag denhauffen
(Journ. de Pharm, et de Chimie, 1885, Nr. 8), enthält sie jedoch kein Alkaloid,
sondern zwei bittere, in Alkohol und Wasser verschieden lösliche, stickstoffhaltige,
gelbe Farbstoffe, welche tonische uud fieberwidrige Eigenschaften besitzen. Den
Namen Doundakin übertragen sie auf diesen Farbstoff.
Itaal-Eueydoptdi. der ge*. Ph.rn.de. tili. ^jgitized by Google
530
DOUNDAKfe. — DRACHENBLUT.
Das Holz ist nach Niederstadt (Ph. Centralh. 1887) gelb gefärbt, stellenweise
röthlich geflammt, grobporig, von bitterem Geschmack und an Moschus erinnern-
dem Geruch. Es enthält einen aromatischen Bitterstoff und einen fluorescirenden
Farbstoff, aber keine Alkaloide.
DOWer'SCheS Pulver = Pulvis DoverTPh. Austr., und Pulvis Ipecacuanhae
opiatus Ph. Germ.; beide Mischungen entsprechen aber dem eigentlichen Doweb-
schen Pulver nicht, insofern die Ph. Austr. das schwefelsaure Kali der alten
Vorschrift durch Saccharum albnm, die Ph. Germ, durch Saccharum lactis er-
setzen läS8t.
dr. DräChmC, früher gebräuchliches Apothekergewicht. Das Zeichen war 3 ;
eine Drachme ist abgerundet (laut Ministerialverfügung) = 3.75 g. — fl. ,drm =
Fluid drachin., in England und Amerika gebräuchliches Maass, ist in England —
3.549 ccm, in Amerika = 3.70 ccm. — S. Gewichte und Maasse.
Dracaena, Gattung der nach ihr benannten Gruppe der Liliaceae, Unter
familie Asparagacme. Ihr geringelter Stamm mit einer Krone schilfartiger Blnitt r
erinnert an Palmen. Die Blüthen sind zwitterig und stehen in Rispen. Das Perigon
ist röhrig sechstheilig, im Schlünde sind die 6 Staubgefässe mit introrsen Antheren
in einer Reihe inserirt Der Fruchtknoten ist dreifächerig mit je einer Samen-
knospe, die reife Beere jedoch enthält häufig nur einen oder zwei Samen mit
hornigem Eiweiss.
Dracaena Draco L., der Drachenbaum der Canarischen Inseln, wird
über 20 m hoch und trägt fast 3 m lange Blätter. Die endständige Blüthenrispe
ist unscheinbar gefärbt, auffallend ist aber der Fruchtstand durch die orangegeltan
kirschgrossen Beeren. Aus dem angeschnittenen Summe fliesst eine Art Drachen-
b 1 u t (s. d.), welches aber nicht in den Handel kommt.
Eine nahe verwandte, mit ihr vielleicht identische Art, D r a caena Ombet
Kotschy, in Ostindien und an der Ostküste Afrikas, liefert das Drachenblut
von Socotora.
Drachenblut, Sanguis Drnconis, ist das rothe harzartige Product einer An-
zahl Bäume der alten und neuen Welt von sehr verschiedener Faimlienange-
hörigkeit.
1. Die jetzt kaum noch medicinisch verwendete, aber in der ersten Ausgabe
der Ph. Germ, noch angeführte Resina Drnconis stammt von der Rotang-Palme,
Galamus Draco Wüld. und wird auf Borneo, Sumatra und Penang gesammelt,
ist auch als indisches oder Palmendrachenblut bezeichnet.
Diese Droge ist das an den Früchten der Rotang-Palme sitzende Harz, von
welchen es durch Abklopfen befreit wird. Durch Sonnenwärme oder heisse Wasser-
dämpfe erweicht, wird es zu fingerdicken, etwa viertelmeterlangen Cylindern oder
flachen Kuchen geformt und in Palmblätter eingewickelt, mitunter werden aas der
Masse auch Kugeln von etwa 30.0 Gewicht geformt und in Reihen in Palmblätter
eingewickelt. Die als Sanguis Drnconis in granis bezeichnete Sorte gehört auch
zu dieser Handelsform, bildet aber kleinere bis haselnussgrosse Körner und kommt
ebenso wie die Kugel form wohl nur noch selten vor.
Weniger reinos Harz mit Staub und vielen Ueberresten der Fruehtaehuppen
vermischt wird als S. Draconis in massis bezeichnet.
Es ist auf dem Bruche earminroth, aussen braunroth und liefert hochrothes
Pulver. Kleinere Splitter sind durchscheinend. Geschmack kratzend, Geruch fehlt.
Als Anhaltspunkt zur Benrtheilung, ob Palmendrachenblut vorliegt, kann die
Gegenwart von Fruchtschuppenresten gelten, von welchen auch die beste Waare
nicht ganz frei zu sein pflegt.
2. Canarisches Drachenblut, heute nur noch selten im Handel, besteht
stets aus unregelraässigen Stücken und bildet das eingetrocknete harzartige Pro-
duct verschiedener Dracaena- Arten (Liliaceeu).
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DRACHENBLUT.
531
Von Dracaenen stammt auch das Drachenblut der Somaliküste und der Insel Socotra,
welche Gegenden das Draehenblut des Alterthums lieferten. Ebenso das von Madeira.
Die muthmassliohen Stammpflanzen sind Dracaena Ombet Kotschy, D. schizantha
Baker und D. Cinnabari (?). Das Harz von Madeira stammt von D. Draco L.
3. Amerikanisches Drachenblut. Stammt von Fterocarpus Draco L.
(Papüionaceae) in Westindien, Groton Draco Schlechtend. in Mexico, Dalbergia
monetär ia L. in Surinam und Croton hibiscifolius Müll. Arg. in Nicaragua; doch
haben diese Sorten für den europäischen Markt keine Bedeutung.
Alle Sorten werden in der Technik zur Lackfabrikation vielfach benutzt und
nach der Rothe des auf Papier mit ihnen erzeugten Striches beurtheilt.
Bei Beurtbeilung der Handelssorten kommt es weniger auf die Abstammung
als auf die Verunreinigungen an, welche im Zusatz von Harzen, Gummiarten und
Farbstoffen , z. B. Fernambukholz und rothem Eisenoxyd bestehen. Insbesondere
werden solche Zusätze zu Harz geringerer 8orte gemacht, welches durch Aus-
kochen der letzten Reste aus den Früchteri gewonnen wird.
Zur Beurtbeilung der Abstammung ist auf die Form der Droge kein zu grosser
Werth zu legen, denn Körner, Kuchen und vor Allem Massendrachenblut wird
von den verschiedensten Stammpflanzen in deu Handel gebracht, z. B. liefert
Pteroearpus Draco sehr schönes Renna Draconis in Körnern, die man leicht
für ostindisches Palmenharz halten könnte.
Das Harz von Calamm Draco ist löslich in Alkohol, concentrirter Essigsäure,
Benzol, Schwefelkohlenstoff, Petroleum, Chloroform, indem es hierbei etwa 20 Pro-
cent Verunreinigungen (Sand, Holz, Fruchtschuppen) hinterlässt.
Gutes Drachenblut, nicht nur das Palmenharz, darf gepulvert zwischen den
Fingern nicht zusammenkleben. Unverfälschte Sorten gebeu auf Zusatz von
Eisenchlorid zur spirituösen Lösung einen gelbbraunen, nicht braunen Nieder-
schlag. Ammoniak gibt mit reinem Harz eine blutrotbe Färbung. Chloroform
darf keinen gelben Auszug liefern, sondern entweder eine rothe oder farblose
Lösung. Concentrirte Schwefelsäure darf das reine Harz nicht rothbraun lösen,
sondern nur gelbbraun. Petroleumäther löst Draehenblut fast gar nicht, wohl
aber beigemengtes Harz der Coniferen, daher sind Sorten, welche mehr als etwa
8 Procent an Petrolätber abgeben, verdächtig, sicher aber verfälscht, wenn sich
diese Zahl bedeutend erhöht.
Das Palmenharz besteht aus einem Gemisch mehrerer Harze und enthält nach
verschiedenen Untersuchungen Zimmtsäure, was aber nicht immer der Fall zu sein
scheint, wenigstens konnte Flückiger dieselbe nicht autfinden.
Tabelle zur Unterscheidung des ostindischen Palmenbarzes von Dracaenenharz
nach Flückiger's Untersuchungen.
1
\
Farbe der
|| Lösung
Bleizucke r-
löHung gibt
Kochung
mit Aetz-
kalk gibt
Filtrat der
Aetrkalk-
kochung
mit Kohlen-
säure be-
handelt
Das Harz
mit wiia-e-
riger Soda-
lösiiug ge-
kocht
Salzsäure
fallt aus der
Lösung in
Soda
Verdun-
stungsrück
staud der
Sodalösung
in Alkohol
gelöst
Palmen- brnunroth,
Draehenblut stark ver-
in «eingeigt dünnt
gelöst , gelbroth
'1
, löst
gelbrothen Zinnober- """^eT ' "ich mit
Nieder- : rothes »t- i '< schwach
schlag Filtrat , brauner
branne
Flocken
rothe
Färbung
^ carmin-
Dracaenen- fc fc
Drachenblut •
in Weingeist ker Yer.
*e,Ö8t dttntmng
r
blass-
violetten
Nieder-
schlag
dunkel-
braunes
Filtrat
grau-
brauner
Nieder-
schlag
1
löst sich
mit dun-
kelbrau-
ner Farbe
fallt erst
gelben
Farbstoff vfH„nir
und dann Farbnng
rotb. Harz
Prollius.
34*
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532
DRACHENWÜRZ. — DRAHTDREI ECK.
DraChenWUrZ ist Radix Bistortae.
DraCO ist der Speciesname mehrerer, verschiedenen Familien angehöriger
Pflanzen, welche Drachenblut liefern, so ist Galamus Draco Willd., die Mutter-
pflanze des echten Sanguis Draconis, eine Palme; Dracaena Draco L., von
welcher das afrikanische Drachenblut stammt, eine Liliacee; Pterocarpus Draco
L , die Stammpflanze des amerikanischen Drachenblutes, eine Leguminose ; Croton
Draco Schlecht., die das mexikanische Drachenblut liefert, eine Euphorbiacee. —
Vergl. die betreffenden Gattungen.
DraCO mitigatuS, ein alter, aus alchemistischer Zeit herstammender Name
für Hydrargyrura chloratum ; DraCO VOlanS dagegen für Hydrargyrum bichtoratum.
DraCOCephalum, Gattung der Labiaiae, Unterfamilie Nepeteae, charakterisirt
durch den zweilippigen Kelch und die gewölbte Oberlippe der Blumenkrone.
Dracocephalum moldavicd L., ein © Kraut mit grob gesagten, lan-
zettlichen Blättern und blattwinkelständigen Scheinquirlen , war oinst als tür-
kische Melisse (Herba Moldavicae 8. Melissa« turcicae s. Cedronellae) eio
beliebter Thee.
DraCOntium, Gattung der Araceae, Unterfamilie Lasioideae. Früher umfasste
die Gattung auch Arten von Calla und Symplocarpus.
Rhizoma Dracontii (Ph. U. St.) , Skunk-cabbage root, stammt
von Symplocarpus foetulus Salüb. (Dracontium foetidum L.), aus der Cnter-
familie Rothoideae. Das im ersten Frühjahr zu sammelnde Rhizom ist knollig,
oberseits mit zahlreichen langen Wurzeln besetzt, welche lichter gefärbt sind und
weniger bitter schmecken ata der Wurzelstock.
gilt als Antispasmodicum und wird in Pulverform (0.6 — 1.2 g pro dosi),
auch als Infus oder Tinctur gegeben.
Radix Dracontii minoris ist ein veralteter Name für Rhizoma Ari.
DraCUnClllllS, Gattung der Araceae, Unterfamüie Aroideae.
Radix Dra cunculi s. Serpmtariae majori« ist das knollige Rhizom des
im Mediterranprebiete wachsenden Dracuncidus vulgaris Schott., einer durch fuss-
förmig getheilte Blätter charakterisirten Art. Obsolet.
Die von Rüpp aufgestellte Gattung Dracuncidus ist synonym mit Artemisia L.
DragendOrffS Reagens iSt Kaliuniwismutjodidlösung und dient zum Nach-
weis von A 1 k a 1 o i d e n , s. Bd. I, pag. 221).
Iren heisst diejenige Operation in der pharmaceutischen Technik, womit
den Pillen ein Leberzug von Zucker gegeben wird (Pilulae saccharo obductae,
Pilulae candidae. Dragees der Franzosen). Die äusserste Eleganz solcher Pillen
wird nur bei Verarbeitung grösserer Massen erreicht ; wie im Nothfall am Receptir-
tisch Pillen mit Zucker überzogen werden können, soll unter „Pillen" besprochen
werden.
Dragoneregel ist Hirudo interrupta Moq. Tandon, s. B 1 uteg el, Bd. II, pag. 337.
Th. Husemann.
Dragiin ist der volksth. Name für Artemisia Dracunculus L., auch für Achillea
Pffirmica L.
Drahtdreieck. Kin aus drei gleich langen , dünnen Metalldrähten (Eisen,
«elten Platin) durch Zusammenlegen im Winkel von 66.66 und Zusammendrehen
der überschießenden Huden gebildetes gleichschenkliges Dreieck, dazu dienend,
kleineren Gcfilssen (insbesondere Tiegeln) einen Stützpunkt zu gewähren, um sie
über der Flamme erhitzen oder der Wirkung austrocknender Körper aussetzen
zu können. Manchmal werden auch die Schenkel des Drahtdreiecks mit Thonröhren
verseben oder mit Platinblech umwickelt.
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DRAHTNETZ. — DREHKRANKHEIT.
Drahtnetz, Drahtsieb, Gewebe aus Metalldraht von grösserer oder geringerer
Dichte, welche zu sehr verschiedenen Zwecken dienen können. Als Drahtnetz
wird ein feineres Messinggewebe, seltener Eisendrahtgewebe verwendet ; der Zweck
ist hierbei, die directe Einwirkung der Flamme auf ein Kochgefftss (Becherglas etc.)
abzuhalten ; das Drahtgewebe drückt die Flamme nieder, es verflacht sie und
erzeugt somit eine gleichmässige Vertheilung der Wärmeeinwirkung auf den Boden
des zu erhitzenden Gefässes ; bei Weglassung des Drahtnetzes kann eine derartige
Wärmevertheilung nicht erreicht werden; die Spitzflamme bewirkt dann eine Er-
hitzung an einer einzigen Stelle in weit höherem Masse als in der Umgebung
und das Resultat ist dann gemeinhin ein Springen des Gefässes. Das Drahtnetz
wird deshalb stets beim Kochen von Flüssigkeiten in gläsernen Gefässen als Unter-
lage bentltzt und dient direct als Schutz gegen Glasbruch beim Erhitzen. — Als
Drahtsieb dient es je nach der Feinheit der einzelnen Maschen als mechanisches
Trennungsmittel der feiner zertheilten Substanzen von den gröberen (vergl. auch
Siebe). Ganswindt.
DrainirUfig nennt man in der Chirurgie das Abführen von Flüssigkeiten ans
Abscessen oder Wunden. Die Drainirung wurde schon von den ältesten Chirurgen
geübt. Sie legten dünne Wieken von Charpie oder Werg, schmale Streiten von
Leinen oder Wolle (Haarseil) in die zu drainirende Höhle. Die neuere Chirurgie
verwendet fast ausschliesslich kleine Höhrchen, Drains. Der Gebrauch von Drain-
röhrchen aus Metall reicht bis in's graue Alterthum zurück; gelangte aber so
sehr in Vergessenheit, dass Chassaigxac (1859) als der Wiedererfinder der
Drainage angesehen wird. Man wendet jetzt fast ausschliesslich Röhrchen aus
Kautschuk an, von der Dicke einer Stricknadel bis zu der eines Daumens; sie
werden mit zahlreichen seitlichen Oeffnungen versehen und am besten in 5pro-
centiger Carbolsäure aufbewahrt. Spröde gewordene Röhrchen verwende man nicht.
Resorbirbare Drains werden aus deoalcinirten und desinticirten Thierknochen her-
gestellt (durch 10 Stunden in einer Salzsäurelösung [1 : 2] entkalkt, in öprocentiger
Carbollösung gewässert und in lOprocentiger aufbewahrt). Sie werden in etwa zehn
Tagen bis auf das aus der Wunde hervorragende Ende vollständig resorbirt.
DrastlCa. Der Na me , vou ftpiu , thun , wirken , thätig sein , also active
Stoffe im Allgemeinen bedeutend, dient ausschliesslich zur Bezeichnung der am
heftigsten und in den kleinsten Dosen wirksamen Abführmittel (M. I, pag. 18).
Tb. Husernaiin.
DreChSerS Reaction, eine Modifikation der PETTENKOFEE'schen Reaction
auf Gallensäuren, bestehend in der Verwendung von Phosphorsflure (statt Schwefel-
säure) und Erwärmen. Die eintretenden Farbenerscheinungen sind dieselben wie
bei der PETTENKOFEE'schen Reaction selbst, s. d.
Drehers Mittel gegen TollWUttl, vor einigen Jahren viel besprochen und
zu enorm hohem Preise verkauft , ist ein Gemisch von zerstossenen Maiwürmern
eloe proscarabaeus L.) und einem indifferenten Pflanzenpulver.
Drehkrankheit ist eine bei Schafen, und zwar fast ausschliesslich bei Lämmern
im ersten Jahre , den sogenannten Jährlingen , in Folge der Einwanderung von
Coenurus cerehrali* (s. Bd. III , pag. li>7) auftretende Erkrankung des
Gehirns. Durch den Druck des Parasiten auf die motorischen Centra des Gehirnes
machen die Thiere Drehbewegungen. Bei ausgebildeter Drehkrankheit werden die
Schädelknochen stellenweise ausserordentlich verdünnt ; man hat diesen Umstand
benutzt, um die Thiere durch Trepanation, d. h. durch Eröffnung der Schädelhöhle
von den Parasiten zu befreien. Doch gestaltet sich die Prognose bei der Drehkrank-
heit noch immer ausserordentlich schlecht und man thut am besten, die Thiere zu
schlachten, sobald die Krankheit constatirt ist, da das Fleisch unbedenklich ge-
nossen werden kann. Die Köpfe der geschlachteten Thiere vergrabe man tief;
lasse sie ja nicht von Hunden fressen.
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534
DREIBLATT. — DROGE.
Dreiblatt ist der volksth. Name für Menyanthes trxfoliata L., der Stamm-
pflanze der Folia Trifolii fibrini.
Dreifaltigkeitskraut ist Viola tricdor L.
Dreifll88. Einfaches, vielfach unentbehrliches Instrument, um Schalen, Becher-
gläser und andere dergleichen Gefässe Aber der Spiritus- oder Gasflamme erhitzen zu
können, ohne dieselben mit der Hand oder einer Klemme halten zu müssen. Drei-
fftBse werden am besten von Schwarzblech, häufig auch von starkem um einander
gewundenem Eisendraht gefertigt.
Dreiweghahn nennt man einen Metallhahn, dessen Conus so durchbohrt ist,
da8s er von drei dem äusseren Gewinde zufuhrenden Leitungen oder Röhren je
2 mit einander in Verbindung setzt, wodurch gleichzeitig die dritte abgeschlossen
wird. Ein Wechsel in der Directive wird durch eine einfache Drehung um 120°
bewirkt.
DrepanOCarpUS, eine von C. F. W. Meyer aufgestellte Papiltonaceen-
Gattung, synonym mit Pterocarpus L.
Driburg, Westphalcn in Deutschland, besitzt 8 Quellen, deren Temperatur
von 9.4" bis 15° beträgt. Die wärmste ist die Satzer Schwefelquelle,
welche in 1000 Th. Na2 S 0.051, Na, SO, 0.372, Mg SO, 0.569, CaS04 0.541
und CaHa(COs)2 0.586 enthält. Die übrigen Quellen, die Bade-, Hanpt trink-,
Hörster-, Kaiser Wilhelms Bade- und Stahlqnelle und die städ-
tische Quelle, zeichnen sich durch ihren grossen Gehalt an doppeltkohlensaurem
Kalk , schwefelsauren Erden und etwas Eisen aus. Die an fixen Bestandtheilen
reichste, die Badequelle, enthält in 1000 Th. NaCl 0.107, Na2 SO, 0.395,
MgS04 0.956, CaSO, 0.845, CaH3(003)2 1.812, FeH^COs), 0.105. Der Ge-
halt der anderen Quellen an den zwei letztgenannten Hauptbestandtheilen schwankt
innerhalb geringer Grenzen (0aH,(C0s)? von 1.105 bis 1.591, FeHj(COs)2 von
0.023 bis 0.074]. Die Wiesen quelle wird nicht mehr gebraucht.
Drimy8, Gattung der Maynoliaceae , Unterfamilie Wintereoe. Immergrüne,
aromatische Holzgcwächse der Tropengebiete Amerika« und Australiens.
Das Holz der Drimya- Arten Ut das einzige der Dicotyledonen , welches blos
aus TracheTden besteht, daher nach dem Typus der Nadelhölzer gebaut ist.
Drimys IV int er i Forst., ein von Mexico durch ganz Südamerika ver-
breiteter Baum mit länglichen, dunklen Blättern, kleinen weissen Blüthen und vicl-
samigen Beerenfrüchten, ist die Stammpflanze des echten Gortex Wintert s. Ma-
cj eil n nie u.s.
J) rimyx y rannt enn is L. fi l. ( D. Winten Mart.) ist vielleicht nur eine
Varietät. Von ihr stammt die von Cod. med. als Ersatz für die im Handel nicht
mehr vorkommenden echten Rinden vorgeschriebene Droge. Mo eil er.
Drittelsilber. Eine Legirung aus 59 Th. Kupfer, 27.56 Th Silber, 9.57 Th.
Zink und 3.42 Th. Nickel, von silberähnlichem Aussebeu, aber gelblichem Bruche,
härter als Silber; dient zu Tafelgeschirren. — Auch eine Legirung aus 1 Th.
Silber und 2 Th. Aluminium wird bisweilen als Drittelsilber (tiers-argent) be-
zeichnet.
Droge. Bezeich nung für Arzneiwaaren überhaupt oder für Rohproducte , die zur
Darstellung von Arzneien dienen, daher der Name Drogenkunde als Synonym von
Pharmakognosie. Die Ableitung des Namens vom deutschen „trocken" (niederdeutsch
drögej. im Zusammenhange mit dem Umstände, dass die fraglichen Arzneiwaaren
im trockenen Zustande in den Handel kommen, ist nicht zu erweisen. Das Wort
findet sieh zunächst in don romanischen Sprachen, am ersten im Französischen
(148 Ij ohne nähere Definition, dann lateinisch (1488) als „Drogua" in der
Pharmakopoe des Nicola t;s Praepositus als Name theuerer, exotischer Arzuei-
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DROGE. — DRUCKPUMPE.
535
waaren, im 16. Jahrhundert im Portugiesischen und Englischen. Im Deutschen
ist das damals in Frankreich ganz allgemein gebräuchliche Wort vor Mitte des
18. Jahrhunherts nicht üblich nnd selbst den Gelehrten unbekannt, so dass
Hoernigk (1636) die för die Detailhändler mit Arzneiwaaren aufgekommene
Benennung Drogisten („Trochisten") von den „Trochisci viperini", die sie
in ihren Läden fahrten, ableitet, und noch 1736 in Zedler's Universallexicon
das Wort „Droge" nicht vorkommt, sondern nur das von Drogist abgeleitete
„Drogisterei" (Droguister ei). Die sehr häufige Schreibweise Drogue ist
zu verwerfen, da das u im Französischen nur ein phonetisches Zeichen, um dem
g vor e den Zischlaut zu nehmen, ist (wie das k im Italienischen Plural Droghe,
Sing. Droga). Die Ableitungsversuehe auB dem Persischen (Drogua, Betrug) und
IUyrischen (drug , kostbar) sind gewiss verfehlt ; ein Zusammenhang mit
keltischen oder bretonischen Wörtern, welche Substanzen mit schlechtem Geschmacke
bedeuten (Littre) , liegt zwar näher, ist aber auch nicht erweislich. — Vergl.
Arzneihandel, Bd. I, pag. 629. Th. Hnsemann.
DrotlObyCZ in Galizien besitzt Soolquellen mit 25 Procent Chlornatrium. In
der Nähe die „Kaiser Wilhelm Quelle" mit schwachem Eisen- und Kohlensäure-
gehalt.
Drosera, Gattung der nach ihr benannten Familie der Cystiflorae. Peren-
nirende Kräuter mit einer grundständigen Rosette reizbarer, mit Drüse n-
haaren besetzter Blätter, selten auch mit Stengelblattern. Die Inflorescenz ist
ein ährenartiger Wickel. Blüthen actinomorph, zwitterig, Kelch 5theilig, 5 Kronen-
blätter und mit ihnen alternirend 5 Staubgefässe. Fruchtknoten einfäeherig, aus
3 Carpellen gebildet, zu einer fachapaltigen, vielsamigen Kapsel sich entwickelnd.
Drosera rot und i/o l ia L. , D. intermedia Hat/ne und D. anglica
Huds., auf Torfmooren Europas und Nordamerikas vorkommende Sonnonthau-
Arten , waren früher als Ilerba Rosellae s. lioris solis in arzneilicher Ver-
wendung. In neuerer Zeit sind sie durch Darwin berühmt gewordeu , welcher in
ihnen „fleischfressende" Pflanzen erkannte. Durch den Reiz eines auf die Blatt-
spreite sich niederlassenden Iusectes schliesst sich jene und die DrfJsenhaare
secerniren einen sauren Saft, welcher gleich dem Magensaft Eiweissstoffe in
Peptone umzuwandeln vermag, daher die gefangenen Insecten auflöst und
verdaut.
Rees und Will (Bot. Ztg. 1875) haben die Ersten das peptonisireude Ferment
durch Glycerin aus den Droserablüttern extrahirt und an Blutfibrin dessen ver-
dauende Wirkung ausser Zweifel gestellt.
Drouot'sches Pflaster. 8. Emplastrum Mezerei cantharidatum.
Druckerschwärze ist eine mit einem steifen, schnell eintrocknenden Leinöl-
firnis* bereitete Verreibung von höchst fein vertheiltem Russ ; der Firniss ist ein
halbfertiges Ol. Lini coct., welches mit 16 Procent Lampenruss abgerieben, leicht
und schnell trocknet, ohne Oelfkcke zu geben. Je nach der Feinheit der Schwärze
unterscheidet man Zeitungsfarbe (die billigste), Werkfarbe (zu Büchern), Accidenz-
farbe (eine feine Werkfarbe), Illustrationsfarbe und Praehtdruckfarbe.
Druckpumpe Oder CompreSSiOnSpumpe. Dieselbe hat den Zweck, einen
Druck auf Flüssigkeiten oder Gase auszuüben, und zwar bei den ersteren entweder
um dieselben auf eine gewisse Höhe zu heben oder vermöge des nach allen Dimen-
sionen gleichmassig sich ausbreitenden hydrostatischen Druckes als Medium der
Kraftübertragung zu den verschiedensten Zwecken der Industrie, z. B. in (Testalt der
hydraulischen Press, ezu verwerthen, welche bekanntlich in chemischen Laboratorien
und Fabriken, in Eisenwerken zur Pressung von glühenden Massen in bestimmte
Formen, wie der Schiflspanzerstahtplatten, sowie zum Hin austreiben der Fischtorpedos
Verwendung findeu. Der auf Gase durch Druckpumpen ausgeübte Druck bezweckt
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536
DRUCKPUMPE. — DRUCKREGULATOR.
die Verwerthang der Expansion derselben zu zahlreichen Kraftleistungen, z. B.
in den pneumatischen Pressen der Laboratorien zum Deplaciren von extrahirenden
Flüssigkeiten aus trockenen Substanzen, zum Entgegenwirken bei Bremsvorrich-
tungen , zum Laden der Windbüchse, zum Uebertragen der Kraft auf Stanz-
vorrichtungen und vielen anderen mechanischen Arbeiten in Fabriken. Anderseits
sind die Druckpumpen zur wissenschaftlichen Erforschung der Gase von Bedeu-
tung geworden, indem sie im Verein mit Temperaturerniedrigung zur Erkenntniss
der Verhältnisse der Verdichtung der Gase und der Lage der Siedepunkte, unter
welcher die Oondensation zu tropfbaren Flüssigkeiten stattfindet , beigetragen
haben. Die Leistungen aller Arten Druckpumpen beruhen auf Uebertragung der
Muskelkraft von Menschen oder Zugthieren oder des Druckes von Kraftmaschinen
der verschiedensten Art, die scheinbare Verstärkung des Druckes durch dieselben
auf der zweckdienlichen richtigen Vertheilung mit Hilfe von ungleicharmigen.
Hebeln zwischen der bewegten Masse und der Länge des Weges, deren Product,
wie überall in der Mechanik, stets der ursprünglich gegebenen Kraft und der von
derselben geleisteten Arbeit proportional, eine unveränderliche Grosse bleibt.
Die Einrichtung der Druckpumpe unterscheidet sich von derjenigen der Saug-
pumpe wesentlich durch die Lage und Oeffnungsrichtung ihrer Ventile. Während
die letztere als Wasserpumpe die erste Arbeit dem Druck der atmosphärischen
Luft auf die Wasserfläche im Brunnen überlässt, wobei erst die Luft im Pumpen-
stiefel, dann das Wasser durch ein nach oben sich öffnendes Ventil im Kolben
austritt, so ist der Kolben der Druckpumpe massiv, ohne Ventil. Der Pumpeu-
stiefel hat im unteren Boden oder seitwärts ein Zuflussrohr mit einem nach innen
sich öffnenden Ventile, welches beim Aufwärtsgehen des Kolbens Flüssigkeit oder
Gas in den verdünnten Raum einströmen lässt, beim Niedergange desselben durch
den vermehrten Druck sich schliefst, und ein Abflussrohr mit einem nach aussen
mündenden Ventile, welches umgekehrt bei vermindertem Drucke im Stiefel durch
Wasser- oder Luftdruck von aussen sich schliesst , bei vermehrtem Drucke die
gepressten Medien hindurchlässt. Diese einfachste Form der Druckpumpe ist
vielfach modificirt worden. Die wichtigste Druckpumpe ist das Herz, welches
die genannten Vorgänge mit Hilfe der Herzklappen durch abwechselndes Verengern
und Erweitern der beiden Ventrikel vermittelst des Druckes des Herzmuskels
bewirkt, um das Blut durch die Arterien zu treiben. Eine abweichende Form ist
die Centrifugalpumpe, welche im Centrum einer flachen Trommel bestäudig
Wasser einsaugt und durch Schleuderung vermittelst eines Schaufelrades aus einer
Oeffnung an der Peripherie unter Druck heraustreibt. Eine genial erdachte und
complicirte Vorrichtung ist die Wassersäulenmaschine zur Weiterbeförderung
von Salzsoolen über bedeutende Höhen, in welcher der Druck eines gegebenen
Wassergefälles auf den grossen Kolben einer Druckp urape wirkt und die Arbeit
auf einen kleineren Kolben an derselben Leitstange fortpflanzt, welcher die Soole
um so höher zu heben vermag, je grösser der Unterschied im Querschnitte der
beiden Kolben ist. Doppelt wirkende Druckpumpen wie bei der Feuer-
spritze bestehen aus zwei Oy lindern, in welchen gleichzeitig und abwechselnd der
eine Kolben saugt, der andere drückt. Auch gibt es solche mit einen Cylinder,
welche gleichzeitig und abwechselnd beide Verrichtungen auf den entgegen-
gesetzten Seiten des Kolbens leisten. In den Cylinder münden seitlich oben und
unten je zwei Kohre mit den entsprechenden Ventilen für Zu- und Abflugs. Derart
sind die Cylindergebläse der Schmelzöfen. Eine Luftcompression 8-
p urape unterscheidet sich von der Saugpumpe nur durch die nach entgegen-
gesetzten Seiten sich öffnenden Ventile. Die besseren Luftpumpen sind anstatt mit
Ventilen mit durchbohrten Hähnen versehen, durch deren rechtzeitige Oeffnung
oder Schliessung dieselbe Pumpe zum Saugen oder zum Comprimiren verwendet
werden kann. Gang;«.
DrUCkregillatOr. Instrumente, welchen die Aufgabe zufällt, den Ausfluss von
Wasser oder Gas unter bestimmtem constantem Drucke stattfinden zu lassen oder
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DRUCK REGULATOR.
537
Flg. »5.
den Druck innerhalb eines geschlossenen Gefässes auf beliebiger, aber constanter
Höhe zu erhalten, sind in grosser Anzahl construirt und beschrieben worden.
Als einfachste derartige Vorrichtung kann die „MARiOTTE'sche Flasche" betrachtet
werden (s. auch Aspirator), bei welcher das Aus-
flössen von Wasser unter constantcm Drucke erfolgt.
Fig. 85 zeigt diese Vorrichtung, das Wasser flieset —
so lange das Niveau sich über der Oeffnung a des
Rohres befindet — aus der Oeffnung c des Gefasses
unter einem Drucke aus, welcher durch die Hohe der
Wassersäule n h gemessen wird ; durch geeignetes Ein-
stellen der in dem Kautschukstopfen verschiebbaren
Röhre, kann man daher den Druck variiren. Um
den Druck in einer Wasserleitung möglichst constant
zu erhalten, fügt man zwischen Hauptreservoir und
Verbrauchsstelle in einer dem gewünschten Drucke
entsprechenden Höhe ein Zwischenreservoir ein , aus
welchem die Verbrauchsstelle gespeist wird und in wel-
chem das Wasser dadurch auf constantem Niveau
erhalten wird, dass sich durch einen auf dem Wasser
befindlichen Schwimmer und einem mit diesem in Ver-
bindung stehenden Ventile der Zufluss des Wassers aus
dem Hauptreservoir selbstthätig regulirt. Sinkt bei
Wasserverbrauch der Schwimmer, so öffnet sich das Ventil und es tritt Wasser
ein, bis der Schwimmer wieder die geforderte Höhe erreicht hat , worauf sich
da» Ventil schliesst und
der Wasserzufluss unter-
brochen wird ; durch un-
unterbrochenes Spiel die-
ser Vorrichtung bleibt das
Niveau und somit der
Druck constant. Derartige
Vorrichtungen werden
auch oft aus Ersparniss-
rücksichten in die Druck-
leitungen eingeschaltet.
Um gewisse Heizvor-
richtungen (z. B. bei
Trockensi'hränken, Brut-
öfeu, Wasserbildern etc.)
auf constanter Tempera-
tur zu erhalten, benutzt
man sogenannte T h e r-
m o r e g u 1 a t o r e n (s.
d.), welche aber nur
dann zur Erzielung des
gewünschten Resultates
geeignet sind . wenn der
Gasdruck nicht zu grossen
Schwankungen unterliegt;
handelt es sich daher um
Erlangung ganz constan-
ter Temperatur für län-
gere Zeit hindurch, so
schaltet man in die Gasleitung vor dem Thermoregulator einen besonderen Gasdruck-
regulator ein. Diese Apparate beruhen zum grössten Theile auf dem bereits von
538
Mi UCK REGULATOR.
Samuel Clepp in Anwendung gebrachton Principe, bei welchem eine in einer Flüssig-
keit schwimmende Glocke durch den Gasdruck gehoben wird und durch ein mit ihr
in Verbindung stehendes Ventil die Gaseinströmungsöffnung in einem dem Drucke ent-
gegengesetzten Sinne verkleinert oder vergrößert. Sehr zweckmässige, haltbare,
handliche Druckregulatoren sind die von H. Girond construirten und als „rheometre
humide n depense arbitraire" im Handel leicht zu erlangenden Apparate, von denen
Fig. 86 den Durchschnitt eines Exemplares in natürlicher Grösse wiedergibt. Das Gas
tritt bei a ein und gelangt in die durch Glyeerin abgeschlossene kleine Glocke,
aus dieser sowohl durch die kleine Oeffhung b, als durch das mittelst des Hahnes «
beliebig zu öffnende Rohr c in den Süsseren Mantel und aus diesem durch das
Rohr d zur Verbranchsstelle. Die kleine Glocke besitzt oben in der Mitte einen
Conus; wird der Gasdruck stärker, so wird die Glocke in die Höhe gehoben und
das Gasableitungsrohr dementsprechend durch den Conus verengert; der Hahn e
wird dem Gasverbrauche entsprechend geöffnet. Eine einfachere, unter dem Namen
„rheonietre humide" im Gebrauche befindliche Form, besitzt daB Hahnrohr c nicht,
das Gas tritt dann nur durch die Oeffhung b der kleinen Glocke aus und die
Quantität Gas , welche durch den Apparat treten kann , ist abhängig von der
Grösse dieser Oeffnung ; man kann deshalb einen solchen Apparat immer nur für
eine bestimmte Temperatur benutzen, und muss daher eine grössere Anzahl der-
selben besitzen.
Einen vollständig ans Glas verfertigten Regulator , welchen man sich leicht
selbst herstellen kann, hat H. Schiff (Ber. XVIII, 2833) beschrieben ; bei diesem
wird durch eine mit Wasser abgesperrte bewegliche Glocke ein Hebel, welcher
die Gasausströmungsöftnung verengert, in Bewegung gesetzt.
Einen ebenfalls mit leichter Mühe herstellbaren Druckregulator , welcher anf
dem Principe beruht, dass die Ausflussgeschwiudigkcit der Gase, besonders durch
enge Rohren , mit Verlängerung der Röhre sehr rasch sich vermindert , hat V.
Krkcssler (Chem.-Ztg. VIII, 1322) construirt. — Weitere Gasdruckregnlatoren
sind beschrieben worden von: Crafts, Matlky, Moitessieb, Nicolle u. A.
Apparate, welche dem Zwecke dienen, den Druck innerhalb eines geschlossenen
GefHsses constant zu erhalten , werden besonders bei Siedepunktsbestiromungen
(Destillation) von Flüssigkeiten unter verschiedenem Drucke angewendat. Derartige
Vorrichtungen, welche gestatten, einen beliebigen Druck unter einer Atmosphäre
herzustellen und coustant zu erhalten,
gind beschrieben worden von L. Go-
pefroy (Annales de ebim. et pbys. [6]
I, 138} und von L. Meyer (Annalen
Chem. Pharm. lGo, 303).
Ein Apparat, welcher gestattet,
sowohl einen bestimmten beliebigen
reberdruck, als auch Pnterdruck in
einem GefJlsse constant zu erhalten,
ist in sehr zweckmassiger Gestalt
(hervorgegangen aus L. Meyer's
Regulator) von 0. Schümann con-
struirt und beschrieben worden (An-
nalen Chem. Pharm. 195, 218, und
PcNtGENDORFF's Annaleu. Neue Folge,
12, 44). Bei allen diesen Apparaten
wird der Druck — bis auf die durch
Schwankungen im Barometerstande
bedingten Veränderungen — constant
erhalten.
Im bei Kiedepunktsbestimmungen den Druck im Destillationsgefässe genau auf
den Normalbarometerstand von 700 mm zu bringen und constant auf dieser Höbe
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1 »RÜCK REGULATOB. — DRÜSEN.
539
zu erhalten, ist von Bcnte ein geeigneter Apparat construirt worden (Ann. Cbem.
Pharm. 168, 140); derselbe besteht aus einer Druckflasche von 20 cm Durchmesser
und 5 — 61 Inhalt A i'Fig. 87), welche durch einen dreifach durchbohrten Kant-
schnkstopfeu geschlossen ist; die eine Durchbohrung trägt das rechtwinklig ge-
bogene Rohr er, welches durch einen Gmnmischlauch mit dem Chloroalciumrohr B
und der Vorlage des Destillirapparates C luftdicht verbunden ist, der anderen
Durchbohrung ist ein mit Gummischlauch und Quetschhahn verschliessbares recht-
winklig gebogenes Rohr b eingefügt, die mittlere Durchbohrung enthält ein weite«
Glasrohr, welches bis auf den Boden der Flasche reicht und circa 10cm über
den Gummistopfen hervorsteht; an seinein oberen Ende ist es mit einem Stück
Gummischlauch verseben , in welchem das engere Rohr c von circa 60 cm Lange
auf- und abgeschoben werden kann. Dieses Rohr hat (etwas unterhalb seines
oberen Endes) zwei seitliche Ansätze d und e, von denen d mit der Wasserleitung
und e mit dem Ablauf verbunden wird. In die Flasche schüttet man Wasser, stellt
sodann das Steigrohr c in einer Höhe ein. dass der Ansatz e vom Niveau des
Wassers in der Flasche gerade so viel Millimeter entfernt ist, als die Höhe einer
Wassersäule betragen müsstc, welche den augenblicklich herrschenden Atmosphären-
druck auf 760 mm ergänzt, füllt dieses Steigrohr durch Einblasen von Luft durch
das Rohr b und Scbliessen des Quetschhahnes vollständig mit Wasser an und
lässt aus einer Wasserleitung beständig Wasser von d nach e fliessen.
Ehrenberg.
DrUCkstein, s. Calciumcarbonat, Bd. II, pag. 482.
DrildenfllSS, Pentagramm, ist ein dreifach in einander verschlungenes
Dreieck, oder ein Fünfeck, auf dessen Seiten gleichschenkelige Dreiecke construirt
sind (*&). Bei den Pythagoräern galt das Pentagramm als Zeichen der Gesundheit.
Der Drudenfuss findet sich auf den Abraxasgemmen des Mittelalters. Noch gegen-
wärtig gebraucht der Aberglaube dieses Zeichen, um Hexen abzuhalten.
DrÜSen sind Organe für Absonderung und Ausscheidung. Sie bestehen aus
einem secernirenden Antheile und aus einem Ausführungsgange, durch welchen
das Secret entleert wird. Ihr anatomischer Bau ist höchst verschieden; es lassen
sich jedoch zwei Typen unterscheiden : acinöse und tubulöse Drüsen ; von beiden
Formen gibt es einfache und zusammengesetzte. Jede Drüse hat eine blutzuführende
Arterie und eine abführende Vene, zwischen beiden ein Capillargefässsystem, welches
die Drllsenelemente umspinnt. Ans dem durchströmenden Blute werden Stoffe auf-
genommen und durch das Drüsenepithel zu den speeifiseben Secreten verarbeitet.
Durch die Niere werden im Blute bereits vorfindliche Stoffe, die im Organismus
keine weitere Verwendung haben, wie z. B. der Harnstoff, ausgeschieden; solche
Absonderungen nennt man Kxcrete. Auch die von der Leber abgesonderte Galle
besteht zum Theil aus Excreten, die mit den Fflces abgehen. Diese physiologische
Tkätigkcit der grossen Drüsen Leber und Niere war schon frühzeitig, wenigstens
in ihren Umrissen, erkannt, und das führte zu der falschen Vorstellung, dass die
Drüsen blosse Filtrirapparate seion , für Stoffe , welche im Blute bereits vorge-
bildet sind. Diese Verallgemeinerung hat sich als irrthümlich erwiesen. Die meisten
Drüsen produciren Stoffe, die im Blute noch nicht vorkommen. Auch ist die
Thätigkeit der Drüsen kein Filtrationsprocess ; deun die Secretion in den Drüsen
geht nachgewiesenermaßen unter einem bedeutend höheren Drucke vor sich, als
der, welcher dem durch die Drüsen circulireuden Blute zukommt. Davon kann
man sich durch die Vergleiehung des Standes zweier Manometer überzeugen, von
denen eines in einen Drüsenansitthrungsgang, das andere in das arterielle Gefäss
der Drüse eingebunden ist. — S. auch Lymphdrüsen. M. Möller.
In der Botanik nennt man Drüsen, Honigdrüsen, Nectarien, alle
diejenigen Blüthentheile, welche (behufs Anlockung der Insecten) zuckerhaltige Säfte
gecerniren. An ihrer Bildung können sich sehr verschiedene Theile der Blütho
betheiligen, sowohl der Blüthenboden , besonders der Discus, als das Perigon
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540 DRÜSEN. — DRÜSENÖL.
(Honiggrübchen bei Ranunculus, Sporn bei Orchis), wie auch die Staubfäden
(Laurineen). Man hat aber auch ganz allgemein alle Secretionsorgane der Pflanzen
mit dem Namen Drüsen belegt, also sowohl die im Innern liegenden Secretbehälter
(schizogen en und lysigenen Ursprunges), sogenannte „innere Drüsen", als auch
die von der Epidermis gebildeten „äusseren Drüsen". Jetzt wendet man die Be-
zeichnung Drüse, wenn überhaupt, nur für die äusseren Secretionsorgane noch an,
also z. B. für die Oeldrüsen der Labiaten und Compositen , für die sogenannten
Leimzotten oder Colleteren der Blattknospen und ähnliche Bildungen. Diese Drüsen
sind epidermale Bildungen, also Trichome. Mau nennt sie Drüsenhaare und unter-
scheidet wohl den Drüsenstiel und das Drüscnköpfchen. Letzteres secernirt meist
zwischen die Membran und die blasig aufgetriebene Cuticula das Secret. VergL
auch Haare. Tschircb.
Drüsenpest b u b o n e n - oder Beulenpest ist eine acute , meist fieber-
hafte Infectionskrankheit, bei der es zur Entzündung von Lymphdrüsen mit Nei-
gung derselben zur Vereiterung kommt. Bei schwereren Fällen bilden sich Blut-
austritte uud Carbunkel auf der Haut ; von dieser Erscheinung erhielt die Krank-
heit im Mittelalter den Namen der „schwarze Tod". Am ärgsten wüthete die
Seuche in Europa im 14. Jahrhundert. Seit Mitte dieses Jahrhunderts blieb Europa
verschont, obwohl im Jahre 1878 — 79 die Gefahr nahelag, dass sich von den
Ufern der Wolga aus die Pest verbreite. Indien und Vorderasien werden als die
Heimat der Drüsenpest angesehen. Als wirksames Vorbeugungsmittel gegen die
Ausbreitung der Pest hat sich das Verbrennen , sowohl der Leichen Pestkranker,
als auch aller Effecten , welche mit den Kranken in Berührung waren , erwiesen.
Wo es immer angeht, soll auch das Wohnhaus des Erkrankten durch Feuer zer-
stört werden.
DrummOndSCheS Licht, Hydrooxygenlicht, Kalklicht, nennt man
jenes Licht, welches durch das Weissgltihen eines Kreidekegels in der Knallgas-
flamme erzeugt wird und sich durch grosse Intensität auszeichnet. Es wurde von
Drummoxd im Jahre 1826 erfunden und früher häufig zu Signaleu, ferner auf
Bühnen, bei Nebel bilderapparaten und Mikroskopen , sogar zur Beleuchtung von
Gebäuden und Strassen angewendet. Gegenwärtig ist es vollständig vom elektrischen
Licht verdrängt. Pitsch.
Dl*Up& ist eine Schliessfrucht , charakterisirt durch ein steinhartes Endo-
carp, welches den Samen als Gehäuse umgibt. Das Mesocarp ist nieist dick,
fleischig, von einem häutigen Endocarp bedeckt. Beispiele geben alle Arten
Steinobst.
DrUSenaSChe, die durch Verbrennen der Weiutrester und Weinhefe (1) r u se)
erhaltene Asche, ist stark kaliuiuhaltig und bildet deshalb eiu gutes Material zur
Herstellung von Pottasche.
Drusenbranntwein. Drusenschnaps, das durch Destillation der Weinbefe
gewonnene alkoholhaltige Product.
DrusenÖl, Wein öl, Cognacöl, ein zum grossen Theil Oenanthäther ent-
haltendes , aus der Weinhefe durch Zusatz von Schwefelsäure und Destilliren mit
Wasserdauipf erhaltene« Product. Es bildet eine bei 225 — 230° ciedeude farblose
Flüssigkeit von 0.86 spec. Gew. uud wird zur Bereitung von künstlichem Cognac
benützt.
Dni8ensch warz , Rebenschwarz, Frankfurterschwarz, Hefen-
schwarz, heisst die durch Verkohlen des Dcstillationsrückstandes der Coguacöl-
Bereitung in geschlossenen eisernen Gefässen erhaltene Kohle, welche entweder
unter den obigen Namen als schwarze Farbe verwendet . oder durch Auslaugen
mit Wasser auf Pottasche weiter verarbeitet wird.
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DRUSEN PULVER.
— DUALISTISCHE THEORIE.
Drusenpulver (für Pferde bei Drüsen, Kropf, Mangel an Fresslust n. s. w.)
wird fast in jeder Apotheke nach eigenem Recept bereitet , in allen Mischungen
aber ist Antimoniuvi crudum ein Bestandteil. Nachstehend zwei erprobte Vor-
schriften : Je 5 Th. Flore» Sulfuris , Frtictus Foeniculi, Radix Carlinae und
Anttmonium crudum, je 1 Th. Radix Asari und Herba Hyoscyami, 15 Th.
Fructus Juniperi. — Je 1 Th. Herba Absinthii, Fructus Juniperi, Radix
Gentianae , Radix Calami , Kochsalz und Glaubersalz , je 2 Th. Semen
Faenugraeci und Anttmonium crudum.
DrVObalanOpS, Gattung der Dipterocarpaceae mit nur einer Art:
Dryobalanops Camphora Colebr, (D. aromatica Gaert.J. Der auf
den malayischen Inseln (Sumatra , Borneo , Labuan) heimische Baum besitzt ge-
stielte, eiförmige, dicht fiedernervige Blätter und kleine, lineal-lanzettliche, hinfällige
Nebenblätter. Die rispigen Infloresccnzen bestehen aus actinomorphen Zwitter-
blüthen. Kelch öspaltig, 5 weisse, den Kelch überragende Kronenblätter, zahl-
reiche Staubgefässe, Fruchtknoten 3fächerig, zu einer 3klappigen Kapsel sich ent-
wickelnd , welche am Grunde von den vergrößerten Kelchzipfeln eingeschlossen
ist. Der (durch Abort) einzige Same besitzt fleischige Cotyledonen, von denen das
grössere um das kleinere herumgewunden ist.
In den Höhlen und Spalten alter Stämme finden sich krystallinische Massen
eines eigentümlichen Kamphers, welcher von den Eingeborenen herausgeschabt
und in unvollkommen gereinigtem Zustande in den localen Handel gebracht wird.
Nach Europa gelangt dieser sogenannte Borneo- oder B a r o 8 - Kampher nicht.
— Vergl. Camphora, Bd. II, pag. 511.
Dualin ist ein von Dittmar erfundenes, dem Dynamit nahestehendes Spreng-
mittel. Es ist ein Gemenge von Nitroglycerin mit Sägespähnen oder dem Holzstoff
der Holzstoffpapierfabriken, welcher vorher mit einem Gemißch von Schwefelsäure
und Salpetersäure behandelt wurde. Das zum Tränken mit Trinitroglycerin ver-
wendete Vehikel ist also nicht so indifferent als beim NoBKL'schen Dynamit,
insofern es Nitrocellulose enthält. (Vergl. auch Explosivstoffe.)
Gauswind t.
Dualistische Theorie. Dieselbe war die Vorläuferiu der atomistisch-mole-
kularen Theorie, und lag bis vor etwa 20 — 25 Jahren allen üblichen Formeln
der anorganischen Chemie zu Grunde. Man ging von der Ansicht aus, dass stets,
mit Ausnahme der Elemente selbst , jeder chemische Körper aus zwei gleich
einfach oder gleich complicirt zusammengesetzten Stoffen oder Körpern bestehe.
Man theilte zu dem Ende die chemischen Verbindungen in binäre: Verbindungen
von Element mit Element (z. B. Kohlensäure C02 oder Kali KO), tertiäre: Ver-
bindungen zweier binärer Verbindungen (z. B. Schwefelsäurehydrat S03 . HO;
kohlensaures Natron NaO . C03): quaternäre: Verbindungen zweier tertiärer Ver-
bindungen (z. B. Alaun Ala Oä, 3 S03 ; KO, S08) und so fort. Es rauss zugestanden
werden , dass dieses dualistische System , zumal wenn es consequent durchgeführt
wurde, fast alle Erscheinungen auf dem Gebiete der anorganischen Chemie zu
erklären vermag. Zur Zeit der Herrschaft des dualistischen Systems war die
organische Chemie noch verhältnissmässig wenig entwickelt und begnügte sich viel-
fach noch mit den empirischen Formeln. Das Bestreben, das dualistische System
auch in der organischen Chemie einzuführen , führte zur Theorie der organischen
Kadicalo, welche dann in gewissem Sinne auch wieder rückwirkende Aeusserungen
auf die anorganische Chemie hatte und z. B. zur Annahme des hypothetischen
Kadirais Ammonium NH4 fOhrte. Die Radikaltheorie führte die organischen Ver-
bindungen analog den anorganischen iu dualistischem Sinne auf; die sich daraus
ergebenden Ineonseq Uenzen der verschiedensten Art, unterstützt durch die sich bahn-
brechenden Anschauungen Uber die chemische Struetur, brachte dann schliesslich
die dualistische Theorie zu Falle. Gannwindt.
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542
UUBOCK. — DUBOI.SJA.
DubOCk. volksth. Name für Equtsetum arvense L.
Dubois' Pulvis eSCharOtiCUS (Poudre arsenicale escbarotique) ist eine
Mischung: von 16 Th. Cinnabarin, 1 Th. Acidum arsenicosum und 8 Th. Sanguis
Draconts.
DuboiSia. < lattung der Solanaceae, Abtheilung Salpiglossideae ; charakterisirt
durch özähnigen Kelch, 4 zweimächtige, fruchtbare Staubgefässe nebst einem fünften
unfruchtbaren. Kleine zweifächerige Heerenfrüchte mit wenigen Samen.
Duboisia myoporotdes R. Br. ist strauchartig bis 5 m hoch, ihre Blätter bis
zu 15 cm lang und 3 cm breit, länglich lanzettlich, ganzrandig und an den Kanten
Fig. SS.
Epidermis der ruterseite des Duboisia - Blattes mit Kali
erwärmt ; *t Spaltöffnungen. * ein Haar. — Vergr. 850.
(Xach Moeller.»
-
■
etwas nach unten umgebogen. Der Mittelnerr tritt
beiderseits stark hervor, und von ihm gehen fast
rechtwinklig Seiteunerven ab, welche sich am Rande
verschlingen (Fig. 88). In der Droge des Handels,
welche ans Australien , insbesondere aus Neu-Cale-
donien und Neu-Guinea zu uns gelangt, sind höch-
stens kleinere Blätter unversehrt cuthalten , meist
sind nur Bruchstücke vorhanden, welche sehr leicht
zerbrechen. Geruch fehlt, der Geschmack ist bitter-
lich. Als besonderes Kennzeichen der Blätter kann
gelten , dass der Mittelnerv nach oben und unten
parenchymatöse Auswüchse bildet.
Die der Droge beigemengten Blattstiele sind läug*runzlig und zeigen auf dem
Querschnitt grosse, kreisförmige, getüpfelte Markzelleu, die durch eine duukle Zone
vom strahligen Holzkörper getrennt siud.
Die Epidermis der Unterseite der Blätter, aus polygonalen Zellen bestehend,
zeigt nach Moeller (Fig. 8H) beim Kochen mit Kalilauge zahlreiche Krystall-
nadeln. Spaltöffnungen sind nur auf der Unterseite vorhandeu.
Blatt von DuMfffl tfiyo/Kirofc/ej
(nach Moeller).
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DUBOISIA. — DÜNGEMITTEL. 543
Die Anwendung der Duboisiablätter beruht auf dem Gehalt an Duboisin.
Zu Augenwässern wird das Extract im Verhältnias von 5.0 : 30.0 verordnet.
Als Verwechslungen werden die Blätter von Duboisia Hopwoodü, der
Pituripflanze, angeführt, welche aber schmal lineal sind und eine feine, oft zurück-
gebogene Spitze haben. Ob die angegebene eigentümliche Bildung des Mittelnervs
auch dieser Speciea zukommt, kann wegen Mangels an Material nicht festgestellt
werden. Sie enthalten das flüssige Alkaloid Piturin. Prollius.
Duboisin ist ein festes krystallisirtes Alkaloid in der Duboisia myoporoides,
welches von Ladbnbüro für identisch mit Hyoscyamin gehalten wird; es gehört
zu den mydriatisch wirkenden Alkaloiden und seine Wirkungen auf den Organismus,
sowohl bei innerer Anwendung, wie bei Application auf die Bindehaut, übertreffen
wesentlich die des Atropins; daher das Duboisin und das Duboisinsulfat nur mit
grosser Vorsicht angewendet werden darf, meist nur als Ersatz des Atropins in
der Ophthalmiatrie. Chemisch verhalt es sich ganz wie Hyoscyamin (vergl.
auch dieses). Die tödtliche Dosis des Duboisios dürfte bei 0.05 liegen.
Ganswind t.
DliboisinSälire, eine aus den Blättern von Duboisia Hopwoodü dargestellte
krystalliairbare, nicht näher charakterisirte Säure.
DuCatenSamen, volksth. Bez. für Semen Psyllii.
DllCkStein. Ein in der Natur vorkommender, kalkarmer Cement, s. Cement,
Bd. n, pag. 613.
Dlldley'S Reagens ailf GlukOSe ist eine Auflösung von Wismutnitrat in
wenig Salpetersäure, die mit gleichviel Essigsäure versetzt und hierauf mit dem
Zehnfachen destillirten Wassers verdünnt ist. Die Lösung hält sich gut und kann
beliebig verdünnt werden, ohne sich zu trüben. Zum Gebrauch wird die Ginkose
oder Harnzucker enthaltende Flüssigkeit alkalisch gemacht, einige Tropfen des
Reagens zugesetzt und 20 — 30 Secunden lang zum Kochen erhitzt. Bei Gegenwart
von Glukose oder Harnzucker tritt durch Reductiou des Wismutsalzes Schwarz-
färbung ein.
Düngemittel. Die Pflanze n bedürfen zu ihrer Nahrung ausser Wasser der
Kohlensäure, welche sie aus der Luft aufnehmen , ferner von im Boden enthaltenen
Stoffen der Phosphornäure , Salpetersäure, Schwefelsäure, des Kalis, Kalkes, der
Magnesia und des Eisenoxyds. Schwefelsäure, Kalk, Magnesia und Eisenoxyd ent-
halten die meisten Bodenarten in überreichlicher Menge, während Phosphorsäure,
Salpetersäure und Kali meist in nicht zureichender Menge vorhanden sind, also
gerade diejenigen Nährstoffe, welche die Entwickelung der Pflanze nach allen Rich-
tungen hin befördern.
Um den Bedarf der Pflanzen an diesen Stoffen zu decken, reicht der in vielen
Wirthschaften selbst erzeugte Stallmist vollkommen aus. Wo der Stalldünger
nicht ausreicht, um die Verluste an Nährstoffen zu ersetzen oder wo ein Miss-
verhältniss in der Zusammensetzung der Nährstoffe im Boden eingetreten ist, hat
man zur Anwendung künstlicher Düngemittel als „Hilfsdünger" (Stallmist ist Haupt-
düDger) schreiten müssen.
Die künstlichen Düngemittel, wie sie das Mineralreich, sowie zu diesem Zwecke
fabrikmässig hergestellte Producte und zahlreiche gewerbliche Abfälle bieten, ge-
währen dem Landwirthe noch folgende specielle Vortheile.
1. Auf Neuland können höhere Erträge als durch ausschliessliche Stallmist-
dflngung erzielt werden. 2. Ein schneller Fruchtwechsel ist ermöglicht. 3. Mangel-
hafter Stand der 8aaten kann aufgebessert werden. 4. Sie wirken specifisch günstig
auf die Entwickelung bestimmter Culturpflanzen. So werden Cerealien und Raps in
ihrem Gedeihen durch Düngung mit Knochenmehl, Peruguauo, Kalksuperphospaten
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DÜNGEMITTEL.
und Chilisalpeter begünstigt: Wurzelgewächse durch Superphosphat mit Chili-
salpeter oder Peruguano; Hülsenfrüchte, Grünfutterpflanzen (besonders kleeartige)
und Wiesengräser durch Holzasche, Stassfurter Kalisalze, Gyps.
Die Düngemittel des Handels theilt man nach ihrer Wirkung und Zusammen-
setzung ein in :
A. Direct wirkende Düngemittel.
I. Phosphorsäuredünger. Mineralphosphate, Guanophosphate, Knochen-
phosphate, Präcipitate, Thomasschlacke, Superphosphate.
II. Stickstoffdünger. Salpeter, AmmoniakBalze, thierische Abfälle und ge-
werbliche Nebenproducte.
III. Stickstoff- und phosphorsäurehaltige Düngemittel. Peru-
gnano, aufgeschlossener Peruguano, gedämpftes und aufgeschlossenes Knochenmehl,
Ammoniaksuperphosphate, thierische und gewerbliche Abfälle.
IV. Kalihaltige Düngemittel. Stassfurter Salze, Holzasche und gewerb-
liche Abfälle.
B. Indirect wirkende Düngemittel.
Kalk, Gyps, Mergel, humusbildende Substanzen.
Hauptbedingungen für eine erfolgreiche Anwendung künstlicher Düngemittel
sind: 1. Möglichst feinpuiverige Beschaffenheit des Düngemittels. 2. Möglichst
innige und gleichmässige Vertheilung in den oberen Bodenschichten durch Ein-
pflügen und Eineggen. 3. Möglichste Wasser- oder doch Bodenlöslichkcit der wirk-
samen Bestandteile.
Das Ausstreuen der Düngemittel geschieht am besten mit der Hand.
A. Direct wirkende Düngemittel.
I. Phosphorsauredünger.
1. Natürliche Phosphate.
a) Mineralische Phosphate.
Die Mineralphosphate sind frei von organischen Resten; nur die Koprolithen
enthalten Spuren von Kohlenstoff. Von amorphen Phosphaten sind folgende
zu erwähnen :
.Sombrero- und Navassaphosphat mit 30 — 36 Procent Phosphorsäure
(P8 Oö). Sie finden sich auf den Inseln gleichen Namens.
Koprolithen sind entstanden aus den Excrementen ausgestorbener Thier-
geschlechter, besonders denen des Ichthyosaurus. Im Handel werden sie als „Koth-
steineu bezeichnet. Fundorte für Koprolithen sind England, Conecticut, Frankreich,
Russland , Gegend von Aachen und Königslutter bei Braunschweig. Ihr durch-
schnittlicher Gehalt an Phosphorsäure beträgt 20 — 27 Procent. Zur Verarbeitung
auf Superphosphate eigneu sie sich wegen ihres bedeutenden Eisengehaltes schlecht
Carolinaphosphat enthält ziemlich viel Eisenoxyd und Thonerde und neben
circa 50 Procent Tricalcinmphosphat circa 10 Procent CaCOs. Die beste Waare,
das „Riverphosphat" enthält 27.6 Procent Phosphorsäure und 42.9 Procent Kalk.
Ea eignet sich wie die Koprolithen schlecht zur Superphosphatfabrikation.
Lotphosphat vom Flusse gleichen Namens im Departement Tarn et Garonne.
Der Phosphorsfluregehalt betrögt 33 — 38.5 Procent. Es eignet sich wegen seines
geringen Eisenoxydgehaltes und hohen Phospborsäuregehaltes zur Superphosphat-
bereitung.
Krystallisirte Mineralphosphate sind die Phosphorite und
Apatite. Man unterscheidet:
Estremaduraphosphorit. ein apatitartiges , krystallinisches Gestein,
welches sich auf Gängen des silurischen Schiefers findet. Es enthält etwa 32 Pro-
cent Tricalcinmphosphat mit circa 37.6 Procent Phosphorsäure, daneben Fluor-
calcium und Clilorcalcium. Sein Gehalt an Fluor wirkt wie bei allen Apatiten
störeud bei seiner Verarbeitung zu Superphosphat.
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I
DÜNGEMITTEL. 545
Caceres-Phosphat mit 32 — 33 Proeent Phosphorsäure. Eis wird bei Caeeres
in Spanien gewonnen.
Canada-Apatit (Laurenzia- Apatit) findet sich in den Provinzen Ontario
und Ottawa in Canada, die beste Sorte auf der Laurenziamine. Es enthalt
durchschnittlich 37 Procent Phosphorsaure nebst Fluorcalcium und kohlensaurem
Kalk.
Lahnphosphorit (Staffelit). Sein Fundort ist Staffel bei Limburg a. d.
Lahn. Man unterscheidet drei Sorten mit einem durchschnittlichen Gehalt von
24, 32 und 38 Procent Phosphorsaure. Die Herstellung des für den Markt be-
stimmten Productes ist wegen der ungleichmässigen Beschaffenheit des Rohmaterials
ausserordentlich mflhsam. Ebenso ist die Herstellung von Superphosphaten wegen
des hohen Eisengehaltes des Phosphorits sehr schwierig.
b) Guanophosphate.
An den Küsten und auf den Inseln des stillen Oceans und anderer Meere
finden sich gewaltige Ablagerungen von Excrementen der Seevögel, welche wesentlich
aus Tricalciomphogphat bestehen, wahrend die stickstoffhaltigen Bestandteile der-
selben durch Verwesung und Aaswaschen verloren gegangen sind.
Diese Guanophosphate können nur ausnahmsweise roh verwendet werden, z. B.
auf humosen oder gar moorigen Böden; sie dienen fast ausschliesslich zur Her-
stellung von Superphosphaten. Ihr Gehalt an Phosphorsäure ist sehr verschieden;
er beträgt 34 — 46 Procent; ein Stickstoffgehalt von 0.2 — 1.0 Procent (in den
Superphosphaten höchstens 0.6 Proeent) kommt bei der Berechnung des Dünger-
werthes nicht in Betracht. Man unterscheidet zwei Gruppen, den Inselguano und
Guano des Festlandes.
Inselguano. Das grösste Lager , welches jetzt fast erschöpft ist, fand sich
auf der Bakerinsel. Unter dem Namen Bakerguano werden meist auch die
Guanosorten zusammengefasst, welche von den Howland-, Maiden-, Jarvis-, Starbuk-,
Enderbury-, Phönix-, Raza- und anderen Koralleninseln stammen. Aehnliche Guanos
linden sich auch auf den Lacepede- , Browns- , Fanning- , Huan-, Curacao-, Aves-
und Surpriseinseln und bei Sidney.
Diese Guanosorten sind aus den Excrementen, Nahrungsresten, todten Leibern ,
und Eiern von Seevögeln entstanden. Der durchschnittliche Gehalt an Phosphor-
säure ist für Bakerguano 34.8 Procent, in Krusten 45.9 Procent, Howlandguano
34.1 Procent, Maidenguano 35.6 Procent, Phönixinselguano 38.7 Procent, Starbuk-
guano 37.8 — 41.3 Procent, Enderburyguano 41.2 Procent, Curacaoguano 40 Pro-
cent, Razaguana 36.5, Jarvisguano 23 Procent, Aveeguano 33.8 Procent, Sidney-
guano 34.4 Procent.
Guanophosphate de« Festlandes. Mejillonesguano von der
Mejillonesbay in Chile. Er enthält durchschnittlich 32.9 Procent Phosphorsäure als
Calcium- und Magnesiumphosphat; daneben kleinere Mengen von Gyps, kohlen-
saurem Kalk und organischer Substanz mit etwa 0.9 Procent Stickstoff.
c) Knochenphosphate.
Hierher gehören die Spodi u m abfalle, welche bei der Bereitung und Wieder-
belebung der Knochenkohle entfallen. Diese Abfälle führen im Düngerhandel auch
die Namen „Wasch- oder Schlammkohle", die unbrauchbar gewordene Knochen-
kohle der Zuckerfabriken, gebrauchte Knochenkohle.
Sie enthalten 11.5—34.5 Procent Phosphorsäure. Die Kn och e n a s c h e stammt
aus den baumlosen Grasebenen Südamerikas, wo die getrockneten Knochen der
Schafe und Rinder das einzige Brennmaterial bilden. Jetzt sind die grossen Vor-
räthe , die sich in der Nähe der menschlichen Wohnungen ansammelten , fast er-
schöpft. Der mittlere Gehalt der Knochenasehe an Phosphorsäure beträgt 35.4 Pro- *
cent. Sowohl Knochenkohle als Knochenaschc werden ausschliesslich zu Super-
phosphaten verarbeitet.
Real-Enoyclopädie der ges. Phannacie. III. 35
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54G
DÜNGEMITTEL.
2. Künstliche Phosphate.
a) Thomasschlacke.
Sie stammt von der Entphosphorung des Eisens nach dem Verfahren des Eng-
länders Gilcheist Thomas. Bei der Rednction der phosphorhaltigen Eisenerze im
Hohofen bildet sich Phosphoreisen, dessen Entphosphorung früher nicht gelang.
Statt der feuerfesten Ziegelsteine, mit denen der Converter früher ausgefüttert war,
verwendet Thomas Steine , welche aus erbsengross gemahlenem , todtgebranntem
Dolomit hergestellt werden, indem sie mit Theer gemengt, zu Steinen geformt und
erhitzt werden, wobei die coaksartige Theerkohle die Masse fest zusammenhält.
Ausser diesem basischen Futter des Converters verwendet man zur Bindung der
durch Verbrennung des Siliciums und Phosphors entstehenden Kiesel- und
Phosphorsaure gebrannten Kalk als basischen Zuschlag. Die so entstehende
Schlacke enthäft 11 — 23 Procent Phosphorsäure, 38 — 59 Procent Kalk (im
Mittel 17.5 Procent Phosphorsäure, 50 Procent Kalk). Diese Schlacken ver-
arbeitet man frisch oder nachdem sie 1 „ — 1 Jahr lang im Freien verwittert sind,
indem man sie durch Kollergänge und Mühlen zerkleinert. Nach Schkibler's
Verfahren zerlegt man die Schlacke durch Ansaigern in einen phosphorsäure-
reicberen und -ärmeren Theil , indem man sie in flüssigem Zustande in ein mit
schlechten Wärmeleitern bekleidetes Gefäss giesst und sie darin sehr langsam er-
kalten lässt. In dem oberen Theile sammelt sich der phosphorsäurereichere Theil
an, in dem unteren der phosphorsäureärmere. der zugleich auch reicher an Eisen-
oxydul und Oxyd ist. Man nimmt als wirksamen Bestandtheil der Thomasschlacke
Tetracalciumphosphat, CaA P2 09, an. Für die Wirksamkeit der Thomasschlacke ist
ganz besonders die Feinkörnigkeit von Kinfluss.
b) Präcipitate.
Leimkalk, präcipitirter phosphorsaurer Kalk, wird bei der Leimfabrikation
als Nebenproduct erhalten, durch Ausziehen der mineralischen Beatandtheile der
Knochen durch Salzsäure ' wobei die leimgobende .Substanz ungelöst bleibt) und
vorsichtige Neutralisation dieses Auszuges mit Kalkmilch. Wenn ein Ueberschnss
von Kalk vermieden wird, so erhält man ein sehr wirksames Düngemittel, welches
wesentlich aus Dicalciuniphosphat besteht, während bei Anwendung eines L'eber-
schusses an Kalk ein Theil der Phosphorsäure in das langsamer wirkende Tri-
calciumphosphat übergeht. Der Phosphorsäuregehalt beträgt bei richtiger Darstellung
35—42 Procent.
Präcipitate aus Thomasschlacken. Sie werden im Wesentlichen wie
das vorige Product hergestellt und haben dieselbe Zusammensetzung. Die fein ge-
mahlene und geröstete Thomasschlacke wird nur mit so viel Salzsäure behandelt,
dass der grösstc Theil des Eiseuoxyds etc. ungelöst bleibt, also wesentlich nur
Phospborsäurc und Kalk in Lösnng gehen: diese Lösung wird mit Kalk neutrali-
sirt. Dieses Product enthält durchschnittlich 34 Procent Phosphorsäure.
K 1 a d n o p h o s ph at. Auf der Albertinenhütte zu Kladno in Böhmen werden
zur Entfernung der bei der Gewinnung des Eisens störenden Phbsphorsäure die
phosphorsäurehaltigen Eisenerze zerkleinert, geröstet, in Bassins mit Wasser über-
gössen und schweflige Säure eingeleitet. Beim Erhitzen dieser Lösung, welche die
• Phosphorsäure enthält, wird die schweflige Säure verflüchtigt, während phospbor-
saure Thonerde (AlPCy) sich niederschlagt. Dieser Niederschlag enthält durch-
schnittlich 31.5 Procent Phosphorsäure.
Die Wirkung der Präcipitate ist eine allgemein günstige. Es werden Präcipitate
aueh aus auderen Phosphaten hergestellt.
c) Superphosphatc.
Die Superphosphatc werden hergestellt durch „Aufschliessen" der Rohphospbate
durch Mischen derselben mit Schwefelsäure. Die Fabrikation der Superphosphatc
i«t ungemeiu einfach, wenn das Rohmaterial wesentlich Kalkphosphat enthält ; sehr
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DÜKGEMITTEL.
547
erschwert wird sie durch Anwesenheit von Eigenoxyd, Thonerde, 'Fluor u. a. Das
Anfschliessen wird in kreisrunden ausgemauerten oder mit Blei ausgelegten Gruben
vorgenommen, in welche zunächst die zum AufsehHessen einer bestimmten Quan-
tität des Rohmateriales (circa 30 Centner auf einmal) nöthige Menge Schwefelsäure
gebracht wird, worauf das am Rande der Grube bereit liegende, fein gemahlene
Rohphosphat möglichst rasch und gleichmässig aber die ganze Oberfläche der Säure
ausgestreut wird, während die Masse fortwährend tüchtig umgekrückt wird. In vielen
Fabriken wird die Mischung von Phosphat und Säure in schräg liegenden bleiernen
Cylindern vorgenommen, in welchen sich eine mit bleiernen Flügeln scbraubenartig
besetzte Axe dreht. In eine am oberen Ende befindliche Trichteröffnung gelangt
mittelst eines Distributors Phosphat und Schwefelsäure in richtigem Verhältnis*.
Am unteren Ende fliesst das Superphosphat als dünner Brei aus. Beim Aufschliessen
reiner Kalkphosphate geht das Tricalciuraphosphat in das löslicjae Monocalciuni-
phosphat über nach der Gleichung: Ca3 P3 08 -f 2 H2 S04 = CaH4 P2 08 + 2 Ca S04.
Ist ein Ueberschus8 von Kalk oder anderen Basen vorhanden . so muss ent-
sprechend mehr Schwefelsäure angewendet werden. Die zum Aufschliessen nöthige
Schwefelsäure wird, wo sie nicht als Abfallsäure aus Anilinfabriken oder überhaupt
billig von auswärts bezogen werden kann, in den Snperphosphatfabriken selbst
hergestellt.
Man verwendet eine Schwefelsäure von circa 50° B. (50 Procent S03) , bei
Knochenkohle von 60° B. (64 Procent 803). Je höher der Procentgehalt der an-
gewandten 8äure ist, um so höherprocentig fällt das Superphosphat aus. Eiue zu
starke Säure gibt ein steiniges ungb-ichmässiges Product. Beim Mischen der
Schwefelsäure mit dem Phosphat findet eine bedeutende Wärmeentwickelung statt ;
nach einiger Zeit wird die Masse steif. Man bringt das Product so heisa als
möglich auf Haufen in bedeckte Räume, wo es 8 — 14 Tage lang lagert und vor
dem Verkauf gesiebt wird.
Häufig, z. B. bei der Verarbeitung vou Baker- oder Mejillonesguano, bleibt die
Masse feucht bis schmierig von freier Phosphorsäure (bei der Berechnung der zu
verwendenden Schwefelsäure nimmt man die Phosphorsäure in den Rohphosphaten
als Tricalciumphosphat an. Enthalten nun die Phosphate Magnesium oder Dicalcium-
phosphat, so wird ein Ueberschuss von Schwefelsäure angewandt und daher Phos-
phorsäure in Freiheit gesetzt). Am schwierigsten ist die Verarbeitung von Roh-
phosphaten, die erhebliche Mengen von Thonerde oder Eisen enthalten, wio z. B.
des Lahnphosphorits. Es entsteht saures Ei>enphospbat, welches bei der Erhitzung
der Masse in neutrales Eisenphosphat (FeP04) und freie Phosphorsäurc zerfällt,
die das Fabrikat echmierig macht. Diesem Uebel»tande kann man durch schnelles
Abkühlen der Masse einigermaassen vorbeugen. Ein anderer Uebelstand ist das
nachträgliche Zurückgehen (Unlöslichwerden) eines Theiles der Phosphorsäurc in
diesen Superphosphateu. Um die Phosphorsäure dieser Phosphorite dennoch zu ver-
werten, setzt man zu denselben so viel Schwefelsäure hinzu , dass die gesammte
Phosphorsäure frei gemacht wird. Durch Miscben der so erhaltenen Phosphorsäure
mit leicht aufschliessbaren Phosphaten erhält man die sogenannten „Doppelsupcr-
phospbate44 mit bis gegen 40 Procent Phosphorsäure.
Das Zurückgehen der Phosphorsäure beruht auf der Bildung unlöslichen neu-
tralen Eisen- und Thonerdephosphats.
Nach dem beschriebenen Verfahren werden Superphosphate hergestellt aus allen
oben besprochenen natürlichen Phosphaten.
Durchschnittlicher Phosphorsäuregehalt einiger Superphosphate : Mejillonesguano
21.5 Procent, Bakerguano 21.8 Procent, Sombrerophosphat 20.2 Pcocent, Knochen-
kohle 16 Procent, Knochenasche 20 — 22 Procent, Lahnphosphorit (gewöhnlich)
15 — 19.4 Procent.
Die Wirkung der Superphosphate ist eine sehr rasche, da die Phosphorsäure
wasserlöslich ist und von der Pflanze schnell aufgenommen wird. Ein audercr Vor-
theil ist die feine uud gleichmässige Verkeilung, welche die Phosphorsäurc bei
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548
DÜNGEMITTEL.
der Absorption im Boden erfährt. Man streut die Superphosphate zweckmässig
kurz vor der Saat. Als Minimum der Düngung nimmt man 7.5 kg, gewöhnlich
aber 10 — 12.5 kg löslicher Phosphorsäure pro Morgen an.
Die zurückgegangene Phosphorsäure der Superphosphate ist ebenfalls wirksam,
wenngleich der wasserlöslichen nicht gleichwertig.
n. Stickstolldünger.
1. Salpeter.
Chilisalpeter (Caliche oder Terra salistrosa) , salpetersaures Natrium
(Na NO,), findet sich in der peruanischen Provinz Torapaca, theils zu Tage tretend,
theils von einer 1 2 — 2 m dicken Schicht von Conglomeraten bedeckt. Er enthält
ausser salpetersaurem Natrium auch salpetersaures Kalium, Kochsalz, Bromnatrium,
Jodnatrium , jodsaures Natrium , Kalium und Calcium. Die Entstehung des Chili-
salpeters ist noch dunkel ; Einige nehmen an, dass er aus dem Natrium des Meer-
wassers und dem Stickstoff grosser Massen durch Meeresflutheu an das Land ge-
schwemmter Algen entstanden sei, während nach einer anderen annehmbareren
Ansicht er den Stickstoff einem an den* Ufern eines jetzt eingetrockneten Natron-
sees befindlichen Guanolager verdankt. Der ruhe Chilisalpeter, dessen Stickstoff-
gehalt sehr verschieden ist, wird durch Umkrystallisiren gereinigt und enthält dann
1)0—100 Procent salpetersaures Natrium mit 14.H— 16.4 Procent Stickstoff. Da
der Chilisalpeter den Stickstoff in der zur Aufnahme für die Pflanze günstigsten
Form enthält, so ist seine Wirkung eine sehr rasche, eine Nachwirkung indessen
nicht zu erwarten. Er darf nicht zu lange vor der Aussaat gestreut werden ; als
ausschliesslicher Dünger darf er nur ausnahmsweise verwendet werden. In der
Regel ist er gleichzeitig mit schnell wirkenden Phosphaten (Superphosphaten) zu
verwenden. Der Chilisalpeter verlangsamt die Vegetation und bedingt Spätreife,
welcher Nachtheil durch die Frühreife bewirkende Phosphorsäure aufgehoben wird.
Bei Anwendung des Chilisalpeters ist ein häufiges Eggen und Hacken geboten, da
er an der Oberfläche des Bodens leicht die Bildung harter Krusten veranlasst.
Kalisalpeter wird als Dönger fast gar nicht mehr angewendet,
Kalinatronsalpeter mit durchschnittlich 14.9 Procent Stickstoff. Die An-
wendung entspricht der des Chilisalpeters.
2. Ammoniaksalze.
Das für die Landwirtschaft in den Handel kommende schwefelsaure
Ammoniak [(NH4)2 S04] wird jetzt fast ausschliesslich als Nebenproduct bei der
Leuchtgasfabrikation aus Steinkohlen gewounen, nur hier und da als Nebenproduct
bei der Bereitung der Knochenkohle, neuerdings auch beim Hohofenprocess.
Das Gaswasser der Stcinkohlcngasfabrikation enthält Ammoniak hauptsächlich an
Kohlensäure , Schwefelwasserstoff, Rhodanwasserstoff gebunden. Das Ammoniak
wird aus dem Gaswasser durch Destillation mit gelöschtem Kalk ausgetrieben und
in verdünnter Schwefelsäure aufgefangen.
Die so erhaltene Lösung von schwefelsaurem Ammoniak wird concentrirt nnd
das Salz durch Krystallisation gewonnen. Das käufliche schwefelsaure Ammoniak
enthält zuweilen Rhodanaramonium , einen den Pflanzen , namentlich der Gerste,
schon in kleinster Menge höchst schädlichen Körper; die Anwesenheit desselben
läfist sich leicht an der blutrothen Farbe der Losuug erkennen , welche dieselbe
uach Ansäuerung auf Zusatz von Eisenchlorid annimmt.
Auch den Stickstoff der Humussubstanz des Torfs führt man neuerdings nach
dem GKOUVKx'schen Patent durch Einwirkung überhitzten Wasserdampfes in
Ammoniak über, welches der Landwirtschaft zu Gute kommt.
Die Ammoniaksalze werden früher ausgestreut als Chilisalpeter, der doch im
Allgemeinen den Vorzug verdient, namentlich auf kalkarmen und sauren Böden.
Die Wirkung des Ammoniaks auf die Pflanze ist eine wesentlich langsamere,
als die des Chilisalpetcrs , da der Stickstoff des Ammoniaks im Boden erst zu
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DÜNGEMITTEL. 649
Salpetersäure oxydirt („nitrificirt") werden muss, ehe er für die Pflanze assirailir-
har ist.
Von ammoniakhaltigen Substanzen ist noch zu erwähnen der R u s s . der, von
Steinkohle stammend, durchschnittlich 2.4, von Holz 1.3 Procent Stickstoff ent-
hält. Ein den Ammoniaksalzen in seiner Wirkung gleichwerthiges Product, unreines
salzsaures Trimethylamin, wird bei der Verarbeitung der Melasse nach
dem Elutions verfahren als Nebenproduct gewonnen.
3. Thierische Abfälle.
Dieselben enthalten den Stickstoff in der für die Pflanze am langsamsten
assimilirbaren Form. Sie müssen alle mit Ausnahme des Blutmehls vor der An-
wendung compostirt werden. Der Phogphorsäuregehalt kommt nicht in Betracht.
Wollstaub, wollene Lumpen, Filzabfalle u s.w. enthalten sehr wechselnde
Mengen von Stickstoff, durchschnittlich 5 Procent.
Leimkäse oder Leimknchen besteht im Wesentlichen aus Kalk, ver-
mischt mit leicht verweslichen thieriscben Stoffen. Der durschnittliche Stickstoff-
gehalt beträgt 3 Procent.
Gerbereiabfälle bestehen aus einem Gemenge von Haaren und Kalk.
Durchschnittlicher Stickstoffgehalt 1.4 Procent.
Fleischmehl, hergestellt aus dem Fleisch gefallener Thiere durch Kochen,
Trocknen und Mahlen. Stickstoffgehalt circa 14.5 Procent.
Flechsenraehl ähnlich wie Fleischmehl.
Horn und Klauen werden gewöhnlich zuerst geröstet oder gedämpft und
dann pulverisirt. Stickstoffgehalt circa 10 Procent. Gedämpf! es Hornmehl ist für
die Fäulniss im Boden besser vorbereitet als nicht präparirtes oder geröstetes.
Lederabfälle werden scharf getrocknet und mit dem „Reisswolf4 fein ge-
pulvert. Stickstoffgehalt 9 — 10, zuweilen nur 4 — 5 Procent. Die Zersetzung im
Boden ist eine sehr langsame.
Blutmehl. Das frische Blut enthält circa 20 Procent feste Bestandtheile, die
wesentlich aus Albuminstoffen bestehen. Uni dieselben von dem Wasser zu trennen,
wird in das durch Umrühren bewegte frische Blut Dampf eingeleitet, wodurch es
zu einer steifen flockigen Masse gerinut. Nach dem Ablassen des Blutwassers wird
das Gerinnsel getrocknet und fein gemahlen. Man kann das Blut auch durch Zu-
satz von Kalk zum Gerinnen bringen. Das Blutmehl enthält 12 — 15 Procent Stick-
stoff. Es wirkt schneller als die anderen thieriscben Abfälle.
ID. Stickstoff- und phosphorsänrehaltige Dünger.
1. Rohmaterialien.
a) Guanoarten.
Peruguano. Er besteht aus Zersetzungsproducten der Excremente von See-
vögeln und verdankt die Erhaltung seines Stickstoffes günstigen klimatischen Ver-
bältnissen. Der breiige Harn der Vögel, der den Stickstoff fast nur in Form von
unlöslicher Harnsäure enthält , konnte nicht in den Untergrund verloren gehen.
Der Peruguano bildet Ablagerung längs der ganzen Westküste Südamerikas. Von
den in ihrer Zusammensetzung je nach dem Fundorte wechselnden Guanosorten
war der von den Chinchainseln stammende der beste mit etwa 14 Procent
Stickstoff und 12 Procent Phosphorsäure. Dieser Chinchaguano wurde schon von
den alten Peruanern für die Landwirtschaft verwerthet. Nach vollständiger Er-
schöpfung dieses Lagers wurden andere Lager in Angriff genommen. Von diesen
giud schon fast erschöpft die Lager von den Ballestas-, Guauape- und
Macibi- Inseln (mit 9 — 12 Procent Stickstoff und circa 13 Procent Phosphor-
sflnre).
Der jetzt in den Handel kommende Guano stammt fast ausschliesslich von
Punta de Lobos (mit 8.3 Procent Stickstoff, 13.4 Proceut Phosphorsäure),
Pabillon de Pica (9.2 Procent Stickstoff, 13.5 Procent Phosphorsäure), Hua-
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DÜNGEMITTEL.
nillos (8 Procent Stickstoff, 15 Procent Phosphorsäure), Saldanhabay (9 Pro-
cent Stickstoff, 9. 2 Procent Phosphorsäure), Ichaboe (8 Procent Stickstoff,
11.3 Procent Phosphorsflure). Ein ähnlicher Gnano ist der egyptisch e mit 11 Pro-
cent Stickstoff, 9 Procent Phospborsflure. In neuester Zeit kommt der Peruguano
in gereinigtem Zustande in zwei Qualitäten in den Handel: Gemahlener Peru-
guano 1. mit 7 Procent Stickstoff (als Salpetersäure, harnsaures, oxalsaures und
schwefelsaures Ammoniak und als Chlorammonium), 14 Procent Phosphorsäure,
3 Procent Kali; gemahlener Peruguano II. mit 4 Procent Stickstoff, 20 Pro-
cent Phosphorsäure , 3.5 — 4 Procent Kali. In allen diesen Guanos ist fast die
Hälfte der stickstoffhaltigen Substanz wasserlöslich, nämlich harnsaures und oxal-
saures Ammoniak und kleine Mengen von Guanin.
Die Phosphorgflure ist grösstenteils als Tricalciumphosphat vorhanden und nur
zum kleineren Theile durch Wechselwirkung der letzteren mit oxalsaurein Ammoniak
löslich. Der Stickstoff wirkt verschieden, der als Ammoniak vorhandene schneller
als der der Harnsäure. Da sowohl Stickstoff als Phosphorsäure des Peruguanos
eine zur Aufnahrae in die Pflanze gunstige Form haben , so ist derselbe roh zu
verwenden und meist vom Aufschliessen desselben abzusehen; ja für manche Böden
ist der rohe Guano vorzuziehen , wie für Sandböden und kalkarme Böden. Vor
den Aramoniaksuperphosphaten , s. unten) verdient er deshalb den Vorzug , weil
Phosphorsäure und Stickstoff (und etwas Kali) darin inniger gemischt sind als es
auf künstlichem Wege erreichbar ist.
Man rechnet zur Düngung 1 — l1 a Centner Peruguano pro Morgen, die tief
untergepflügt werden müssen.
Fledermausguano, früher unter dem Namen sardinischer Guano im Handel,
besteht wesentlich aus Koth und Leichen von Fledermäusen. Er findet sich an
Küsten des Mittelmeeres, in Brasilien, Ungarn und in der Gegend von Krakau.
Er enthält 2 — 3 Procent Stickstoff und 11—16 Procent Phosphorsäure, der Krakauer
enthält circa 9 Procent Stickstoff.
Robbenguano ist vorzugsweise aus den Leibern von Robben entstanden.
Er findet sich hin und wieder an der Küste Südamerikas. Sein Stickstoffgehalt
ist geringer als der des Peruguanos.
b) Knochen.
Frische Knochen bestehen nach Heixtz aus 26.5 — 30.6 Procent leimgebender
Substanz mit 4—5 Procent N. 64.6—69.8 Procent (Ca, P2 Oe)s CaC08 , 1.2 bis
2.1 Procent Mgs Ps Oa, 1.8 — 2.2 Procent CaFlj. Die in den Handel kommenden
gekochten Knochen enthalten mehr oder weniger Verunreinigungen. Fossile Knochen
und Knochcnbreceien weichen in ihrer Zusammensetzung etwas ab. In unzer-
kleinertem Zustande finden die Knochen als Dünger keine Verwendung, selbst
wenn sie zur Compostirung bestimmt sind, müssen sie vorher zerkleinert werden.
Zum directcn Ausstreuen auf den Acker eignen sie sich nur in prflparirtem Zu-
stande.
2. Präparirte Düngemittel.
a) Gedämpftes Knochenmehl.
Zur Herstellung des gedämpften Knochenmehls dienen die Abfälle von der
Knopf- und Messerschalenfabrikation und der Knochenschrotfabriken, sowie die für
diese Zwecke nicht brauchbaren kleineren und lockeren Knochentheile. Die Knochen
werden zunächst in verschlossenen Gefässen 4 Stunden lang der Einwirkung
von Wasserdampf von 4 Atmosphären Druck ausgesetzt („gedämpft"). Hierdurch
wird nicht nur die Knochensubstanz mürber gemacht und die Knorpelsubstanz in
Leim verwandelt, sondern auch das die Zersetzung der Knochenmasse verlang-
samende Fett entfernt. Nachdem die so gedämpften Knochen getrocknet sind,
werden nie durch Kollerwerke zermalmt und zwischen Steinen zu einem feinen
Pulver gemahlen.
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DÜNGEMITTEL.
551
Ein normales Knochenmehl enthält circa 3.8 Procent Stickstoff und 23.2 Pro-
cent Phosphorsäure und nicht mehr als 4 Procent Sand; aus stark entleimten
Knochen hergestellte Waare enthält weniger Stickstoff und igt phosphorsäurereicher.
Das Entleimen der Knochen ist verwerflich, weil durch die Zersetzung der Leim-
substanz im Boden die Phoaphorsänre den Pflanzen leichter zugänglich gemacht
wird. Beim Ankauf und der Verwendung des Knochenmehls ist ganz besonders
anf seine feinpulverige Beschaffenheit zu achten. Verfälschungen des Knochenmehls
mit Steinnussabfällen. Gyps, Phosphoritmehl, schlechtem Leimkalk, Torfasche u. s. w.
finden zuweilen statt. Zum Ausstreuen macht man das Knochenmehl durch Mischen
mit Erde geeigneter; auch ein vorheriges Compostireu desselben ist vortheilhaft..
Das Ausstreuen geschieht im Herbst und am besten mit der Hand; man wendet
gewöhnlich 2 — 3 Centner pro Morgen an.
Das Knochenmehl wirkt mehrere Jahre lang nach ; eine vollständige Ausnutzung
findet in 3—4 Jahren statt.
b) Aufgeschlossenes Knochenmehl
wird ebenso wie die Superphosphate durch Behandlung mit Schwefelsäure her-
gestellt. Eine Schwierigkeit hierbei bildet der Umstand, dass das Product leicht
nass und klumpig wird, dem man dadurch vorbeugen kann , dass man eine zum
vollständigen Aufschliessen nicht ganz zulängliche Menge von Schwefelsäure an-
wendet. Es enthält durchschnittlich 2.6 Procent Stickstoff, 17.6 Procent Phosphor-
säure. Man erhöht häufig den Stickstoffgehalt des Fabrikats durch Zusatz thierischer
Stoffe , z. B. durch Zusatz von frisch geronnenem Blut (auf 100 Centner frischer
Knochen etwa 120 Centner frisches Blut), wodurch man ein trockenes Product
erhält , ferner von Horn , welches als fertiges Mehl zugesetzt wird , von Leder-
abfällen , welche in der zum Aufschliessen dienenden Säure aufgelöst werden und
von anderen Abfällen, wie Fleisch, Fettgrieben u. s. w., die ebenfalls in Schwefel-
säure gelöst werden.
c) Aufgeschlossener Peruguano
wird wie die Superphosphate aus dem feingemahlenen Rohguano durch Aufschliessen
mit Schwefelsäure hergestellt: man wendet auf 100 Tb. Rohphosphat 22 Th.
Schwefelsäure von 66° B. an. Das Aufschliessen den Peruguanos erweist sich nur
bei sehr niedrigem Stickstoffgehalt und bei seebeschädigter Waare als vortheilhaft.
Der aufgeschlossene Peruguano enthält durchschnittlich 7 Proceut Stickstoff, 9 bis
10 Procent Phosphorssure und 2—3 Procent Kali. Er wirkt schneller als der rohe
Guano, da sein Stickstoff und seine Phosphorsäure leichter löslich sind. Bezüglich
der Zeit des Ausstreuens gelten für den aufgeschlossenen Peruguano dieselben
Regeln wie für die Superphosphate.
d) Ammoniaksuperphosphate.
Die Herstellung der Ammoniakauperphosphate geschieht einfach durch sorg-
fältiges Mischen von stickstofffreien Superphosphaten mit schwefelsaurem Ammoniak.
Sie enthalten häufig wie das rohe schwefelsaure Ammoniak Rhodanammoniuni. Es
sind verschiedene Sorten gebräuchlich mit 3 — 10 Procent Stickstoff und 9 — 15 Pro-
cent Phosphorsäure; davon mögen die drei gebräuchlichsten erwähnt werden:
I mit 9—10 Procent Stickstoff, 9—10 Procent Phosphorsäure
" „ 5-6 „ „ 12-13 „
III „ 3—4 „ „ 14-15 „ „
Für die Zeit des Ausstreuens der Ammoniaksuperphosphatc gelten dieselben
Regeln wie für die gewöhnlichen Superphosphate. Neuerdings kommt für Dttngungs-
zwecke aueh phosphorsaures Ammoniak in den Handel.
3. Thieriache und gewerbliche Abfälle.
Fleischmehl wird aus den Abfällen der Fleischextractfabriken und Ab-
deckereien durch Dämpfen, Trocknen und Mahlen hergestellt und ist ein Gemisch
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552
dOngemittkl.
Ton Fleischmehl mit Knochenmehl. Ein solches Product ist der Fray-Bentos-
guano mit durchschnittlich 5.8 Procent Stickstoff, 17.4 Procent Phosphorsaure;
deutsches Fleischmehl ist etwas stickstoffreicher und phosphorsäureärmer. Diese
Düngemittel kommen auch in aufgeschlossenem Znstande, zuweilen noch mit
schwefelsaurem Ammoniak gemischt, in den Handel.
Fray-Bentosknochenmehl ist in Zusammensetzung, Anwendung und
Wirkung dem einheimischen Knochenmehl ähnlich. Der durchschnittliche Gehalt
beträgt an Phosphorsäure 25.1 Procent, an Stickstoff 3.8 Procent.
Fischguano wird an den Küsten von New-Foundland, Norwegen und Deutsch-
land aus zur Nahrung untauglichen Fischereiabfällen ähnlich wie das Fleischmehl
durch Dämpfen, Pressen, Trocknen und Mahlen der gedörrten Masse hergestellt.
Der norwegische Fischguano enthält durchschnittlich 8.5 Procent 8tickstoff, 13.8 Pro-
cent Phosphorsäure; Wallfischguano 7.6 Procent Stickstoff, 13.5 Procent Phosphor-
säure; Polarfischguano 8.3 Procent Stickstoff, 13.9 Procent Phosphorsäure. Die
Fischguanos äussern eine raschere Wirkung als Knochenmehl, sind aber sonst wie
dieses zu verwenden.
Granatguano wird ans Granaten oder Garnelen durch Dämpfen, Pressen,
um das Wasser zu entfernen , Dörren und Mahlen hergestellt. Er enthält circa
8 Procent Stickstoff, 3 Procent Phosphorsäure.
Poudrette ist getrockneter Latrinendünger, der nach dem Verfahren von
Liernodr hergestellt wird, indem man den frischen Dünger mit Schwefelsäure
versetzt, um das Ammoniak zu fixiren, ihn dann im Vacuum eindampft und auf
rotirende, mit Dampf geheizte Walzen bringt, von denen das trockene Pulver durch
Bürstenwalzen abgekratzt wird. Es enthält durchschnittlich 7.5 Procent Stickstoff,
2.7 Procent Phosphorsäure und 3.1 Procent Kali.
Scheideschlamm der Zuckerfabriken besteht im Wesentlichen aus
kohlensaurem Kalk und Aetzkalk, wirkt aber ausserdem auch durch seinen Gehalt
an 8tickstoff und Phosphorsäure günstig. Er wird zweckmässig compostirt.
Verdorbene Kraftfnttermittel, Abfälle von der Fabrikation derselben
und Oelkuchen , die sich zum Verfüttern nicht eignen. Sie enthalten je nach
ihrer Abstammung sehr wechselnde Mengen von Stickstoff und Phosphorsäure
und eignen sich sehr gut zum Compostiren.
IV. Kalidünger.
1 Kalisalze
Die Steinsalzlager von Stassfurt (Prov. Sachsen; und Kalucz fGalizien) liefern in
den Abraumsalzen ein unermessliches Material zur Herstellung von kalihaltigen
Düngemitteln.
Das wichtigste derselben , der C a r n a 1 1 i t , bildet die Hauptmasse des kali-
haltigen Rohsalzes. Er hat die Zusammensetzung KCl 4- MgCl, + 6H,0. Ausser-
dem enthält er kleine Mengen von Chlorcalcium, Kochsalz, Gyps und Eisenoxyd,
welches ihm zuweilen eine gelbe bis rothe Farbe ertheilt. Er wird in rohem Zu-
stande zu Düngezwecken verwendet. Sein Kaligehalt beträgt durchschnittlich
15 Procent.
Der Carnallit wird zur Herstellung von Chlorkalium verwendet, die auf der
Zersetzbarkeit des Doppelsalzes mit Wasser beruht. Aus der Lösung wird Chlor
kalium durch. Auskrystallisiren gewonnen. Die Mutterlauge hiervon wird entweder
zum Lösen neuer Mengen von Carnallit verwendet oder durch Eindampfen daraus
das „Buhnen salz" gewonnen, welches aus schwefelsanrer Kalimagnesia und
Chlornatrium besteht. Durch Krystallisation der Mutterlauge des Bühnensalzes
wird ein Salz von der Zusammensetzung des Carnallits gewonnen, welche« wie
oben behandelt wird. Das so gewonnene, getrocknete und für Düngezwecke ge-
mahlene Chlorkalium enthält etwa 80 Procent K Cl. Nach einem anderen Verfahren
hergestellt, bei dem man zum Lösen des Carnallits ausschliesslich Mutterlauge
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DÜNGEMITTEL.
553
verwendet, enthalt es etwa 98 Procent E Ct. Das gewöhnliche Chlorkalium mit
80—85 Procent KCl ist das „fünffache concentrirte Kalisalz" des Handels. Die
Darstellung des schwefelsauren Kalis geschieht durch Zersetzung des Chlor-
kaliums mit Schwefelsäure. Für landwirtschaftliche Zwecke wird das Salz, welches
40 — 50 Procent Kali enthält, gemahlen. Der gereinigte Kainit wird aus
dem Rohsalz durch Ausklauben des Steinsalzes erhalten und gemahlen in den
Handel gebracht. Von anderen Düngesalzen ist zu erwähnen: das rohe schwefel-
saure K a 1 i ^ welches durch Calciniren des in den Klärbottichen sich absetzenden
Schlamms oder des Bühnensalzes dargestellt wird (mit 7 — 12 Procent Kali);
dreifach concentrirtes Kalisalz, mit etwa 30 Procent Kali, wird hergestellt
durch Calciniren des „Rinnensalzes", welches sich in den Röhren absetzt, in
denen bei der Darstellung des Chlorkaliums die Lösungen sich bewegen. Durch
Mischen des rohen schwefelsauren Kalis mit dem dreifach concentrirten Kalisalz
erhält man „präparirten Kainit" mit etwa 14 Procent Kali, „kainitisches
Düngesalz" und andere Producte.
Rohe schwefelsaure Kalimagnesia wird auch durch Calciniren des
Kaimts erhalten, und enthält etwa 17 Procent Kali; gereinigte schwefel-
saure Kalimagnesia, aus Kainit dargestellt, enthält ungefähr 29 Procent
Kali. Die Stassfurter Salze, deren Bestandteile grösstenteils leicht löslich sind,
wirken wesentlich durch ihren Gehalt an Kali und Magnesia. Das in einigen in
reichlicher Menge enthaltene Chlornatrium kann eine indirect düngende Wirkung
äussern, kann im Uebermaass aber auch schädlich wirken. Das Kali ist in diesen
Salzen als schwefelsaures Salz oder als Chlorkalium enthalten und wird von den
Zeolithen im Boden absor) irt; bei Anwendung von schwefelsaurem Salz bildet sich
im Boden durch Umsetzung Gyps, der nicht nur nicht schädlich wirkt, sondern
nützlich sein kann ; aus Chlorkalium bildet sich das den Pflanzen schädliche Chlor-
calcium. Diese schädliche Wirkung äussert sich bei Herbstdüngung nicht, da im
Frühjahr das Chlorcalcium schon ausgewaschen ist. Dasselbe gilt auch vom Chlor-
magnesium. Durch Kalisalze soll weniger die Pflanze direct gedüngt als der Boden
an Kali angereichert werden; nach anderer Auffassung wird ihnen überhaupt nur
eine indirecte Wirkung zugeschriebeu.
Vortheilhaft setzt man Kainit, rohe Kalimagnesia, Carnallit, auch Kieserit dem
Stalldünger zn , dessen Zersetzung dadurch verlangsamt und dessen Ammoniak
gebunden wird. Bezüglich der Bodenarten hat man die Erfahrung gemacht, dass
die Wirkung der Kalisalze auf leichten Bodenarten, besonders aber auf moorigen
Wiesen und meliorirten Moorböden eine sichere ist, während die physikalische
Beschaffenheit schwerer Lehm- oder Thonböden dadurch verschlechtert wird. Man
streut von den kaliärmeren Salzen 2 — 5 Centner, von den kalireicheren 1 bis
3 Centner pro Morgen, am besten im Herbst (auch für Sommerfrüchte) und pflügt
gut ein ; nur bei wenig absorbirendem Boden ist eine Frühjabrsdttngung vorzuziehen.
Eine beschrankte Anwendung finden Kalisuperphosphate, die durch Mischung
vou schwefelsaurem Kali oder Chlorkalium mit Superphosphaten erhalten werden
(mit 8—10 Procent Kali, 15—16 Procent Phorpborsäure) und phosphor-
gaures Kali.
2. Gewerbliche Abfälle.
Zu den kalihaltigen Düngemitteln zahlt die Holzasche, welche von Laub-
böbsern durchschnittlich 10 Procent Kali, 3.5 Procent Phosphorsäure (und viel
Kalk), von Nadelhölzern 6 Procent Kali, 2.5 Procent Phosphorsäure enthält.
Ferner verdienen Erwähnung die kalihaltigen Rückstände der Blutlaugen-
fabrikation, kohlige Massen mit 10 — 12 Procent Kali und 5 — 6 Procent
Phosphorsäure ; Chlorkalium als NebenproductderWeinsäurefabri-
kation mit etwa 80 Procent K Cl ; Blutionslauge, von der Zuckerfabrikation
mit durchschnittlich 2.3 Procent; Melasseasche mit 32 Procent Kali; endlich
der Pfannenstein der Salinen mit 6 Procent Kali.
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DÜNGEMITTEL.
B. Indireet wirkende Düngemittel.
a) Mineralische Dünger.
Gebrannter Kalk wirkt durch Umsetzung: mit im Boden enthaltenen Salzen,
wodurch letzterer reicher an löslichen Nährstoffen, z. B. Kali, wird. Er befördert
ferner die Zersetzung von Humussubstanzen und die Nitrificirung des darin ent-
haltenen Stickstoffs. In sehr stark humosen sauren Böden stumpft er die Säure
ab und zersetzt das iu solchen Böden enthaltene schädlich wirkende schwefelsaure
Eisenoxydul (Eisenvitriol). Auch für kalkarme Thonböden empfiehlt sich eine
Kalkdüngung im Herbst. Man wendet den Kalk am besten in dem feinpalverigen
Zustande an, den er beim Löschen annimmt , darf ihn aber nicht an der Luft,
sondern erst im Boden in kohlensauren Kalk übergehen lassen, da er sich dann weit
feiner vertheilt. Man streut ihn am besten im Herbst auf die 8toppel, 4 bis
7 Centner pro Morgen, und pflügt ihn flach unter. Zähe Thonböden und stark
hnmose Bodenarten vertragen eine stärkere Düngung als leichter Sandboden. Zur
Kalkdüngung für Sandböden empfiehlt sich Mergel, der oft noch andere wichtige
Nährstoffe enthält und von dem man grössere Quantitäten anwendet. Oaskalk
von der Reinigung des Steinkohlengases besteht im Wesentlichen aus A etzkalk
und Gyps. Seines Gehaltes an den Pflanzen schädlichem Schwefelcalcium wegen
empfiehlt es sich, ihn an der Luft verwittern zu lassen oder noch besser ihn zu
compostiren. In seiner Wirkung vereinigt er die Eigenschaften des Aetzkalks und
des Gypses. Wesentlich durch ihren Kalkgehalt (auch als Gyps) wirkt auch die
Asche von Torf, Braunkohle und Steinkohle.
Gyps, schwefelsaurer Kalk, sowohl natürlicher als auch Gyps der Soda-
fabriken , Salinen , Stearin- und Traubenzuckerfabriken , bewirkt ähnlich wie der
Kalk eine den Pflanzen günstige Zersetzung von unlöslichen Bodenbestandtheilen.
Er wird auch als Einstreu in Ställe angewendet, da er Ammoniak bindet und
die Zersetzung des Mistes verlangsamt.
Kochsalz, Chloruatrium, wirkt zersetzend auf die Zeolithe des Bodens, indem
dadurch namentlich Kali löslich gemacht wird.
b) Organische Dünger.
Sie wirken fast nur als humusbildende Mittel, lockern den Boden und vermehren
sein Absorptionsvermögen. Hierher gehören Gerberlohe, Sägespähne, Torf-
und Braunkohlengrus.
Quantitative Analyse der Düngemittel.
I. Bestimmung der Phosphorsäure.
Zur Bestimmung der wasserlöslichen und Gesammtphosphor&äure löst man 20 g
des Düngemittels in Wasser oder verdünnter Salpetersäure (20 — 30ccm Salpeter-
säure von 1.4 spec. Gew.) in einem Literkolben, füllt mit Wasser bis zur Marke
auf, mischt ordentlich durch Umschfltteln und filtrirt die Lösung durch ein Falten-
filter. Snperphosphate digerirt man in dieser Weise 3 Stunden lang unter häufigem
Unischütteln bei gewöhnlicher Temperatur. Knochenmehl muss vor dem Auflösen
in Salpetersäure von organischer Substanz durch Glühen befreit werden.
a) Titrimetrische Methode.
Diese Methode ist bei allen Düngemitteln anwendbar, die kein Eisen enthalten.
Man wendet zum Titriren 50ccm der Lösung von 20g Phosphat in II = lg
Phosphat an, denen man lOccm Lösung von essigsaurem Natron (100g krystal-
lisirtes essigsaures Natron und 100 cem concentrirte Essigsäure zu 11 aufgefüllt!
zusetzt. Wenn auf Zusatz des Ammoniumacetots sich die Flüssigkeit durch Aus-
scheidung von phosphorsaurem Eisenoxyd trübt, muss die Phosphorsäure gewichts-
analytisch bestimmt werden; opalisirt indess die Flüssigkeit nur, so kann man
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DÜNGEMITTEL.
die Spuren von phosphorsaurem Eisenoxyd vernachlässigen. Zu dieser Flüssigkeit
setzt man aus einer Bürette durch reine Phosphorsäure titrirte Urannitratlösung
hinzu (35.3 g UOjfNO,), -f 6 Hj 0 in 11), von dor lccm möglichst genau 0.005 g
Phosphorsäureanhydrid entspricht und erhitzt bis zum Kochen. Jetzt bringt man
mittelst eines Glasstabes einen Tropfen der kochenden Flüssigkeit unmittelbar neben
einen Tropfen einer Lösung von gelbem Blutlaugensalz und läast beide Tropfen
ineinander fliessen. Hat man eine nicht genügende Menge Uranlösung hinzugesetzt, was
daran zu erkennen, dass keine Färbung an den Berührungsstellen der beiden
Tropfen eintritt, so fährt man mit dem Zusatz derselben fort, während man von
Zeit zu Zeit die Probe mit Blutlangensalz macht, und zwar so lange, bis sich so
eben eine schwache bräunliche Zone an der Berührungsstelle beider Tropfen zeigt.
Jetzt ist die Titration beendigt; alle Phosphorsäure ist an Uranoxyd gebunden
und unlöslich geworden, während die Braunfärbung des Blutlaugensalzes durch
eine Spur im Ueberschuss zugesetzter Uranlösung bedingt wird. Die Anzahl der
verbrauchten Cubikcentimeter Uranlösung ergeben durch Multiplication mit der
1 ccm derselben entsprechenden Phosphorsäuremenge die in einem Gramm des
Phosphats enthaltene Menge Phosphorsäure. Diese Methode ist bei Baker- und
Peruguano , bei Knochenmehl und Kuochenasche sowie bei den meisten Super-
phospbaten anwendbar.
b) Gewiohtaanaly tische Bestimmung.
Zur gewichtsanalytischen Methode wendet man 25 ccm der Lösung von 20 g
Phosphat in 11 = 0.5 g an, zu welchen man bei 20procentigen Phosphaten
100 ccm Lösung von molybdänsaurem Ammoniak hinzusetzt. Diese Flüssigkeit
wird bereitet durch Lösen von 300 g Molybdänsäure in 480 g Ammoniakwasser
von 0.91 spec. Gew. und allmäligen Zusatz dieser Lösung zu einem vollkommen
kalten Gemisch von 2200g Salpetersäure von 1.4 spec. Gew. und 31 Wasser.
Von dieser Lösung entsprechen 100 ccm etwa 0.1g Ps06. Nachdem man die
Phosphatlösung mit dem molybdänsauren Ammoniak 4 Stunden lang bei 40 — 50°
digerirt hat, sammelt man den gelben Niederschlag von phosphor- molybdän-
saurem Ammoniak auf einem Filter und wäscht ihn mit dem verdünnten Fällunga-
mittel aus, dem man etwas Salpetersäure zugesetzt hat. Nun löst man den Nieder-
schlag auf dem Filter mit verdünntem Ammoniakwasser (900 ccm Wasser mit
100 ccm Ammoniakwasser von 0.91 spec. Gew. gemischt) und setzt bei 20pro-
eentigen Phosphaten lOccm Magnesiamixtur hinzu, die durch Lösen von 150g
krystallisirten Chlormagnesiums und 210 g Chlorammonium iu 2500 ccm Wasser
unter Zusatz von 470 g Ammoniak wasser von 0.91 spec. Gew. erhalten wird.
Nach zweistündigem Stehen sammelt man die gebildete phosphorsaure Ammoniak-
magnesia auf einem Filter, wäscht mit der obigen verdünnten Ammoniakflüssigkeit
ans, trocknet und glüht den Niederschlag im Platintiegel. Das Gewicht der
pyrophosphorsauren Magnesia mit 0.63964 multiplicirt ergibt die in 0.5 g Phosphat
enthaltene Menge Phosphorsäure.
Zur Bestimmung der zurückgegangenen Phosphorsäure wird citronensaures
Ammoniak als Lösungsmittel angewandt. Die Mengenverhältnisse werden von ver-
schiedenen Analytikern verschieden angegeben. Nach Pbtermann digerirt man
2 g des Phosphats 1 Stunde lang in einem 1 a Literkolben bei 35 — 40° mit
100 ccm Ammoncitratlösung vom spec. Gew. 1.09 (22 g Citrat in 1 00 ccm Wasser)
und 5 ccm Ammoniak wasser von 0.91 spec. Gew. Dann füllt man den Kolben mit
Wasser bis zur Marke, mischt ordentlich durch Schütteln und filtrirt- Von diesem
Filtrat versetzt man 100 ccm entsprechend 0.4 g Phosphat mit 60 ccm Magneeia-
mixtur und etwa 50 ccm Ammoniak wasser von 0.91 spec. Gew. Das weitere Ver-
fahren ist bereits oben besehrieben.
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556
DÜNGEMITTEL.
n. Bestimmung: des Stickstoffs.
a) Bestimmung der Salpetersäure.
1. Indireete Methode.
Man bestimmt im Chilisalpeter, wenn keine oder unbedeutende Spuren Schwefel-
saure zugegen sind, zunächst das Wasser aus dem Gewichtsverlust von 5g des
Salpeters bei vorsichtigem Schmelzen. Das Chlor wird in einer Lösung von 5 g
Salpeter durch Titriren mit einer Lösung von salpetereaurem Silber (17 g salpeter-
saures Silber in 1 1 Wasser), der 1 ccni möglichst genau 0.00355 g Chlor oder
0.00585 g Chlornatrium entspricht, bestimmt. Man setzt zu der Salpeterlösung als
Indicator einige Tropfen einer Lösung von gelbem chromsaurem Kali hinzu und
lässt ans einer Bürette die Silberlösung so lange hinzufliessen, bis die Flüssigkeit
beim Umrühren eine bleibende röthlicbe Färbung von chromsaurem Silber zeigt.
Durch Multiplication der Anzahl der gebrauchten Cubikcentimeter Silberlösung mit
der einem Cubikcentimeter entsprechenden Menge Chlornatrium erhält man die
in 5 g enthaltene Menge des letzteren. Nach Abzug des Wassers und des Chlor-
natriums findet man im Rest die Menge des salpetersauren Natriums.
2. Directe Bestimmung.
Von directen Methoden der Salpetersänrebestimmung, deren mehrere gebräuch-
lich sind, möge nur die am meisten angewandte, von 8iewert angegebene, erwähnt
werden. Diese Methode beruht darauf, dass Salpetersäure durch nascirenden Wasser-
stoff in Ammoniak übergeführt wird. Zu diesem Zwecke bedient man sich einer
gewöhnlichen Kochflasche, welche mittelst eines einfach durchbohrten Gummistopfens
verschlossen und mit einer Vorlage von zwei communicirenden Kölbchen verbunden
ist, in welchen sich die zur Absorption des Ammoniaks bestimmte, abgemessene
Menge titrirter Schwefelsäure befindet. In den Kochkolben bringt man l g des
Salpeters, 16 g festes Kalihydrat und 100 ecm Alkohol von 50 Procent. Hierauf
schüttet man ein Gemenge von 4 g Eisenpulver und 8 — 10 g grobem Zinkpulver
hinein, verschliesst den Kolben schnell und wartet, bis die lebhafteste Gasent-
wickelung vorüber ist, worauf dann die Flüssigkeit iu dorn Kochkolben ganz lang-
sam und bis nahe zur Trockenheit ttberdestillirt wird. Die Säure ist so eingestellt,
dass ein Cubikcentimeter derselben möglichst genau 0.007 g Stickstoff entspricht,
und wird durch Natron-, Kali- oder Barytlauge zurücktitrirt, von der 1 ecm durch
genau 1 com der Schwefelsäure neutralisirt wird. Als Indicator beim Titriren
wendet man am besten Cochenilletinctur oder PhenolphtaleTn an. Aus der Menge
der zum Neutralistren der Säure nach der Operation erforderten Lauge ergibt
sich die Anzahl der durch das gebildete Ammoniak neutralisirten Cubikcentimeter
Säure, woraus sich der Stickstoffgehalt des Salpeters einfach berechnet. Statt titrirter
Schwefelsäure kann man auch eine beliebige Menge verdünnter Salzsäure vorlegen,
die man nach Beendigung der Keduction in eine Porzellanschale spült und mit
Platinchlorid eindampft. Der Rückstand wird mit Alkohol übergössen und das
gebildete Ammoniumplatinchlorid auf einem gewogenen Filter gesammelt, getrocknet
und gewogen oder in einem Platintiegel geglüht, wobei metallisches Platin zurück-
bleibt. Aus dem Gewicht des Ammoniumplatiuchlorids erhält man die Menge des
Stickstoffs durch Multiplication mit 0.06071, aus dem Platin mit 0.14155.
b) Bestimmung des Ammoniakstickstoffs.
Zur Ammoniakbestimmung destillirt man 1 g der zu analysirenden Substanz mit
starker Kali- oder Natronlauge oder gebrannter Magnesia und fängt das ausge-
triebene Ammoniak in einer abgemessenen Menge titrirter Schwefelsäure auf. Im
Uebrigeu verfährt mau beim Titriren, wie oben angegeben, oder bestimmt den
8tickstoff auch aus dem Gewicht von Ammoniumplatinchlorid oder Platin.
c) Bestimmung des organischen und Gesammtstickatoffs.
Allgemein gebräuchlich ist die Methode von Will und Vabrentrapp, welcher
sieh neuerdings die KjELDAHL'scbe Methode zur Seite stellt. Die Methode nach
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DÜN< ; KM ITTEL
557
Will und Varbektbapp beruht darauf, dass der Stickstoff organischer Verbin-
dungen in den meisten Fällen (bei Düngemitteln in allen Fällen) durch Glühen
mit Natronkalk in Ammoniak übergeführt wird. Sie lftsst sich anwenden zur
Bestimmung des Stickstoffs in Knochenmehl, stickstoffhaltigen Superphosphaten,
Pernguano und allen thierischen und vegetabilischen Substanzen. Zum Erhitzen
der Substanz mit Natronkalk dient ein etwa 40 cm langes, einseitig zugeschmolzenes
Rohr aus schwer schmelzbarem Glase, in dessen hinteres Ende man einige Gramm
Oxalsäuren Kalk bringt, auf welchen man einen Asbestpfropf setzt. Dann fällt man
die Röhre mit einer einige Centimeter langen , Schicht von reinem gekörntem
Natronkalk, hierauf bringt man die Mischung der Substanz, von der man lg
anwendet, mit Natronkalk, bei Ammoniaksuperphosphaten zweckmässig unter
Zusatz von etwas oxalsaurem Kalk oder Zucker, hinein, die man am einfachsten
in der Weise herstellt , dass man den zur Mischung nöthigen Natronkalk auf
einem Papier in dicker Schicht ausbreitet, darauf die abgewogene Substanz streut
und alles zusammen von dem zusammengebogenen Papier in die Röhre gleiten
lässt. Nun füllt man die Röhre vollends mit Natronkalk, setzt einen Asbestpfropf
darauf und verbindet sie mittelst eines durchbohrten gut schliessenden Stopfens
mit einem zu mehreren Kugeln ausgeblasenen Absorptionsapparat, in welchem sich
die zur Aufnahme des Ammoniaks bestimmte titrirte Schwefelsäure oder verdünnte
Salzsäure befindet. Hierauf erhitzt man die Röhre in einem Kohle- oder Gasofen
von vorn nach hinten fortschreitend. Durch Zersetzung des im hintersten Theile
der Röhre befindlichen Oxalsäuren Kalks in der Hitze bildet sich Kohlenoxyd,
welches die letzten Spuren von Ammoniak aus der Röhre in die Vorlage treibt.
Den Stickstoff des Ammoniaks bestimmt man titrimetrisch , als Platinsalmiak oder
aus dem Gewicht des Platins wie oben.
Die neuerdings mehr und mehr in Aufnahme kommende KJELDAHL'scbe Methode
beruht darauf, dass organischer Stickstoff durch Erhitzen mit Schwefelsäureanhydrid
in Ammoniak übergeführt wird. Man erhitzt 1 g, bei stickstoffarmen Körpern 2 g
der zu untersuchenden Substanz in einem Kölbohen mit 20ccm einer Schwefel-
säure, die durch Mischen von 200 ccm Nordhäuser Vitriolöls mit 300 ccm englischer
Schwefelsäure und 25g Phosphorsäureanhydrid erhalten wird, unter Zusatz von
0.7 g gefällten (gelben) Quecksilberoxyds , bis die Flüssigkeit farblos erscheint,
was in l1 3 — 2 Stunden erreicht ist. Dann setzt man 120 — 130 ccm einer 50pro-
centigen Kalilauge hinzu und 25 — 30 ccm einer Lösung von 40 g Schwefelkalium
in 1 1 Wasser. Dann destillirt man das Ammoniak aus einem grösseren Kolben
ab, absorbirt es und bestimmt es in der oben angegebenen Weise.
m. Bestimmung des Kalis.
Man löst etwa 20 g der zu analysirenden Substanz in einem Literkolben in
wenig Wasser, erhitzt bis zum Kochen und setzt, um die Schwefelsäure auszu-
fällen, tropfenweise Chlorbaryumlösung hinzu, bis dadurch in der klar abgesetzten
Flüssigkeit keine Trübung mehr entsteht. Bei Anwesenheit von Phosphaten setzt
man hierauf ohne zu filtriren zu der heissen Flüssigkeit Kalkmilch im Ueberscbnss
hinzu. Nach dem Erkalten füllt man bis zur Marke auf, mischt durch Umschürteln
und filtrirt durch ein Faltenfilter. Von dem Filtrat erhitzt man 1 21 in einem
Literkolben zum Sieden und setzt so lange. Lösung von kohlensaurem Ammoniak
hinzu , bis dadurch keine Trübung mehr in der Flüssigkeit entsteht , um über-
schüssiges Chlorbaryum und Calciurahydroxyd zu entfernen und erhält die Flüssig-
keit im Kochen, bis die Koblensäurentwickelung aufgehört hat. Nach dem Erkalten
füllt man mit Wasser bis zur Marke auf, mischt durch Umschfltteln und filtrirt
durch ein Faltenfilter. Von dieser Flüssigkeit, die 10g der zu untersuchenden
Substanz im Liter enthält, dampft man 100 ccm = lg ein, verjagt das Chlor-
ammonium und Ammoniumcarbonat durch Glühen, löst den Rückstand, filtrirt die
Lösung, dampft wieder ein unter Zusatz einiger Tropfen Ammoniumcarbonatlösung,
glüht wieder und wiederholt diese Operationen so lange, bis auf Zusatz von
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DÜNGEMITTEL - DÜNNDARMPILLEN.
kohlensaurem Ammoniak die Flüssigkeit nicht mehr getrttht wird. Dann dampft
man die Lösung ein, glüht den Rückstand schwach zum Verjagen des Ammonium-
carbonats und dampft schliesslich mit Platinchlorid ein. Den Rückstand übergiesst
man mit Alkohol, sammelt den Niederschlag von Kaliumplatinchlorid auf einem
gewogenen Filter, trocknet und wflgt ihn. Das Gewicht des Kaliuinplatinchlorids,
mit 0.19272 multiplicirt, ergibt das Gewicht des Kalis in einem Gramm.
Förster.
Dünndarm nennt man jenen Theil des Darmcanales, welcher sich durch
grössere Länge und geringeres Oaliber vom Dickdarme schon fiusserlich unter-
scheidet. Vom Pförtner des Magens bis zu seiner EinmündungssteUe in den Dick-
darm (zwischen Blinddarm und dem aufsteigenden Colon) misst der Dünndarm
circa 5m; infolge dieser grossen Längenausdehnung bildet der Dünndarm zahl-
reiche Schlingen in der Bauchhöhle. Man theilt ihn in drei Abschnitte : Zwölffinger-
darm (Duodenum), Leerdarm (Jejunum) und Krummdarm (Ueumj . Leer-
und Krummdarm werden durch eine grosse Bauchfellfalte, das Dünndarmgekröse
(Mesenterium), an der Wirbelsäule aufgehängt. Durch die Länge ihres Gekröses
erhalten die Dünndarmschlingen eine grosse Beweglichkeit; je beweglicher eine
solche Schlinge, desto leichter drängt sie sich in Leisten- und Schenkelbrüche vor
(s. Bruch). Die Schleimbaut des ganzen Dünndarmes bildet sehr viele Querfalten,
wodurch ihre Oberfläche wesentlich vergrössert wird. Eine noch bedeutendere
Oberflächen vergrösserung erfährt sie durch die dichtgedrängt stehenden, etwa 0.5 mm
langen sehr dünnen Darmzotten, deren Anzahl beim Menschen zehn Millionen
übersteigt. Sie sind die thätigsten Organe der Absorption des ans dem Ghymus
(8peisebrei) ausgeschiedenen nahrhaften Kxtractes, des Chylus(s. Bd. III. pag. 130).
DÜnndarmpHlen. Unter Dtiundarmpillen, Keratinpilleu. Pilulae
keratinatae, versteht man eine Arzneiform, welche von Unna nicht zwar eigentlich
eingeführt — denn die Form selbst bestand in mannigfacher Anwendung — wohl
aber der modernen Medicin erst zum BewusstRein gebracht worden ist. Gemein-
schaftlich mit Beiersdorf ausgeführte Arbeiten über den Hornstoff der Haut
hatten ihn darauf geführt, die Eigenschaft eines Tbeiles der Hornmasse, sich in
Alkalien zu lösen und durch Säuren aus dieser Lösung gefällt zu werden , dazu
zu benützen , Pillen so widerstandsfähig gegen den sauren Magensaft zn machen,
dass sie unverdaut bleiben , bis sie in dem alkalisch reagirenden Saft des Dünn-
darmes aufgeschlossen und verdaut werden könnten. Diesen Zweck hoffte er
einfach dadurch zu erreichen, dass er die Pilleu mit einer aimuoniakalischeu Lösung
von „Keratin" bebandelte. Das dazu dienende Präparat ist so darzustellen, dass
man feine Horndrehspähnc oder Federkiele längere Zeit mit Pepsiu und Salzsäure
„verdünnt44 und den ungelöst gebliebenen Rückstand mit stärkstem Ammoniak
wochenlang in geschlossenem Digestor auf 30 — 50° erhält. Die dadurch entstehende
Lösung von HornstofF wird verdunstet und der Rückstand mit geringen Mengen
Ammoniak zu einer leimigen Flüssigkeit gelöst, von der nur eine geringe Ausbeute
erhalten wird. Mit dieser Flüssigkeit sollen die Pillen 10— 20mal in ähulicber
Weise überzogen werden, als wenn man mit Collodium überzieht. Die Absicht
ist dabei die, einen dichten Mantel von Keratin zu erzeugen, der die Pillen gegen
den Einfluss der Magenverdauung schützt. Allgemach bat sich nun C.vna Uber-
zeugt, dass dies nicht allgemein gelingt, vielmehr Pillen, welche wasserlösliche
Stoffe enthalten, durch Diffusion Wasser aufnehmen, indem sie quellen, den Mantel
zerreissen und dadurch ihren Charakter als Dünndarmpillen einbttssen. Diesem
Umstand Rechnung zu tragen, empfahl Miblck . die Pillen aus einer Fettraasse
herzustellen, respective sie mit einer Talgschicht zu überziehen, welche bei Körper-
wärme zwar erweicht, aber nicht schmilzt, und erst dann zu keratiniren. Ux.va
gab im Anschluss hieran an, dass man gute Keratiuirung daran erkennt, dass
sie, in Pillen ausgeführt, welche Calcium sutfurat-um enthalten, das nach Ein-
nahme der letzteren sonst unausbleibliche Aufstossen von Schwefelwasserston" ver-
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DÜNNDARMPILLEN. 559
hindert. In der That findet bei Sch wefel calci umpillen, welche mit passender Talg-
masse hergestellt sind, und die man mit Keratin Aberzogen hat, ein solches
Aufstossen nicht statt. Sollen nun keratinirte Pillen, welche riechende Stoffe ent-
halten — Naphtalin , Kreosot u. dgl. — auf ihren Charakter als Dünndarmpillen,
d. h. auf ihre Unverdaulichkeit im Hagen, geprüft werden, so kann man
nach diesem Vorgang von Unna so verfahren, dass man von den Pillen verschluckt
und nach x 4 Stunde etwas Natrum bicarbonicum nimmt. Die aufstoßende Kohlen-
säure darf dann nicht nach dem riechenden Arzneimittel schmecken.
Wenn man nun eine Anzahl Pillenmassen in der geschilderten Weise prüft, so
kommt man bald dahinter, dass nicht nur keratinirte Pillen, sondern auch nicht
keratinirte den Anforderungen Unna 's genügen , wenn sie nämlich mit der Talg-
masse von Mielck hergestellt sind. Daraus folgt, dass für die Dttnndanupilleu
nicht das Keratin, sondern die Talgmasse wesentlich ist Wenn das aber der
Fall ist, dann haben wir längst Dünndarmpillen und überhaupt Arzneiformen für
den Dünndarm, ohne dass man sich über ihren Charakter in der angedeuteten
Richtung klar gewesen ist. Zu diesen gehören die mit Wachs-Copaivamasse her-
gestellten Pillen, die Kreosotwachspillen, die Chocolade Santoninplätzchen , selbst
das rohe Extractum Filicia.
Aus Allem ergibt sich, dass man bei der Bereitung von Dünndarmpillen in
erster Linie auf zweckmässige Herstellung der Masse und eventuell Umhüllung
mit Talg zu sehen hat. Das Keratiniren ist dann als eine Zugabe zu betrachten,
welche der gewissenhafte Apotheker dem Wunsche des Arztes entsprechend zu
liefern hat. Man verfährt daher etwa, wie folgt:
Die Talgmasse sei vorräthig, bestehend aus Sebum benzoinotum mit 20 Procent
Wachs.
Ist ein trockenes Arzneimittel in Dünndarmpillenform verschrieben , so stösst
man es je nach seiner Menge entweder mit der Talgmasse selbst, oder mit dieser
unter Znsatz von Kohlenpulver, Graphit oder Talcum an. Aus der gewonnenen
Pillenmasse formt man Pillen und rollt diese in einem Mixturmörser , in welchen
man sehr wenig Keratinlösung gethan hat, um dann bei sehr gelinder Wärme zu
trocknen. Dieses Ueberziehen mit zwischenliegendem Trocknen soll nach Unna
10 — 20mal fortgesetzt werden. Ob es irgendwo so oft wiederholt wird, bezweifle ich.
Als einen recht brauchbaren Kunstgriff beim Ueberziehen will ich noch erwähnen,
dass, wenn die Pillen zusammenballen, Hineinwerfen von etwas Graphitpulver
oder, wenn die Pillen weiss sein sollen, Talcum, die Pillen wieder in's Kolleu bringt.
Ist das Arzneimittel nicht fest, sondern flüssig, so schmilzt man es, wenn dies
angeht (Kreosot), mit Wachs zusammen, beim Kreosot z. B. zu gleichen Theilen,
und formt aus der so entstehenden Masse mit oder ohne Zusatz der oben genannten
Pulver Pillen, die dann in obiger Weise überzogen werden. Der Schmelzpunkt der
Masse darf jedenfalls weder unter 3H, noch über 45° liegen.
Wasserlösliche Extracte mit Pflanzenpulver u. dgl. , auch wasserlösliche Salze
werden zweckmässig zuerst auf gewöhnliche Weise zur harten Pillenmasse ange-
stossen, und zwar mit möglichst wenig Bindemittel, so dass möglichst kloine Pillen
geformt werden können. Würden die Pillen der Natur der Sache nach zu gross,
so muss man doppelt so viel Pillen herstellen, als der Arzt verordnet hat. Jeden-
falls sollten die Pillen nur Granpillen seiu. Die so gewonnenen Pillen werden
auf Insectennadeln gesteckt, wie man beim Gelatiniren verfährt, und in die halb-
flüssige Talgwachsmasse getaucht. Nachdem der so entstandene Fettüberzug erstarrt
ist, wird dies Ueberziehen nochmals wiederholt. Dieses Ueberziehen mit
Talg ist nicht leicht, es will geübt sein, um gut zu gelingen. Endlich findet
in gewöhnlicher Weise das Keratiniren statt.
Ansser den Dünndarmpillen hat man auch Dünndarmkapseln (Capsules
aus Keratinmasse) in den Handel gebracht.
Ueber den Werth der Dünndarmpillen sind die Ansichten der Aerzte sehr
getheilt. Jedenfalls wird aus obiger Darstellung hervorgehen , dass jede einzelne
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I) ÜXNI» A R M PI LLEN . — DÜRKWURZ.
Pillen masse besonders betrachtet and behandelt sein will, dass es ganz von der
Geschicklichkeit des Receptars abhängt , ob schon im Magen zerfallende , erst im
Dünndarm verdauliche oder ganz unverdauliche Pillen an den Patienten abgeliefert
werden.
Zum Schlüsse mag darauf hingewiesen werden, dass man auch empfohlen hat,
die Pillen zum Schutze gegen die Magenverdauung mit spirituöser Schellacklösung
zu Überziehen. Versuche in dieser Richtung sind nicht angestellt, gegen die An-
wendbarkeit der Methode aber auch nicht stichhaltige Gründe angeführt worden.
Jedenfalls wird auch ein solcher Ueberzug nicht mehr leisten, als die Talgmasse
an und für sich, wie dies eben angedeutet worden ist. e. Mylins.
DÜnnsaft. Eine in der Zuckerfabrikation übliche Bezeichnung für den durch
Kohlensäure oder andere Mittel entkalkten und geläuterten Zuckersaft.
DÜnnSChnitte Und Dünnschliffe. Die mikroskopische Beobachtung mittelst
durchfallenden Lichtes, welche für die Erforschung aller feinen Structurverhältnisse
die normale ist, erfordert eine diesem Zwecke entsprechende Herrichtung der
Objecte, vor Allem aber die Herstellung zarter Durchschnitte, welche man füglich
als Dtinu schnitte und Dünnschliffe bezeichnen kann.
Die Art der Gewinnung derartiger Präparate richtet sich nach der Beschaffenheit
der zu behandelnden Gegenstände und erfordert je nach dieser mancherlei Vor-
bereitungen, wie sie auch verschiedene Abänderungen des Verfahrens bedingt.
Die unmittelbare Anfertigung von Dünnschnitten gestatten nur solche Objecte,
welche bei einer ausreichenden Grösse in freier Hand gehalten, oder ohne Schaden
zu erleiden, zwischen Hollander- und Sonnenblumenmark oder Korkplatten ein-
geklemmt werden können und dem schneidenden Instrument einen hinreichenden
Widerstand zu leisten vermögen , damit dieses mit der erforderlichen Sicherheit
und Stetigkeit geführt werden kann. Eine vorgängige besondere Behandlung ver-
langen dagegen alle sehr weichen und elastischen Gegenstände, welche der Schneide
ausweichen, aus harten und weichen Theilen zusammengesetzte Körper, von
denen die ersteren viele zarte Durchschnitte ergeben, die anderen aber zerrissen oder
zerquetscht werden würden, Gewebe und Gewebetheile oder Organe, bei denen
während des Schneidens der Zellinhalt verloren gehen oder doch aus seiner regel-
rechten Lage gebracht werden könnte, endlich zarte öaehe und sehr kleine Objecte,
welche das Einklemmen nicht vertragen, während sehr harte Gegenstände ein
eigenes Verfahren: das Schleifen, bedingen. Die in diesen Fällen nothwendig werden-
den Vorarbeiten und Veranstaltungen werden unter Einbettung, Härtung,
Schnitte und Schliffe näher beschrieben. Dippel.
Düppelpapier, eine pyrotechnische Spielerei, wird erhalten, indem man Schreib-
papier in rauchende Salpetersäure taucht, gut auswäscht, wieder trocknet und
danu mit einer wässerigen Lösung von Bantnitrat, Strontiannitrat oder dergl.
tränkt.
Dürkheim in der Pfalz , Bayern, besitzt 8 Quellen, von denen sieben starke
Kochsalzwässer und eine ein Eisensäuerling ist. Dieser enthält in 1000 Th.
NaCI 0.196, NaaS04 0.156, CaHa(C0,)2 0.362, FeHs(C03)a 0.047. Die reichste
der anderen Quellen ist die Soolquelle, mit NaCI 12.699, CaCls 3.018 und
NaHr 0.019 in 1000 Th. Dieser schliesst sich an der Virgilinsbrunnen
mit NaCI 10.275, CaCl2 1.799 in 1000 Th., der Bleichbrunnen mit 9.245
und 1.93, der Engel brunnen mit 8.625 und 1.366, der Altbrunnen,
Fitzscher- und W i e se n br un n e n mit etwas geringeren Mengen. Alle
Quellen enthalten auch MgCl. ferner NaJ undNaBr, die Soolquelle auch etwas
LiCI (0.039).
DÜrlitze, volksth. Bez. für Cor aus Mas L.
DÜrrWUrZ, volksth. Bez. für Comjza squarrosa Li.
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DÜTENPROBE. — DULCAMAR1N.
561
Dütenprobe, eine für viele bekannte Reactioneo anwendbare , von Haoeh
angegebene Modification, um die Reactionen empfindlicher zn machen. Bedingung
ist, dass der nachzuweisende Körper als Gas auftritt und dass die bei Einwirkung
dieses Gases auf das Reagens sich bildende Verbindung gefärbt ist. Zur An-
stellung der Dütenprobe wird aus Filtrirpapier eine mehrere Centimeter lange Düte
gedreht, mit der Spitze in das Reagens getaucht und in den Probircylinder , in
dem sich die das Gas entbindende Flüssigkeit befindet, eingesetzt, so dass die
Spitze sich nahe über der Oberfläche der Flüssigkeit befindet. Es muss natürlich
darauf geachtet werden, dass nicht durch das Platzen der Gasblasen fortgeschleuderte
Tröpfchen an die Dütenspitze gelangen. Anwendbar ist die Dütenprobe z. B. für
Arsenwasserstoff — Silbernitrat; Stickstoffsäuren — Eisenoxydulsulfat oder Kalium-
jodid- und Zinkjodidstärkelösung ; Schwefelwasserstoff — Bleiacetat; Salicylsäure
(Erhitzen in trockenen Gemischen) — Eisenchlorid u. s. w.
Duflos' Anilinreaction be steht im Zusatz von Bleisuperoxyd und verdünnter
Schwefelsaure zu einem Anilinsalz, wodurch eine grüne Färbung auftritt.
Duflos' Antidotum, eine Mischung von frisch gefälltem (hydratischem)
Schwefeleisen mit einem breiigen Gemenge aus in Wasser gelöstem Eisenvitriol
und gebrannter Magnesia, ist jetzt wobl kaum mehr iu Gebrauch.
Dulcamara, von Dodonaeus aufgestellte, jetzt zu Solanum L. gezogene
Gattung.
Stipites D nie amar ae , Bitter süss (in allen Pharmakopoen, ausge-
nommen Ph. Germ. II.), stammen von Solanum Dulcamara L., einem an feuchten
Oertlichkeiten über Europa , das nördliche Amerika und Asien verbreiteten , win-
denden Strauche mit violetten Blüthen und rothen Beeren. Die Stengel sind
7 — S nim dick, gelblich oder grünlichbraun, rund oder 4 — okantig, schwach
längsfurchig und durch Korkwarzen höckerig. Die Rinde ist mit einer, besonders
an älteren Theilen deutliehen, abblätternden Korkschicht bedeckt, unter welcher
die grüne Rinde hervortritt. Im Innern sind die Stengel meist hohl. Die Holz-
schieht ist gelb, strahlig und süss, die Rinde bitter. Die dem Stengel anhaftenden
Blattnarben sitzen zerstreut, nicht gegenständig wie bei den Ranken des Hopfens
und den Stengeln von Lom'cera Periclymenum L. , mit welchen Verwechslungen
möglich sind. Die Stengel von Solanum luyrum sind krautig, nie holzig.
Auf dem Querschnitt zeigt der Stengel im Innern, wo sich der Hohlraum be-
findet. Teberreste des Markes als farblose kugelige Zellen, welche bei jüngeren
Stengeln mitunter etwas grünlich sind. Au das Mark schliesst sich der strahlige
breite Holzriug mit grossen Gefässen von spiraliger, getüpfelter oder netziger
Stxuctur. Wo Jahresringe vorhanden sind, treten sie als breite dunkle Zonen auf.
Die Markstrahlen sind schmal, ein- oder zweireihig. An der Grenze von Mark
und Holz liegen in ersterein einzelne Gruppen sehr dünner Siebröhren, welche
auch bei stärkerer Vergrösserung nur als Conglomerate kleiner Zellen erscheinen.
Als Droge werden nur 2 — 3jährige Stengel verwendet, welche nach dem Ab-
fallen der Blätter im Herbst, oder im Frühjahr vor Beginn der neuen Triebperiode
zu sammeln sind.
Die Wirkung dürfte auf die Anwesenheit des S o 1 a n in s (C42 H87 Nols) und
des Dnleamarins (Caä H5 1 0 ) zurückzuführen sein.
Nach neueren Untersuchungen von F. Davis enthalten die Beeren ein Alkaloid,
dessen Wirkung zwischen Atropin und Physostigmin in der Mitte steht.
Bei Kindern wurden schon Vergiftungen nach dem Genüsse von 10 Beeren
beobachtet. Brechmittel und Analeptica sind die Gegenmittel. Prollius.
DlllCamarin, t'2iH3tOI0, ist der in die Kategorie der Glykoside gehörige
Bitterstoff in den Stengeln von Solanum Dulca mar a. E. GEISSLER (Arch. Pharm.
1875, pag. 289) hat dasselbe aus dem wässerigen Auszuge der Stengel durch
Keal-Bnoyolopidie der gee. Pharmacie. III. • 3ß
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DÜLCAMARIN. — DUMERILIA.
Digestion mit Thierkohle, Auskochen der Kohle mit Alkohol und Abdunsten des-
selben erhalten. Der mit Amnion aufgenommene Rückstand wird mit essigsaurem
Blei gefallt ; der Niederschlag, in Alkohol vertheilt, gibt bei Zerlegung mit Schwefel-
wasserstoff das Dulcamarin als amorphes gelbes Pulver, schwer löslich in Wawer,
leicht löslich in Alkohol, Essigäther, Essigsäure, unlöslich in Aether , Chloroform,
Benzin. Es schmilzt bei 100° und zerfällt beim Erhitzen mit verdünnten Mineral-
säuren in Zucker und Du lea mar et in, C,s H26 Oti, ein schwarzbraunen amorphes
Harz. G an 9 wind t.
DUIClt, CdH,606, ist eiu seehsatomiger Alkohol, und in seiner Zusammensetzung
dem Mannit isomer. Er findet sich im Kraut von Melampyrum nemorosum,
Melampyrum arvense , Hhinontus Critta Galli und wurde daraus bereit* 1836
gewonnen und als Melampyrit bezeichnet. In grosser Menge befindet er sich in
einer von Madagascar kommenden Manna unbekannter Abkunft. Diese ist fast
reiner Dulcit, und gewinnt man denselben daraus durch blosses Umkrystallisiren.
Dulcit ist auch in den Cambialschichteu der Zweige von Evonymus europaeus
gefunden und unter dem Namen Evonymit beschrieben worden. Er bildet farblose
glänzende, durchsichtige, klinorhombische Säulen von schwach süssem Geschmacke,
welche bei 188.5° schmelzen; spec. Gew. 1.466; löslich in Wasser (ITh. erfordert
33—37 Th. Wasser); schwer löslich in Weingeist (1 Th. erfordert 1360 TV):
unlöslich in Aether. Verhält sich ganz wie Mannit und unterscheidet sich von
diesem nur durch die Form der Krystalle und die beinahe vollständige Unlöslichkeit
in kochendem Alkohol. Der Dulcit besitzt kein Rotationsvermögen , reduoirt
Fehling' sehe Lösung nicht, gährt nicht mit Eisen. Von concentrirter Salpetersäure
wird Dulcit in Schleimsäure und Traubensäure übergeführt (Mannit gibt bei der
gleichen Behandlung: Zuckersäure, Oxalsäure und Traubensäure). Der Dulcit ver-
bindet sich sowohl mit Säuren (meist uuter Austritt von Wasser), als auch mit
einigen Basen , von welchen letzteren die Barytverbiudnng am besten gekannt ist.
— Durch längeres Erhitzeu des Dulcits bildet sich das D u 1 c i t o n (analog wie
aus dem Mannit das Manniton), ein zähflüssiger, beim Erwärmen merklich flüchtiger
Syrtip. Das Dulciton geht bei längerem Stehen an feuchter Luft allniälig in Mannit
über; es bildet mit Säuren Aether; diese gewinnt man durch Erhitzen von Dulcit
mit Sauren auf 200°. — Dulcit gibt bei der Destillation mit concentrirter Jod-
wasserstoffsäure secundärcs Hexyljodür. Ganswind t.
Dulong's explosives Oel ist Chlorstickstoff.
Dulong Petit'SCheS Gesetz. Nach demselben ist die speeifische Wärme,
d. h. die zu gleicher Steigerung der Temperatur erforderliche Wärmemenge, für
alle einfachen Stoffe umgekehrt proportional der Grösse ihres Mischungsgewichtes,
so dass beide mit einander multiplicirt als Product stets dieselbe Zahl geben.
Hierbei wurde als Einheit die Erwärmung von Wasser um 1° angenommen. Die
experimentelle Bestätigung dieses Gesetzes ist sehr schwierig, da die einem Körper
zugeführte Wärme sich in zwei Actioneu, die Erwärmung uud die Ausdehnung
desselben, theilt und alle verwendeten Apparate und Instrumente sich an denselben
betheiligen. Die gpäteren Arbeiten Reignaült's, Kopp's u. A. haben gezeigt, dass
diese Zahl von den meisten Stoffen nur annähernd erreicht werde und dass die-
selbe nur zwischen bestimmten Temperaturen Giltigkcit habe. Die Gruppe Kohlen-
stoff, Bor und Silicium, welche bei gewöhnlicher Temperatur eine erheblieh
niedrigere speeifische Wärme haben , zeigen die grössten Abweichungen , indem
zwischen — 50 und 600° dieselbe beim Kohlenstoffe um das Siebenfache, beim
Bor um das Zweieiuhalbfachc steigt. Die Hoffnung, aus der speeifischen Wärme
das wahre Atomgewicht der Stoffe ableiten zu können, ist daher nicht iu Er-
füllung gegangen. Gäc*f.
Dlimerilia, Gattung der Compositae, Gruppe der Labiatißora* . — [hotieriUa
Ihnnbohlti-i Leas., eiu mexikanischer Strauch, galt früher als die Stammpflanze der
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DUMERILIA. — DUPÜYTBEN'S ÄTZPASTA.
Pipitzahuacwurzel (s. d.), welche jetzt von der ihr systematisch nahe-
stehenden Perezia fruticota Lallav. — abgeleitet wird.
DunkelfeldbeleUChtung. Als Dnukelfeldbeleuchtung bezeichnet man diejenige
Art der Beleuchtung, bei welcher das Object auf dunklem Grunde in Gestalt
eines positiven, in Folge seines plastischen Hervortretens meist charakteristischen
Bildes, d. h. gleichsam wie ein selbstleuchtender Körper gesehen wird.
Zur Herstellung der Dunkelfeldbeleuchtung bringt man bei schwächeren
Objectiven mit kleiner Oeffnung den Spiegel soweit aus der Axe des Mikroskope«,
dass keine directen von dem Spiegel aus zurückgeworfenen , sondern nur die in
dem Objecte durch Beugung abgelenkten (die von der Deckglasunterfläche nach
dem Objecte und dann von diesem aus in das Objectiv zurückgeworfenen Strahlen
kommen hier weit weniger in Betracht, als man früher glaubte) in das letztere
gelangen. Sollen dagegen stärkere Objective von 6 — 9 mm Brennweite mit massiger
oder grösserer Oeffnung zur Beobachtung verwendet werden, so wird eine halb-
kugelförmige Beleuchtungslinse, oder der AßE'sche Beleuchtungsapparat mit einer
die Centralstrahlen abhaltenden Scheibenblendung in Anwendung gebracht. Hierbei
ist dann ferner zu beobachten, dass bei grösseren numerischen Aperturen, als
0.35 — 0.42, also bei Oeffnungswinkeln von über 40° — 50°, die Oeffnung durch
eine hinter dem Objective angebrachte Blendung auf dieses Maass verkleinert
werden muss.
Dunst ist ein Zwischenproduct der Hochmttllerei und bezeichnet den feinsten
Gries, welcher weiter vermählen wird. — In der Bedeutung von Dampf, s.
pag/. 385.
Dunstsam ml er, Hager'S. ein Apparat, welcher es ermöglicht, alkoholische,
Ätherische, chloroformige und ähnliche Flüssigkeiten abzudestiiliren , so dass der
Destillationsrückstand , in einer Porzellan schale befindlich, gewonnen wird. Der
Dunstsammler ist so eingerichtet, dass die abzudestillirende Flüssigkeit in einer
entsprechend grossen Porzellanschale eingesetzt wird : nach Aufsetzen des Deckels
wird im Dampfbad erwärmt. Der conisch geformte Deckel wird an seiner ganzen
Ausseuseite durch Wasser gekühlt und die au dessen Innenseite condensirte
Flüssigkeit sammelt sich in einer rundum gehenden, geneigten Rinne und fliesst
nach aussen ab , kann also nicht wieder zurücktropfen , was bei Flüssigkeiten,
deren Dämpfe schwer 9iud, vortheilhaft ist, da eine l'cberhitzung der zu
destillirenden Flüssigkeiten , beziehungsweise der darin gelösten Stoße vermieden
werden kann.
Duodenum. Z w ö I f f i n g e r d a r m , nennt man das unmittelbar an den Magen
gTeuzende Stück des Dünndarmes in der Grösse von zwölf Daumenbreiten. Da
es kein Gekröse besitzt, liegt es nur wenig beweglich im rechten oberen Antlieile
der Bauchhöhle. In die Mitte des Zwölffingerdarmes mündet der gemeinschaftliche
Gallengang (Ductus choledochus) und der mit diesem vereinigte AusfUhruugsgang
der Bauchspeicheldrüse; Galle und Bauchspeichcl ergiessen sich also in das Duo-
denum. Im Anfangsstücke des Duodenum befindet sieh eine grosse Menge einer
im ganzen übrigen Darm nicht vorkommenden Art von Drüsen, die BRrxxER'schen
oder BßrNN'schen Drüseu: ihr Secret ist dem des Paucreas gleich.
Dupasquier'8 ReagenS auf organische Substanzen in Wasser ist eine
wHsserige Lösung von G<»ldchlorid. Die organischen Substanzen bewirken Reduction
den Goldehlorids und es bildet sich in Folge dessen ein violetter Anflug an den
Glaswänden.
DupaSquier'S SyrUpUS Naphtalmi ist eine Mischung von 2 Th. Naphtalin
(in so viel als nöthig kochendem Alkohol gelöst) mit 125 Th. Syrupus Saccftari.
DupUytren'S AetzpaSte besteht aus 0.5? Arid um arwiicosum , 2 g
Crrfomel, 10 g Gummi arabicum und lt'(i.w so viel als uöthig zu einer weichen
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DÜPÜYTREN S ÄTZPASTA. — DUBOL.
Pasta. — Dupuytren's Haarwuchspomade ist (nach Doevaült) eine Salbe aus
250 Th. Medulla Bovis, 4 Th. Plumbum aceticum, 8 Th. Balsam. Peruvian.,
30 Th. Alkohol und je 1 Th. Tinct. Cantharidum , Tinct. Caryophyll. und
Tinct. Cinnamomi. Nach einer Berliner Vorschrift: 25 Th. Medulla Bovis,
5 Th. Oleum Jasmini, 3 Th. Extractum Chinae und je ll , Th. Succus Citri
und Tinctura Cantharidum.
Durameil (von durus), wenig gebräuchliche Bezeichnung für Kernholz
(8. d.).
Dlirande'SCheS Mittel gegen Gallensteine ist eine Mischung aus
20 Th. Aether und 5 (—10) Th. Oleum Terebinthinae rectif.; zweimal täglich
15 — 30 Tropfen zu nehmen.
DuraZUÜIO ist der brasilianische Volk sname für Oestrum Pseudoquina Mart.
(Sofanaceae), dessen ßliltter und Rinde als Fiebermittel verwendet werden.
DurChbreCh, DurChwaChS sind volksth. Bez. für Bupleurum rotundi-
folium L., der Mutterpflanze von Herba und Semen Perfoliatae.
Durchfall, s. Diarrhöe, Bd. III, pag. 471.
Durchmesser (Diameter) nennt man in der Geometrie eine gerade Linie,
welche parallele Sehnen einer Curve halbirt. Beim Kreis, bei der Ellipse und bei
der Hyperbel gehen alle Durchmesser durch den Mittelpunkt; nur beim Kreise
Kind alle Durchmesser einander gleich. Krumme Linien höherer Ordnung haben
gar keine Durchmesser. Bei der Kngel , beim Spbäroid und Ellipsoid bezeichnet
man als Durchmesser jene Gerade, welche zwei Punkte ihres Umfange» verbindet
und durch den Mittelpunkt geht. Scheinbaren Durchmesser einer Kugel nennt
man den Winkel, unter welchem ihr Durchmesser aus der Ferne gesehen erscheint ;
es ist dies der Winkel, den zwei Geaichtslinien miteinander bilden, welche die
Kugel in zwei einander entgegengesetzten Punkten treffen.
DurchSChnittsmUSter ist eine Bezeichnung für zur chemischen Untersuchung
bestimmte Muster solcher Untersuchungsobjecte , welche ihrer Natur nach nicht
einheitlich sein können, oder welche durch ihre Masse hindurch nicht gleichartig
sind oder — was für die Untersuchung doch sehr wesentlich ist — nicht gleich-
artig sein könnten. Hier handelt es sich darum, das zur Untersuchung zu ent-
nehmende Quantum so zu entnehmen , dass das gezogene Muster nach vorheriger
mechanischer Durchmischung als ein solches betrachtet werden kann, welches den
physikalischen Eigenschaften und der chemischen Zusammensetzung im Durch-
schnitt entspricht. Ganäwindt.
Durchsichtigkeit nennt man die Eigenschaft eines Körpers, Lichtstrahlen
den Durchgang zu gestatten. Es gibt verschiedene Abstufungen der Durchsichtig-
keit vom Wasserhellen bis zum Durchscheinenden und Undurchsichtigen. Die
Durchsichtigkeit hängt von einer gewissen Gleichartigkeit der Masse ab, wie sie
sich nur bei Krystallen und sogenannten amorphen Körpern, z. B. beim Glase oder
bei Flüssigkeiten, findet. In Flüssigkeiten aufgeschwemmte oder emulgirte Körper-
theilchcn stören die Durchsichtigkeit. Krystalle werden undurchsichtig , wenn sie
ihr Krystallwasser verlieren. Farblose Körper haben den höchsten Grad von
Durchsichtigkeit; gefärbte absorbiren stets einen bestimmten Theil der Licht-
strahlen. Ohne allen Verlust lasst kein Körper das Licht durch. Auch für ge-
wöhnlich opak erscheinende Körper , wie die Metalle , lassen in ganz dflnuen
Blfittchen einen Theil der Lichtstrahlen durch.
Durchwachskraut ist Bupleurum rotundifolium L. (Herba Perfoliatae i; für
Durchwachsöl pflegt man Oleum Hyoscyami coctum, für Durch wachssalbe
Unguentum Populi, auch wohl Unguentum nervinum zu dispensiren.
DurOl ist Tetramethylbenzol C6 H3 (CH,)4.
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DUKOL.EUM. — DYNAMIT.
:>G5
Duroleu III, Synonym für Vaselin.
Durrha oder Kaffernhirse, 8. Sorghum.
Durst ist ein Gefnbl von Trockenheit und Brennen im Schlünde und wird
durch Wassermangel der Gaumen- und Rachenschleimhaut hervorgerufen. Dieser
Wassermangel ist gewöhnlich eine Theilerscheinung allgemeinen Wassermangels im
Organismus, kann aber auch örtlich durch Austrocknung in Folge Durchstreichens
trockener Luft oder sonstige Wasserentziehuog (Genuss hygroskopischer Salze)
entstehen. Gestillt wird das Gefühl gewöhnlich durch örtliche Befeuchtung der
genannten Theile, welche meist durch Trinken geschieht , so dass zugleich der
Ge8ammtorganismus Wasser erhält; aber auch blosses Ausspulen des Mundes mit
frischem Wasser unterdrückt das Durstgefühl für einige Zeit. Von letzterer That-
sache wird in der sogenannten OKRTELscben Cur vielfach Gebrauch gemacht.
Einspritzen von Wasser in die Venen löscht den Durst, entsprechend seiner Ent-
stehung durch allgemeinen Wassermangel. Diese Methode der Wasserzufuhr kann
in Fällen angewendet werden, in welchen das Schlucken unmöglich geworden ist
(Hydrophobie). Auch das Aufsaugungsvermögen der Haut ist, wenigstens bei schon
vorhandenem Wassermangel im Blute, stark genug, um das Trinken zu ersetzen,
daher ein Bad den Durst einigermaassen stillt Sehr hochgradiges Durstgefühl
zeigt sich bei allen Fällen von Harnruhr (Diabetes).
Bei Pflanzen spricht sich der Durst durch Erschlaffung ihrer Theile (nament-
lich der Blätter) aus.
Dutch liquid, eine englische Bezeichnung für Aethylenum chloratum.
Duvaua, Gattung der Anacurdiaceae. Bäume mit einfachen Blättern und
achsclständigen, ein- oder zweihäusigen Trauben aus vier-, selten fünfzähligen
Blüthen mit acht (zehn) ungleich langen Staubgefässen und eineiigem Fruchtknoten,
welcher sich zu einer kugeligen Steinfrucht entwickelt.
Duvaua depend ens DC.y in Chile heimisch, hat kurz gestielte 5:1cm
grosse, kahle Blätter und blassgelbe Blüthentrauben. Die Samen und die Kinde
gelten in der Heimat als heilkräftig. In neuester Zeit gelangen die aromatischen,
etwa 4 cm grossen Samen unter dem Namen „Huingan" nach Europa.
Dynamik (oW/.u, Kraft) heisst in der Physik jener Thcil der Mechanik,
welcher die Lehre von den Kräften . die zur Bewegung der Körper erforderlich
sind, behandelt, im Gegensatze zur Statik oder der Lehre vom Gleichgewichte
der Körper. Nach den drei Aggregationsznständen der Körper zerfällt die Dyua-
mik in 1. die Geodynamik oder eigentliche Dynamik, 2. Hydrodynamik
oder Hydraulik und 3. Aerodynamik oder Pneumatik.
Dynamik, Chemische. Die Lehre von den chemischen Veränderungen der
Stoffe, von den Ursachen, welche sie hervorrufen und von den Erscheinungen,
von denen sie begleitet sind.
Dynamit. Ein Sprengstoff, welcher neben vorzüglicher Leistungsfähigkeit den
Vortheil verbältnissmässiger Gefahrlosigkeit bietet. Das explosive Princip des
I>vnamits ist Nitroglycerin, welches bei heftigem Druck oder Stoss explodirt. Die
dem Nitroglycerin (Trinitroglycerin) anhaftende grosse Explosionsgefahr wird jedoch
wesentlich vermindert oder fast gänzlich annullirt, wenn man dasselbe mit einem
porösen Körper, wie Sägespähne, Holzkohle, Infusorienerde mischt. Die Versuche
von Bolley und Corde haben dargethan, dass diese Stoffe, mit dem Dreifachen ihres
Gewichtes Nitroglycerin getränkt, selbst durch den stärksten Stoss nicht explodiren.
Das Dynamit bedarf daher zur Explosion einer künstlichen Entzündung. Der Erfinder
des Dynamits ist Nobel, welcher dasselbe 1807 in den Handel brachte. Das
KOBEL'sche Dynamit besteht aus 1 Tb. Kieseiguhr und 3 Th. Nitroglycerin. Das
fast gefahrlose Manipulireu mit Dynamit hat diesem als Sprengstoff schnell grosse
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DYNAMIT. - DYNAMO-ELEKTRISCHE MASCHINE.
Verbreitung verschafft und das Schiesspulver wie das viel gefährlichere Nitro-
glycerin verdrängt; es ist viermal so theuer als Schiesspulver, leistet aber das
achtfache und ist also relativ nur halb so theuer als Schiesspulver. Die Anwendung
des Dynamit-, beim Sprengen geschieht theils als loses Pulver, theils in Form von
Patronen, geleimter PapierhUlsen, in welche das Pulver fest eingedrückt wird. Die
Entzündung geschieht mittelst einer Zündschnur, an deren Spitze ein Patentzflnd-
hütchen sich befindet. Die Explosivkraft des Dynamits ist eine furchtbare; es
sprengt selbst die gewaltigsten Eisenblöcke auseinander. Das Dynamit wird durch
Feuchtigkeit nicht beeinflusst ; es kann daher in nassen Bohrlöchern ohne weitereg
als loses Pulver eingetragen und sofort entzündet werden. Bei Luftzutritt entzündet,
brennt es ruhig ohne Explosion unter Entwickelung weniger salpetriger Dampfe
ohne Rauch, aber mit Hinterlassung einer weissen Asche; bei der Explosion hin-
gegen resultiren nur Kohlensäure, Stickstoff und Wasserdampf; die Unschädlich-
keit der Explosiousproducte ist ein weiterer Vortheil des Dynamits. Das Dynamit
wird auch in Deutschland fabrikmässig dargestellt; dass die Gefahrlosigkeit der
Dyuamitfabrikation doch nur eine bedingte ist, bewiesen die mehrfachen Explosionen
solcher Fabriken (vergl. auch Explosivstoffe nnd Nitroglycerin).
Ganswindt.
DynamO-elektriSChe Maschine ist die jetzt ausschliesslich angewendete
Form der magnet-elektrischen Maschinen , die zur Erzeugung elektrischer Ströme
durch Aufwand mechanischer Arbeit dienen. Die Unzahl der vorhandenen Con-
structioneu folgen zwei Haupttypen, deren eine von Gramme, die andere von
Siemens angegeben wurde.
Bei der GRAMME'schen Maschine rotirt ein Hing von vielen Lagen Eisendrahtes,
der Inductor, zwischen zwei ungleichnamigen Magnetpolen JV und S (s. Fig. 1*0 ,
die in der Ebene des Ringes liegen , zu welcher seine Drehungsachse senkrecht
Steht Der ganze Riug ist mit einer
Reihe von Spulen aus gut isolirtem Tie- 90-
Kupferdraht besetzt, die alle in gleicher
Richtung gewickelt und so mit einander
verbunden sind, dass sich stets das Ende
der einen an das Ende der anderen
leitend anschliesst. Je zwei solche Draht-
enden gehen nämlich zu einem der
MetallstOcke 7?, i?n 7?2, i?s, die in der
schematischen Figur radial augeordnet
sind, in Wirklichkeit aber senkrecht
gegen die Ringebene verlaufen und.
von einander isolirt, so an der Achse
sitzen, dass sie in ihrer Gesammtheit eine cylindrische Hülse, den Collector,
bilden. Auf letzterem schleifen zwei fix am Gestelle der Maschine angebrachte
Metallfedern oder Bürsten aus Kupferdrähten , durch welche der in den Spulen
durch eine Rotation des Ringes erzeugte elektrische Strom in die Nutzleituug ab-
fiiessen kann. Durch die Verschiebung der Spulen in ihrer Lage zu den Polen des
ursprünglichen Magnetes und jenen , welche durch magnetische Induction ihnen
gegenüber im Eisenkörper des Ringes entstehen , werden in dem Drahte der ein-
zelnen Spulen bei der Rotation elektrische Ströme erregt. Dieselben besitzen in
jenen Spulen, die zu irgend einer Zeit sich in dem Räume BCD befinden, zwar
ungleiche Intensität, aber gleiche Richtung und summiren sich also, während die
ebenfalls unter einander gleichgerichteten Ströme der Spulen im Räume DAB zu
den früher genannten entgegengesetzt verlaufen. Legen sich nun bei D und b die
Ableituugsbflrsten /'und E An die Metallstücke, so treten die beiden früher genannten
Theilströme, die zwar entgegengesetzt gerichtet siud, aber auch von entgegenge-
setzten Seiten an die Btlrsten treten, vereiuigt in dieselben ein, so dass man in
der Leitung einen immer gleichgerichteten Strom besitzt.
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DYNAMO-ELEKTRISCHE MASCHINE.
567
Das Eigentümliche der dynanio-elektrischen Maschine liegt nun darin, dass die
Magnete, welche die elektrischen Ströme induciren (s. Induction), durch diese
Ströme selbst erzeugt werden. Man setzt nämlich an Stelle der Magnete Eisen-
barren , um welche sich die von den Bürsten kommenden Drähte , ehe sie in die
Nutzleitung gehen , derart herumwinden , dass durch die Wirkung eines Stromes,
der in diesen Windungen circulirt, in den Eisenbarren die oben bezeichneten Pole
entstehen.
Beim Beginn der Rotation des Ringes wird durch Einwirkung des schwachen
Magnetismus, der stets im Eisen vorhanden ist, in dem Inductor ein sehr schwacher
Strom erzeugt , der seinerseits die Eisenbarren , um die er geleitet wird , stärker
magnetisirt. Der so hervorgerufene stärkere Magnetismus inducirt auch wieder
einen stärkeren Strom und dieser Vorgang wiederholt sich , bis Magnetismus und
Strom ihr Maximum erreicht haben. Fig. Ol zeigt die so construirte Maschine als
Ganzes.
Fig. iL
Bei der SiEMEN's'schen Maschine besteht der Inductor aus einem Ilolzcvlinder,
der durch Bewicklung mit Eisendraht einen Eisenmantel erhalten hat und um eine
Achse rotirt, die mit seiner geometrischen Achse zusammenfällt. Der Achse parallel
wird Ubersponnener Kupferdraht in mehreren Partien so um den ganzen Cylinder
gewickelt, dass stets das Knde der einen Partie mit dem Anfang der anderen an
einem Metallstück des Collectors zusammentritt, während die beiden Knden ein
und derselben Partie zu zwei sich gegenüberliegenden Metallstüeken führen. Der
Collector selbst ist jrenau so wie jener der GRAMME'sche Maschine construirt. Der
beschriebene Inductor rotirt zwischeu zwei Elektromagneten von eigentümlicher
Form. Sie bestehen nämlich aus einer Anzahl in der Mitte halbkreisförmig ge-
bogener, nebeneinanderliejrender Eisen-Lamellen, die mit ihren Bögen (s. Fig. 02)
den Inductor eng umschliessen und derartig mit Draht bewickelt sind, dass der
sie nmtliessende Strom die beiden halbkreisförmigen Bögen ungleichnamig magne-
tisch macht. Zwei am Collector schleifende Bürsten empfangen auch bei dieser
Maschine den inducirten Strom, der in die Windungen der Elektromagnete und in
die Nutzleitunjr geführt wird. Die weitere Ausführung der Maschine zeigt Fig. 02
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568
DYNAMO-ELEKTRISCHE MASCHINE. — DYNAMOM.
Die Intensität des Stromes, den eine dynanio-elektrisehe Maschine liefert und
die Spannung.au ihren Polen hängt ausser vou der Construetion der Maschine,
nämlich von der Art der Bewicklung mit dünnem oder dickem Draht und von der
Verbindung der Windungen der Elektroraagnete mit dem übrigen Stromkreise,
noch insbesondere von der Geschwindigkeit der Rotation des Inductors und
von dem Widerstand der Stromleitung ab. Die von den dynarao - elektrischen
Maschinen gelieferten Ströme dienen hauptsächlich zur Erzeugung des elektri-
schen Lichtes , zur Galvanoplastik , Reinmctallgewinnung und zur Ladung von
Accumulatoren.
Sowie in einer dynamo-elektrischen Maschine ein elektrischer Strom durch
Rotation des Inductors nach bestimmter Richtuug erzeugt wird, beginnt seinerseits
der Inductor in entgegengesetzter Richtung zu rotiren , wenn ihn ein hinreichend
kräftiger Strom, der von irgend einer Quelle herstammen kann, durchfliegst. Der
rotirende Inductor ist dann im Stande, Arbeit zu leisten.
Fig. !»«.
Apparate, in welchen durch den elektrischen Strom eine Rotation, eine Arbeits-
leistung erzielt wird und die insgesammt den Namen elektro- magnetische
Motoren führen, wurden schon in vielfacher Weise construirt, doch haben von
allen ausser den als Motoren verwendeten dynamo-elektrischen Maschinen keine
eine praktische Verwendung gefunden. I'ebrigens werden auch die dynamo-elektri-
schen Maschinen als Motoren nur in beschränkter Weist; gebraucht, da sich die
Kosten des elektrischen Stromes meist zu hoch stellen. Insbesondere dienen sie zur
Uebertragung der an einem Orte verfügbaren Kraft an einen anderen , was ent-
weder in der Weise geschieht, dass an dem einen Orte die Kraft eine dynanio-
elektrische Maschine betreibt , deren elektrischer Strom Accumulatoron speist , die
nach ihrem Transport an einen anderen Ort durch den von ihnen gelieferten
elektrischen Strom wieder eine dynamo-elektrisehe Maschine in Gang setzen und
zur Arbeitsleistung befähigen, oder dass man den von der ersten Maschine gelie-
ferten Strom direct an den Ort leitet, an dem der elektro magnetische Motor sich
befindet Kraftübertragung. Pitsch.
DynamOm i>t ein dem „Lebens wecker i4 Baux.scheibt's is. Bd. U, pag. 178)
ähnliches Instrument und dient auch gleichen Zwecken.
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DYNAMOMETER. — DYSKRASIE.
5ti9
Dynamometer Oder Kraftmesser bezwecken, ein vergleichendes Maas*
in Zahlen von Arbeitsleistungen der Energie zu liefern. Wo es sich um die
Prüfung von Muskelkraft von Menschen oder Zugthieren handelt, sind dieselben
nach Art der jetzt so verbreiteten Federwaagen construirt , indem in ihnen eine
elastische Metallfeder zusammengedrückt oder ausgezogen und die dadurch ver-
ursachte Bewegung der letzteren vermittelst eines Hebels auf einen drehbaren
Zeiger übertragen wird, welcher die Grösse des verwendeten Druckes in empyrisch
festgestellten Gewichtszahlen angibt. Erfolgt die Kraftein Wirkung als Schlag oder
Stoss, so zeigt sich die Grösse derselben bei einer anderen Anordnung an der
Ilöhe eines neben einer verticalen Scala durch die Repulsion der Feder empor-
gescbleuderten Gewichtes. Zur Prüfung der Wirkung explosiver Stoffe , wie des
Schiesspulvers, dienen als Dynamometer verschiedene Vorrichtungen. Bei der
üblichsten für Geschütze schlagen die Geschosse gegen das ballistische Pendel,
einem ans starkem Holze bestehenden, mit Steinen beschwerten Pendel von be-
kanntem Gewichte, aus dessen Ausschlage beim Anprall des Geschosses die Kraft
desselben berechnet wird. Unter den zahlreichen Vorschlägen, um die Kraft einer
bestimmten Menge Schiesspulver zu ermitteln , soll derjenige , nach welchem ein
schwimmendes Aräometer aus Metall je nach der Stärke des senkrecht erfolgenden
Rückschlages der Pulverladung verschieden tief in das Wasser eintaucht, die ge-
nauesten Resultate geben. Die Wichtigkeit der Bestimmung der Geschwindigkeit
der Geschosse, von welcher die kinetische Energie derselben (s. diese) ab-
hängt, hat zu mehreren Apparaten geführt, welche durch Oeffnung und Schliessung
eines elektrischen Stromes an Chronoskopen oder an der Ausschlagsgrösse und
Schwingungsdauer der Magnetnadel einer Bussole die Zeitmomente des Abfeuerns
und Aufschlagens der Geschosse erkennen lässt. Gänge.
Dysblennia (^j;, widrig und £>ivvx, Schleim) heisst die Schleimkrankheit der
Blutegel, s. Bd. II, pag. 338.
DySChrOmasie, DySChrOmatOpSie und yjaip.*, Farbe und wi, Auge)
= Farbenblindheit (s. d.).
Dysenterie schiecht und £vt£cov, Eingeweide) oder Ruhr ist eine primäre,
d. h. nicht im Gefolge einer anderen Krankheit entstandene Diphtheritis des
Dickdarmes, und zwar besonders des absteigenden Grimmdarmes. In den Tropen
gehört die Ruhr, besonders während der Regenzeit, zu den häufigsten Erkran-
kungen. In unserer Zone stellen sich Ruhrepidemien besonders im Spätsommer
und Herbst ein , also zur Zeit der grössten Temperatureontraste. Auf contagiöse
Weise verbreitet sich die Ruhr gewiss nur äusserst selten. Das Auftreten der
Ruhr in enge begrenzten und mit verdorbener Luft erfüllton Räumen, so in Ge-
fängnissen, Spitälern, auf Schiffen und in Festungen, lässt auf eiue miasmatische
Genese schliessen. Das unbekannte Gift ist in den Stuhleutleerungen des Ruhr-
kranken enthalten. Dysenterie gehört nächst dem Typhus zu den gefahrvollsten
Krankheiten des Krieges. Sie ist schon seit den ältesten Zeiteu bekaunt ; ihr Name
rührt von Hutokrates her.
Dyskrasie (&•;,- und yjjxn;, Mischung), fehlerhafte Mischung der Körpersäfte,
besonders des Blutes. In früherer Zeit wurden viele acute und die meisten
chronischen Krankheiten auf solche fehlerhafte Säftemischungen bezogen. Mau
unterschied eine rheumatische, arthritische, haemorrhoidale, menstruale, abdominale,
herpetische, psorisebe u. n. a. Arten der Dyskrasie. Pneumonie (Lungenentzündung)
wurde für eine Fibriukrase des Blutes gehalten; das Blut sollte nach dieser Er-
klärung sein überschüssiges Fibrin in der Lunge ausscheiden. Von anomalen Blut-
bostandtheilen war es besonders die Blutschärfe (Acrimonia sanguinis) . die
viele innere und äussere Krankheiten verschulden sollte. Eine Ablagerung der
Blutsehärfe nach aussen sollte die Krätze, eine solche nach innen den Bandwurm
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570
DYSKRASIE. — DYSURIE.
zur Folge haben! Der wissenschaftlichen Forschung ist es bereits gelungen, die
Entstehung vieler Krankheiten auf ihre wahren Krankheitserreger zurückzuführen ;
mit jeder solchen Entdeckung verengt sich das Gebiet der nebelhaften Dyskrasieo.
Gegenwärtig gebraucht man das Wort nur in dem Sinne von Blutanomalie. Für
jene Veränderung des Blutes , welche secundär in Folge lange dauernder Krank-
heitsprocesse auftritt, ist der Ausdruck Cachexie passend.
Dy8Ü8in, C34H360., ist ein Spaltungsproduct der Cholsäure, aus welcher es
nach mehreren Methoden gewonnen wird, und in welche es durch anderweitige
Operationen wieder zurückgeführt werden kann. Man erhält es am besten durch
Kochen von Cholsäure, C94H10OB, mit Salzsäure, wodurch 3 Moleküle Wasser ab-
gespalten werden. Es stellt einen in Alkohol , Wasser und Alkalien unlöslichen,
in Aether wenig löslichen neutralen harzartigen pulverigen Körper dar, welcher
die Gallenrcaction gibt und beim Kochen mit alkoholischem Kali wieder in Cholsäure
übergeht. Ganswindt.
Dy8H16n0rrh06 (ou;, aiqv, Monat und j&o, fliesse). Bei gesunden Frauen
geht die Menstruation mit geringer Aenderung des Allgemeinbefindens vor sich;
aber auch normaler Weise kommen öfter grössere Beschwerden vor; man nennt
sie Molimina. Dysmenorrhoe oder Menstrualkolik bezeichnet den Ablauf der
Katamenien unter erheblichen, das physiologische Maass überschreitenden Beschwer-
den. Als Ursache der Dysmenorrhoe werden einerseits Congestionszustände in den
inneren Geschlechtsorganen, anderseits erschwerter Abfluss des Menstrualblutes
angegeben, doch kommen auch rein nervöse Formen vor. Die Beschwerden
schwinden häufig, aber nicht immer mit dem Eintritte des Blutflusses.
*
Dyspepsie (~i7rtto, ich verdaue) im engeren Sinne bezeichnet krankhafte
Erscheinungen, welche auf Abnormitäten in der Magenverdauung zurückzuführen
sind. Mehr allgemein bezeichnet man damit eine Reihe von Störungen, welche
auf Anomalien der secernirenden , resorbirenden und musculösen Apparate des
gesammten Verdau uugstraetus oder auf abnorme Reaction des Nervensystems beim
Verdauungsacte beruhen. Letztere Art ist die sogenannte nervöse Dyspepsie. Auch
Allgemeinerkrankungen , sowie Erkrankungen entfernter Organe (Hemikranie,
Uterinleideu) geben Veranlassung zum Entstehen von Dyspepsie.
*
Dysphagie («pxyeiv, essen). Damit bezeichnet man die Störungen, welche der
Act der Nahrungsaufnahme vom Eintritte der Speisen in den Mund bis zu ihrer
Passage durch die Cardia (das Magenende der Speiseröhre) begleiten. Erkrankungen
des Mundes , der Zunge , des Rachens , der Speiseröhre und ihrer benachbarten
Organe können Dysphagie hervorrufen: 1. durch Schmerzen, welche die mit dem
Schlingact verbundenen Bewegungen begleiten, 2. durch Lähmungen oder Krämpfe
der betheiligten Mnsculatur (z. B. in der Tollwuth), 3. durch mechanische
Hindernisse.
Dysphasie (^tjjm, ich spreche) Sprachstörung durch den Verlust der den Vor-
stellungen entsprechenden Wortzeichen. — S. auch Aphasie, Bd. I, pag. 459.
Dysphonie («ptovfy Stimme), Erschwerung der Phonation, Stimmstömng. —
S. auch Aphonie, Bd. I, pag. 459.
Dysphonie ^ossiv, tragen), Uebelbefinden, namentlich subjectives Krankheits-
gefühl, Unbehagen; der Gegensatz von Euphorie.
Dysurie (oOisw, harnen), Harnzwang oder erschwerte und schmerzhafte
Entleerung des Harnes stellt ein Symptom vor, welches bei den verschieden*
artigsten Krkrankungen des Harnapparates vorkommen kann. Die häufigsten und
schwersten Fälle trifft man bei Erkrankungen der Vorsteherdrüse (Prostata) und
des Blasenhalses.
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DYSPLASTICA. — DZONDI'.SCHER SALMIAKGEIST.
571
Dysplastica und «t^ättw, bilden) , Synonym für Antiplastica (Bd. I,
pag. 440). Tb. Husemano.
Dyspnoe (rvtco, athmen), Schwerathmigkeit, ist unwillkürlich verstärkte
oder erschwerte Athmungsthätigkeit. Das Athmungscentrum im verlängerten
Marke wird durch die Venosität des durchströmenden Blutes , d. h. durch dessen
Kohlensäurereichthum und Sauerstoffmangel veranlasst, die normalen periodischen
Athembewegnngen auszulösen. Ist das die Medulla durchströmende Blut sehr
reich an Sauerstoff oder sehr arm an Kohlensäure, dann wird keine Atheiu-
bewegung ausgelöst; es entsteht Apnoe (Bd. I, pag. 461). Im entgegengesetzten
Falle, d. i., wenn der Kohlensäurereichthum oder der Sauerstoffmangel die Norm
überschreitet, entsteht DyspnoÖ. Einen abnorm hohen Grad von Venosität kann
das Blut erlangen, wenn 1. die Luft sehr verdünnt ist und in Folge dessen die
Inspirationsluft zu wenig Sauerstoff enthält; 2. die Luft durch Hindernisse im
Kehlkopf oder in der Luftröhre behindert ist in genügender Menge in die Lungen-
bläschen einzutreten , oder 3. in einem grösseren Antheile der Lunge die Alveolen
keine Luft aufnehmen können.
Dzondi'sche Pillen, einst berühmt zur Behandlung der Syphilis, aber ganz
irrationell und in der ursprünglichen Verordnung sogar gefährlich, bestanden aus
0.3 Hydrarg. bichlor. corros. in etwas Wasser gelöst und mit gleichen Theilen
Mica panis und Saccharum zu 100 Pillen verarbeitet. Mit 4 Pillen beginnend
stieg man bis zum 27. Tage auf 30 Pillen pro die, demnach auf 0.1 Sublimat (!).
DzOndi'SCher Salmiakgeist = Liquor Ammonü caustici spirituosus.
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E.
Eft8ton S Syrup ist eine amerikanische Specialität, wird aber auch in
Deutschland manchmal verlangt ; die Composition de» Syrups ist eine echt amerika-
nische; er enthält pyrophosphorsaures Eisen, Chinin und Strychnin. Zur ex tem-
pore-Darstellung desselben gibt Hager folgende Vorschrift: 1.5g Chinin, purum.
0.05g Strychnin. purum, 6.0g Acid. phosphor. und 10. Og Syrup. Sacchari
werden warm gelöst, beziehungsweise gemischt und dann noch 85.0 g Syrup. Fern
pyrophosphorici hinzugegeben. — Nach „Pharm. Zeitg.u ist er eine Mischung
aus 24 Gran Chinin, sulfur., in 1 Drachme Acid. phosphor. gelöst, 2 Unzen einer
wässerigen Losung von Ferrum pyraphoxphoricum (1 : ö), 6 Unzen Syrup. Aurantii
ffor. und so viel Syrup. simpler, dass das Ganze 1 Pint betragt.
E<!U (franz.), Wasser. Das Wort „Eau" wird im Französischen, wie das Wort
„Wasser" im Deutschen, zur Bezeichnung von Flüssigkeiten ziemlich verschiedener
Art gebraucht. Die neue Ph. Franc, theilt die Kaux medicinales ein in die destil-
lirten und aromatischen Wässer (Eau de fleurs d'oranges, Eau de niatieo, Eau de
rose etc.) und in die einfachen (Eau de chaux, Eau de gondron) uud zusammen-
gesetzten ( Eau phagedenique. Eau sedative) wasserigen Lösungen. Dorvault unter-
scheidet : a) Eaux diverses , in welche Gruppe alle einfachen und zusammen-
gesetzten wasserigen Lösungen (Beispiele wie vorher), aber auch viele s p i r i t u ö s e
Mischungen und Auszüge, z. B. die Eaux dentifrices, fallen ; b) Eaux distillces ou
Hydrolats, das sind die destillirten aromatischen Wässer; c) Eaux minerales,
Mineralwässer (natürliche und künstliche). Das, was in Deutschland und Oester-
reich als „Eau" bezeichnet und meist in der Form von Specialitäten vertrieben
wird, sind hauptsächlich spirituöse Parfüms (Eau de Cologne, Eau de Lissabon,
Eau de Marcchal , Eau royal , Eau de Serail etc. etc.), c osmotische Wasch-
wässer, Zahnwässer oder Zahntincturen, Haarfärbemittel und nur
in wenigen Fällen wässerige Lösungen oder Mischungen (Eau deJavelle, Eau
de Raspail).
Es liegt nicht im Zwecke der Encyclopädie, alle diese Eaux hier aufzuführen,
jedoch sind viele der COSmetischen Wasch Wässer unter Aqua cosmetica und
der Zahn Wässer unter Aqua dentifrieia bereits zusammengestellt worden und
finden überdies, ebenso wie die Haarfärbemittel uud Parfüms, soweit es nöthig
erscheint, unter dem Namen des Erfinders oder Fabrikanten Erwähnung. — Eau
de Botot. s. Aqua dentifrieia. — Eau des Carmes (Karmelitergeist) =
Spiritus Melissae compos. — Eau de Cologne, s. Aqua Coloniensis. —
Eau de Javelle und Eau de Labaraque = Liquor Natri hypochlorosi. — Eau de
Lavande = Spiritus Lavandulae compos. — Eau de Ouinine (Chininhaarwasser) :
1 Th. Chininsulfat, 30 Th. Glycerin, 60 Th. Eau de Cologne, 60 Th. Bay-Rum
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EAU.
— EBERHARD SCHES PULVER.
573
und 300 Th. Rosentoasser ; oder: 1 a Th. Chininsulfat, 3 Th. Ferubaleam, 10 Th.
Oleum Ricini, 100 Th. Jamaica-Rum, 50 Th. Rosenicaager , 10 Th. Eau de
Üologne. — Eau de Rabel ist mit Flor. Rhoeados roth gefärbte Mixtura sulfurica
aeida (Liquor acidus Halleri Ph. Austr.). — Eau de Raspail, s. Aqua Sedativa.
G. Hofmann.
EaUX-bOnneS. Departement Basses-Pyrenees in Frankreich, hat zwei Quellen,
die Source d'Ortech und dieSource vieille von 22°, respective 32°,
welche sehr arm an festen Bestandteilen sind. Unter diesen ist nächst NaCl
0.293, respective 0.277, Na HS 0.015 (in beiden gleichviel) bemerkenswerth. Ver-
sandt wird das Wasser der Source vieille.
EaUX-ChaudeS, Departement Basses-Pyrenees in Frankreich, hat drei warme
Schwefelquellen (25.5°, 31.5°, 36.25°). Die Summe der fixen Bestandteile, unter
denen etwas Na HS am wichtigsten ist, ist äusserst gering.
Ebani-Gummi, ein angeblicher Ersatz für Gummi arabicum, ist Dextrin.
Ebenaceae, Familie der Dt ospyrinae. Bäume und Sträucher mit meist sehr
hartem, in den älteren Partien dunkel gefärbtem Holz. Charakter: Blätter ganz-
randig, meist lederartig. Blüthen diöcisch oder zwitterig. Kelch 3 — 6theilig. Krone
mit 3— 6theiligem Saum. Staubgefässe 3—12 oder mehrere. Fruchtknoten niehr-
iächerig. Frucht eine saftige oder auch trockene Beere. Sydow.
Ebenholz, Ebony, Blackwood, Bois d'ebene, ist der Sammelname
für schwere, harte, dunkelbraun bis schwarz gefärbte Hölzer verschiedener Ab-
stammung, zumeist jedoch von Ebenaceen. — Vgl. D i o s p y r o s.
Viele in den Tropen heimische oder durch Cultur verbreitete Diospyros- und
einige Maba-Arten liefern in ihrem Kernholz das meiste und wohl auch das ge-
schätzteste Ebenholz, dazu kommen noch einige Leguminosen-Höteer (Acacia
Melanoxylon R. Br., Brya Ebenus ])C, Dalbergia melanoxylon llxb., ü. latifolia
Rxb.) u. A., deren Abstammung bisher nicht sichergestellt werden konnte. Im
Handel unterscheidet man die Ebenhölzer nach ihrer Herkunft als Ceylon-, Siara-,
Coromandel-, Macassar-, Mauritius-, Zanzibar-Ebenholz u. A. m.
Das echte, von Ebenaceen stammende Ebenholz ist mikroskopisch eharakterisirt
durch die unregelmässig und sparsam vertheilten, oft zu zweien oder dreien radial
aneinander gereihten, von wenig Parenchym umsäumten Gefässe, durch schmale,
meist nur einzellige Querreihen von Parenchym und durch ein- oder zweireihige
Markstrahlen. Alle Zellmembranen sind gelblich-braun gefärbt, die Lumina meist
erfüllt von einer dunkleren klumpigen Masse. Die Markstrahlen oder Pareuchym-
zellen führen grosse Krystalle aus Kalkoxalat, welche an Spaltflächen schon mit
freiem Auge als glitzernde Pünktchen zu erkennen sind. Der dunkle Inhaltskörper
entsteht nach Molisch (Stzb. d. Wiener Akad. d. Wiss. 1879) aus Gummi und
enthält Humussäure und Humuskohle.
Das von Leguminosen stammende Holz ist von breiteren Parenchymlagen durch-
setzt und erscheint darum auf Querschnitten quer gestrichelt.
Als grünes, gelbes oder braunes Ebenholz bezeichnet man das
„Greenheart" von Bignonia Leucoxylon L. auf den Antillen, sowie man
Oberhaupt im weiteren Sinue harte und schwere Hölzer ohne Rücksicht auf ihre
Farbe Ebenholz zu nennen pflegt. j. Moeller.
Eber'8 Emplastrum jodatum. Jodi und Kaln jodati ana 0.5— 1.0 g,
Emplastri saponati 50 g l. a. zu mischen.
Eberesche ist Sorbus Aucuparia L. — Eberraute oder Eberreiskraut ist
Abrotanum. — Eberwurz ist Radix Carlinae.
Eberhard'SCheS Plllver, eine in vielen Gegenden Deutschlands gebräuchliche
Bezeichnung für Pulvis Liquiritiae compositus.
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574
EBOLI'S REACTION. - EBULLIOSKOP.
Fig. 93.
1
EbOÜ'S Reaction auf Cantharidin besteht im Erhitzen des Cantharidins mit
concentrirter Schwefelsaure unter Zusatz von Kaliumchromat , wobei unter Auf-
schäumen eine prächtig grüne Färbung auftritt, die nach einigen Stunden trübe
blattgrün wird.
Ebonit, Hartgummi oder hornisirter Kautschuk, ist eine Modi-
ßcation des vulcanisirten Kautschuks. Ks zeichnet sich vornehmlich durch seine
Härte , seine schön schwarze Farbe und seinen Glanz aus und verdankt diesen
Eigenschaften sein ebenholzartiges Aussehen. Die obigen Eigenschaften in Verbindung
mit seiner grossen Elasticität haben ihn zu einem viel verwendeten Material ge-
macht; so zu Schirmgriffen, Knöpfen, Stöcken, Flöten, Stethoskopen, Tarirtellern,
Trinkbechern, Unterlegeplatten. Die Herstellung ist dieselbe wie die des vulcani-
sirten Kautschuks. — S. auch Kautschuk. Ganswindt.
Ebstein'SCtte Cur, s. Entfettungscuren.
Ebullioskop. Instrument, mittelst welchem der Alkoholgehalt aus dem Siede-
punkte entsprechender Flüssigkeiten bestimmt werden kann, unter Zugrundelegung
der Erfahrung, dass Mischungen von Alkohol und wässerigen Flüssigkeiten einen
um so niedrigeren Siedepunkt zeigen, je mehr Alkohol vorhanden, und umgekehrt.
Die älteste Form des Ebullioskopes ist die von Bro*5AED-Vidal angegebene. Dieses
Instrument bestand aus einem heizbaren, zur Aufnahme der alkoholhaltigen Flüssigkeit
bestimmten Kesselchen und
einem zum Eintauchen in
die siedende Flüssigkeit be-
stimmten, oben offenen Ther-
mometer mit weitem Lumen.
Ueber der Oeffnung des Ther-
mometers war im Centrum
einer feststehenden Kreis-
scheibe eine mit Zeiger ver-
sehene , leicht bewegliche
Rolle angebracht, um welche
ein feines Fädchen geführt
war, welches auf der einen
Seite mit einem auf dem
Quecksilber des Thermo-
meters befindlichen Schwim-
merchen, auf der andereu
Seite mit einem entsprechen-
den Gegengewicht belastet
war. Beim Steigen des
Quecksilbers wurde der
Schwimmer mit emporge-
hoben und in Folge dessen
eine Drohung der Rolle, resp.
des mit dieser verbundenen
Zeigers bewirkt. Aus der
so an der Kreistheiluug er-
mittelten Zahl wurde mit
Hilfe ausgerechneter Tabel-
len der Alkoholgehalt fest-
gestellt. Die so ermittelten Resultate konnten nicht genau sein, weil eine schnelle
gleichmäßige Erwärmung der ganzen Flüssigkeit fehlte, weil während der mangelhaften
Erwärmung ein Theil des Alkohols verdampfte und dadurch eine Erhöhung des
Siedepunktes bewirkt werden musste. die der ursprünglichen Flüssigkeit nicht mehr
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EBULLIOSKOP. —
EBÜLUS.
575
entsprechend war und weil schliesslich auf den Einfluss des jeweilig herrschenden
Luftdruckes keine Röcksicht genommen war. Es wurden deshalb mehrfache Ver-
besserungen an diesem Instrument vorgenommen , von welchen eine wesentliche
die 8chwester des vorgenannten Erfinders in Vorschlag brachte. Der mit hölzernem
Griff versehene kupferne Kessel des verbesserten Instrumentes hat eine mehr
längliche Form , oben cylindrisch , mit breiterem nach innen vertieftem Boden
und wird in einem blechernen Ofen mittelst einer Spiritusflaroine erhitzt. Der
Kessel ist mit einem Deckel verschlossen, in welchem zwei Oeffnungen vorhanden
sind, eine für das Thermometer, die andere für ein längeres Rohr, mittelst
welchem die Communication mit der äusseren Luft hergestellt wird. Das Thermo-
meter taucht mit seiner Kugel tief in die Flüssigkeit ein , während die Röhre
desselben bald nach ihrem Austritt aus dem Apparat rechtwinklig umgebogen
und an einer Messingplatte befestigt ist. Mit der Messingplatte ist ferner ein
verschiebbares Lineal verbunden, auf welches sowohl die Thermoraeterscala , als
wie auch die dieser entsprechenden Alkoholprocente angegeben sind. Diese regu-
lirbare Scala ist eine spätere Verbesserung von Coxaty und hat den Zweck, die
Resultate von den Schwankungen des Luftdruckes unabhängig zu machen, insofern
der Nullpunkt (Kochpunkt) jedesmal in einem Vorversuche durch Kochen von
destillirtem Wasser ermittelt und die Scala dementsprechend eingestellt wird.
Die Commnnicationsröhre ist später von Jaquelin mit einem Mantel umgeben
worden, behufs Zuführung von Kühlwasser und Verdichtung entweichender Alkohol-
dämpfe.
Im Princip ebenso, aber von etwas abweichender Form, sind die von Tabarie,
Üre und Pohle construirten Apparate. Die weitaus grösste Verbreitung dürfte das
Ebnllioskop von M allig axd (Fig. t)3) gefunden haben, welches vielfach in chemischen
Laboratorien, mehr aber noch in technischen Betriebsanstalten anzutreffen ist und
nach Angaben berufener Sachverständiger durchaus zuverlässige Resultate ge-
währen soll.
Das MALLioAND'sche Instrument 'besteht aus einem conischen Kessel , welcher
mit einem ringförmigen Siederohr versehen ist, im üebrigen die Aptirung des ver-
besserten ViDAL'schen Ebullioskopos trägt. Das Siederohr bildet keinen wirklichen
Ring, sondern nur den grösseren Theil eines solchen und ist mit seinen beiden
offenen, sich diametral gegenüberstehenden Enden dem Kessel eingefügt, während
der mittlere Theil des Rohres durch einen Schornstein geführt ist und in diesem
mittelst einer passenden Flamme erhitzt wird. Diese Einrichtung bewirkt eine
schnelle und gleichmässige Durchwärmung der Flüssigkeit, während im Kühlrohr
die Condensirung entweichender Dämpfe stattfindet und durch die Anwendung des
Thermometers mit verschiebbarer Scala die Beeinflussung des Siedepunktes durch
den jeweilig herrschenden Luftdruck pnralysirt wird. — Die Anwendung des
Ebullioskops geschieht bei der Prüfung alkoholhaltiger Flüssigkeiten, wie Wein,
Bier, Liqueure. Die Flüssigkeiten dürfen nicht mehr als 25 Procent Alkohol ent-
halten , andernfalls müssen sie soweit verdünnt werden , wenn richtige Resultate
erhalten werden sollen. Flüssigkeiten, in denen Gase gelöst oder suspendirt sind,
z. B. kohlensäurehaltiges Bier, Champagner, können nicht mit dem Ebullioskop
untersucht werden, es sei denn, dass die Gase durch geeignete Mittel, z. B. durch
Sättigung mit Kalkhydrat, beseitigt worden wären. Dagegen beeinträchtigen
organische Körper, wie Weinsäure, Zucker u. s. w., die Richtigkeit der Resultate
nicht. Die Differenz zwischen den durch die Destillationsmethode und der mittels
des Ebullioskopes gefundenen Zahlen beträgt durchschnittlieh 0.1 Procent; indessen
sind auch Differenzen von 0.3 — 0.6 Procent beobachtet worden. Eisner.
EblilUS ist eine von Spach aufgestellte Caj>rt'foltaceen-G*ttim& synonym mit
Samhucus Tournff.
Fructus fßaccae), Foh'n, Flores, Cortr.v et Radix Ebuli stammen von Snm-
bneus Ebidns L., einer von dem gemeinen Hol hin der (8. nigra L.) an den
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576 EBULUS. — ECBOLIN.
Nebenblättern und durch dreizählig verästigte, übelriechenden Trugdolden leicht
zu unterscheidende Art. Früher benützte man alle die genannten Theile; jetzt
sind sie obsolet bis auf den aus den Beeren bereiteten lioob Muli, der sogar
von der Ph. Helv. noch vorgeschrieben ist. Er wirkt purgirend, in grossen
Mengen giftig.
Eblir UStUITI, gebranntes Elfenbein, ist eine Bezeichnung für Knochen-
kohle überhaupt, ohne Rücksicht auf das Rohmaterial. — S. Carbo ossium,
Bd. II, pag. 543.
Eburin, eine Nachahmung des Elfenbeins aus Cellulose, Holzmehl und Eiweiss.
Ecbalin ist eine von Walz in EcbaHum ofßcinale Nees neben dem Haupt-
bestandteil Elaterin aufgefundener Körper. Das Ecbalin (auch Elaterinsäure genannt)
bildet nach Walz ein gelbes, weiches Harz von stark bitterem und kratzendem
Geschmack : es löst sich in etwa 20 Th. Wasser, leichter in Alkohol und Aether,
auch in wässerigen Alkalien. Ob das Ecbalin als solches in der Pflanze sich vor-
findet oder ob es als Spaltungeproduct des Elaterins bei der Gewinnung desselben
sich erst bildet, ist bis heute noch nicht erwiesen. Auch die angegebene Formel
C2o Hst 04 wird noeh der Bestätigung bedürfen. Ganswind t.
EcbalHum Oder EcbaÜUm, Gattung der Cucurbitaceae, (JnterfamUie Cucu-
merinae, mit einer einzigen Art:
Erb all i um Elat e rium Rieh. (E. agreste Rchb. , E. ofßcinale Xee*,
Momordica Elaterium L.), Spritz- oder Eselsgurke. Sie besitzt eine dicke
Wurzel, fleischige , rankeulose Stengel , grosse, langstielige, zottig-weichstachelige
Blätter und gelbe, einhäusige Blüthen, die (5 in Trauben , die 9 einzeln in den
Blattachscin. Die ellipsoidiacben Beerenfrüchte dienen zur Bereitung des Ela-
terium.
Ecbolica (u ßatAAto, hinauswerfen, verwerfen, davon ZA^okr^ Abortus) synonym
mit Abortiva (Bd. I, pag. 27). Richtiger würde Ecbolia sein (nach dem griechi-
schen Adjectivum fccäöXio;, fruchtabtreibend). Die Geburtshelfer gebrauchen die
Bezeichnung Ecbolica häufig auch, jedoch unrichtig, als gleichbedeutend mit weben-
treibenden Mitteln (Odijnegoga). Th. Husemann.
Ecbolin Und ErgOtin sind nicht gut einzeln zu besprechen, da sie zum Theil
gleiches Verhalten zeigen und aus der gleichen Pflanze stammen, nämlich aus dem
Mutterkorn. Es sind Bezeichnungen für zwei Alkaloide. Der Name Ergotin ist
aber ausserdem durch Boxjean als Synonym aufgebracht worden für das Extr.
Secalis cornuti aquosum, in welcher Beziehung man unter diesem Stichwort ver-
gleichen möge.
Dass man aus dein Mutterkorn ausser Leucin und dem nach Briegeb (1887)
aus Zersetzung des Cholin entstehenden Trimethylamin noch andere basische Körper
von Alkaloidcbarafctcr darstellen könne , zeigte 1 864 W. T. Wexzell *) in La
Crosse in Wisconsin. Er fand nämlich, dass concentrirte wässerige Mutterkorn-
anszüge noch nach dem Ausfällen mit neutralem Bleiacetat Alkaloidreactionen
gebeu. Wie ich-') 1884 gezeigt habe, ist damit die Anwesenheit von Alkaloiden
aber noch keineswegs erwiesen , indem das mit neutralem Bleiacetat ausgefällte
Mutterkornextract ja noch die Ergotinsäure enthält, welche nicht einmal durch Blei-
essigfällung, sondern nur durch ammoniakalische Bleiessigfällung abgetrennt werden
kann. Diese Säure gibt aber noch bei lOOOOfacher Verdünnung mit Phosphor-
wolframsäure einen voluminösen Niederschlag.
Wexzell fällte das mit neutralem Bleiacetat gereinigte Mutterkornextract erst
mit Sublimat und das Filtrat davon mit Phosphormolybdänsäure. Die Substanz
aus dem Sublimatniederschlag naunte er Ergotin und die aus dem Phosphor-
molybdnnniederschlag Ecbolin. Ob diese beiden Substanzen auf die Gebärmutter
wirken, stellte er nicht fest.
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ECBOLIN. — ECCHYMOSIS.
577
Wer sieb überzeugen will, wie fehlerhaft die« Verfahren ist, der falle die eine
Hälfte einer Extractlßsung mit neutralem Bleiacetat und die andere mit ammonia-
kalischem ans , schaffe Ammoniak und Blei fort und stelle nun die beiden Basen
aus beiden Hälften dar. Er wird sich über den Unterschied gewiss wundern.
Aber auch zugegeben, man hätte die Ergotinsäure erst völlig beseitigt, so ist
die WENZELL sche Fallung doch fehlerhaft, denn weder das eine, noch das andere
seiner Fallungsmittel füllt eines der vorhandenen Alkaloide vollkommen. Wenzell
hatte gut gethan, bei der Sublimatfällung etwas Barytwasser zuzusetzen, wodurch
die Fällung reichlicher wird. Man erhält dann in dem von Baryt und Quecksilber
befreiten Filtrate meist keine Fällung mehr mit Phosphormolybdänsäure.
Ueberhaupt muss man trotz Denzel's neuen Bemühungen *), das Ecbolin zu
allgemeiner Anerkennung zu bringen, die Begriffe Ergotin und Ecbolin für Mutter-
kornalkaloide ganz fallen lassen und einfach giftige und ungiftige Mutterkorn-
nlkaloide unterscheiden. Von ersteren siehe das Nähere unter Cor n utin (Bd. IH,
pag. 301), von letzteren unter Ergo tinin.
Manassewitsch *) erhielt bei Fortsetzung und Verbesserung der WsNZELL'schen
Versuche durch fractionirte Sublimatfällung vier Niederschläge, welche alle nach
Beseitang des Hg Basen zu enthalten schienen, d. b. sie gaben beim Kochen mit
KOH Trimethylaminreaction.
Dieser Beweis ist jedoch keineswegs stichhaltig. Die Existenz des Ecbolins
konnte Manassewitsch nicht bestätigen ; ebensowenig gelang ihm die Darstellung
des WEXZELL'schen Ergotins. Ferner gibt auch die Ergotinsäure beim Behandeln
mit Kalilauge basisebe Zersetzungsproducte.
Manassewitsch stellte dann ein eigenes Ergotin dar und fand durch Analyse
dafür die Formel C60 H52 Na 03. Ueber die Wirkungen dieser Base ist nichts bekannt.
1869 wurden Wbnzell's Angaben über das Ecbolin von Hermann 6) bestätigt.
Ein Jahr spater hat auch Ganser 6) sowohl das Ecbolin als das Ergotin dargestellt.
1872 lieferte Wenzell 7) einen Nachtrag, in welchem er die Behauptung, dass
im Mutterkorn zwei amorphe Alkaloide vorkommen, aufrecht erhält, aber zu ihrer
Darstellung eine neue Methode angibt.
Die nach dieser Methode gewonnenen Präparate sind den ursprünglichen ziem-
lich ähnlich.
Dragendorff und Podwvssotzki sj beseitigten zunächst durch Fällung alle
Ergotinsäure aus den wässerigen Mutterkornauszügen und fällten aus den Filtraten
ein Alkaloid, Pikrosclerotin, welches sehr giftig war. An die Existenz eines Ergotin
und Ecbolin glauben sie nicht.
Blumberg ») setzte unter Dragendorff diese Versuche fort und stellte eben-
falls ein , vielleicht mit dem vorigen identisches Alkaloid dar. Die Menge des
gewonnenen Pikrosclerotin war so gering, dass seine Giftigkeit sich eben nur an
Fröschen feststellen Hess. Welche Organe es beeinflusst, ist unbekannt. — S. auch
Ergotinum und Extractum Secalis cornuti.
') Amerik. Joum. of Pharm. T. XXXVI, pag. 193. übersetzt in Witt st eins Viertel-
jabrschr. f. prakt. Pharmacie. 18G7, VI. pag. 387. — *) Ueber die Bestandteile und Wir-
kungen des Mutterkorns. Leipzig, Vogel, 1684. — *) Arch. d. Pharmacie. 1884, III. Beihe,
Bd. jgg, Heft 2. — «) Pharmac. Zeitung f. Bmwland. 1867, VI, pag. 387. — ») Arch. d. Phar-
macie. Bd. 150, II. Reihe, pag. 2ö6. — 4) Arch. d. Pharmacie. 1870, Bd. 144, II. Reihe,
pag. 195. — ') Pharmac. Vierteljahrschr. Bd. 18. pag. 481. — *) Ein Beitrag zur Kenntnias
der Mutterkornalkaloide. Inaug.-Dissert. Dorpat 1877. — ") Arch. f. exp. Pathologie n. Phar-
makologie. 1877, VI, pag. 153. Kobert.
Eccard. Tinctura Eccardi, eine wobl kaum mehr gebrauchte Bezeichnung der
Tinctura Opii simplex.
ECChymOSiS (gc und /ujaoc, Saft) heisst ein umschriebener Blutaustritt unter
die Haut. Für die gerichtliche Medicin sind die Ecchymosen sehr wichtig, weil sie
bei bestimmten Verletzungen am Lebenden und an der Leiche in charakteristischer
Form auftreten.
Real-Encyclopidie der gea. Pharmacie. m.
37
578
ECCOPROTICA. - ECHINOCOCCUS.
EcCOprOtiCa (fat, aus und xoiwo;, Koth), Bezeichnung für mildwirkende, den
Koth ohne auffällige Reizung des Darmes und ohne bedeutende wässerige Ab-
sonderung herausbefördernde Abführmittel (vergl. Bd. I, pag. 18). Als adjee-
tivische Benennung dient das Wort auch zur Unterscheidung des einfachen Klystiers,
Clysma eccojyroticum, vom medicinischen Klystiere. Th. Husemann.
Ecgonin, C„ H,6 NO, + H2 0, ist ein Zersetzungsproduct des Cocains. Erhitzt
man letzteres mit concentrirter Salzsäure im Druckrohr auf 100°, so zerlegt es
sich in Benzogsäure, Methylalkohol und Ecgonin, welches nach dem Entfernen des
Methylalkohols und der Benzoesäure mittelst Aether als salzsaures Ecgonin zurück-
bleibt. Durch Auswaschen mit absolutem Alkohol, Digeriren des Hydroehlorats
mit überschüssigem Silberoxyd , Filtration und wiederholtes Umkrystallisiren aus
Alkohol erhält man das reine Ecgonin als farblose , glasglänzende , monokline
Prismen, welche bei 198° unter Bräunung schmelzen, sehr leicht in Wasser, minder
leicht in absolutem Alkohol löslich, in Aether unlöslich sind (s. auch den Artikel
Cocain). Sein Platindoppelsalz ist in Wasser leicht löslich und krystallisirt in
langen, Orangerothen, spiessigen Krystallen. Ganswind t.
Echicerin, Cs0 H48 03, ist einer der verschiedenen Bestandteile der Ditarinde
von Echites scholan's L. Man gewinnt es neben Echikautschin und Echitin durch
Extraction der Ditarinde mit Ligroin und Verdampfen des Ligroins. Kocht man
den Rückstand wiederholt mit Alkohol aus, bis dieser beim Erkalten keine Kry-
stalle mehr fallen lässt, so bleibt Echikautschin ungelöst, Echicerin und Echitin gehen
in Lösung und krystallisiren zusammen aus. Dem Krystallgemisch wird durch sehr
wenig Ligroin hauptsächlich Echicerin entzogen , welches durch wiederholtes Um-
krystallisiren aus Alkohol gereinigt wird. Es bildet kleine Nadeln, welche bei 157°
schmelzen und äusserst leicht löslich sind in Aether, Ligroin, Benzol, Chloroform ;
schwer löslich in Alkohol. Die ätherische Lösung ist rechtsdreheud. Ganswindt
Echidnin. Ein von Bonapartk aus dem Secret der Viper isolirtcr Körper in Form
eines glänzenden durchsichtigen Firnisses, welcher, mit Kali erhitzt, Ammoniak liefert.
EchikautSChin, C^HinOs. Darstellung s. Echicerin. Die nach dem wieder-
holten Auskochen mit Alkohol zurückbleibende Masse wird mit kaltem Ligroin
gewaschen. Es bildet dann eine zähe, bernsteingelbe Masse, welche unter 0° spröde
wird und in Chloroform , Aether , Beuzol und Ligroin leicht löslich , in heissem
Alkohol dagegen fast unlöslich ist. Ganswindt
Echinococcus , Hülsenwurm, Igelkorn, ist ein sogenannter Blasen-
wurm (s. Bd. II, pag. 279), eine Ent-
wickelungsform im Generationswechsel des
Bandwurmes , Taenia Echinococcus Sieb.,
welcher im Darme des Hundes, Wolfes und
Schakals lebt. Die Köpfe sind mikrosko-
pisch klein, aber ausserordentlich zahlreich
und sitzen auf der inneren Oberfläche einer
bis manneskopfgrossen Blase, welche milch-
glasfarben, geronneuem Hflhnereiweiss ähn-
lich ist. Diese Echinococcusblase
ist manchesmal einfach, anderemalc birgt
sie in ihrem Inneren Tochterblasen, und
diese können wiederum Enkel- und Urenkel-
blasen enthalten. Die Echinococceuköpfchen {JaSSSSTySSS mach
(Scolicen) sitzen mit einem dünnen 8tiele v. Jakaekx
auf, haben ein Rostellum mit doppeltem Hakenkranz und vier
Saugnäpfe. Nur selten ereignet es sich, dass Eehinococcusblasen frei
von Köpfen sind, sogenannter steriler Echinococcus. Die Echinococeeu-
blasen kommen in Wiederkäuern, im Schwein, Zebra und im Menschen
vor , am häufigsten iu der Leber und in der Lunge , gelegentlich aber in allen
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Fig. H,
Fig. 9b.
Taenia Ediinococcu*.
ECHINOCOCCUS. — ECHITAMIN.
579
Fi*. 96.
Fig. 97.
Echiuoeoceeuköpfctaen, den Brutkapseln ent-
nommen.
A mit vorgestülpter Mittelrone und Stirn-
fortsatz. " Mittelzone uud Stirnfortsatz in
Hinterkopf eingezogen. ■ Stiel des
Köi
Organen. Sie können im Menschen oft lange bestehen ohne besonders alarmirende
Erscheinungen, wo sie aber die Passage von Luft, Blut und Ernährungsflüssigkeit
verursachen sie bald einen tödtlichen Ausgang. Wenn eine in einem
Bauchorgane befind-
liche Echinococcus-
blase platzt , kann
ihr Inhalt in den
freien Bauchfellranm
gelangen uud erzeugt
dann rasch tödtende
Bauchfellentzün-
dung. Die Erkran-
kung an Echinococ-
cus tritt am häufig-
sten in Island auf,
aber auch auf dem
festen Lande Euro-
pas ist die Krankheit nicht sehr selten. Um die Ansteckung
mit Echinococcus zu verhüten, vernichte man die Echino-
m\ttkin^der0^^dung'''he^ coccusblasen, welche man in den geschlachteten Hausthieren
griffenen^ Kör.frhen (nach findet, damit nicht Hunde dieselben essen, dadurch den
Bandwurm acquiriren und die Eier des letzteren wieder
auf Menschen übertragen werden. Eine unmittelbare Berührung mit Hunden ver-
meide man überhaupt.
Echinocystis. eine Cucurbitaceen-G&ttuag, ausgezeichnet durch die auf dem
Scheitel mittelst 1 — 2 Poren sich öffnenden Früchte.
Ech inocystis fabacea Naud. (Megarrhiza californica Torrey) , ein
hoch auf die Bäume rankendes Kraut, besitzt eine ausdauerndo, knollig-spindel
förmige Wurzel, welche von den Eingeborenen als Abführmittel gebraucht wird.
8ie schmeckt bitter und scharf, riecht fast gar nicht , soll jedoch frisch widerlich
riechen. Nach Heaxey enthält sie ein eigentümliches krystallinisches Harz,
Megarrhizitin und den Bitterstoff Megarrhizin.
EchinorhynchuS. einzige Gattung der Acanthocephali , einer Ordnung der
Ascaridae, charakterisirt durch einen einstülpbaren, mit Haken besetzten Rüssel.
Mund und Darm fehlt, Geschlechter getrennt.
E. Oigas Ooeze, Q bis 40 cm lang und bis 6 mm dick, das seltene (5 nur
25 cm lang. Lebt im Darme des Schweines, wurde aber ausnahmsweise auch im
Menschen gefunden.
EchinUS ist eine von Loureiro aufgestellte, mit Rottlera
EupkorbiaceenGattnng. — Die Pilzgattung Echinus Hall.
Hydnum L.
Echi retin, c35 h86 o,, findet sich in der Mutterlauge von der Darstellung des
Willd. synonyme
ist synonym mit
Echitelns , aus welcher es sich beim Eindampfen in öligen Tropfen abscheidet,
welche schliesslich zu einer weissen amorphen Masse eintrocknen, die bei 52°
schmilzt und sich leicht in Aether, Chloroform, Ligroin, kochendem Aceton und
heissem Alkohol löst. Rechtsdrehend. Ganswindt
Echitamin. C2a HS8 N, 04 + 4 Hs 0, ist das eine der drei Alkaloide der Dita-
rinde. Zur Gewinnung wird die Rinde zunächst mit Ligroin behandelt, dann mit
Alkohol ausgekocht, die alkoholische Lösung abdestillirt und mit Natriumcarbouat
übersättigt. Diese alkalische Lösung des Ditarindenextractes enthält Ditamin,
Echitamin und Echitenin. Nun wird wiederholt mit Aether behandelt: Ditamin
geht in Lösung; Echitamin und Echitenin bleiben im Rückstand. Diese versetzt
mit festem Kali und schüttelt dann mit Chloroform aus ; die Chloroformlösung
37*
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580
ECHITAMIN. — ECHIÜM.
wird verdunstet und mit wenig concentrirter Salzsäure versetzt; es scheidet sich
salzsaures Echitarain aus, während salzsaures Echitenin in Lösung bleibt
Ersteres wird aus salzsäurehaltigem Wasser nmkrystallisirt und mit concentrirter
Kalilauge zerlegt. So dargestellt bildet es dicke, glasglänzende Prismen, welche im
Exfdccator 1 Mol. , bei 80° weitere 2 und oei 105° das 4. Mol. H, 0 verlieren.
Echitamin mit 4 Mol. H2 0 ist eine sehr starke Base, wird durch NHS nicht
gefällt, treibt solches vielmehr aus seinen Verbindungen aus (Unterschied von
Ditamin). Es ist ziemlich leicht löslich in Wasser und Alkohol, frisch gefällt auch
in Aether und Chloroform, dagegen unlöslich in Benzol. Die Lösungen reagiren stark
alkalisch, das Anhydrid hingegen zeigt keine alkalische Reaction. Schmilzt unter Zer-
Ketzung bei 206°. Ist linksdrehend. Concentrirte Schwefelsäure löst es purpurroth.
Einige Autoren erklären Echitamin identisch mit Ditain. Nach Harnacx scheint
das MERCK'sche Ditain nur ein Halbfabrikat zu sein, aus dem das krystallisirte
Echitamin mit Vortheil dargestellt werden kann. Ganswindt.
Echite'fn, C4a H70 O,. Ein Bestandteil der Ditarinde. Findet sich in der alko-
holischen Mutterlauge von der Gewinnung des Echicerins (s. d.) und scheidet
sich theilweise mit diesem zugleich aus. Man löst zum Behufe der Trennung die
Krystalle in Aceton und lässt ganz langsam abdunsten ; zuerst schiessen Echicerin
und Echitin in Warzen an, dann erst das E c h i t e I n in leichten Nadeln, welche
man von den warzigen Krystallen durch Schlämmen scheidet und aus Alkohol um-
krystallisirt. Schmelzpunkt 195°. Löslich in 960 Th. Alkohol (SOprocentigem) bei
15°; leicht löslich in Aether und Chloroform, schwer in Aceton und Ligroin.
Rechtsdrehend, indifferent. Nach Hesse soll das Echiteln mit Lüdwig's Antiaretin
identisch sein. G ans wind t,
Echitenin, C20 HJ7 N04, findet sich neben Ditamin und Echitamin in der Dita-
rinde; über die Darstellung vergl. Echitamin; wenn das salzsaure Echitamin
beim Versetzen mit HCl ausfällt, bleibt das salzsaure Echitenin in Lösung. Diese
wird mit Kali gesättigt und mit Chloroform ausgeschüttelt. Das Echitenin bildet
eine braune amorphe Masse, welche bei 120° schmilzt und sich leicht in Alkohol,
weniger in Wasser, frisch gefällt in Aether und Chloroform, fast nicht in Ligroin
löst. Es reagirt alkalisch; seine Salze sind amorph. Ganswindt,
EchiteS. Gattung der nach ihr benannten Unterfamilie der Apocynaceae,
charakterisirt durch die doppelten Balgkapseln mit beschopften Samen.
Echites scholar t8 R. Br. (Alstoniu scholan'sR.Br.), ein Baum Hinter-
indiens und der ostasiatischen Inseln, ist die Stammpflanze der Ditarinde (s.
Bd. HI, pag. 511).
Echites pubescens Buchanan , ein in Ostindien heimisches Bäumchen,
gilt als Mutterpflanze der Co nessi rinde (s. Bd. III, pag. 249), die jedoch wahr-
scheinlicher von Wrightia stammt.
Echitin, C33 H42 0,. Ein Bestandteil der Ditarinde. Ueber die Gewinnung
s. d. Artikel Echicerin. Nach dem Entziehen des Echicerins aus dem Krystall-
geinisch mittelst Benzol nimmt man den Rückstand mit siedendem Alkohol auf,
ans welchem beim Erkalten das Echitin in Blättchen auskrystallisirt, welche bei
170° schmelzen, sich leicht in kochendem Alkohol, Chloroform, viel schwieriger in
Aether und Ligroin lösen (Unterschied von Echicerin) ; in kaltem Alkohol nur sehr
schwierig löslich (1 Th. braucht 1430 Th. 80procentigen Alkohol bei 15°). Rechts-
drehend, indifferent. Ganswindt.
Echium, eine Asperifoliaceen -Gattung, charakterisirt durch die trichterig-
glockige Blumenkrone mit schief fünflappigem Saume in dem röhrigen, fflnftheiligen
Kelch. Die Cnrolle besitzt keine Deckschuppen, die Staubkölbchen sind frei, oval.
Vier einfacherige Nüsse.
Echium vulgare L., Natterkopf, Ochsenzunge, ist ein ©, steif-
haariges Kraut mit spindelig-ästiger Wurzel, aufrechtem, oben ästigem Stengel mit
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ECH1UM. — ECHTE FARBEN.
5-S1
schmalen , ganzrandigen Blättern und gipfelständigen , einseitigen, beblätterten Iu-
florescenzen aus grossen, azurblauen (selten weissen oder rothen) Blütbeu, deren
Kronenröhre kürzer ist als der Kelch.
Es lieferte Radix und Herba Echii s. Buglossi agreMis s. Viperini, welche
jetzt völlig obsolet sind.
EchtchamoiS heisst eine auf Baumwollengeweben hergestellte, hellrostbraune,
aus Eisenoxyd bestehende Farbe. Sie wird dadurch hervorgerufen , dass man die
Stücke mit essigsaurem Eisenoxydul bedruckt und dann in einem warmen und
feuchten Raum, der sogenannten Echthänge, aufhängt. Darin bildet sich unlösliches
Btark basisches Eisenoxyd, während die Essigsäure entweicht. Endlich nimmt man
noch durch ein schwach alkalisches Bad (meist aufgeschlämmte Kreide) , um die
Abscheidung des Eisenoxyds vollständig zu machen.
Die Färbung ist vollkommen wasch- und lichteeht. Echtchamoisgefärbte Waare
wird beim Befeuchten mit gelbem Blutlaugensalz und Salzsäure blau , sie hinter-
lässt ferner beim Verbrennen eine stark eisenhaltige Asche. Benedikt.
Echt6 Farben. Man theilt die Zeugfarben je nach ihrer grösseren oder
geringeren Haltbarkeit auf den Stoffen, die damit gefärbt sind, in echte und
unechte ein. Es gibt keine absolut echten Farben, indem alle Farben unter
dem Einflüsse von Licht und feuchter Luft verblassen, doch geht dieser Process bei
den echtesten Farben nur sehr langsam vor sich, so dass die Abnahme der Inten-
sität der Färbung uuter günstigen Umständen erst nach Jahrzehnten merklich wird.
Von Stoffen, welche gewaschen werden sollen, verlangt man ferner, dass sie
an heisses Wasser und an kochende Seifenlösung keine merklichen Farbstoffmengen
abgeben.
Alle zur Anfertigung von Kleidungsstücken bestimmten Waaren sollen ferner
so weit säureecht sein , dass sie durch den Schweiss nicht verfärbt werden, also
widerstandsfähig gegen organische Säuren sind.
Die Prüfung der Stoffe auf ihre Echtfarbigkeit hat vor Allem Rücksicht auf
die Agentien zu nehmen, denen dieselben ihrer Beschaffenheit nach im Laufe
ihrer Verwendung ausgesetzt werden.
Seiden- und Schafwollen Stoffe wird man vornehmlich auf ihre Licht-
echtheit und auf das Verhalten gegen Wasser zu prüfen haben, während Baum-
wollen- oder Leinengewebe auch kochendes Seifen vertragen müssen.
Die Prüfungsmethoden auf Echtheit sind ausserordentlich einfach. Will man z. B.
untersuchen, ob eine Zeugprobe zugleich waschecht, säureecht und lichtecht sei,
so schneidet man ein Stück des Stoffes in vier Theile. Den einen kocht man mit
Seifenwasser und beobachtet, ob sich das Bad färbt. Ist dies der Fall, so ist die
Farbe nicht seifenecht. Da es vorkommt, dass nur beim ersten Seifen Farbe ab-
gegeben wird, dann aber noch ein genügend intensiver Ton übrigbleibt, so ist es
rathsam, dies Verfahren zu wiederholen. Das zweite Stückchen legt man einige
Minuten in circa fUnfprocentige Essigsäure ein, um sie auf ihre Säureechtheit zu
prüfen. Dann wäscht man die beiden Stückchen aus, trocknet sie und vergleicht
sie mit dem dritten Stückchen, welches man zu diesem Zwecke aufbewahrt hat.
Zeigen sich die drei Proben gleich gefärbt, so ist die Waare wasch- und säure-
echt. Den letzten Theil klemmt man zur Hälfte in ein Buch ein und legt dasselbe
einen Tag in die Sonne oder bei bewölktem Himmel 3 — 4 Tage an einen hellen
Ort. Dann sieht man nach, um wie viel die beleuchtete # Hälfte gegen die ein-
geklemmte, also nicht beleuchtete, abgeblasst ist. Eine Differenz ist fast immer
vorhanden, ist dieselbe nur gering, so kann der Stoff als lichteeht angesprochen
werden.
Man kann immer nur von echten und unechten Farben, aber nicht Farb-
stoffen sprechen, indem ein- und derselbe Farbstoff, je nach der Art seiner Be-
festigung, sehr verschieden echte Farben geben kann und auch die Natur der
Faser nicht ohne Einfluss auf die Echtheit der Farbe ist.
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582
ECHTE FARBEN. — ECTOl'IE.
So gibt Blauholz mit Kupfer- und Eisenbeizen weit echtere Farben als mit
Thonerde- und Zinkbeizen , Indigoblau bleicht auf Schafwolle weit rascher aas,
als auf Seide oder Baumwolle etc.
Je complicirter die Zusammensetzung einer Farbe ist, desto echter ist sie anter
sonst gleichen Bedingungen. So besteht das sehr echte „Türkischroth" aus einem
Farblack, in dessen Zusammensetzung Alizarin, Oxyfettsäure , Gerbsäuren, Thon-
erde, Zinnoxyd und Kalk eingegangen sind.
Sowohl die anorganischen als die Pflanzen- und Thierfarbstoffe und endlich auch
die Theerfarbstoffe liefern echte und unechte Farben.
Von den organischen Farbstoffen geben Alizarin , Nitroalizarin , Coeruletn,
Anilinschwarz und Indigo, ferner unter geeigneten Bedingungen Cochenille, Blau-
holz und Wau die echtesten Farben. Benedikt.
Echtgelb Oder Säuregelb ist ein Azofarbstoff, welcher aus amidoazobenzol-
disulfosaurem Natron besteht. Es wird durch Erhitzen von Amidoazobenzol mit
rauchender Schwefelsäure dargestellt. Seine Zusammensetzung entspricht der Formel
HSOs . C6 II, N = N . C8 H, . NIL . S03 H.
Es eignet sich in Folge seines rein gelben, nicht röthlichen Farbentones vor-
züglich zur Herstellung von Mischfarben und findet in der Wollen- und Seiden-
färberei ausgedehnte Verwendung.
Zur Erkennung des Echtgelb können folgende Reactionen dienen. Die gelbe
Lösung wird durch Salzsäure roth gefärbt, Ammoniak und Alkalien bewirken keine
Veränderung. Schwefelsäure löst mit gelber Farbe auf. Die ammoniakalische Lösung
wird durch Zinkstaub entfärbt, die Farbe stellt sich nach dem Filtriren an der
Luft wieder her. Benedikt.
Echtroth, RoCCeline, besteht aus dem Natronsalz der ß-Naphtol-Azonaph-
talinsulfosäure, HSO, . C,0 H„N = NC10 H0 . OH.
Seine Lösungen sind rothbraun gefärbt. In concentrirtcr Schwefelsäure löst es
sich mit violetter Farbe auf. Es dient zum Färben von Wolle und Seide.
Benedikt.
Eclampsie (sx und leuchten) nennt man acute Anfälle von der Epi-
lepsie ähnlichen Krämpfen. Besonders häufig treten sie als sogenannte „Fraisen"
bei Kindern auf und sind immer eine schwere Erkrankung. In Erwartung des
Arztes befreie man bei einem Anfalle das Kind von allen beengenden Kleidern,
lagere es horizontal mit tiefem Kopfe, gebe ein lauwarmes Bad (35°), in welchem
der Kopf kühl übergössen wird. Weiterhiu kann man ein Salz- oder Kssigklystier
verabfolgen und Amyluitrit athmen lassen.
Edegma (äas-jyj/.x, von ex/3t£<u, auslecken), bei Galen eine auf der
Zunge sich verflüssigende, besonders bei Husten gebrauchte Arzneiform ; meist als
Synonym von Lecksaft, Linctus, hier und da auch von Electuarium ge-
braucht. Th. Husemann.
Ecraseiir ist ein 1856 von Chassaigxac erfundenes, seither vielfach modi-
ficirtes Instrument, um lebende Gewebe ohne Blutung zu durchtrennen. Es besteht
im Principe aus einer Ketten- oder Drahtschlinge , durch deren allmälige Ver-
engerung der von der Schlinge umfasste Körpertheil abgeschnürt wird.
Ectasie (ixTeivw, ausdehnen) ist der allgemeine Ausdruck für krankhafte Er-
weiterungen und Ausdehnungen.
Ecthyma (ix und t>u<o, wflthen), Bezeichnung für verschiedene Formen von
pustulösen Hautausschlägen. — S. auch Impetigo.
Ectopie (ex und toto:, Ort) bedeutet eine angeborene oder krankhaft erworbene
Lageveränderun.r eines Organes.
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ECTROPIE. — EFFERYESCIREN.
583
EctrOpie (ex und Tpewu), wende) heisst jede Auswärtswendung eines Organe.
Ectropium inabesondere heisst die mehr oder weniger weit gediehene Umstülpung
des Lidrandes.
Ectl"0tica (»Tpwux , Fehlgeburt). Gleichbedeutend mit Abortiva, dient dieser
Ausdruck besonders zur Bezeichnung der ectrotischen Methode, Methodus ectrotica
oder Abortivcur (vergl. Bd. I, pag. 27). Th. Husemann.
Eczema (ex. und ^eu>, sieden) ist der volksthümlich als „nässende Flechte"
bezeichnete, verschieden gestaltige Hautausschlag. Das lästigste Symptom desselben
igt das Jucken. Eczeme entstehen aus localen Ursachen (mechanische, thermische
oder chemische Reize) oder in Folge allgemeiner Erkrankungen (BRiGHT'sche
Krankheit, Diabetes), häufig auch bei den periodisch wiederkehrenden Functionen
des weiblichen Geschlechtslebens, vielleicht auch in Folge psychischer Affecte.
Gewöhnlich sind sie auf einzelne Körpertheile beschränkt, selten universell , dem
Verlaufe nach acut oder chronisch. Gefährlich sind sie nicht, doch ist ihre Be-
handlung oft schwierig und langwierig.
Edelgarbe ist Herba Millefolii nobilis (Achillea nobilis L.). — Edelleberkrailt
ist Herba Hepaticae nobilis (Anemone Hepatica L.J. — Edelherzpulver, rothes,
schwarzes, weisses, und Edel herzt ropfen sind volksth. Bezeichnungen für die ver-
schiedenen Arten Kinderkrampfpulver, beziehungsweise Krampftropfen.
Edinburger Pflaster ist Emplastrum adhaesivum nigrum (s. d.).
Educt ein ans einem Rohstoff abgeschiedener Körper, der in jenem fertig
gebildet enthalten ist, z. B. Stärke in den Kartoffeln, Zucker in den Runkelrüben,
Benzol im Steinkohlentheer. Im Gegensatz hierzu Product, ein aus einem Roh-
stoff oder dessen Bestandtheilen durch chemische Einwirkung gebildeter neuer
Körper, z. B. Spiritus aus Kartoffeln, Anilin aus Steinkohlentheer.
EdulCOriren = Ausstissen, Auswaschen, s. d., Bd. II, pag. 50,52.
Effervesciren oder Aufbrausen, das Entweichen eines in einer Flüssig-
keit gelöst oder chemisch gebunden gewesenen Gases. Die in kohlensauren Mineral-
wässern, Champagner, unter Druck in Lösung befindliche Kohlensäure entweicht
nach Aufhören des Druckes unter Aufbrausen, die im frischen Trinkwasser gelöste
Luft und Kohlensäure entweichen bei Steigen der Temperatur, indem sich Gas-
blasen zum Theil an der Gefässwandung ansetzen. Die Entwickeln ng oder
Entbindung von Gasen, eine häufig ausgeführte Manipulation zur Gewinnung
derselben , geschieht ebenfalls unter Aufbrausen ; die Flüssigkeit wird durch die
grosse Menge des entweichenden Gases, das in Form kleiner Bläschen nach oben
steigt, weisslich getrübt; die an der Oberfläche der Flüssigkeit angelangten Gas-
bläschen zerplatzen dort, wobei immer ein Fortschleudern kleiner Theilchen der
Flüssigkeit stattfindet und das als Brausen bezeichnete Geräusch bemerkbar wird
und das Gas kann frei in die Atmosphäre diffundiren. Beim Zusammenkommen
von Säuren mit den Salzen der Kohlensäure (Brausepulver) , Schwefligsäure,
Salpetrigsäure, werden die eben genannten gasförmigen Säuren durch die stärkeren
Säuren (Salzsäure, Schwefelsäure, Essigsäure u. s. w.) aus ihrer Verbindung mit
den Basen frei gemacht und entweichen in die Luft; bei der Einwirkung von
Säuren auf gewisse Metalle und chemische Stoffe werden durch Zersetzung der
betreffenden Säuren oder in anderen Fällen des gegenwärtigen Wassers die be-
treffenden Gase frei gemacht oder gebildet (entwickelt), z. B. Salzsäure und Braun-
stein oder Kaüumbichromat — Chlor ; Salpetersäure uud Kupfer — Salpetrigsäure ;
concentrirte Schwefelsäure und Kupfer oder Kohle — Schwefligsäure ; verdünnte
Schwefelsäure und Zink oder Eisen — Wasserstoff ; verdünnte Schwefelsäure
und Schwefeleisen oder Schwefelcalcium — Schwefelwasserstoff. Ftlr die Ent-
wicklung von Gasen sind für den Gebrauch im Laboratorium und der Technik
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584
EFFERVESCIREN. — EI.
viele Apparate construirt worden. — Ueber diese s. Gasentwickel ungs-
apparate.
EffloreSCiren = Ausblühen, Bd. II, pag. 39.
EgelseUChe I. Distoma, Bd. III, pag. 510.
Ehmer. SlUCh Emmer ist eine bespelzte Weizenvarietät (TrUicum dicoc-
cum Schranhj, welche nicht in den Welthandel kommt.
Ehrenpreis ist Herha Veronicae.
Ehrlich's Reagens, eine Auflösung von 1.0g Sulfanilsäure, 15 cem Salzsäure
und 0.1g Natriumnitrit in einem Liter Wasser (die Flüssigkeit enthält aus der
Sulfanilsäure und der Salpetersäure gebildet Diazobenzolsulfosäure). Eine chloro-
formige Bilirubinlösung mit dem gleichen oder doppelten Volumen des EHRLiCH'schen
Reagens und mit Alkohol versetzt nimmt bald eine Rothfärbung an. Fügt man
tropfenweise concentrirte Salzsäure hinzu , so wird die Flüssigkeit zuerst violett,
dann blauviolett, schliesslich rein blau. Der in der Lösung vorhandene Farbstoff
gibt mit starken Alkalien grünblaue, in schwach saurer oder schwach alkalischer
Lösung rothe Färbungen. Wenn man in die stark saure blaue Lösung vorsichtig
Kalilauge fliesseu läast, so entsteht eine chromatische Dreischichtung derart, dass
ein schmaler rother Ring die untere grünblaue Schicht von der oberen rein blauen
trennt. Zum Nachweis von Bilirubin im Harn wird letzterer zunächst mit einem
gleichen Volumen Acidum aceticum dilutum versetzt und tropfenweise Ehrlich's
Reagens zugegeben : tritt hierbei eine Verdunkelung ein, so ruft ein weiterer Zu-
satz von Essigsäure die für Bilirubin charakteristische Violettfärbung hervor. Durch
Zusatz von Kochsalz zu der violetten, stark salzsauren Flüssigkeit läast sich der
entstandene Farbstoff ausscheiden , der in verschiedenen Lösungsmitteln mit den
ihnen zukommenden charakteristischen Färbungen löslich ist.
Ei (ovum), der weibliche Zeugungsstoff der Thiere, welcher sich unter gewissen
Einflüssen und Verhältnissen zu einem neuen Organismus entwickelt. Die ursprüng-
liche Eizelle, wie sie bei allen höheren Thiereu im Eierstock entsteht, läast nur
Kern und Protoplasma unterscheiden. Bei fortschreitender Entwickelung treten im
letzteren Körnchen auf, die sich immer mehr vermehren und schliesslich den Dotter
darstellen, um welchen herum sich häufig noch eine besondere Schichte, die Dotter-
haut, bildet. Der Kern wächst später zum Keimbläschen aus und in ihm entwickeln
sich die Keimflecke. Bei vielen Fischen, Reptilien und Vögeln
scheidet sich um dieses herum der weissliche Bildungsdotter
„Hahnentritt" vom gelblichen Nahrungsdotter; überdies um-
kleidet sich das Ei der Vögel (Dotterkugel) auf seiner Wan-
derung durch den Eileiter schichtenweise mit Eiweiss und mit
einer porösen Kalkschale, die im Innern mit der dünnen,
milchweissen Schalenhaut ausgekleidet ist. Auch bei den
Reptilien findet man eine derartige kalkige oder weichhäutige
Schale, wogegen bei manchen Amphibien eine eiweissähnliche
Substanz abgesondert wird, welche die Eier sowohl einzeln
umhüllt, als auch sie unter einander verbindet und im Wasser
mächtig aufquellend, eine gallertartige Beschaffenheit aunimmt fflver^rhu*»ertTh"
(Froschlaich). Die Eier der Fische sind sehr verschieden und
treten entweder kugelförmig als Laich auf (Häring) oder sind sehr gross und von
einer hornigeu Schale umschlossen. Während die Eier dieser Thiergruppen sehr bald
frei werden, gelangt das relativ sehr kleine Ei der Saugethiere (0.25 mm) zu seiner
weiteren Entwickelung in die Gebärmutter, in welcher der sich bildende Embryo durch
das Blut der Mutter ernährt wird. Die Zeit der Eireife (Ovulation) tritt erst dann
ein, wenn das Thier ein gewisses Alter erreicht und Wachsthuin und Entwickeiang
vollendet hat, uud zwar bei vielen Thieren nur einmal im Leben, bei anderen hingegen
mehrmals und in gewissen Perioden (Menstruation). Manchmal ist eine grössere
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EI. — EICHELN.
5*5
Anzahl von Eiern in schützende Substanzen von Tranben-, Schnur- oder Bandform
oder gruppenweise in eine feste Kapsel der verschiedensten Form eingeschlossen;
anderemale bringen sie die Thiere selbst an geschützte Orte (Ameisen, Phylloxera)
oder bedecken sie (Coccus) oder tragen sie in Trauben- oder Schnurform oder in
kugeligen Säcken mit sich herum (Alytes, Spinnen). Auch die Zahl der Eier ist sehr
verschieden und erreicht bei Fischen, Mollusken und Würmern Hunderttausende.
Die Entwiekelung des Eies erfolgt in der Regel erst nach vorheriger Befruchtung,
das ist durch den Contact mit den Samenfäden, die entweder die Dotterhaut durch-
bohren oder durch besondere Oeffnungen oder Canfile, die Mikropylen, eindringen.
Doch findet die Befruchtung nicht immer während, sondern meist nach der Begattung
statt, indem innerhalb der weiblichen Geschlechtsorgane die Zoospermien ihre Lebens-
energie tage- und monatelang beibehalten (Bienenkönigin). v. Dalla Torre.
Bei den Pflanzen pflegt man als Eichen die Samenknospen (ovula) zu be-
zeichnen, aus denen sich die Samen (s. d.) entwickeln.
Ei im engeren Sinne ist die Eizelle des Embryosackes der Angiospermen, aus
der nach Befruchtung durch den Pollenschlauch der Embryo entsteht. Die Be-
fruchtung selbst findet nicht direct an der Eizelle statt, vielmehr legt sich der
Pollenschlauch an die über der Eizelle angeordneten sogenannten Gehilfinnen oder
Synergiden an, welche alsdann den befruchtenden Stoff an die darunter liegende
Eizelle auf osmotischem Wege oder direct (?) übertragen. Bis zur Befruchtung
ist das Ei einzellig und nackt, nach derselben treten in ihm aber bald sehr lebhafte
Theilungen ein, die zur Bildung des Embryos führen. Denselben geht die Ent-
stehung einer Membran um die nackte Eizelle voraus. Tschirch.
Literatur: H.Ludwig, Die Eibildung im Thierreich. Würzburg 1874 — H. Ch. Basti an,
Evolution and the origin of lifo. London 1875. — Celakovsky iu Flora 1874; Botan.
Zeitg. 1875 u. 1877. — Warming. Ebenda 1874.
Eibenblätter sind FoUa Taxi.
EibiSCh ist Altham.
Eichelcacao ist ein Gemisch von Cacaopulver mit geröstetem Weizenmehl
und Eichelextract. Für seine Werthbestimmung ist massgebend (Tschirch, Pharm.
Ztg. 1887, pag. 101):
1. Thunlichste Abwesenheit von Cacaoschalen. (Auch die besten
Cacaomehle des Haudels enthalten Spuren von Schalenbestandtheilen.)
2. Aufschliessung des Cacaomehle s. Soll nicht aufgeschlossen sein.
3. Entfettung des Cacaomehles. Der Eichelcacao soll nicht über
14 Procent Fett enthalten.
4. Menge des Eichelextractes. Soll etwa 2 Procent Eichengerbsäure
entsprechen.
5. Beschaffenheit und Menge des zugesetzten Weizenmehles.
Es soll kleiefrei und gut geröstet sein und weniger als ein Drittel der Gesammt-
menge betragen.
6. Feinheitsgrad und Mischung. Soll so feinkörnig und gut vermählen
sein, dass weder hellere, noch dunklere Körner in demselben mit freiem Auge zu
unterscheiden sind.
7. Fremdartige Zusätze, wie uugeröstetes Mehl, andere Stärkemehle,
Zimmt u. a. m. sollen fehlen.
Eichelkaffee heissen die wie Kaffee gerösteten und in ein grobes Pulver
verwandelten Eicheln.
Eicheln, s emen Queren*, Cotyledones Queren», Glands de
ebene, Oak seeds, sind die Früchte, beziehungsweise Samen der Eichenarteu,
von welchen für uns die in Europa fast Uberall vorkommende Querctts Robur L.
mit ihren auch als selbständige Arten aufgeführten Varietäten (peduneulata Ehrh.,
sestriliflora Sin., pubescem Wtlld.) allein in Betracht kommt.
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580
EICHELN.
Fig. 99.
Fruchtschale der Eichel.
. ' Querschnitt mit der Oberhaut - / . der Steinzellenschi^ht
&t und einem Theil der Parenchymschicht p. — V Die
Oberhaut in der Flächenansicht. — C Daa Schwaxum-
parenchym. Vergr. 160.
Die Eichel ist eine aus dem ursprünglich dreifacherigen und sechssamigen Frucht-
knoten durch Fehlschlagen einfächerige und einsamige Nuss, welche in einer napf-
förmigen „Cupula" sitzt. Ihre Form und Grösse ist sehr verschieden, im Allge-
meinen jedoch sind die Eicheln
länglich-eiförmig, 2 — 3 cm lang
und etwa halb so dick. Die
Schale ist glatt, mit Ausnahme
des wie bestäubten Scheitels
glänzend gelbbraun, dünn, zer-
brechlich. Sie umschlieBSt ziem-
lich knapp die beiden plancon-
vexen derbfleischigen, im trocke-
nen Zustande harten und sprö-
den, bräunlichen, aussen ge-
furchten Cotyledonen mit dem
kleinen Embryo.
Die Fruchtschale be-
steht aus einer äusseren, 0.2 mm
dicken Steinzellenschicht , an
welche sich eine schwammige,
r<»thbraune Parenchymschicht
von etwa 0.5 mm Mächtigkeit
anschliesst. Die Oberhaut (Fig.
99, A ep und B) ist aus kubi-
schen, besonders an der Aussen-
seite stark verdickten Zeilen
dicht gefügt. Ihr charakteri-
stisches Kennzeichen in der Flächenansicht ist die regelmässig reihenweise
Anordnung der Zellen (Fig. B). In der Steinschicht sind die äusseren Zellen-
lagen palissadenartig, die inneren tangential gelagert. Sie sind in Wasser klein
(0.05 mm), farblos, ihre Verdickung ist sehr beträchtlich, von Porencanälen durch-
zogen. Das P arenehym ist in den tieferen Schichten ein Sch wammparen-
chym mit ungewöhnlich derb-
waudigen (0.004 mm), porösen,
intensiv gebräunten Zellen (Fig.
99, Gl Die Keimlappen
bestehen aus einem gleicharti
gen Parenehym ziemlich grosser
(0.1mm Diain.), dünnwandiger
(gedoppelt 0.003 mm), gerun-
det polygonaler Zellen mit sehr
kleinen Intercellularen in den
Kanten i'Fig. 100, E). Sie sind
dicht erfüllt mit Stärkekörnchen
von höchst unrcgelmässig knol-
lig-länglicher oder -rundlicher
Gestalt, meist 0.015 — 0.002,
selten bis 0.05 mm gross, un-
deutlich geschichtet um einen grossen Kern oder eine längliche
Einfache Körner sind in der Mehrzahl, doch finden sich auch zahlreiche zusammen-
gesetzte der verschiedensten Art. Spärliche zarte Gefässbüudel mit kleinen Spiroiden
(Fig. 1 00, sp) durchziehen die Cotyledonen. Ihre Oberhaut ist aus kleinen (0.025 mm)
polygonalen, derbwandigen Plattenzellen dicht gefügt (Fig. 100, ep).
Die Eichelsamen enthalten 38 Procent Stärke, 7 — 9 Procent Gerbstoff, fettes Oel,
nicht krystallisirenden Zucker und mannitähnlichen Zucker (Quercit), Citronensäure
und Spuren eines ätherischen Oeles. Die Asche ist reich an Kali und Phosphaten.
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- V
rä&. @% *
Aus dem Cotyledon der Eichel.
£' Endosperm mit Spiroiden >p und Amvlum *t ; ep Ober-
haut. Vergr. 800.
EICHELN. — EICH K N PH LO B APHEN.
587
Zum medicinischen Gebrauche (Ph. Austr., Hung., Germ. I., Russ., Gall., Belg.,
Dan., Suec.) werden die reifen Eicheln getrocknet und die hierauf ausgelösten
Cotyledonen geröstet. Dadurch verwandelt sich die Starke theilweise in Dextrin.
Beim Trocknen verlieren die Eicheln fast die Hälfte ihres Gewichtes, durch das
Rösten werden die Cotyledonen um 20—25 Procent leichter, zugleich voluminöser.
Man benutzt diesen sogenannten Eichelkaffee (Semen Querem tostum s.
Glandes Quercus tostae) als leicht verdauliches Nährmittel und nimmt 4 — 8 g
auf die Tasse.
Der im Handel gepulvert vorkommende Eichelkaffee besteht häufig nicht, wie
er sollte, blos aus den Keimlappen, sondern enthalt die Fruchtschalen mit ver-
mählen. Mit Hilfe des Mikroskopes verrflth sich diese Fälschung auf den ersten
Blick. J.Mo eil er.
Eichenbitter, q u er ein. Der in der Eichenrinde vorkommende Bitterstoff in
Form kleiner, in H« 0 leicht löslicher Krystalle. Mau gewinnt ihn , indem man
die Eichenrinde mit Kalkmilch auskocht, heiss filtrirt, das Filtrat mit Kalium-
carbonat versetzt, nochmals filtrirt, eindampft und den Rückstand mit Alkohol von
80 Procent behandelt. Ganswindt.
Eichengallen, s. Gallen. — Eichenlungenkraut ist Liehen pulmonarius
(Sticta pulmonncea Ach.). — Eichenmistel ist Loranthus europaeus L., falsch-
lich oft Viscum album L.
Eichengerbsäure, CI7HI6 09, wurde lange Zeit hindurch mit der Galläpfel-
gerbsäure identificirt ; heute betrachtet man sie als eine davon verschiedene Säure.
Doch gehen auch heute noch die Meinungen über die Eichengerbsäure nicht unwesent-
lich auseinander ; während verschiedene Autoren sie als Glukosid ansehen, behaupten
Eni und Löwe, dass sie kein Glukosid sei. Auch hinsichtlich der Formel besteht
noch keine absolute Klarheit; Böttjxger stellt z. B. die Formel CS0H3SO12 auf.
Die Eichengerbsäure findet sich iu der Eichenrinde neben Ellagsäure, Gallussäure
und Eichenroth. Die Darstellung ist daher in Folge der Trennung complicirt. Als
Rohmaterial zur Darstellung verwendet man wohl am besten Eichenlohe, welche
man durch Aether von der Gallussäure befreit, und dann mit Alkohol erschöpft.
Man verdampft den Alkohol, behandelt den Rückstand zuerst mit Aether, dann
mit Wasser. Die Gerbsäure geht in Lösung, das Eichenphlobaphen bleibt ungelöst.
Oder: man erschöpft zerkleinerte Eichenrinde mit 90proc. Alkohol, verdampft
den alkoholischen Auszug zum Syrup und vermischt diesen mit dem lOfachen
Volumen Wasser. Dadurch wird das Eichenroth gefällt; durch Zusatz von JsaCl
fallen weitere Mengen Eichenroth, man filtrirt dann und entzieht dem Filtrat durch
Schütteln mit Aether Gallussäure und nach deren völliger Entfernung durch Essig-
äther die Eichengerbsäure.
Sie bildet ein röth lieh weisses Pulver, welches in kaltem Wasser schwer löslich,
leicht in verdünntem Alkohol, schwieriger in Essigäther, gar nicht in Aether
löslich ist. Sie geht beim Erhitzen auf 130° iu ihr Anhydrid über. Beim Kochen
mit verdünnten Säuren zerfällt sie in Zucker und Eichenroth, lieber die Zer-
setzungsproduete der Eichengerbsäure herrscht noch keine völlige Klarheit. So soll
sich nach Etti der Zucker als Lävulin in der Eichenrinde vorfinden und also
keinen Bestandteil der Eichengerbsäure repräsentiren. Die Ansicht, dass die
Eichengerbsäurc kein Glukosid sei, wird auch noch durch den Umstand bestätigt,
dass sie beim Erhitzen im geschlossenen Rohr keine Phenole und keine andere
Säure als Gallussäure liefert. Man betrachtet heute die Eichengerbsäure als das
Anhydrid einer Gallussäure , in der noch 3 Hydroxylwasserstoffe durch Methyl
ersetzt sind. Ganswindt.
Eichenphlobaphen, CltHluO, + \3H20, Eichenroth. Findet sich in der
Eichenrinde; ob präformirt oder erst als Zersetzungsproduct der Eichengerbsäure,
ist noch unentschieden, von einzelnen wird es auch als das Anhydrid der Eichen-
gerbsäure betrachtet. Ueber seine Darstellung vergl. Eichengerbsäure. Das
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588 EICHENPHLOBAPHEN. — EIER.
Eichen phlobapheu bildet ein rothbraunes Pulver, in völlig reinem Zustande ist es
in heissem Wasser unlöslich, ebenso in kaltem Alkohol, Aether, siedendem Benzol,
in Essigsäure, verdünnten Mineralsäuren; leicht löslich in verdünnter Eichengerb-
säurelösung und in Alkalien mit rothbrauner Farbe. Die leichte Löslichkeit in
Eichengerbsäurelösung macht die Trennung der Säure vom Phlobapheu sehr
schwierig. Die Lösung gibt mit Eisenchlorid eine tief schwarzblaue Färbung.
Oxydationsmittel oxydiren es vollauf in C()a and Ha 0. Schmelzendes Kali gibt
damit Protokatechusäure, Essigsäure und Phloroglucin. Ganswind t.
Eichenroth ist identisch mit Eichenphlobaphen.
Eidotter ( Vüellum ovi, Eigelb), ein Bestandtheil der Vogeleier, welche über-
dies auB der Schale und dem Eiweiss bestehen. Er stellt ein zähes kaum durch-
scheinendes Liquidum von gelber bis gelbrother Färbung und mildem Geschmack
dar, reagirt alkalisch und bildet mit Wasser eine weisse eraulsive Flüssigkeit. Der
Eidotter enthält an Formelementen eingelagert ausser dem Keimbläschen noch
Dotterkügelchen, feine Körnchen und Fetttropfen: an chemischen Bestandtheilen
wurden darin gefunden: Wasser 51.8 Procent, Vitellin, ein zu den Globulinen
(s.d.) zählender eigentümlicher Eiweisskörper, 15.8 Procent, Nucleiu , die phos-
phorhaltige Substanz der Zellkerne, 1.5 Procent, Fett (Palmitin, Stearin und Olein)
23.2 Procent, Cholesterin 0.4 Procent, Lecithin 8.4 Procent, Farbstoff 015 Procent,
Traubenzucker in Spuren , Salze 1 .0 Procent. Im Vergleiche mit dem Eiweiss,
welches neben hohem Gehalt an Wasser fast ausschliesslich aus Eiweissstoffen
besteht, finden wir im Eidotter hauptsächlich das Fett abgelagert; einen wichtigen
Bestandtheil desselben bildet das auch in der Gehirnsubstanz ebenfalls vorkom-
mende Lecithin, als dessen Spaltungsproduct wir die Glycerinphosphorsäure kennen.
In Bezug auf den Gehalt an Aschen bestandtheilen enthält der Eidotter vom Hahn
circa 5mal so viel Kalk, 3mal so viel Eisenoxyd und 15mal so viel Phosphor-
säure als das Hühnereiweiss, hingegen ist dieses reicher an Kalium- und Natrium-
chlorid, lieber den eigenthümlichen Farbstoff des Eidotters s. Lutein.
Schüttelt man die Dottermasse in einer Flasche mit Aether, so nimmt dieser
Fett, Cholesterin, Lecithin und Lutein auf, es bleibt ein farbloser, milchiger
Rückstand. Behandelt man diesen mit einer Mischung von 1 Volumen concentrirter
Kochsalzlösung und 2 Volumina Wasser und filtrirt , so erhält man ein schwach
opalisirendes Filtrat, das, in viel Wasser getropft, einen weissen reichlichen
Niederschlag liefert , welcher im Wesentlichen aus dem eigenthümlichen Eiweiss-
körper des Dotters, dem Vitellin, besteht, jedoch auch Lecithin und Nuclein bei-
gemengt enthält. Loebiscb.
Eier. Als Nahrungsmittel können die Eier sämmtlicher Vögel genossen werden,
bei uns nehmen jedoch den ersten Rang die Hühnereier ein, ferner die der Enteu
und Gänse. Die Eier der Kibitze gelten als besouders wohlschmeckend, die PoUr-
völker essen die Eier von Möven, die Neger und Kaffern verspeisen die Straussen-
eier. Am Amazonenstrom geniesst man auch die Eier von Amphibien Kaiman i
und die der Schildkröten. Auch die Eier vieler Fische werden verspeist. Der
Rogen des Lachses und Kabeljaus wird in getrocknetem Zustande verbraucht,
während der Rogen des Störes und verwandter Fische gesalzen als C a v i a r (a. d.)
verzehrt wird. Die chemische Zusammensetzung der Eier aller Vögel ist wesentlich
die gleiche. Man unterscheidet drei verschiedene Theile derselben, die Schalen,
das Eiereiweiss (s.d.) und den Eidotter (s.d.) Das Gewichtsverhältniss
dieser drei Bestandteile ist beim Hühnerei im Mittel folgendes: Von einem 50g
schweren Ei beträgt das Gewicht der Schalen 7.0, das des Eiweiss 27.0, das
vom Eigelb 16.0 g, demnach enthält das Ei procentisch: Schälen 14 Proeent,
Eiweiss 54.0 Procent und Eigelb 32.0 Procent. Die Schalen der Eier enthalten
(nach König) kohlensauren Kalk 89 — 07 Procent, kohlensaure Magnesia 0.2 Procent,
Calcium und Magnesiumphosphat 0.5—5 Procent und 2—5 Procent organische
Substanz. Die Zusammensetzung des Eiereiweiss und Eidotter s. d. : da
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EIER. — EIERCONSERVATJON.
589
der Nährwerth des Eies von den in diesen beiden Bestandteilen vorkommenden
Nährstoffen abhängt, so führen wir an dieser Stelle den procentischen Gehalt der
Nährstoffe des Hühnereies im Eiweiss + Eigelb an : Es enthält dasselbe 73.67 Procent
Wasser, 12.55 Procent Eiweissstoffe, 12.11 Procent Fett, 0.55 Kohlehydrate und
1.12 Procent Salze. Demnach enthält ein ganzes Ei von 50 — 55 g Gewicht etwas
weniger als 1 g Stickstoff, so dass ein erwachsener Mensch 18 — 20 Eier im Tag ver-
zehren mtisste , wenn er seinen Stickstoffbedarf mit Eiern allein decken wollte 5
um jedoch auch dem Bedarf des Körpers an Kohlenstoff zu gentigen, müssten
mindestens 43 Stück Eier täglich genossen werden. Die Eier sind eine sehr beliebte
Nahrung für Reconvalescenten, hierbei kommt die Verdaulichkeit der Eier je nach
ihrer Zubereitung in Frage. Rohe Eier hält man für leichter verdaulich, als die
geronnenen (halbgesottenen) und die hartgekochten Eier; experimentell ist dieser
Unterschied der Verdaulichkeit noch nicht festgestellt, und hartgesottene Eier, wenn
sie durch Zerreiben fein vertheilt sind, dürften ebenfalls leicht verdaulieh sein, es
kommt eben darauf an , dass die zu verdauende Substanz in möglichst feiner
Vertheilung der Einwirkung des Magensaftes ausgesetzt werde. Auch das rohe
Ei soll angeblich durch tüchtiges Quirlen — wobei die Membranen, welche das
Eiereiweiss eingeschlossen halten, zerrissen werden — noch mehr verdaulich
werden, so dass es bei manchen schweren Magenkrankheiten die einzige Speise
darstellt, die halbwegs vertragen wird. Loe bisch.
Eieralbumin, ein zur Gruppe der Albumine (s. Bd. I, pag. 104) gehören-
der Eiweisskörper, welcher den Hauptbestandteil des Eiweiss der Vogeleier bildet.
Es ist daselbst in einem Fächerwerk von zarten Membranen eingeschlossen in
Form einer concentrirten Lösung enthalten. Zur Darstellung wird das Eiweiss des
frischen Eies mit der Scheere zerschnitten, ein gleiches Volum Wasser hinzugefügt
und filtrirt. Die Lösung wird an der Luft bald bräunlich ; man erhält das Eieralbumin,
indem man in dieselbe gepulvertes Magnesiumsulfat bei 20° bis zur Sättigung einträgt,
den Niederschlag mit einer bei dieser Temperatur gesättigten Lösung von Magnesium-
gui fat wäscht, hierauf die filtrirtc Flüssigkeit bei 20° mit Natriumsulfat sättigt,
den entstandenen Niederschlag auspresst, mehrmals in Wasser löst und durch
Sättigen mit Natriumsulfat fallt, schliesslich werden die Salze durch Diffusion
entfernt und die möglichst salzfreie Lösung bei 40 — 45° getrocknet. Das so
gereinigte Eieralbumin hat nach Hammarsten die Zusammensetzung C 52.25,
H 6.9, N 15.25, S 1.93, 0 23.67 in 100 Theilen. Die spec. Drehung wurde von
8tarke (a) D = — 37.79 gefunden. Die wässerigen Lösungen des Eieralbumins
werden durch Schütteln mit Aether allraälig gefällt, das Coagulum wird durch
rauchende Salzsäure schwer gelöst, wobei es in Acidalbumin (s.d.) übergeht.
Auch durch Alkohol wird es als coagulirtes Eiweiss gefällt. In starker Salpeter-
säure löst sich das Eieralbumin schwieriger als Serumalbin. Loe bis eh.
Eieralbumin, tro ckenes, s. Bd. I, pag. 195.
EierCOnServation. Da der nährende Theil der Vogeleier — welche ala
Nahrungsmittel hauptsächlich in Betracht kommen — sich in einer schwer durch-
dringlichen Schale befindet, so unterliegen die Eier der Verderbniss im Allgemeinen
nicht so rasch wie die sonstigen animalischen Nahrungsmittel. Jedoch verlieren
sie trotz der Schale täglich 20 — 40 mg Wasser durch Verdunsten und der am
oberen Ende des Eies befindliche Luftraum (s. Eierprüfung) füllt sich mit
von aussen eindringender atmosphärischer Luft, welche Pilzkeime mit sich führt,
die das Faulen des Eies einzuleiten im Stande sind. Durch die Fäulniss wird das
Eiweiss des Eies zersetzt, überdies auch das Lecithin, es entwickeln sich Schwefel-
wasserstoffgas, übelriechende Derivate der Fettsäuren, Fäulnissbasen etc., das Ei
wird ungeniessbar und gesundheitsschädlich. Demnach wird die Conservation der
Eier erreicht, wenn der durch die Poren der Schale stattfindende Luftzutritt zum
Inhalt des Eies möglichst vollständig verhindert wird. Dies wird auf mannigfache
Weise mehr oder weniger vollständig erreicht. Man hüllt die Eier in Kalk, Lehm, in
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EIERCONSE R V A T ION. — EIERFARBEN.
Asche, Sägespäne, Spreu u. Aehnl. ein, oder man überzieht die Eierschalen direct
mit einer möglichst luftdichten Masse.
Das Einlegen in Kalk wird häufig angewendet, jedoch das Eiweiss der auf
diese Art eonservirten Eier verliert seine zähflüssige Beschaffenheit und lässt sich
daher nicht zu dem in der Rüche oft nöthigen Schaum schlagen, auch springen
die Schalen gern in kochendem Wasser. Ein ähnliches Verfahren ist das Einlegen
der Eier in Kalkwasser und Aufbewahren des Behälters an einem dunkeln Ort,
doch bat dasselbe die gleichen Nachtheile, wie das frühere, die Schale wird über-
dies leicht brüchig uud es gehen beim Herausnehmen viele Eier verloren. Durch
Einlegen der Eier in Asche oder in Sägespäne gelingt es ebenfalls , dieselben
für einige Zeit lang zu conserviren, doch trocknen die Eier dabei ein und
halten sich dann nicht lange. Ein erprobtes Mittel ist auch das Einreiben der
Eier mit feingepulvertem Kochsabs und nachheriges Liegenlassen in Salzwasser
während drei Stunden. In der Weise behandelte Eier behalten ihren Wohlgeschmack ;
auch das Einlegen derselben in 5procentige Lösung von Salicylsäure hat sich
bewährt. Die besten Resultate liefert jedoch das Ueberzieheu der Eier mit einem
luftdichten Verschluss. Als einfachstes Verfahren dieser Art gilt das Einhüllen der-
selben in einen dünnen Lehmbrei , welchen man dann trocknen lässt. Sehr ver-
lässlich ist das Ueberziehen der Eier mit einer Decke von geschmolzenem Paraffin,
oder von Leim und nachheriges Trocknen. Auch Eintauchen in Gummiwasser
und nachheriges Rollen in Gypsmebl . ferner Ueberziehen mit Wasserglas wurde
zu gleichem Zwecke mit Erfolg angewendet. Artmann empfiehlt, die Eier mit einer
Lösung von 10 Th. weissem Pech in 50 Th. siedendem Baumöl zu tränken und
dann mit Asche zu bestreuen. Die so behandelten Eier werden dann in ihrer
natürlichen Lage oder mit dem stumpfen Ende nach obeu, ohne jegliche Unter-
lage in Töpfe, Kästen u. s. w. gelegt, welche in trockenen, kühlen, jedoch frost-
freien Räumen aufbewahrt werden sollen. Am haltbarsten sind die Frühsommereier,
auch müssen zur Conservation so weit als möglich die hartschaligen ausgesucht
werden. Nur iu Kürze sei noch bemerkt, dass die Eier auch einer spontanen
Vcrderbni8s unterliegen durch Schimmelpilze und Spaltpilze, welche dem Eiweiss
im Eileiter beigemengt werden durch Krankheiten der Henne und auch durch den
Begattungsact beigemengt werden könneu; gegen diese Art des Verderbens der
Eier schützt natürlich keine Art der Conserviruug. Loebisch.
EierCOnservet). Es kommen unter dieser Bezeichnung mehrere Präparate in
den Handel, welche entweder das Eigelb allein oder das Eiweiss oder den ganzen
Inhalt des Eies in Pulverform enthalten. Die Darstelluugsweise dieser Conserven
wird bis uuu noch geheim gehalten, jedoch ist leicht zu erratheo, dass sie durch Ab-
dampfen des Eiinhaltes oder der einzelnen Bestandteile im Vacuumapparat bei
niederer Temperatur und nachheriges Pulvern der getrockneten Masse dargestellt
werden. Da die Fabrikation des trockenen Eieralb umius (s. Bd. I, pag. 195) sich
nur dann rentirt, wenn gleichzeitig der Absatz für die Eidotter gesichert ist, so ;st
der Fabrikant häufig gezwungen, letztere zu Conserven zn verarbeiten. Loebisch.
EiereiweiSS, das Weisse der Vogeleier , ist der eiweissreichere Theil des
Inhaltes der Vogeleier, welches sich vom Eidotter (s.d.) mechanisch leicht
trennen lässt, und besteht auB der concentrirten Lösung von Eieralbumin, welche
nebst Fetten, Traubenzucker, Extractivstoffen und anorganischen Salzen in einer
feinen , tcxturlosen , mit zahlreichen Querfäden ausgestatteten Membranhülle ein-
geschlossen ist. An chemischen Bestaudtheilen enthält das Eiweiss des Hühnereies :
Wasser 85.75 Procent, Stiekstoßsubstanz 12.67 Procent, Fett (Palmitin, Olein}
0.25 Procent, Spuren von Traubenzucker, Salze 0.59 Procent. — S. auch Eier
und Eidotter. Loebisch.
Eierfarben. Di« zum Färben der Eier verwendeten Farbstoffe dürfen nicht
giftig sein, da häufig auch die äussere Schichte des Eiweisses mitgefärbt wird.
Vielfach verwendet man zum Eierfarben unschuldige Pflanzenfarbstoffe , nnd iwar
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EIERFARBEN. — EIERPRÜFL'NG.
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für Schwarz: Campecheholz; für Roth: Fernamhukholz, unter Zusatz von etwas
Alaun und Weinstein; für Gelb: Zwiebelschalen oder Gelbholz unter Zusatz von
etwas Soda, oder Gelbbeeren unter Zusatz von Alaun ; für Grün : Gelbholz und Indigo-
carmin. Die Eier werden in Wasser , dem diese Substanzen zugesetzt sind , ge-
kocht Marmorirte Färbung der Eier erzielt man, wenn man die Eier mit Gummi-
schleim bestreicht, mit einem Gemisch von klein geschnittenen oder gestossenen
Malvenblüthen , Cnrcumawurzel , Cochenille bestreut und darin einwickelt, in ein
Stück Gaze einbindet und in Wasser kocht. Schönere und lebhaftere Färbungen
erzielt man mit Theerfarbstoffen, die zu diesem Zwecke vorbereitet, mit etwa nöthig
werdenden Beizen bereits vermischt in den Handel gebracht werden. Besonders
bei diesen ist darauf zu achten, dass sie nicht arsenhaltig sind und weder Pikrin-
säure, noch giftige Azofarbstoffe enthalten.
EierÖl, Oleum OVOriim. Das Eieröl wird durch Auspressen des Dotters
gekochter Eier bei gelinder Wärme oder durch Extraction mit Petroleumäther
gewonnen. Die Extraction mit Aethyläther vorzunehmen, ist weniger vortheilhaft,
weil derselbe noch andere, schleimige Substanzen aus dem Eidotter aufnimmt, von
denen das Oel erst durch Erhitzen und Abfiltriren getrennt werden muss. Der
Fettgehalt des Eidotters beträgt ca. 20—24 Procent.
Das Eieröl ist bei gewöhnlicher Temperatur dickflüssig und setzt in der Kälte
Stearin ab. Es besteht aus TrioleTn, Palnütin und Stearin, enthält Spuren von Cho-
lesterin und zwei Farbstoffe, LuteYne, denen es seine schöne gelbe Färbung verdankt.
Nach Schaedler wird es im Grossen als Nebeuproduct der Albuminfabrikation
gewonnen und bildet ein ausgezeichnetes Material für die Sämischgerberei. Auch
in der Pharmacie und zur Erzeugung von Toiletteseifen hat es eine beschränkte
Anwendung gefunden. Benedikt.
Eierprüfung. Da eine Verfälschung des Eierinhaltes nicht möglich ist, die
Güte desselben aber hauptsächlich davon abhängt, dass das Ei frisch ist, so ist
die Prüfung des Eies dahin gerichtet, zu constatiren, ob das Ei frisch ist oder
verdorben und bebrütet. (Nur die Chinesen gemessen Eier, welche bereits halb-
ausgebrütete Junge enthalten, als Delicatesse.) Frische Eier sind bis gegen die
Mitte hin transparent, bei bebrüteten Eiern ist dies nicht der Fall. Aeltere Eier
sind am oberen dicken Theil des Eies wegen des daselbst befindlichen Luftraumes
stärker durchscheinend. Es hat nämlich die Schalenhaut der Eier zwei Blätter,
zwischen diesen bildet sich bei längerem Aufbewahren der Eier in Folge von
Wasserverdunstung ein mit Luft erfüllter Hohlraum. Demgemäss haben frisch gelegte
Eier noch keinen Luftraum, dieser entsteht erst später und vergrössert sich, je
älter das Ei wird, und es bieten das Vorhandensein und die Grösse des Luft-
raumes Anhaltspunkte für die Beurtheilung , ob ein Ei frisch und wie alt es ist.
Zur Prüfung der Transparenz des Eies dienen eigene Instrumente , die soge-
nannten Eierprüfer, Eierspiegel, Ovoskope. Dieselben beruhen darauf,
dass man nur die durch das Ei hindurch gegangenen Lichtstrahlen dem Auge
zuführt. Hierzu dient z. B. ein dem Stereoskopkästchen ähnlich gebautes grösseres
Kistchen, welches innen geschwärzt ist und an der vorderen Wand ein oder
zwei Oeffnungen für ein oder für beide Augen hat. Im Innern des Kistchens
befindet sich gegenüber diesen Oeffnungen ein Spiegel zur Leitung des Lichtes
in's Auge, die obere Wand enthält die Oeffnungen für die Eier, welche , um das
eindringen von Licht zu verhindern , an den Rändern mit Sammt oder weichem
Leder ausgefüttert sind. Mit einem solchen Instrumente kann man eine grössere
Anzahl Eier auf einmal untersuchen. Eine gebräuchliche Art der Prüfung ist auch,
dass man die hohle Hand um das zu prüfende Ei legt und dieses dicht vor das
beschattete Auge gegen das Licht hält. Diese Methode ist jedoch nur bei den
weissen Eiern anwendbar. Bei dunklen Eiern — Kibitze und Möven — ist man
Äiif die nun folgende Wasserprobe angewiesen.
Weitere Anhaltspunkte zur Bestimmung des Alters der Eier geben nämlich
das speeifische Gewicht und die Beweglichkeit des Inhaltes. Die frischen Eier
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EIERPRÜFUNG. — EINBALSAMIREN.
Bind specifisch schwerer als Wasser und schwimmen nicht, dies ist jedoch bei
seit mehreren Tagen aufbewahrten Eiern wegen des Wasserverlustes durch
Verdunstung — täglich 20 — 40 mg Gewichtsverlust — immerhin der Fall.
Um in einer grösseren Menge von Eiern die alten durch ihr geringeres speci-
fisches Gewicht von den frischen Eiern abzusondern, bereitet man eine Salz-
lösung von 1 Th. Kochsalz und 10 Th. Wasser, in dieser Lösung schwimmen die
alten Eier, während die frischen langsam untersinken. Nach Leppig zeigt das
specifisehe Gewicht der Hühnereier je nach ihrem Alter folgende Schwankungen.
Frische Eier haben ein specifisches Gewicht von 1.0784 bis 1.0942, im Mittel
1.080; im April und Mai erleidet das specifische Gewicht beim Aufbewahren der
Eier eine tägliche Verminderung von 0.0018 , im Juni und Juli eine solche von
0.0017. Eier, welche ein specifisches Gewicht von 1.5 besitzen, sind demnach
mindestens drei Wochen alt, bei einem specifischen Gewicht von 1.015 beginnen die
Eier auch schon faul zu werden. Die Beweglichkeit des Eierinhaltes gibt sich durch
das sogenannte Schwappen zu erkennen ; es kommt dies nur bei älteren Eiern
vor. Man prüft darauf durch Schütteln des Eies ; doch darf diese Art der Prüfung
nur bei Eiern angewendet werden, die zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind,
weil das Schütteln das Verderben des Eies sehr begünstigt. Der Geruch der faulen
Eier ist durch die Schale nicht nachweisbar. Eier, die in Kalk aufbewahrt wurden
(s. Eierconservation), sind daran zu erkennen, dass sie durchaus weiss, ohne
Schmutzflecke, jedoch uneben rauh und ohne Glanz erscheinen. Erfrorene Eier
sind nicht ganz zu verwerfen, man lässt sie in Schnee oder in kaltem Wasser
langsam aufthauen und verbraucht sie dann schnell, weil sie leicht verderben. Für
alle Fälle Jeidet durch den Frost der Geschmack der Eier, sie werden übrigens
durch länger dauernde starke Fröste für die Küche ganz unbrauchbar. Loebiscb.
Eigelb, s. Eidotter.
Eigenwärme, s. Körpertemperatur.
EÜ86I1, Lippe-Schaumburg in Deutschland, hat vier erdige Schwefelquellen mit
Temperaturen von 11 — 12.5. Der Wiese nbrunnen hat den geringsten Gehalt an
festen Bestandtheilen CaS04 0.466 und an H2S 0.067 auf 1000 Th.; derAugen-,
Georgen- und Julianenbrunnen zeigen nur geringe Unterschiede, sie enthalten
CaS04 1.847, 1.016 und 1.730 und Ha S 0.079, 0.088 und 0.075 auf 1000 Th.
Einäschern, 8. Aschenbestimmung, Bd. I, pag. 676.
Einäscherung. Zur mikroskopischen Beobachtung stark verkieselter Ober-
häute (z. B. Equisetum) oder der Kieselpanzer der Diatomeen bedient man sich
mit Vortheil der Einäscherung. Nach Sachs erhält man schöne Kieselskelette,
wenn man das Präparat auf Platinblech in einem grossen Tropfen Schwefelsäure
über der Flamme so lange erhitzt, bis die weisse Asche übrig bleibt.
Einbalsamiren. Unter Einbalsamirung versteht man im engeren Sinne die
durch Anwendung von balsamischen Mitteln (Harzen u. dergl.) erzielte Con-
servirung von Leichen , im weiteren Sinne aber überhaupt jede Conservirung der
Leichen, ob sie durch dieses oder jenes Mittel erreicht wird.
Die Einbalsamirung der Leichen war im Alterthume in gewissen Ländern sehr
verbreitet, namentlich in Egypten, wo besondere klimatische und Bodenverhält-
nisse, sowie religiöse und hygienische Momente Anlass zur Entstehung dieser ßitte
gegeben haben mochten. Schon 5000 v. Ch. wurden in Egypten die Leichen vor-
nehmer Personen einbalsamirt und dann in unterirdischen Höhlen und Schächten
oder innerhalb pyramidenartiger Steincolosse verwahrt. Diese conservirten Leichen
heisst man Mumien von Mum = Wachs.
Nach Hkrodot's Beschreibung gab es bei den Egyptern drei Gassen von
Einbalsamirung.
Bei der ersten und theuersten Ciasse wurde zuerst das Gehirn aus der
Schädelhöhle mittelst eines hakenförmigen Instrumentes und nachfolgender Ein-
Uigitizecl uy G
EINBALSAMIREN.
501
spritzungen von gewissen „Pharmaca" (wahrscheinlich Aetznatron) entfernt. Dann
wurde die Bauchhöhle eröffnet und die Bauch- und Brusteingeweide herausge-
nommen, von denen ein Theil mit phönizischein Wein und zerriebenen aromatischen
Substanzen, wie Cassia, Myrrha, Terpentin u. dergl., imprägnirt und wieder in
die Bauchhöhle zurückgebracht wurde , während man den anderen Theil , wahr-
scheinlich die Gedärme, in den Nil warf. Hierauf wurde die Leiche mit „Nitrnm"
eingesalzen und durch 70 Tage in einer nitrumhaltigen Lauge liegen gelassen.
Das „Nitrum" durfte aber kaum Salpeter allein gewesen sein , sondern wahr-
scheinlich ein Gemisch von Natron- , Kali- und Thonerdesalzen , wie sie in den
egyptischen und äthyopischen Seen vorkommen. Nach der Herausnahme aus der
Nitrumlauge wurde die Leiche noch mit aromatischen Substanzen gewaschen, dann
getrocknet und mit den sogenannten Byssusbinden (Binden aus Baumwolle und
Hanf) umwickelt, und zwar zuerst jedes Glied für sich und dann der Körper im
Ganzen. Schliesslich kam die Leiche in einen Kasten aus Sykomoren- oder Codern-
holz, welcher noch tibergypst, bemalt und vergoldet wurde.
Bei der zweiten Classe der Einbalsamirung wurde die Bauchhöhle nicht
eröffnet, sondern es wurde eine balsamische Flüssigkeit „Cedria" (wahrscheinlich
in Aetznatron gelöstos Cedernharz) durch den After eingespritzt und letzterer
verstopft, die Leiche mit Nitrum eingesalzen und durch 70 Tage in Nitrumlauge
gelegt. Nach dieser Zeit Hess man die Flüssigkeit aus dem After wieder aus-
fli essen, trocknete die Leiche und umwickelte sie mit den Byssusbinden.
Bei der dritten Classe spritzte man „Surmaja" (wahrscheinlich einfaches
Aetznatron) in den After ein und verfuhr im üebrigen ahnlich wie bei der
2. Classe, nur dass der Körper nicht mit Binden umwickelt wurde.
Die Richtigkeit dieser von Herodot gelieferten Beschreibung wird von neueren
Forschern in manchen Punkten augezweifelt. So glaubt man , dass die Leiche
sogleich uach der Herausnahme der Eingeweide in die Nitrumlauge kam und erst
dann die verschiedenen Höhlen mit geschmolzenen Harzen , wie Cedria , Asphalt
u. dergl., ausgegossen wurden.
Die Aethyopier Hessen ihre Leichen austrockneu, schlugen sie dann in
Gyps ein und stellten sie schliesslich in eine hohle, durchsichtige, aus „Hyalos"
(vielleicht Steinsalz) bestehende Säule.
Die Assyrier sollen ihre Leichen in Wachs und Honig conservirt haben.
Bei den Griechen kamen Einbalsamirungen nur ausnahmsweise vor, und
zwar blos zum Zwecke der Transportirung von Leichen; so wurde die Leiche
Alexander d. G. in Honig conservirt und nach Alexandrien gebracht.
Die alten Peruaner hatten ihre Leichen mit Binden umwickelt und dann
in sitzender Stellung in Mörtel eingeschlossen, während die Südsee-Iusulaner
die Todten durch mehrere Monate mit Cocosnussöl einrieben und hierauf an der
Sonne austrockneten.
Im Mittelalter kannten in Europa die Kunst der Einbalsamirung nur einige
w enige Alchyinisten, Aerzte u. dergl., welche dieselbe in geheimnissvoller Weise
hüteten. In den letzten Jahrhunderten hatten sich einzelne holländische, französische,
italienische und auch deutsche Aerzte durch ihre Geschicklichkeit im Einbalsamiren
bekannt gemacht. Sie verwendeten hierzu entweder trockene Substanzen, wie
Salpeter, Alaun, Salmiak, Harze, oder Flüssigkeiten, wie Alkohol, Holz- oder
Weinessig, Terpentiu. In ersterem Falle wurden zuerst die grossen Körperhöhlen
ihres Inhaltes entleert und auch aus den Weiehtheilen durch Einschnitte die
Flüssigkeit entfernt; dann wurde der Körper mit den obengenannten Salzen odor
Harzen aussen und innen eingerieben, die Höhlen mit aromatischen Kräutern aus-
gefüllt und schliesslich der Körper in Binden eingewickelt, welche mit aromati-
schen Substanzen getränkt waren.
Als man zu Anfang dieses Jahrhunderts die faul nisswidrige Wirkung einiger
Metallverbindungen, insbesondere des Sublimats und des Arseniks, kennen lernte,
Real-Encyclop&die der gtm. Pharmacia. III. 38
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504
EINBALSAMIREN. — EINBETTUNG.
verwendete man dieselben auch zur Leichenconservirung , und zwar fing man
jetzt an, Losungen dieser Substanzen in die grossen Blutgefässe einzuspritzen.
Chaussier in Paris war der Erste, welcher eine alkoholische Lösung von
Sublimat injicirte und auf diese Art die Leiche Ludwig XVIII. einbalsamirte,
während Tranchina in Neapel zuerst Arsenik zur Leichenconservirung benutzte.
Aber auch andere Metallsalze, wie Chlorzink, essig-, schwefel- oder salzsaure
Thonerde, wurden zu diesem Zwecke verwendet. So gebrauchte Gannal, dessen
Einbalsamirungen in den Vierzigerjahren in Paris eine gewisse Berühmtheit erlangt
hatten, eine Mischung, welche aus gleichen Theilen von schwefelsaurer und salz-
saurer Thonerde bestand, wovon 1kg in 61 einer Lösung von 500g Arsenik
in 40 1 Wasser gelöst wurde. Um die Gesichtsfarbe durch Verleihung eines rötblichen
Schimmers lebhafter zu machen, spritzte man noch überdies eine Auflösung von
Carmin in essigsaurem oder schwefelsaurem Ammoniak in die Gesichtsarterien ein.
Zu erwähnen ist noch, dass man auch gasförmige Substanzen zur Oonservirung
zu benutzeu versuchte; so Dcpres, welcher die Dämpfe der schwefligen Säure
in die grossen Blutgefässe einleitete.
In der neuesten Zeit wird auch Carbolsäure oder Thymol verwendet, nament-
lich wenn es sich um Oonservirung für kürzere Dauer, z. B. für anatomische
Unterrichtszwecke, handelt. So pflegt man in den Secirsälen , um das Leichen-
material für einige Zeit vor Fäulnis* zu schützen , eine Carbolsäurelösung in
Glycerin mit oder ohne Zusatz von Alkohol in die Blutgefässe zu injiciren.
Beabsichtigt man, eine Leiche zum Behufe der Agnosciruug oder der Besichti-
gung durch eine Geriehtscomniission blos für einige Tage auf möglichst einfache
Weise vor Fäulnis« zu schützen , so kann man dieselbe in Tücher einwickeln,
welche mit einer coucentrirten Carbolsäurelösung wiederholt begossen werden.
Die jetzt gebräuchlichste Einbalsamirungsmethode besteht darin , dass man
eine Lösuug von Sublimat in Alkohol (etwa 1 auf 30) in die beiderseitige
Artcria carotis communis, axillaris und femoral is in centraler und peripherer
Richtung einspritzt. Ist die Eröffnung der Leiche gestattet, so werden die Brust-
und Baucheingeweide herausgenommen, die betreffenden Höhlen mit der Sublimat-
lösung ausgewaschen und hierauf mit aromatischen Substanzen und Kohlenpulver
ausgefüllt. Schliesslich kann man noch in die Nasen- und Mundhöhle , sowie in
den After und in die Scheide mit Carbolsäure getränkte Wattetampons einlegen
und die Leiche mit einer coucentrirten Carbolsäurelösung waschen oder mit Binden
umwickeln, welche mit dieser Lösung getränkt sind. Weichsel bäum.
Einbettung. Die Einbettung' erstreckt sich auf an und für sich schnittfähige
oder schnittfähig gemachte Gegenstände, welche ihrer besonderen Beschaffenheit
halber dieses vorbereitende Verfahren erheischen. Dasselbe beruht auf der Um-
hüllung, beziehentlich der Durchdringung und Umhüllung des in Dünnschnitte zu
zerlegenden Objectes mittelst solcher Mittel, welche aus dem flüssigen Zustande in
einen soweit erstarrten übergeführt werden können, dass sie eine reine und sichere
Sehnittführung gestatten.
Die Art der Einbettung gestaltet sich je nach der Art und der die Schnitt-
fähigkeit bezweckenden Vorbehandlung verschieden.
Sehr kleine Körperchen . wie Stärkemehl , Pollenkörner, Sporen, kleine Samen
u. dergl.. behandelt man mit gutem Erfolge am einfachsten nach dem älteren, schon
von Schacht empfohleneu Verfahren. Man bestreicht das flach geschnittene Ende
einer entsprechend dicken Stauge aus Hollunder- oder Sonnenblumeumark oder einen
dünnen Kork mit einem Tropfen einer dicken Gummilösung (10 g Gummi arabicum.
10 g WaBser und 30 — 40 Tropfen Glycerin) und lässt diese bei aufrechter Stellung
der Stange eiutrockuen. Auf diese Unterlage bringt man eine zweite Gummischicht
und streut in diese die betreffenden Gegenstände ein, lässt wieder trocknen nnd
wiederholt das Aufbringen einer derartigen Lage noeh einige Mal. um zuletzt mit
einer reinen Gummischicht abzuschliessen. Nachdem der entsprechende Trockenheits-
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EINBETTUNG. 595
grad erreicht ist, bei welchem das Gummi weder zu weich, noch zu spröde erscheint,
nimmt man mittelst eines scharfen Rasirmessers zunächst den oberen Theil der
Einbettung weg und dann sich folgende feine Durchschnitte, unter denen man, da
man hier natürlich die Schnittrichtung in Bezug auf die in Frage kommenden
Gegenstände nicht in der Gewalt hat, die geeigneten unter dem einfachen Mikro-
skope oder der Präparirlupe aussucht.
In ähnlicher Weise, aber auch recht gut für mittelst der Masse zu durch-
dringende Objecto lässt sich die — am zweckmässigsten aus eiuer Handlung für
mikroskopische Präparate und Hilfsmittel zu beziehende, aber auch eigenhändig dar-
stellbare Glycerin-Gelatine (s. d.) anwenden. Die Einbettung erfolgt hier
in der vorher durch Erwärmen flüssig gemachten Masse in der gleichen Weise
wie oben. Sollen die zu schneidenden Objecto durchdrungen werden, so müssen
dieselben 1 — 2 Tage oder auch länger in der im Wasserbade flüssig zu erhalten-
den Masse verbleiben. Die Erhärtung wird dann bei zarteren Objecten durch Ein-
trocknen , bei weniger empfindliehen durch Versenken in absoluten Alkohol,
welcher nach 10 — 20 Minuten einen verschieden hohen Grad derselben herbei-
führt, erzielt.
Ein ähnliches Einbettungsmittel gewährt eine Lösung von C e 1 1 o i d i n in gleichen
Theilen von Alkohol und Aether. Gehärtete Objecte werden hier zunächst duroh
Auswaschen mittelst destillirten Wassers von dem Härtungsmittel befreit, dann zur
Entfernung des anhaftenden Waschwassers in Alkohol, und weun erforderlieh zu-
letzt in Aether gebracht. Hierauf genkt man die Objecte, wenn sie durchdrungen
werden sollen, erst in eine verdünnte, dann in eine syrupdicke Lösung ein.
Die Erhärtung geschieht mittelst Eiusenkung in 75 — SOproeentigen Alkohol,
welcher bei gleichzeitiger Erhaltung der Durchsichtigkeit dem Celloidin eine schnitt-
fähige Festigkeit verleiht. Diese Einbettungsweise empfiehlt sieh besonders um des-
willen , weil die eingebetteten Objecte beliebig lange in dem Alkohol aufbewahrt
werden können, ohne zu leiden, man sich also reichliches Material vorbereiten kann.
Für Gegenstände, welche vor der Einbettung eine Behandlung mit Alkohol
und flüchtigen Oelen verlangen, verwendet man fetthaltige Einbettungsmassen, wie
Paraffin, Mischungen aus Talg und Paraffin, Wachs und Oel, Stearin
u. s. w., welche aber des Temperatureinflusses halber meist ein Ausprobiren in
Bezug auf ihre beim Erstarren erlangte Beschaffenheit verlangen.
Das Paraffin, von welchem man je nach der Beschaffenheit des einzubettenden
Gegenstandes 2 Sorten von verschiedener Schmelzbarkeit und Härte (Schmelzpunkt
etwa 45° und 58°) in entsprechenden Mengen mit einander vermischt, oder welchem
man bei erwünschter grösserer Härte nach Bedarf Ceresin , für eine weichere
Masse ebenso Vaselin zusetzt, bildet eiue recht brauchbare Masse für härtere und
zartere Gegenstände. Um grössere und robustere Gegenstände einzubetten, ver-
fertigt man sieh vierseitige Kästchen aus Carton oder starker Zinnfolie. In diese
gicsst man so viel des bis eben zum Schmelzen erwärmteu Paraffins, dass es den
Boden einige Millimeter hoch bedeckt und lässt erstarren , dann bringt man auf
diese Unterlage, und zwar nahe an das eine Ende der langen Axe des Kästchens,
das vorher von der Erhärtungsflttssigkeit befreite, mit Alkohol und Terpentin-,
Nelken- oder Bergamottöl behandelte, mittelst Fliesspapieres abgetrocknete Prä-
parat und übergiesst mit einer neuen, das letztere wieder um ein paar Millimeter
hoch bedeckende Menge Paraffins , wonach die Masse nach Verlauf von etwa
1 Stunde sehuittfähig geworden ist.
Sollen die Objecte auf das vollständigste durchdrungen werden, so senkt man die
frischen Objecte auf längere Zeit mehrere Tage bis einige Wochon in absoluten
Alkohol , entfernt diesen durch Einlegen, uud zwar wiederum auf längere Zeit in
Terpentinöl oder Chloroform, legt daun, nachdem dieses allen Alkohol aufgenommen
bat, orst in eine schwache , dann in mehr und mehr concentrirte Lösungen von
Paraffin, in Terpentinöl oder Chloroform und schmilzt endlich in reines Paraffin
ein. Das Schneiden geschieht dann unter Benetzung der Schnittfläche mit Alkohol,
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EINBETTUNG. — EINHORN.
während die Einbettungsinasse von den Schnitten mittelst Einlegen in eines der
oben genannten Lösungsmittel weggelöst wird.
Von den Mischungen möge hier nur die von Professor 6. v. Koch empfohlene,
vielfach bewährte, namentlich aber von der äusseren Temperatur wenig beeinflusst
werdende, aus 2 Th. Cacaobutter und 3 Th. Spermacet bestehende erwähnt worden.
Die Masse wird durch sorgfältiges Zusammenschmelzen der beiden Bestandteile
hergestellt . besitzt eine gute Schnittfähigkeit und ausserdem den Vortheil , dass
Lösungen davon in ganz derselben Weise zur Durchdringung der in ähnlicher
Weise vorbehandelten Objecte verwendet werden können, wie die Lösungen des
Paraffins.
Sind solche Objecte mittelst der Einbettungslösungen zu durchtränken , welche
beim Uebertragen von Alkohol in Terpentinöl oder Chloroform eine Schrumpfung
erleiden könnten , so leistet das von Dr. Giesbeecht mitgetheilte Verfahren gute
Dienste. Man füllt ein Cylinderglas zum Tbeil mit Alkohol und lässt mittelst einer
Pipette das Oel oder Chloroform darunter laufen, so dass beide Flüssigkeiten zwei
gesonderte Schichten bilden. Das Object bringt man dann auf den Alkohol, in
welchem es allmälig weiter und dann in der untenstehenden Flüssigkeit — der
man, wenn sie aus Chloroform besteht, um das Sinken zu befördern, etwas Aether
zusetzt — zu Boden sinkt, womit der Austausch der beiden Flüssigkeiten er-
folgt ist.
Für pharm akognostische getrocknete Objecte wird in neuester Zeit von Vinassa
(Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie, Bd. H, pag. 320 u. f.) ein etwas weit-
läufiges, im Vacuum vorgenommenes Verfahren der Einbettung angegeben, welches
indessen in den meisten Fällen zu guten Resultaten geführt haben soll. Wir ver-
weisen für das genauere Studium auf den angeführten Aufsatz und begnügen uns
hier nur Folgendes anzuführen:
Schleimreiche, wasseranziehende oder mit grossen Hohlräumen versehene Objecte,
wie z. B. Radix Althaeac, Liquiritiae, Pimpinellae, Rhizoma Galangae, Iridis u. a.,
werden in eine Glyceringelatiue ans 150 g Gelatine, 600 g Wasser und 1000 g
Glycerin eingebettet.
Für Chinarinden, Radix Cascarillae, Cinnamomi etc., Rhizoma Curcumae, Zingi-
beris u. a., sowie ähnliehe Objecte wird die Masse allmälig concentirt, indem die
Objecto je nach ihrer Art zu verschiedenen Zeiten aus dem Vacuum genommen
werden. Harzreiche und farbstoffhaltige Hölzer werden zunächst mit Alkohol be-
handelt, der so lange erneuert wird, bis er sich nicht mehr färbt und dann ein-
fach in verdünntes Glycerin eingetaucht, aus dem Vacuum gebracht, 8 — 14 Tage
stehen gelassen und die Operation so oft wiederholt, bis beim erneuten Einsetzen
in das erwärmte Vacuum kein Schäumen (Auftreten von Luftblasen) mehr erfolgt.
Dippel.
Einbrodt S Reagens auf Ammoniak ist eine mit Kaliumcarbonat schwach
alkalisch gemachte Quecksilberchloridlösung, die mit Ammoniumsalzen eine weisse
Trübung oder solchen Niederschlag gibt.
Eindampfen, s. Abdampfen, Bd. I, pag. 3.
Einfallsebene, Einfallslos , Einfallswinkel» s. Brechung, Bd. n,
pag. 374.
Einfassen, Einfüllen, s. Defect, Bd. m, pag. 423.
Eingeweidewürmer, s. Helminthen.
Einhorn n n iconiu s. Monoceros , Licome Fz.). Das in der Medicio des
15. — 18. Jahrhunderts als Alexipharmakon ausserordentlich gesehätzte wahre
Ki nhorn, Unicornu verum, war, wie der dänische Anatom Babtholixcs im
Anfange des 17. Jahrhunderts nachwies, der oft bis 3m lange, spiralförmig ge-
furchte, weisse und elfenbcinharte Stosszahn des in den nördlichen Meeren, am
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EINHORN. — EINSAMMLUNG DER DROSEN.
597
häufigsten zwischen 70 und 80° lebenden Narwal, Monodon Monoceros L.
(Ceratodon Monodon Patt. , G. Monoceros Briss., Narvalus vulgaris Lacty./.
Dasselbe wurde in seiner Glanzperiode mit ganz enormen Preisen bezahlt, verlor
aber nach dem Nachweise seiner Herkunft Ansehen und Werth. Neben dem wahren
Einhorn gab es in den Apotheken früherer Jahrhunderte noch das fossile Ein-
horn, auch fossiles oder blaues Elfenbein genannt, Unicornu s. Cornu
fossile, Ebur fossile, die gebogenen, 3 — 4 m langen, bis 8 kg schweren, brüchigen,
aussen grauen oder schwärzlichen, innen weissen Stosszähne des in den Diluvial-
schichten von Asien und Europa häufig gefundenen , ausgestorbenen Mamuth-
oder Mammuth-Elephanten, Elephas primigenius Blb. Beide, ihrer chemi-
schen Zusammensetzung nach zum animalischen Kalk (s. Bd. II, pag. 466)
mit vorwaltendem phosphorsaurem Kalk gehörende Präparate haben nur historische
Bedeutung. Das noch mancher Apotheke als Wahrzeichen uud als Wappenthier
im englischen Wappen dienende pferdeähnliche, mit einem Hörne an der Stirn ver-
sehene Einhorn ist die phantastische Nachbildung eines nicht existirenden, von den
Alten mit verschiedenen Mythen umgebenen Thieres der Wüste, in welchem man
bald die Giraffe oder eine Art Antilope, bald das Nashorn zu sehen glaubte,
dessen afrikanische Species, Rhinoceros africanus L , auf dem Nasenrücken zwei
hintereinanderstehende Hörner trägt, während das indische (R. unicornis L , R.
indicus Cuv.) und javanische Nashorn (R. javanicus Cuv.) allerdings nur
ein solches führen. Mit dem Unicornu verum haben die von einzelnen deutschen
Pharmakognosten als Einhorn, Unicornu ohne weitere Bezeichnung, aufgeführten
schmutzigbraunen , aus Horngewebe (nicht aus Knochen) bestehenden Hörner des
Rhinoceros absolut nichts zu thun. Th. Huseiuann.
Einkorn ist eine bespelzte Weizenvarietät (Triticum monoaoecum L.) von
untergeordneter Bedeutung.
Einnehmegläser, s. Dosirungsgiaser, Bd. in, pag. 274.
Einpöckeln, Einsalzen, s. Conservirung, Bd. III, pag. 270,
Einsammlung der Drogen. Die Einsammlung der arzneilich angewendeten
Pflanzen und Pflanzen produete war ehedem, soweit es sich um einheimische
handelte, ausschliesslich Sache der Apotheker oder von diesen beauftragter Leute.
Heutzutage, wo nur in einigen Gegenden noch der Apotheker selbst sich damit
beschäftigt und die Drogen von den Händlern gekauft werden, ist die Einsamm-
lung Sache der Drogenhandlungen geworden , die meist die Landbevölkerung zu
dem Geschäfte heranziehen. 80 werden in jede Drogenhandlung vom Frühjahr
bis zum Herbst zahlreiche, meist kleine Posten eingeliefert, die auf dem flachen
Lande von den wildwachsenden Pflanzen gesammelt wurden. Bei der geringen
Menge noch jetzt arzneilich verwendeter einheimischer Pflanzen und der herrschenden
Tendenz der Pharmakologie, nur gut definirte und in ihrer arzneiliohen Wirkung
leicht zu übersehende Substanzen in Anwendung zu ziehen, sinkt die Zahl der
einheimischen Drogen von Jahr zu Jahr, in demselben Masse nimmt aber, da man
die Drogen doch nun einmal nicht ganz entbehren will, das Suchen nach neuen
Drogen in fernen Landern immer mehr überhand. In grösserer Menge werden
von wildwachsenden einheimischen Pflanzen jetzt eigentlich nur noch die sogenannten
narcotischen Kräuter (Digitalis, Belladonna, Conium, Hyoscyamus) und Samen,
sowie einige Wurzeln und Rhizome (Gentiana, Ftlir. Calamus, Taraxacum) ge-
sammelt. Die Einsammlung, meist seit altersher in den Händen einiger Familien,
geschieht im Allgemeinen zu einer Zeit, die der Höhe der arzneilichen Wirksamkeit
des betreffenden Pflanzentheils entspricht, so dass gegen die Art dieser Einsammlung
im Grossen und Ganzen nichts einzuwenden ist. Auch vor Verwechslung wissen
sich die betreffenden Sammler, trotzdem ihnen eigentliche botanische Kenntnisse
abzugehen pflegen, zu bewahren. Langjährige praktische Erfahrung ersetzt hier
das wissenschaftliche Verständniss. Immerhin kommen Verwechslungen doch noch
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096
EINSAMMLUNG DER DROGEN.
da und dort vor. Um sich vor diesen zu bewahren, sollte zwar der Drogist mit
ausreichenden botanischen Kenntnissen ausgerüstet sein , da er es jedoch oftmals
nicht oder nur in geringem Maasse ist, so liegt es dem Apotheker ob, die
von dem Drogisten aus zweiter Hand gekauften Waaren auf ihre Identität und
Reinheit zu prüfen. Damit er dies kann und sich also vor Benachteiligung oder
gar vor gchwerem Schaden zu bewahren vermag, muss er botanisch und pharmako-
gnostisch gut geschult sein. Beide Disciplinen besitzen für ihn also die grösste prak-
tische Bedeutung. Jedenfalls darf es der Apotheker niemals unterlassen, die
gekauften Drogen einer sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen , da es oft genug
vorgekommen ist, dass ganz unschuldigen Kräutern giftige beigemengt waren.
Die Einsammlung der nicht narcotischen Kräuter, Wurzeln, Samen etc. geschieht
ebenfalls von der Landbevölkerung. Die „Kräutersamraler, Wurzelgräber, Botaniker"
— mit dem Ton auf dem i — wie sich die Leute nennen, suchen die oft nur
ihnen bekannten Standorte der betreffenden Pflanzen zu der Zeit auf, die als die
beste durch die Tradition bezeichnet wird. Selten ist es möglich, sie eines Besseren
zu belehren , wenn die Zeit, in der sie seit altersher die Droge sammelten, s;ch
vielleicht durch systematische wissenschaftliche Untersuchungen als unvorteilhaft
erwiesen hat. Mit der ganzen ZShigkeit, die den deutschen Laudmann auszeichnet,
halten sie an ihren Vorurtheilen fest, und es ist um so schwerer, auf diese Sammler
durch Belehrung einzuwirken , da sie auch jetzt , wennschon in viel geringerem
Maasse als früher, beim Volke selbst in einem gewissen Ansehen stehen, da ihnen
„der Pflanzen 'Wirkung und Heilkraft" bekannt ist. Sie sind gewissermassen die
Erben der mittelalterlichen Naturärzte und fungiren als solche auch auf dem Lande
oft genug noch jetzt.
Ein grosses, wissenschaftlich noch wenig bebautes Feld der Drogenkunde ist
das, welches sich mit der Frage beschäftigt : in welchem Monate besitzt
die betreffende Droge die grösste Menge ihrer wirksamen Be-
standteile? Erst für eine verhültnissmässig kleine Anzahl Drogen kennen wir
den Zeitpunkt ihres maximalen Gehaltes genau und doch ist die Kenntniss des*
selben das flauptmoment für die Einsammlungszeit. Auch hier hat freilich der
natürliche praktische Sinn und ein gewisses naturwissenschaftliches Tactgefühl mit
divinatorischem Scharfsinn oft das Richtige errathen, was nachträglich durch
die Wissenschaft bestätigt wurde. Bei vielen unterirdischen Reservebehältern z. B.
verräth sieh die Erfüllung mit Reservematerial oft schon durch das pralle Aussehen.
Immerhin wird darauf stets Bedacht zu nehmen sein, dass dieselben nur zu der
Zeit gesammelt werden, die der maximalen Erfüllung mit Reservestnffen entspricht,
also zu einer Zeit, wo sie weder noch nicht vollständig erfüllt, noch bereits zum
Theil entleert sind.
Aber auch viele oberirdische Organe, z. B. die Blätter, erreichen nur zu einer
bestimmten Zeit das Maximum ihres Gehaltes an bestimmten Stoffen. Durchaus
nicht immer fällt (lies Maximum mit der Höhe der Entwickelung des betreffenden
Organs zusainmeu. Manche Blätter sind z. B. an Alkaloiden im jungen Zustande
reicher als im ganz alten. Doch kann man auch hier als Regel aufstellen, dass
das Maximum des Gebaltes bei Blättern kurz vor der Entleerung liegt, die auch
das Blatt nothwendig bei der Bildung der BlUthentheile erfahren muss. Man kann
also ganz allgemein sagen, dass, während für Knollen. Rhizome uud
Wurzeln die günstigste Einsammlungszeit daszeitige Frühjahr
oder der späte Herbst ist, also die Zeit, wo sie noch nicht entleert
oder schon wieder gefüllt sind, Blätter im Allgemeinen kurz vor dem
Blühen der Pflanze zu sammeln sind. Die Dauer der Blüthezeit ist meist
eine so kurze, dass eine Zeitangabe für die Blüthen überflüssig erscheint.
In den Cultnren der Arzneipflanzen, besonders in Cölleda, ist auch die Ein-
sammlungszeit genau geregelt. Leider vertragen die narcotischen Kräuter den
Anbau nicht ohne Beeinträchtigung ihrer arzneilichen Wirksamkeit. Sie entwickeln
sich zwar üppiger, verlieren aber an Gehalt.
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EINSAMMLUNG DER DROGEN.
599
Die Einsammlung' der fremdländischen Drogen ist noch weniger geregelt als
die unserer einheimischen. Unter genauerer Controle stehen auch hier nur die
Culturen. Bei besonders werthvollen Drogen, wie z. B. der Chinarinde, dem Opium,
wird auf die Wahl der geeigneten Einsammlungszeit und Einsammlungsart grosses
Gewicht gelegt. Im Allgemeinen geht man aber, besonders in den Bezirken, in
denen die Natur in unerschöpflicher Fülle immer von Neuem producirt, ziemlich
rücksichtslos vor, sowohl was Zeit als Methode betrifft, und da die bei Weitem
grössere Menge fremdländischer Drogen nicht aus Culturen stammt, sondern von
den Einheimischen , meist wilden oder halbwilden Völkern , gesammelt wird , so
kann es nicht überraschen , dass sowohl in unverantwortlicher Weise dabei ver-
geudet wird, als auch die Einsammlungsart eine weder geregelte, noch auf irgend
welchen Erwägungen tieferer Art aufgebaut ist. Man sammelt meist, was und wie
man es findet, aufs Gerathewohl und verarbeitet die Droge auf die roheste Weise.
Wie viel z. B. jährlich Kampfer, Aloö und Kautschuk vergeudet wird, lässt sich
gar nicht in Zahlen ausdrücken. Hier ist ein Punkt, wo die Colonisationsbestrc-
bungen einzusetzen haben.
Beim Einsammeln der Drogen ist wohl darauf zu achten, dass nur derjenige
Theil der Pflanze gesammelt wird, der wirksam ist, dass z. B. die meist werth-
losen Stiele krautiger Pflanzen entfernt werden. Wird dies vom Sammler selbst
verabsäumt , so muss der Drogist oder Apotheker durch Auslesen das Ver-
säumte nachholen. Nur in den Fällen, wo anhängende Organe gute diagnostische
Merkmale abgeben, die der Droge selbst abgehen, lJlsst man sie daran, wie z. B.
bei der Bad. Hellebori viridis und nigri die Wurzelblätter.
Die Einsammlung der Pflanzen p r o d u c t e ist eine sehr verschiedene und
wechselt nach dem Producte selbst. Einige Harze und Guromata fliessen freiwillig
aus und werden nur von den Pflanzen abgelesen (Gummi arabicum, Ammoniacum) ,
bei anderen wird das Ausfliessen durch Einschnitte befördert (Terpentin, Sandarac)
oder hervorgerufen (Euphorbium, Opium). In einigen Fällen muss man dabei,
besonders wo es sich um Wurzeln handelt, die ganze Pflanze opfern (Asa foetida).
Auch diese Manipulationen werden meist von Eingeborenen ausgeführt und sind
selten geregelt, oftmals sogar mit einer unnöthigen Schädigung der Pflanze ver-
bunden, die in vielen Fällen wohl zu vermeiden wäre.
Meist wird die bei uns eingesammelte Droge sofort vom Sammler getrocknet,
doch liefern sie Viele auch in frischem Zustande ein. Es liegt dann der Drogen-
handlung ob, sie zu trocknen.
Diese zweite Manipulation wird ebenfalls nur in Europa und auch hier erst
seit etwa 10—20 Jahren sachgemäss betrieben. Nur bei einigen werthvollen fremd-
ländischen Drogen, und auch nur bei cultivirten, z. B. den Chinarinden, gibt man
sich Mühe, das Trocknen sachgemäss vorzunehmen, seitdem sich gezeigt hat, dass
durch unsorgfültiges Trocknen der Gehalt leidet.
Im Allgemeinen kann als Regel gelten, dass man rasch trocknen und thunlichst
künstliche Wärme vermeiden muss. Feuchte Drogen pflegen sich schnell zu zer-
setzen, also wirksame Bestandtheile zu verlieren — ganz abgesehen davon, dass
sie unansehnlich werden. Das äussere Aussehen zu erhalten sind die Drogisten
daher besonders bemüht. Nun muss freilich zugegeben werden , dass dasselbe in
gewisser Beziehung wenigstens die Integrität der Bestandtheile gewährleistet und
daher einen guten Anhaltspunkt darbietet - immerhin ist es jedoch nicht das
Einzige, worauf es ankommt. Gerade die schönsten und ansehnlichsten Handels-
rinden der China z. B. sind oft genug die gehaltarmsten. Besonders wird bei den
Blättern und Blüthen auf gutes Aussehen, d. h. auf eine gute Erhaltung der Farbe
gesehen. Dieselbe wird, wie die Erfahrung gelehrt hat, durch verbesserte Trocken-
vorrichtungen erzielt. Da, wie ich gezeigt habe, der grüne Farbstoff der Blätter
sehr rasch in das olivengrune Chlorophyllan übergeführt wird, wenn derselbe der
Einwirkung der im Zellsaft gelösten Pflanzensäuren ausgesetzt wird und es eine
bekannte Erfahrung ist, dass bei Gemischen verschiedener Körper sich die Zer-
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600
EINSAMMLUNG DER DROGEN.
Setzung, die der eine erleidet, auch auf die anderen übertragt, also eine Zersetzung
aller hervorruft, so ist es erstes Erforderniss, diese Lösung so schnell wie möglich
durch VerdunstenlaBsen zu beseitigen, denn corpora non agunt nisi fluida. Das
wird sehr leicht dadurch geschehen können, dass man die Blätter so gut ausbreitet,
dass keines auf dem anderen liegt und die Ausbreitung in einem sehr gut durch-
lüfteten Räume vornimmt oder in einem Räume, der mit mechanischen Vorrichtungen
versehen ist, zur raschen Beseitigung des Wasserdampfes. Je vollkommener man
diesen Anforderungen entspricht, um so schöner werden die Farben erhalten bleiben.
Am besten eignet sich die gewöhnliche Sommertemperatur zum Trocknen, Aber 40°
aber darf man in den Fällen, wo künstliche Wärme angewendet wird, um schön
aussehende Drogen zu erzielen, nicht gehen. Nur einige Rhizome und Knollen (wie
Curcuma und OrcJtis) müssen gebrüht werden, da sie sich auch bei 40° nicht
trocknen lassen und die Neigung zeigen, sobald sie genügende Luftfeuchtigkeit
finden, auszutreiben. Besonders schleim- und zuckerreiche Drogen sind schwer
zu trocknen. Hier ist, wenn nicht zugleich ätherisches Oel vorhanden ist, auch
eine höhere Temperatur erlaubt (z. B. bei der Scilla). Trotzdem ziehen diese
Drogen doch mit der Zeit wieder Wasser an, so die schleimreiche Scilla, welche
in der Kammer noch oft austreibt, sogar blüht, und die zuckerreiche Liebstöckel-
wurzel, die immer weich sein wird. Ist es in Folge Raummangels nicht möglich,
die Drogen so weit auszubreiten, dass sie nur in einfacher Schicht liegen, so wird
man auch dadurch nachhelfen können , dass man täglich mehrmals die Drogen
wendet. Wurzeln kann man sehr praktisch dadurch trocknen, dass man sie auf
Fäden reiht und diese aufspannt — so wird z. B. in Cölleda die Angelica und
der Liebstöckel getrocknet.
Dicke Wurzeln und Rhizome werden in der Mitte der Länge nach aufgespalten
(Kalmus, Alant) oder in Scheiben geschnitten (Colchicum).
Nur eine verbältnissmässig kleine Anzahl von Drogen wird in frischem Zu-
stande verwendet. Die meisten dieser frischen Drogen werden aber auch nicht als
solche gebraucht, sondern zur Bereitung der Succi recentes und anderer pharm» -
ceutischer Pr8 parate (Extracte, Tincturen etc.) benutzt, wie z. B. die Rhizoma
Filicis, die nur im frischen Zustande verarbeitet ein wirksames Extract liefert.
Von den Drogen wird eigentlich nur noch die Scilla in den Apotheken frisch
vorräthig gehalten. Einige derselben sind in frischem Zustande sehr viel wirksamer
als im Trockenen, z. B. die Cort. rad. Grauati. Andererseits erhalten auch eine
Anzahl von Drogen erst durch das Trocknen ihren eigenartigen Geruch, wie
z. B. die Rhiz. iridis, die frisch sogar unangenehm riecht, auch beim Arnika-
rhizom kommt der charakteristische Geruch und Geschmack erst bei der getrock-
neten Droge zur vollen Geltung. Die meisten verlieren durch Trocknen sowohl an
Geruch als an Schärfe, einige werden geradezu geruchlos.
Den Wünschen der Drogisten, denen es immer mehr entsprach, schön aussehende
als gehaltreiche Drogen zu liefern, ist bis in die neueste Zeit dadurch entsprochen
worden, dass man zahlreiche Drogen schälte. Erst durch die bestimmte Vor-
schrift der deutschen Pharmakopöe ed. II., wenigstens dort das 8chälen zu unter-
lassen, wo es direct deu Werth und die Haltbarkeit vermindert, wie bei Rhiz.
Calami und Rhiz. FiUds, ist man dahin gelangt, von diesem Brauche wenigstens
theilweise abzugehen. Es wäre zu wünschen, dass dies in weiterem Umfange
noch geschähe. Ursprünglich lag dem Schälen wohl die Tendenz zu Grunde,
die unwirksame Korks?hicht zu entfernen. In dieser Hinsicht besitzt es z. B.
beim Zimmt einige Berechtigung. Nur dürfte bei allen aromatischen Drogen
wohl zu erw.'lgen sein, ob die Korkschicht nicht dadurch, dass sie die Ver-
dunstung der ätherischen Oele herabmindert, mehr nützt als sie die Brauchbar-
keit der Droge durch die Beimischung der wenigen indifferenten Korkschichten
beeinträchtigt.
Bei ausländischen Drogen entscheidet über derartige Manipulationen fast aus-
schliesslich die Haudelsusance , die z. B. noch jetzt den unsinnigen Kalkflberzug
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EINSAMMLUNG DER DROGEN. 601
Uber die MuscatnUsse verlangt, den Erdflberzug der Cacaobohnen schätzt u. a. m.
(vergl. auch Arzneipflanzen, Bd. I, pag. 642).
Tabelle
über die ungefähre Ausbeute von 100 Gewichtstheilen einiger frisch gesammelter meist
einheimischer Drogen an Trockensubstanz.
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— Lavandulae . . .
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20
— Saponariae
... 32
— Mahne arbor. . .
. 20
16
— Taraxaci . .
. . .22
Gemmae Populi . . . .
36
. . .24
. 18
25
25
... 32
26
8
— Imperatoriae .
. . .22
. 19
— Tormentillae .
. . .42
.15
20
Stipit. Dulcamarae
lubera Colchici .
. . . 33
— Belladonnae . . .
. 18
28
. . . 34
Tschirch.
' Folia Malvae.
— Pulmonal4 iae.
Herba Brancae ursinae.
— Capilli Vener.
— Chelidonii maj.
— Cochleariae.
— Con ji maculat,
! — Farfarae.
— Fumariae.
— Hederae terrestr.
I — Jaceae.
\ — MillefoUi.
j — Pulnwnariae.
— Salriae.
— Tanaceti.
— Taxi baccatae.
— Trifolii.
Radix Aetaeae spie.
i — Belladonnae.
I Rhiz. Caricis.
I Summitates Sabinae.
i Turiones Pini.
Monat Juni.
| Cantharide*.
i Flores Althaeae.
■ — Arnicae.
' — Borraginis.
| — Calendula«.
— Chamomill. rom.
— Chamomill. vulg.
1 — Cyani.
I — Malvae vulg.
— Rhoeados.
— Rosa r um.
— Samhnci.
i — Tiliae.
Monat Februar.
Lif/na varia.
Radix Hellebor. nigr.
Viscum quercin.
Monat März.
Cortex Frangulae.
— Hippocastani.
— Mezerei.
— Pruni Padi.
— Quere us.
— Salicis.
— Ulmi.
— Taxi.
Gemmae Populi.
Radix Althaeae (2jährig).
— Angelicae (2jährig).
— Ar».
— Arnicae.
— Bardanae (2jährig).
— Consolidae maj.
— Enulae.
— Imperatoriae.
— > Lapathi.
— - Levistici.
— Ononidis.
— Paeoniae.
— Petroselini.
— Taraxaci.
— Tormentillae.
— Valerianae.
Jthiz. Calami arotn.
— Caricis arenar.
— Graminis.
— Polypodii.
Stipites Dulcamarae.
Summitates Sabinae.
Sammelkalender.
Monat April.
I Cortex Quercus.
— Salicis.
■ Flore» Farfarae.
— Violae.
Folia Ihne Ursi.
Gemmae Populi.
Herba Hepaticae.
— Pulmonariae.
— Pulsatillae.
, — Taraxaci c. rad.
Liehen islandicu«.
Radix Arnicae.
— Bardanae.
— Caryojthyllatae.
— Cichorei.
— Consolidae.
— Fmdae.
— Leviftici.
I — Ononidis.
— Paeoniae.
— Petroselini.
I — Pimpinellae.
i — Saponariae.
I — Taraxaci c. herba.
~ Tormentillae.
! Rhiz. Calami.
— Gramini«'.
4
Monat Mai.
Coccionella septempunetata.
Flores Convallariae.
— Lnmii albi.
1 — L.Vii rwi»f/i7/i.
! — Persicae.
I — Primulae reris.
— Roftmarini.
i — Violae.
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EINSAMMLUNG DER DRÖGEN.
Foliu Aurantii.
— Belladonnae.
— Cichorei.
— DigiUili«.
— Farfarae.
— Hyoscyami.
— Juglandis.
— Lauro-Cerasi.
— Molvae.
— Melissae.
— Menthae crisp.
— Menthae piper.
— Mcrcurialis.
— Salriae.
— Crae Ursi.
Formicae.
Herba Absynthii.
— Aconit i.
— Arnicae.
— Bona ff in ix.
— Capilli Veneria.
— Centaurii minor.
— Clematitis.
— Cochleariae.
— Fumariae.
»— Gratiolae.
— Hyssopi.
— Lapathi acut.
— Letii palustr.
— Marubii afb.
— Matricuriae.
— Millefolii.
— Polyytilae amarae.
— Bhois Toxicodendron.
— Rosina rini.
— B atne.
— Saponariae.
— Scabiosae.
— Scoloptndri.
— St-ortlii.
— Serpylli.
— Strammonii.
— Thymi
— Veronicae.
— Violne tricolori«.
Semtn ( olchici.
Monat Juli.
Baccae Bibis.
— Myrtilli.
Capita Papureris.
Florett Amanta.
— Carthami.
— Chamomillue roman.
— HyperUi.
— Lavandulae.
— Lilii.
— Mahne arbor.
— Tiliae.
— Verbatet.
Folia Althaeae.
— Juylandis reg.
— Laum-Cerasi.
— Menth. crisp. et piper.
— Nicotianae.
Forinirat.
Fructus Juylandis itinnat.
— Cerasi niyr.
I Fructus Bubi Idaei.
Herba Absynthii.
— Capilli Veneris.
— Cardni betiedicti.
— Centaurii min.
— Chenopodii ambr.
— Cichorei.
— Euphrasiae.
— Galeopsidis grandifl.
■ — • Hyperici.
— Luctucae riros.
— Linariae.
— Marrubii alb.
— Majoranae.
— Meliloti e. ß.
— Oriyani tulg.
— Pulegii.
— ■ Satnrejae.
— Scordii.
— Scabiome.
— Tanaceti.
— Verband.
Xuces Juyland immatur.
Xuclei Cerasorum.
Seeale cor mit um.
Tubera Salep.
Monat August.
Baccae Mori.
— Myrtilli.
— Bubi Jdatt
— Sambuci.
Flore« Althaeae.
— Lavandulue.
— Malme arbor.
— Meliloti.
; Formicae.
Folia Lauro-Cerasi.
, Fructus Conti macul.
1 — Ct/nosbati.
— Elaterii.
— Hippocaetan.
— Bhellandrii.
G landen Quercus.
Herb<t Absynthii.
— Artemisiae.
— Gratiolae.
— Meliloti.
■ — • Satnrejae.
— Virgatireae.
Lact ucar ium.
Lycopodium.
Bad ix Arnicae.
— Hellebori albi.
Semen Cannabis.
— Hyoscyami.
— Li ni.
— Melonum.
— Papa r er.
— Sinapis.
Tubera Colrhici.
— Salep.
Monat September.
Baccae Berberidis.
— Ebuli.
— Jnniperi.
— - Sambuci.
— Spinae cerrinae.
Cortex nneum Jugl.
Croeus.
Fructus Anist.
— Petroselini.
— Pruni.
Lupulinum.
Poma acidula.
Putamina nuc. Jugl.
Radix Arnicae.
— Arttmisiae.
— Belladonnae.
— Cichorei.
— Enulae.
— Liquiritiae.
— Bubiae Und.
— Saponariae.
— Taraxaci.
— Tormentillae.
— Valerianae.
Rhiz. Calami arom.
— Filicis maris.
— Gentianae.
Semen Sinapis nigr.
— Strammonii.
0
Stipites Dulcamarae.
Monat October.
Baccae Berberidis.
— Ebuli.
— Juniperi,
— Sambuci.
— Spinae cervinae.
Cortex nueum Jugl.
Crocus.
Fructus Anisi.
— Petroselini.
— Pruni.
Lupulinum.
Poma acidula.
Putamina nuc. Jugl.
Badix Anyelicae.
— Althaeae.
— Ari.
— Arnicae.
— Arttmisiae.
— Asparagi.
— ■ Belladonnae.
— Bryoniae.
— Cichorei.
— Enulae.
— Gentianae.
— Gratiolae.
— Jmperatoriae.
— Lapathi acut.
— Lecistici.
— Liquiritiae.
— Bubiae tinet.
— Saponariae.
— Taraxaci.
— Tormentillae.
— Valerianae.
Bhiz. Calami arom.
— Filicis maris.
— Gram i nie.
— Iridis ßor.
Semtn Cydoniae.
— Sinapis nigr.
— Strammonii.
Stipites Dulcamarae.
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EINSCHLAG. — EINSCHLUSSMITTEL
603
Einschlag, Sohwefelband oder Bandschwefel , zum 8eh\vetein der Weinfässer
dienend, heissen 5 cm breite Shirtingstreifen, welche durch geschmolzenen (arsen-
fireien !) Schwefel gezogen und sofort mit einem Specieagemisch von Rosenblättern,
Lavendelblumen, Muscatnuss, Coriander etc. bestreut werden. An vielen Orten
läset man die Species weg und zieht einfach Streifen von starkem Papier durch
geschmolzenen Schwefel.
EinSChlUSSmittel. Die Einsehlussmittel umfassen zwei Gruppen, je nachdem
dieselben zur Aufbewahrung trockener, von Wasser befreiter oder feuchter Objecto
verwendet werden.
Zur ersteren Gruppe gehören vorzugsweise Canadabalsam, Dammar, Terpentin,
sowie einige stark lichtbreehende flüchtige Oele und andere Flüssigkeiten.
Der Canadabalsam ist ein schon seit langer Zeit und vielfach verwendetes
Mittel , welches auch heute noch vielfach gebraucht wird. Derselbe muss voll-
kommen rein und durchsichtig, von weisser oder schwach hellgelber Farbe sein und
eine syrupartige Consistenz besitzen. Verwendet man ihn für sich allein, so muss er
durch vorheriges Erwärmen die erforderliche Leichtflüssigkeit erlangt haben. Häufig
wird derselbe in neuerer Zeit in Form einer dünnflüssigen Lösung in Chloroform
verwendet.
Eine für manche Präparate störende, für andere dagegen erwünschte Eigenschaft
des Canadabalsains besteht darin , dass er dieselben stark aufhellt und manche
Structurverhältnisse in Folge dessen nur undeutlich wahrgenommen werden. —
Vergl. auch Canadabalsam, Bd. II, pag. ,'>12.
Dammarlösung ist noch farbloser als der Canadabalsam und hellt dabei
die Präparate weit weniger auf, so dass sie sich in vielen Fällen besser zum
Einschlussmittel eignet, wie sie denn auch dem letzteren vielfach für gefärbte Ob-
jecte vorgezogen wird.
Man bereitet sich einen guten Dammarfirniss auf folgende Weise: 10g gepul-
verten Dammars werden in 20 g Benzin eingetragen und bei gewöhnlicher Tem-
peratur 24 — 48 Stunden ruhig stehen gelassen. Die nach dieser Zeit den löslichen
Dammar enthaltende, über einem unlöslichen Bodensatze stehende Flüssigkeit wird
vorsichtig abgegossen und derselben 4g reines Terpentin zugesetzt, womit das
Mittel zum Gebrauche fertig ist.
Für unmittelbar von der Alkoholbebandlung aus einzulegende Präparate schliesst
man am besten in verdicktes, sich mit Alkohol leicht mischendes Terpentin ein,
welches man erhält, wenn Terpentinöl vor Staub geschützt in flachen Gefässen
längere Zeit der Einwirkung von Luft und Licht ausgesetzt wird.
Die stärker lichtbrechenden Mittel finden vorzugsweise da Anwendung, wo es
gilt, bei vollständiger Ausnützung sehr hoher numerischer Aperturen und dem ent-
sprechenden hohen Auflösungsvermögen der Mikroskopobjective , die Sichtbarkeit
gewisser feiner Structuren — wie z. B. solcher auf den Diatomeenschalen — durch
entsprechende Unterschiede zwischen dem Brechungsvermögen des Objectes und des
Einschlussmittels zu erhöhen. In diese Reihe gehören z. B. Cassiaöl, n = 1,56 ;
Monobromnaph talin, n = 1,658; Kaliumqueeksilberjodid, n = 1,682 u. A.
Für feuchte Objecte kommen vorzugsweise in Verwendung : Glycerin, Glycerin-
gemische , Glyceringelatine , Gummi arabicum , Chlorkalium , essigsaures Kali und
eine Anzahl für einzelne Fälle geeigneter verdunstender einfacher oder zusammen-
gesetzter Flüssigkeiten.
Das Glycerin hat wohl, namentlich auch für die Aufbewahrung pflanzlicher
Präparate, die weiteste Verbreitung gefunden. Dasselbe soll möglichst chemisch rein
sein und kann sowohl im concentrirten , als im verdünnten Zustande angewendet
werden. Seine oft störende, stark aufhellende Eigenschaft verliert das Glycerin
schon beim Zusätze von einigen Tropfen Eisessig, noch weniger aber äussert es
dieselben, während es dann auch keine merklichen Schrumpfungen mehr hervorruft,
wenn man es zugleich mehr oder weniger mit Wasser verdünnt.
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EINS« HIXSSMITTEL. — EINSTELLUNG.
Für in Carminlösungen gefärbte Präparate ist obige angesäuerte Mischung schon
geeignet, indessen wird von Prof. Frey empfohlen, für diesen Zweck eine Mischung
von 5 Th. Glycerin mit 1 Th. essigsaurem Alaun und 4 Th. destülirtem Wasser
zu verwenden.
Für die Aufbewahrung sehr empfindlicher, zarter Präparate, sowie von Algen
u. dergl. eignet sich sehr gut eine Mischung von 3 Th. reinem , 90procentigem
Weingeist mit 2 Tb. Wasser und 1 Th. Glycerin. Derartige Objecte verlangen
dann aber noch eine besondere Behandlung, indem dieselben in Wasser liegend zu-
nächst nur einen Tropfen des Gemisches zugesetzt erhalten , um, wenn ein Theil
der Flüssigkeit au staubfreiem Orte verdunstet ist, einen neuen Tropfen zuzu-
geben und mit dieser Behandlung so lange fortzufahren, bis der Raum unter dem
Deckglase vollständig mit nicht verdunsteter Flüssigkeit erfüllt ist.
Die Glycer ingelatine (s.d.) wird in der gleichen Form verwendet wie
bei der Einbettung (pag. 595).
Gummi arabicum wird als Lösung in essigsaurem Calcium, essigsaurem
Kalium oder essigsaurem Ammoniak in der Art bereitet, dass man ein weithalsiges
Glas bis zu drei Viertel mit ausgesuchten Stücken des ersteren, dann das weitere
Viertel mit dem Lösungsmittel füllt und nach Auflösung durch Wollpapier filtrirt.
Eine Auflösung von 1 Th. chemisch reinem , wasserfreiem Chlorcalcium in
5 Th. destülirtem Wasser, welche, um allenfallsiges späteres Auskrystallisiren zu
verhindern, mit einigen Tropfen Salzsäure augesäuert werden kann, wurde schon
seit lange namentlich für Pflanzen schnitte verwendet und gibt schöne scharfe Bilder.
Bei solchen Präparaten , bei denen es darauf ankommt , die Stärkekörner und
andere geformte organische Inhaltsbestaudtheile, sowie die Farbe des Chlorophylls und
andere Farbstoffe zu erhalten, darf indessen diese Lösung keine Verwendung finden.
Essigsaures Kali erhält man in Gestalt des Einschlussmittels, wenn man
aus der officinellen Lösung so viel Wasser abdunsten lässt, dass sie gerade ge-
sättigt erscheint. Dieselbe kann das Chlorcalcium sehr gut ersetzen und eignet sich
auch für zartere Objecte der vegetabilischen Entwickelungsgeschichte , sowie für
manche thierische, welche, wie z. B. Osmiumsäurepräparate, das Glycerin nicht
vertragen.
Von verdunstenden einfachen Flüssigkeiten, die selbstverständlich den
Verschluss erschweren , verwendet mau, und zwar vorzugsweise iu der thierischen
Histologie, Zuckerlösung, Kreosotlösung, verdünnte Kochsalzlösung, verdünnte
Lösungen von Sublimat , verdünnte Essigsäure , von zusammengesetzten
vorzugsweise die sogenannten PACixi'schen , ToppixG'schen und Farra Neschen
Mischungen, deren nähere Beschreibung uus hier zu weit führen würde.
Dippel.
Einstellung. Unter dem Worte Einstellung begreift man in der Regel zwei
verschiedene Dinge, nämlich einestheils das Einstellen des Objectes, anderntheils
die hierzu dienenden Vorrichtungen.
Letztere werden als grobe und feine Einstellung insofern unterschieden, als
jene ausgiebigere, letztere nur auf kleinere Ausmaasse beschränkte Bewegungen
des den optischen Apparat tragenden Mikroskoprohres gestattet.
Die grobe Einstellung wird entweder durch einfache Freihand Verschiebung des
Rohres innerhalb einer federnden Hülse oder mittelst Zahn und Trieb bewirkt.
Die feine geschieht in der Regel mittelst einer in der Säule des Mikroskopes
angebrachten, auf das Rohr wirkenden oder 'seltener und minder geeignet) mit dem
Objecttische in Verbindung stehenden, diesen auf- und abwärtsbewegenden Mikro-
meterschraube.
Das Einstellen des zu beobachtenden Objectes hat den Zweck, dieses selbst oder
eine, bestimmte zu ermittelnde Strueturverhältnisse enthaltende Durchschnittsebene
desselben in eine solche Entfernung von der Vorderlinse, beziehungsweise dem
Breunpunkt des Objectivsystems zu bringen, dass der optische Gesammtapparat ein
deutliches, scharfes Bild davon entwirft. Bei schwächeren Objectiven fällt dieselbe
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EINSTELLUNG. — EIS,
605
verhältnissmäa&ig leicht und man erreicht sie dadurch, dass man jenes von oben
durch freie Verschiebung oder (bei Zahn und Trieb) Herabschrauben des Tubus
dem Gegenstände so lange nähert, bin ein scharfes Bild erscheint. Bei stärkeren
Objectiven verlangt die Einstellung dagegen eine grössere Vorsicht, wenn man
nicht Object und Objectiv beschädigen will.
Am besten gelangt man nach meiner und Anderer Erfahrung durch folgendes
Verfahren zum Ziel. Man nähert das Objectiv, indem man von der Seite über das
Deckglas hinwegsieht, mittelst der „groben Einstellung4* dem Objecte so weit als
irgend möglich — die beste Entfernung lernt man nach längerem Gebrauche seines
Instrumentes und Beobachtung des Arbeitsabstandes, seine stärkeren Objective all-
mälig genau abzuschätzen — und hebt dann mittelst der „feinen Einstellung" das
Rohr so weit, dass man ein scharfes Bild der in Frage kommenden Structurver-
hältnisse erbückt. Dippel.
EinStreupulver. Als solches pflegt man stets Lycopodium zu dispensiren,
falls nicht ausdrücklich ein Streupulver anderer Art (s. Pul vis inspersorius)
gefordert wird.
Eis. Eis ist der feste Aggregatzustand des Wassers. Der Uebergang des Wassers
aus dem flüssigen Zustande in den festen , das sogenannte Gefrieren, beruht
auf einer Krystallisation. Die Krystallisation des Wassers zu Eis erfolgt in der
Regel bei 0°. Je nachdem die Eisbildung langsamer oder schneller vor sich geht,
erstarrt das Wasser entweder zu einer durchsichtigeu, in kleinen Mengen farblosen,
in grossen Massen (wie z. B. bei den Gletschern der Schneeberge) grünlichen,
blaugrünen bis blauen, glasartigen , scheinbar amorphen Massen , oder zu einer
körnig- krystallinischen, durchscheinenden bis undurchsichtigen , in kleinen Mengen
farblosen bis weissen , bei grösserer Dicke (z. B. beim Flusseis) grünlichen bis
grünen, oft bis Im und darüber dicken Platten, oder endlich, wie beim Schnee,
in sternförmig gruppirten, kleinen Kryställehen. Für die eigenthümlichen blatt- und
blumenartigen Formen , welche sich beim Gefrieren des Feusterscbweisses bilden,
ist eine genügende Erklärung bis jetzt noch nicht gegeben; die Eisblumen am
Fenster erweisen sich aber beim Abkratzen gleichfalls als kleine hezagonale
Krystalle. Der Umstand, dass frisches Eis hart und durchsichtig klar ist und einen
glatten, fast muschelartigen Bruch zeigt, allmälig aber (oft erst nach Wochen oder
Monaten) undurchsichtig, mürbe wird und sich in ein Conglomerat von kleinen
Krystallen umwandelt, führt mich zu der Annahme, dass durch die Verhinderung
der Krystallisation beim Erstarren eine Oberflächenspannung erzeugt wird,
welcher die festen, amorphen, glasartigen Massen ihr Dasein verdanken, und dass
diese Massen erst dann , wenn die Spannung aufhört, zu krystallisiren
beginnen, ähnlich etwa, wie einzelne Niederschläge erat amorph ausfallen und sich
langsam in kr y stallin ische Form umsetzen.
Die Erscheinungen , welche den Uebergang des Wassers aus dem flüssigen in
den festen Zustand begleiten, weichen von den Erstarrungs Vorgängen der meisten
anderen bekannten Körper wesentlich ab, ja, widersprechen sogar zum Theile
einem sonst allgemein giltigen Naturgesetz.
Durchgehends dehnt die Wärme die Körper aus, die Kälte zieht sie wieder
zusammen; bei fast allen bekannten Körpern beginnt das Erstarren, sobald die
Flüssigkeit ihre grösste Dichtigkeit erreicht hat, d. h. die grösste Dichte und der
Erstarrungspunkt fallen auf denselben Thermometergrad. Das Wasser verhält
sich hierin abweichend. Bei höhereu und mittleren Temperaturen folgt es
wohl dem allgemeinen Naturgesetz ; aber bei + 4° erreichtesscine höchste
Dichtigkeit. Bei weiterer Abkühlung dehnt sich das Wasser
wieder aus und bei einer Temperatur von 0° hat es ziemlich geuau dieselbe
Dichte, wie bei +1»°.
Wie bei allen sich abkühlenden Flüssigkeiten sinkt auch beim Wasser die
erkaltete Oberflächenschicht unter, während die unteren Schichten aufwärts steigen ;
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606
EIS.
es entsteht dadurch eine unmerkliche continuirliche Circulation, welche so lange
anhält, bis das Wasser durch seine gesammte Menge hindurch bei + 4° »eine
gröuste Dichte erreicht hat. Sobald die Temperatur unter -^herunter-
geht, hört die Circulatio.n auf; die der Oberfläche zunächst liegende
8chicht beginnt sich auszudehnen , wird leichter und sinkt nicht mehr zu Boden ;
auch bei noch weiterem Sinken der Temperatur findet keine Circulation mehr
statt. Es befindet sich dann vielmehr auf der Gesaimntwassermenge , welche eine
constaute Temperatur von 4-4° hat, eine leichtere Oberflächenschicht von geringerer
Temperatur, welche unter normalen Verhältnissen bei 0° erstarrt.
Das Eis ist also leichter als das Wasser und schwimmt auf
diesem; sein spec. Gewicht ist 0.9167.
Bei stehenden Gewässern erstarrt die ganze Oberfläche fast gleichzeitig und
bildet so gewissermassen eine Schutzdecke gegen weitere Abkühlung des darunter
befindlichen Wassers ; bei fliessenden Gewässern beginnt die Erstarrung vom Rande
au und wächst gegen die Mitte zu.
Flicssendes Wasser hindert natürlich die Erstarrung nicht, sie verlangsamt sie
nur; es bildet sich dann von dem Ufer aus die Eisschicht, unter welcher der
Strom mit einer Temperatur von 4° ungehindert dem Meere zuströmt.
Dieses in seiner Einfachheit grossartige Ausnahmegesetz des Wassers ist die
Ursache, dass Seen, Ströme und Flüsse im Winter nicht ausfrieren, dass vielmehr
Leben und Gedeihen der im Wasser lebenden Thiere und Pflanzen gesichert sind.
Bei anhaltender Kälte wird eine weitere Abkühlung des Wassers natürlich nicht
ausgeschlossen sein , eine solche kann danu aber immer nur an der dem Eise
zunächst befindlichen Berührungsschicht erfolgen; führt diese bis zur Erstarrung,
so erfolgt ein Dickenwachsthum dos Eises von obeu nach unten.
Die Ausdehnung des Wassers beim Gefrieren ist eine sehr bedeutende, sie
betrügt etwa 1 9 de* Volumens der Flüssigkeit. Dadurch erklärt sich die zerstörende
Wirkung des gefrierenden Wassers überall da, wo räumliche Verhältnisse der
Ausdehnung Widerstand bieten. In Felsspalten gefrierendes Wasser sprengt Felsen
mit elementarer Gewalt oder lockert (bei kleinen Mengen) die Slrnctur des
Minerals, macht es anderen meteorologischen Einflüssen (Luft- und Wärmezutritt i
leichter zugänglich und leitet so die Verwitterung ein. Bomben mit Wasser gefüllt
und bis auf den Gefrierpunkt abgekühlt, werdeu gesprengt, Bottiche auseinander-
getrieben u. s. w.
Beim Gefrieren des Wassers wird Wärme frei: diese Wärme aber theilt
sich der umgebenden Luft und den angrenzenden Fl üssigk einschichten mit. und
ist die Veranlassung, dass das Erstarren nicht plötzlich und mit eincmmal, sondern
langsam und allmälig vor sich geht.
Wie schon oben wiederholt bemerkt, erstarrt das Eis gemeiuhin bei 0°. Es
gibt aber auch Fälle, wo da.« Wasser eine Temperatur von —8° bis — 10°, ja
noch darunter annehmen kann , ohne zu erstarren. Diesen abnormen Zustand
bezeichnet man mit Ueberka Itung des Wassers. Ein derart überkaltetes Wasser
erstarrt jedoch bei der Berührung oder bei der geringsten Bewegung sofort. Es
lässt sich dies sehr hübsch experimentell nachweisen und damit zugleich der
Beweis verbinden, dass beim Erstarren Wärrae frei wird. Zu diesem Behufo dient
am besten ein chemisches Thermometer , dessen Gefäss in Wasser taucht, welches
von einer luftleeren Glashülse umschlossen ist. Uoberkaltet man dieses Wasser
vorsichtig bis — 10° und erschüttert dann, so gefriert 1 s des Wassers. Der Re*t
bleibt in Folge der frei werdenden Wärme flüssig und das Ganze erwärmt sich
bis auf 0\ Hierdurch wird nicht nur das Freiwerden der Wärme nachgewiesen,
sondern auch, dass der G ef ri e rpun k t des W as sers, selbst bei überkaltetem,
unverändert bei 0° liegt.
Die Umstände , welche eine solche abnorme Uebcrkaltung verursachen, sind
noch nicht genügend erklärt: bekannt ist nur. dass absolute Ruhe des Wassers,
besonders unter gleichzeitiger Verminderung des Luftdruckes, andererseits aber
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EIS.
607
auch sehr starker Druck oder heftigste Bewegung der Ueberkaltung förderlich
sind. Ich bin geneigt, diese Erscheinungen auf das Beharrungs-
vermögen zurückzuführen, auf das Bestreben der Flüssigkeitstkeilchen,
im bisherigen flüssigen Zustande zu verharren, auf das Widerstreben gegen den
Uebergang in den festen Zustand. Die Ueberkaltung durch starke Bewegung er-
kläre ich als eine einfache Folge mechanischer Reibung. Eine Erniedrigung des
Gefrierpunktes wird durch Ueberkaltung nicht bewirkt.
Die beim Erstarren frei werdende Wärme wurde früher als latente Wärme
bezeichnet, man nahm an, dass diese Wärme als solche im Wasser vorhanden,
aber in einer Form vorhanden sei, welche sie der Wahrnehmung durch das
Thermometer entzöge. Heute bezeichnet man diese Wärme richtiger als Schmelz-
wärme oder Erstarrungs wärme, d.h. als diejenige Wärmemenge, welche
beim Schmelzen des Eises zu Wasser in Arbeit umgewandelt wird , welche
das Wasser flüssig erbalt, beim Erstarren aber, wo die Arbeit der Erhaltung
der Fluidität nicht mehr geleistet zu werden braucht, wieder in Wärme zurück-
verwandelt wird.
Die Schmelzwärme des Eises ist eine sehr bedeutende. Wenn Eis bei
stetig zugeführter Wärme schmilzt, so bleibt ein in das Eiswasser tauchendes Thermo-
meter so lange eonstant auf 0° stehen, als noch das kleinste Stückchen unge-
schmolzenes Eis vorhanden ist. Die stetig zugeführte Wärme ist durch das Thermo-
meter nicht wahrnehmbar, sie wird völlig zur Lockerung des inneren Zusammen-
hanges der Tbeilchen verwendet. Die Schmelzwärme des Eises ist gleich 80.025
Wärmeeinheiten, d.h. um 1kg Eis von 0° aus dem festen Zustand in den
flüssigen, also in Wasser von 0°, Überzuführen, ist 1 kg Wasser von 80.025° nöthig,
d. i. soviel Wärme, um 1kg Wasser von 0° auf 80.025° zu erwärmen. Diese
hohe Schmelzwärme erklärt auch die bei dem obigen kleinen Experimentalversnch
autfallende Erscheinung, dass nur r8 der ttberkalteten Masse erstarrt.
Die Schmelzwärme oder Erstarrungswänne ist aber nicht allein die Ursache
des langsamen Gefrierens der Flüsse, Seen und Meere, sie ist auch die Ursache
des langsamen Schmelzens des Eises. Eis würde viel schneller schmelzen, wenn es
nicht die zum Schmelzen nöthige Wärme seiner Umgebung erst wieder entzöge.
Da das Wasser beim Gefrieren sich ausdehnt, so muss naturgemäss das Eis
beim Schmelzen sich zusammenziehen, es muss eine Voluraverminderung
eintreten. Setzt man das Volumen des Wassers bei 4° gleich 1, ro ist
das Volumen des Eises bei 0° = 1.09082,
„ „ „Wassers,, 0» = 1.00012.
Der Gefrierpunkt des reinen Wassers liegt bei 0° und wird , wie schon oben
experimentell nachgewiesen wurde, durch Ueberkaltung nicht herabgedrückt. Wohl
aber lässt sich eine Depression des Gefrierpunktes auf verschiedene
Weise erreichen. Mischt man Wasser mit etwas Alkohol, so sinkt der Gefrierpunkt
unter 0°; beim Erstarren bildet sich reines Eis, der Alkohol befindet sich quan-
titativ im flüssigen Rückstände. Aehnlich wirken gelöste Salze: Lösungen gefrieren
erst unter 0°, und zwar um so tiefer unter 0°, je concentrirter sie sind; nach
Rudorf ist die Erniedrigung dem Procentgehalte der Lösung proportional, und
zwar entspricht im Durchschnitt 1 Procent der Lösung an Kochsalz einer Vermin-
derung des Gefrierpunktes um 0.6°;
mit 2 Procent Kochsalz gefriert Wasser bei —2°,
12 7 oo
Das Meerwasser gefriert erst bei — 2.2° bis — 2.6° und weicht von dem Süss-
wasser der Flüsse und Seen auch darin ganz wesentlich ab, dass seine grösste
Dichtigkeit erst bei — 5° liegt. Dadurch erklärt sich die Bildung vou
Grundeis und vor Allem die Entstehung der Eisberge in den Polarmeeren.
Beim Gefrieren des Meerwassers erstarrt nur reines Wasser; die Salze bleiben in
concentrirter Lösung flüssig. Dieser Umstand lässt vielleicht auch die verhältniss-
mässig starke Ueberkaltung des Meerwassers selbst bei heftigster Bewegung erklären.
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606
EIS.
Diese Eigenschaft des Wassers wird in kalten Klimaten nicht selten benutzt,
um alkoholische Flüssigkeiten oder Salzlösungen durch Ausfrieren zu con-
centriren; anderseits benutzt man diese Methode in Polarregionen, um aus dem
erhaltenen Eis durch Schmelzen ein trinkbares Wasser zu erhalten.
Starker Druck bewirkt nicht nur eine Ueberkaltung des Wassers; durch die
Versuche von Thomson und Moussox ist bewiesen, dass Eis bei einer Temperatur
unter 0° durch einen sehr hohen Druck wieder tropfbar flüssig wird.
Diese Eigenschaft ist die Ursache der Regelation des Eises, d. h. des
Wiedergefrierens, des Aneinanderfrierens zweier Eisstücke. Dieser Vorgang ist noch
nicht genügend befriedigend erklärt. Die Regelation durch hohen Druck ist gewisser-
massen ein Zusammenschweissen zweier Eisstücke zu einem einzigen compacten
Stück. Eis, zwischen 2 Holzstücken zusammengepresst, welche gleichmässige flache
Höhlungen haben, gibt eine aus einem Stücke bestehende Eislinse. Diese eigen-
tümliche Eigenschaft zeigt sich aber auch bei minder starkem Druck und Faraday
hat nachgewiesen, dass die Regelation auch unter Umständen eintrat, wo der
Druck ausgeschaltet, also unmerklich war. In allen Fällen aber ist Schmelzwasser
an den Berührungsstellen beobachtet worden, welches als das eigentliche Kriterium
der Regelation betrachtet werden muss, denn dieRegelationerfolgtnicht,
wenn das Eis nicht im Schmelzen begriffen ist, also nicht, wenn es
kälter ist als 0°. Schnee ballt bekanntlich unter 0° nicht zusammen, dagegen
ballt er durch heftiges Drücken zwischen den Händen und umso leichter und voll-
ständiger, je näher dem Schmelzpunkte. Das Ballen des Schnees ist eine
einfache Regelationserscheinung. Wenn ich die Regelation durch Druck
mit dem Zusammenschweissen des Eisens verglichen habe, so kann ich das Regeliren
an blossen Berührungspunkten mit dem Anhaften an einem Magnet vergleichen:
man kann leicht mit einem obersten Eisstücke sämmtliche darunter liegenden in
die Höhe heben. Vielleicht Hesse sich die Erscheinung so erklären, dass durch
Reibung an den Beruhrungsstellen ein gewisser Wärmeeffcct erzielt wird ; mit dem
dadurch erfolgten Schmelzen des Eises hört sowohl Reibung, wie Wärmeeffect auf,
das Schmelzwasser erstarrt, das Eis ist regelirt.
Durch die Regelation erhält das Eis eine gewisse Elasticität, eine Ge-
schmeidigkeit, welche sich am schönsten beim Gletschereise zeigt. Dieses vermag
beim langsamen Abwärtsgleittn vermöge seiner Schwere die Formen der Thälcr
auszufüllen, sich diesen anzupassen, über Erhöhungen wegzuschreiten und an steilen
Wänden abzustürzen. Auch die Neubildung der Gletscherspitzen erfolgt aus dem
frisch gefallenen Firnenschnee durch Regelation.
Die Krystallform des Eises ist hexagonal, seltener rhombisch; die hexagonale
Form zeigt sich besonders schön beim Schnee in hoxagonalen Nadeln, welche sich
zu sechsstrahligen Schneesternen von mannigfacher Gestalt gruppiren. Nach Tyndall
besteht das Eis aus lauter Schneesternen. Es bricht vermöge seiner Krystallisation
das Licht doppelt. Trockenes Eis leitet Wärme und Elektricität schlecht. Es läset
die leuchtenden Lichtstrahlen durch, während es die dunklen Wärmestrahlen abaorbirt
und sich dadurch erwärmt und schmilzt. Die speeifische Wärme ist, Wasser = 1
gesetzt, nach Hess 0.5. Das Eis ist flüchtig, d. h. es verdampft selbst bei
grösster Kälte , was sich durch eine einfache Gewichtsbestimmung ermitteln lässt.
Aber auch schon der blosse Augenschein zeigt , dass die ursprünglich scharfen
Kanten sich abstumpfen und verschwinden. Bei diesem Verdunsten des Eises ist
ein vorheriges Schmelzen nicht wahrnehmbar. Das Eis lässt sich sogar im Vacuum,
ohne zu schmelzen, sublimiren. Das Nichtschmelzen erklärt sich dadurch, dass das
Eis beim Verdampfen soviel Wärme absorbirt, dass die zurückbleibende Eismasse
stets unter 0° erhalten wird.
Die Verbreitung des Eises auf der Erde richtet sich nach den klimatischen
Verhältnissen; während es in der hei.ssen Zone eine kaum gekannte Erscheinung
ist , tritt es in den tieferen Lagen der gemässigten Zone zur Winterszeit, also
vorübergehend, und nur auf den höchsten Spitzen hoher Gebirge tritt es dauernd
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EIS. 609
als Gletscher auf. In den Polargegenden erscheint es in ungeheurer Menge, theils
als Gletscher, theils als Eisfelder oder als im Wasser schwimmende Eisberge von
oft mehr als 100 m Höhe, häufig auch als Gründen. Das Eis dieser Polargegenden
zeichnet sich durch ganz besondere Festigkeit und Härte aus.
Die Verwendung des Eises gründet sich auf seine wärmeentziehenden
Eigenschaften. In der Medicin wird es daher bei acut entzündlichen Processen in
Form von Eisumschlagen, innerlich gegen Erbrechen in Form sogenannter Eispillen
benutzt. — Im Haushalte dient es, vorzugsweise in der warmen Jahreszeit, zur
Präaervirung des Fleisches, der Butter und anderer Nahrungsmittel ; dazu dient der
Eisschrank, in dessen Doppelwanduugen das Eis eingeführt wird ; die Wirkung
ist hier eine indirecte durch Herabminderung der Lufttemperatur. — Weit umfang-
reicher ist die Verwendung des Eises in der Brauerei und Spiritus-
brennerei. Die allgemein eingeführte bayerische Braumethode macht sowohl
zum Kuhlen der Maische, als auch für die spStere Nachgährung, die Verwendung
eisigkalter Luft zur Bedingung, welche sich nur bei Verwendung von Eis in
grosser Menge erzielen lllsst.
Eis als Handelswnare. Diese vielseitige und weitgehende Verwendung
des Eises hat sich erst in den letzten 15 — 20 Jahren eingeführt und den früher
kaum beachteten Artikel zu einem nicht unwichtigen Handelsartikel gemacht. Das
im Winter in kleinen Flüssen , Seen , Teichen sich bildende Eis wird gesammelt
und in Eiskellern aufbewahrt. Da das Eis als Kühlmittel Wärme zu absorbiren
hat, schmilzt es; das Schmelzwasser muss in gewissen, durch die Lufttemperatur
bedingten Zwischenräumen abgelassen und durch neues Eis ersetzt werden.
Durch diese Form des Bedarfs hat sich der Eishandel und das Eisabonne-
ment eingeführt. Der Preis der Handelswaare richtet sich ganz nach der an-
nähernden Gesammtproduction des Winters im Verhältnis zur darauffolgenden
Sommertemperatur. Bei geringer Production und darauf folgendem anhaltend
heissem Sommer kann Eis sogar eine sehr kostbare Handelswaare werden. Im
Jahre 1885 hat sogar der Wintervorrath den Bedarf nicht annähernd gedeckt,
so dass Eis ein Importartikel erster Classe wurde; es wurden im Sommer 1885
ganze Schiffsladungen norwegisches Eis über Stettin nach Deutschland ein-
geführt. Dieser stets wachsende Eisverbrauch ist eine Veranlassung zur Darstellung
künstlichen Eises geworden (s. d. nächsten Artikel).
Eis als Medicament. Die Verwendung des Eises als Arzneimittel hat die
Frage nahe gelegt , ob dasselbe in den Apotheken vorräthig zu halten sei , und
ist in einzelnen Staaten das Eis, obgleich in die Series medicaminum nicht aufge-
genoromen, in den Apotheken obligatorisch vorräthig zu halten. Zur Aufbe-
wahrung kleiner Mengen Eis hat das preussische Kriegsministerium folgende
höchst zweckmässige Vorschrift gegeben: „Ueber ein irdenes Gefäss wird ein
Stück recht losen, oder mit einigen kleinen Löchern versehenen, Wasser leicht
durchlassenden Flanells gebunden, gross genug, um bis in die Mitte des Gefässes
trichterförmig hinabgedrückt zu werden. In diesen Flauelltrichter wird das zer-
kleinerte Eis gethan und das Gefäss mit Flanell zugedeckt. Das Eis muss mög-
lichst frei von Schmelzwasser, und das Gefäss möglichst fest zugedeckt bleibeu."
Zum innerlichen Gebrauch darf Roheis in keinem Falle verwendet werden,
da es, abgesehen von mechanischen Verunreinigungen , Bacterien enthalten kann.
Vielmehr soll nur ein aus destillirtem Wasser bereitetes Kunsteis, wie solches
bei der Vermehrung der Eismaschinen und bei der jetzigen Form des Eishandels
leicht zu beschaffen ist, dispensirt werden. Oanswindi
Ei8, künstliches. Der stetig zunehmende Bedarf an Eis für die verschieden-
artigsten Zwecke, die ungenügende Ausbeute bei milden Wintern, die Uebelstände
der Magazinirung in warmen Sommern, vor Allem aber die berechtigte Forderung
der Medicin und des Haushaltes nach einem reineren Eise , als das natürliche
meist sein kann , haben zur Herstellung künstlichen Eises geführt , welche
Real-Encyclopädie der Res. Pharmacie. III. 39
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EIS. — EISBEUTEL.
aus kleinen Anfangen zu einer eigenen Industrie, der Eisfabrikation, ange-
wachsen ist.
Daß der Eiserzeugung zu Grunde liegende Princip ist die Herstellung von
Temperaturen unter 0°. Das lässt sich auf drei verschiedenen Wegen erreichen:
1. durch Bereitung von Kältemischungen; 2. durch Verdunsten von Flüssigkeiten
bei niedrigen Temperaturen; 3. durch Verflüchtigung comprimirter Gase. Die
Methoden sub 2 und 3 erfordern mehr oder minder compficirte Maschinen, Eis-
maschinen.
Eiserzeugung durch Kaltemischungen. Diese ist verhältnismässig
einfach und auch in kleineren Dimensionen ausführbar. Als Kältemischung wurde
ursprünglich die schon von Fahresheit zur Feststellung des Eispunktes an seinem
Thermometer benutzte angewendet : Schnee und Kochsalz. Die auch heute noch in
Haushaltungen, Conditoreien etc. durchgehends verwandte Kältemischung besteht
aus gleichen Gewichtstheilen von zerstossenem Roheis und Kochsalz und gibt eine
Temperatur von — 17.7°. Wo Roheis nicht zur Verfügung steht, empfiehlt sich
folgende Mischung: 1 Th. Soda, 1 Th. Salpeter, 1 Th. Wasser, Temperatur — 29°.
Neuerdings ist statt des Kochsalzes die Anwendung von Chlormagnesium (auch
Chlormagnesium - Chlorkalium , der bisher werthlose Rückstand der Mutterlaugen
aus den Salzwerken) empfohlen worden, welches mit gleichen Theilen Eis gemischt
eine Temperaturorniedrigung von — 33° gibt. Zur Erzeugung von Eis in grossem
Maassstabe sind Kälten) ischungeu zu kostspielig.
Eiserzeugung durch Verdunstung von Flüssigkeiten. Leicht
flüchtige Flüssigkeiten, wie Aether, und solche, welche ein leicht zu entbindendes
Gas gelöst enthalten , wie Ammoniak , absorbiren beim schnellen Verdunsten eine
grosse Menge von Wärme und bewirken dadurch eine wesentliche Temperatur-
vermindernng. Noch bedeutender wird der Kälteeffect, wenn man zwei leicht flüchtige
Flüssigkeiten, von denen die eine in der anderen gelöst ist, unter Anwendung des
Vacuums zur Verdunstung bringt. Tessie du Motay empfiehlt hierzu eine Lösung
von schwefliger Säure in Aether , oder Ammoniak in Aether , ferner schweflige
Säure in Schwefelkohlenstoff und schweflige Säure in Chloroform. Am häufigsten
ist die Verwendung des Ammoniaks zur Eisbereitung. Hierzu dient die CARRE'ache
Eismaschine (s. d.).
Eiserzeugungdurch Wiederausdehnung zusammengepresster
Gase. Das Princip ist natürlich dasselbe, nur der Kälteeffect ist ein bedeutenderer.
Von solchen verflüssigten Gasen gelangen bei der Fabrikation zur Verwendung
flüssige Kohlensäure, Schwefligsäureanhydrid, die unter 0° siedenden Antheile des
Petroleums (Cymogens). Hierzu genügen meist die Maschinen von Carre, sowie
die von Pietet & Co. Neuerdings wird von Wjndhause.v in Braunschweig com-
primirte Luft zur Eisfabrikation in eiuer eigens construirten Maschine verwendet.
Die durch das Verdunsten von Flüssigkeiten oder comprimirten Gasen erzeugte
Temperatur beträgt je nach der Wahl des Mittels und je nach der Schnelligkeit
der Verdunstung — 25° bis — 7CK
Das künstliche Eis erscheint in Platten von bestimmten Dimensionen , ist rein
weiss und, weil fast stets lufthaltig und krystallinisch, undurchsichtig. Es wird
in einzelnen Fällen aus destillirtcm Wasser bereitet und eignet sich daher vorzüg-
lich zu innerlicher Anwendung, zu Eislimonaden u. dergl. m. Ganswindt.
Eisbeutel sind sackförmige Beh älter zur Aufnahme des Eises, um dasselbe zur
Hcrabminderung der Bluttemperatur bei Entzündungen direct anwenden zu können.
Sie haben, je nach dem Orte, wo sie applicirt werden , verschiedene Formen und
werden nach dieser Form eingetheilt in Stirn-, Hals-, Kopf-, Herz- und
Le i b- Eisbeutel. Als Material dient Gummi, wasserdichter Stoff- oder Pergament-
papier, und man unterscheidet darnach G u m m i- und Stoff- Eisbeutel. Sämmtliche
Eisbeutel besitzen eine Einfüllöffnung (Hals), welche meist nicht biegsam ist : der
Hals besteht gewöhnlich aus einem Blechring, seltener aus einem Hartgummiring
oder Holzring und der Verschluss aus einer Kappe von Blech oder Weichgumnai.
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EISBLÜTHE - EISEN. Gtl
EisblÜthe, volksth. Name für -Flores La mii albi. — Eiskraut ist Meaem-
bryanthemum.
Eisen (technisch). Dieses wichtige Metall kommt auf der Erde nur aus-
nahmsweise in gediegenem Zustande vor, dagegen ist es in Form von Verbindungen
sehr weit verbreitet. Gediegenes Eisen ist beispielsweise in den meisten Meteoriten
enthalten, von denen die sogenannten „Eisenmeteoriten" nahezu vollständig
aus gediegenem Eisen und Nickel bestehen (meteorisches Eisen). Die Quantitäten,
in denen auf diese Weise gediegenes Eisen aus fernen Welträumen auf die Erde
gelangen, sind nicht unbeträchtliche. Die von Pallas in Sibirien aufgefundene
Masse wog 800 kg, diejenige von Bahia in Brasilien 7000 kg, eine in Peru auf-
gefundene etwa 16000 kg. Ausser diesen sind noch zahlreiche andere Meteoriten
bekannt, deren Gewicht zum Theil noch Ober das letztaufgeführte hinausgeht. Das
auf der Erde selbst gebildete gediegene Eisen, sogenanntes tellurisches Eisen,
kommt verhältnismässig seltener und auch in kleineren Quantitäten vor. Allerdings
sind Fälle zur Beobachtung gelangt, in welchen sich erhebliche Quantitäten gebildet
hatten, wenn in Brand gerathene Steinkohlenflöze mit Eisenerzen in Berührung
kamen : davon abgesehen aber findet es sich nur selten und in kleinen Quantitäten
in Gesteinen eingesprengt, die als das Product vulcanischer Thätigkeit anzusehen
sind. So kommt es nach Andkews in Körnchen im Basalt von Giants cause way
im Norden von Irland vor, desgleichen in der alten Lava der Auvergne.
Verbindungen des Eisens dagegen sind auf der Erde so weit verbreitet,
dass man das Eisen mit Recht als das verbreitetste unter den Metallen ansehen
kann. So ist es z. B. ein regelmässiger Bestandtheil des Chlorophyllgrüus der
Pflanzen und des rothen Blutfarbstoffes. Ausserdem aber findet ei sich als zufälliger
und wesentlicher Bestandtheil in ganz enormen Mengen in der unorganischen
Natur vor. Die wichtigsten derjenigen Mineralien, in denen Eisen den wesent-
lichen Bestandtheil bildet — welche aus diesem Grunde auch als „Eisenerze"
zusaramengefasst werden — sind nachstehende :
1. Magneteisenstein, Fe3Ot, am häutigsten in Schweden, Norwegen, am
Ural, in Pennsylvanien, ferner in Sachsen, Oesterreich und am Harz vorkommend,
enthält in reinem Zustande 31 Procent Eisenoxydul, FeO, und 69 Procent Eisen-
oxyd, FeaO.,, oder 72.4 Procent metallisches Eisen, i
2. Eisenglanz, dichtes Eisenoxyd, Fej03, in Schweden, auf Elba, auch in
Mitteldeutschland. Enthält in reinem Zustande 69.99 Procent metallisches Eisen.
3. Rotheisenstein ist weniger dichtes Eisenoxyd, FeäOJf als das vorige
und kommt namentlich in Frankreich und Deutschland , auch in England vor.
Enthält in reinem Zustande 69.99 Proceut metallisches Eisen. Gehört zu den
wichtigsten Eisenerzen Deutschlands.
4. Brauneisenstein oder Eisenoxydbydrat Fe2 (OH),; , sehr verbreitet in
Deutschland, seltener in Frankreich, England und Spanien. Enthält in reinem
Zustande 85.58 Procent Fej03 oder 59.9 metallisches Eisen. Abarten dieses
Erzes sind Glas köpf, Sumpferz, Bohnerz, Seeerz.
5. Spatheisenstein (Flinz, Pfünz, Stahlstein, Weisserz;, kohlensaures Eiseu-
oxydul, FeCOj, enthält iu reinem Zustande 48.3 Procent metallisches Eisen.
Kommt besonders in Steiermark, Kärnten, am Rhein, iu Frankreich, Italien und
Spanien vor.
6. Eisenkies oder Pyrit, zweifach Schwefeleisen, FeSa, ist ein ausser-
ordentlich weit verbreitetes Mineral , das namentlich in Deutschland (Westphalen)
in colossalen Lagern angetroffen wird.
Ausser diesen wichtigeren Eisenerzen wären noch zu erwähnen Magnetkies,
Fe, Sa, Kupferkies, CuFeS3, und Arsenkies, Fe(AsS)a, obgleich diese
letzteren für die Gewinnung von Eisen nicht iu Betracht kommen.
Die Frage, zu welcher Zeit gediegenes Eisen aus seinen Erzen zuerst abge-
schieden wurde, lässt sich mit Sicherheit nicht beantworten. Ausser allem Zweifel
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C12
KISEN.
steht allerdings, dass die Bereitung von metallischem Eisen aus dessen Erzen
schon in vorgeschichtlicher Zeit aufgefunden wurde. In der Bibel beispielsweise
ist Moses, V, 4. 20 und Hiob, 28, 2 von Eisen als etwas längst Bekanntem die
Bede. Ob aber die Erfindung der Eisendarstellung den Indern , Chinesen oder
Aegyptern zuzuschreiben ist, lässt sich nicht entscheiden.
Auch über die Stellung, welche das Eisen anderen Metallen gegenüber in der
Culturgefichichte einnahm, macht man sich vielfach recht irrige Vorstellungen. In
der Regel wird angenommen, dass auf die sogenannte Steinzeit das Zeitalter der
Bronze, und auf dieses dasjenige des Eisens folgte. Diese Voraussetzung stützt
sieh wesentlich darauf, dass aus der alten Zeit entstammende Bronzegegenstände
in reichlicher Zahl, solche von Eisen dagegen in weit geringerem Umfange über-
liefert wurden. Demgegenüber darf man jedoch nicht ausser Acht lassen , dass
Bronze ein viel wetterfesteres Material ist als Eisen, zu dessen Zerstörung ein
verhältnissmassig beschränkter Zeitraum ausreicht. Ziehen wir ausserdem noch in
Betracht, dass die Ausbringung von Eisen aus seinen, in grosser Reinheit vor
kommenden Erzen ein Process war, der weniger metallurgische Kenntnisse und
technische Hilfsmittel erforderte, als die Darstellung von Bronze, welche die Her-
stellung von metallischem Kupfer und Zinn voraussetzte, so wird man unschwer
zu der Ueberzeugung gelangen, dass wesentliche Gründe dafür, es sei Kupfer eher
bekannt gewesen, als Eisen , nicht vorliegen , dass vielmehr vielleicht gerade das
Oegentheil der Fall war. Höchst wahrscheinlich aber lagen die Verhältnisse so,
dass auch schon in vorgeschichtlicher Zeit Eisen neben Kupfer und Bronze zu
einer Reihe von Gebrauchsgegenständen benutzt wurde, wenn vielleicht auch nur
in beschränktem Maasse. Es wird in der alten Zeit, die mit den Anfängen der
Geschichte beginnt und mit der Völkerwanderung endet, das Eiseu zwar bekannt
gtwesen, aber wenig verwerthet worden sein , während die Bronzen allgemeine
Anwendung fanden. Eine zweite Epoche unifasst die Zeit nach der Völker-
wanderung bis zum Mittelalter, d. h. bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts. In
dieser gelangte das Eisen zur Aufuahme als Material für Waffeu und Werkzeuge.
Mau erzeugte zunächst nur Schmiedeeisen und Stab!*, und zwar direct aus den
Erzen : am Ende dieser Periode aber lernte man flüssiges Roheisen gewinnen, benützte
auch schon mechanische Betriebskräfte. Die neueste Zeit endlich, von der
Mitte des 15. Jahrhunderts bis zur Gegenwart reichend, bildete die Methode der
Gewinnung von Roheisen und der Darstellung von Schmiedeeisen und Stahl aus
diesem immer mehr aus. Maschinelle Hilfskräfte werden immer mehr herangezogen,
bis sich endlich jene ungeheure Industrie herausgebildet hat, deren wir uns gegen-
wärtig erfreuen.
Schmiedeeisen, Gusseisen und Stahl. Die ungemeine Wichtigkeit, welche das
Eisen für den gegenwärtigen Culturabschnitt besitzt, ist nicht auf Eigenschaften
zurückzuführen, welche dem reinen Eisen als solchem zukommeu. Das letztere
erlangt seine geschätzten Eigenschaften erst dadurch , dass es einen gewissen
Procentsatz von Kohlenstoff aufnimmt. In dem Grade, wie diese Aufnahme erfolgt,
nimmt das metallische Eisen charakteristische Eigenschaften au, auf Grund deren
man die verschiedeneu Eisensorten in drei verschiedene Gruppen einzutheilen
pflegt.
Gusseisen, leicht schmelzbar, enthält Kohlenstoff . . 3 — 5.93 Procent
Stahl, weniger leicht schmelzbar, elastisch .... 0.6 — 2.3 „
S chmiedeeisen, schwer schmelzbar, zähe . . . 0.08 — 0.6 „
Die vorstehende Znsammen Stellung bezweckt lediglich eine vorläufige Orientirung,
genauere Angaben folgen weiter unten.
Die Eisengewinnung bei den Alten gestaltete sich zu einem ziemlich
einfachen Process. Sie benutzten durchwegs sehr reine oxydische Erze und gewannen
aus ihnen durch Rednction metallisches Eisen. Die Hilfsmittel , über welche sie
verfügten, waren die denkbar bescheidensten. Als Feuerungsstätten besassen sie
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EISEN.
613
kleine Herde und Oefen, als Reducinuaterial wurde Holzkohle verwendet. Ebenso
einfach waren die Mittel zur Hervorbringung der nothwendigen hohen Temperatur.
Ursprünglich placirte man die Oefen an möglichst günstigen Orten, so das* der
natürliche Luftzug eine rasche Ergänzung des beim Verbrennungsprocess ver-
brauchten Sauerstoffs vermittelte. Später mögen Blasebälge, von Menschenhand be-
trieben, in Gebrauch gewesen sein. Immerhin war der erreichte Effect ein nur
geringer. Temperaturen, wie sie zur Verflüssigung des Eisens notbwendig sind,
konnten auf solchem Wege nicht erreicht werden. Damit stimmt denn auch Uberein,
dass die Alten das Gusseisen überhaupt nicht kannten, vielmehr bei ihren auf
Eisengewinnung gerichteten Operationen stets eine nicht geschmolzene schwammige
Masse erhielten, welche sich mehr oder weniger denjenigen Eisensorten näherte, welche
wir gegenwärtig Stahl und Schmiedeeisen nennen , die übrigens eiu zur weiteren
Verarbeitung sehr taugliches Material darstellte. Dieser metallurgische Proeess, welcher
ein schwach kohlehaltiges Eisen ergab, Hess sich sehr wohl bei Temperaturen zwischen
700 und 800° ausführen. Dabei hatte man es zunächst noch nicht in der Gewalt,
nach Wunsch Schmiedeeisen oder Stahl zu erzeugen, es hing dies vielmehr von
einer Reihe zufälliger Bedingungen ab, auch von der Natur der Erze , so dass
gewisse Gegenden in dem Rufe standen, ganz besonders brauchbare (harte) Eisen-
sorten zu liefern. In vorzüglichem Ansehen stand beispielweise das Land der
Chalyber und die Gegend von Norikum ; bezeichnete man doch eine ganz besonders
harte Stahlsorte aus diesem Grunde mit yxksj.
Allmälig lernte man vorhandene Wasserkräfte zum Betriebe zu benutzen ; es
wurde dadurch möglich, höhere Temperaturen zu erzeugen, man lernte schliesslich
das Eisen in geschmolzenem Zustande kennen und darstellen. Was die eben
skizzirte älteste Art der Darstellung des Eisens von uaseren modernen Ver-
fahren unterscheidet, ist der Umstand, dass die Alten aus ihren Erzen das zu
ihren Geräthen nothwendige Eisenmaterial d i r e e t erzengten, während gegenwärtig
die verschiedensten Eisensorten durchwegs in der Weise dargestellt werden, dass
nur ein Rohproduct — Roheisen oder Gusseisen — dargestellt wird, welches das
Ausgangsmaterial für alle übrigen Eisensorten bildet ; der moderne ist daher zweck-
mässig als indirecter Proeess zu bezeichnen.
Die Darstellung des Eisens in der Gegenwart. Das erste Ziel der
modernen Eisenindustrie ist unter allen Umständen die Abscheidung von Roh-
eisen aus den Erzen. Für die Verhüttun;? kommen zur Zeit lediglich die sauer-
stoffhaltigen Eisenerze in Frage ; die in colossalen Lagern vorkommenden Schwefel-
erze (Schwefelkies, Pyrit) werden zur Eisengewinnung nicht benutzt. Aber auch
unter den sauerstoffhaltigen Erzen existiren mannigfache Verschiedenheiten, insofern
zur Erlangung bestimmter Eisensorten gewisse Erze am besten sich eignen, l'm aber
den Mechanismus der Fabrikation eiuigermaasseu überblicken zu können, müssen
wir uns zunächst über die Eigenschaften der drei Eisensorten informiren , unter
welche sich die zahlreichen Varietäten unterordnen lassen. — Man classificirt die
verschiedenen Eisensorten in der Regel als Roh- oder Gusseisen, Stahl und
Schmiedeeisen. Chemisch unterscheiden sich diese drei von einander durch
ihren Gehalt an Kohlenstoff, der beim Schmiedeeisen das Minimum, beim Guss-
eisen das Maximum beträgt. Damit stehen im Zusammenhange wichtige physi-
kalische Eigenschaften, welche dem Eisen überhaupt erst seinen Werth als Nutz-
metall verleihen. Das feinste Eisen mit dem geringsten Kohlenstoffgehalt —
Schmiedeeisen — ist sehr weich, sehr schwer schmelzbar und ausserordent-
lich zähe. Roheisen, welches den höchsten Kohlenstoffgehalt aufweist, ist im
Gegensätze zu diesem sehr hart, leicht schmelzbar, aber zugleich spröde. Stahl,
welcher im Kohlenstoffgehalt in der Mitte zwischen den beiden eben erwähnten
steht, vereinigt in sich die Zähigkeit des Schmiedeeisens mit der SprÖdigkeit des
Gusseisens. Das Product dieser Vereinigung verschiedener Eigenschaften ist eine
neue Eigenschaft: die der Elasticität. Auch bezüglich seiner Schnielzbarkeit
und Härte nimmt er die Mitte zwischen deu beiden anderen Eiseusorteu ein.
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EISEN.
Nachfolgende Uebcrsicbt wird am besten im Stande sein, die Differenzen be-
züglich der Schmelzbarkeit der verschiedenen Eisensorten zum Ausdruck zu bringen j
die Unterschiede zwischen grauem und weissem Roheisen werden später (bei Roh-
eisen) besprochen werden.
Es schmelzen:
Leicht schmelzbares weisses Roheisen bei 1050°
Schwer „ „ „ „ 11000
Leicht schmelzbares graues Roheisen „ 1100»
Schwer „ „ „ „ 1200°
Leicht schmelzbarer Stahl „ 1300°
Schwer „ „ „ 1400°
Schmiedeeisen „ 1500—1700°
wobei indessen zu beachten ist, dass diese Angaben selbstverständlich nur unge-
fähre sind, und Schwankungen innerhalb gewisser Grenzen beobachtet werden.
a) Roheisen. Dnsselbe wird hüttenmännisch durch Reduction von Eisenerzen
mit Kohle gewonnen. Der Fabrikationsbetrieb ist ein contiuuirlicher und erfolgt
in eigentümlich construirten Oefen, den sogenannten Hohöfen oder Hochöfen,
deren Ursprung bis in die Mitte des 1 5. Jahrhunderts hinein verfolgt werden kann.
Ein Hohofen ist ein etwa 15 — 20m hoher Schachtofen, dessen äusserer
Mantel, der „Rauschacht" A aus gewöhnlichen, gut gebrannten Ziegelsteinen besteht,
während seine innere Höhlung, der ..Kernsehacht" H, mit einer Schicht feuer-
fester, sogenannter Chamotteziegel ausgekleidet ist. Der Horizontalschnitt zeigt
sich an jeder Stelle des Ofens kreisrund, der Verticaldurchschnitt dagegen zeigt
bei den einzelnen Ocfen sehr verschiedene Gestalt. Die in nebenstehender Fig. 101
veranschaulichte ältere Form ist diejenige, nach welcher auch heute noch die
meisten Oefen construirt werden ; sie hat die Gestalt zweier mit den Grundflächen
aufeinander gestellter, abgestumpfter Kegel. Der obere grössere a — c heisst der
„Schacht", der untere kleinere die „Rast", c — d. Der Theil des Ofens,
welcher den grössten Durchmesser besitzt — bei c — wird „Kohlen sack"
genannt. Unterhalb der Rast verengert sich der Ofen zu dem sogenannten
„Gestell", d — f. In dem untersten Theil des Ofens, dem „Herde" g> sammelt
sich das während des Betriebes gebildete geschmolzene Eisen au ; von dort wird
es in bestimmten Intervallen durch sogenannte „Abstichöffnungen" abgelassen,
welche während der übrigen Zeit durch Verschmieren mit Lehm geschlossen
gehalten werden. Die oberste Oeffnung a des Ofens dient zum Einfüllen der
Charge, d.h. von Erz, Kohle und Zuschlägen, und heisst „Gicht". Der Herd
g ist nach der Arbeitsöffnung verlängert und bildet eine Art Vorherd, der durch
den Wal Istein M begrenzt wird, der auf der einen Seite den Chamotteziegeln
anliegt, auf der anderen einen Schlitz für die Abstichöffnnng frei lfisst. Die vordere
Seite des Herdes wird durch den „Tümpel" o begrenzt, so dass zwischen ihm
und dem Wallstein eine schlitzförmige Oeffnung bleibt, durch welche den Schlacken
ein Ausgang ermöglicht wird. In dem Gestell befinden sich ferner zwei, drei oder
mehrere Oeffnungen, in welche die Düsen, Deusen oder Deepen genannten Mund-
stücke der Windzuleitnngsröhren /', welche den Hohofen mit Luft speisen, eintreten.
Die für den Betrieb nothwendige comprimirte Luft wird gegenwärtig durchwegs
durch das sogenannte Cylindergebläse erzeugt, d. h. durch eine doppelt wirkende,
der französischen Luftpumpe ähnlich construirte Oompressionspumpe. Um einen
möglichst gleiehmässigen Luftstrom zu verwenden, treibt das Gebläse die compri-
mirte Luft nicht direct in den Hohofen. Die letztere wird vielmehr vorher in
einem Windkessel gesammelt und erst aus diesem in den Ofen geleitet, so dass
nur kleine Druckdifferenzen eintreten können. Der Betrieb des Gebläses erfolgt
entweder durch Wasserkraft oder in Ermangelung derselben durch Dampfkraft.
Mit Pferden betriebene Göpelwerke etc. dürften nur noch ausnahmsweise einmal
vorkommen.
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EISEN.
615
In neueren Etablissements endlich wird, um Erspamiss an Brennmaterialien
herbeizuführen, die Geblaseluft erst durch geeignete Vorrichtungen vorgewärmt,
ehe sie dem Ofen zugeführt wird. Zum Vorwärmen bedient man sich entweder
der früher unbenützt entwichenen Gichtgase oder man benützt die beim Ver-
cokungsprocess abfallenden brennbaren Gase als Feuerungsmaterial, vielfach auch
wendet man das SiEMENS'sche Regenerativsystem an. Je nach den vorhandenen
Bedingungen nimmt die Luft beim Vorwärmen Temperaturen an , die zwischen
200 und 600° liegen können.
Soll ein Ofen in Betrieb gesetzt oder „angeblasen" werden, so wird zunächst
an seinem Boden ein massiges Holzfeuer angemacht, dann auf dieses andere
Brennmaterialien wie Coks, Steinkohlen, Anthracit geschichtet. Ist die Erwärmung
Fi«. 101.
bis zu einem gewissen Grade vorgeschritten , so wird das Gebläse in Thätigkeit
gesetzt oder „angestellt" , zu gleicher Zeit beginnt man die Charge einzufüllen,
d. h. man füllt den Schacht abwechselnd mit Schichten von Kohle, Eisenerzen und
sogenannten Zuschlägen bis zur Gichtöft'nung an. Die zugeführte Kohle, die bei
dem Eisenprocess die wichtige Rolle des Reductionsmittels spielt , wurde früher
ausschliesslich in Form von Holzkohle verwendet; gegenwärtig benutzt man am
häutigsten Coks, die von den Eisenhütten selbst erzeugt werden , seltener Stein-
kohlen, ganz neuerdings auch versuchsweise Braunkohleu. Unter der Bezeichnung
Zuschläge werden ganz generell Zusätze zur Charge verstandeu, welche dazu dienen
sollen, die Bildung einer Schlacke (eines Glasflusses) zu befördern, deren Wichtig-
616
EISEN.
kcit aus den später folgenden Ausführungen sich ergeben wird. Die Natur der
Zuschläge ist vollständig abhängig von der Natur der zu verhüttenden Erze. Sind
dieselben sehr reich an Silicaten und arm an Erdeu, so erhalten sie Zuschläge
von Erden, meist in Form von Kalkstein. Andererseits erhalten kieselsäurearme
Erze einen Zuschlag von Kieselsaure, die ihnen in Form von Sand, Kies etc. zu-
geführt wird, bisweilen wird auch Braunstein, Flussspath etc. zugesetzt.
Ist ein Ofen erst einmal angeblasen , so gestaltet sich sein Betrieb zu einem
continuirlicben, d. b. er wird ununterbrochen, so lange als irgend möglich, fort-
gesetzt, indem in gleichem Maasse, wie fertiges Eisen sich bildet, die Charge nach-
gefüllt wird. Die Dauer der Betriebszeit eines Hohofens wird „Hüttenreise" oder
„Campagne" genannt; sie ist abhängig von der Dauerhaftigkeit und Güte des
zum Baue verwendeten Materiales und kann für einen Ofen 2 — 10 Jahre und
darüber hinaus betragen. Das Erloschen oder „Ausblasen", beziehungsweise das
Wiedcranblaseu eines Ofens ist mit erheblichen Geldopfern verknüpft, so dass man
dieser Eventualität, so lange wie irgend möglich aus dem Wege geht Gründe für
das Erlöschen eines Ofens sind: dringende Reparaturen, nicht selten aber auch
schlechte Conjuncturen.
Wenn wir nunmehr zur Betrachtung der chemischen Vorgänge übergehen,
welche sich in einem Hohofen abspielen, so sei zunächst vorausgeschickt, dass
die nachfolgenden Ausführungen selbstverständlich keinen Anspruch auf Voll-
ständigkeit machen können, vielmehr lediglich eiu ungefähres Bild des Hohofen-
processes geben sollen.
Die durch die Gichtöffnung in den Ofen eingefüllte Charge, aus Erzen, Kohle
und Zuschlagen bestehend, sinkt in dem Maasse. wie der Eisenbildungsprocess vor-
schreitet, langsam nach dem Grunde des Ofens hin und wird natürlich in den ver-
schiedenen Theilcn des Ofens auch sehr verschiedenen Bedingungen ausgesetzt sein.
Der in vorstehender Fig. 101 zwischen a und h liegende Theil des Ofens besitzt
beispielsweise eine Temperatur von etwa 150 — 500° und wird die „Vorwärme-
zone" genannt. Innerbalb dieser wird die Charge vorgewärmt, ausgetrocknet
und aufgelockert. 8ie sinkt allmälig weiter in die den Raum zwischen b und c
einnehmende „R e d u c t i o n s z o n e". Iu dieser räumlich sehr ausgedehnten Zone
herrscht eine Temperatur von etwa 500 — 000°. Hier wirken verschiedene redu-
cirende Agentien auf das nunmehr vorhandene Eisenoxyd ein und reduciren es zu
Ebenoxydoxydul, schliesslich zu metallischem Eisen. Die in dieser Zone wirkenden
Reductionsmittel sind hauptsächlich Kohlenoxyd, Kohlenwasserstoffe, Cyanwasser-
stoffgas oder Cyankaliumdiimpfe, Substanzen, deren Auftreten dadurch zu erklären
ist, dass die durch die eingeblasene Luft entstandene Kohlensäure von dem vor-
handenen glühenden Kohlenstoff zu Kohlenoxyd reducirt wird , während Kohlen-
wasserstoffe durch Einwirkung von Wasserdampf auf die glühenden Kohlen sich
bilden, und das Auftreten von Cyanverbindungen zum Theil auf den Stick-
stoffgehalt der verwendeten Coke, zum Theil auf denjenigen der atmosphärischen
Luft zurückzuführen ist.
Das in der Reductionszone gebildete Eisen ist ursprünglich reines, d. h. kohlen-
stofffreies Eisen j ans diesem Grunde kommt es bei der in jener Zone herrschenden
Temperatur, welche nicht über 1000" hinauskommt, auch nicht zum Schmelzen
(der Schmelzpunkt des reinen Eisens liegt jenseits 2000°), vielmehr ist es in einem
sogenannten schwammartigen Zustande vorhanden. Während des Niedersinkens aber
kommt es in der Kohlungszone zwischen r und d bei einer Temperatur von
etwa 900—1500' mit glühenden Kohlen in Berührung, zum Theil auch wird
Kohlenstoff aus deu iu jener Zone vorhandenen Kohlenstoft'verbindungen (Koblen-
oxyd- und Cyanverbindungen) in Freiheit gesetzt. Unter diesen Umständen nimmt
das schwamniartige Eisen eine gewisse Menge Kohlenstoff auf und verwandelt#ich
dadurch in relativ leicht schmelzendes Roheisen oder Gusseiseu , welches/ nun
in der Schmelzzone d—e bei der dort vorhandenen Temperatur von 15ÖM bis
1700° thatsächlich zum Schmelzen gelaugt. In dieser Zone wirkt der glühende
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ELSEN.
617
Kohlenstoff reducirend auch auf die in den Erzen und Zuschlägen vorhandeuen
Verunreinigungen und reducirt die Oxyde des Phosphors, Siliciuins, Schwefeln etc.
zum Theil zu den betreffenden Elementen, welche sich ihrerseits mit dem geschmolzeneu
Eisen verbinden. Zugleich aber gelangen die den Erzen beigemengten Zuschlage
zum Schmelzen und bilden eine auf dem geschmolzenen Eisen schwimmende
Schlacke. Die Bildung der letzteren ist für den Eisengewinnungsprocess in
mehrfacher Hinsicht von Wichtigkeit. Von ihr sollen die die Erze begleitenden
wesentlichsten Vernnreinigungen aufgenommen werden ; sie hat ferner die Aufgabe,
eine schützende Hülle über dem geschmolzenen Eisen zu bilden, so dass dasselbe
von der in den Ofen eintretenden Gebläseluft nicht unnöthig oxydirt wird. Dann
aber ist der IlUttenmann auch im Stande, aus der Beschaffenheit der Schlacke
Schlüsse auf den Stand des augenblicklichen Betriebes zu ziehen.
Hat sich im Gestell eine genügende Menge von geschmolzenem Elsen angesammelt,
so wird zunächst die Schlacke durch die Schlackenöffnung und hierauf das Eisen
durch die Abstichöffnung abgelassen und letzteres direct in die vorher vorbereiteten
Gussformen geleitet. Der Abstich erfolgt in grösseren Etablissements etwa zweimal in
24 Stunden. Während des Betriebes wird oben an der Gichtüffnung stets frische
Charge nachgefüllt in dem gleichen Maasse, wie der Inhalt des Ofens niedergeht.
Das Einfüllen geschah früher in sehr primitiver Weise, so dass man Erze, Kohlen
und Zuschläge einfach in die offenen Oefen schüttete. Gegenwärtig hält man die
Gichtöffnung mit geeigneten Apparaten verschlossen, welche das Einfüllen der
Charge, zugleich aber auch das Abführen der als Brennmaterial wichtigen Gicht-
gase ermöglichen, ausserdem auch den Aufenthalt auf der Gicht zu einem weniger
gesundheitsschädlichen gestalten.
Das durch die Verhüttung erzielte Product ist das sogenannte K o h e i s e u.
Dasselbe enthält als wesentliche Bestandtheile Eisen und Kohlenstoff, ausser diesen
als mehr zufällige Verunreinigungen : Silicium, Phosphor, Schwefel, Arsen, Alumi-
nium etc. Indessen zeigen auch die verschiedenen Roheisensorten von einander stark
abweichende Eigenschaften. Zur Zeit pflegt man unter den einzelnen Sorten zwei
Haupttypen zu unterscheiden, nämlich graues Roheisen und weisses Roh-
eisen. Beide Sorten unterscheiden sich, abweichend von der früher giltigen An-
schauung, nicht so sehr durch ihren Procentgehalt an Kohlenstoff, sondern viel-
mehr dadurch, dass der Kohlenstoff in ihnen je in verschiedenem Zustande vor-
handen ist.
1. Weisses Roheisen. Dasselbe besitzt nahezu silberweisses Aussehen und
krystallinisches Gefüge und charakterisirt sich durch ziemlichen Glanz, durch grosse
Härte und Sprödigkeit. 8ein spec. Gew. liegt zwischen 7.58 und 7.68, sein
Schmelzpunkt zwischen 1000—1100°. Es enthält 3—5.93 Procent Kohlenstoff,
und zwar ist der letztere nahezu seiner Gesammtmengc nach mit dem Eisen in
chemischer Verbindung. Gewöhnlich wird angenommen, dass die hypothe-
tische Verbindung von C und Fe der Formel C Fea oder Fe^, C + Fee C entspricht.
Im Hüttenbetriebe bildet sich diese Eisensorte bei niedrigerer Temperatur als die
gleich zu besprechende graue Modification. Ausserdem erfolgt die Verschlackuug
der den Erzen beigemengten fremden Bestandtheile bei niederer Temperatur voll-
ständiger als bei höheren, welche letzteren auch noch Verluste an Eisen durch
Verschlackung herbeiführen. Aus allen diesen Gründen pflegt man reiehe Erze meist
auf weisses Roheisen (weil dieses die reinere 8orte ist) zu verarbeiten. Obgleich
dasselbe von allen Eisensorten den niedrigsten Schmelzpunkt zeigt, so lässt es sieh
doch nicht als Material für Eisenguss verwenden, da es beim Schmelzen nicht hin-
reichend dünnflüssig wird, auch während des Erkaltens sich nicht genügend aus-
dehnt, so dass bei seiner Verwendung scharfe Güsse nicht erzielt werden können.
Dagegen wird diese Eisensorte ihrer relativen Reinheit wegen vortheilhaft zur
Fabrikation von Stahl und Stabeisen durch deu Frischprocess benutzt und heisst
daher auch „Frischereiroheisen". Ein besonders reines, graphitfreies weisses
Roheisen wird wegen seiner silberweisseu Farbe und seiner stark spiegelnden
«
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BUSEN.
Flächen Weisses Spiegeleisen genannt. Dasselbe ist als reinstes Roheisen
anzusehen und besitzt hervorragende Bedeutung für die Stahlbereitung , was
besonders für die manganhaltigen Spiegeleisensorten gilt.
2. Granes Roheisen ist von hellgrauer bis dunkelschwarzgrauer Färbung
ohne besonderen Glanz und von körniger Structur. Härte und Sprödigkeit sind
etwas geringer als beim weissen Roheisen. Das spec. Gew. ist im Durchschnitt
etwa gleich 7.00, der Kohlenstoffgehalt beläuft sich zwischen 3 — 5.93 Procent.
Indessen ist nur ein geringer Theil des vorhandenen Kohlenstoffes wirklich chemisch
mit dem Eisen verbunden; vielmehr ist die Hauptmenge desselben in einer dem
Graphit ähnlichen oder gleichen Modification dem Eisen lediglich beigemengt.
Der Schmelzpunkt dieser Eisensorte liegt bei etwa 1100 — 1200°, also etwas
höher als derjenige des weissen Roheiseos. Beim Hüttenbetriebe bildet sich wahr-
scheinlich zwischen 1000 und 1100° zunächst weisses Roheisen, welches bei
weiterer Temperaturerhöhung alsdann in graues Roheisen übergeht.
Obgleich die Schmelztemperatur des grauen Roheisens höher als diejenige der
weissen liegt , so ist das graue Roheisen doch dasjenige Material , welches aus-
schliesslich zur Herstellung von Eisengusswaaren Verwendung findet, da es in ge-
schmolzenem Zustande sehr dünnflüssig ist, beim Erkalten sich merklich ausdehnt,
daher die Formen mit grosser Schärfe und Reinheit ausfüllt. Geschmiedet kann es
nicht werden , dagegen Iflsst es sich — weil weicher als das vorige — ohne
Schwierigkeiten mit Feile , Sage und Bohrer , auch auf der Drehbank bearbeiten.
Nicht ohne Interesse ist der UmBtand, dass geschmolzenes graues Roheiseu bei
schnellem Abkühlen in weisse« Roheisen, geschmolzenes weisses Roheisen dagegen
bei langsamem Erkalten in graues Roheisen übergeht.
Hämmerbarer und schmiedbarer Eisengus s. Sehr häufig ist es
wünschengwerth, Eisengusswaaren so vorzubereiten, dass sie sich leicht bearbeiten,
auch hammern uud schmieden lassen. Dies ist besonders dann wünschenswert!),
wenn ihre Oberfläche in Folge rascher Abkühlung die Härto und Sprödigkeit des
weissen Roheisens besitzt. Mau erreicht diesen Zweck durch die Tempern oder
Adouciren genannte Operation. Dieselbe besteht darin, dass man der Oberfläche der
Gussstücke entweder durch einfaches Erhitzen oder durch Erhitzen mit Chemikalien
einen Theil des Kohlenstoffes entzieht und sie dadurch weicher und bearbeitbarer
macht. Man bedient sieh hierzu der sogenannten Cementirpulver , beispielsweise
Gemischen aus Kohle. Knochenasehe, Eisenhammerschlag, Eisenoxyd, Braunstein
oder Zinkoxyd. Wie leicht ersichtlich, haben die in dem Gemisch vorhandenen
Oxyde die Aufgabe, der Oberfläche des Eisens den Kohlenstoff theilweise zu ent-
ziehen. Auf solche Weise werden gegenwärtig durch Guss eine Menge von Ge-
brauchsgegenständen dargestellt , wie Schlüssel , Klingen , Seheeren etc. , welche
sich von geschmiedeten kaum unterscheiden lassen.
Hartguss, Schaalenguss, Coquillenguss. Je nach den Bedingungen,
unter denen ein gegossener Gegenstand erkaltet, nimmt derselbe sehr verschiedene
Eigenschaften an. In Sand- oder Lehmformen langsam erkaltete Gegenstände be-
stehen nieist durchwegs aus grauem Roheisen. Bei Benutzung eiserner Formen da-
gegen tritt rasche Erkaltung, namentlich der oberflächlichen Schichten ein, wodurch
diese in weisses Roheisen tibergehen, während der Kern, weil langsamer erkaltend,
ans weicherem grauem Roheisen besteht. Der Hartguss wird zur Zeit ausgiebig
verwerthet zur Herstellung von Panzerplatten, Granaten, Hartwalzen, Eisenbahn-
rädern etc.
b) Schmiede- oder Stabeisen. In früheren Zeiten, bevor man gelernt hatte,
flüssiges Roheisen zu gewinnen, wurde alles schmiedbare Eisen direct durch
Verhüttung von Eisen dargestellt. Dieses mit dem Namen „Renn arbeit" be-
zeichnete Verfahren wird heute nur noch ausnahmsweise einmal angewendet, der
Hauptsache nach wird alles Stab- oder Schmiedeeisen auf indirectem Wege,
d. h. aus Roheisen, bereitet. Roheisen und Stabeisen unterscheiden sich von ein-
ander durch einen verschiedenen Gehalt an Kohlenstoff. Während derselbe für das
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EISEN.
619
erßtere etwa 3 — 5.93 Procent beträgt, enthält das letztere davon nur circa 0.08
bis 0.6 Procent. Es leuchtet ein, dass bei der Gewinnung von Stabeisen aus Roh-
eisen in erster Linie eine Verminderung des Kohlenstoffgehaltes in's Auge au
fassen ist.
Daneben wird es sich ferner um Beseitigung der im Roheisen enthaltenen frem-
den Bestandteile handeln , deren Anwesenheit im Stabeisen störend sein würde.
Zur Verarbeitung gelangt in der Regel ein manganhaltiges weisses Roheisen.
Das Frischen. Weisses, vorher einem oxydirenden Schmelzen, dem „Feinen",
ausgesetzt gewesenes Roheisen wird in eigens construirten Herden geschmolzen,
während ein Gebläse zu gleicher Zeit Luft Ober die Oberfläche leitet.
Indem sich nun das in dem Eisen vorhandene Silicium und Mangan, auch etwas
Eisen oxydiren , wird eine zunächst saure Silicatschlacke (Rohschlacke) gebildet,
welche in Folge zunehmender Oxydation von Eisen immer mehr basischen Charakter
annimmt (Gaarschlacke). Zu gleicher Zeit werden andere in dem Roheisen ent-
haltene Stoffe, wie Aluminium, Phosphor, Mangan, Schwefel in Form ihrer Oxyde
in die Schlacke Ubergeführt, während das durch Oxydation des Eisens gebildete
Eisenoxydoxydul zur Entkohlung des Eisens wesentlich beiträgt. In dieser Weise
wird der Process geleitet, bis das gefrischte Eisen den gewünschten Kohlenstoff-
gehalt erlangt hat. Die noch glühende Masse (Luppe, Wolf, Klump) wird als-
dann sofort unter den Aufwerfhamraer gebracht oder durch Walzen geschickt,
wodurch die letzten Antheile der Sehlacken beseitigt werden, ausserdem auch eine
gleichmässige Durcharbeitung der Masse erzielt wird. Wird das Frischen in kleinen,
nur wenig Material fassenden Herden und in directer Berührung mit dem Brenn-
material ( Holzkohlen) ausgeführt , so nennt man es Herdfrischen, dagegen
Puddel frischen, wenn es in Flammöfen ausgeführt wird, wobei das Eisen
mit dem Brennmaterial nicht in Berührung kommt, weshalb in diesem Falle Stein-
kohlen verwendet werden können.
a) Herdfrischen. Weisses Roheisen wird mit Holzkohle in einem Herde
eingeschmolzen und einem Luftstrom ausgesetzt. Zugleich wird die Oxydation des
Kohlenstoffes und der fremden Bestandteile (P, As, S) durch geeignete, besonders
oxydirende Zusätze befördert. Die Verunreinigungen werden von der sich bilden-
den Schlacke aufgenommen. Die noch glühende Masse (Luppe) kommt schliesslich
unter den „A uf werf ha mm er", durchweichen die letzten Antheile von Schlacke
beseitigt und die Eisentheilehen zusammengeschweisst werden. Später werden die
Eisenmassen in Stücke geschuitten und diese zu Stangen ausgeschmiedet. Die Aus-
beute an Stabeisen beträgt etwa 70 — 80 Procent, doch findet das Herdfrischen
seiner Kostspieligkeit wegen nur zur Erzeugung der besten Eisensorten Anwen-
dung. Die Hauptmengen von Schmiedeeisen werden durch Puddelfrischen dar-
gestellt.
b) Puddelfrischen. Roheisen wird mit geeigneten, verschlackend wirkenden
Zuschlägen in einem Flammofen eingeschmolzen und die Einwirkuug der Luft in
bestimmter Weise regulirt. Der dabei zutretende Sauerstoff wirkt zunächst oxydirend
auf das Silicium. Mangan und auf einen Theil des Eisens. Nachdem diese erste
Phase des Processes beendigt ist, wird die Eisenmasse mit eisernen Stangen durch-
gearbeitet (gepuddelt). Dabei wird das vorhergebildete Eisenoxydoxydul in der
selben vertheilt, so dass es oxydirend auf den vorhandenen Kohlenstoff, sowie auf
den Phosphor wirken kann, der als Eisenphosphat in die Schlacken übergeht. In
dem Maasse als die Entkohlung vor sich geht, wird die Masse immer weniger
flüssig. Sie wird schliesslich noch glühend unter den Hammer gebracht, der die
Luppe von beigemischter Schlacke befreit und zusammenschweisst. Das Puddel-
frischen liefert die Hauptmenge des zur Zeit verbrauchten Stab- oder Schmiede-
eisens, da dieser Process das Prodnct mit Ersparuiss von Zeit und in bedeutenden
Quantitäten darzustellen erlaubt. Nicht unwesentlich ist, dass dabei auch jedes
Brennmaterial, da es mit dem Eisen nicht in Berührung kommt, verwendet wer-
den kann.
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620 EISEN.
Stab- oder Schmiedeeisen besitzt hellgraue und in der Regel faserige Structur,
die man sich durch Zusaminenscbweissen höchst kleiner Kryställchen entstanden
denkt. Sein spec. Gew. bewegt »ich, je nach der Art der Bearbeitung, in dcu
Grenzen von 7.6 — 7.9 Procent, seiu Kohlenstoffgehalt beträgt, wie schon erwähnt
wurde, 0.08 — 0.6 Procent. Damit im Zusammenhange steht, dass diese Eisensorte
sehr weich, leicht bearbeitbar und bei den von uns technisch erreichbaren Tem-
peraturgraden unschmelzbar ist. Es charakterisirt sich ausserdem durch eine hohe
Zähigkeit, die auf seine faserige Structur zurückzuführen ist.
Gewisse Einflüsse indessen, nämlich plötzlicher Temperaturwechsel, häufige Er-
schütterungen, vermögen die faserige Structur in eine körnige umzuwandeln,
während zugleich die Zähigkeit wesentlich abnimmt. Auf diesen Umstand sind zurück-
zuführen das plötzliebe Springen von Eisenbahnradreifen im Winter, der Bruch von
Wagenachsen ohne nachweisbare äussere Ursache. Wie vorher bemerkt wurde,
schmilzt Schmiedeeisen zwar nicht, dagegen geht es beim Glühen in einen Zu-
stand der Erweichuug über, in welchem es sozusagen zusammengeknetet werden
kann. Auf diesem Umstände beruht das Sch weissen des Stab- oder Schmiede-
eisens , eine Operation , welche in den mit der Verarbeitung des Eisens sich be-
schäftigenden Industrien bekanntlich eine bedeutende Rolle spielt. Die Verarbeitung
des Stabeisens zu Blechen , Draht u. s. w. wird meist von besonderen Industrie-
zweigen ausgeführt.
c) Der Stahl. Der Stahl steht mit einem Kohlenstoffgehalt von 0.6 — 2.3 Procent
in der Mitte zwischen Roheisen und Schmiedeeisen. Auch sonst zeigt er alle Eigen-
schaften des verbindenden Gliedes zwischen beiden. Er ist schmelzbar wie
Roheisen und theilt mit dem Schmiedeeisen die Schweissbarkeit. Von vorneherein
erscheint es daher nicht aussichtslos, dass man zum Stahl gelangen könue vom
Schmiedeeisen aus, indem man diesem Kohlenstoff zuführt, und vom Roheisen aus,
indem man diesem Kohlenstoff entzieht. Wie weit diese Betrachtung zutreffend ist,
wird gleich gezeigt werden. In den ersten Anfängen der Stahlbereitungsindustrie
wurde Stahl so erzeugt, dass man ihn direct aus den Erzen durch den Ver-
hüttungsprocess abschied, später ging man dazu über, ihn durch Kohlung von
Schmiedeeisen darzustellen und der Neuzeit war es vorbehalten , den letzten
Schritt zu thun, indem man lernte, Stahl in beliebigen Mengen ohne Schwierig-
keiten aus Roheisen zu gewinnen. Es lassen sich somit die wichtigsten der in
Frage kommenden Gewinnungsweisen unter nachfolgende Gesichtspunkte unterordnen.
I. Renn stahl, d. h. aller durch Verhüttung von Eisenerzen direct erzeugter
Stahl.
LI. Kohlungsstahl, durch Kohlung von Schmiedeeisen.
n) Durch Glühen mit Kohle ohne Schmelzung (gewöhnlicher Cementstahl).
b) Durch Schmelzen mit Kohle (Gussstahl aus Schmiedeeisen),
fll. Frisch stahl, durch theilweise Entkohlung von Roheisen.
a) Durch Frischen in Herden mittelst Holzkohlenfeuerung (Herdfrischstahl).
b) Durch Frischen in Flammöfen mit beliebigem Feuerungsmaterial (Puddel-
oder Flammofenfrischstahl i.
c) Durch Einblasen von Luft in flüssiges Roheisen (Bessemerstahl).
d) Durch Glühen von Roheisen mit entkohlenden Materialien.
IV. Flu s ss ta hl, durch Combination von II und III, d. h. durch Zusammen-
schmelzen von Schmiedeeisen und Roheisen.
Von diesen Gewinnungsarten haben diejenigen , welche den Stahl als Ren n-
stahl direct durch Verhüttung der Erze erzeugen, zur Zeit irgend welehe Bedeutung
nicht mehr, sie können vielmehr nur auf historisches Interesse Anspruch erheben.
Kohlungsstahl, durch Koh 1 eusto f fz uf uhr zum Schmiedeeisen
erhalten.
Cementstahl. Als Ausgaugsmaterial dient ein sehr reines Schmiedeeisen in
Stabform. Die Stäbe werden in thönernen Kästen schiebten weise in Holzkohlen-
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EISEN.
621
pulver, welches stickstoffhaltige Substanzen 'enthält , eingebettet und diese Kästen
etwa 7 Tage lang in besonderen Oefen erhitzt. Ein Ofen enthalt etwa 15000 bis
17000kg Eisen. Nach dieser Zeit ist die Umwandlung in Stahl eingetreten, aber
der erzeugte Stahl ist ungleichmassig, weil die Koblenstoffaufnsbine von aussen
her stattfand, ferner brüchig und meist an der Oberfläche blasig (Blasenstahl). Er
mus8 daher gegerbt oder r a f f i n i r t werden ; dies geschieht in der Weise, dass
man die einzelnen Stäbe zur Rothgluth erhitzt, dann in dünne Stäbe ausreckt und
in kaltes Wasser wirft. Nach dem Erkalten werden mehrere Stäbe zu einem
Bündel vereinigt, dieses zum Glflhen gebracht und nun zu einem Stücke zusammen-
geschweisst. Der Cementstahl ist eine verhältnissinässig kostspielige Sorte und wird
daher nur zu theuren Utensilien (Schneidewerkzeugen) verarbeitet. Wichtig für die
Erzeugung dieser Stahlsorte ist, dass das benutzte Kohlenpulver Cyanverbindungen
(Cyanbaryum) oder die zur Bildung solcher nöthigeu Bestandteile enthält, da es
nachgewiesen ist, dass die Aufnahme von Kohlenstoff wesentlich aus vorhandenen
Cyanverbindungen erfolgt.
G u s s s t a h 1. Als Ausgangsmaterial wird ein Stahl benutzt, der durch Frischen,
Bessemern, Puddeln oder auf andere Weise dargestellt ist. Man bringt ihn in
feuerfesten Tiegeln entweder durch directes Feuer oder durch Siemens' Regene-
ratoren zum Schmelzen und giesst die flüssige Masse in Barren ans. Die letzteren
werden später wieder glühend gemacht und durch Hämmern oder Walzen aus-
gereckt. So erhaltener Gussstahl kann wieder geschmolzen und durch Giessen in
die mannigfachsten Formen gebracht werden. Seine Verwendung ist aus diesem
Grunde eine sehr ausgedehnte (zu Maschinentheilen , Kanonen, Arbeitsgeräthen),
seine Darstellung wird besonders von KhUPP-Essen cultivirt (Tiegelstahl i.
Frischstahl, durch theilweise Entkohl ung von Roheisen.
Herdfrischstahl. Als Ausgangsinaterial dient ein sehr reines, weisses,
manganreiches Roheisen. Dasselbe wird, wie unter Schmiedeeisen angegeben ist,
dem oxydirenden Frischprocess unterworfen, nur wird die ganze Operation etwas
langsamer geleitet, so dass man im Stande ist, die Entkohlung zu verfolgen und
den Proeess dann zu unterbrechen, wenn der gewünschte Grad der Entkohlung
oder ein bestimmter Kohlenstoffgebalt des Eiseus erreicht ist. Auch diese Stahl-
sorte hat zur Zeit nur beschränkte Wichtigkeit.
Puddelstahl oder Fla mmofen fri schstahl. Das Verfahren ist im
Wesentlichen dasselbe , wie bei der Gewinnung des Schmiedeeisens durch den
Puddelprocess. Auch hier liegt der Vortheil dem Herdfrisehprocess gegenüber
darin, dass nicht Holzkohle, sondern jedes beliebige Feuerungsmaterial (Steinkohle,
Ooks, Gase, Braunkohle) zur Verwendung gelangen können. Wie beim Frisch-
process wird das Puddeln dann eingestellt, wenn der beabsichtigte Kohlenstoff-
gehalt des Eisens erreicht ist. Der Puddelstahl ist besonders als Ausgangsmaterial
zur Erzeugung von Gussstahl wichtig.
Bessemerpro c es s. Unter diesem Namen versteht man ein im Jahre 1856
von Henri Bessemer in Sheffield erfundenes Verfahren , Gusseisen iu Stahl zu
verwandeln. Um die Bedeutung und den Mechanismus dieses ingeniösen Processes
würdigen zu können, muss man sich in Erinnerung bringen, dass Gnsseisen, Stahl
und Schmiedeeisen sich durch ihren Gehalt an Kohlenstoff unterscheiden, der bei
Gusseisen 2.3 — 5 Procent, bei Stahl <>.5 — 2.3 Procent, bei Schmiedeeisen weniger
als 0.5 Procent betragt. Da wir nun beim Hohofcnbetriebe stets Gusseisen erhalten,
erscheint es zunächst plausibel, dass man eigentlich leichter Stahl erzeugen können
müsse als Schmiedeeisen, indem man dem Gusseisen nur einen Theil seines Kohlenstoff-
gebaltes entzieht. Das ist indessen nicht der Fall. Ausser der Kohle nämlich ent-
hält das Gusseisen auch Verunreinigungen, im Wesentlichen Phosphor, Schwefel,
und Silicium, deren Entfernung nothwendig ist und sich früher nur in Verbindung
mit einer mehr oder weniger vollständigen Eutkohlung des Eisens ausführen Hess.
Aus diesem Grunde war man früher darauf angewiesen, den Stahl so zu bereiten,
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622
EISEN.
dass man erst fast kohlenstofffreies Schmiedeeisen darstellte und aus diesem durch
Zufuhr von Kohlenstoff Stahl machte. Der erste Theil dieses Proeesses, die Ent-
kohlung des Eisens oder Darstellung von Schmiedeeisen, bot wesentliche Schwierig-
keiten nicht, sie wurde von jeher durch wiederholtes Ausschmieden des Gusseiseus
in den sogenannten Hammerwerken vorgenommen. Die Wiederkohlung des Schmiede-
eisens dagegen, seine Verwandlung in Stahl, war eine ausserordentlich langwierige
Operation. Sie beruhte auf der merkwürdigen Thatsacbe, dass Eisen schon in
glühendem Zustande Kohlenstoff aufzunehmen und chemisch zu binden vermag.
Es bildete sich das Cementirungs verfahren heraus. Indessen die Operation,
bei welcher die Aufnahme des Kohlenstoffes von aussen nach innen vor sich geht,
war eine ungemein langwierige, sie dauerte 8, 10 — 12 Tage und beanspruchte
enorme Mengen von Brennmaterial. Schoo Reaumir 1722 hatte versucht, ein
einfacheres Verfahren zur Stahlbereituug aufzufinden. Er erkannte ganz richtig,
dass man Stahl bekommen müsse, wenn es gelänge, Schmiedeeisen zu schmelzen;
dann könnte man leicht berechnete Mengen kohlenstoffhaltigen Eisens zusetzen,
und der Stahl — wäre fertig gewesen. Die Frage war nur die, auf welche Weise
man Schmiedeeisen, dessen Schmelzpunkt etwa um 1000° höher liegt, als der-
jenige des Gusseisens , zum Schmelzen bringen könnte , und da es nicht gelang,
blieb der Gedanke vorläufig unfruchtbar. So kam es denn, dass bis in die Fünfziger-
Jahre hinein Stahl ein sehr kostbarer Artikel war, an dessen allgemeine Ver-
wendung gar nicht zu denken war. Wohl stellte man daraus eine Menge Gebrauchs-
gegenstände dar, es waren indessen lediglich solche, bei denen der Preis des
Materialee nicht in Betracht kommen kouute gegenüber den Verarbeitungskosten.
Als Krupp 1851 auf der Londoner Industrieausstellung zunächst die Verwendung
von Stahl zum Maschinenbau anregte . hielt man diesen Gedanken für eine aus-
sichtslose Neuerung. Denn auch diejenigen Verfahren, die zur Stahlgewinnung von
Gusseisen ausgingen, der Frisch- und Puddelprocess beanspruchten nicht weniger
Brennmaterialien und Zeitaufwand, wie der Cemeutationsprocess. Erst die Erfindung
Besskmbr's machte es möglich, an eine allgemeine Verwendung des Stahles zu
denken. Und während man früher Stahl nur in relativ geringeren Mengen
erzeugen konnte, gelang es nun nach dem neueu Verfahren in der kürzesten
Zeit hunderte von Centnern Gusseisen auf einmal in Stahl zu verwandeln.
Um den Bessemerproeess richtig verstehen zu können, muss man im Auge be-
halten , dass das Gusseisen etwa 5 Procent Kohlenstoff, ausserdem noch Silicimn
enthält, dass der Kohlenstoff zum Theil oder vollständig entfernt werden muss
und dass die früher üblichen Verfahren zur Stahlbereitung darau krankten , dass
unter den gegebeneu Verhältnissen in Folge der laugen Dauer des Processen die
Hauptmenge der Wärme durch Ausstrahlung verloren ging, dass es überhaupt
nicht gelang, Schmiedeeisen in flüssigen, vielmehr nur in einen schwammartigen,
teigartigen Zustand zu versetzeu.
Das Verfahren von Bessemkr kürzte nun die Dauer des Entkohlungsprocesses
des Gusseisens von 14 — 15 Tagen auf ebenso viele Minuteu ab. und was das
Merkwürdigste dabei ist, der ganze Process spielt sich ab, ohne dass ein anderes
Brennmaterial erforderlich ist , als der im Gusseiseu enthaltene Kohlenstoff und
das Silieium. Doch betrachten wir zunächst den Verlauf des Bessemerprocesses.
5000 — 8000 kg geschmolzenes Roheisen werdon in ein aus Gusseisen eou-
struirtes, innen mit feuerfestem Thon ausgefüttertes Gefass, die Bessemerhirne
oder den Converter laufen gelassen. Der Boden des Converters besitzt eine Anzahl
feiner Röhrchen, die mit einem Luftgebläse in fixer Verbindung stehen. Sobald
das flüssige Gusseisen eingefüllt ist, lässt man mittelst des Gebläses Luft durch die
geschmolzeneue Masse durchblasen. Unter starker Wärmeentwickelung werden nun
oxydirt, bezw. verbrannt: Silieium, Mangan und ein Theil des Eisens, zugleich
geht der graphitartige Kohlenstoff in chemisch gebundenen (Kohlenstoffeiseu) über.
Das Ende dieser ersten oder Feinperiode wird durch eine aus der Oeffnung
des Converters herausschlagende, gespitzte, oraugegelbe Flamme mit blauges&ututen
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EISEN.
6T>
Rändern angezeigt. Hierauf tritt die sogenannte Kochperiode ein, indem durch
das reichlich vorhandene Eisenoxydnl der Kohlenstoff zu Kohlenoxyd verbrennt,
wobei die Masse lebhaft aufsteigt (kocht), und Schlacken- und Eisentheilchen zu
dem Halse herausgeworfen werden. Die aus dem Converter herausschlagende Flamme
wird zugleich hell und lflsst mit dem Spectroskop helle Kohlenoxydlinien in Roth,
Grttn und Blau, später in Grün hervortreten.
In der nun folgenden dritten Periode, der Garfrischperiode, wird die
Masse wieder ruhig, neben dem Rest des noch vorhandenen Kohlenstoffs verbrennt
ein Theil des Eisens, was sich durch Auftreten eines lebhaften Funkenregens zu
erkennen gibt. Sobald dies der Fall ist und die spectralanalytische Beobachtung
keine Kohlenoxydlinien, sondern ein continuirlichcs Spectrum zeigt, wird der Wind
abgestellt, der Masse ein berechnetes Quantum geschmolzenes Spiegeleisen zuge-
setzt und der gebildete Gussstaht in die schon bereitstehenden Formen ausgegossen.
Wie man siebt, beruht die Stahlerzeugung darauf, dass durch den eingeblaseneu
Wind das Gusseisen entkohlt, in flüssiges Schmiedeeisen und dieses letztere
durch Zusatz von Spiegoleisen in Stahl verwandelt wird. Wir sehen hier das
Problem der Verflüssigung des Schmiedeeisens, welches beiläufig bei circa 2000°
schmilzt, verwirklicht, ohne dass ein anderes Brennmaterial verbraucht wird, als
die im Eisen enthaltenen 5 Procent Kohlenstoff, bezw. Silicium. Das erscheint auf
den ersten Blick auffallend, um so mehr, als man meist nur zu sehr geneigt ist,
diese 5 l*rocent als eine wenig bedeutende Zuthat, quasi als eine Verunreinigung
des Eisens zu betrachten. Weun wir aber bedenken, dass die in einem Cubik-
meter Gusseisen enthaltene Menge Kohlenstoff etwa 70cbm Holzkohle entspricht,
dass ferner das anwesende Silicium im Warmeeffect dem Kohlenstoff etwa gleich-
steht, dass bei der kurzen Dauer des Processen von einem bedeutenden Wärme-
verlust nicht die Rede sein kann, dass endlich die Verbrennung des Kohlenstoffes
von Molekül zu Molekül sozusagen sich fortpflanzt , so wird es wohl verständlich
werden, woher diese über 1000° betragende Temperaturerhöhung herzuleiten ist.
Bezüglich der Technik des Verfahrens sei noch erwähnt, dass die Fabrikation
in Convertern das in England ausgebildete Verfahren ist , dass man in Schweden fest-
stehende Oefen benützt , dass hier ausserdem der Process nicht bis znr vollständigen
Entkohlung des Eisens fortgesetzt wird, sondern nur so lange, bis ein bestimmter
Procentsatz von Kohlenstoff erreicht ist. Der Punkt, wenn der Wind abzustellen
ist, wird durch spectroskopische Beobachtung der Flammen gefunden. In Schweden
unterbleibt dann natürlich auch der spätere Zusatz von Spiegeleisen.
War nach dem eben Gesagten der Besscmerprocess unbedingt ein ungeheurer
Fortschritt auf dem Gebiete des Hüttenwesens, so hatte er doch auch wieder seine
Schattenseiten. Es war nämlich nach diesem Verfahren nicht möglich , ans Eisou-
erzen, welche irgend erhebliche Mengen von Phosphor und Schwefel ent-
hielten, einen brauchbaren Stahl zu gewinnen. Dem Schwefel war durch Znsatz
von Mangan einigermaassen zu begegnen , Roheisen indess , welches mehr wie
0.05 — 0.15 Procent Phosphor enthielt, eignete sich znr Stahlbereitung ganz und
gar nicht. Für Deutschland war dieses Factum um so bedauerlicher, als unsere
deutschen Eisenerze durchwegs stark phosphorhaltig sind, also zur Stahlfabrikatiou
nach Bessemer nicht verwendet werden konnten. Die deutsche Iudustric war auf
die phosphorfreien Eisenerze des Auslandes angewiesen und Kkupp hatte während
dieser Zeitperiode stets mehrere Dampfer auf dem Meere, welche ihm die phosphor-
freien Eisenerze aus Schweden, Spanien und Afrika herbeiholen mussteu.
Die deutsche Stahlindustrie konnte ihren dorainirenden Standpunkt erst er-
reichen, als mit dem Thoiuas-Gilchristprocess gleichsam die Ergänzung des
Bessemer-Processes gegeben war, welche die Verarbeitung auch unserer deutschen
Eisenerze ermöglichte.
Thomas-Gilchristprocess. Der Besscmerprocess blieb für Deutschland so
lange unfruchtbar, als es nicht möglich war, die deutschen, durchwegs phosphor-
haltigen Eisenerze zur Stahlbereitung heranzuziehen. Durch die wissenschaftliche
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ELSEN.
Untersuchung des Besseraer- und Puddelproeesses wurde der Verlauf der Reaction
in nachstehender Weise erkannt. Die beiden hier zunächst in Betracht kommenden
Bestandteile des Roheisens , nämlich Kohlenstoff und Silicium , werden nach-
einander verbrannt, beziehungsweise oxydirt. Erst wenn alles Silicium oxydirt
ist, beginnt die Verbrennung des Kohlenstoffs, also die Entkohlung des Eisens.
In dem kurzen Zeitintervall, der zwischen der Verbrennung von Kohlenstoff und
Silicium liegt, erfolgt die Verbrennung vorhandenen Phosphors zu Phospborsäure,
«eiche letztere in die Schlacken übergeht. Ist die Pbosphorsäure aber in freiem
Znstande in den Schlacken enthalten und können letztere — wie dies beim Bessemern
der Fall ist — nicht sofort entfernt werden, so reducirt das beim Entkohlen des
Eisens auftretende Kohlenoxyd sie wiederum zu Phosphor, der vom vorhandenen Eisen
nun wieder aufgenommen wird. Das war der circulus vitiosus, an dem die Verwen-
dung deutscher, phosphorsäurehaltiger Eisenerze zum Bessemern scheiterte.
Indessen mit der Erkenntnis» dieser Thatsachen war auch die richtige Frage-
stellung schon gegeben. S. G. Thomas und P. C. Gilchrist stellten ferner fest,
dass der Phosphor nicht etwa durch die hohe Temperatur, sondern durch die Ein-
wirkung der gebildeten Kieselsäure aus dem Roheisen abgeschieden wurde. Mit Er-
kenntuiss dieser Thatsachen war db Lösung des Problems eigentlich schon gefunden.
Es bandelte sich darum, zur Auskleidung der Birne eiu geeignetes feuerfestes
Material zu finden, welches nicht sauren, sondern basischen Charakter hatte.
Als solches wurde schliesslich der in grossen Mengen natürlich vorkommende Dolomit
(Mg C08 . Ca C()3) erkannt. Wenn ausserdem die Ansichten über den reducirenden
Einfluas des Koblenoxydgases auf die Phosphorsäure zutreffend waren, so musste
während der Entkohlung der Phosphorgehalt des Roheisens ziemlich unverändert
bleiben nnd erst nach der Eutkohlung abnehmen. Der Versuch lehrte die Richtig-
keit der theoretischen Schlüsse.
Wenn unter Anwendung basischen Auskleidungsmateriales der Bessern erprocess
eingeleitet wurde, so blieb, wie durch Schöpfproben festgestellt wurde, der Phospbor-
gehalt des Eisens nahezu eonstant, so lange die Entkohlung des Eisens andauerte.
Wurde aber die Oxydation mittelst eingeblasener Luft (das Nachblasen) noch kurze
Zeit fortgesetzt, so sank der Phosphorsäuregehalt rasch auf ein Minimum. Der
Thomas-Gilchristprocess unterscheidet sich vom Bessemerprocess also wesentlich da-
durch, dass eine basische Austtitterung der Birne gewählt und dass die Entfernung
des Phosphors durch Nachblasen erzielt wird.
Die geringen Nachtheile, welche diesem Process noch anhaften, bestehen darin,
das« der Eisenverlust (Abbrand) in Folge des Nachblasens etwas steigt. Der Ab-
brand beträgt beim Bessemerprocess etwa 12 Procent, beim Thomasproeess nicht
unter 15 Procent. Dies kann aber den enormen Vortheilen gegenüber nicht in
Betracht kommen. Deutschland wurde seit Einführung dieses Processes in die Lage
versetzt, die enormen Eisenerzlager in Lothringen nnd Luxemburg zur Stahlbereitung
auszubeuten, umsomehr, als der Thomasstahl in seiner Qualität dem Bessemerstahl
ungefähr gleichsteht. Ausserdem rauss berücksichtigt werden, dass auch die ab-
fallenden Schlacken (Thomasschlacken) ein für die Landwirtschaft wichtiges
Material bilden, indem sie 10, 12, ja bis zu 15 Procent sehr billige Pbosphorsäure
enthalten.
Martinstahl oder F 1 u s s s t a h 1 wird durch Zusammenschmelzen von Sehmiede-
eisen und weissem Roheisen gewonnen. Seine Darstellung ist erst dadurch möglich,
dass mau durch Anwendung der Siemi- Ns'schen RegeneTativöfen so hohe Temperaturen
erzeugen kann, dass Schmiedeeisen zum Schmelzen gebracht wird. Das ganze Ver-
fahren spielt sich auf der Sohle eines Flammofens ab. Um aber der Oxydation
des Schmiedeeisens möglichst vorzubeugen, wird eine Partie Roheisen zunächst ein-
geschmolzen und allmälig iu die flüssige Masse, die nun von einer Schlackendecke
geschützt ist, Schmiedeeisen eingetragen. Der gewünschte Kohlenstoffgehalt wird
schliesslich durch Zufügung einer bestimmten Menge Roheisen erzielt. Die Be-
di utung des Martinstahls liegt darin, dass er gestattet, alte schmiedeeiserne
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EISKN.
625
Gegenstände, z. B. Eisenbahnschienen etc., zu Stahl zu verarbeiten. Kr dient zur
Anfertigung von Maschinen t heilen, namentlich auch von Gewehrläufen.
Uchatiusstahl steht dem vorigen sehr nahe. Ein sehr reines Roheisen wird
mit Spateisensteinpulver beschickt und das Gemenge in Graphittiegeln geschmolzen.
Heatonstahl. Roheisen wird mit Natronsalpeter gefrischt. Der Natronsalpeter
bewirkt als oxydirendes Mittel die Entkohlung des Eisens , vorhandener Schwefel,
sowie Phosphor werden gleichzeitig verschlackt.
Damascenerstahl oder Wootz, das Material zur Darstellung der so-
genannten Damascenerklingen, wird von den Eingeborenen Ostindiens als Specialität
dargestellt , indem sie sehr reine Eisenerze mit dem zerkleinerten Holze von
Cassia auriculata mengen und in Tiegeln erhitzen. Es tritt dabei oberflächliche
Kohlung ein und der erhaltene Stahl wird wiederholt ausgeschmiedet. Er zeigt
die EigenthUmlichkeit, beim Anätzen der Oberfläche mit Säuren eigenthUmliche
Aderung (Damascirung) erscheinen zu lassen , ein Vorgang , der sich dadurch er-
klären lässt , dass dieser Stahl nicht gleichraässig in seiner Masse ist , vielmehr
aus kohlenstotfreicheren und -ärmeren Schichten besteht. Säuren lösen nun mehr
Fig. 102.
Bessemer-Birne oder Converter (zu pag. 6S2).
von dem kohlenstoffarmeu Eisen auf, wodurch die Aderung hervortritt. Der
künstliche Damascenerstahl, durch Zusanimenschweissen von Eisen und
Stahldraht und mehrfaches rmschmieden erhalten, gilt dem echten Damascenerstahl
nicht als gleich werth ig. Er wird besonders zu Gewehrläufen verarbeitet.
Die Eigenschaften des Stahles sind natürlich den verschiedeneu einzelnen
Sorten entsprechend sehr verschieden. Im Allgemeinen aber nimmt er die Mitte
ein zwischen Schmiedeeisen und Roheisen und charaktcrisirt sich dadurch, dass
er schmelzbar, elastisch und härtbar ist. Auf diesen Eigenschaften beruht die
ausgedehnte Verwendbarkeit des Stahls in der Industrie, die SO weit geht, dass
das Eisen täglich mehr in den Hintergrund gedräugt wird.
Die Structnr des Stahles ist eine feinkörnige; seine Qualität ist in der Regel
um so vorzüglicher, je feiner sein Korn ist. Das spezifische Gewicht bewegt sieh
in den Zahlen 7.62—7.92.
Besonders interessant und von hervorragender praktischer Wichtigkeit ist der
Einfluss, den fremde Reiinengungen, beziehungsweise Kiemente, auf den Stahl, be-
ziehungsweise bei verschiedenen Eisensorten ausüben. Zinn, Wolfram, Titan
Beal-Kncyclopidie der ges. Pharmacle. III. 40
62fi
EISEN.
und Chrom machen schon in kleinen Procentsätzen den Stahl sehr hart (daher
wird Wolframstabl für Werkzeuge benutzt). Dagegen drücken sie die 8chweissbar-
keit herab. Zinn legirt sich ausserdem leicht mit Eigen, ein Umstand, auf welchem
die ganze Weissbleehfabrikation beruht. Arsen und Antimon vermindern die
Festigkeit und machen rothbrüchig. Aluminium und Magnesium sollen die
Festigkeit und Gussfähigkeit erhöhen. Calcium vermindert die Festigkeit und
macht „hadrig", das ist unschweissbar. Kupfer vermindert die Schweißbarkeit
und kann bei einem Gehalt von 0.5 Procent schon Rothbruch erzeugen. Mangan
befördert die Dttnnflüssigkeit und vermittelt die Oxydation fremder Beimengungen.
Silicium wirkt Kohlenstoff ausscheidend und macht das Eisen leichter —
aber dickflüssig. Es vermehrt etwas die Härte, vermindert aber die Festigkeit.
Phosphor vermindert die Elasticität und Festigkeit, vermehrt die Harte,
macht dünnflüssig und spröde (kaltbrüchig).
Schwefel bewirkt schon in geringem Procentsatz Rothbrüchigkeit.
Eine andere wichtige Eigenschaft ist ferner die Härte des Stahls, welche auf
dessen Gehalt an chemisch gebundenem Kohlenstoff zurückzuführen ist. Das Härten
des Stahles geschieht in der Weise, dass man ihn in glühendem Zustande durch
Einwerfen in kaltes Wasser ablöscht, wodurch er einen solchen Härtegrad anzu-
nehmen vermag, dass er Glas ritzt und der Bearbeitung der Feile widersteht. Für
die meisten Zwecke ist aber eine solche hohe Härte nicht erwünscht, vielmehr
sucht man jedem Gegenstande eine seinen Gebrauchszwecken gerade angepasste
Härte zu geben. Da sich dies auf dem Wege der modificirten Abkühlung kaum
sicher erreichen lflsst, so verfährt man in der Weise, dass man den betreffenden
Gegenständen eine etwas grössere Härte gibt , als sie später definitiv besitzen
sollen und dann durch Anlassen ihnen einen Theil der Härte wieder entzieht.
Man richtet sich dabei nach den Anlauffarben, welche für bestimmte Temperaturen
constant sind.
Es werden angelassen:
Lanzetten, kaum blassgelb 220°
Kasirmesser, blassgelb bis strohgelb 228 9
Federmesser, strohgelb 232°
Scheeren, braun 264°
Aexte, Hobeleisen, Taschenmesser, purpurfarbig . 265°
Klingen, Uhrfedern, hellblau 288'
Dolche. Bohrer, feine Sägen, dunkelblau . . . 292°
Hand- und Lochsägen, schwarzblau 316°
Kleinere Gegenstände lässt man in der Weise an, dass man sie auf eine grössere
erwärmte Metallunterlage bringt. Grössere Gegenstände werden in Metallbäder oder
Oelbäder gebracht und so lange darin belassen, bis sie die Temperatur derselben
angenommen haben.
Analyse der Roheisen-, Schmiedeeisen- und Stahl-Sorten.
Qualitative Prüfung.
Die angeführten Eisensorten enthalten folgende Körper, von denen der Werth
des Handelseisens vorzugsweise abhängt und auf deren Prüfung stets Rücksicht
genommen werden muss.
I. In jeder Eisensorte vorhandene Körper:
Kohlenstoff 0.05 — 7 Procent,
Silicium Spuren bis 10 Procent (Legirungen ausgenommen),
Phosphor,
Schwefel,
Mangan bis zu 90 Proeent in den Ferromauganen.
II. Seltenere, respective absichtlich zugesetzte Bestandteile :
Kupfer bis zu 0.5 Procent,
Kobalt,
Nickel,
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EISEN.
627
Arsen in manchen Roheisensorten,
Chrom big 2 Procent im Chromstahl,
Wolfram im Wolframstahl bis zu 9 Procent.
III. Bestandteile von geringerer Bedeutung.
Blei,
Antimon,
Aluminium,
Calcium,
Magnesium,
Alkalimetall,
Stickstoff etc.
Eine ausführliche qualitative Prüfung der Eisensorten vor der quantitativen ist
bei der meist übereinstimmenden Zusammensetzung kaum nöthig.
Die unter I angeführten Körper wird man in jeder Eisensorte finden ; man hat
dann höchstens noch auf Chrom, Kupfer und Wolfram zu prüfen.
Kohlenstoff. Salpetersäure von 1.2 spec. Gew. löst gebundenen C mit
brauner Farbe auf.
Kieselsäure bleibt beim Eindampfen der schwefelsauren Lösung quantitativ
zurück.
Phosphor. Die Salpetersäure Lösung wird mit Ammoniak neutralisirt, wenn
nöthig, filtrirt und mit Molybdänlösung gefällt; gelber Niederschlag.
8chwefel. Ein angefeuchteter Silber- oder Bleipapierstreifen schwärzt sich beim
Eintauchen in die salzsaure Lösung; oder Eindampfen mit Salpetersäure, Auf-
nehmen mit verdünnter Salpetersäure, Versetzen mit Baryumnitrat, weisser Nieder-
schlag von Baryumsulfat.
Mangan. Mit der circa sechsfachen Menge eines Gemisches von Soda und
Salpeter auf dem Platinblech zusammengeschmolzen, entsteht eine grüne Schmelze
von Kaliummanganat.
Chrom. Salpetersaure Lösung durch Ammoniak gefällt ; Niederschlag von Chrom-
hydroxyd mit Soda und Salpeter geschmolzen : die gelbe Schmelze mit Wasser
extrahirt und mit Essigsäure und essigsaurem Baryum versetzt, gibt citronengelben
Niederschlag von Baryumchromat.
Kupfer. Die salzsaure Lösung wird heiss mit Schwefelwasserstoff übersättigt,
das Schwefelkupfer mit Filter verascht, in Salpetersäure gelöst und mit Ammoniak
versetzt. Blaufärbung durch Bildung von Kupferoxydammoniak.
Wolfram. Beim Behandeln des Eisens mit Königswasser bleibt Wolfram mit der
Kieselsäure als gelbe Wolframsäure zurück und kann durch Prüfung vor dem Löth-
rohr nachgewiesen werden ( gelbe Boraxperle und blaue, bei Gegenwart von Eisen
rothe Phosphorsalzperle in der Reductionsflamme).
Quantitative Untersuchung.
Die Probeentnahme geschieht entweder mit Hilfe einer harten englischen Feile,
so bei grauem Roheisen und den meisten Sorten schmiedbaren Eisens, oder durch
Zerstossen in einem ausgedrehten Mörser aus hartem Gussstahl, so bei dem weissen
Roheisen.
Damit die Probe auch die durchschnittliche Zusammensetzung des Eisenstücks
besitzt, muss man sie möglichst gleichmässig von dem ganzen Querschnitte einer
Roheisensubstanz oder eines Gusseisenstücks abtrennen und nicht etwa nur von
den Aussenflachen entnehmen.
Graues Roheisen ist nfimlich meistens am Umfange, also an den rasch erkalteten
Stellen, kohlenstoffreicher und nach der Mitte zu siliciumreicher ; schmiedbares Eisen
ist am Umfange gewöhnlich kohlenstoffärmer als in der Mitte.
Bei der quantitativen Untersuchung der Eisensorten handelt es sich meist nur
um Bestimmung der wesentlichen oder schädlichen Bestandteile : Kohlenstoff,
Silicium, Schwefel, Phosphor, Mangan.
40*
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628
Die für die einzelnen Bestimmungen in Arbeit zu nehmenden Mengen richten
sich natürlich nach dem ungefähren Gehalt, den man in den zu bestimmenden
Eisensorten vennuthet, also danach, ob man eine Bestimmung in Roheisen oder
Schmiedeeisen, respective Stahl vorzunehmen hat.
Es ist gebräuchlich, für praktische Untersuchungen folgende Mengen anzuwenden.
Für die Heatimmuog von bei Roheisen bei Stahl |
Silicium j 2.5 g 5 g
i Mangan «i 2 g 5 g
i Phosphor 'i 5 g 5 g
Schwefel ! 10 g 10— Wg
I Kupfer !i 10 g 10 g
Bestimmung des Kohlenstoffs.
In den meisten Fällen handelt es sich in der Technik um Bestimmung des
Gesammtkohlenstoffs ; selten wird eine getrennte Bestimmung des gebundenen
(amorphen) und graphitartigen Kohlenstoffs vorgenommen.
Die einfachste Methode, vorzugsweise geeignet für Untersuchung grapbitarmer
Eisensorten — also insbesondere des Stahls — ist die EGOKRTZ'sche oder colori-
metrisehe Kohlenstoffprobe.
Das Princip dieser in Rücksicht auf die Einfachheit der erforderlichen Apparate
für häufig wiederkehrende Kohlenstoffbestimmungen, z. B. auf Stahlwerken, besonders
geeigneten Methode besteht darin, dass die gebundenen Kohlenstoff enthaltenden
Eisensorten bei der Behandlung mit chlorfreier Salpetersäure von 1.2 spec. Gew.
eine gefärbte Lösung ergeben, deren Farb-lntensität proportional ist der Menge
des gelösten Kohlenstoffs.
Hat man nun eine Normaleisensorte, deren Gehalt an gebundenem Kohlenstoff
durch wiederholte Verbrennung oder sonstige Koblenstoffbestimmung bekannt ist —
meist eine Stahlsorte mit 0.0 — 1.1 Procent gebundenem Kohlenstoff — so kann
man leicht durch Verdünnen der Lösung mit Salpetersäure von 1.2 spec. Gew. bis
zur Uebereinstimmung des Farbeutons den Kohlenstoffgehalt nach der Anzahl der
Cubikcentimeter in Relation bringen.
Man verfährt zweckmässig in der Weise, dass man sowohl von dem „Nornial-
8tahleu, als auch von dem zu untersuchenden Eisen genau 0.1 g abwägt, die Proben
in gewöhnlichen Reagircylindern tropfenweise mit Salpetersäure von 1.2 spec. Gew.
versetzt, bis auf erneuten Zusatz kein Aufschäumen mehr eintritt und dann beide
Reagirglaschen in ein mit Wasser gefülltes Becberglas bringt. Die Temperatur des
Wassers muss stets auf 80° erhalten werden.
Durch weiteren Zusatz von kleinen Säuremengen erzielt man nach 2 bis 3 Stunden
fast vollständige Lösung. Man prüft genau, indem man die Lösung gegen das Licht
hält, ob keine Gasblasen mehr aufsteigen, kühlt dann die Reagirgläschen rasch ab,
füllt vorerst die Lösung des Nonnalstahles in einen graduirten Cylinder und ver-
dünnt mit de8tillirtem Wasser die Flüssigkeit auf so viel Cubikoeutimeter, als der
Normalstahl Zehntelprocente gebundenen Kohlenstoff enthält , z. B. bei einem
Norraalstahl von 1 Procent C auf lOccm.
In einen zweiten an Durchmesser und Wandstärke mit dem ersten genau über-
einstimmenden Cylinder bringt man die Lösung des untersuchten Eisens und ver-
dünnt nun über einem Bogen weissen Papiers auch die zweite Probe mit destill irtem
Wasser so lange, bis eine durchaus gleiche Farbenintensität beider Lösungen er-
reicht ist. Das untersuchte Eisen enthält alsdann ebenso viel Zehntelprocente
gebundenen Kohlenstoff, als die Lösung Cubikcentimeter enthält ; wurde z. B., um
die übereinstimmende Farbenintensität zu erreichen, die Lösung auf 8.3 cem ver-
dünnt, so beträgt der Kohleustoffgehalt 0.83 Procent.
Diese einfache Methode lässt sich nur bei Eisensorten mit gebundenem Kohlen-
stoff ausführen, da sich Graphit uud chemisch ungebundener Kohlenstoff in Salpeter-
säure nicht lösen.
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EISEN. 629
Unter den zahlreichen Methoden zur Bestimmung des Gesammtkohlenstoffs sind
e« hauptsächlich folgende zwei, die in der Praxis zur Anwendung kommen.
Die eine, die directe Verbrennungsmethode, beruht auf der Verbrennung des
Eisens nebst Kohlenstoff im Sauerstoffstrom und Auffangen der entweichenden
Kohlensäure im LiBfiio'schen Kaliapparate in ganz analoger Weise wie bei jeder
anderen Verbrennung einer Kohlenstoffverbindung.
Da sich manche Eisensorten nach dieser Methode nicht zersetzen lassen, die
Ausführung auch etwas umständlich ist, führt man in der Praxis die Zersetzung
des Eisens meistens durch Kupferammoniumchlorid aus.
Diese zweite, die Mc. Crkath-1 LLGRENsche Kupferammoniumchloridmethode,
erfordert den einfachsten Apparat , den geringsten Aufwand an ßeagentien und
Feuerungsmaterial, liefert die zuverlässigsten Resultate und lässt sich bei allen
Sorten des Handelseisens anwenden, da sie alle durch Kupferammoniumchlorid
zersetzt werden.
Kupferammoniumchlorid hat die Eigenschaft, bei gelindem Erwärmen Eisen
quantitativ zu lösen und die Verbindungen und Beimengungen desselben, nament-
lich Schwefeleisen, Kohlenstoff und Silicium, intact eu lassen. Die Losung erfolgt
bei stetem Umrühren nach längstens 25 Minuten ; man filtrirt über Asbest ab und
bestimmt den Kohlenstoff in der gewöhnlichen Weise unter Verbrennung zu
Kohlendioxyd.
In derselben Weise lassen sich manche Roheisensorten für die Silicium- oder
Schwefelbestimmung vorbereiten.
Bei stark siliciumhaltigen oder wolframhaltigen Proben ist ein wiederholtes
Eindampfen mit Königswasser nötbig ; oft muss auch das Aufschliessen mit kohlen-
saurem Natronkali und Salpeter zu Hilfe genommen werden, namentlich wenn bei
der Üblichen Schwefelbestimmungsmethode ein schwarzer Rückstand (in der Regel
ans Kupfersulfid bestehend) hinterbleibt.
Bestimmung des Siliciums.
Man löst 1 — 3 g Eisen in Salpetersäure von 1.2 spec. Gew. auf und dampft
zur völligen Trockne ein. Zu dem erkalteten Rückstand setzt man concentrirte
Salzsäure, filtrirt, trocknet das Filter und glüht dasselbe sammt seinem Inhalte
in einem Platintiegel bis zur möglichst vollständigen Verbrennung aller Kohle.
Der Rückstand wird im Tiegel mit der fünffachen Menge Natriumkaliumcarbonat
unter Zusatz von wenig Salpeter gemischt , allmälig erhitzt , zuletzt stark, bis die
Gasentwickelung völlig aufgehört hat. Nach dem Erkalten der Schmelze und Auf-
weichen in Wasser setzt man im Becherglase Salzsäure bis zu stark saurer
Reaction hinzu, dampft zur Trockne ein, befeuchtet den Rückstand wieder mit
concentrirter Salzsäure, löst in Wasser und filtrirt die zurückbleibende Kieselsäure
ab. Die erhaltene Kieselsäure wird in bekannter Weise geglüht und gewogen.
Bestimmung des Schwefels.
Man hat drei Methoden : die EGOERTz'sche Schwefelprobe, die sogenannte Brom-
methode und die Eisenchloridmethode nach Gintl. Von diesen soll nur die Brom-
metbode (nach Johnston, Classex u. A.) beschrieben werden, da sie sehr genaue
Resultate gibt. 8ie beruht darauf, dass die Eisenprobe unter Durchleiten von
Wasserstoffgas, welches durch Waschen in Queeksilberchloridlösung von Schwefel-
wasserstoffgas gereinigt ist, in Salzsäure von 1.12 spec. Gew. gelöst wird. Der
im Eisen enthaltene Schwefel wird als Schwefelwasserstoff verflüchtigt und gelangt
durch ein Leitungsrohr in ein circa 600 mm langes und 20 mm weites, unten ver-
engtes Glasrohr. Letzteres ist mit groben Glasperlen gefüllt und mit einem Habn-
triehter versehen , durch welchen man eine Lösung von Brom in Salzsäure ein-
treten lässt, so dass die Glasperlen vollständig benetzt sind.
Das in das Glasrobr — WiLL-VARREXTRAPP'sche Absorptionsrohr — ein-
tretende Schwefelwasserstoffgas wird durch die Bromlösung zu Schwefelsäure oxydirt
und als solche festgehalten. Die Operation ist beendet, wenn das Eisen vollständig
gelöst ist und also selbst beim Erwärmen bis zum Sieden eine Gasentwickelung
nieht mehr stattfindet. Man lässt alsdann die Bromlösung in einen Becherkolben
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630
EISEN.
laufen, wäscht die Glasperlen mit destillirtem Wasser aus, dampft die Lösung im
Wasserbade ein, bis nur die Schwefelsäure zurückgeblieben ist, verdünnt mit etwas
Wasser, filtrirt von der ans dem Kohlenwasserstoff entstandenen kohligen Substanz
ab und fällt in dem Filtrate die Schwefelsäure durch Baryumchlorid.
Bestimmung des Phosphors.
Bei den tief eingreifenden nachtheiligen Einflüssen, welche ein Phosphorgehalt
des Eisens auf seine physikalischen Eigenschaften ausübt, ist die Ermittelang des
Phosphorsäuregehaltes einer Eisensorte für die Bestimmung ihres Werthes und ihrer
weiteren Verwendbarkeit von grosser Bedeutung. Die genauesten Resultate gibt
die Aramoniummolybdat-Magnesiummethode nach Sonnenschein. Zur Ausfuhrung
derselben lost man lg Eisen in einem Gemisch von 6 com Salpetersäure von 1.2
spec. Gew. und 6 com Salzsäure, digerirt längere Zeit in der Wärme , dampft im
Wasserbade unter Zusatz von etwas Ammoniumnitrat zur Trockne ein, erhitzt
zur Zerstörung der organischen Substanz stark, nimmt mit verdünnter Salpeter-
säure auf, filtrirt und dampft die phosphorsäurehaltige, salpetersaure Lösung aaf
ein möglichst kleines Volumen ein (auf 1 g Erz höchstens 20 ccm Flüssigkeit).
Ab Fällungsflüasigkeit dient eine Lösung von 150 g Ammoniummolybdat in 11
destillirtem Wasser , die man nach und nach in 1 1 Salpetersäure von 1.2 spec.
Gew. einträgt, einige Tage stehen lässt und filtrirt.
Die stark saure, concentrirte Eisenlösung versetzt man mit concentrirter
Ammoniakflttssigkeit, ohne dass eine bleibende Trübung entsteht. Andererseits
erwärmt man von der Ammoniuramolybdatlösung circa 25ccm auf etwa 40° und
setzt nun die ebenfalls auf dieselbe Temperatur erwärmte Eisenlösung in einzelnen
Portionen unter Umrühren zu der Molybdänflttssigkeit. Alsdann lässt man 12 Stunden
an einem warmen Orte (nicht über 45°) stehen, filtrirt, wäscht den gelben Nieder-
schlag durch Decantiren mit einer verdünnten Ammoniumnitratlösung, der anfangs
zur Entfernung des Eisens etwas Salpetersäure zugesetzt wird, aus, löst ihn dann
in möglichst wenig Ammoniakflüssigkeit , giesst die Flüssigkeit durch das schon
benutzte Filter, um die anhaftenden Theile zu lösen und wäscht mit verdünnter
Ammoniakflüssigkeit aus. Die klare Flüssigkeit wird mit Salzsäure versetzt, nicht
so viel, dass Trübung entsteht und dann mit Ammonmagnesiumchloridlösung in
geringem Ueberschuss versetzt. Nach zwölf sttindigem Stehenlassen in der Kälte
* filtrirt man ab, wäscht aus mit verdünntem Ammoniak, trocknet, glüht und wägt
in gewöhnlicher Weise den aus Magnesiumpyrophosphat bestehenden Niederschlag.
Schnell, aber auch ungenau, bestimmt man in der Technik den Phosphor
volumetrisch, indem man den unter bestimmten Verhältnissen entstandenen Nieder-
schlag von phosphormolybdänsaurem Ammonium in dazu bestimmten Spitzröhrchen
dem Volum nach bestimmt und auf Phosphor berechnet.
Bestimmung des Mangans.
In den Eisenhütten wird Mangan zumeist durch Titrirung der Mangansalze
mit Kaliumpermanganat nach der von J. Volhard modificirten GüYARD'schen
Methode bestimmt. Man verfährt in der Weise, dass man eine Probe (5g etwa)
mit 80ccra Salpetersäure von 1.2 spec. Gew. und 100 ccm verdünnter (1:3)
Schwefelsäure zur Trockne verdampft und im Sandbade so lange erhitzt, bis
Schwefelsäuredänipfe entweichen, wobei alles Eisen in Oxydsalz verwandelt und
zugleich die Kieselsäure quantitativ abgeschieden wird. Man nimmt mit Wasser auf
und filtrirt von der Kieselsäure ab. Im Filtrat wird durch ausgeglühtes und auf-
geschlemmtes Zinkoxyd das Eisen vollständig ausgefällt, die ebenfreie Mangano-
sulfatlösung eventuell noch mit etwas reinem Zinksulfat versetzt und verdünnt.
Die mit Schwefelsäure sehwach sauer gemachte Flüssigkeit wird kochend beiss
mit Chamäleonlösung, die auf reines Eisen eingestellt ist, titrirt, wobei man das
Zusammenballen des aus Manganopermanganat bestehenden Niederschlages durch
Schütteln fordert. Das Ende der Titrirung ist erfolgt, wenn sich die Rosafärbung
der Flüssigkeit dauernd erhält.
Volhard gibt eine Lösung von 3.833 g Kaliumpermanganat im Liter an. 1 ccm
derselben entspricht 0.002 Mangau.
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EISEN.
631
Der Titer wird auf jodometrischem Wege festgestellt, indem das ausgeschiedene
Jod durch Natriumthiosulfat zurflcktitrirt wird.
Bestimmung von Kupfer.
Zur Bestimmung kleiner Mengen Enpfer in Eisenerzen ist meist auf den Hütten
eine einfache, zuerst von Hkixb angegebene, spater von Jacqüelin , Hübest u. A.
modificirte, colorimetrische Methode in Gebrauch.
In die salzsaure beisse Lösung leitet man Schwefelwasserstoff ein, verascht den
erhaltenen Niederschlag von Schwefelkupfer, löst wieder in Salpetersäure, filtrirt,
wäscht aus, versetzt das Piltrat mit Ammoniak im geringen Ueberschuss und ver-
dünnt bis zu einem gewissen Volum. Die Farbenintensität der so erhaltenen
Lösung vergleicht man mit einer in derselben Weise bereiteten Normallösung von
bekanntem Gehalt. Man benutzt hierzu Batteriekupfer und stellt sich gleich
mehrere derartige Normallösungen von verschiedenem Gehalt dar. Die Säuren in
der Normal- und Probelösung müssen dieselben sein, zur Uebersättigung sind an-
nähernd gleiche Ammoniakmengen anzuwenden.
Kohlenstoff ....
1 0.556
0.576
3.492
4.086
0.368
0.2
-i ;
i Graphit
3.262
2.868
Silicium
1358
1.971
! 0.110
0.243
0.172
0.3
-0.4 :
0.128
0.027
0.062
0.220
0.044
0.02
-0.1
Schwefel
0.027
0018
0.029
0.018
0.015
0.01
-0.02
f 0.020
0.025
Spuren
Spuren
0.037
0
006
Kobalt u. Nickel . .
Spuren
0.083
Spuren
0.133
0.020
| Hangan
! 1.264
2.823
1.728
2.75
0.417
0.3
-0,8
1 Eisen
I 93.385
91.609
94.589
92.55
98.927
99
etwa '
ReinosEisen erhält man am bequemsten durch Schmelzen von reinem Schmiede-
eisen vor dem Knallgebläse im Ereidetiegel, wobei die Verunreinigungen oxydirt
und vom Tiegel aufgesogen werden. Es ist fast silberweiss. sehr weich und
politurfähig und besitzt ein speeifisches Gewicht von 7.84. Technische Bedeutung
hat es nicht. Als Ersatz von reinem Eisen dient für analyrische Operationen bester
Ciavierdraht, welcher nur etwa 0.3 Procent fremde Bestand t heile enthält.
Elektrolysirtes Eisen. Durch Elektrolyse einer Lösung von Ferrosulfat
und Ammonsulfat gewonnen, besitzt hellgraue Färbung und zeichnet sich durch
krystallinische 8tructur, sowie grosse Härte aus. Es scheint jedoch kein reines
Eisen zu sein, wenigstens sind in ihm einige Procente Stickstoff aufgefunden
worden.
Passives Eisen. Bringt man Eisen kurze Zeit in concentrirte Salpetersäure
und wäscht es dann in viel Wasser ab, so ist es p ass i v geworden, d. h. es
löst sich nicht mehr in Säuren auf. Es gründet sich diese Erscheinung darauf,
dass sich an der Oberfläche des Eisens eine Schicht von Eiseuoxyduloxyd bildet.
Man verwendet passiv gemachte Eisengegenstände zur Zeit vielfach zu Bauzwecken.
Literatur: Muspratt, Techn. Chemie. — v. Waguer, Chem Technologie. —
Wenghöffer, Techn. Chemie. - Post, Techn. Analyse. -- Rokcoü. Lehrbuch der anorg.
Chemie. — Kerl, Eisenhüttenkunde. — Beck, Geschichte des Eisens. — Wedding. Eisen-
hüttenkunde. B. Fischer
Eisen (Ferrum), Fe. Atomgewicht 56. Das Wort Eisen (gothisch eimru. alt-
hochdeutsch warn, engl, iron) scheint von dem Sanskritwort ayax (= aes, Erz)
abzustammen. Die Alcheroie widmete das Eisen dem Mars, weshalb es häufig mit
diesem Namen oder dem Zeichen des Planeten Mars r5 bezeichnet worden ist. Es
ist in technischer Beziehung eines der wichtigsten Metalle und schon in den frühesten
historischen Zeiten bekannt gewesen, auch ist es das verbreitetste aller Metalle, findet
sich jedoch nur selten im gediegenen Zustande. Massen von metallischem Eisen
meteorischen Ursprungs ( Meteoreisen) finden sich zwar sparsam, doch weit verbreitet
Analysen von Eisensorten.
Procent gt'hult m :
Spiegel- Bessemer- Martin- 1
eisen stahl gtoht ;
Chemisch gebundenem
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632
EISEN.
Uber die Oberfläche der Erde und fallen noch heutzutage von Zeit zu Zeit als
Meteorsteine aus dem Weltraum auf unsere Erde nieder. Eigenverbindungen sind
sehr verbreitet, sie finden sich im Mineral-, Pflanzen- und Thierreiche. Die wichtig-
sten im Mineralreiche vorkommenden Eisenverbindungen sind, 1. Hämatit, Eisen-
oxyd, Fe, 0„ von welchem man zwei Modificationen, Eisenglanz und Botheisenstein,
unterscheidet. 2. Brauneisenstein, Eisenoxydhydrat, von welchem man je nach dem
Wassergehalte Pyrrhosiderit, Fe, Os + H, 0 und den eigentlichen Brauneisenstein y
2Fe808 + 3H20 unterscheidet. Letzterer bildet im Gemenge mit Thon den gelben
Thoneisenstein und das Bohnerz. 3. Gelbtitenstein, ein Eisenoxydhydrat von der
Zusammensetzung Fe4 03 -f 2 Ha 0. 4. Magneteisenstein, Eisenoxyduloxyd, Feg Ot.
5. Spatheisenstein oder Sphärosiderit, FeC08. 6. Schwefelkies oder Pyrit, Fe 8,.
7. Magnetkies, Fe4 S8. Ferner macht Schweftieisen einen sehr wesentlichen Be-
standtheil im Kupferides, CusS . Fe, S4 und in dem Arsenkies ^ FeA&j . Fe 8, aus.
Eisenverbindungen finden sich ferner im Meer-, Quell- und Flusswasser, sowie in
der Ackerkrume; aus dem Wasser und dem Erdboden gelangt das Eisen in die
Pflanzen, woselbst es eine wesentliche Rolle als Bestandteil des Chlorophylls
spielt; aus dem Pflanzenreiche gelangt es auch in den thierischen Organismus,
daselbst als Bcstandtheil des Hämoglobins von grosser physiologischer Bedeutung.
Das im Grossen gewonnene Eisen (s. Eisen, technisch), welches in drei ver-
schiedenen Zuständen, als Gusseisen, als Stabeisen und als Stahl vorkommt, ist
kein völlig reines Eisen , sondern enthält grössere oder kleinere Mengen anderer
Körper, welche die Verschiedenheit der Eigenschaften dieser drei Arten des
Eisens bedingen.
Das Gusseisen enthalt mehrere Procent Kohlenstoff, ausserdem äilicium und
Phosphor, der Stahl enthalt ebenfalls Kohlenstoff, aber in geringerer Menge, und
Stickstoff; das Schmiedeeisen enthält noch weniger Kohlenstoff, als der Stahl und
auch nur Spuren anderer Körper. Ein fast vollkommen reines Eisen wird erhalten,
wenn man Eisendraht, geroengt mit etwas Eisenoxyd im hessischen Tiegel unter einer
Schicht von grünem Glase schmilzt. Der Sauerstoff des vorhandenen Eisenoxyds
nimmt den Kohlenstoff aus dem Eisen fort, das überschüssige Oxyd löst sich in
dem schmelzenden Glase auf. Auch durch Rcduction von reinem Eisenoxyd mittelst
Wasserstoffgas wird vollkommen reines Eisen gewonnen.
Das bei niederer Temperatur reducirte Eisen bildet ein schwarzes Pulver und
ist in Folge seiner Porosität so pyrophorisch , dass es sich bei Zutritt der Luft
entzündet und verbrennt. Das in höherer Temperatur reducirte Eisen hat diese
Eigenschaft nicht und bildet eine grauweisse schwammige Masse.
Das durch Reduction von Eisenoxyd gewonnene Eisen ist unter dem Namen
Ferrum hydroyenio red actum officincll (s. Ferrum reduetum).
Bei der Reduction von Eisenoxyd mittelst Kohlenoxyd bei nicht zu heller Glüh-
hitze gewinnt man reines Eisen als graue schwammige Masse, Eisenschtcamm,
welcher zum Filtriren von Trinkwasser vorgeschlagen ist und benutzt wird. Durch
Glühen von Eisenchlorür in Wasserstoff wird reines Eisen in Blättchen oder
Würfeln erhalten. Auch durch Elektrolyse erhält man reines Eisen. Das reine
Eisen krystallisirt in regelmässigen Würfeln oder Octaödern, ist bläulich grau, fast
weiss, glänzend und sehr politurfähig, wird bei Rothgluth weich und lässt sich
bei Weissgluth zusammensch weissen. Ueber den Schweisspunkt hinaus erhitzt, wird,
es spröde. Der Schmelzpunkt ist nicht genau bestimmbar und wird zu 1550°,
1587°, 1600° und 1804° angegeben. Vom Magneten wird das Eisen angezogen,
es wird auch durch Induction selbst magnetisch, verliert aber seine Polarität
augenblicklich, sobald es vom Magneten entfernt wird. Im kohlenstoffhaltigen
Eisen entwickelt sich der Magnetismus langsamer, hält aber auch nach Wegnahme
des Magneten längere Zeit an.
Bei gewöhnlicher Temperatur in vollkommen trockener Luft bleibt das Eisen
unverändert, in feuchter, kohlensäurehaltiger Luft wird es dagegen oxydirt , es
rostet. Das Rosten des Eisens besteht in einer oberflächlichen Oxydation desselben,
welche besonders leicht bei Gegenwart von Kohlensäure erfolgt. L'nter dem Ein-
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Kl SEX.
633
fluss von Kohlensäure, Sauerstoff und Wasser verwandelt sich das Eisen in kohlen-
saures Eisenoxydul, welches durch weitere Aufnahme von Sauerstoff unter Ab-
scbeidung von Kohlensäureanhydrid in Eisenhydroxyd übergeht. Die Oxydation
ist Anfangs eine trage, wird aber bald energischer, weil das entstandene Eisen-
oxyd mit dem Eisen ein galvanisches Element darstellt, in welchem das Eisen
elektropositiv ist. Auch bei der Berührung des Eisens mit Luft und Wasser,
welches Säuren oder Salze enthält, tritt das Rosten leicht ein, dagegen verhindern
ätzende und kohlensaure Alkalien schon in sehr verdünnter Lögung das Rosten,
auch lässt sich Eisen durch einen dünnen Ueberzug von Zink (galvanisches Eisen)
oder von Zinn (Weissblech) vor dem Rosten schützen, weil das Eisen dem Zink
und Zinn gegenüber elektronegativ ist. Auch Ueberzüge von Theer, Graphit,
Farbe nnd neuerdings solche von Eisenoxyduloxyd, welche man durch Erhitzen des
Eisens in Wasserdampf bei 650° darstellt, werden zum Schutze des Eisens vor
dem Rosten benutzt.
Erhitzt man Eisen an der Luft, so überzieht es sich mit einer schwarzen
Schiebt von Eisenoxyduloxyd (Hammerschlag).
Das Eisen verbindet sieh leicht mit den Halogenen ; auch mit Phosphor und
Arsen vereinigt es sich, desgleichen mit Kohlenstoff und Silicinm bei hoher Tem-
peratur. Das technisch gewonnene Eisen bildet Verbindungen des Eisens mit dem
Kohlenstoff (s. oben). Mit vielen Metallen bildet das Eisen Legirungcn (s. Eisen-
legirungen). In verdünnten Säuren (Salzsäure und Schwefelsäure) wird es
unter Entwickelung von Wasserstoff gelöst ; concentrirte Schwefelsäure wirkt nicht
in der Kälte, sondern nur in der Hitze unter Entwickelung von Schwefligsäure-
anhydrid und Bildung von schwefelsaurem Eisenoxyd ein. Verdünnte Salpetersäure
löst das Eisen bei gewöhnlicher Temperatur zu salpetersaurem Eisenoxydul, beim
Erwärmen zu salpetersaurem Eisenoxyd. Dagegen greift concentrirte Salpetersäure
das Eisen nicht an, sondern verwandelt es an seiner Oberfläche in eine ,,passivew
Modifikation. Dieses „passive" Eisen wird von verdünnter Säure nicht gelöst und
fällt aus einer Kupfervitriollösung kein metallisches Kupfer aus. Die Ursache für
dieses eigentümliche Verhalten wird von einer Seite in einer dünnen Oxydschicht,
von anderer Seite in einer Gasscbiclit oder einem elektrischen Zustande gesucht.
Von kohlensaure- und luftfreiem Walser wird Eisen nicht angegriffen, in luft-
haltigem Wasser oxydirt es sich zu Eisenhydroxyd. Bei erhöhter Temperatur zer-
setzt Eisen das Wasser, und zwar wird nach den Angaben von Hall und Guihouut
Wasser durch fein gepulvertes Eisen schon bei Siedetemperatur zersetzt. Bei Roth-
gluth wird Wasser durch Eisen unter Entwickelung von Wasserstoff zersetzt, wobei
Eisenoxyduloxyd entsteht : umgekehrt werden Eisenoxyduloxyd , sowie Eisenoxyd
beim Erhitzen in einer Atmosphäre von Wasserstofl' unter Bildung von Wasser zu
metallischem Eisen reducirt ('s. Ferrum reduetum).
Unter dem Namen Ferrum pulveratum (Limatura fern, Ferrum praeparatum)
kommt gepulvertes Eisen in der Medicin als Heilmittel zur Anwendung, welches
aus reinen rostfreien Eisenfeilspänen durch mechanisches Zerreiben, Absieben und
Beuteln erhalten wird fs. Ferrum pul v erat um). Das Eisen ist ein vier-
werthiges Element, welches in seinen Verbindungen jedoch zwei- und dreiwerthig
auftritt, indem je zwei Atome Eisen entweder durch zwei oder nur durch eine
Affinitätseinheit zusammengehalten werden:
Fe = Fe
|| und
Fe = Fe n
Die Verbindungen, in welchen das Eisen zweiwerthig auftritt, nennt man Eisen-
oxydul- oder Ferroverbindungen, diejenigen, in welchen es als dreiwerthiges Metall
fungirt, Eisenoxyd- oder Fernverbindungen. Dass in den Eisenoxydverbindungen
wirklich 2 Atome Eisen im Moleküle vorhanden sind, ergibt sich aus der speci-
fischen Wärme des Metalles und dem spec. Gew. des Eisenchloriddampfes. Die
Molekulargrösse der Eisenoxydulverbindungen ist bislang nicht ermittelt worden,
doch ist anzunehmen, dass auch diese im Moleküle wenigstens 2 Atome Eisen
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EISE*
enthalten. Man drückt solches allerdings meist in den Formeln nicht aus, sondern
halbirt die betreffenden Formeln, schreibt also FeCl3 (Eisenchlorflr) statt Fe, Cl1?
FeO (Eisenoxydul) statt Fe, 02. Die Eisenoxydulsalze erleiden an der Luft eine
allmälige Oxydation zu Eisenoxydsalzen. H. Becknrts.
Eisen, analytisches Verhalten, i. Erk ennung der Eisen Verbin-
dungen. In neutralen oder sauren Lösungen ist das Eisen als Oxydul oder als
Oxyd enthalten oder entsprechend als Chlorür, Chlorid, Bromilr, Bromid etc. Die
Eisenoxydulsalze werden aus ihren wässerigen Lösungen durch Schwefel-
ammonium als schwarzes hydratisches Schwefeleisen, welches sich leicht in Säuren
löst und an der Luft oxydirt, gefällt. Sehr verdünnte Eisenlösangen werden von
Schwefelammonium grün gefärbt. Aetzalkalien und Ammoniak fällen Eiseuoxydul-
hydrat (Fe [OH],) als weissen, sich fast augenblicklich an der Luft in Folge der
Oxydation grün und dann braun färbenden Niederschlag. Ferrocyaukalium fällt
einen weissen Niederschlag (K, Fe, [FeCN(i],), welcher sich, wie alle Eisenoxydul-
verbindungen, an der Luft schnell oxydirt, wobei es sich blau färbt und in die
Oxydverbindung übergeht. Auch Chlor und Salpetersäure oxydiren denselben.
2 K4 (Fe CNe) 4- 3 Fe Cl8 = K, Fe3 (Fe CNe) 4- 6 K Cl
3 Ks Fe, (Fe CN«)2 4- 8 Cl = 2 (Fe,) (Fe CN6), + 6 K Cl + Fe Cl2.
Ferricyaukalium gibt einen blauen Niederschlag (Turnbulsblau) , welcher die
Zusammensetzung Fe., (Fe.,) (CN)I2 besitzt und als Eiseuoxydulsalz der Ferrieyan-
wasserstoffsäure aufzufassen ist.
Aus Eisenoxyd salzlös u ngen fällen Aetzalkalien und Ammoniak Eisen-
oxydhydrat (Fe, [OH]„) , welches im Ueberschuss des Fällungsmittels unlöslich ist.
Organische Säuren hindern die Bildung des Niederschlages. Kohlensaures Baryum
fällt in der Kälte Eisenoxydbydrat (FeaCl, 4- 3BaCO, + 3HäO = Fe3 [OH]„ +
-f 3 Ba Cl, -t 3 CO,) ; Schwefelammonium schwarzes Schwefeleisen (Fe S).
Schwefelwasserstoff reducirt die Eisenoxydsalze zu Eisenoxydulsalzen • Fe, Cl« 4-
4- H2 S = 2 FeCl2 -f 2 H Cl + S. Essigsaures Natrium bewirkt rothbraune Färbung,
welche von dem gebildeten essigsauren Eisen (Fe, [C, H302]ö) herrührt. Dieses
zersetzt sich beim Kochen unter Abscheidung von unlöslichem basisch essigsaurem
Eisen, einem rothbrauuen Niederschlage, dessen Bildung zur Trennung des Eisens
von dem Mangan und Zink in der analytischen Chemie benutzt wird. Rhodankalium
bewirkt eine dunkelrothe Färbung in Folge der Bildung von Rhodaneisen
(Fe,[CNS]6), Ferrocyankalium eine blaue Fällung (Berlinerblau). Bei Spuren von
Eisen wird eine grüne Flüssigkeit erhalten, in welcher sich nach und nach ein
blauer Niederschlag bildet. Die Reactiou der Bildung von Berlinerblau ist:
3 K, FeCNG + 2Fe2Cl< = (Fe,), (FeCN,.)3 + 12 KCl. In Salzsäure ist Berliner-
blau unlöslich, Kalilauge zerlegt es unter Bildung von Eisenhydroyxd und Ferro-
cyankalium : (Fe,), (Fe CN,), 4- 12 KOH = 3 Kt Fe CX„ 4- 2 Fe2 (OH),.
Rothes Blutlaugensalz erzeugt keinen Niederschlag . sondern bewirkt nur eiuo
dunkelbraune Färbung der Flüssigkeit. Gerbsäure bewirkt in neutralen Lösungen
eine tiefblauschwarze Trübung. Die Eisenoxydulsalze können durch Oxydation
mit Salpetersäure oder mit Chlor in Eisenoxydsalze umgewandelt werden. Behufs
Oxydation mit Salpetersäure fügt mau zu der Lösung des Eisenoxydulsalzes,
welche am besten irgend eine andere freie Säure (Salzsäure oder Schwefelsäure)
enthält, tropfenweise concentrirte Salpetersäure, bis die Flüssigkeit gelbbraun ge-
worden ist: 6FeCl, 4- 6 HCl 4- 2 HNO, = 3Fe,CI„ 4- 2 NO 4- 4 H2 0.
Bei Abwesenheit freier Säure werden basische, meist unlösliche Eisenoxydsalze
gebildet. Um mit Chlor zu oxydireu , säuert man die Lösung des Eisenoxydul-
salzes mit Salzsäure an und fügt kleine Mengen chlorsaures Kalium hinzu. Die
Salzsäure wird in Wasser und Chlor zerlegt, wobei das letztere das Eisenoxydul-
salz in Eisenoxydsalz überführt : 6 Fe Cl, 4- 6 H Cl 4- K Cl 0, =3 Fe, Cl« 4-
4- 3 H, 0 4- K Cl. Auch kann man Eisenoxydulsalze mit Kaliumpermanganat in
saurer Lösung in Oxydsalz überführen, worauf eine volumetrische Bestimmung des
Eisens gegrüudet ist. Umgekehrt werden Eisenoxydsalze durch Wasserstoff im
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!
EISEN. 635
Status nascendi (Zink und Salzsäure) oder auch durch Schwefligsäureanhydrid zu
Eisenoxydulsalzen redueirt:
FejCl« + Ha = 2FeCls 4- 2 HCl und
Fe3 Cl« + 2 Hs 0 + SO, = 2 FeCl3 + 2 H Gl + H, SO,.
Die Anwesenheit von Eisenoxydul- und EisenoxydverbinduDgen verlangen bei
ihrer gleichzeitigen Gegenwart awei Versuche: man prüft mit rothem Blutlaugen-
salz auf Eisenoxydul-, mit gelbem Blutlaugensalz auf Eisenoxydsalze. Tritt in
beiden Versuchen ein blauer Niederschlag ein, so bekundet dieser die Anwesenheit
von Eisenoxydul und Eisenoxyd.
Das Eisen gehört nach seinem bei der qualitativen Analyse in Betracht kommenden
Verhalten mit dem Kobalt und Nickel, dem Aluminium, Chrom, Zink und Maugan
zu der sogenannten UI. Gruppe (Eisengruppe). Die Glieder dieser Gruppe werden
durch Schwefelwasserstoff aus saurer Losung nicht gefällt, da ihre Schwefel Ver-
bindungen in verdünnten Säuren löslich sind, wohl aber werden sie durch Schwefel-
wasserstoff in alkalischer Lösung oder durch Schwefelammonium in Form von
Hydroxyden oder als Sulfide niedergeschlagen.
Von dem Kobalt und Nickel unterscheidet sich das Eisen durch die leichte
Löslichkeit der Schwefelverbindung in kalter fflnfprocentiger Salzsäure, von dem
Zink und Mangan durch die Fällbarkeit mit frisch gefälltem kohlensaurem Baryum
als Eisenhydroxyd, sofern es in der Oxydform vorliegt, von dem Aluminium uud
* Chrom durch die Unlöslichkeit des Hydroxyds in kalter Natronlauge.
II. Quantitative Bestimmung. Um die quantitative Bestimmung des Eisens
in den Eisenoxydulsalzen auszufahren , führt man diese in Eisenoxydsalze
über und fällt aus diesen das Eisen als Eisenoxydhydrat (s. unten). Die Oxydation
geschieht durch Hindurchleiten von Chlor oder durch Zusatz von chlorsaurem
Kalium und Salzsäure (s. oben), auch durch Kochen mit Salpetersäure. Man kann
aber das Eisen in den Eisenoxydulverbindungen auch direct auf maassanalytischem
Wege bestimmen. Man bedient sich der Methode von Margubritr, welche sich
auf die Oxydation der Eisenoxydulsalze zu Oxydsalzen mit Kaliumpermanganat in
saurer Lösung gründet:
10 Fe S04 + 2 KMn O, + 8 Ha SO, = 5 Fe, (S0,)3 + Ks 80, + 2 Mn SO, + 8 H2 0.
Das Eisen muss als Sulfat vorhanden und Schwefelsäure muss im Ueberschuss
zugegen sein. Salzsäure darf nicht anwesend sein, da diese das Kaliumpermanganat
unter Entwickelung von Chlor zersetzt. Diese Zersetzung kann man verhindern,
wenn man der salzsauren Lösung eine Lösung von schwefelsaurem Mangan hinzu-
setzt. Fügt man zu einer so beschaffenen Lösung des Eisenoxydulsalzes Kalium-
permanganat! ösung, so verschwindet die carmoisinrothe Farbe derselben sofort und
wird nach weiterem Zusätze erst sichtbar, wenn alles Eisenoxydulsalz in Eisenoxyd-
salz übergeführt ist. Das Auftreten der rothen Farbe und das Sichtbarbleiben
derselben während einiger Minuten zeigt die Beendigung der Reaction an. Die
Ausführung der Bestimmung geschieht in der Weise, dass man zu der Lösung des
Eisenoxydulsalzes so lange von der titrirten Kaliumpernianganatlösung setzt , bis
der letzte hinzugesetzte Tropfen eine dauernde Rosafärbung hervorruft. Die Menge
des Eisens x ist = n CC < t, wobei n die verbrauchte Anzahl cc Kaliumpermangauat-
lösung und t der Titre der Lösung ist.
Der Titre der Kaliumpermanganatlösung, einer Lösung willkürlicher Concentration,
wird mittelst einer Lösung von Oxalsäure (Hempel), welche dabei in Kohlensäure
und Wasser zerfällt, oder mit schwefelsaurem Eisenoxydulammon Fe 80, fNH,)2 SO, +
4- 6H30 (Mohr), oder endlich mit einer frisch bereiteten Lösung von feinem
Claviersaitendraht in verdünnter Schwefelsäure (Maroüerite) festgestellt. Die Auf-
lösung des metallischen Eisens geschieht in einem Strome eines indifferenten Gases
(Kohlensäure), oder in einem mit Ventil versehenen Kölbchen, welches dem ent-
weichenden Wasserstoff den Austritt, nicht aber den Eintritt der Luft von aussen
gestattet. 0.1g reinsten Eisendrahtes (= 0.7 g schwefelsaurem Eisenoxydulammon
und = 0.1125g Oxalsäure) gebraucht nach seiner Auflösung in verdünnter Schwefel-
säure 0.056428 g Kaliumpermanganat zur Oxydation.
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636
EISEN.
Die quantitative Bestimmung des Eisens in den Eisenox yd Verbindungen
geschiebt durch Fällen als Hydroxyd mit Ammoniak und Ueberführung desselben
in Oxyd durch Glühen. Der rothbraune Niederschlag von Eisenhydroxyd wird nach
dem Absetzen filtrirt, mit heissem Wasser ausgewaschen, alsdann getrocknet und
darauf nach dem Verbrennen des Filters in der Platinspirale anfangs schwach,
schliesslich stark geglüht. 160 Th. Eisenoxyd (Fe^O,) entsprechen 112 Th. Eisen.
Um Eisen als Ferrosulfid zu bestimmen, neutralisirt man die Lösung mit
Ammoniak, setzt Salmiak und Schwefelammonium hinzu, lässt darauf den Nieder-
schlag in massiger Warme unter möglichstem Abschluss der Luft absetzen, um
eine Oxydation des Schwefeleisens zu verhindern, sammelt darauf den Niederschlag
auf einem Filter und wascht ihn mit Schwefelammonium haltendem Wasser aus.
Nach dem Trocknen glüht man das Ferrosulfid in einem gewogenen Tiegel unter
Zusatz von etwas Schwefel im Wasserstoff ströme. 88 Tb. FeS = 56 Th. Eisen.
Auch kann man das Eisensulfür in Salzsäure lösen und in der erhaltenen Lösung
das Eisen nach Verjagung des Schwefelwasserstoffes auf vol ametrischem Wege nach
Makguerite bestimmen.
Um in Eisenoxydsalzlösungen nach dieser Methode das Eisen maassanalytisch zu
bestimmen, werden dieselben mit eisenfreiem Zink und verdünnter Schwefelsäure
versetzt, so dass eine Wasserstoffentwickelung eintritt, wodurch das Eisenoxyd zu
Eisenoxydnlsalz — leicht zu erkennen an der Entfärbung der Lösung — reducirt
wird. Die redncirte Flüssigkeit wird sodann mit Kaliumpermanganatlösung titrirt. *
Soll die Menge des Eisenoxyduls und Eisenoxyds in einer Verbindung bestimmt
werden, so erhält man bei Befolgung dieser Methode beim directen Titriren die
Menge des Eisenoxyduls , durch Reduction und darauffolgendes Titriren die ge-
sammte Eisenmenge; aus der Differenz ergibt sich dann leicht die Menge des
Eisenoxyds.
Auch mit J o d k a 1 i um kann man die Eisenoxydsalze reduciren. Eisenchlorid
und Jodkali um setzen sich in massiger Wärme gemäss der Gleichung : Fe, CU -f
-f 2KJ = 2FeCla + 2 KCl + J2 in Eisenchlorür, Chlorkalium und Jod um. Das
ausgeschiedene Jod wird mit einer Lösung von Natriumthiosulfat bestimmt. Zur
Ausführung der Bestimmung wird die Eisensalzlösung mit Überschüssigem Jodkalium
in einem verschlossenen Gefässe etwa eine Stunde digerirt; nach dem Erkalten
versetzt man die Mischung mit etwas Stärkelösung und darauf mit so viel 1 ,0-Normal-
natriumthiosulfatlösung , bis die blaue Farbe der Jodstärke verschwunden ist.
1 ccm 1 I0-Norraalnatriumthiosulfatlösung ist = 0.0127g Jod = 0.0056 g Eisen =
= 0.<>072g Eisenoxydul = 0.008 g Eisenoxyd.
Bequem ist auch die Reduction des Eisenoxyds mittelst Zinnchlorür und
Rttckmessung des Ueberschusses an letzterem mittelst Jodlösung. Die Methode
beruht auf der Reduetiou des Eisenchlorids in kochender Lösung mittelst Zinn-
chlorür gemäss der Gleichung: Fe, CL + Sn Cls = 2FeCI5 + SnCl4 und Zer-
setzung eines Ueberschusses an Zinnchlorür durch Jodlösung : Sn Cla + 2 HCl -+-
4- 2 J = Sn Cl4 4- 2 HJ.
Die Methode erfordert als Probeflüssigkeiten 1. eine Eisenchloridlösung von
bekanntem Gehalte, 2. eine Zinnchlorflrlösung , deren Wirknngswerth gegen die
ihrem Gehalte nach bekannte Lösung von Eisenchlorid festgestellt ist, und 3. eine
Jodlösung, deren Verhältniss zur Zinnchlorürlösung bekannt ist.
Bezüglich der Trennung des Eisens von anderen gleichzeitig vorhandenen
Metalloxyden ist zu bemerken, dass die Trennung von den Alkalien und alka-
lischen Erden, sowie von Magnesia, durch Fallen der in die Oxydfora
tibergeführten Eisenverbindung als Hydroxyd bei Gegenwart von Chlorammonium
durch Ammoniak ausgeführt wird, und dass durch Schwefelwasserstoff in saurer
Lösung alle durch diesen fallbaren Metalle abgeschieden werden, während Eisen
als Oxydulsalz im Filtrate der abgeschiedenen Schwefelmetalle verbleibt. Soll Eisen
neben Thonerde bestimmt werden, so theilt man die auf ein bestimmtes Volnm
verdünnte Lösung in zwei gleiche Theile, fällt aus dem einen Theile Eisen und
Aluminium als Hydroxyd gemeinschaftlich , sammelt dieses , wäscht aus , trocknet
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ELSEN. — EISENBK0M1DE.
«337
und glüht und reducirt in dem anderen das Eisenoxyd zu Oxydul, bestimmt dieses
mit Kaliumpermanganatlösung nach Marguerite. Aus der Differenz erfährt man
die Menge der Thonerde. Vom Zink und Mangan trennt man das in der
Oxydform vorhandene Eisen mittelst des basisch essigsauren Salzes. Die eventuell
mit kohlensaurem Natrium neutralisirte Lösung wird mit überschüssigem essigsaurem
Natrium versetzt und die rothgewordene Lösung gekocht, bis der rothbraune
Niederschlag des basisch essigsauren Eisens sich gut abgesetzt hat. Der Nieder-
schlag wird abfiltrirt, ausgewaschen, geglüht und gewogen. Es hinterbleibt Eisen-
oxyd. Neben Chromoxyd bestimmt man das Eisenoxyd durch Fallen beider
Oxyde mit Ammoniak , Auswaschen , Glühen und Wagen und darauffolgender Re-
duction im Wasserstoffstrome bei Glühhitze. Nur das Eisenoxyd wird reducirt,
aus dem Gewichte nach dem Glühen im Wasserstoffstrome und dem beobachteten
Gewichtsverluste kann man die Menge des Eisenoxyds berechnen. Von Mangan-,
Nickel- und Kobaltoxydul kann man das Eisenoxyd auch durch Maeeration
mit frisch gefälltem kohlensauren Baryum trennen. Eisenoxydhydrat geht in deu
Niederschlag und kann nach Entfernung des Baryums mittelst Schwefelsäure leicht
als solches bestimmt werden. H. Beckurts.
Eisenbäder, Stahlbäder, werden bereitet, indem man 50— 200g Tartarus
ferratus (in 11 heissen Wassers gelöst) dem Bade zusetzt. Oder 50 — 200 g
Ferrum sulfuricum oder 1 5 — 60 g Liquor Ferri sesquichlarati auf ein Bad. —
Zu den kohlensauren oder moussirenden Eisenbädern liefern meist die Fabriken
künstlicher Mineralwässer die Ingredienzen ; vielfach in Anwendung ist auch ein
Gemenge von 1 Th. Ferrum sulßtricttm siccttm , 2 Th. Kochsah und 3 Th.
Natrium bicarbonicum , von welcher Mischung 150 g bis 200 g dem Bade zu-
gesetzt werden. Vergl. ferner Bäder, Bd. II, pag. 107, Heilquellen und
Mineralwasser.
ElSen bäum. Baumartige Gebilde von kieselsaurem Eisen, welche sich bilden,
wenn man Rrystalle von Eisenchlorür in eine Lösung von Wasserglas legt. Das
ursprünglich weisse Ferrosilicat geht in Folge fortschreitender Oxydation durch
grün in das braune Ferrisilicat über.
Eisenbeize. Als Eisenbeize bezeichnet man solche Lösungen von Eisenoxyd-
salzen, welche durch ihr Eindringen in die Gewebefaser diese zur Aufnahme, resp.
Einlagerung gewisser Farbstoffe befähigen, die sich ohne vorausgegangene Beizung
auf der Faser nicht würden fixiren lassen. Von Eisensalzen werden dazu besonders
verwendet das salpetersaure Eisen, das rohe holzessigsaure Eisen und das basisch-
schwefelsaure Eisen.
EiSenblaUSäure, s. Ferrocyanwasserstoff.
Eisenblumen = subu mirtes Eisenchloriil.
ElSenbraun ist eine Mineralfarbe, hergestellt durch Fällen von Eisenvitriol
mit Kalkmilch und Erhitzen des aus Eisenoxydhydrat und schwefelsaurem Kalk
bestehenden Niederschlages.
Eisenbromide. Man kennt das Eisenbromür, FeBr,, und das Eisen-
bromid, Fe3 Bra.
Eisenbromür bildet gelbe, blätterig krystallinische Massen, welche beim Üeber-
leiten von Bromdampf über glühendes, im Ueberschuss vorhandenes Eisen entstehen.
Es löst sich leicht in Wasser und krystallisirt beim Eindunsten dieser Lösung in
blassgrünen rhombischen Krystallen, welche nach der Formel Fe Br8 + 6 H9 0 zu-
sammengesetzt sind. Bei Ausschluss der Luft sublimirt es unzersetzt, an der Luft
zersetzt es sich in flüchtiges Eisenbromid und Eisenoxyd.
Eisenbromifl bildet dunkelrothe KrystaUe, leicht zerfliesslich an der Luft, auch
löslich in Alkohol und Aether, und entsteht durch Glühen von Eisenbromür in
überschüssigem Bromdampf oder durch Abdampfen einer wässerigen Lösung von
Eisenoxydhydrat in Bromwasserstoffsäure. H. Beckurts.
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638
EISENBRÜHE. — EISENCHLORIDE.
Eisenbrühe = e isenbeize.
Eisencarbolat Eine in der Photographie benutzte Lösung von 25 Th. Ferro-
sulfat und 1 Th. Phenol in 1000 Th. Wasser.
Eisencarburete sind v erbindunjren des Eisens mit Kuhleustoff.
Eisenchamäleon. Ein aus Kaliumpermanganat und Eisenvitriol bestehendes
Desinfectionsmittel.
Eisenchloride. Das Eisen verbindet sich mit dem Chlor in zwei Verhältnissen.
Diese sind E isenchlo rür, FeClj, und Eisenchlorid, Fe^CL,.
Eisenchlorür (Ferrochlorid), FeCL,. Entsteht in wasserfreiem Zustande
durch Ueberleiten von trockenem Chlorwasserstoff Ober erhitztes Eisen oder durch
Reduction von sublimirtem Eisenohlorid in einem Strom von trockenem Wasserstoflgaa
oder durch Erhitzen von überschüssigem Eisen in Chlorgas, wobei sich allerdings
immer etwas Chlorid bildet.
Weisse blätterige, aus sechsseitigen Täfelchen bestehende Masse, welche bei Roth-
gluth schmilzt und in noch höherer Temperatur sublimirt, in Wasser und Alkohol
leicht löslich ist, an der Luft zerfliesst und sich dabei allmälig zu einem Gemisch
von Eisenoxyd und Eisenchlorid oxydirt: 6FeCl, + 3 0 = 2FeiCl6 -f- Fe208.
Das spec. Gew. ist = 2.528. Dampft man die Lösung des wasserfreien Chlorürs
in Wasser , oder eine Lösung von Eisen in Salzsäure bei Luftabschluss ein , so
erhält man bläulichgrüne, durchsichtige, an der Luft zerfliessliche monokline
Krystalle von der Zusammensetzung Fe CI3 + 4 Hs 0 und dem Volumgewicht 1.93,
welche an der Luft sich rasch unter Bildung basischer Salze oxydiren, und zer-
fliessen. Sättigt man die wässerige Lösung des Eisenchlorürs mit Salzsäuregas, so
scheiden sich feine Nadeln von der Zusammensetzung Fe Cla -f 2 Hs O aus , da das
Chlorür in Salzsäure schwerer als in Wasser löslich ist.
Das Eisenchlorür findet arzneiliche Verwendung als wasserhaltiges Salz —
s. Ferrum chloratum eiccum — und als Lösung, s. Liquor Fem'
chlor ati und Tinctura Ferri chlor nti.
Eisenchlorürchlorid, Ferroferr ichlorid, Fe,CL, + 18 H, 0 oder FeCi, +
+ FeaClg. Gelbe, zerfliessliche Krystallwarzen , bei 45° schmelzend, bei 50°
Wasser und bei 90° auch Salzsäure verlierend. Bildet sich beim Auflösen von Eisen-
oxyduloxydbydrat in starker Salzsäure und Eindunsten über Schwefelsäure und Kalk.
Eisenchlorid. Eisenperchlorid, Eisensesquichlorid, Eisenblumen,
Fe, Cl«. Wasserfreies Eisenchlorid wird durch Ueberleiten von Chlor über mäasip-
erhitztes Eisen oder Eisenchlorür erhalten, entsteht auch beim Ueberleiten von
Chlorwasserstoffgas über glühendes amorphes Eisenoxyd.
Metallglänzende, in Regenbogenfarben spielende hexagonale Tafeln, welche uneer-
setzt sublimiren, an der Luft zerfliessen und in Wasser, Alkohol und Aether leicht sich
lösen. Es absorbirt leicht Ammoniakgas, indem eine rothe, in Wasser leicht lösliche
Masse entsteht , welche nach der Formel Fe8 Cl<, . 2 NH, zusammengesetzt und in
Wasser mit rother Farbe löslich ist. Mit Phosphorpentachlorid gibt es einen brannen
Körper, Fe3 CL, + 2 PC16, beim Erhitzen mit den Dämpfen von Königswasser ver-
bindet es sich mit dem Nitrosylchlorid zu einem zerfliesslichen, dnnkelgeförbten
Körper, der sich bei Luftabschluss ohne Zersetzung verflüchtigen lässt und nach
der Formel , Fe2 CL, -f 2 NO Cl zusammengesetzt ist. Die durch Zerfliessen der
Krystalle an feuchter Luft erhaltene dunkelbraune Flüssigkeit war ehemals unter
dem Namen Oleum Mortis per deliquium oder Liquor stypticus Lofi officinell.
Krystallisirtes Eisenchlorid von der Formel FeiCI4 4- 12HsO erhält man durch
Auflösen von 100 Tb. Eisenchlorid in 63.5 Th. Wasser ; die erhaltene syrupartiire
Lösung erstarrt alsbald zu einer gelben kristallinischen Masse des erwähnten
Salzes. Dasselbe Salz bildet sich auch, wenn man eine Ebenchloridlösung (s. unten)
nach Zusatz von Salzsäure eindampft und sodann die Flüssigkeit an einen kalten
Ort stellt. Gelbe strahlig oder warzig krystallinische undurchsichtige Massen, in
Wasser, Alkohol und Aether löslich, an der Luft zu einer rothbraunen Flüssigkeit
*
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EISENCHLORIDE
H39
zerfiiesaend. Beim Erhitzen zersetzt es sich unter Entweichen von 8alzsäure und
Wasser, bis schliesslich wasserfreies Eisenchlorid sublimirt und Eisenoxyd zurück-
bleibt. — S. auch Ferrum sesqu {chloratum crystallisatum.
Dampft man eine , mit etwas Salzsäure versetzte Lösung1 von Eiseuchlorid von
1.5 spec. Gew. bis zur Syrupdicke ein, so bildet sich ein Salz der Formel
FejjCl^ + 5HaO, rotbgelbe Tafeln, welche bei 31° schmelzen und an der Luft
rasch und unter Erwarmen Wasser anziehen. Durch Abkühlen einer Lösung von
dem spec. Gew. 1.5 erhält man ein Hydrat der Formel FeaCL, -f 6HaO.
Die Lösung des Eisenchlorids erhält man am besten durch Auflösen von Eisen
in Salzsäure und Ueberführung der erhaltenen Eisenchlorürlösung in Eisenchlorid
durch Einleiten von Chlor oder Erhitzen mit Salpetersäure und Austreiben des
überschüssigen Chlors oder der Salpetersäure in der Wärme. 2 Fe Cla + 2 Cl =
= Fea Cl« und 6 FeCla + 6 H Cl + 2H NOÄ = 3 Fej Cl« + 4 Ha 0 4- 2 NO. In con-
centrirtem Zustande ist sie dunkelbraun und dickflüssig, in verdünntem gelb und
dünnflüssig.
Beim Eindampfen zersetzt sich die Eisenchloridlösung unter Entweichen von
Salzsäure und Bildung von Eisenoxychlorid, von welchem um so grössere Mengen
gebildet werden, je weiter das Eindampfen der neutralen Lösung fortgesetzt wird.
Auch durch blosses* Erwärmen zersetzt sich die Lösung in Eisenhydroxyd und Salz-
säure, und zwar erfolgt diese Zersetzung in concentrirten Lösungen bei höherer,
in verdünnten bei niederer Temperatur. Die Zersetzung macht sich durch An-
nahme einer dunkleren Farbe bemerkbar, welche aber beim Erkalten wieder ver-
schwindet, indem Eisenchlorid regenerirt wird. Lösungen mit weniger als 4 Pro-
cent Eisenchlorid zersetzen sich schon unter 100°, auch bleibt die Färbung in der
Kälte längere Zeit bestehen, diese wird sogar eine dauernde, wenn die Menge des
gelösten Eisenchlorids weniger als 1 Procent beträgt. Im Lichte wird die Eisen-
chloridlösung in Eisenchlorür und Chlor zerlegt. Auch viele Metalle, so Eisen,
Zink, Zinn, Arsen, Wismut, Blei, sodann auch Zinnchlorür, schweflige Säure,
Schwefelwasserstoff reduciren das gelöste Eisenchlorid zu Eisenchlorür. Organische
Körper bewirken die Reduction namentlich im Licht, die Lösung von Eisenchlorid
in Aether- Weingeist entfärbt sich im Lichte, nicht im Dunkeln (s. Tin dura
Ferri chlorati aetherea).
Mit Alkalichloriden bildet das Eisenchlorid Doppelverbindungen, welche nach
der Formel Fea Cl« + 4 H Cl + 2 BT2 0 zusammengesetzt sind und schon durch
wenig Wasser zerlegt werden.
Das Ammonium- Eisenchlorid, Fej Cl« + 4NH.C1 + 2HaO, wird durch lang-
sames Verdampfen einer Lösung von Chlorammonium und einer solchen von Eisen-
cblorid erhalten und bildet granatrothe Krystalle. Mit dem Namen Eisensalmiak
wird ein Eisenchlorid enthaltender Salmiak bezeichnet, welcher durch Eindunsten
einer mit Eisenchlorid versetzten Salmiaklösung erhalten wird (s. Ammon iu m
chloratum ferratum).
Unter dem Namen Flores Salis Ammoniaci martiales war früher ein Eisen-
salraiak officinell, welcher durch Sublimation eines Gemenges von Eisenoxyd mit
Salmiak dargestellt ward und auch aus einem mit Eisenchlorid vermischten Salmiak
bestand (s. Liq. ferri sesqu ichlorati).
Eisenoxychloride. Man unterscheidet lösliches und unlösliches Eisenoxychlorid.
Die löslichen Oxychloride entstehen durch Auflösen von frisch gefälltem Eisen-
hydroxyd in wässeriger Eisenchloridlösung oder durch Digestion von Salzsäure mit
frisch gefälltem überschüssigem Eisenoxydhydrat. Die entstehenden dunkelrothen
Flüssigkeiten enthalten je nach den angewandten Mengenverhältnissen Eisenoxy-
chloride verschiedener Zusammensetzung. Es entstehen Verbindungen, welche auf
1 Molekül Eisenchlorid bis zu 20 Moleküle Eisenhydroxyd enthalten. Lösungen,
welche auf 1 Molekül Eisenchlorid bis zu 10 Moleküle Eisenoxydhydrat enthalten,
hinterlassen, bei 40° zur Trockne verdampft, lösliche Rückstände. Oxydreichere
Lösungen geben beim Verdunsten Rückstände, die sich nicht völlig wieder auf-
lösen. Ammoniak fällt aus diesen Lösungen das Eisen als Hydroxyd; beim Ver-
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EISENCHLORIDE. - EISEN ¥ L IJO R I D E .
dünnen mit Wasser oder wenig Spiritus mischen sie sich klar, dagegen scheiden
Säuren und viele Salze in gesättigten Lösungen Eisenhydroxyd aus.
Unlösliche Eisenoxychloride entstehen durch Oxydation von neutralem Eisen-
chlorflr an der Luft oder von Eisenchlorur mit Salpetersäure, wenn weniger Salz-
säure zugegen ist, als die Gleichung: 6 Fe Gl, + 6H Cl 4- 2 HNO, = 3 Fe, Clj +
4- 4 H2 0 -f 2 NO verlangt. Gelbes unlösliches Oxyehlorid entsteht auch beim
längeren Kochen einer verdünnten Eiaenchioridlösung. Dieses hat nach Bechamp
die Zusammensetzung 2 Fes Cl6 4- 25 Fe^ Os 4- 41 HsO. Im Uebrigen besitzen die
Oxychloride je nach Darstellung verschiedene Zusammensetzung und gelbe bis
gelbbraune Farbe. H. Beckum.
EisenChOCOlade wird zumeist mit Ferrum reductum, 5—10 Th. auf 1000 Th.
Chocolade oder mit Ferrum oxydatum saccharatum solubile, 50 Th. auf 1000 Th.
Chocolade, bereitet.
EisenCyanide. Eisencyanür und Eisencyanid sind in vollkommen reinem Zu-
stande noch nicht dargestellt worden. Cyankalium erzeugt in den Lösungen der
Eisenoxydulsalze einen gelbrothen Niederschlag, welcher nach Fresenius aus
Eisencyanür (Fe[CN]a) besteht, stets aber wechselnde Mengen Cyankalium ent-
hält. Wahrscheinlich verläuft die Reaction gemäss der Gleichung : 2 Fe S04 +
-f 5KCN = 2K2SOl 4-KFesCNÄ, so dass der Niederschlag auf 4 Aeq. Eisen-
cyanür 1 Aeq. Cyankalium enthält. Derselbe muss bei Abschluss der Luft ausge-
waschen und getrocknet werden ; an der Luft bläut er sich, indem durch Oxydation
Berlinerblau entsteht. In Cyaukaliumloaung löst er sich unter Bildung von Ferricyan-
kalinm ; auch Kalilange zerlegt ihn unter Bildung dieses Salzes und von Eisenoxydhydrat.
Wahrscheinlich ist auch das beim vorsichtigen Erhitzen von Ferrocyanammonium
und Ferrocyanwasserstoffsänre zurückbleibende gelbe Pulver Eisencyanür.
Das Eisenryanidy FejCN8, ist bis jetzt noch nicht bekannt. — S. auch F er ro-
und Ferricyanverbindungen. H. Beckurts.
Eisen doppelSalZ ist Ferr um sulfu r ic um ammon ia tum; s. d.
Eisenerze, s. unter Eisen, technisch.
Eisenextract. Ein officinelles Eisenpräparat, welches als wesentlichsten Be-
standtbeil äpfelsaures Eisenoxyduloxyd enthält. — S. unter Extra dum Ferri
pomatum.
Eisenfarben. Die natürlichen gelben bis gelbbraunen Ocker, die Umbra,
Terra de Sienna verdanken ihre gelbbraune oder braune Farbe ihrem Gehalte an
Eisenoxydhydrat, die dunkleren enthalten daneben noch Manganhyperoxydhydrat.
Die gebrannten Ocker haben entsprechend der Umwandlung des Eisenoxyd-
hydrates in Eisenoxyd eine mehr röthlichbraune Farbe. Eine rothe Eisenfarbe ist
ferner das bei der Fabrikation der rauchenden Schwefelsäure abfallende Eisenoxyd
(Caput mortuum, Engelroth).
Von anderen anorganischen Eisenfarben wäre etwa noch das hauptsächlich aus
kieselsaurem Eisenoxydul bestehende Veroneser Grün zu nennen.
Blane Eisenfarben sind Berlinerblau und Turnbullsblau.
Das Eisenoxyd gibt ferner mit einer grossen Anzahl von organischen Farb-
stoffen meist dunkelgcfärbte Lacke. Der Alizarineisenoxydlack ist je nach der Ver-
dünnung lila bis schwarz ; Eisenbeizen färben sich mit Blauholz schwarz , mit
Rothholz braun, mit gelben Pflanzenfarbstoffen schmutzig grün an. Benedikt.
EisenfeÜ8, vergl. Ferrum lim a tum und Ferrum pulveratum.
EisenflUOride. Eisen verbindet sich mit dem Fluor in zwei Verhältnissen, zu
Eisenfluor ür und zu Eisenßuorid.
Eisen flu orür. Fe F2 + 8 Ha 0. Weisse Tafeln (Berzelids) oder grüue
Prismen (Berzelius;, welche beim Verdampfen einer Losung vou Eisen in wässe-
riger Fluorwasserstoffsäure auskrystallisiren. tte sind wenig löslich ro Was*ei\
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EISENFLUORIDE. — EISENJODIDE.
641
leichter lösen sie sich in wässeriger Fluorwasserstoffsäure. Beim vorsichtigen Er-
hitzen geben sie unter Verlust von Wasser wasserfreies Fluorür, FeFs, sofern die
Luft keinen Zutritt hatte, im anderen Falle entsteht ein Gemenge von Eisenfluorid
und Eisenoxyd. Das gelöste Eisenfluorür , mit Salpetersäure versetzt, gibt eine
farblose Lösung, aus welcher beim Verdunsten ein Gemenge von Eisenfluorid und
Eiseuoxydnitrat sich abscheidet.
Eisenfluorid, FeaF6 -f 9HaO, entsteht durch Auflösen von Eisenhydroxyd
in Flusssäure oder durch Oxydation des in Flusssäure gelösten Eisenfluorurs mit
Salpetersäure. Farblose, wenig lösliche Krystalle, die bei 100° 3 Moleküle Wasser
verlieren, über 100° sich unter Entweichen von Fluorwasserstoff zersetzen. Ammoniak
und Alkali zersetzen das Eisenfluorid nicht, es entstehen gelbe basische Salze. Ein
wasserfreies Eisenfluorid entsteht durch Behandeln von geglühtem Eisenoxyd mit
wässeriger Fluorwasserstoffsäure. Mit Fluorammonium und den Fluoralkalimetallen
vereinigt es sich zu schwer löslichen Doppelsalzen. Bekannt sind:
Ammonium-Eisenfluorid, Fe,F«(NH4F)4; Kalium-Etsenfluorid, FejF, .4KF -f
+ H3 0 ; Natriu m- Eisenfluorid, Fea F0 . 4 Na F + Hs 0. H. Bcckurts.
EisengerburiQ. Das Gerben der Häute mit basisch schwefelsaurem Ewenoxyd
ist eine besondere Abart der Weissgerberei. Das Garmachen der Häute geschieht
dabei durch eine Lösung von Eisenvitriol, welcher nur genau so viel Salpetersäure
zugesetzt ist, als zur vollständigen Oxydation unbedingt nothwendig ist.
Eisenhammerschlag, s. EUenoxyduioxyd.
Eisenholz ist eine allgemeine Bezeichnung für ausserordentlich harte Hölzer
ohne Rücksicht auf ihre Abstammung. Thatsäeblich kommen in den verschieden-
sten natürlichen Pflanzenfarailien Eisenhölzer vor, aber es sind fast ausuahmslos
tropische Arten. Am bekanntesten sind die Eisenhölzer der Leguminosen (Acacta,
Inga, liobinia , Pterocarpus) , Casuarineen , Sapotaceen (Sideroxylon , Argonia,
Mimusops, Imbricaria, Labatio), Myrtaceen (Metrosideros, Eucalyptus), Clusiaceen
(Mesuaj, Rubiaceen (Siderodmdron) u. a. m. J. Moeller.
ElSenhllt ist Aconitum. — Eisenkraut ist Verbena, auch Veronica.
ElSenjodide. Man hat das Eisenjodür von dem Eisenjodid zu unterscheiden.
Eisenjodür, FeJa. Eisen und Jod verbinden sich leicht unter Wärme-
entwickelung, wenn man Jod und Eisen entweder für sich oder unter Znsatz von
Wasser zusammenbringt. Wasserfreies Eisenjodür erhält man, wenn man gepulvertes
Eisen im Porzellantiegel erhitzt und nach und nach kleine Mengen Jod zusetzt,
so dass schliesslich ein Ueberschuss denselben vorhanden ist, worauf die geschmolzene
Masse noch so lange erhitzt wird, bis keine Dämpfe von Jod mehr entweichen.
Grünlicbweisse , blätterige, in Wasser leicht lösliche Masse. Aus der wässerigen
Lösung, welche durch Digeriren von 1 Th. Eisenfeilspäne mit 3 — 4 Th. Jod und
Wasser dargestellt wird, können hellgrüne Krystalle, welche der Formel FeJ, + 4 Hs0
entsprechend zusammengesetzt sind, erhalten werden. Das wasserfreie und wasser-
haltige Jodür, sowie dessen Lösung zeichnen sich durch grosse Unbeständigkeit
aus, sie zerfallen an der Luft schnell unter Bildung von basischem Oxydsalz.
Zusatz von Zucker oder von Zuekefsyrup machen das Eisenjodür und dessen
Lösung haltbarer. Die wässerige Lösung löst leicht noch Jod auf ; werden 3 Mole-
küle Eisenjodür und 1 Molekül Jod in Wasser gelöst, so erhält man eine braune
Lösung, welche wahrscheinlich Eisen jodür jodid , FeJ2 + Fe2 Jfl enthält, sie zerfällt
durch kohlensaures Kalium in Jodkalium und Eisenoxyduloxydhydrat. Das Eisenjodür
dient zur Darstellung der Alkalijodide (s. Kalium und Natrium jodatum)
und findet auch Verwendung in der Medicin , wird jedoch nach Vorschrift der
meisten Pharmakopoen nicht vorräthig gehalten, sondern wegen seiner geringen
Haltbarkeit stets für den Bedarf frisch bereitet (s. Ferrum jodatum) oder in
Form eines Jodeisen syrups (s. Syrupus Ferri jodatt) oder als trockenes
Real-Encyo'opädie der Phannaeie. III. 41
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642
EISENJODIDE. — EISENLEG I RUNGEN.
zuckerhaltiges Jodeisen (s. Ferrum jodatum s a cckaratum) vorräthig
gehalten.
Eisenjodid, Fe,J8, ißt nicht mit Sicherheit bekannt. Aug der Lösung des
Eigenhydroxyds in Jodwasserstoflgäure konnte bislang festes Jodid nicht erhalten
werden. H. Becknrts.
Eisenkies, z weifach Schwefeleisen, Pyrit, s. Eisensulfide.
Eisenkiesel. Durch Eisenocker gelb, braun oder roth gefärbter Quarz.
Ei8enkitte sind Gemische der verschiedensten Zusammensetzung zum Kitten
und Verbinden von Schmiedeeisen oder Gusseisen auf Wasserleitungsröhren, Dampf-
kesseln, Dampfrohren u. dergl. Ein solcher Eisenkitt wird in die Fugen hinein-
gestrichen oder hineingestampft, nachdem die zu kittenden Flächen zuvor gereinigt
und womöglich etwas abgefeilt sind. Fischer empfiehlt dazu folgende Mischung :
2 Th. Salmiak, 1 Tb. Schwefelblumen, 60 Th. feine Eisenspäne; diese wird zum
Gebrauche mit wenig Wasser angerührt, dem eine kleine Quantität verdünnter
Schwefelsäure zugesetzt ist. Dieser Kitt erhärtet nach einigen Tageu vollkommen.
Befinden sich die zu kittenden Flächen an Stellen, welche Glühhitze auszuhalten
haben , so empfiehlt Fischer hierzu : 4 Th. Eisenfeile , 2 Th. Thon und 1 Th.
Porzellankapselmasse mit Salzlösung zum Brei angerührt. Ganswind t.
Ei$enkligeln, Stahlkugeln, Globuli martiales. In manchen Gegenden ist es
üblich, den zu Bädern bestimmten Eigenweinstein in Form von Kugeln abzugeben ;
zu diesem Zwecke werden aus Tartarus ferratu* pulver. mit Hilfe von dünnem
Traganthschleim 25 bis 30g schwere Kugeln geformt und diese, um sie schön
schwarz erscheinen zu lassen, mit Tinctura Gallarum bestrichen.
EisenleCfifUngen. Beim Zusammenschmelzen mit Eisen nehmen sehr viele
Metalle mehr oder weniger Eisen auf und bilden mit demselben Eisenlegirangen.
Praktische Wichtigkeit haben von diesen indessen nur wenige erlangt.
Nickeleisen. Legirungen mit. einem Gehalt von 0.6 — 0.7 Nickel haben
weissere Färbung als Eisen und widerstehen dem Rosten besser als dieses. Dagegen
lassen sie sich selbst bei Rothgluth schwer bearbeiten , um so schwieriger , je
geringer der Kohlenstoff gehalt ist.
Manganeisen oder Ferro-Mangan. Wird gegenwärtig fabrikmässig durch
hüttenmännischen Betrieb in Hohöfen bei sehr hohen Temperaturen aus Mangan-
erzen und manganhaltigem Roheisen in grossen Quantitäten producirt und enthält
60 — 85 Procent Mangan. Es sind dazu sehr heisser Ofengang und sehr starke
basische Schlacken nötbig. Verwendung findet es hauptsächlich an Stelle des
manganhaltigen Spiegeleisens zur Stahlfabrikation.
Chromeisen, Ferrochrom, kann im Hohofen unter denselben Verhält-
nissen wie Ferromangan, auch durch Reduction von Chromeisenstein mit Kohle
erhalten werden Es ist weiss, glänzend, faserig und hart, enthält circa 25 bis
50 Procent Chrom, der Kohlenstoägehalt scheint mit dem Cbromgehalt zuzunehmen.
Das Ferrochrom wird seit Kurzem auf einigen Stahlwerken wie das gleich zu
beschreibende Wolframeisen zur Fabrikation von Chromstahl (s.d.) verwendet.
Wolframeisen. Die directe Herstellung von Wolframeisen wurde zuerst
1878 zu Terre-Noire ausgeführt. Wolfram wird mit Eisen- und Manganerzen uud
einem möglichst basischen Zuschlage verhüttet. Man erhält so Wolfram-Eisen-Mangan -
legirungen von circa 25 Procent Wolfram. Durch Reduction von Wolframerzeu mit
Kohle bei Gegenwart von Eisen oder dessen Oxyden werden Legirungen bis zu 75 Pro-
cent Wolframgehalt erzielt. Wolfram vermehrt die Zähigkeit und Härte des Stahls ; die
letztere nimmt mit steigerndem Woll'ramgehalt fast unbegrenzt zu, die erstere aber
nur bis zu einem Gehalte von 2 — 3 Procent. Darüber hinaus wird die Legirung spröde.
Chrom und Wolfram ertheUen dem Stahl im Ganzen die gleichen Eigenschaften
und da Chrom in der Natur verbreiteter ist wie Wolfram , so dürfte der Chrom-
stahl in Zukunft den Wolframstahl nahezu verdrängen. B. Fischer.
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'LIQUFXRE. — EISENOXYDE.
643
Eisenliqueure sind Aromatisch-bittere Liqneure mit einem Zusatz von 0.5 bia
1 Procent Eisen, am besten in Form von Eisencitrat.
Eisenmagnesiapillen, eine in den letzten Jahren sehr beliebt gewordene
Specialität, sind 5 cg schwere überzuckerte Pillen und bestehen (nach Angabe des
Fabrikanten Ktrchmannj aus 6 Th. Ferrum aulfuricum crystall., 1 Th. Magnesia
usta und so viel als nöthig eines Gemisches von Glycerin und Syrupus simplex.
EiSenmann'S Vinum Colchici Opiatum ist eine Mischung aus 6 Th. Vinum
Colchici und 1 Th. Tinct. Opii crocata.
Eisenmennige ist eine Malerfarbe i n Form eines feinen dtinkelrothbraunen
Pulvers, welches aus Eisenoxyd und Thon besteht und aus den Rückständen des
Eisenhüttenprocesses gewonnen wird. Die Eisenmennige wird als Anstreichmittel an
Stelle der gewöhnlichen Mennige empfohlen.
EisenmÜCh hatte ursprünglich mit Milch (Kuhmilch) nichts weiter gemein als
ein Ähnliches äusseres Ansehen ; das Präparat bestand aus in Wasser fein suspen-
dirtem Ferriphosphat und wurde erhalten, indem man in eine Mischung von 17 g
Eisenchloridlösung (Ph. Germ.) mit 2000g Wasser eine Lösung von 27 g Natrium-
phosphat in 200 g Wasser unter Umrühren eintrug, den entstandenen Niederschlag
auf ein Colatorium sammelte, abwusch und schliesslich mit so viel Wasser mischte,
dass das Ganze 1000 g betrug. Diese Mischung enthält 1 Procent wasserhaltiges
Ferriphosphat. In neuerer Zeit mischt man den erwähnten Niederschlag mit wirk-
licher Milch und pasteurisirt die Mischung, um sie baltbar zu machen. Auch setzt
man dem Ferriphosphat noch Kalkphosphat in feinster Vertheilung hinzu.
Eisenmohr. Aethiops martialis, ist Ferrum oxydato-oxydulatum.
Ei8enOCker, gelber und brauuer, ist erdiger Limonit; rother ist erdiger
Hämatit.
Eisenöl. Oleum Marti«, ein alter Name für Liquor Ferri sesquicblorati.
Eisenorange ist eine orangefarbene Modifikation desEiseubrauns (s.d.),
die wohl lediglich auf einer Aenderung der procen tischen Zusammensetzung beruht.
Eisenoxyde. <; enauer bekannt sind drei Oxyde des Eisens: das Eisenoxydul,
das Eisenoxyd und das Eisen oxyduloxyd.
Eisenoxydul, Encumonooxyd, Ferrooxyd, FeO. Findet sich nicht frei in der
Natur, wird erhalten durch Reduction von Eisenoxyd im Wasserstoffgase bei 300°
oder durch Erhitzen von Ferrooxalat bei Absehluss der Luft. Es ist, so dargestellt,
pyrophorisch. verliert diese Eigenschaft aber, wenn man es nach dem Glühen zwölf
Stunden in einer Wasserstoffatmogphäre liegen lflsst. Auf uassem Wege erhält man
das Oxydul durch Eintragen von Eisenoxyduloxalat in kochende Kalilauge als
schwarzes Pulver, welches an der Luft wenig Sauerstoff anzieht und beim Erhitzen
zu Eisenoxyd verbrennt.
Eisenhydroxydul, Eisenoxydulhydrat, Ferrohydroxyd , Fe (OH),. Wird
durch Vermischen luftfreier und oxydfreier Eisenoxydulsalzlösungen mit ausgekochter
Kali- oder Natronlauge als weisser amorpher Niederschlag erhalten, der bei Ab-
schlues der Luft mit ausgekochtem Wasser ausgewaschen und in sauerstofffreier
Atmosphäre getrocknet und aufbewahrt werden muss. Bei der Berührung mit Luft
geht das frisch gefällte feuchte Eisenoxydulhydrat unter Absorption von Sauerstoff
in schmutziggrünes Eisenoxyduloxydhydrat und schliesslich in braunes Oxydhydrat
über. In trockeueru Zustande ist es als ein hellgrünes Pulver erhalten worden,
welches aus Amnioninksalzen Ammoniak austreibt und sich in etwa 150000 Th.
Wasser zu einer alkalisch reagirenden Flüssigkeit von eigentümlichem adstringiren-
dem Geschmaeke auflöst.
Ei8enOXydulOXyd. FerrofWrioxyd , Fe3 04. Findet sich in der Natur in grossen
Mengen als Magneteisenstein in schwarzen, stark glanzenden, regulären Octaederu,
41*
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r,44
EISENOXYDE.
in körnigkrystallinischen oder derben Massen. Eisenoxyduloxyd entsteht durch
Verbrennung des Eiseng bei Gegenwart eines Uebersehusses von Sauerstoff, ferner
beim Ueberleiten von Wasserdampf oder von Kohlensäure Aber glühendes Eisen.
Beim Glühen an der Luft Aberzieht sich Eisen mit einer Oxydschicht, dem soge-
nannten Hammerschlag , welcher eine Verbindung von Oxydul und Oxyd in ver-
schiedenen Verhaltnissen ist, er enthalt in den äusseren Schichten mehr Eisenoxyd,
als in den inneren.
Man erhält das Eisenoxyduloxyd bisweilen in regulären Octagdern oder Tetra-
edern, meist aber als dichte krystallinische schwarze Masse, welche magnetisch und
sehr hart ist. Es verbrennt an der Luft zu Eisenoxyd und wird durch Glühen mit
Wasserstoff, Kohle oder Kohlenoxyd zu Metall reducirt. In Säuren löst es sich zu
Gemengen von Eisenoxydul- und Oxydsalzen.
Eisenoxyduloxydhydrat. Kali-, Natronlauge und Ammoniak fällen aus einer
Lösung gleicher Aequivalente von Eisenoxydul- und Eisenoxydsalzen einen sammt-
schwarzen Niederschlag , welcher nach Lefoet die Zusammensetzung 2 (Fe 0 +
+ Fea03)3H20 besitzt. Ein anderes Hydrat erhält man aus einer Lösung von
6 Mol. Eisenoxydulsulfat und 1 Mol. Eiseuoxydsulfat , welches nach der Formel
6 Fe 0 + Fe., Os + 4 H3 0 zusammengesetzt ist. Getrocknet bildet das so gewonnene
Hydrat schwarze oder braunschwarze spröde Stücke mit muschligem Bruche, die
magnetisch sind. Durch Oxydation des Eisenoxydulhydrats an der Luft erhält man
grünes Eisenoxyduloxydhydrat von wechselnder Zusammensetzung, das sich leicht
an der Luft in braunes Eisenoxydhydrat umwandelt.
Wesentlich aus Eisenoxyduloxyd bestand der früher in einzelnen Pharmakopoen
officinelle Aethiops mineralis (Aethiops martialis Lemery, Eisenmohr), zu dessen
Darstellung man Eisenfeile mit Wasser befeuchtet einige Tage stehen lässt und von
Zeit zu Zeit das schwarze Oxydationsproduct abschlämmt. Das ebenfalls in früherer
Zeit officinelle, auch aus Eisenoxyduloxyd bestehende Ferrum oxydulatum nigrum
wird durch Glühen von Eisenoxyd, welches mit Olivenöl getränkt ist, bis keine
brennbaren Gase mehr entweichen, bereitet. Der Aethiops martialis hydraticus
praecipitatus wird dargestellt, indem man 2 Th. schwefelsaures Eisenoxydul mit
1 s Tb. Schwefelsäure vermischt und darauf mit so viel Salpetersäure versetzt, bis
keine rothen Dämpfe mehr entweichen : nachdem sodann die Salpetersäure verjagt
ist, setzt man noch 1 Th. Eisenvitriol hinzu, fällt die mit Wasser verdünnte
Lösung mit Ammoniak und kocht sodann, bis der schwarze, flockige Niederschlag
krystalliniseh geworden ist. Das noch jetzt unter dem Namen Ferrum oxydulatum
oxydatum Anwendung findende Eisenoxyduloxyd wird durch Fällen wässeriger
Lösungen von Eisenoxydul- und Eisenoxydsulfat mit Ammoniak und Kochen , bis
der entstandene Niederschlag pulverig und schwarz geworden ist, dargestellt. —
S. unter Ferrum oxydulatum oxydatum.
Eisenoxyd, Eistnsesquioxyd , Ferrioxyd , FejOs. Findet sich in der Natur
als Eisenglanz in metallglänzenden Krystallen des hexagonalen Systems, als
Eisenglimmer in rothbraunen Blättchen , als Rotheisenstein in traubigkrystalli-
nischen rothbraunen Massen mit faserigem oder dichtem Gefüge. In amorphem Zu-
stande wird es als mehr oder minder dunkelrothbraunes Pulver durch Glühen von
Eisenhydroxyd — erhalten durch Fällung eines Eisenoxydsalzes mit Ammoniak —
dargestellt, auch durch Erhitzen von Eisenvitriol auf eine sehr hohe Temperatur.
Das auf letzterem Wege gewonnene Eisenoxyd wird als Colcothar, Caput mortuum,
Todtenkopf, Englischroth, zum Poliren von Metallen und Glas, auch als Malerfarbe
verwendet. In krystallisirtem Zustande erhält man das Eisenoxyd durch Ein-
wirkung von Eisenehloriddampf auf glühenden Kalk oder durch Ueberleiten von
Chlorwasserstoffgas über amorphes, rotbglühendes Oxyd, auch durch Schmelzen von
Eisenoxyd mit Borax und Behandeln der Schmelze mit Salzsäure.
Dat» dichte Eisenoxyd ist stahlgrau (Eisenglanz), von 5.1 spec. Gew., oder braun-
roth (Kotheisenstein) von 4.7 spec. Gew. ; das künstlich dargestellte Eisenoxyd ist
braun roth oder roth bis fast schwarz, sein spec. Gewicht ist gleich 5 bis 5.2. Das
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EISENOXYDE.
645
gewöhnliche Eisenoxyd ist nicht magnetisch ; nach Malaguti kann man aber
magnetisches Eisenoxyd darstellen : 1. Durch Glflhen von Eisenoxydulsalzen orga-
nischer Säuren an der Luft ; 2. durch Glflhen von oxydirtem Ferrocarbonat an
der Luft ; 3. durch Glflhen von gefälltem und an der Luft höher oxydirtem Eisen-
oxydulhydrat. Kohle oder Kohlenoxyd redueiren das Eisenoxyd zu Eisenoxyduloxyd,
schliesslich zu metallischem Eisen. Wasserstoff reducirt auch bei niederer Temperatur
zu Eisenoxyduloxyd, bei höherer zu metallischem Eisen. Reines Eisenoxyd ist in
Säuren nur schwer löslich , und zwar um so schwieriger , je dichter es ist ; am
leichtesten löst es sich in einer siedenden Mischung von 8 Tb. Schwefelsäure und
3 Th. Wasser. — S. auch Ferrum oxydatum rubrum.
Eisenhydroxyd, Ferrihydroxyd, Eisenoxydhydrat Fe2 f OH),; . Findet sich
in der Natur im Braun- und Gelbeisenstein (Limonit und Pyrrhosiderit), im braunen
Glaskopf, Nadeleisenstein, mit Thon gemengt im Braun- und Gelbthoneisenstein,
im Ocker, im Absatz von eisenhaltigen Säuerlingen und entsteht beim Rosten des
Eisens, sowie bei der Zersetzung der Eisenoxydul- und Eisenoxydverbindungen,
der Eisensulfide etc. Natürliche und künstliche Eisenhydroxyde haben oft ver-
schiedenen Wassergebalt und verschiedene Eigenschaften.
Das normale Eisenhydroxyd, Fe, (OH)a , wird als voluminöser , rothbrauner
Niederschlag durch Fällung eines Eisenoxydsalzes mit Ammoniak, Auswaschen mit
kaltem Wasser und Trocknen desselben bei gelinder Wärme erhalten, worauf es
ein amorphes, gelbes oder rothbraunes, in verdünnten Säuren leicht lösliches, in
Wasser und Alkalien unlösliches Pulver darstellt. Es findet arzneiliche Auwendung.
S. Ferrum oxydatum fuscum und Ferrum oxydatum hydricum
in Aqua. Kocht man es in frisch gefälltem Zustande längere Zeit mit Wasser,
so wird es dichter und nimmt eine dunklere Farbe an, indem es in wasserarmere
Verbindungen übergeht. Eine gleiche Veränderung vollzieht sich auch, wenn mau
frisch gefälltes Eisenhydroxyd längere Zeit unter Wasser aufbewahrt. Solche wasser-
ärmere Eisenhydroxyde finden sich in der Natur als werthvolle Ei«enmineralien
in verschiedener Zusammensetzung. Ein Hydrat der Formel Fe^O,^ findet sich
in der Natur als Turgit und bildet sich, wenn gefälltes Oxydhydrat längere Zeit
mit Wasser auf 100° erhitzt wird ; ein Hydrat der Formel Fe3 Ot H2 kommt als
Göthit oder Nadeleisenstein vor, wird auch gebildet durch Trocknen von gefälltem
Hydroxyd bei 100°. oder wenn das in der Siedhitze gefällte Hydroxyd längere
Zeit mit Wasser gekocht wird oder beim längeren Aufbewahren des wasserreichen
Oxydhydrats unter Wasser. Das Hydrat (Fea 0, Ha)2 . H3 0 oder Fe3 0(i Hfi + Fe2 03
ist im Limonit enthalten und bildet sich beim Rosten von Eisen in lufthaltigem
WTasser, durch Fällen eines Eisenoxydsalzes mit Alkali aus heisser Lösung
oder beim Trocknen des wasserreicheren Oxydes im Vadium. Der Gelbeisen-
stein, welcher im unreinen Zustande im Wiesen- und Raseneisenstein vorkommt,
enthält das nach der Formel FejOfOHX = Fe* 0, 4- 2 H2 0 zusammengesetzte
Hydrat.
Ausser diesen iu Wasser unlöslichen Eisenhydroxyden gibt es auch in Wasser
lösliche Hydroxyde. Ein lösliches Eisenoxydhydrat (Dialysirtes Eisenoxyd) bildet
sich nach Graham, wenn man eine Auflösung von Eiseuhydroxyd in Eisenchlorid
oder salpetersaurem Eisenoxyd der Dialyse unterwirft. Es diffundiren die Salze
und die beigemengte freie Säure , im Dialysator bleibt ein in Wasser lösliches
Eisenhydroxyd als eine dunkelrothe Flüssigkeit zurück. Diese lässt sich zwar durch
Eindampfen etwas concentriren , gerinnt aber dann beim Stehen zu einer rotheu
^rullertartigen Masse von Eisenhydroxyd. Auch freies Alkali oder AtkalUalze,
Schwefelsäure oder feste organische Säuren bringen die Lösung des Eisenhydroxyds
zum Gerinnen. Das dialysirte Eisenbydroxyd ist als Arzneimittel angewendet
worden. S. Fe rrum oxydatum solubile h yd rat u m. Auch die wässerige
Lösung des essigsauren Eisenoxyds wird im Dialysator nicht unwesentlich zersetzt ;
es bleibt im Dialysator eiue Flüssigkeit zurück, welche auf !>4 Th. Eisenoxyd noch
6 Th. Essigsäure enthält.
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*
646 EISENOXYDE.
Ein lösliches Eisenoxydhydrat, ein Metaferrihydroxyd der Formel Fej 04,
bildet sich nach Pean de St. Gilles, wenn man die kalt bereitete Lösung von
Eisenoxydhydrat in Essigsäure erhitzt und dann mit coneentrirter Salzsäure oder
Salpetersäure oder Schwefelsäure versetzt. Der entstehende rothbraune körnige
Niederschlag trocknet auf porösen Platten zu einem glänzenden, braunen Firniss
ein , welcher sich in reinem Wasser zu einer im auffallenden Lichte trüben , im
durchfallenden Lichte rothbraunen geschmacklosen Flüssigkeit auflöst. Concentrirte
Salpetersäure oder Salzsäure, auch geringe Mengen schwefelsaurer Salze scheiden
das Oxyd aus diesen Lösungen ab. Anscheinend dasselbe Hydroxyd entsteht nach
Scheurek-Kestxer durch Erhitzen der wässerigen Lösung des basisch salpeter-
sauren Eisenoxyds in geschlossenen Röhren auf 100° während längerer Zeit. Nach
Krecke findet in säurefreien wässerigen Lösungen von Eisenchlorid beim Erwärmen
in Folge Dissociation die Zersetzung des Eisenchlorids unter Entwicklung von Salz-
säure in die GRAHAMsehe Modification des löslichen Eisenhydroxyds statt. Die
Flüssigkeit färbt sich dunkel und scheidet auf Zusatz von Salzen Eisenhydroxyd
ab, bei sehr verdünnteu Lösungen des Eisenchlorids (Vi« — 1 8 Procent) genügt zu
dieser Zersetzung schon die Lufttemperatur, bei concentrirteren Lösungen findet
sie erst beim Erhitzen über 100° statt.
Das Eisenoxydhydrat verbindet sich mit Säuren zu Eisenoxyd mlzen. Auch mit
Metalloxyden vereinigt es sich; es sind Verbindungen des Eisenoxydes mit
Metalloxyden bekannt, welche sich in ihrer Zusammensetzung dem Eisenoxyduloxyd,
FcaOs.FeO, an die Seite stellen, z. B. Eisenoxydkalk, Fe2Os.CaO, Eisenoxyd-
baryt, Fe204.BaO.
Eine eigentümliche Verbindung bildet das Eisenoxydbydrat mit Zucker bei
Gegenwart von Alkali, das sogenannte Eisensaccharnt , Eioenzucker (Ferrum
oxydatuia saicharatuvx). Dieses bereitet mau 1. nach Hornemanx in folgender
Weise: „In einen aus 8 Th. grob gepulvertem schwefelsaurem Eisenoxyd bereiteten
Liq. Ferri sulfur. oxydati, frei von Oxydulsalz, trägt man unter beständigem Um-
rühren 8 Th. grob gepulvertes, rohes krystallisirtes kohlensaures Natron ein und
fügt nach Aufhören der Kohlensäure-Entwiekeluug schnell 6 Th. Zuckerpulver hin-
zu. Die so entstandene dicke rothbrauue Masse ist dann mit so viel coneentrirter
Natronlauge unter fortwährendem Umrtthreu zu versetzen, bis dieselbe eine flüssige
Beschaffenheit angenommen hat, und dann noch auf dem Wasserbade zu erwärmen,
bis sie völlig klar geworden ist. Die so erhaltene Eisensaccbaratlösung wird dann
durch Auskrystallisirenlasscn des grössten Theiles des vorhandenen schwefelsauren
Natrons von diesem befreit, und diese Lösung zur Abscbeidung de« Saecharats in
siedendes Wasser gegossen. Der gesammelte Niederschlag (das eigentliche Saceharat)
wird noch so lange ausgewaschen, bis dio ablaufende Flüssigkeit nur noch sehwach
alkalisch reagirt und dieselbe anfängt, eine bräunliche Färbung anzunehmen, oder
2. nach der Ph. Germ. II. dadurch, dass man Eisenchloridlösung mit Zucker ver-
mischt, mit reinem Natriumearbonat fällt, den entstandenen Niederschlag in Natron-
lauge von bestimmtem Gehalt löst und vor dem Fällen dieser Lösung mittelst
siedendem Wasser zur besseren Abscheidung Natriumbicarbonat zusetzt. Die nach
diesen Vorschriften dargestellten eigentlichen Saccharate (nicht die Mischungen
dieser mit Zucker, als welche das Ferrum oxydatum sacch. der Ph. Germ, aufzu-
fassen ist) bilden, sowie sie aus ihren Lösungen durch Kochen des Wassers gefällt
werden, schwere, krystallinische braune Niederschläge, welche nach dem Trocknen
bei gewöhnlicher Temperatur eben solche Pulver liefern. Das Eisensaccharat be-
sitzt einen süssen, kaum eisenhaften Geschmack und löst sich in 5 Th. Wasser zu
einer rothbraunen Flüssigkeit. Auf Zusatz von nur wenig eines neutralen Salzes
der Chlor-, Jod- und Bromwasserstoffsäure, der Jodsäure, Schwefelsäure, Salpeter-
säure und Phosphorsäure , auch von geringen Mengen mancher Pflanzenalkaloid©
scheidet sich schon in der Kälte, rascher beim Erwärmen, rothbrannes Eisenoxvd-
hydrat ab. Die Lösungen der phosphorsauren , kohlensauren und bernsteinsauren
Alkalien bewirken in der Lösung des Eisensaccharats keine Fällung, Ferrocyan-
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EISENOXYDE — EISENQUELLEN. 647
kalium ruft keine Fällung von Berlinerblau, Rhod&nkalium keine blutrothe Färbung
von Rbodaneisen hervor. Dagegen wird sämmtliehes Eisen auf Zusatz von Schwefel-
ammonium abgeschieden und ruft Gerbsäurelösung eine schwache blauschwarze
Fftrbnng hervor. Während nach den Untersuchungen früherer Forscher das Eisen-
saccharat als eine Verbindung von Eisensaccharat und Natronsaccharat angenommen
wurde, hat kürzlich W. Strohmeyer nachgewiesen, dass das Eisensaccharat
wirklich eine den übrigen S a c c h a r a t e n (s. d.) analoge Zusammensetzung
besitzt, nnd zwar gleich dem Barymn- und Calciumsaccharat (C1S H82 On . BaO
und C19 HS2 0,| . CaO, respective C,a Haj Ou . 2 CaO und Cl2 H88 Ou . 3 Ca 0) als
ein Additionsproduet anzusehen ist, dem nur wechselnde Mengen Natriumoxyd bei-
gemengt sind, welche vollständig abhängig sind von dem Auswaschen des Präparates.
Die Zusammensetzung des Eisensaceharats wird je nach dem schärferen oder
weniger scharfen Trocknen eine wechselnde sein, da zum Tbeil wasserärmere
Hydroxyde gebildet werden. Weiter fand Strobjieyer , dass eine gewisse Menge
Natriumoxyd bei Gegenwart von Zucker, zur Löslichkeit des Saccharats unbedingt
erforderlich ist. Die Zusammensetzung verschiedener Eisensaccharate fand Stroh-
meyer folgenden« assen :
I II
Zucker =r 5.01 Procent 7.71 Procent
Eisenhydroxyd <Te, 0H>, ... = 95.10 „ 92.02. „
Natriumoxyd (Na2 Ö) = 0.06 „ 0.38 „
Das officinelle Präparat der Ph. Germ. IL ist als ein Gemenge des eigentlichen
Saccharats mit Zucker anzusprechen. Dasselbe kann nicht als einheitliches Product
angesehen werden, sondern ist ein je nach Art und Weise der Bereitung, je nach
der Grösse des Zuckerzusatzes ein in seiner Zusammensetzung sehr wechselndes
Product. Es lässt sich daher für dieses keine Formel aufstellen. — S. auch
Ferrum oxydatum saccharatum.
Eisensäure, H2 Fe 04, ist im freien Zustande bislang nicht dargestellt worden ;
sie zerfällt bei der Abscheidung aus ihren Salzen sofort in Eisenhydroxyd und
Sauerstoff. Das Kaliumsalz der Säure wird beim Erhitzen von Eisenfeile mit der
doppelten Menge Salpeter oder auch durch Einleiten von Chlor in Kalilauge, in
welcher frisch gefälltes Eisenhydroxyd suspcndirt ist , dargestellt. Das Oxyd löst
sich in dem letzteren Falle, in dem die Flüssigkeit purpurroth wird, aus welcher
man das Salz durch Eindampfen im Vacuuni in kleinen rothen Krystallen erhalten
kann. H. Beckurts.
Eisen peptonat. Eine zu subcutanen Injectionen besonders geeignete Eisen
Iösung, welche (nach der Ph. Centraihalle, XXIII, 230} folgendermassen hergestellt
wird: Zu einer Lösung von 5.0 trockenem Pepton in 50.0 destillirtem Wasser
werden 12.0 einer völlig säurefreien Eisenchloridlösung, welche 27.5 wasserfreies
Eiscnchlorid enthält (spec. Gew. 1.260), zugefügt. Das hierdurch entstehende
Coagulum wird gelöst durch Zusatz einer Lösung von 5.0 Amraouiumchlorid in
50.0 Wasser. Hierauf werden noch 75.0 Glycerin zugesetzt und mit destillirtem
Wasser bis auf 200.0 verdünnt. Durch Zusatz einiger Tropfen Aetzammoniak
wird die Flüssigkeit sehr schwach alkalisch gemacht und enthält dann 0.005 g
metallisches Eiseu im Cubikcentimeter. Eine derartige schwach alkalische oder selbst
neutrale Eisen-Peptonatlösung gibt mit Ferrocyaukalium keinen blauen Nieder-
schlag, thut dieses jedoch sofort beim Ansäuern mit einigen Tropfen Salzsäure.
Eisenpräparate. Unter diesem Namen begreift die moderne Medicin (und
Pharmacie) nicht sowohl die Salze und sonstigen chemischen Verbindungen des
Eisens, als vielmehr alle diejenigen Eisenmittel, welche sich durch gute Wirkung,
leichte Verdaulichkeit und Wohlgeschmack auszeichnen und zumeist in der Gestalt
von Specialitäten auftreten. Sie werden unter Pilulae, Syrupus, Vinum etc. weitere
Erwähnung finden.
Eisenquellen, s. Mineralwässer.
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648 EISENSÄUERLINGE. — EISENSALZE.
Eisensäuerlinge heissen diejenigen natürlichen Mineralwässer, welche neben
Ferrocarbonat viel freie Kohlensäure, im Uebrigen aber wenig mineralische Bestand-
theile enthalten. Ueber Darstellung der künstlichen Eisensäuerlinge s. Mineral-
wässer.
Eisensafran. Crocus Martis. ein alter, aus den Zeiten der Alchemie herstam-
mender Name für das in seiner Farbe dem Safran ähnliche Ferrum oxydatum fuscum.
Eisensalmiak, s. unter Am mon tu m chloratum f er rat um und unter
Eisenchlorid.
Eisensalze.
%} Eisenoxydulsalze.
Arsenigsaures Eisenoxydul, Fej (As Os)2 (?) , grünlich weisser Niederschlag,
welcher beim Vermischen einer Eiseuvitriollösung mit arsenigsaurem Ammon entsteht.
Arsensaures Eisenoxydul, Fe8(AsO,).J + 6H20, entsteht in Form eines weissen
Niederschlages beim Vermischen von Eisenvitriollösung mit arsensaurem Ammon.
Chlorsaures Eisenoxydul entsteht durch Doppelzersetzung von Eisenvitriol
mit Baryumchlorat.
Kieselsaures Eisenoxydul. Ferrosilicate kommen sehr häufig in der Natur vor,
meist in Form von Doppclsilicaten. — S. Silicate.
Kohlensaures Eisenoxydul , FeC03. Findet sich in der Natur in farblosen,
gelben bis gelbbraunen kexagonalen K/ystallen als Spateisenstein ; in unreinerem
Zustande auch als Sphärosiderit. Gelöst findet es sich in den natürlichen Eiaen-
wSssern, den sogenannten Stahlquellen oder Eisensäuerlingen als saures Salz. Durch
Fällen von Eisenoxydulsalzlösungen mit kohlensauren Alkalien erhält man einen
flockigen, weissen Niederschlag <TeS04 + Na2 C03 = Na. S04 + Fe CO.,), welcher
sich an der Luit rasch unter Abgabe von Kohlendioxyd schmutzig grün färbt und
allmälig in Eisenhydroxyd übergeht. 3 Fe C03 + 0 + x H., 0 = Fe„ 0, + x Hs 0 +
+ 3 COa und 2 Fej 04 + 0 + !♦ H, 0 = 3 Fe, (0H;6.
Diese Zersetzung kann man durch Fällen in der Siedehitze unter Ausschluss
der Luft vermeiden. Dieselbe Zersetzung erfährt das in den natürlichen Eisen-
wässern gelöste Ferrocarbonat beim Stehen derselben an der Luft. Durch Zusatz
von Zucker wird die Haltbarkeit des Ferrum carbonicum erhöht. — S. Ferrum
carbonicum saccharatum.
Phosphorsaures Eisenoxydul. Als Vivianit findet sich das normale Ortho-
phosphat, Fe3 (P04), + 8Ha0, in der Natur in Form blauer monokliner Säulen
oder in faserigen oder erdigen Massen. Aus einer Lösung von Ferrosulfat fällt
Dinatriumphospbat einen weissen, an der Luft graublau werdenden Niederschlag,
welcher getrocknet als Ferrum phosphoricum arzneilicbe Verwendung findet. Das
Salz besitzt nach Debhav eine der Formel Fe, H2 (P04)a entsprechende Zusammen-
setzung. Es ist uulöslich iu Wasser, löslich in verdünnteu Säuren und Ammoniak.
Ein Salz der Formel FeHPÜ4 entsteht nach Scheele durch Lösen von Eisen in
Phosphorsäure oder durch Einwirkung von concentrirter (48procentiger) Phosphor-
säure auf fein vertheiltes Eisen. Aus der bei dem letzten Processe erhaltenen
Lösung scheiden sich beim Concentriren in einer Wasserstoffatmosphäre Kry*talle
der Formel Fe HP04 + H2 0 ab , welche sich an der Luft leicht oxydiren. — S.
auch Fe rrum phosphoricum.
Piiosphorsaures Eisenoxydul- Ammon , NH4 Fe P04 -+■ Hs 0 , entsteht als grün-
licher, flockiger, in Wasser unlöslicher, in verdünnten Säuren löslicher Niederschlag
durch Mischen von Eisenchlorür. Dinatriumphospbat und Ammoniak.
Fyrophosphorsaures Eisenoxydul, Fe2P207. Weisser, an der Luft bald grün,
dann braun werdender Niederschlag, welcher sich durch Vermischen von Eisen-
oxydulsalzen und Natriumpyrophosphat bildet.
Salpeter saures Eisenoxydul, Fc(N03)s -f 6 H2 0. Wenig beständiges, sich leicht
unter Bildung von basischem salpetersaurem Eiseuoxyd zersetzendes Salz, welches
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EISENSALZE.
049
durch Auflösen von Schwefeleisen in Salpetersäure von geringerem spec. Gew.
als 1.12, auch durch Zersetzung von schwefelsaurem Eisenoxydul mit Baryuni-
nitrat entsteht.
Schwefelsaures Eisenoxydul, Ferrosulfat, Eisenvitriol, Fe SO, 4- 7 H2 0. Der
rohe Eisenvitriol wird als Nebenproduct bei verschiedenen chemischen Operationen
gewonnen, z. B. bei der Alaunfabrikation aus Alaunschiefer, bei der Entwickelung vou
Schwefelwasserstoff aus Schwefeleisen und SchwefelsÄnre. Aus dem gerösteten Schwefel-
kies und den bei der Schwefelsäurefabrikation sich ergebenden schwefelärmeren, ab-
destillirten Kiesen lässt sich leicht Eisenvitriol darstellen, indem man diese längere
Zeit an der Luft liegen lässt und die Masse auslaugt, sobald sich durch Oxy-
dation reichliche Mengen Ferrosulfat gebildet haben. Dieser so gewonnene rohe
Eisenvitriol ist kein reines schwefelsaures Eisenoxydul, sondern enthalt meist
grössere oder geringere Mengen von Magnesium-, Mangan-, Zink-, Kupfer-, Alu-
minium- und Eisenoxydsulfat.
Reiner Eisenvitriol wird durch Autlösen von Eisen in verdünnter Schwefelsäure
und Eindampfen der erhaltenen Lösung unter möglichstem Ausschluss der atmo-
sphärischen Luft oder Eingießen der wässerigen Eisensulfatlösung in 90procentigeu
Alkohol dargestellt.
Durchsichtige, blaugrüne Krystalle des monoklinen Systems oder , weun durch
Alkohol gefällt, ein bläulieh weisses Krystallniehl, zusammengesetzt nach der Formel
FeS04 -f 7HsO, löslich in 1.43 Th. Wasser bei 15°, unlöslich in Alkohol und
Aether. Bei 1009 entweichen 6 Moleküle Wasser, das letzte Molekül entweicht erst
über 300'.
Das wasserfreie Salz ist weiss und färbt sich auf Zusatz von Wasser wieder
grün. Beim Erhitzen über 300" entweicht schweflige Säure, es bildet sich Eisen-
oxydsulfat, welches sieh bei noch höherer Temperatur iu Eisenoxyd und Schwefel-
säureanhydrid zerlegt. Das Salz, namentlich im feuchten Zustande, auch die
wässerige Lösung oxydiren sich leicht unter Bildung von gelbbraunem, basischem
Eisenoxydsulfat. — S. Ferrum s ul für icum , Ferrum sulfuri cum
al cohol is a tum und Ferrum sul für icum sie cum.
Schwefelsaures Eisenoxydulammonium (MoHR'sehes Salz), Fe S04 . (NH,), S04
+ 6HsO, bildet grüne luftbeständige, monokline Krystalle, welche sieh in 4 Th.
kaltem, leichter in heissem Wasser lösen. Wird dargestellt durch Krystallisiren-
lasgen der Lösung äquivalenter Mengen Eiseuoxydul- und Ammoniumsulfats. Man
löst 100 Th. Eisenoxydulsulfat und 48 Th. Ammoniumsulfat unter Zusatz von 1 Th.
reiner Schwefelsäure in 200 Th. heissen Wassers, filtrirt die Lösung und stellt sie zur
Krystallisation bei Seite. Durch Abdampfen der Mutterlauge von diesen Krystallen
kann eine zweite Krystallisation erzielt werden. Die Krystalle halten sich unver-
ändert an der Luft; sie dienen häufig zur Einstellung des Titers von Kaliumperman-
ganatlösungen. Das Molekulargewicht des Salzes 392 ist das siebenfache des Eisens.
Schweßigsaures Eisenoxydul. Bei Einwirkung von wässeriger, schwefliger
Säure auf Eisen entsteht neben unterschwefligsaurein Eisenoxydul Ferrosultit,
2 Fe + 3S0„ = FeS08 + FeS203.
Beim Eindunsten scheidet sich zunächst das Sulfit ab, welches nach Fordos und Gelis
die Zusammensetzung Fe S03 4- 3 H2 0, nach Röxe 2 (Fe SO,) + 5 tt, 0 besitzen soll.
Untertchweßigsoures Eisenoxydul, FeS2Os, scheidet sich aus der Mutterlauge
von dem schwefligsauren Eisenoxydul bei dem Eindampfen im Vacuum ab. Grünlieh-
blaue, an der Luft sich rasch oxydirende Krystalle.
p) Eisenoxydsalze.
Arsenigsaures Eisenoxyd. Gelbbraune, in starken Mineralsäureu lösliche, in
Essigsäure unlösliche Masse, welche beim Schütteln einer wässerigen Lösung
von arseniger Säure mit frisch gefälltem Eisenhydroxyd entsteht und nach der
Formel 4Fes03, As, 03 -f 5 IL 0 zusammengesetzt ist. Beim Trocknen und Glühen
des arsensauren Eisenoxyduls bildet sich nach Wittstein- das arsenig saure
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I
650 EISENSALZE.
Eisenoxyduloxyd, 6 Fe 0, 3 Fea 08 . 4 A&a Os + 32 H3 0 als ein in Waaser unlös-
liches, in Salzsäure mit goldgelber Farbe lösliches 8alz.
Arsensaurea Eisenoxyd. Das Mineral Scorodit ist normales arseusaures Eisen-
oxyd, Fea(As04)a 4- 4H30. Durch Fällen von Eisenchlorid mit Dinatriumarsenat
entsteht ein weisser, beim Erhitzen unter Verlust von Wasser roth werdender
Niederschlag, der in Ammoniak und Salpetersäure löslich ist und nach Wittstein
die Zusammensetzung 2Fe2(H As4 0,)., + 9 H3 0 besitzt.
Besuche Arsenale finden »ich ferner in der Natur. Der Eisensinter ist
2 Fe3 (As 04) (0H)$ + 9 Ha 0, Pharmakosiderit ist Fe* (AsP)3 08 + F^ (As . P) 0, (OH),
+ 6H20.
Essigsaurem Eisenoxyd, s. unter Ferrum aceticum und Liq. Ferri
acetici.
Citronensanres Eisenoxyd, s. unter Ferrum citricum oxydat um.
Citronensaures Eisenoxydammon , s. unter Ferrum citricum ammo-
n iatum.
Kieselsaure Eisenoxyde finden sich meist im Verein mit anderen Silicaten
häufig im Mineralreiche. — S. Silicate.
Kohlensaures Eisenoxyd. Die Zusammensetzung der bei der Wechselwirkung
von Eisenchloridlö9ung mit Alkaliearbonaten entstehenden Niederschläge ist nicht
genau bekannt.
Phof-phorsaures Eisenoxyd. Das normale Orthophosphorsäure Eisen-
oxyd entsteht als gelblich weisser, in Mineralsäuren löslicher, in Essigsäure unlös-
licher Niederschlag beim Vermischen von Eisenoxydsalzlösungen mit Dinatriura-
phosphat. — S. Ferrum phosphoricum oxydatum.
Ein saures Phosphat, Fe*, (P04)3 + HsP04, entsteht in kleinen rosarothen
Krystallen beim Auflösen von Eisenhydroxyd in einer coneentrirten Lösung von
Phosphorsäure und Abdampfen der Lösung. Ein saures Phosphat, Fes (P04)a
+ 2 H3 P04 + 5 H3 0 , bildet sich beim Eindampfen einer Lösung de« normalen
Phosphats in überschüssiger Phosphorsäure oder bei langsamer Oxydation des
Eisenoxydulsalzes an der Luft.
Ein basisches Eüenoxydphosphat ist der Grüneisenstein, Fe3 (OH)s P04 .
Pyrophosphorsaures Eisenoxyd, (Fe3'3 (P3 07)3, bildet sich beim Fällen von Eisen-
chlorid mit pyrophosphorsaurem Natrium als gel blich weisses Pulver. — S. Ferrum
p y roph osjthoricu m. Der Niederschlag des pyrophosphorsauren Eisens löst
sich in einer Lösung von pyrophosphorsaurem Natrium unter Bildung eines Doppel-
salzes: Pyrophosphorsaures Eisenoxydnatrium , Fe, (Pa 07)s + 2Na4(P207), auf.
Dieses Salz findet arzneiliche Verwendung. — S. Ferronatrium pyrophos-
p hör ic u m.
Salpetersaures Eisenoxyd , Fe, (N03)6 -f 18 H2 0 , bildet sich durch Auflösen
von Eisen in einer Salpetersäure von 1.352 spec. Gew., bis das spec. Gewicht der
Lösung auf 1.5 gestiegen ist. Beim Erkalten dieser Lösung scheiden sich farblose,
durchsichtige Krystalle aus, welche die oben angegebene Zusammensetzung besitzen.
Bei Anwendung eines Ueberschusscs an Eisen entstehen basische Salze, bei Ver-
wendung verdflnnterer Säuren Geraische von Eisenoxydul- und Oxydsalzen.
Schwefelsaures Eisenoxyd, Fej (S04)3. Der in Chile vorkommende Coquimbit
ist Fe.., (S04i3 + 9Ha0 und bildet hexagonale, tafelförmige Krystalle. Man stellt
das Eisenoxydsulfat durch Oxydation von schwefelsaurem Eisenoxydul mit Salpeter-
säure bei Gegenwart von Schwefelsäure dar. 100 Th. Eisenoxydulsulfat löst man
in einer geräumigen Porzellanschale in 100 Th. destillirten Wassers und 17.5 Th.
reiner concentrirter Schwefelsäure, erhitzt sodann die Lösung im Sandbade zum
Kochen und «Igt nach und nach 30 Th. oder so viel Salpetersäure hinzu, bis das
Eisenoxydulsalz in Oxvdsalz verwandelt ist: GFeSOt 4- 3H2S04 + 2 HNO, =
= 3 Fe,, S04 i3 + 2 NO 4- 4 H2 0.
Ist dieses der Fall, so nimmt die anfangs in Folge der Verbindung des Eisen-
oxydulsalzes mit dem Stickoxyde braunschwarz gefärbte Flüssigkeit plötzlieh unter
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EISENSALZE. — EISENSCHWARZ.
G51
Aufschäumen und Bildung rother Dämpfe von Stickdioxyd eine braunrothe Färbung
an. Auch kann man das Ende der Oxydation an der Bildung von Turnbullsblau
erkennen, welche» in der mit Wasser verdünnten Eisenlösung auf Zusatz von
Ferricyankalinmlösung so lange entsteht, als Eisenoxydulsulfat 'zugegen ist. Beim
Eindampfen der Lösung hinterbleibt das Eisenoxydsulfat als wasserfreie , weisse
kristallinische Masse zurück, welche an der Luft zu einem gelbrothen Syrup zerfiiesst.
Basische Sulfate entstehen bei Einwirkung von Sauerstoff der Luft oder von
Salpetersflure auf Ferrosulfat bei Abwesenheit von freier Schwefelsäure oder bei
Einwirkung einer geringeren Menge Ammoniak auf die Lösung des neutralen Salzes,
als zur Zerlegung desselben in schwefelsaures Ammon und Eisenhydroxyd erforder-
lich ist , weiterhin durch Zusatz von kohlensaurem Kalk zu 'der Lösung des
neutralen Salzes, bis der entstehende Niederschlag nicht mehr verschwindet und
darauffolgender rascher Filtration.
Aus basischem Eisenoxydsulfat bestehen auch die Mineralien : Copiapit, Fibro-
f er rit, Raimond it etc. — S. auch Liquor Ferri sulfurici oxydati.
Schwefel saures Eisenoxydammonium, Fe^ (SOJ, (NHi 3 S04 -f 24 H2 0. Mit
den Salzen der schwefelsauren Alkalien liefert das Eisenoxydsulfat Doppelsalze der
Formel Fe.., (S04 )3 + Ma SO» 4- 24 H2 0, die sogenannten Eisenalaune. Das wichtigste
unter diesen Eisenalaunen ist der Eisenammonalaun, welcher sich durch Mischen von
Eisenoxydsulfat- und Ammoniumsulfatlösung und Abdampfen dieser Lösung bildet.
Amethystfarbene, durchsichtige, octae"drisehe Krystalle, an der Luft verwitternd und
bei 15° iu 3 Th. Wasser löslich. Die Lösung zersetzt sich in der Killte, schneller
in der Wärme unter Abscheidung von basisch schwefelsaurem Eisenoxyd. Wird
in der Analyse bei der volumetrischen Bestimmung des Silbers mittelst Rhodan-
kalinmlösung als Indicator benutzt. — S. Ferrum sulfnricnm oxydat um
* ammon ia tum, H. Beckart s.
EiSBIISChäUiTI ist der beim Aullöseu von kohleustotfhaltigem Eisen in ver-
dünnten Säuren zurückbleibende Kohlenstoff, welcher sich als schwarzgraue
schaumige Masse (Graphit ) auf der Oberfläche abscheidet.
Eisenschwärze. 1. Eine Lösung von Eisen in rohem Holzessig, Oxydul neben
Oxyd enthaltend, welche als Eisen beize ('s. d.) dient. 2. Ein grob- oder fein-
körniges Gemisch von Galläpfeln, Eisenvitriol und Blauholzextract in verschiedenen
Procentverbältnissen ; dient zum Schwarzfärben und ist stellenweise ein flotter
1 1 a nd Verkaufsartikel .
Eisenschwamm wird das aus den Eisenerzen dircct hergestellte schmiedbare
Eisen genannt. Nach Eames (D. R.-P. 35205) wird das Erz mit Graphitstücken
gemischt, ohne Zuschlag auf die Gicht gegeben und die Gicht mit einer Lage von
Graphitklumpen bedeckt. Dann wird reducirt : zuerst wird 5—7 Stunden auf 800
bis 1100° und dann noch 1—2 Stunden auf UOO — 1400° erhitzt. Die Masse
kann direct zu Schmiedeeisen verarbeitet werden. Nach Ebert (D. R.-P. 35833)
werden Erz und Kohle gepulvert, mit Zuschlägen zusammengemischt und, mit
Wasserglas zu einem Brei angerührt, in einem Flammenofen behandelt. Der Wasser-
glaszusatz soll die Kohle vor allzu schnellem Verbrennen schützen, so dass
erst dann ein Verbrennen derselben eintritt, wenn das Erz in's Glühen ge-
räth. Nach letzterem Verfahren soll bei der Reductiou das austropfende kohlen-
stoffhaltige Eisen sich in flüssigem Zustaude vou der Schlacke absondern. — Die poröse
graphit- oder kohlenhaltige Masse wurde eiue Zeit hindurch zu Filtern, Eisen-
schwamm filtern, verwendet, welche zur Reinigung des Trinkwassers von
stickstoffhaltigen orgauischen Stoffen etc. an Stelle der üblichen Kohlenfilter dienen
sollten ; diese Filter haben sich indessen nicht bewährt und sind wieder ausser Ge-
brauch gesetzt; siehe auch pag. 632. Ganswind t.
Eisenschwarz. 1. Feinkörniger Graphit zum Schwärzen von Guss-
eisen, z. B. Ofenthüren. 2. Fein zertheiltes Antimon, durch Ausfällen aus
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652 EISENSCHWARZ. — ErSENSULFÜRETE.
einer Antimonlösung durch Zink erhalten ; dient zum Bronziren von Zinkguss, von
Gypsfiguren und aolchen von Papiermache, welche dadurch das Aussehen von
blankem Stahl erhalten.
Eisenseife. Die fettsauren Salze des Eisenoxyduls und des Eisenoxyds, welche
durch Fällen der Eisenoxydul- und Eisenoxydsalze mit Seifenlösung erhalten
werden, bezeichnet man als Eisenseifen. — 8. unter M e die in i sehe Seifen
und Ferrum ol ei nie um.
Eisensublimat ist das in kleinen metallglänzendcn, grauschwarzen, dunkel-
roth durchscheinenden Krystallflittern sublimirende wasserfreie Eisenchlorid. Es
bildet sich beim Leiten von trockenem Chlorgas über glühenden Eisendraht und
findet sich in solcher Gestalt im Krater von Vulcanen.
EiSenSUlfoCyanide, Eisensulfoeyauttr, Fe(CNS)2. Grüne monokline
Krystalle von der Zusammensetzung Fe(CNS). -f 3 H2 0 von bittcrem tinten-
artigem Gescbmackc, leicht in Wasser, Alkohol und Aether löslich. Wird durch
Auflösen von metallischem Eisen in möglichst concentrirter Sulfocyanwasscrstoffsäure
und Abdampfen bei Abschluss der Luft dargestellt.
Etsensuffocyanid, Fea(CNS)„. Dunkelbraunrothe, metallglänzende Würfel, in
Wasser, Alkohol und Aether leicht löslich. Die wässerige Lösung ist blutroth,
verdünnt rothgelb, entfärbt sich bei Abschluss der Luft im Lichte, färbt sich aber
bei Luftzutritt wieder roth. Zur Darstellung des Salzes zieht man ein Gemenge
von 1 Mol. neutralem wasserfreiem Eisenoxydsulfat mit 0 Mol. Rhodankalium mit
Alkohol aus und verdampft das Filtrat über Schwefelsäure. Die Bildung des Salzes
beim Zusammentreffen der wässerigen Lösung von Eisenoxydsalzen mit Sulfocyan-
alkalimetall wird in der Analyse zur Erkennung der Eisenoxyd- und Sulfocyan-
salze benutzt. H. Beckurts.
EisenSUlfurete, Eisensulfür, Halbschwefel Wn, Fe, S. Entsteht durch Glühen
des Ferrosulfats im Wasserstoffstrome, wobei sieh schweflige Säure. Schwefelwasser-
stoff und Wasser bilden : 2 Fe SO, + 6 Ha = Fe. S + SO* + 6 H„ 0 und 4 Fe SO, +
+ 15 Hs = 2 Fe, S + SO, 4- R. S + 14 H, ().
Dunkelgraues, magnetisches Pulver, in verdünnten Säuren uuter Eutwickelung
gleicher Volumina Wasserstoffgas und Schwefelwasserstoff löslich. Das von Arfoed-
sox beschriebene Achtel-Schwefeleisen ist ein Gemenge von Eisensulfür mit Eisen.
Eisenmonosulfid, Einfach Schwefeleisen, FeS. Kommt als Troilit in vielen
Meteorsteinen vor. Eisenfeile und Schwefel, mit Wasser befeuchtet, vereinigen sieh
schon bei gewöhnlicher Temperatur zu Eisenmonosulfid, schneller vollzieht sich die
Bildung desselben beim Erhitzen beider Elemente. Ein Gemenge von 3 Tb. Eisen
und 2 Th Schwefel erhitzt man in einem bedeckten Tiegel zum ruhigeu Schmelzen,
hält die Masse einige Zeit in ruhigem Fluss und giesst sie auf eine kalte Eisen-
platte aus.
Schwere, krystalliniscbe metallglänzende Masse von grauer bis grauschwarzer
Farbe. Es verändert sieh bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft nicht . auch
nicht, wenn es bei Luftabschluss selbst bis zur Weissgluth erhitzt wird. Bei Luft-
zutritt mässig erhitzt, verwandelt es sich in Eisenoxydulsulfat, stark geglüht bildet
sich Eisenoxyd und Schwefligsäureanhydrid.
In verdünnter Salzsäure und Schwefelsäure löst es sich zu Eisenchlorür oder
Eisenoxydulsulfat unter Entwickclung von Schwefelwasserstoff.
Ein hydratisches Schwefe) 1 eisen bildet sieh als schwarzer voluminöser Nieder-
schlag, wenn EisenoxydulsalzIfVsungen oder Eisenoxydsalzlösungen durch Alkali-
sulfide zersetzt werden. Aus den Eisenoxvdsalzlösungen fällt ein Gemisch von Eisen-
sulfür und Schwefel : Fe Cla + (NH4), S = Fe S + 2 NH4 Cl . — Fes CL + 3 (NHJ* S =
= 2 Fe S + S 4- b* NI^ Cl.
Amorphes, schwarzes, in feiu vertheiltem Zustande grünes Pulver, welches in
geringer Menge in Wasser löslieh, an der Luft sieh rasch unter Warmeentwicke-
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EISENSULFURETE. — EISMASCHINEN.
65a
lang and Bildung1 von Eisenoxydhydrat nnd freiem Schwefel oxydirt nnd sich in
Säuren rascher als das geschmolzene Schwefeleisen löst. Das dichte geschmolzene
Schwefeleisen wird zur Darstellung von Schwefelwasserstoff benutzt.
Eisensulf Ursulfid, Fe, S4 , die dem Eisenoxyduloxyd analog zusammen-
gesetzte Verbindung, kann als eine Verbindung von Eisenaulfür, FeS, mit Eisen-
sesquisulfid, Fes S8, angesehen werden. Es soll sich beim Glühen von Eisenoxydul-
oxyd in trockeuem Schwefelwasserstoff als eine metallglänzende, graugelbe Masse,
welche magnetisch ist, bilden. Eine Verbindung von 5 FeS + FesS3 und 6FeS-f
-+- Fes S4 ist der in der Natur vorkommende Magnetkies, ähnlich zusammengesetzte
Verbindungen werden durch Glühen von Eisen mit überschüssigem Schwefel bis
zum Schmelzen der Masse oder durch Glühen von Eisensesquioxyd oder Schwefel-
kies in bedeckten Tiegeln erhalten.
Eisensesquisulfid, Anderthalbfach Schwefeleisen, Fe* S3 . Graugelbe oder
grünlich - gelbe Masse , welche entsteht , wenn man Einfach Schwefeleisen mit
Schwefel mengt und das Gemisch zur schwachen Rothgluth erhitzt, oder weuu
man Schwefelwasserstoff bei 100° über Eisensesquioxyd leitet. Verdünnte Säuren
zersetzen es unter Bildung von Eisenoxydulsalz, Schwefelwasserstoff und Wasser-
stoffsupersulfid. Beim Glühen eines Gemisches von Eisenoxyd und Schwefel erhält
man Verbindungen von Eisensesquioxyd und Eisensesquisulfid in verschiedenen Ver-
hältnissen. Mit Schwefelkupfer vereinigt sich das Eisensesquioxyd zu Cu S -+■ Fe% Ss
und (Cujjj Fc2 S«, d.i. Kupferkies und Buntkupfererz.
Zweifach Schwefeleisen, Eistnhisulßd, FeSs. Findet sich in der Natur
als Schwefelkies oder Pyrit und als Speerkies oder Wasserkies.
Der Schwefelkies oder Pyrit findet sich in messinggelben, regulären würfel-
förmigen Krystallcn, auch in kugel- oder nierenförmigen Massen. Der Wasserkies,
auch Strahlkies bildet graugelbe rhombische Prismen, welche sich, abweichend von
dem Pyrit an feuchter Luft zu schwefelsaurem Eisenoxydul oxydiren. Er bildet
das hauptsächlichste Rohmaterial für die Schwefelsäurefabrikation und die Eisen-
vitriolgewinnung.
Künstlich kann man das Eisendisulfid durch schwaches Glühen von Eisen oder
Eisensulfid mit Schwefel oder durch Erhitzen bei einer zwischen 100° und der
Rothgluth liegenden Temperatur von Eisenchlorid, respective Eisenoxyd in einem
Strome von Schwefelwasserstoff darstellen. Das so gewonnene Sulfid ist schwefel-
gelb, nicht magnetisch und oxydirt sich an der Luft bei Gegenwart von Feuchtigkeit.
H. Beckurts.
Eisentinctur. 8. Tinc t. Ferri acetiei , T. Ferri chlorati, T. Ferri
pomati etc.
EiSenwäSSer, natürliche und künstliche, s. Min eral wässer.
Elsenweinstein, s. Tartarus f er rutn s und Tartarus fetfatus
pur us.
EisenZUCker, der officielle deutsche Name für Ferrum oxydatum saccharatnm
solubile.
Eisessig, s. Essigsäure.
Eismaschinen. Die Eismaschinen dienen entweder zur Herstellung künstlichen
Eises oder zur Erzeugung von kalter Luft ; letztere finden besonders in Brauereien
Verwendung und sind eigentlich Kaltluftmaschinen. Die eigentlichen Eis-
maschinen sind entweder für continuirlichen Betrieb mit Dampf eingerichtet oder
zur Herstellung kleinerer Mengen für Handbetrieb. Die Hauptbestandteile eines
solchen kleineren Apparates sind ein starker schmiedeeiserner cylindrischer Kessel, in
welchem höchst concentrirte Ammoniaklösung erwärmt wird und ein cylindrischer,
nach unten couisch verlaufender, doppelwandiger Condensator, welcher in einen
Kübel mit kaltem Wasser taucht. Durch das Erwärmen wird das NH3 in Freiheit
gesetzt und in den Condensator getrieben , in welchem es sich in Folge der
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• 654
EISMASCHINEN. — EISÖL.
Kühlung und des eigenen starken Druckes au flüssigem Ammoniak ver-
dichtet. Nun wird der Apparat in der Weise translocirt, dass der Kessel in den
Kübel mit Wasser gestellt wird und der Condensator in's Freie zu stehen kommt.
Damit hört zugleich die Abkühlung und der Druck im Condensator auf und das
flüssige Ammoniak beginnt zu sieden. Der Siedepunkt des Ammoniaks liegt bei
— 32°; die Ammoniakdämpfe werden von dem Wasser im Kessel wieder absorbirt.
Das siedende Ammoniak bindet aber bei seiner Verflüchtigung eine sehr bedeutende
Wärmemenge und entzieht diese seiner nächsten Umgebung. Setzt man nun in den
inneren Hohlraum des Condensators ein BlechgefäsB mit Wasser so, dass deren
Wandungen sich berühren , so wird sehr bald der gesammte Inhalt des Blech-
gefässes in Eis verwandelt sein. Diese Apparate liefern 1 — 2 kg Eis per Stunde
und verbrauchen für 5 kg Eis von — 40° 1 kg Holzkohle zur Verbrennung.
Von den Eismaschinen für stetigen Betrieb ist am bekanntesten die CARUE'sche
Maschine, welche sich gleichfalls des Ammoniaks als Gefriermittel bedient. Auch
das der Maschine zu Grunde liegende Princip ist dasselbe, nur wird die Ammoniak-
flüssigkeit durch Dampf erhitzt. Das Ammoniak macht also einen vollständigen
Kreislauf durch und kann immer wieder benutzt werden; die Maschinen müssen
aber sehr stark gearbeitet sein, da sie bedeutenden Druck auszuhalten haben. Die
Maschinen sind wesentlich complicirter eingerichtet, als solche für kleinen Bedarf
und haben eine Leistungsfähigkeit bis zu 500 kg Eis per Stunde.
Abweichend von den Maschinen nach dem System Carre sind die Linde1 sehen
Maschinen, bei welchen das Ammoniakgas nicht durch Absorption wieder gewonnen,
sondern durch Abkühlung und Druck abermals condensirt wird. Diese Maschinen
bestehen aus zwei Pumpen, welche abwechselnd als Saug- oder Druckpumpen
dienen. Verflüssigtes Ammoniak oder Schwefligsäureanhydrid wird durch die Saug-
pumpe in Gasform übergeführt und das abgesaugte Gas durch Druck wieder
condensirt. Bei beiden Maschinen, der CARRE'schen (und der ähnlichen von Pictet)
sowohl , als bei der LiXDE'schen braucht die Construction eine minder feste zu
sein , wenn statt des Ammoniaks eine Lösung von Ammoniakgas in Aether, oder
(nach Rossi) in Glycerin oder (nach Tessie dc Motay) von schwefliger Säure in
Aether oder Oxalsäureäther oder Schwefelsäuremethyläther verwendet wird.
Zu dem genannten System gesellt sich noch die Eismaschine von Wixp-
hausen , welche durch Wiederausdehnen zusammengepresster Luft Eis erzeugt.
In einem dem Cylinder einer Dampfmaschine ähnlichen Cylinder wird Luft
unter einem Druck von 2 — 4 Atmosphären comprimirt und dadurch bis auf
+ 30° erwärmt; diese comprimirte Luft wird in den Eiserzeuger gepresst und
aus diesem behufs beschleunigter Ausdehnung mittelst Saugpumpe wieder abge-
saugt ; bei ihrer Wiederausdehnung auf 1 Atmosphäre erzeugt dieselbe eine Kälte
von — 25« bis — 30°.
Die Verwendung der Eismaschinen hat trotz des hohen Anschaffungspreises
(30000 — 35000 Mark) in neuester Zeit stetig zugenommen, und insbesondere für
die beissen Kliroate ist damit gewissermassen eine neue Aera angebrochen , weil
dadurch der Brauereibetrieb in jenen Gegenden ermöglicht ist. So werden neuer-
dings auch Schiffe mit Eismaschinen ausgerüstet, wodurch der Import frisch ge-
schlachteten Fleisches aus Südamerika und Australien in eine neue Phase tritt. In
unseren Klimaten dienen die Eismaschinen besonders zur Concentrirung von Salz-
soolen, so in der Stassfurter Industrie, zum Einengen des Meerwassers zur Salz-
gewinnung, vor Allem aber für Brauereizwecke , um in den Lagerkellern die für
die Xachgäbrung erwünschte gleichmässige Temperatur von annähernd 6 — 7° zu
erhalten. Ganswindt.
EiSÖl, ein hier uud da gebräuchlicher Name für Acidum sulfuricum Anglicum. —
Eissalbe ist Unguentum Plnmbi. — Eispomaden heissen solche Pomaden, welche
neben einem fetten Oel nur Paraffin oder Cetacenm euthalten und nach dem
Zusammenschmelzen ohne zu rühren erkalten gelassen werden, so dass eine
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EISÖL. — EL MOLAR.
055
hyaline, eisähnliche Masse resultirt. 15 Th. Paraffin und 85 Th. Ricinusöl geben
einen guten Körper für Eispomade; da* Parfüm muss der Mischung zugesetzt
werden, so lange sie noch völlig flüssig ist.
Eisphosphorsäure, s. Phos^bo r säure.
El WeiSS, thierisches, s. Albumine, Bd. I, pag. 194 und Ova galUnacea.
— Samen-Eiwei88, s. Endosperm.
Ei Weissfermente, s. Enzyme, Pepsin und Trypsin.
EiweiSSkÖrper, 8. Albuminkörper und Albumine, Bd. I, pag. 107 und 194.
EiweiSSpapier, Albumin papier, für photographiscbe Zwecke. -— 8.
Photographie.
EiweiSSpeptOn, s. Peptone.
ElWeiSSStoffe, s. Albumine und Albuminkörper, Bo. I, pag. lG4und 197.
ElWeiSS-Reagenspapier. Um die Eiweisspro! v im Harn so handlich als
möglich zu machen, wurde in neuerer Zeit folgende Eiweissprobe mit Hilfe von
Filtrirpapierstreifen empfohlen. Auch wurde das Eiweissreagenspapier zugleich
mit einem Zuckerreagenapapier (s. d.) für die Aerzte in den Handel
gebracht. Für die Eiweissreaction mittelst Reagenspapier benöthigt man deren
zwei, von denen das erstere dazu dient, den Harn mit einer Pflanzensäure
anzusäuern, während das zweite das eigentliche Fällungsmittel des Eiweisses
(Quecksilberjodkalium) enthält. Es wird demnach 1. soviel gutes dickes Filtrirpapier,
als dem Bedarfe entspricht, mit einer concentrirten Lösung von Citronensäure
getränkt und dann getrocknet; 2. eine entsprechende Menge Filtrirpapier mit
einer etwa dreiprocentigen Lösung von Sublimat, der 12— 15procentige Jodkalium-
lösung hinzugefügt ist, durchtränkt und nachher getrocknet. Von den Streifen dieser
beiden Papiere gibt man in den zu prüfenden Haru zuerst ein 2cm langes
Streifchen des Säurepapiers, schüttelt gut, um das Papier auszulaugen, hierauf
fügt man ein gleich grosses Stück Quecksilberjodkaliumpapier hinzu und verfährt
in gleicher Weise. Ist Eiweiss im Harne vorhanden, so entsteht ein voluminöser,
flockiger Niederschlag. Die Fehlerquellen dieser Probe sind nun folgende: Auch
schon im concentrirten eiweissfreien Harne können durch diese Reaction Nieder-
schläge, ans Verbindungen der Harnsäure mit dem Quecksilberdoppelsalz bestehend,
auftreten. Diese sind wohl in der Wärme löslich; jedoch wenn einmal bei der
Reaction gekocht werden rauss , dann ist die Rochprobe auf Eiweiss so einfach
und ao sicher, dass man sie jeder anderen Reaction vorziehen wird. Wohl hat
man, um der Notwendigkeit, den Harn kochen zu müssen , im Vorhinein auszu-
weichen, vorgeschlagen, einen an Harnsäure und harnsauren Salzen reichen Harn
bis zur Hälfte zu verdünnen — und es ist diesbezüglich zu bemerken, dass durch
die Verdünnung des Harnes die Schärfe der Probe keineswegs beeinträchtigt wird.
Jedoch erhält man durch diese Probe nicht in gleicher Weise, wie dies bei
der Kochprobe der Fall ist, zugleich einen Anhaltspunkt über die Menge des
Eiweisses im Harn, denn es wird nur so viel Eiweiss gefällt, als der Menge des
hinzugefügten Fällunpunittels entspricht. Wenn nun mit eiuem kleinen Streifen
des Quecksilberjodkaliumpapieres die flockige Fällung auftritt und man sich nun
damit zufrieden gibt, die Gegenwart von Eiweiss eonstatirt zu haben, so hat man
keine Ahnung davon, dass auf weiteren Zusatz von 3 und 4 Stflckcheu dieses
PapiereB noch immer ein Niederschlag entstehen würde. Es ist also anzurathen,
von beiden Papieren so lange kleine Stücke in den Harn zu geben, als nach
dem Auslaugen derselben durch Schütteln immer wieder der Niederschlag sich ver-
mehrt. Loebisch.
El Molar in Spanien, unweit Madrid, besitzt Schwefelquellen.
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f,5o
ELAEAGNACEAE. — El.AEOSACCHARA.
Elaeagnaceae. eine Familie der Thymeltnae. Baum- oder strauchartige,
der gemäßigten Zone der nördlichen Halbkugel angehörende Gewächse. Die Blatter
und jungen Aeste aller Arten sind mit sternförmigen, glashellen, silberweissen oder
bräunlichen Schüppchen besetzt, weshalb diese Gewächse in Parkanlagen eigen-
tümliche Farbencontraste hervorrufen. Der deutsehe Käme „Oelweiden" nimmt
Bezug auf die Gestalt der Früchte und der Blätter. Eretere gleichen in etwas den
Oliven, letztere den Blättern der Weiden. Charakter: Blüthen 2häuaig oder viel-
ehig. Perigon unterständig, 2- oder 4spaltig, innen gefärbt, in der Knospenlage
klappig. Staubgefässe so viel oder doppelt so viel als Perigonzipfel. Fruchtknoten
1 fächerig. Frucht eine von dem fleischig werdenden unteren Theil der Perigon-
röhre umgebene Nuss. Sydow.
EIcLBYS, Palmengattung aus der Gruppe der Cocoineae, Unterfamilie Ceroxy-
llnae. Der mässig hohe, dicke Stamm trägt an dornigen Stielen schmal gefiederte
Blätter. Der ästige, in der Jugend flockig behaarte Blüthenkolben ist von zwei
bleibenden Scheiden umgeben. Die (3 Blüthen besitzen ein 6blätteriges Perigon
in zwei Kreisen, 6 am Grunde verwachsene Staubgefässe und einen rudimentären
Fruchtknoten. In den Q Blüthen ist der innere Perigonkreis mitunter mehrblätterig,
aus dem 3 fächerigen Fruchtknoten entwickelt sich eine 1 sämige Steinfrucht mit
schwammigem oder ölreichem Fleisch.
Kl a eis guineensis die Oelpalrae, besitzt einen bis 10 m hohen,
geringelten Stamm mit sehr grossen (bis 5 m langen ) Blättern , deren Basen sehr
spät abfallen und dadurch dem Stamme ein charakteristisch geschupptes Aussehen
verleihen, (j und 9 Blüthen in getrennten Kolben auf demselben Stamme zwischen
den Blattachseln. Die Fruchtkolben werden bis 50 kg schwer und tragen dicht-
gedräogt bis gegen 800 pflaumen- bis eigrosse orangefarbige, weictschalige Früchte
mit knochenhartem, dreikautigera Kern.
Die Oelpalme ist im tropischen Afrika ausserordentlich verbreitet, und wird in
neuerer Zeit, seitdem das Palmöl zu einem wichtigen Exportartikel wurde, auch
cultivirt. Das Palmöl (s.d.) wird durch Auspressen des Fruchtfleisches, welches
davon gegen 70 Procent enthält , schon an den Productionsorten gewonnen , das
Palmkernfett wird aus deu ebenfalls ölreiehen (35 — 45 Procent) Samen in
Europa dargestellt. j. M oel ler.
ElaeOCarpU8, Gattung der Tili« ceae. — E. copaliferus Retz., die Mutter-
pflanze des Manila-Copals und Piney-Talges, wird jetzt als Valeria indica L. zu
den Dipterocarpeen gestellt.
Elaeokom. ein künstlicher Kautschuk ; bereitet aus mit Salpetersäure gekochtem
Leinöl, Kautschuk, Schwefel, Kreide, Bolus oder anderen derartigen Körpern, die
zur Erreichung der Consistenz zugesetzt werden.
Eläopten heiset, im Gegensatze zum Stearopten, der auch bei niedriger
Temperatur flüssig bleibende Antheil der ätherischen Oele.
ElaeOSaCChara (£axiov, Oel und cöxyapov, Zucker), Oelzucker. Man versteht hier-
unter Verreibungen von ätherischen Oelen mit Zuckerpulver, und zwar naeh Ph.
Austr. und Ph. Germ, im Verhältnis« von 1 Tropfen Oel auf 2 g Zucker. Sie werden in
der Regel als Geschmackscorrigens zu pulverförmigen Arzneimischungen, bisweilen
auch in derselben Absicht als Zusatz zu Mixturen verordnet. In einigen Fällen,
wie bei Elaeosaccharum Cinae etc. wird mit der Verabreichung von Oelzucker
auch die specifische Wirkung des betreffenden ätherischen Oeles beabsichtigt.
Der Umstand, dass die Elaeosacchara gewissermassen als die feste Form zur
Dispensation der ätherischen Oele betrachtet werden können, hat zu einer Erweite-
rung des Begriffes Elaeosaccharum in dem Sinne geführt, dass man auch Ver-
reibungen von anderen durch Geruch ausgezeichneten Stoffen mit Zucker als
Elaeosacchara bezeichuet hat. Es gehört hierher in erster Linie das Elaeosaccharum
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EL AEOS ACCHARA . — ELAINSÄURE.
057
Vanillae, eine Verreibung von 1 Theil Vanille mit 9 Theilen Zuckerpulver. Dasselbe
wird am besten in der Weise bereitet, dass man die in kleine Querstückchen zer-
schnittene Vanille zuerst mit etwas Milchzucker in Stücken und einem Theile des
Rohrzuckers, ebenfalls in Stücken, tüchtig zerstösst, absiebt, den Rückstand mit
einem neuen Theile des Zuckers bearbeitet und so fort, bis nahezu Alles durch
das Sieb abgegangen ist.
Die Oelzucker aus Orange und Citronen, die zur Herstellung von Punsch- oder
Limonadesyrupen dienen sollen, werden besonders fein erhalten, wenn man die
betreffenden Früchte auf Zucker in Stücken abreibt , so dass der Zucker mit dem
in dor Aussenschicht der Fruchtschale enthaltenen ätherischen Oele möglichst
imprägnirt wird. Holdermann.
EläYuin, das Triglycerid der ElaYdinsäure ist isomer mit dem TrioleYn. Man
erhalt ElaYdin durch Einleiten von salpetriger Saure, welche man z. B. aus Stärke
und Salpetersäure entwickeln kann, in TrioleYn oder durch Schütteln dieses Gly-
cerides mit rotber Salpetersäure. Nach mehrstündigem Stehen ist die ganze Masse
krystallinisch erstarrt. Reines ElaYdin ist rein weiss, schmilzt bei 38° und erstarrt
bei 28°.
Die aus Olivenöl, Mandelöl oder Schweinefett erhaltenen ElaYdinmassen finden
zur Herstellung einiger Salben ( Unguentum oxygenatum und Vng. citrimim) phar-
maeeutische Anwendung. Benedikt.
ElaYdin probe. Diese zur Unterscheidung der trocknenden von den nicht-
trocknenden Oelen vielfach angewandte Prüfungsmethode beruht darauf, dass sich
das flüssige TrioleYn bei Gegenwart von salpetriger Säure in das isomere feste
ElaYdin verwandelt, während die Glyceride der Leinölsäure und ihrer Homologen
flüssig bleiben.
Für die Ausführung der Probe gibt es viele verschiedene Vorschriften, die sich
übrigens von dem ursprünglichen, zuerst von Poütet angegebenen Verfahren nur
wenig unterscheiden :
Man löst 1 cem Quecksilber in 12 ecm kalter Salpetersäure von 1.420 spec.
Gewicht und schüttelt 2 cem der frischen dunkelgrünen Lösung in einer weit-
halsigen Flasche mit 50 cem des zu prüfenden Oeles durch 2 Stunden von 10 zu
10 Minuten gut durch, dann litsst man 24 Stunden an einem kühlen Orte stehen.
Olivenöl und Mandelöl geben eine harte Masse, während Leinöle, Hanföl, NussÖl,
Mohnöl flüssig bleiben. Die anderen Oele liefern feste Ausscheidungen oder werden
buttcrartig, pastenförniig etc.
Genauere Unterscheidungsmerkmale für die einzelnen Oele wollte man in der
Zeitdauer, die die Oele zum Festwerden brauchen, und iu den verschiedenen
Färbungen linden, welche durch die Rcaction hervorgerufen werden, doch darf
man diesen Reactionen kein grosses Gewicht beilegen , da sich bei verschiedenen
Proben desselben Oeles grosse Verschiedenheiten zeigen.
Die ElaYdinprobe ist durch das v. Hüw/sche Jodadditionsverfahren (s. Fette)
in den meisten Fullen entbehrlich geworden. Benedikt.
ElaYdinsäure, c^.o,. wird aus der isomeren Oelsäure durch Einwirkung
von salpetriger Säure gewonnen. Wenn die Masse erstarrt ist, wird sie mehrmals
mit Wasser umgeschmolzen und zuletzt aus Alkohol krystallisirt.
Die ElaYdinsäure bildet grosse Hlätter von Perlmutterglauz , die bei 44 — 45°
schmelzen und unzersetzt destilliren.
Die ElaYdinsäure hat trotz vieler Vorschläge, sie für die Seifen- und Kerzen
fabrikation zu verwenden, noch keiue technische Anwendung gefunden.
ElaTn ist die in der Praxis gebräuchliche Bezeichnung der technischen Oel-
säure (s. Oe! sflure). Benedikt.
Elamsäure ist ein von Einigen gebrauchtes Synonym für Oelsäure (s. d.;.
Rsal-EneyclopMie der ges. Pharmacie. III. 12
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r
658 ELAJNSEIFE. — ELASTICITÄT.
Einseife. Die als Nebenproduct der Stearinkerzent'abrikatiou gewonnene
technische Oelsäure (OleYn, Elalfn) wird »um grö&sten Theile der Seifenfabrikation
zugeführt. Die Verseifung kann mit Soda vorgenommen werden, doch zieht man
des lästigen Schäumens halber meist vor, mit Aetznatron zu arbeiten.
Die Seifen sind gelblich bis bräunlichgelb gefärbt und besitzen nur einen ver-
hältnissmässig geringen Wassergehalt (15 — 20 Procent), indem reinen Oelsäure-
seifen die Fähigkeit abgeht, grössere Wassermeii^eu aufzunehmen. Benedikt.
El a'l'O Mieter von Gobley ist ein mit besonderer Scala versehenes Aräometer
zur Bestimmung des specifischen Gewichts fetter Oele, um dadurch Verfälschungen
zu entdecken (s. Oele).
Eialdehyd = Paraldehyd (s.d.).
ElaphOITiyC68, Gattung der Tuberacei. Aus parasitisch lebendem Mycelium
sich entwickelnde, knollenförmige Fruchtkörper mit derber, geschichteter Peridie,
von dunkler Sporenmasse erfüllt und einem zartflockigen Capillitium durchzogen.
Die kugeligen Sporen stehen zu 1 — S in kurzgestielten, kugeligen Schläuchen.
Elaphomy ces granulatus Fr., Hirschtrüffel, ist hasel- bis wall-
nussgross, an der Oberfläche gelblich bis braun, stumpf warzig. Liefert Boletus
cervinus (s. Bd. II, pag. 350).
Andere in Deutschland vorkommende Arten sind : E. muricatus Fr. mit spitz-
stacheligen Warzen ; E. variegatus Vitt, mit orangefarbiger, eckig-warziger Peri-
die; E. decipiens Vitt, mit glatter Peridie.
Elaphrium, eine Burseraceen-Gzüung Jacqüin's, jetzt mit Bursera Tr. et
Fl. vereinigt.
Elaphrium tomentosum Jqu. (Bursera tomentosa Triana et Planclton), ein Baum
des tropischen Amerika, gilt als eine der Stammpflanzen des Tac amahaca-Harzes.
ElapS, eine zu den Froteroglyphen gehörige Gattung tropischer Giftschlangen,
deren Gift einst homöopathisch verwendet wurde.
ElaSticität (sXauvstv, ziehen, treiben) ist jene Eigenschaft der Körper , ver-
möge welcher ihre Theilchen durch Einwirkung äusserer Kräfte aus der Gleich-
gewichtslage verschoben werden können, in ihre ursprüngliche Lage aber zurück-
kehren, wenn die verschiebenden Kräfte zu wirken aufhören.
Für hinreichend schwache Kräfte sind alle Körper elastisch, für jeden gibt es
aber auch ein gewisses Maass der einwirkenden Kraft, bei dessen Ueberschreitung
Formveränderungen auftreten, die auch naeh dem Aufhören der Kraftwirkung
noch andauern, wenn nicht überhaupt eine Trennung im Zusammenhang der Theile
des Körpers eingetreten ist. Dauernde Veränderungen bringen bei langer Ein-
wirkung auch solche Kräfte hervor, für welche sich bei kurzer Einwirkung der
betreffende Körper als vollständig elastisch erweist.
Die grösste Verschiebung, welche die Theilchen eines Körpers ohne bleibende
Veränderung desselben ertragen, nennt man Elasticitätsgrenze, die Grösse
der Kraft aber, welche zu solchen Verschiebungen erforderlich ist, Elasticitäts-
g r ö s s e.
Körper, bei welchen die Elasticitätsgrenze ausserordentlich niedrig liegt, ja zu-
weilen kaum bemerkbar ist, nennt man plastisch, wie Wachs, Lehm und andere.
Im gewöhnlichen Leben bezeichnet man nur jene Körper als elastisch, deren
Elasticitätsgrenze eine bedeutende ist, wie z. B. Stahl, Fischbein, Elfenbein,
Schildpatt, Horn, Membranen u. dergl. Ein Körper, welcher durch Ueberschrei-
tung der Elasticitätsgrenze eine dauernde Formverändernng erlitten , ist deshalb
nicht unelastisch geworden, sondern hat nur eine andere, im Allgemeinen kleinere
Elasticitätsgrenze und -Grösse erhalten. Bei zunehmender Deformation erfolgt schliess-
lich eine Trennung des Zusammenhanges. Körper, bei welchen eine solche Tren-
nung schon eintritt, wenn die Elastieitätsgrenze auch nur sehr wenig überschritten
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»
ELASTICITÄT.
659
wird, bezeichnet man als spröde, wie beispielsweise rasch gekühltes Glas (Glas-
thränen, Bologneserfläschchen). Dehnbar sind Körper, deren Elasticitätsgrenze
überschritten werden kann, ohne dass ihr Zusammenhang darunter leidet, wie
z. B. Blei, Gold n. A. Ist eine grosse Kraft nothwendig, um eine kleine Verschie-
bung der Theile eines Körpers hervorzubringen, so spricht man von einem harten
Körper, während bei den sogenannten weichen Körpern schon eine kleine Kraft
relativ grosse Verschiebungen hervorruft. Doch kann ein weicher Körper immer-
hin elastisch sein (Kautschuk).
Die Verschiebung der Theile eines elastischen Körpers kann nun in verschie-
dener Weise erfolgen, und je nach der Art der Einwirkung unterscheidet man die
Zug- oder Druckelasticitat, die Biegungs- und Torsionselasticität.
Die Zug- oder Druckelasticitat kommt zur Rrscheinung, wenn eine Kraft einen
Körper , der gewöhnlich die Stab- oder Cylinderform besitzt und an einem Ende
befestigt ist, zu verlängern oder zu verkürzen sucht. Bezeichnet man mit Q den
Querschnitt, mit L die Länge dieses Stabes, so muss die senkrecht zum Quer-
schnitt wirkende Kraft P, welche eine bestimmte, innerhalb der Elastioitätsgrenze
liegende Längenänderung 1 zu bewirken vermag , um so grösser sein , je grösser
die beabsichtigte Längenänderung, je grösser der Querschnitt und je kleiner die
Länge ist. Die Kraft ist also mit den bezeichneten Grössen durch die Gleichung :
P = E ~ 1 verbunden, in welcher E eine von der Beschaffenheit des beanspruchten
Körpers abhängige Constante, den sogenannten Elasticitätscoöfficienten
oder Elasticitätsmodulus bedeutet. Derselbe ist numerisch dem reeiproken
Werth der Lflngenflnderung gleich, welche die Krafteinheit an einem Stabe vom
Querschnitt 1 und der Länge 1 bewirken kann. Man definirt ihn auch als jene
Kraft, welche einen Stab vom Querschnitt 1 auf das Doppelte seiner Länge aus-
zudehnen vermag, falls eine solche Deformation ohne Aenderung des Zusammen-
hanges und der Elasticitätsverhältnisse möglich wäre.
In manchen Substanzen, wie in Hölzern oder Krystallen, ändert sich der
Elasticitätsco€f6cient mit der Richtung, in welcher er bestimmt wurde. Von beson-
derer Wichtigkeit ist dieser Umstand für die optische Untersuchung der Krystalle,
indem man ja in der Theorie der Doppelbrechung annimmt , dass der Aether
selbst eine mit der Richtung variable Elasticität besitzt, sich also gleichsam wie
ein krystallisirter Körper verhält. In solchen Fallen lässt sich die nach irgend
einer Richtung vorhandene Elasticität nach den Werthen berechnen, welche sie
nach drei ausgezeichneten, zu einander senkrechten Richtungen , den sogenannten
Elasticitätsaxen besitzt. In den rechtwinkligen Krystallsysteuien fallen die Elasti-
citätsaxen mit den krystallographischen Hauptaxen zusammen.
Bei der Ausdehnung eines stabförmigen Körpers durch eine äussere Kraft tritt
gleichzeitig eine Verringerung des Querschnittes ein, jedoch so, dass während der
Einwirkung der dehnenden Kraft das Gesammtvolumen grösser ist als im ursprüng-
lichen Zustand.
Die Biegungselasticität tritt in Erscheinung, wenn z. B. ein Stab, der an einem
Ende befestigt oder an beiden unterstützt ist, durch eine senkrecht gegen seine
Lüngenaxe wirkende Kraft beansprucht wird. Die Grösse der Biegung, welche
unter dem Einfluss dieser Kraft erfolgt, hängt wesentlich von der Art der Be-
festigung und Belastung, sowie von der Gestalt des gebogenen Körpers ab, so
dass sich einfache Regeln für ihre Berechnung nicht aufstellen lassen.
Die Torsionselasticität macht sich geltend , wenn ein stabförmiger , an einem
Ende befestigter Körper an seinem freien Ende gedreht wird. Bei dieser Art der
Beanspruchung ist stets die drehende Wirkung der Kraft dem Drehungswinkel
proportional, ein Umstand, welcher die grosse Verwendbarkeit solcher Torsions-
wirkungen bei physikalischen Messapparaten begründet.
Was die Elasticität tropfbar flüssiger Körper anbelangt, so zweifelte man früher
überhaupt an der Möglichkeit, das Volumen von Flüssigkeiten zu verkleinern, bis
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ELASTICITÄT. — ELATERINSAUKE.
sie von Oersted und in noch strengerer Weise von Regnaült experimentell nach-
gewiesen wurde.
Bei Gasen, welche Oberhaupt kein selbstständiges Volumen besitzen, kann man
natürlich auch nicht mehr von Elasticitftt im gewöhnlichen Sinne des Wortes
sprechen.
Als Ursache der Elasticität gelten die zwischen den einzelnen Theilchen eines
Körpers wirkenden anziehenden und abstossenden Kräfte (s. Moleculark räfte),
welche sich in den Gleichgewichtslagen der Moleküle gegenseitig aufheben. Tritt
aber eine Verschiebung der kleinsten Theile ein, so gewinnen sofort je nach der
Art dieser Verschiebung die einen oder die anderen Kräfte das Uebergewicht. Bei
Ausdehnungen sind die anziehenden, beim Zusammendrücken die abstossenden
Kräfte thätig, um die Theilchen wieder in ihre frühere Lage zurückzubringen.
Bei dehnbaren oder plastischen Körpern kommen die Theilchen zwar nicht in
ihre ursprüngliche Gleichgewichtslage, gerathen aber in eine andere, in der sie
neuerdings verharren können.
Klasticitätskräfte treten uns vielfach im Leben entgegen. Sie dienen als Trieb-
kräfte gespannter Federn in Uhrwerken, als Vergleichskräfte bei vielen Mess-
instrumenten , wie Dynamometern , Federwagen , Galvanometern u. a. , ferner zur
Beseitigung von Erschütterung und zur Schwächung von Stosswirkungen. Elasticität
zeigt sich bei Verlängerungen und Verkürzungen der Muskeln, sie bewirkt das
Abprallen der Körper beim Stosse, erzeugt und unterhält die tongebenden Schwin-
gungen fester Körper, wie Stimmgabeln, Saiten u. dergl. ; auch wird zur Erklärung
der Lichtphänomene die Elasticität eines Mediums, des Aethers, herangezogen.
Pitsch.
Elastifl gehört in die Gruppe der Albumin oide (s. d., Bd. I, pag. 202) und
bildet den Hauptbestaudtheil der im thierischen Bindegewebe überall vertheilten,
im Nackenbande des Rindes am dichtesten angehäuften elastischen Fasern. Zur
Reindarstellung des Elastins wird zerkleinertes Xaekenband 3 — 4 Tage mit Wasser,
dann mit lprocentiger Kalilauge, mit lOprocentiger Essigsäure gekocht, mit 5pro-
centiger Salzsäure kalt macerirt, hierauf mit Alkohol, dann mit Aether extrahirt. fein
gepulvert und durch andauernde Extraction mit Aether von den letzten Resten Fett
befreit. Es bildet ein gelblichweisses Pulver, das mikroskopisch die Formen der
elastischen Fasern zeigt. Es wird von Pepsin und Salzsäure verdaut unter Bil-
dung von H e m i e 1 a s t i n , welches in kaltem Wasser löslieh, beim Kochen seiner
Lösungen flockig ausfällt, beim Erkalten sich wieder löst, und von Elastiupepton,
welches sieh von gewöhnlichem Eiweisspeptou nicht wesentlich unterscheidet. Ks
ist frei von Schwefel, enthält 54 Procent Kohlenstoff, 7 Procent Wasserstoff, 16.39
Proeent Stickstoff und Spuren von Asche. Bei der Spaltung durch Salzsäure liefert
es Leuciu, Glycocoll, Amidovaleriansäure, Tyrosin und Ammoniak, dagegen nicht:
G lata min säure , Asparagiusäure und Schwefelwasserstoff, wo-
durch es sich von Eiweiss und Keratiu scharf unterscheidet. Fig. na.
J. Muuthnor.
Elfteren, Sc hie uderer, heisseu eigentümliche , im
Sporogouium der Lebermoose neben den Sporen sich ent-
wickelnde Zellen mit spiralförmiger Verdickung. Ebenso
heisseu die spiraligeu Bänder, welche die Sporen der Equi-
setaeeen umwinden (Fig. 103).
Elaterin, gv>hS8 08. Indifferenter Stoff in den Früchten
von Et'bah'um Elaterium Rieh. Der ausgepresste eingedickte
Saft der Früchte wird mit Alkohol ausgezogen, die Lösung
mit Ligroin geschüttelt und dann verdampft. Sechsseitige Tafeln; Schmelzpunkt
200°. Unlöslich in Wasser, verdünnten Säuren und Alkalien; schwer löslich in
Aether. leicht in Alkohol. — S. auch Elaterium. G ans w in dt.
Elaterinsälire ist identisch mit Eebalin 's.d., Bd. III, pag. 576).
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ELATERIUM. — ELECTUARIA
661
Elaterium. von Rupp aufgestellte Gattung der Cucurbitae™? , synonym mit
Ecbalium Rieh. (s. pag. 576).
Fructus El at er ii 9. Ecbalii s. Cucumeris amerini s. Momordicae sind
die ellipsoidischen , gegen 5 cm langen und halb so dicken , grünlichen , weich-
stacheligen , saftigen , 3fächerigen Beeren von Ecbalium Elaterium Rieh. , der
in den Mittelmeerlandern heimischen Spritz- oder Eselsgurke. Bei der Reife
trennt sich die Beere plötzlich von ihrem Stiele uud in demselben Augenblicke
werden durch die entstandene Oeftnnng die Samen sammt dem Fruchtsafte heraus-
gespritzt. Die Samen sind 4mm lang, braun, glatt, flach und schmal berandet.
Das Fruchtmus der Springgurke schmeckt sehr bitter und schleimig. Es enthitit
als wirksamen Bestandteil E 1 a t e r i n , ausserdem eineu amorphen Bitterstoff,
Wein- und Citronensänre , eine eigentümliche organische Säure, Zucker etc.
(Köhler). Aus der ganzen Pflanze stellte Walz noch vier nicht genauer be-
stimmte KOrper dar: Prophetin, Ecbalin oder E 1 a t e r i u s 31 u r e , Hydro-
elaterin und El at er id.
Man sammelt die Früchte vor der völligen Reife (August), weil sie in diesem
Zustande den höchsten Elnteringehalt besitzeu (0.7 Proeent). Später nimmt der
selbe ab und scheint endlich ganz zu verschwinden.
Die Früchte werden (Ph. Brit.) der Lange nach aufgeschnitten, der nach
leichtem Pressen herausfliessende Saft wird durch ein Haarsieb gogosseu uud
absitzen gelassen. Die überstehende Flüssigkeit wird abgegossen, der Bodensatz auf
ein leinenes Filter gebracht und auf porösen Ziegeln bei gelinder Warme ge-
trocknet. Die Ausbeute erreicht kaum 0.2 Procent. Sie stellt schließlich 2 mm
dicke, leicht zerreiblichc, grünlich- oder gelblichgrüne Kuchen dar, das sogeuauute
Elaterium alhum s. anglicum. Es schmeckt sehr bitter und scharf, denn es be-
steht zum grossen Theile (33.6 Procent, FlCckigeb) aus Elaterin und soll kein
Amylum uud keinerlei Gewebsreste enthalten. Mit Sauren darf es nicht aufbrausen
und muas an kochendeu Alkohol von 0.838 die Hälfte seines Gewichtes abgeben.
Wird diese Lösung concentrirt und zu warmer Aetzkalilösung von 1.058 gesetzt,
so müssen sich nicht weniger als 20 Procent Elaterin in farblosen Krystalleu aus-
scheiden (Brit.). Flückiger fand in reinem Londoner Elaterium 8 Procent Asche.
Das Elaterium ist vorsichtig aufzubewahren; es ist eiu sehr heftig wirkendes
Drastieum, zugleich aber ein unzuverlässiges, weil sein Elateriugehalt grosseu
Schwankungeu unterworfen ist. Einzelgabe 0.005 — 0.05, 0.02 (Ph. Suec).
Elaterium nigrum ist das aus dem Safte der zerquetschen Früchte durch
Eindampfen gewonnene Extract. Es enthalt viel weniger Elaterin, iu der Regel
kaum 5 Procent.
Verfälschungen wurden mit Calciumcarbonat und mit Amylum beobachtet.
Das erstere verräth sich durch das Aufbrausen beim Uebergiesseu mit Sauren;
ein Zusatz von Stärke ist durch das Mikroskop leicht nachweisbar.
Elatine ist eine in Italien und dem südlichen Frankreich gebrauchliche Be-
zeichnung für Aqua Picis (nach DorvaüLT durch Infundiren von 20 Th. besten
norwegischen Theeres mit 1000 Th. kochenden Wassers, Erkaltenlassen und Fil-
triren der Flüssigkeit zu bereiteu).
EiatopiSSa ist (nach Laxperer) ein in Griechenland sehr geschätztes Volks-
heilmittel gegen Lungenleiden etc. Es stellt die mastixähnlichen Harztropfen dar,
welche aus den Zapfen verschiedener Abiesarten in den Monaten Juli und August
ausschwitzen.
Elayle chlorata, Elaylchlorid, Elaylchlorür = Aethyienum chloratum.
Electuaria von Asv/itv, lecken, to sy.)^t**y.a, ein Brei zum Lecken), Latwergen.
Die Latwerge ist eine Mischung pulverfönuiger Substanzen mit Syrupen , Ht>nig
oder Pulpen zu einer Masse von musartiger Consistenz : die „Latwergenconsistenz"
gestattet die Anfertigung selbständig geformter Theile, wie Pilleu oder Bissen,
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ELECTUARIA. — ELECTU ARIUM LENITIVUM.
nicht, ist aber zähe genug, um nicht vom Spatel abzulaufen. In selteneren Fällen
treten an Stelle von Honig oder Syrup fette Oele und Balsam, z. B. Balsamnm
Copaivae. Behufs Bereitung von Latwergen werden die in Verwendung kommenden
Pulver zuerst gemischt, dann wird nach und nach Honig, Syrup etc. hinzugegeben.
Bei Herstellung grösserer Mengen Latwerge ist es dagegen zweckmässig, umge-
kehrt zu verfahren, das heisst die gut gemischten, wenn nöthig nochmals gesiebten
Pulver dem Honig oder der Pulpa zuzusetzen. Vorräthig zu haltende Latwergen
müssen, um sie vor Gäbrung zu schützen, während der Mischung oder nachträglich
auf 6 5 * bis 75° erhitzt werden.
Die Latwergen, von denen früher eine grosse Anzahl verschiedener Sorten in den
Apotheken vorräthig gehalten wurden, sind gegenwärtig keine sehr beliebte Arznei-
form mehr ; die Ph. Austr. führt noch 3 Latwergen auf, die Ph. Germ, hat aber
nur 1 Klectuarium aufgenommen. Bemerkt zu werden verdient noch, dass in Frank-
reich diejenigen Latwergen, welche Opium enthalten, „Opiats" heissen, dass jedoch
vom französischen Publicum der Name Opiat vielfach auch von Latwergen anderer
Art gebraucht wird.
EleCtuarilim anthelminthiClim, Wurmlatwerge. 5 Th. Tubera Jalapae pule,
15 Th. Flore,« Cinae pulv. und 15 Th. Binz. Filicis pulv. mit 65 Th. Mel de-
puiatum zur Latwerge zu mischen. — E. a. Hufeland. 3 Th. Radix Valerianae,
2 Th. Tubera Jalapae, 8 Th. Flor es Cinae, 6 Th. Kalium tartaricum, 15 Th.
Oxymel Scillae und 20 Th. Syrup. communis.
EleCtuarilim ar0matiCUII1(Ph. Austr.), Electuarium stomachienm. Die Pulver
von je 100 Th. Folia Menthae piperitae und Folia Salviae, je 20 Th. Radix
Angelicae und Rhizom. Zingiberis, je 10 Th. Cortex Cinnamomi, Caryophylli
und Nucts mosvhatae werden mit q. s. (circa 600 Th.) Mel depuratum unter ge-
linder Erwärmung im Wasserbade zur Latwerge gemischt.
EleCtUaHum arOmatiCUm CUm OpiO, Klectuarium anodynura, Theriaca
(Ph. Austr.). Zu 120 Th. Electuarium aromaticum wird 1 Th. Opium pulver.
gemischt.
Electuarium Baisami Copaivae COmpOS., Klectuarium antigonorrhoicum.
100 Th. ßalsamum Copaivae, 150 Th. Cubebae pulver., 50 Th. CatecJiu pulver.
und 3 Th. Oleum Menthae piper. werden gemischt.
Electuarium dentifricium, Zahnlatwerge. Die Zahnlatwergen werden in der
Weise bereitet, dass man ein beliebiges Zahnpulver mit so viel als nöthig Mel
depuratum zur Latwerge mischt; zweckmässig ist ein Zusatz von Glycerin (etwa
'/t Th. vom Honig) , welcher die Latwerge geschmeidig erhält. Wird die Zabn-
latwerge sauer gewünscht, so ersetzt man den vierten Theil des Zahnpulvers
durch höchst fein gepulverten Weinstein, soll sie aber alkalisch sein, durch
Xatriu mbica rbonat.
Electuarium DiaSCOrtÜUm, Diascordion, ist eine jetzt wohl kaum mehr
gebräuchliche, dem Theriak ähnliche Composition (nach der Originalvorschrift Herba
Scordii enthaltend, daher der Name) und kann im Handverkaufe durch diesen
oder das Electuarium aromaticum ersetzt werden.
EleCtUariUm DiateSSerOn, Diatesseronlatwerge. — S. Diatesseron, Bd. HI,
pag. 470.
Electuarium lenitivum, Klectuarium aperiens, Klectuarium eecoproticum
(Klect. lenitivum Ph. Germ., s. Klectuarium e Sennal In alle Pharmakopoen
aufgenommen , jede gibt aber eine andere Vorschrift. Nach Ph. Austr. werden
300 Th. Pulpa Tamarindorum , 100 Th. Roob Sambuci, 50 Th. Folia Srnnae
pulver. und 50 Tb. Tartarus depur. pulver. mit so viel als nöthig Mel depur.
unter gelindem Erwärmen im Dampfbade gemischt. — E. I. Londinense. Unter
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ELECTUARIUM LENITIVUM. — ELECTUARIUM THERIACA. 663
diesem Namen war in der alten Ph. Saxon. eine Latwerge officinell, die jetzt noch
in Mitteldeutschland ein beliebter Handverkaufsartikel ist : In 60 Th. eines con-
centrirten Decoctum Caricae (1 : 4) werden 100 Th. Saccharum gelöst nnd dieser
Flüssigkeit je 20 Th. Pulpa Ca&siae, Pulpa Prunorum und Pulpa Tamarindorum,
10 Th. Fructus Coriandri pulv., 21/, Th. Radix Liquiritiae pule, und 20 Th.
Folia Sennae pulv. hinzugemischt. — E. I. Winther besteht aus je 4 Th. Manna,
Pulpa Cassiae und Pidpa Tamarindorum , 3 Th. Tartarus depxratus pulv.,
3 Th. Folia Sennae pulv. und 20 Th. Syrupus Succi Citri. Diese Latwerge nimmt
sich sehr angenehm.
EleCtUarlum e Senna, Electuarium lenitivum Ph. Germ. 10 Th. Folia
Sennae pulcer. werden mit 40 Th. Syrupua ttimplex und 50 Th. Pldpa Ta-
marindorum unter Erwärmen auf dem Dampfbade gemischt.
Electuarium Theriaca, Theriak, im Volksmunde „Dryakel". Die nach-
stehenden Notizen zur Geschichte des Theriak , dieses bis in unser Jahrhundert
hinein hoch angesehenen Arzneimittels, sind dem sehr interessanten Buche von Peters
„Aus pharmaceutiseber Vorzeit in Wort und Bild" entnommen: „Die wichtigste
Rolle unter den Arzneimitteln spielten im Mittelalter zwei Latwergen, der M i t h r i-
dat und Theriak. Beide waren ursprünglich nur als Gegengifte berühmt,
bekamen später jedoch bedeutenden Ruf als Arzneien gegen alle ansteckenden Krank-
heiten. Die erstgenannte Latwerge war eine Mischung, welche Mithridates Eupator,
König von Pontus, erfunden hatte. Bekanntlich hatte derselbe eine grosse Furcht
vor Vergiftung, beschäftigte sich daher viel mit Toxikologie und stellte an Ver-
brechern und an sich selbst allerlei Versuche mit den verschiedensten Giften an
und nahm täglich eine Portion Gift und Gegengift zu sich. Hierdurch gewöhnte
sich seine Natur so sehr an die Gifte, dass das Gift, welches er stets bei sich
trug und welches er, als er durch Pompejus völlig geschlagen war, einnahm,
nicht wirkte und er sich daher, um seinem Sieger nicht lebend in die Hände zu
fallen, von einem seiner Soldaten tödten Hess. L'nter den binterlassenen Papieren
des besiegten Königs fand Pompejus neben anderen mediciniseben Abhandlungen
auch die Vorschrift zu der damals schon berühmten Latwerge. Er Hess diese in
die Sprache der Römer übersetzen und nfltzto dadurch, wie Plixius schreibt, der
Gesellschaft nicht weniger als dem Staate durch seinen Sieg. Ursprünglich war
das Recept zum Mithridat nicht sehr zusammengesetzt , dasselbe wurde später
jedoch von Damokrates , einem Leibarzte des Kaisers Nero , abgeändert, und
diese Vorschrift, welche 55 Bestandtheile enthält, ist von Valerias CORnrs in das
Nürnberger Dispensatorium (vom Jahre 1546) aufgenommen.
„Auch Axdbomachts, ein anderer Leibarzt des Nero, unterzog die Vorschrift
des Mithridat einer Verbesserung und vermehrte die Anzahl der Mischtheile des-
selben noch bedeutend. Als Hauptsache fügte er Schlangentleisch hinzu und gab
angeblich nach der Schlange — Tyrus — seiner Latwerge den Namen Tyriak
oder Theriak (richtiger dürfte die Ableitung von ttr^ [wildes Thier], das
heisst ein Mittel gegen giftige Thiere, sein), welchen er mit einem Gedichte, das
die silmmtlichen Bestandtheile aufzählt, dem Kaiser widmet. Der Theriak des
AxDROMACHUS ging in alle Dispensatorien über. Selbst in der Ph. Germ. I. war er
noch zu finden ; allerdings waren seine 64 Bestandtheile, mit welchen er in dem
Dispensatorium des Corpus noch stolz auftrat, auf 12 zusammengeschrumpft.
„Neben dem Ruf, welchen der Theriak sich schon bei den Römern erworben
hatte, übernahm es auch die christliche Mythe, das Ansehen desselben noch zu
erhöhen und es spielte in Folge dessen die alte berühmte Latwerge des Aximo-
machi.'S bis in unser Jahrhundert hinein eine sehr wichtige Rolle in der Medicin.
Die Anfertigung des Theriaks war in früheren Zeiten eine feierliche Staats-
handlung ; alle für den Theriak bestimmten Injrredientien mussten wochenlang
vorher in unzerkleinertem Zustande öffentlich ausgestellt werden. Besonderer Be-
rühmtheit erfreute sich der venetianische Theriak, nächstclem der in Nürnberg
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ELECTUAR1UM THER1ACA. — ELEETRICITÄT.
bereitete. Die letzte feierliche öffentliche Anfertigung von „Theriaca Coelestis, das
ist der wegen seiner göttlichen Tugenden also gerühmte himmlische Theriak",
geschah in Nürnberg im Jahre 1754 in der Kugelapotheke. "
Zur Zeit befinden sich Vorschriften zu Theriak noch in vielen Pharmakopoen,
die Präparate der Ph. Gall. und Pb. Hisp. bestehen sogar noch aus 56, beziehungs-
weise 74 Ingredientien. Die Ph. Austr. hat den Theriak durch Eleetuarium
aromaticum cum Opio (s.d.) ersetzt, die Ph. Germ. II. aber hat denselben
nicht wieder aufgenommen. Die Vorschrift der Ph. Germ. I. lautet: 6 Th. Radix
Angelicae. 4 Th. Rad. Serpentaria*>f je 2 Th. Rad. Valerianae, Bidbi Scillae,
R/rizoma Zedonrioe und Cortex Cinnamomi , je 1 Th. Fructus Cardamomi,
Myrrha und Ferrum mlfnn'cum, sämmtliche Artikel fein gepulvert, werden mit
72 Th. Mel depuratum gemischt und zuletzt 1 Th. Opium pulcer., welches vorher
einen Tag lang mit 3 Th. Xeremrein maeerirt wurde, hinzugegeben. Der nach
dieser Vorschrift bereitete Theriak enthalt in 100 Theilen 1 Th. Opium. In dem
für den Handverkauf bestimmten Präparat — und Theriak ist ja fast ausschliess-
lich Handverkaufsartikel geworden — pflegt man das Opium ganz wegzulassen.
G. Hofmann.
Elektficität nenut man die Ursache eines eigen thümlichen Zustanden der
Körper, in welchem sie insbesondere die Fähigkeit besitzen, leichte Korper anzu-
ziehen und nach der Berührung wieder abzustosscn. Der Name rührt vou der
griechischen Bezeichnung des Bernsteins (r/exrsov) her, au dem mau diese Eigen-
schaft schon im Altertlmme wahrgenommen hatte. In viel höherem Grade als an
Bernstein bemerkt man sie an einer Glasröhre, nachdem dieselbe der Länge nach mit
einem Lederfleek gerieben wurde, an dessen befetteter Oberfläche KlENMAYER sches
Amalgam (2 Th. Quecksilber. 1 Th. Zinn. 1 Th. Zink) haftet. Alle Körper
können durch Reibung in diesen Zustand, den sogenannten elektrischen, versetzt
werden, wenn dies auch bei manchen nur durch Anwendung gewisser, später zu
erörternder Massrcgeln gelingt. Die Heibuug wird als Elektricitätsquelle bei
E 1 e k t r i s i r m a s c h i n e u Cs. d.) benützt.
Ein elektrischer Körper kann durch Berührung seinen Zustand auf einen
anderen, nicht elektrischen, übertrafen. Manche Stoffe, wie Glimmer, Kalk.
»Schwefel, trockene Gase, Harze, Kautschuk, Seide, fette Oele, nehmen dabei den
elektrischen Zustand sehr langsam und nur an der Berühmngsstelle au, verlieren
ihn aber auch nicht, wenn irgend eine ableitende Ursache an einem audereu als
dem Berührungspunkte einwirkt. Man nennt solche Substanzen Dielektrica
oder auch schlechte Leiter der Elektricität im Gegensätze zu den guten,
die wie Metalle, Konle. Säuren, Salzlösungen und der thierische Körper die Elektricität
leicht annehmen und über ihre ganze Oberfläche verbreiten, dieselbe aber verliereu,
wenu au irgend einem Punkt der Oberfläche eine Ableitung stattfindet. Soll ein
guter Leiter seineu elektrischen Zustand behalten oder durch Reibung in denselben
versetzt werden, so muss er allseitig von schlechten Leitern umgeben, isolirt sein,
weshalb man für schlechte Leiter auch den Ausdruck Isolatoren gebraucht.
Zwischen guten und schlechten Leitern lüsst sich keine scharfe Grenze ziehen,
indem Körper vou allen möglichen Stufen der Leitungsfähigkoit für Elektricität
vorkommen.
Es gibt zwei Arten des elektrischen Zustandes. bei deren Zusammentreffen
eine Verminderung oder gänzliche Vernichtung der elektrischen Wirkung eintritt.
Glas mit Amalgam gerieben nimmt den einen , Harz mit Pelzwerk gerieben den
anderen Zustaud an. Da sich beide Elektricitätsarten in ihrer Wirkung beein-
trächtigen, also in einem Gegensatze stehen, bezeichnet man die eiue , und zwar
nach allgemeiner Anuahme die Elektricität des mit Amalgam geriebenen Glases,
als positiv und folgerichtig die andere als uegativ (+ E, — EJ.
Gleichartig elektrische Körper stosseu sich ab, ungleichartig elektrische ziehen
sich an. in beiden Fällen mit einer Kraft, die dem Product der wirkeuden
elektrischen Meugen proportional, dem Quadrate ihrer Entfernung umgekehrt
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ELEKTEICITÄT.
665
proportional ist, wobei mau sich die Menge des Wirkenden je in einem Funkte
vereinigt denkt. Die Anziehung«- uud Abstossungserscheinungen dienen als
sicherstes Kennzeichen für den elektrischen Zustand eines Körpers. Man verwendet
sie daher auch in den zu solchen Prüfungen dienenden Apparaten, deu Elektro-
skopen und Elektrometern (s. d.). Aus der Abstossung der gleichnamigen
Elektricitäten erklärt sich auch die Erscheinung, das* leichte, ursprünglich
unelektrische Körper nach der Anziehung durch einen elektrischen wieder abge-
stossen werden , da in Folge der Berührung ein Theil der Elektricitüt auf den
angezogenen Körper tibergegangen ist.
Ein elektrischer Körper A kann schon durch Einwirkung aus der Ferue einen
gut leitenden, unelektriscben, isolirten Körper B elektrisiren, wobei die dem Körper
A zugewendete Seite von B ungleichnamige, die abgeweudete gleichnamige Elektri-
citüt zeigt. Entfernt man den elektrischen Körper, so tritt in dem von ihm
beeiuflussten wieder der unelektrische Zustand ein. Berührt man aber den Körper
B, während er noch unter dem Einflüsse von A steht, so zeigt sich B uach der
Entfernung von A ungleichnamig elektrisch in Bezug auf A. Es konnte also
durch die Berührung nur die gleichnamige, nicht aber die ungleichnamige Elektri-
cität abgeleitet werden und man sagt deshalb, es sei die letztere von der in A
befindlichen gebunden worden. Ist A in die Ferne gerückt , dann wird auch
diese auf B gebundene Elektricitüt wieder frei, d. h. ableitbar. In Bezug auf
Fernwirkung unterscheiden sich gebundene und freie Elektricitüt nicht. Die
gleichzeitige Entwicklung beider Elektricitäten in einem unelektrischen Körper
durch Fernwirkung eines elektrischen nennt man Elektrisirung d u r ch V e r-
theilung oder durch Influenz. Wie in diesem, so treten in jedem anderen
Falle von Elektricitfltserregung beide Arten von Elektricitüt uud in gleicher Menge
auf. Bei der Reibung z. B. erlangt immer der reibende Körper die eine, der
geriebene die andere Art von Elektricitüt. In der Elektrisirung durch Vertheilung
h'ndet auch die Anziehung unelektrischer Körper durch elektrische ihre Erklärung,
indem die dem elektrischen Körper näherliegende Seite ungleichnamig elektrisch
und daher angezogen wird, während die gleichnamige Elektricitüt der abgekehrten
Seite sich durch Ableitung entfernt.
Was den Sitz des elektrischen Zustande« anbelangt . so wurde experimeutell
festgestellt, dass dieser nur an der Oberfläche, nicht im Innern leitender Körper
liegt. Hierbei ordnet sich die Elektricitüt so au der Oberfläche au, dass sie auf
keinen Punkt im Innern eine vertheilende Wirkung ausübt. Mau bezeichnet als
Dichte der Elektricitüt in einem bestimmten Punkt der Leiteroberflüche das
Verhältniss der Elektrieitätsmenge auf einem sehr kleinen Flüehenstückchen in
dem betrachteten Punkte zum Flächeninhalt dieses Stückchens. Auf der OberHflche
einer elektrisirten Kugel ist dio Dichte in allen Punkten gleich, bei ungleichmüssig
gekrümmten Körpern aber au den stärker gekrümmten Stelleu grösser als den
weniger gekrümmten. An sehr stark gekrümmten Stellen , wie Spitzen , Ecken,
Kanten , kann auch die Dichte ausserordentlich gross werden. In Folge der
Abstossung gleichartiger Elektricitäten haben dieselben das Bestreben, sich von
der Oberfläche der Körper zu entfernen, woran sie nur durch den umgebenden
Isolator gehindert werden. Man nennt dieses Bestreben elektrische Spannung
und nimmt als Maass für dieselbe die Kraft an, mit welcher sich jene Menge, die
als Einheit zur Messung von Elektricitätsinengen angenommen wurde , von dem
betrachteten Punkte der Oberflüche zu entfernen sucht. Spnuuung und Dichte
stehen in engem Zusammenhange. Steigt in allen Punkten der Oberfläche eines
Leiters die Dichte der Elektricit.lt auf das 2-, 3-, 4fache, so steigt gleichzeitig
die Spannung auf das 4-, lOfache des ursprünglichen Betrages. Ausser-
ordentlich gross ist nach dem früher Gesagten die Spannung au Spitzen. Da
nun jeder Isolator überhaupt nur bis zu einem gewissen Grad der Spannung isolirt,
so vermag kein Isolator die Entfernung der Elektricitüt aus Spitzeu und Kauten
zu verhindern. Auch ist eiu mit Spitzen versehener Körper nicht im Stande,
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ELERTRIC1TÄT. — ELEKTRISCHES LICHT.
Elektricität von merkbarer Spannung aufzunehmen. Aber selbst ein allseitig gut
abgerundeter, isolirter, elektrischer Körper verliert nach einiger Zeit seinen
elektrischen Zustand, welche Erscheinung man als Zerstreuung der Elektri-
cität bezeichnet. Sie tritt insbesondere bei Körpern, die mit Lnft in Berührung
stehen, ein. Man nahm früher an, dass die Lufttheilchen als leichte Körperchen ange-
zogen und dann wieder abgestossen würden, wobei sie einen Theil der Elektricitfit
des Körpers fortfuhren. Gegenwärtig lfisst sich aus einschlägigen Experimenten der
Schluss ziehen, dass die stets in der Luft vorhandenen Staub- und Waasertheilchen
die Ursache der Klektricitfitszerstreuung abgeben.
Stehen sich zwei ungleichartig elektrische Körper gegenüber, und ist die Spannung
auf beiden grösser als der zwischen ihnen liegende Isolator zu ertragen vermag,
so erfolgt durch den Isolator hindurch ein Ausgleich der Elektricitfit in Gestalt
eines Funkens, der von grösserem oder geringerem Gerflusch begleitet ist. Erfolgt
der Ausgleich entgegengesetzter Elektricitfiten nicht durch einen Isolator, sondern
in einem guten Leiter, so kommt ein elektrischer Strom zu Stande (s.
Galvanismus).
Mittel zur Elektricitfitserregung sind : Mechanische Einwirkung wie Reibung,
Druck (insbesondere bei Krystallen), Spaltung, ferner Berührung (s. Galvanis-
mus), Induction (s. d.), Warme (s. Thermoelektricitfit), chemische
Action und der Lebensprocess (s. Galvanismus). •
Ueber das Wesen der Elektricitfit ist man noch vollständig im Dunkel. Zur
Erklärung der elektrischen Fundamentalerscbeinungen stellte Symmer (1759) die
sogenannte dualistische Hypothese auf, vermöge welcher in allen Körpern zwei
unwägbar feine Stoffe, die positiv und negativ elektrische Materie, vorhanden und
mit den oben erwftbnten anziehenden und abstossenden Kräften begabt sind. In
unelektrischen Körpern finden sich beide in gleicher Menge vor, und sie können
sich in allen Körpern mit grösserer oder geringerer Leichtigkeit bewegen. Nach
der von Franklin (1747) aufgestellten unitarischen Hypothese gibt es blos eine
Elektricitfitsmaterie , deren Theilchen sich gegenseitig abstosseu , aber von den
Theilchen wflgbarer Stoffe angezogen werden. Im unelektrischen Zustand enthalten
die Körper eine bestimmte Menge dieses Stoffes. Eine Vermehrung derselben
macht den Körper positiv , eine Verminderung negativ elektrisch. Gegenwärtig
sind beide Ansichten in den Hintergrund getreten und man nimmt allgemein an,
dass ebenso wie Licht und Wärme anch die Elektricitfit ein Bewegungszustand
ist, obwohl sich weder über die Art der dabei vorkommenden Bewegung, noch
über den Trager derselben etwas Bestimmtes aussprechen lfisst. Pit»ch.
ElektriSCh68 Licht Die freie positive oder negative Elektricitfit breitet sich
strömend auf alle Körper aus, welche dieselbe zu leiten vermögen. Diese Leitungs-
fähigkeit ist für die verschiedenen Stoffe eine sehr ungleiche. Sobald die Grenze
derselben durch zu grosse Intensität des Stromes überschritten wird, so setzt sich
der nicht mehr geleitete Theil der Elektricität in Wärme um und, wenn die
Schwingungen der letzteren die nöthige Geschwindigkeit erlangt haben, in Lieht.
Nicht nur der Stoff, sondern auch die Gestalt eines leitenden Körpers sind hierfür
maassgebend, indem die Leitungsfflhigkeit proportional dem Querschnitte des
Leiters zu- und abnimmt. Es werden daher auch Körper aus gut leitender Snb-
stanz, aber von geringem Querschnitte, z. B. ein dünner Platindraht, durch einen
entsprechend starken Strom zum Glühen und Leuchten gebracht. Hiervon wird
in der Chirurgie bei der Galvanokaustik und zur Beleuchtung innerer Körpertheilc
Anwendung gemacht.
Zum Zwecke der Beleuchtung dienen besser schlechtere Leiter, z. B. die Kohle,
welche, durch den Strom weissglühend gemacht, das in der Industrie und in der
Wissenschaft so vielseitig verwendete elektrische Licht ausstrahlt. Man unter-
scheidet das Bogenlicht und das Glüh licht. Das erstere, von blendendem
Glänze und bläulich weisser Farbe, vermag grosse Räume tageshell zu erleuchten,
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ELEKTRISCHES LICHT.
667
wirft aber dunkle und scharf begrenzte Schatten, da die Strahlen von einem
Punkte ausgehen und nicht wie das in der ganzen Atmosphäre zerstreute Sonnen-
licht von allen Seiten wirken. Es entsteht durch dag WeissglUhen der Kohlen-
spitzen bei der Herstellung des elektrischen Flammenbogens zwischen denselben.
Der letztere, aus einer ununterbrochenen Reihe gerader und curvenförmiger , die
Atmosphäre durchbrechender Funken bestehend, leuchtet schwach dagegen. Die
aus schwer verbrennlicher graphitartiger Gaskohle bestehenden Kohlenspitzen ver-
brennen dennoch bei dieser hohen Temperatur und entfernen sich dadurch von
einander. Dadurch wird der Widerstand für den Strom grosser, der Flammen-
bogen schwächer, erlischt endlich und mit ihm das Glühen der Kohlenspitzen. Es
ist daher wesentlich, um eine ununterbrochene gleichmässige Lichtausstrahlung zu
erhalten, dass die Kohlenspitzen stets in gleicher Entfernung von einander bleiben.
Dieses ist auf verschiedene Weise durch zum Theil complicirte und sinnreiche
mechanische Vorrichtungen versucht und erreicht worden, indem die eine beweg-
liche Kohle entweder durch Gewicbtsbelastung oder durch ein Uhrwerk oder in
Gestalt eines Solenoids*) der anderen fest stehenden Kohle im Maasse des Ver-
brauches genähert wird. Das Bogenlicht erfordert einen sehr starken Strom,
welcher entweder durch zahlreiche galvanische Elemente oder durch elektro-
dynamische Maschinen gewonnen wird, deren Rotation ein besonderer Motor durch
Wasserdruck, Dampf oder andere mechanische Kraft besorgt. Auch die in Aecu-
mulatoren als Reservevorrath aufgespeicherte Elektricität, um zeitweise die
elektromotorischen Maschinen zu ersetzen oder, um die Last der letzteren nicht
mitzuschleppen, dient als elektrische Lichtquelle, z. B. den geräuschlos umher-
fahrenden Schraubenbooten der Londoner Hafenpolizei. Dio Accumulatoren
(s. Bd. I, pag. 4!*) bestehen aus Metallplatteu , welche durch einen elektrischen
Strom oberflächlich in Superoxyd verwandelt sind. Mit verdünnten Säuren wird
das letztere reducirt und entwickelt dabei dieselbe Elektricitütsnienge, welche zu
seiner Erzeugung nöthig war. Für den I*rivatgebrauch zu blendend, dient das
Bogenlicht zur Erleuchtung grosser Räume und Platze.
Das hell, aber mild und gleichmäßig leuchtende Gl ü blicht entsteht durch
das Erglühen eines geschlossenen Bogens ans feinem Platindrahte mit plastischer
Kohlenmasse überzogen innerhalb einer möglichst evaeuirten , geschlossenen Glas-
kugel, in welcher die Kohle nur sehr langsam verbrennt und deshalb lange
fungiren kann. Dasselbe erfordert keinen so starken Strom wie das Bogenlicht
und ist zur Beleuchtung von Wohnräumen in beliebiger Anzahl erst dann mit
Erfolg nutzbar gemacht worden, seitdem es gelungen ist, die von Centralstellen
ausgehenden, starken Ströme von der Hauptleitung aus in beliebige Nebenleitungen
auf nahe und weite Entfernungen gleichmassig zu vertheilen. Das Glühlicht kann
an Intensität mit allen anderen Beleuchtungsarten coneurriren und hat den grossen
Vorzug, viel weniger Wärme auszustrahlen und, da die Verbrennung bei demselben
fast gleich 0 ist, weder den Sauerstoff der Luft zu verzehren, noch die letztere
mit erhitzten und irrespirabelen Gasen zu verunreinigen. Auch ist eine Feuers-
gefahr fast ausgeschlossen. Die Rentabilit.1t beider elektrischer Beleuchtungsarten
selbst für kleine Städte bei allgemeiner Betheilung hat sich längst bewährt. Der
theurere Betrieb der Erzeugung des Stromes gegenüber der Gewinnung des Leucht-
gases wird durch die billigeren Leitungen der ersteren mehr als aufgewogen.
Das elektrische Bogenlicht enthält weit mehr und intensivere blaue, violette
und selbst ultraviolette Strahlen als alle anderen künstlichen Lichtquellen. Es
übt daher eine ähnliche kräftige chemische Wirkung aus wie das Sonnenlicht
und wird mit Erfolg als Ersatz desselben in der Photographie verwerthet. Auch
ist in Gewächshäusern beobachtet worden, dass unter seinem EiuHusse die Lebens-
processe der Respiration und des Wachsthums der Pflanzen in ahnlicher Weise
*) Unter Solenoid versteht man einen losen Eisenkern, welchen eine von Elektricität durch-
strömte Druhtspirale durch Elektromagnetismus um so tiefer in sich hineinzieht und in dieser
Stellung schwebend erhält, je stärker der Strom wird.
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ELEKTRISCHES LICHT — ELEKTRISIRM ASCHINE.
wie im Sonnenlichte fungiren. Andererseits wirkt es bleichend, es soll angeblich
den Teint verderben, jedenfalls wohl den Farbstoff der Schminke. Ginge.
ElektriSirmaSChine ist ein Apparat zur Erzeugung statischer Elektricität.
Die erste, von Otto Querike construirte Elektrisirinaschine bestand nur aus einer
Schwefelkugel, die au einer rotirenden Axe steckte und durch Anlegen der
trockeueu Hand gerieben wurde , ein Process , durch welchen in dem geriebenen
Körper die eine, in dem reibenden die andere Elektricitätsart hervorgerufen wird.
Allmälig kamen zu dem Apparat neue Theile hinzu und wurden die alten ver-
bessert, bis sich die jetzt gebräuchlichen Typen desselben herausgebildet hatten.
Die verbreitetste derselben ist die B c h e i b e u m a s e h i u e.
Fig. MM.
Bei jener Form derselben, wie sie durch Winter in Gebrauch kam, sitzt eine
Glasscheibe an einer gläsernen Curbelaxe , deren Träger auf einem massiven
Brett aufruht. Auf dasselbe Brett stützt sieh auch der aus einer Glassäule be-
stehende Träger des sogenannten Reibzeuges. Dieser Tlieil der .Maschine besteht
aus zwei Reibkissen, nämlich zwei mit Flanell und Leder überzogenen Holz-
Btüekcn, welche mit wasserfreiem Fett und K i BN MI a y er/ schein Amalgam (1 Th. Zinn,
1 Th. Zink und 2 Th. Quecksilber i eingerieben sind und durch Federu schwach
gegen die Seheibe gepresst werden , so dass sich letztere bei ihrer Umdrehung
stark an ihnen reibt. Die durch den Reibungsproccss auf der Scheibe erzeugte
positive Elektricitätsmenge wird dann auf den Conductor der Maschine Uber-
tragen. Dieser ist ein kugel- oder cylinderförmiger guter Leiter, der ebenfalls mit
einem Glasfuss auf dem luterbrett der Maschine aufruht. Zur Febertragung der
Elektricität von der Scheibe auf diesen C'onductur sind au ihm , um den Werten
Thcil der Scheibenperipherie vom Reibzeug entfernt, zwei kleine Kreisringe ange-
bracht, die an jener Seite, welche sie der zwischen ihueu durchgehenden Scheibe
zuwenden , mit einer grösseren Anzahl kleiner Metallspitzen , den sogenannten
Saugern, besetzt sind. Geht uäudich die positiv elektrische Scheibe an diesen
Spitzen vorüber, so wird durch Influeuz in ihnen die positive und negative Elek-
tricität getrennt. Die negative Elektricität wird gegen die Spitzen gezogen, wo sie
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ELEKTBISIRMASCHIXE.
auf die gegenober liegende Stelle der Scheibe ausströmt und die Elektricität der-
selben neutralisirt , während die durch Influenz geweckte positive Elektricität von
den Spitzen weg in den Conductor getrieben wird und sich hier ansammelt. Da
immer neue elektrisirte Stellen der Scheibe zwischen die Sauger gelangen, so steigt
die Ladung des Conductor« so lange, bis die während einer bestimmten Zeit ihm
zugefflhrte Elektricitätsmenge gerade hinreicht, um den Verlust an Elektricität,
welchen er in derselben Zeit durch Abgabe an die umgebende Luft erleidet und
der mit der Zunahme der Ladung gleichfalls wachst, zn ersetzen. Damit auf dem
Wege vom Reibzeng zum Conductor die erzeugte Elektricitätsmenge möglichst
wenig durch Mittheilung an die Luft vermindert wird, tragen die Reibkissen zwei
Flügel von Wachstaffet, dio sieb an die Glasscheibe anlegen und bis nahe an den
Conductor heranreichen. Da beim Reiben stets beide Arten von Elektricität erzeugt
werden, so ladt sich das Reibzeng, welches die Scheibe positiv elektrisch macht,
selbst negativ und seine Ladung würde das Bestreben zeigen, sich mit jener des
Conductor» auszugleichen. Um dies zu verhindern, leitet man die negative Elektri-
cität durch Verbindung der Reibkissen mit der Erde ab, oder sammelt sie eventuell
auf einem eigenen ebenfalls isolirten Conductor an, der möglichst weit vom
positiveu entfernt liegt.
Hat sich am positiven Conductor eine grössere Elektricitätsmenge angesammelt,
so springt aus demselben auf einen in die Nähe gebrachten Leiter, der mit der
Erde in Verbindung steht, ein Funke über. Bei der Annäherung wurden nämlich
im Leiter durch Inflnenz die Elektricitäten getrennt, die zu der Ladung des
Conducton? gleichnamige Elektrieitfit wird abgestossen und in die Erde getrieben,
die ungleichnamige aber gegen den Conductur hingezogen, auf dessen Elektricität
sie ihrerseits wieder einen Zug ausübt. Da von den gut leitenden Körpern aus
die Elektricität auch bis auf eine gewisse Distanz in das isolirende, umgebende
Medium (im vorliegenden Fall in die Luft) eindringen, also gleichsam eine elek-
trische Atmosphäre um den Leiter bilden, die um so weiter reicht, je dichter die
Elektricität sich angesammelt, so können bei der Annäherung des Leiters an den
Conductor der Maschine die Atmosphären beider Körper einander berühren, so
dass ein Ausgleich der ungleichnamigen Elektricitäten in einem Fuuken erfolgt.
Die grösste Distanz, bis auf welche in der angegebenen Weise ein Funke Uber-
springen kann, bezeichnet man als Schlag weite der Maschine, Um diese
Distanz zu vergrössern , versieht man den Conductur an jener Stelle , an welcher
man Funken aus ihm ziehen will, mit einem Knöpfchen, da die Dichte der Elek-
tricität, von welcher hauptsächlich die Schlagweite abhängt, an stark gekrümmten
Stellen grösser als an weniger gekrümmten ist. Winter setzt bei seinen Maschinen
auf den Conductor noch einen grossen Holzring, wodurch ebenfalls die Schlagweite
derselben nicht unbeträchtlich erhöbt wird. Dio Schlagweite hängt übrigens bei ein
und derselben Maschine sehr bedeutend von den äusseren Verhältnissen ab und ist
z. B. an feuchten Tagen, oder wenn die Glastheile der Maschine vor dem Versuch
nicht sorgfältig mit warmer Wolle abgerieben wurden, um die Feuchtigkeit oder die
leitenden Staubtheilchen von denselben zn entfernen, bedeutend geringer als sonst.
Auf ein vollständig anderes Princip der Elektricitätserregung ist die von Holtz
construirte Influenzmaschine bnsirt. An derselben findet sich eine fixe, gut
gefirnisste Glasscheibe (s. Fig. 101), an welcher sich, horizontal einander gegenüber-
liegend, zwei ovale Ausschnitte befinden. Von diesen gehen auf der Hinterseite
der Scheibe zwei breite . dem Seheibenrand parallel laufende Papierbelegungen
aus, die je ein Sechstel des rmfanges einnehmen und mit Spitzen in Verbindung
stehen. Letztere ragen in die Ausschnitte hinein und kehren sich gegen eine zweite
Scheibe, die der ersten gegenüber steht. Diese zweite Seheibe sitzt drehbar an
einer isolircnden Axe. welche durch einen Dnrchlass im Mittelpunkt der fixen
Scheibe hindurchgeht und von einem am Fussbrett der Maschine stehenden Träger
gehalten wird. Den Papierbelegungen stehen die mit Saugkämmen versehenen
Conductoren auf isolircnden Ebonit- oder Glassäulen gegenüber. Letztere tragen
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ELEKTRISIRMAÜCHINE.
auch die Fonkenzieher, zwei gestielte Kugeln an isolirenden Handgriffen, an denen
man sie zusammen- und auseinandersehieben kann. Den Enden der Papierbelegnngeu
stehen ferner zwei durch einen geraden Metallstab verbundene Saugkamme, die
sogenannten überzähligen Conductoren, gegenüber. Am Fussbrett der Maschine
befindet sich dann noch die zur Drehung der beweglichen Scheibe nothwendige
Rotationsvorrichtung.
Die Wirkung einer solchen Maschine lässt sich am besten veranschaulichen,
wenn man nach dem Vorgange von Bebtix an Stelle der beweglichen Scheibe
sich einen rotirenden Cylinder denkt, wie ihn Fig. 105 im Durchschnitt schewatisch
darstellt. Ihm gegenüber liegen die Papierbelegungen A und B, welche in die
Spitzen a und b auslaufen. A' B'
und N P stellen dann die Saugkämme Fig. iw.
und Funkenzieher vor. Wird nun die
Belegung A negativ elektrisch geladen,
z. B. durch Anlegen eines geriebenen
Ebonitplättchens , so wird der gegen-
überliegende Theil der Scheibe durch
Influenz dielektrisch polarisirt, das
heisst, der gegen A gewendete Theil
jedes Moleküls wird positiv, der gegen ^
den Saugkamm gerichtete negativ elek-
trisch. Gleichzeitig scheidet aber die
negative Elektricitat in A auch die
Elektricitäten im Saugkamm, zieht die
positive gegen sich, so dass sie durch
die Spitzen des Saugkammes auf die zu-
gewendete Flüche der gegen 11 her liegen-
den Scheibe ausströmt, wahrend die
negative gegen N und weiters über P
und B' auf das Stück ß, der Scheibe fliesst, wenn die Funkenzieher N und Py wie
immer beim Beginn eines Versuches, in Contact stehen. Die auf & befindliche negative
Klektricität wirkt nun einerseits wieder polarisirend auf die Moleküle der Scheibe,
so dass dieselben ihre positiv geladene Seite dem Sauger, ihre negative der Be-
legung B zukehren, anderseits aber durch Influenz auf die Belegung 2?, so dasa
sich positive Elektricitat in ihr sammelt, die negative gegen die Spitze b getrieben
wird. Kommt nun bei der Rotation der Scheibe in der angezeichneten Richtung
der positiv elektrische Theil ax in die Nahe der letztgenannten Spitze, so wirkt
er durch Influenz auf dieselbe ein. Die negative Elektricitat strömt aus der Spitze
auf die Scheibe über, während die durch die neue Influenz entstandene positive,
welche gegen B getrieben wird, die Ladung dieses Theiles verstärkt. Bei der
weiteren Drehnng kommt die noch immer positiv geladene Partie der Scheibe an
B' und wirkt hier in derselben Weise wie die vermehrte positive Klektricität der
Belegung B auf den Sauger durch Influenz ein , das heisst , es, muss negative
Elektricitat aus den Spitzen des Saugkammes strömen und den gegenüberliegenden
Theil der Scheibe negativ elektrisch machen, während die positive in die Kugel P
gelangt und in analoger Weise auf die Belegung A einwirkt, wie früher die von der
Kugel N kommende negative auf die Belegung B. Sobald der bei ^ negativ elektrisch
gewordene Theil der Scheibe unter die Spitze a gelangt, strömt durch Influenz-
wirkung auf die Spitze aus dieser positive Elektricitat auf die eine Seite der
Scheibe und negative gegen A, dessen Ladung hierdurch verstärkt wird. Die
noch immer negativ geladene andere Seite der Scheibe kommt schliesslich an den
Saugkamm und wirkt im gleichen Sinne wie die Belegung A auf ihn ein. Nach-
dem dann durch die aus der Spitze strömende Elektrieität diese Scheibenseite
wieder positiv geworden, wiederholt sich das angegebene Spiel von Neuem. Die
hierdurch stets vermehrte Ladung in N und P wird schliesslich Funken produciren
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ELEKTRISIRMASCHINE. - ELEKTROCHEMISCHE ANALYSE 671
können, wenn die Kugeln in einigen Abstand von einander geschoben werden.
Verbindet man jeden der Conductoren mit der Innenbelegnng einer Leydenerflasche,
deren äussere Belegungen in leitender Verbindung stehen, so gewinnen die Funken
an Länge und gehen unverzweigt mit grossem Geknatter zwischen den Elektroden
aber. Bei einer Construction von Stöhrer, wie sie der Fig. 104 zu Grunde liegt,
stützen sich die Conductoren auf Glasröhren, welche bis an den Boden der als
Träger dienenden Leydenerflaschen hinunterreichen. Letztere werden eingeschaltet,
indem man durch die Conductorkugeln oben mit Metallknöpfen versehene Metall-
drahte steckt, welche durch die Glasröhren bis zum Boden der Leydenerflaschen
gehen. Beim Gebrauch der Maschine kommt es zuweilen vor, dass sie eine kurze
Zeit den Dienst versagt, dann neuerdings, aber mit vertauschten Polen, zu wirken
anfängt. Dieser üebelstand wird durch die in der Figur ersichtlichen überzähligen
Conductoren vermieden. Von der HoLiz'schen Influenzmaschine existiren zahlreiche
Modificationen, die aber im Princip von der beschriebenen Form nur wenig oder
gar nicht abweichen. Pitsch.
ElektrOCheilli8Che Analyse. Die Trennung chemischer Verbindungen durch
einen elektrischen Strom wird nicht nur in der Industrie mit Vortheil verwendet,
z. B. in den Kupferwerken, um aus den gelösten Erzen ein reineres werthvolleres
Metall als nach allen anderen Methoden abzuscheiden, sondern dieselbe hat sich
auch zu einem selbstständigen Zweige der chemischen Analyse entwickelt, welcher
die eigentlichen chemischen Methoden an Genauigkeit mindestens erreicht und an
Einfachheit und Schnelligkeit der Ausführung meist übertrifft.
Die Art , wie der zu diesem Zwecke verwendete , in den Batterien erzeugte,
elektrische (galvanische) Strom erlangt wird, steht im engsten Zusammenhange mit
der von demselben verlangten Arbeitsleistung. Es handelt sich in beiden Fällen
um Uobergang einer Form der Energie in eine andere, und zwar um Umsetzung
der chemischen Affinität in Elektricität.
Die verschiedenen Theorien über die Ursache und Wirkung des galvanischen
8tromes weichen von einander ab und erklären einzeln nicht ausreichend alle
elektrochemischen Vorgänge, die Con-
fik- 106- taettheorie nach Volta am wenigsten,
die elektrochemische Theorie nach
Faraday insofern nicht, weil eine
chemische Wechselwirkung zwischen den
H?0 HtO HtO HtO HtO HtO 8toffen nicnt die einzige Ursache einer
Elektricitätserregung ist. Schöxbein
nahm daher nicht die chemische Action als die Ursache an, sondern eine Umsetzung
der chemischen Affinität der sich berührenden Stoffe, schon ehe dieselbe in actuelle
Wechselwirkung getreten war, in Elektricität. Im Einklänge mit den auf Ver-
theilung (Trennung) oder Bindung (Wiedervereinigung) beruhenden Eigenschaften
der positiven und negativen Reibungselektricität, welche gleichnamig sich abstossen,
ungleichnamig sich anziehen, betrachtete Grotthusbn* auch den galvanischen Strom
als eine Vertheilung der ungleichnamigen Elektricitäten auf die heterogenen Atome
sümmtlicher im Bereiche des Stromes liegenden Moleküle und eine Richtung dieser
Atome nach entgegengesetzten Polen, z. B. der Atome des Wassers in der Säure
der Batterie nach dem Schema Fig. 106.
Diese Vertheilung und Richtung erstreckt sich nicht nur auf die Flüssigkeit,
sondern auch auf sämmtliche in dem Stromkreise enthaltenen Stoffe, bei den ein-
fachen Stoffen also auf gleichartige Atome.
Jedes in eine Säure getauchte Metall zeigt in Folge dessen am eingetauchten
Ende positive, am oberen Ende negative Elektricität. Werden zwei Metalle, z. B.
Zink und Kupfer nebeneinander in eine Säure getaucht, ohne sich in derselben
zu berühren und oben durch einen leitenden Sehliessungsdraht verbunden, so
werden sie in Folge ihrer ungleich starken Affinität zu den Bestandtheilen der Säure
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672
ELEKTROCHEMISCHE ANALYSE.
i
ungleich stark elektrisch. Die neuere I! «'Zeichnung1 dafür lautet: Sie erlangen ein
ungleiches elektrisches Potential, deren Differenz gleich der elektromotorischen Kraft
der beiden combinirten Elemente ist. Die stärkere positive Elektricit.1t am unteren
Zinkende zieht die elektronegativen Sauerstoffarme der Flüssigkeit an, stösst die
elektropositiven Wasserstoffatome ab. Die letzteren richten sich gegen das positive
untere Kupferende und drehen in Folge ihrer durch das Zink bewirkten, grösseren
Intensität die Polarität im Kupfer um, indem sie die negative Elektricität desselben an
das untere Ende ziehen, die positive Elektricität nach oben abstossen. Deshalb ist die
Vertheilung der Elektricitäten im Kupfer jetzt umgekehrt wie im Zink. Das Kupfer
ist ausserhalb der Flüssigkeit der positive, das Zink de;* negative Pol der Batterie.
In dem geschlossenen Systeme entsteht durch diese Vertheilung, dieses Streben
der ungleichen Elektricitäten nach entgegengesetzten Seiten, eine Spannung,
eine elektrische Ladung, deren Intensität der chemischen Natur und der
Anzahl der an dem Vorgange betheiligten Moleküle, also der Grösse der einge-
tauchten Oberflächen der Metallplatten,
entspricht. In chemisch reinem Wasser
würde sich dieser Zustand als einzige
Wirkung der Umsetzung der Affinität
in Elektricität ungestört erhalten. Bei
Gegenwart einer Sflure steigert sich
aber die Affinität des Zinks bis zu che-
mischer Action. Es oxydirt sich durch
Zersetzung der dasselbe berührenden
Wassermoleküle und stösst den frei
werdenden positiven Wasserstoff ab.
Dieser bewirkt in Folge seiner höheren
elektrischen Spannung in der ganzen
Reihe der Wassermoleküle bis zum
Kupferende eine Trennung und Wieder-
vereinigung zwischen dem Sauerstoffs
und Wasserstoffe der benachbarten
Wassermoleküle und werden jetzt an
den Endpunkten der Reihe, wo sie die
beiden Metalle berühren, am Zink stets
uegativer Sauerstoff, dieses verbrennend,
am Kupfer positiver Wasserstoff aus-
geschieden , dessen Feberschuss an
Elektricität an das Kupfer abgegebeu
wird und eineu elektrischen Strom be-
wirkt, welcher in der Flüssigkeit vom
Zink zum Kupier, im Schliessungsdrahte
vom Kupfer zum Zink geht. Es geht zwar ebensowohl ein elektronegativer Strom
in entgegengesetzter Richtung , in derjenigen , in welcher die Sauerstoffatome zum
Zink wandern. Hier setzt sich aber die Elektricität in chemische Arbeit um. Mit
Recht wird daher als die Richtung des Stromes diejenige der stärkeren , freien,
positiven Elektricität angenommen und in den Figuren durch Pfeile bezeichnet.
Dieser elektrische Strom ist also das Abfliessen des Ueberschusses freier Elek-
tricität vom positiven Pole in den Schliessungsbogen. In den letzteren eingeschaltete
andere Körper erfahren dieselbe in dem Kreise herrschende elektrische Vertheilung,
welche sich nach der chemischen Natur derselben verschieden äussert. Grundstoffe
in fester oder geschmolzener oder aufgelöster Form erleiden selber keine Ver-
änderung, setzen aber durch Leitungswiderstand die Elektricität in Wärme, eventuell
in Licht um, und zwar um so mehr, je schlechter sie die Elektricität leiten. Die
zusammengesetzten leitenden Stoffe in geschmolzener oder aufgelöster Form werden
in ihre Bestandteile zerlegt, indem die Affinitäten der letzteren sich in ungleich-
FJektrvmotnr
Elektrolyse nach Faraday.
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ELEKTROCHEMISCHE ANALYSE.
67rf
namige Elektricitäten umsetzen. Solche durch deu Strom zerlegbare Verbindungen
nannte Faraday Elektro lyte, den ganzen Vorgang Elektrolyse. Die Zer-
setzungsproducte heissen Jonen, und zwar das elektropositive Kation, das elektro-
negative A n i o n. Die unterbrochenen, in den Elektrolyt eintauchenden Enden des
Schüessungsbogens heissen Elektroden, und zwar das positive, vom Kupferpole
hergeleitete, an welchem das negative Anion (aus dem Wasser der Sauerstoff)
sich abscheidet, die Anode, die negative vom Zinkpole kommende, das posi-
tive Kation (den Wasserstoff) anziehende, die Kathode. Schematisch stellt dies
Fig. 107 dar.
Feste und manche nicht leitende flüssige Verbindungen sind keine Elektrolyte.
Die Ausscheidung der Jonen erfolgt im Verhältnisse ihrer chemischen Valenzen
und die Menge der ausgeschiedenen Substanz entspricht einer bestimmten Grösse
elektromotorischer Kraft, so dass die eine an der andern gemessen werden kann.
In der That beruht die Berechnung der Stromstärke in einer Classe von Galvano-
metern, den sogenannten Voltametem, auf Messung des in der Zeiteinheit, 1 Minute,
ausgeschiedenen Volumens Wasserstoff bei 0° und 760 mm Barometerdruck. Das
Gewicht der abgeschiedenen Jonen würde gleichfalls im chemischen Valenzverhält-
niflse zu demjenigen des im Elektromotor aufgelösten Zinks stehen, wenn nicht ein
Theil der Elektricität durch Widerstände in der Leitung in eine andere Form der
Energie, meist Warme, übergeführt würde. Es kommt daher in der Zersetzungszelle
nur diejenige Elektricitätsiuenge zur Wirkung , welche nach Abzug der Leitungs-
widerstände nachbleibt.
Auf diesen Grundprincipien der Elektrolyse beruhend, ist die elektro-
chemische Analyse entstanden. Es wird durch dieselbe die zu trennende
Jone, um deren Bestimmung es sich handelt, vollständig in einer wägbaren oder
messbaren Form abgeschieden. Das correcte Gelingen setzt aber voraus, dass nicht
während der Daner des Stromes oder nach Beendigung der elektrischen Ein-
wirkung die ausgeschiedenen Substanzen in der früheren oder anderer Weise neue
Verbindungen eingehen. Gegen diese Eventualität muss der Arbeitende durch die
richtige Wahl und Kenntnis« der Stoffe und der Lösungsmittel sich sicherstellen.
Es können z. B. keine leichten, das Wasser zersetzenden Metalle, bei Gegenwart
einer Säure keine Metalle aus der Zinkgruppe vollständig ausgeschieden werden,
da sie sich sogleich wieder lösen würden. Am besten eignen sich zur Bestimmung
der Metalle die Bioxalate derselben , bei welchen die sich abscheidende Kleesäure
sich sogleich vollstfindig zu Kohleusäure oxydirt.
Die Ausscheidung des Metalles erfolgt in wenigen Füllen lose, sondern meist
auf der Kathode festsitzend. Letztere wird vor und nach dem Processe gewogen,
die Differenz ergibt das gesuchte Metall. Die Elektrode besteht aus einem blank
polirten edlen Metalle, Gold oder Platin, in Gestalt einer den Elektrolyt aufnehmen-
den Schale, einer in denselben eingetauchten Scheibe, einer Spirale, einer Ruthe,
eines Ringes, eines Trichters, je nach der Menge des Elektrolyten und der Gestalt
des Gefässes. Dieselben sind leicht mit der Leitung zu verbinden und zu entfernen
und nach dem Wägen vollständig von der Jone zu befreien. Bei den meisten Metallen
geschieht dieses durch Lösen in einer geeigneten Säure, beim Quecksilber durch
Ausglühen.
Sehr ungleich und für den Arbeitenden der Erfahrung und Anleitung bedürftig ist
die erforderliche Stromstärke für die Abscheidung der verschiedenen Metalle. Es müssen
daher Batterien verschiedener Art uud Vorrichtungen zum Messen der Stromstärke vor-
handen sein. Für schwache Ströme empfehlen sich die sehr constanten Batterien von
Meidixger und diejenigen von Leclaxche, für stärkere Ströme die Elemente von
Bunsex oder von Grove. Auch werden die neuen thermoelektrischeu, mit Leuchtgas
erhitzten Elemente verwendet. Für grossen Betrieb eignen sich die nicht Jedem zugäng-
lichen elektrodynamischen Maschinen. Wo die uöthige elektromotorische Kraft geboten
ist, welche beliebig getheilt werden kann, und die übrigen Apparate in ausreichender
Zahl vorhanden sind, können Dutzende von Analysen gleichzeitig gemacht und
Koal-Encyolop&dle der gea. Pharmade. III. 43
674 ELEKTROCHEMISCHE ANALYSE. — ELEKTROCHEMISCHE THEORIE.
überwacht werden. Bei richtiger Anordnung sind Fehler kaum möglich und der
Strom besorgt die Arbeit in viel kürzerer Zeit, als die mühsamen chemischen
Fällungsanalysen zum Ziele fahren. Es ist nicht nur eine Ausscheidung einzelner
Stoffe in eben beschriebener Weise, sondern auch die Verwendung der Elektrolyse
als Hilfsmittel zu Trennungen in den complicirtesten directen und indirecteu chemi-
schen Analysen ausführbar. Das Nähere s. in „Quantitative chemische Analyse
durch Elektrolyse" von Dr. Alexander Classen, Berlin 1886. Gänge.
Elektrochemische Theorie. Die elektrochemische Theorie hatte sich zur
Zeit ihrer Aufstellung durch Berzeliüs einer bedeutenden Aufnahme zu erfreuen,
da sie sich mit den bis damals beobachteten chemischen Erscheinungen leicht in
Einklang bringen Hess und zum ersten Male durch sie ein einheitliches System
geschaffen worden war, dem man die zur Zeit bekannten Elemente einzuverleiben
vermochte. Berzeliüs nahm an, dass in jedem Atom die zwei entgegengesetzten
Elektricitäten vorhanden seien, dass aber die eine die andere bezüglich der Quan-
tität der Art überwiege, dass jedes Atom (und somit auch ein aus mehreren
Atomen bestehender Complex) entweder elektropositiv oder elektronegativ erseheine
und ordnete darnach die Elemente in einer Reihe an, so dass jedes Element gegen
das vorhergehende elektropositiv erschien, welche Reihe als „Spannungsreihe" be-
zeichnet wurde. Die einzelnen Atome vereinigten sich zunächst zu Verbindungen
erster Ordnung, und durch Zusammentreten einer positiven Verbindung erster
Ordnung mit einer negativen dergleichen entstanden sodann Verbindungen zweiter
Ordnung.
Diese Theorie bildete die Grundlage für die dualistische Auffassungsweise, nach
welcher z. B. das Kaliumsulfat als eine Verbindung von Kali KO (positiv) mit
Schwefelssure SO«, (negativ) — KO,S03 — oder der Alkohol als eine Verbindung
von Wasser HO mit Aether C4 H6 0 — C4 H5 0, HO — angesehen wurde.
Die Thatsache indess, dass man in Verbindungen Wasserstoff durch das stark
elektronegative Chlor ersetzen konnte, ohne den Charakter der Verbindung in
ihren wesentlichen Eigenschaften erheblich abzuändern (z. B. Ersetzung des Wasser-
stoffs der Essigsäure durch Chlor unter Bildung von Chloressigsäuren), gab der
dualistischen Theorie den Gnaden stoss und führte zur Aufstellung der Substitutions-
theorie (s. Chemie).
Mit dem Dualismus kam auch die elektrochemische Theorie selbst in Ver-
gessenheit, indessen ist zu bedenken, dass Berzeliüs selbst von seiner Theorie
kaum eine andere Anwendung machte, als die zur Eintheilung der Elemente in
elektronegative und -positive und ist zu bewundern , dass diese Eintheilung im
Grossen und Ganzen von der heutzutage mit besseren Hilfsmitteln auf Grund
exaeterer Messungen aufgestellten Reihe nicht allzu sehr abweicht. Die von Berze-
liüs gegebene Eintheilung der Elemente, bei der allerdings H und C zu weit
nach der negativen Seite Platz gefunden haben, ist die folgende:
Elektronegative : 0, S, N, F, Cl, Br, J, 8e, P, As, Cr, V, Mo, B, C, Sb, Te, Ta,
Ti, SL
Elektropositive : Au, Os, Jr, Pt, Rh, Pd, Hg, Ag, Cu, U, Bi, 8n, Pb, Cd, Co, Ni, Fe,
Zn, Mn, Ce, Th, Zr, AI, Y, G, Mg, Ca, Sr, Ba, L, Na, K, H.
Wenn es schon sehr verdienstlich ist, eine Zusammenstellung der Elemente be-
züglich ihrer elektrischen Eigenschaften zu schaffen, so ist doch zu bedenken, dass
dieselbe für theoretische Speculationen eine zu ungenaue Grundlage bietet, indem
für ein Studium des elektrischen Verhaltens der Elemente die absolute Reinheit
derselben erste Bedingung ist, eine Bedingung, die noch jetzt äusserst schwer —
damals natürlich noch weniger — erfüllt werden konnte.
Eine Tabelle, welche — soweit es die jetzigen Kenntnisse gestatten — das
elektrische Verhalten der einzelnen Elemente gegen einander zugleich unter Be-
rücksichtigung ihrer Zusammengehörigkeit in Familien darlegt (entnommen aus
Loth. Meyer, Moderne Theorien der Chemie, 5. Aufl., pag. 549) ist im Folgenden
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ELEKTROCHEMISCHE THEORIE. — ELEKTRODYNAMIK. 675
wieder gegeben; die Spitze der Pfeile ist stets gegen das positivere Element
gerichtet.
Li 4 — Bö ^ — B -f- C 4 — N 4 — 0
+ i * t + +
(P) >► Na 4 Hg 4 AI Si 4 P 4 S -< Cl
4-4- 4-4-4-4-
(Cl) >- K 4 Ca 4 Sc ^_ Ti V ^- Cr >► Mn 4 Fe ^-Co^-Ni^-
(Ni)
(Br).
4^^^^ ^^^^
>- Zn -4-6« — 4 As ^ Se4 Br — 1> |
^ T f yr II \~
Rb *<-|- Sr 4-|- Y -4— Zr 4 Nb j Mo j — Ru Rh4-Pd
Ag Cd 4- In Sn 4 Sb4^-Te4 J y
4^- Ba ^<^-La Ce«<^- Ta 4^-W — Os ->Ir->-Pt->-
(Pd)
(J) ► Cs
(Pt) y Au y Hg Tl 4- Pb
— — Th — Ü
Obgleich bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse Specnlationen Uber
den Zusammenhang der elektrischen Erscheinungen mit dem chemischen Verhalten
der Elemente verfrüht ergeheinen, so ist doch das Bestehen eines solchen
Zusammenhanges nicht zu leugnen, unzweifelhaft steht jedenfalls die Elek-
tricität mit der als Affinität bezeichneten Eigenschaft der Elemente in naher
Beziehung und hat noch jetzt die von H. Davy ausgesprochene Ansicht, dass Körper,
wenn sie vermöge ihrer kleinsten Theilcben wirken, chemische Erscheinungen her-
vorbringen, wenn sie dagegen als Massen wirken, elektrische Wirkungen äussern
— dass also diese beiden verschiedenen Erscheinungen durch eine und die-
se 1 b e Kraft erzeugt werden — die grösste Wahrscheinlichkeit. Ehrenberg.
Elektroden (6o\S; , Weg) nennt man nach Faraday jene beiden Stellen der
Leitung eines galvanischen Stromes, durch welche er in einen zersetzbaren Körper,
Elektrolyten (s. Elektrolyse), eintritt und ihn verlässt. Jene Stelle, welche mit
dem positiven Pol der Stromquelle in Verbindung steht, bezeichnet man als Anode
(ivi, hinauf), die mit dem negativen Pol verbundene als Kathode (xxtx,
hinunter). Diese Namen finden ihre Erklärung in dem Umstand, dass man sich den
Strom von Ost nach West verlaufend und mit der Sonne auf- und absteigend dachte.
Als Elektroden bezeichnet man auch zwei solche Leiter, zwischen welchen eine
elektrische Funkenentladung stattfindet.
Für ärztliche Zwecke werden den Elektroden, das heisst jenen Leitertheilen, durch
welche der elektrische Strom in den menschlichen oder thierischen Körper zu- und
abgeleitet wird, je nach der beabsichtigten Wirkung sehr verschiedene Formen ge-
geben. Zumeist bestehen sie aus geraden oder schwach gekrümmten Metallstäben
an isolirenden Griffen und besitzen verschiedene Ansätze, wie abgerundete Spitzen,
Knöpfe und Oliven, die zur Vermeidung der Oxydation mit dünnen Platinplättchen
belegt sind. Sie werden gewöhnlich mit feinem Schwamm überzogen und vor dem
Gebrauch in warmes Wasser getaucht, damit der Strom auf seinem Wege einen
möglichst kleinen Widerstand findet. Auch lange, spitze Nadeln, Zangen und Pinsel
aus feinen Silber- oder Goldfäden dienen in bestimmten Fällen als Elektroden.
Unter unpolarisirbaren Elektroden, wie sie namentlich bei physiologischen
Versuchen, z. B. der Prüfung thierischer Gewebe auf Elektricitätsentwicklung, in
Verwendung kommen müssen, versteht man solche, bei deren Gebrauch durch das
Anlegen der elektrolytischen Zersetzungsproducte keine dem angewendeten Strom
entgegenwirkende, also ihn schwächende elektromotorische Kraft auftritt. Unpolarisir-
bar sind nach den Versuchen Ddbois-Reymond's nur Elektroden ausamalgarairtem
Zink in Lösungen von schwefelsaurem Zinkoxyd oder von Chlorzink. Pituch.
Elektrodynamik, s, induetion.
43*
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676
ELEKTROLYSE.
Elektrolyse (Xusi;, Lösung, Scheidung) ist die Zersetzung flüssiger, chemisch
zusammengesetzter Körper durch den elektrischen Strom. Die auf diesem Wege
zersetzbaren Körper nennt man Elektrolyte ()vur6;, lösbar). Um die Zer-
setzung eines Elektrolyten einzuleiten , schaltet man ihn zwischen zwei von den
Polen einer hinreichend starken Stromquelle kommende Drähte ein. Hierbei
scheiden sich die Bestandteile de« zersetzten Körpers nur an der Ein- und
Austrittsstelle des elektrischen Stromes, den Elektroden (ö86$, Weg) ab, während
die zwischen ihnen befindliche Substanz unverändert ihre Zusammensetzung bewahrt.
Die ausgeschiedenen Bestandteile bezeichnet man als Ionen (iov, wandernd), und
zwar den an der Eintrittsstelle des Stromes, der Anode (s. Elektroden), das
Anion, den an der Austrittsstelle, der Kathode, abgeschiedenen das Kation.
Da sich das Anion an der positiven, das Kation an der negativen Elektrode ab-
scheidet , von elektrischen Körpern aber sich die ungleichnamig elektrischen an-
ziehen, nennt mau auch das erste den elektronegativen, das zweite den
elektropositiven Bestandtheil des Elektrolyts. Die elektrolytische
Fig. 108.
Leitung des elektrischen Stromes, bei welcher stets eine Zersetzung des Leiters
erfolgt , steht im Gegensatz zur metallischen Leitung, bei welcher dies nicht der
Fall ist. In flüssigen, chemisch zusammengesetzten Körpern findet nie eine Leitung
des elektrischen Stromes ohne Zersetzung statt. Anderseits ist die flüssige, durch
Schmelzen oder Lösung erzielte Form des Elektrolyten eine für die Zersetzung
nothwendige Bedingung.
Was die zur Elektrolyse verwendeten Apparate anbelangt, bedient man sich
nach G. WiKhKMANN für Lösungen mit Yortheil zweier neben einander stehender,
mit Glasplatten bedeckter, eylindriseher Gefässe a, at (s. Fig. 108), in deren
jedes eine Platinelektrode c und c,, die an den Platindrähten i t\ befestigt sind,
hineinragt. Aus dem Innern der Gefässe führen die Röhren d e und dx ex nach
aussen und sind unter einander durch das Querstück f verbunden , das an dem
Ständer h befestigt ist und eine Ausaugröhre mit Hahnverschluss g besitzt Nach-
dem die zu untersuchende Flüssigkeit in die Getässe gebracht wurde, saugt man
bei g auch das Röhreusystem voll und versehliesst dann den Hahn. Eine Ver-
mischung der Flüssigkeiten bei der Elektrolyse ist durch die Form der Röhren
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ELEKTROLYSE.
U77
vollkommen ausgeschlossen. Nach Beendigung des Versuches fallt dann die Flüssig-
keit beim Oeffnen des Hahnes wieder in die Gefässe zurück, deren Inhalt nun-
mehr chemisch geprüft werden kann. Der Apparat erfordert wegen seines grösseren
inneren Widerstandes anch eine Stromquelle von grösserer Intensität , nämlich
ungefähr zehn bis zwölf DANIELL-Elemente.
Zum Auffangen gasförmiger Zersetzungsproducte dient der in Fig. 10!* darge-
stellte Apparat. Der Elektrolyt befindet sich in dem flach cylindrischen Glasgefäss
A, welches mittelst eines gestielten Kreisringes von einem Stativ getragen wird.
An einem Querstab desselben Stativs hängen auch die beiden cylindrischen Röhren
h und o und stülpen sich über je eine der Platinelektroden, zu welchen durch den
Boden des Gefässes A die Zuleitungsdrähte f und fx führen. Die Auffaugröhren,
in welche die bei der Zersetzung
Fig. M».
an den Elektroden auftretenden
Gase aufsteigen, müssen natür-
lich vor Beginn des Versuches
vollständig mit der zu untersu-
chenden Flüssigkeit gefüllt sein.
Die für die Versuche mit
geschmolzenen Substanzen an-
zuwendenden Apparate richten
sich nach den speciellen Eigen-
schaften derselben, so dass sich
etwas Allgemeines in dieser
Richtung nicht sagen lüsst.
Das Grundgesetz der Elek-
trolyse wurde im Jahre 1833
von Faraday aufgefunden, wel-
cher auch die oben angeführten
Bezeichnungen aufgestellt hat.
Das von ihm entdeckte Gesetz
lautet : Durch denselben galva-
nischen Strom werden in glei-
chen Zeiten äquivalente Menden
der Elektrolyte zersetzt, wobei
die Quantitäten der aus ihnen
an beiden Elektroden abge-
schiedenen Stoffe gleichfalls im
Verhältniss ihrer Aequivalent-
gewichte stehen. Dieses Gesetz
gilt ebenso wie für geschmol-
zene auch für gelöste Substan-
zen und im letztgenannten Fall
spielen sich die Vorgänge gerade so ab, als ob nur die gelöste Substanz allein
vom Strom durchflössen würde.
Ob ein Körper ein Elektrolyt ist oder nicht, lässt sich im Allgemeinen nicht
von vornherein bestimmen, doch bietet in manchen Fällen die chemische Zusammen-
setzung Anhaltspunkte für eine solche Entscheidung. Dies tritt bei den sogenannten
binären Verbindungen mit metallischen Basen ein, wofür einige Beispiele ange-
führt werden sollen. Wasser ist in vollkommen reinem Zustand kein Leiter des
elektrischen Stromes, wird es aber durch Zusatz einiger Tropfen Schwefelsflure.
Sofort erfolgt auch durch den Strom die Zersetzung, bei welcher sich an der Anode
Sauerstoff, an der Kathode Wasserstoff abscheidet, so dass für je neun Gewichtstbeile
zersetzten Wassers ein (iewichtstheil Wasserstoff und acht Gewichtstheile Sauerstoff
auftreten. Die Wasserzersetzung wurde zuerst im Jahre 1800 von Carlisle und
Nicholson beobachtet. Bei der Zerlegung concentrirter Lösungen von Chlor-, Br<»in-
und Jodwasserstoffsäuren erscheinen Chlor, Brom und Jod am positiven, Wasser-
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0 78
ELEKTROLYSE.
8t off am negativen Pol, so dass einem GewichtstheÜ Waaseretoff respeetive 35.4,
79.7, 126.5 Gewich tetheile ausgeschiedener Substanz am positiven Pol entsprechen.
Auch die ChlorUre, Bromüre, Jodüre und Oberhaupt im Allgemeinen die Verbindungen
eines Metalloides mit einem Metalle sind im geschmolzenen oder gelösten Zustand
Elektrolyte. Bei ihrer Zersetzung scheiden sich die Metalloide an der Anode, die
Metalle an der Kathode aus. In ganz ähnlicher Weise verhalten sich die Oxyde.
Sauerstoff geht an die positive, Metall an die negative Elektrode
Nach demselben Schema zerlegen sich auch die Salze der mineralischen Sauren,
indem das Metall an der negativen, die Säure im Verein mit Sauerstoff an der
positiven Elektrode auftritt. Hiernach liefert beispielsweise die Elektrolyse des
schwefelsauren Kupferoxyds Kupfer an der Kathode, wasserfreie Schwefelsäure
nebst Sauerstoff an der Anode. Nach dem Vorgange Davy's denkt man sich näm-
lich die Salze als binäre Verbindungen eines Metalles mit einem Radical , weleh
beide Bestandtheile der Strom scheidet. Im vorliegenden Fall zerlegt also der
Strom die ursprüngliche Verbindung 2(Cu804) in Cua und 2(S04) = 2 (S08) + Oa.
Auch die früher angeführte sogenannte Wasserzersetzung gehört eigentlich in diese
Kategorie von Elektrolysen, denn reines Wasser ist, wie schon angegeben, kein
Elektrolyt, sondern erst in seiner Verbindung mit Schwefelsäure, also in der Zu-
sammensetzung 2 (Ha SO*), in welcher Wasserstoff als Metall gilt. Bei der Zer-
legung tritt das Metall 2Ha an der negativen Elektrode, das Radical 2(80,) an
die positive Elektrode, wobei es, da es nicht frei bestehen kann, in 2 (SOs), das
in der Lösung bleibt, und Os, das entweicht, zertällt.
Nach Hittorf sind Elektrolyte alle Substanzen , die ihre Bestandtheile durch
doppelte Wahlverwandtschaft mit den Bestandteilen binärer, ans zwei Elementen
bestehenden Verbindungen austauschen können, eine Regel, die jedoch einige Aus-
nahmen zulässt.
Das Verhalten der Verbindungen von Metalloiden unter einander ist ein be-
deutend complicirteres und lässt sich nicht unter bestimmte Regeln bringen. Viele
dieser Verbindungen, wie z. B. Chlorschwefel, Schwefelkohlenstoff, Schwefelsäure-
anhydrit, sind überhaupt keine Elektrolyte.
Was die organischen Verbindungen anbelangt, so gelten zur Entscheidung über
ihre Zersetzbarkeit und über die Bestandtheile, in welche sie zerfallen, alle för
anorganische Verbindungen aufgestellte Regeln, insoweit dieselben ihrer Natur nach
auf diese Weise übertragen werden können. Insbesondere scheidet sich also l»ei
der Verbindung einer organischen Säure mit einem Metall das letztere an der
Kathode aus, während das Säureradical sich an die Anode begibt und in seine
weiteren Bestandtheile zerfällt.
Die Elektrolyse geht übrigens in den seltensten Fällen so einfach vor sich,
wie dies bei den besprochenen Zersetzungen angenommen wurde. Die Verhältnisse
compliciren sich bedeutend durch die sogenannten secundären Processe, welche
sich in Folge der Wechselwirkung zwischen den ausgeschiedenen Bestandteilen,
den Elektroden und der noch unzerlegten Substanz abspielen. Der primäre Process
der Zerlegung geht aber auch in solchen Fällen vollständig unabhängig von den
Veränderungen vor sich, welche die Ionen nach ihrer Abscheidung erleiden und
verursachen mögen. Die Hauptursachen dieser secundären Processe sind folgende.
In erster Linie oxydirt der an der Anode auftretende Sauerstoff alle oxydirbaren
Substanzen Reiner Umgebung, sei es die Elektrode, seien es die Zersetzungs-
produete , mit welchen er gleichzeitig auftritt , oder die Lösung selbst. So löst
sich bei der Elektrolyse des schwefelsauren Kupferoxydes unter Anwendung einer
Kupferkathode letztere durch die Einwirkung des an ihr abgeschiedenen Sauer-
stoffes und Schwefelsäureanhydrits allmälig zu schwofelsaurem Kupferoxyd auf,
so dass der elektrolytische Process sich auf einen Transport einer bestimmten
Metallmenge von der Anode zur Kathode zu beschränken seheint , wobei der
Elektrolyt nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Zuweilen zerlegt das an der
negativen Elektrode ausgeschiedene Metall das Wasser der Lösung. So tritt z. B.
bei der Elektrolyse von Jodkalium an der Kathode an Stelle des Kaliums Wasser-
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ELEKTROLYSE.
679
stoff auf, der von der Zersetzung des Wassers durch das ausgeschiedene Metall her-
rührt, wobei Kali in, Lösung übergeht. Bei der Wasserzersetzung absorbiren Kathoden
ans Platin oder Palladium sehr beträchtliche Mengen des auftretenden Wasserstoff-
gases, Platin das acbtzigfache, Palladium das sechshundertfache seines Volumens.
Lässt man eine und dieselbe elektrolytische Substanz dnrch verschieden starke
8tröme, deren Intensität nach ihren magnetischen Wirkungen gemessen werden,
während gleicher Zeit zersetzen, so ist die Gewichtsmenge der zersetzten Substanz
oder eines der Ionen der Stromstärke proportional. Man kann also die Stärke
eines elektrischen Stromes auch nach der Gewichtemenge beurtheilen , die er in i
bestimmter Zeit von einem geeigneten Elektrolyten zersetzt, oder nach der Ge-
wichtsmenge eines der Ionen, welches er in dieser Zeit ausscheidet oder, wenn
das Ion gasförmig ist, auch nach dem Volumen, das es bei 760 mm Quecksilber-
druck und der Temperatur von 0 Graden einnimmt. Als Stromeinheit gilt dann
die Intensität jenes Stromes , welcher in der Zeiteinheit die Gewichtseinheit, eines
Elektrolyten zersetzt, oder welcher in der Zeiteinheit die Gewichtseinheit respective
Volumeinheit eines Ionen abscheidet. Eine solche Einheit nennt man eine
ohemische Einheit der Stromstärke. Die am häufigsten angewendeten
Arten einer derartigen Strommessung sind die Elektrolyse von angesäuertem Wasser,
von Silbersalzen und schwefelsaurem Kupferoxyd.
Bei der Elektrolyse von zwei Substanzen in einer Lösung zertbeilt sich nach
den Versuchen von Hittorf der Strom zwischen beiden Substanzen nach Mass-
gabe ihres elektrischen Leitungsvermögens, und beide Substanzen werden dann
nach Massgabe jenes Stromtheiles zerlegt, welcher sie durchsetzt. Natürlich werden
auch hier wieder die einfachen primären Vorgänge auf vielfache Weise von sccun-
dären Processen beeinflusst, durch welche an den Elektroden ganz andero Sub-
stanzen erscheinen können, als der reinen Elektrolyse entsprechen.
Eine die Elektrolyse begleitende Nebenerscheinung ist die sogenannte Wan-
derung der Ionen, vermöge welcher die Concentration der Lösung des Elek-
trolyts während der Zersetzung an der Kathode ab-, an der Anode aber zunimmt.
Ueber die elektrolytischen Vorgänge iu der galvanischen Kette s. Elemente,
galvanische und Galvanisraus.
Durch Elektrolyse erklären sich auch manche merkwürdige Vorgänge. So ent-
wickelt sich Wasserstoffgas, wenn man ein Gemenge von Eisen- und Kupferspänen in
Wasser wirft. Durch Aneinanderlegen derselben entstehen nämlich kleine galvanische
Elemente, deren Ströme das Wasser zersetzen. Ebenso ist die Auflösung des käuf-
lichen Zinkes in Schwefelsäure ein elektrolytischcr Process, der bei chemisch reinem
Zink nicht eintritt. Die zwischen dem Zink und seinen Vereinigungen entstehenden
elektrischen Ströme scheiden bei der Zerlegung der Schwefelsäure am Zink Sauer-
stoff und Schwefelsäureanhydrit ab, wodurch die Auflösung zu schwefelsaurem
Zinkoxyd erfolgt. Durch Amalgamirung des Zinkes wird dieser Process verhindert,
indem an der amalgamirten, gleichförmig gemachten Oberfläche solche Ströme sich
nicht bilden können. Auf Elektrolyse beruht auch die Fällung eines Metalles
aus den Lösungen seiner Salze durch ein anderes Metall. An einem Eisenstab
z. B., der in eine Lösung schwefelsauren Kupferoxydes getaucht wird, bilden sich
infolge der Ungleichartigkeiten an seiner Oberfläche kleine Elemente, deren Ströme
die Lösung zersetzen und Kupfer am Eisen niederschlagen. Dieser Niederschlag
bildet mit dem Eisen neuerdings ein Element, dessen Ströme Kupfer niederschlagen,
Eisen aber gleichzeitig auflösen. Bedingung für den Eintritt einer solchen Fällung
ist , dass die eingetauchten Metalle elektropositiver als die gelösten sind , damit
die augenblicklich niedergeschlagenen Metalltheile bei den hierdurch neugebildeten
galvanischen Elementen für die weitere Zersetzung die Kathode bilden, an welcher
der weitere Metallniederschlag erfolgt.
Eine alle Details der Elektrolyse umfassende Theorie derselben gibt es noch
nicht. Die gegenwärtig am meisten verbreitete Theorie, welche wenigstens über
die Haupterscbcinungen der chemischen Stromwirkung Rechenschaft ablegt, nimmt
an, dass, wie beim Contacte zweier verschiedenartiger Körper, so auch bei der Be.
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680
ELEKTROLYSE..
rührung der kleinsten Theilchen der Substanzen die entgegengesetzten Elektrici-
täten geschieden werden. Dnrch das Einsenken der Elektroden in den Elektrolyten
tritt eine derartige Richtung aller seiner Theilchen ein, dass sich die positiv elek-
trisch geladenen gegen die negative Elektrode , die negativ geladenen gegen die
positive kehren. So kehren sich beispielsweise bei der Elektrolyse von Chlornatrium
die negativ geladenen Chlortheilchen (s. Fig. 110) gegen die Anode, die positiv
geladenen Natriumtheilchen gegen die Kathode. Ist nun die Anziehungskraft, welche
die Elektroden auf die ihnen gegenüberstehenden, ungleichnamig elektrischen Theil-
chen ausüben, grösser als jene Kraft , mit welcher je zwei Theilchen zusammen-
halten, so tritt eine Trennung ein. In dem gewählten Beispiel scheidet sich also
Chlor an der einen, Natrium an der anderen Elektrode unelektrisch ab. Die hier-
durch an beiden Seiten der betrachteten Molekülreihe frei gewordenen, entgegen-
gesetzt elektrischen Bestandtheile wirken nun zersetzend auf die angrenzenden
Moleküle ein und vereinigen sich mit dem entsprechenden Bestandteil derselben,
ein Process, der sich so lange fortsetzt, bis die ganze Reihe dieselbe Zusammen-
setzung wie früher, aber ein Theilchen weniger zeigt, an dessen Stelle aus der
übrigen Flüssigkeit ein anderes eintritt. Nachdem die neue Reihe sich wieder
orientirt hat , geht die weitere Zersetzung genau in derselben Weise vor sich wie
früher. Da bei der Zersetzung jedes Moleküls eine bestimmte Elektricitätsnienge,
die zur Neutralisation des elektrischen Zustandes der getrennten Theilchen ver-
wendet wurde, von den Elektroden abfliegst, so können in demselben Verhältnis,
in welchem die in gleichen Zeiten den Elektroden zuströmenden Elektrieitäts-
mengen sich vergrössem, auch mehr Moleküle zersetzt werden, d. h. das Gewicht
des in gleichen Zeiten zerlegten Klektrolyten ist dor Stromstärke proportional.
Fig. lio.
In dieser Theorie bildet der Umstand eine Schwierigkeit, das« nach ihr eine
Zersetzung erst dann eintreten würde, wenn die von den Elektroden ausgehende
Wirkung eine gewisse Grenze überschreitet, nämlich grösser wird als die Kraft,
mit welcher die Theilchen zusammenhängen. Andererseits zeigt aber die Erfahrung,
dass auch schon der schwächste Strom die ihm entsprechende Wirkung ausübt.
Um diese Schwierigkeit zu umgehen, nimmt Clausius an, dass in jeder Flüssig-
keit sich die Theilchen in verschiedenster Weise aneinander vorbei bewegen und
aneinanderstosseu, wobei sich bei zusammengesetzten Körpern die Bestandtheile
der einzelnen Moleküle nianuigfach unter einander austauschen. Die Flllssigkeits-
theilchen befinden sich daher m einem Zustand beständiger Zersetzung und Neu-
verbindung. Taucht man nun Elektroden in die Flüssigkeit, so wird die Bewegung
der Theilchen, die früher nach allen Richtungen gleichmässig vor sich ging, derart
modificirt , dass die positiv geladenen Theilchen sich leichter gegen die Kathode,
die negativ geladenen gegen die Anode bewegen. Im Innern der Flüssigkeit ver-
binden sich je zwei in solcher Weise befreite Ionen, die sich bei ihrer entgegen-
gesetzt gerichteten Bewegung treffen, zu einem Flüssigkeitsmolekül, an der Kathode
aber findet ein sich bewegendes Kation kein entgegenkommendes Anion und ebenso
an der Anode das Anion kein Kation, so dass beide frei an den Elektroden auf-
treten. Da eine solche Richtung der Bewegung schon bei der geringsten elektri-
schen Einwirkung stattfinden muss. erklärt es sich , warum schon der schwächste
Strom eine seinsr Intensität entsprechende Wirkung ausübon wird.
Ausser in der Chemie, in welcher ja die Alkalimetalle durch Elektrolyse ent-
deckt wurden, findet die Elektrolyse auch im technischen Leben bei der Galvano-
plastik, beim Vergolden. Versilbern, Vernickeln von Gegenständen und bei der
Trennung der Metalle von ihren Uureinigkeiten eine ausgedehnte Anwendung. In
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ELEKTROLYSE. — ELEKTROMETER.
681
der Chirurgie bietet sie Hilfsmittel zur Beseitigung von Geschwülsten, Geschwüren,
Exsudaten und Stricturen. Pitsch.
Elektrometer (f/irpov, Maass) ist ein Apparat, welcher die Messung der Inten-
sität elektrischer Kräfte gestattet. Alle solche Apparate stimmen darin überein,
dass den zu messenden elektrischen Kräften durch andere, deren Intensität leicht
ermittelt werden kann, wie die Schwere, die Tor-
sionskraft eines feinen Drahtes oder die Richtkraft
eines Magnetes, das Gleichgewicht gehalten wird.
Die früher üblichen Oonstructionen solcher In-
strumente, wie die von Dellmann, Riess u. A.
sind jetzt zumeist durch das THOMSON'sche Q u a-
drantenelektrometer und seine vielfachen
Modificationen verdrängt.
Die wesentlichen Bestandtheile dieses Apparates
sind die Quadranten A, Ä , B, B' (s. Fig. 111),
welche in der aus der Zeichnung ersichtlichen
Weise ein merkwürdig geformtes Sckeibchen G G
umschliessen. Die Quadranten sind die vier Theile
einer durch zwei Schnitte vollständig getheilten, cylindrischen Metallbüchse. Je zwei
aneinander grenzende Quadranten siud von einander isolirt, je zwei gegenüber-
liegende, also A Ä und B B1 leitend verbunden. Die Scheibe C C besteht aus zwei
durch die zogehörigen Durchmesser zusammengehaltenen Stücken eines Kreisringes
und schwingt derartig an einem im Mittelpunkte befestigten feinen Drahte, dass
ihre Ebene stets parallel zu der oberen und unteren Begrenzungsfläche der Büchse
und genau in der Mitte zwischen beiden bleibt. C C steht nun mit der inneren
Belegung einer sehr stark geladenen Leydenerflasche, die gleichzeitig dem ganzen
Apparat als Gehäuse dient, in leitender Verbindung und ist auf diese Weise stark
elektrisch geladen. Trotz dieser Ladung bleibt die Scheibe in Ruhe, wenn sie genau
symmetrisch zu den Quadranten liegt und diese keine Ladung besitzen. Zur
Untersuchung des elektrischen Zustande» eines Körpers verbindet man denselben
mit dem einen Quadrantenpaar, während man das andere leitend mit der Erde
verbindet, um es von elektrischer Spannung frei zu halten. 8ogleich dreht sich
die Scheibe CG zum grösseren Theil in die geladenen oder nicht geladenen Qua-
dranten, je nachdem die Ladung dieser letzteren, also auch jene des untersuchten
Körpers, mit der Scheibenladung ungleichnamig oder gleichnamig ist. Diese Drehung
währt so lange, bis die hierdurch bewirkte rückdrehende Kraft des Metallfadens,
an welchem die Scheibe schwebt, der ablenkenden Kraft das Gleichgewicht hält.
Das zurückdrehende Moment des Fadens ist abor dem Drehungswinkel proportional.
Die beobachtete Ablenkung der Scheibe aus ihrer Gleichgewichtslage, eine Grösse,
welche mittelst Spiegelablesung bestimmt wird , gibt also über die Intensität des
untersuchten elektrischen Zustandes Aufschlug». Ebenso lässt sich aus der Ab-
lenkung der Scheibe aus der Ruhelage ein 8chluss auf den Unterschied in der
elektrischen Ladung zweier Körper ziehen, wenn man jeden mit je einem Quadranten-
paar verbindet. Was die Details des Apparates anbelangt, müssen wir auf die in
allen grösseren Lehrbüchern über Elektricität enthaltenen genauen Beschreibungen
desselben verweisen (s. z. B. Wirdemann, Lehre von der Elektricität; Wüllxer,
Experimentalphysik ; Müller-Poüillet, Physik).
Ein sehr eigentümliches Instrument ist das von Lippmann construirte Capi llar-
elektrometer, welches zur Messung sehr kleiner elektrischer Spannungsunter-
schiede oder elektromotorischer Kräfte (s. Elektricität) dient. Eine schema-
tische Zeiclmung dieses Apparates liefert Fig. 112. Eine beiderseits offene Röhre A,
die an einem Ende in eine capülare Spitze von ausserordentlich kleinem, innerem
Durohmesser ausläuft, wird mit Quecksilber gefüllt und vertical in ein cylindrisches,
mit zwei seitlichen Ansätzen versehenes Glasgefäss B so eingesenkt , dass die
Spitze nicht in das den Boden bedeckende Quecksilber eintaucht. Ueber dieser
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ELEKTEOMETKR. — ELEKTROPEOR.
Queeksilberschichte befindet sich verdünnte Schwefelsäure, die auch zum Theil in
die Capillarröhre hineinreicht und den Quecksilbermeniscus in derselben bespült.
Der Molekulardrnck an dieser stark gekrümmten Quecksilberoberfläche ist es,
der dem Druck der Quecksilbersäule in A das Gleichgewicht hält. Mit der
Quecksilberkuppe steht durch das Quecksilber in A der Zuleitungsdraht Ot
mit der Bodenschichte der Zuleitungsdraht D in
Verbindung. Zwischen diese Drähte wird die zu
messende elektromotorische Kraft eingeschaltet,
und zwar so, daas der negative Pol mit C
in Berührung tritt Die Messung gründet sich
auf die Veränderung, welche die Capillaritäts-
constante einer Quecksilberelektrode unter dem
Einfluss der galvanischen Polarisation erleidet.
Nach der Einschaltung der bezeichneten elektro-
motorischen Kraft wird für den Augenblick ein
elektrischer Strom entstehen, den aber sofort
die an den Elektroden auftretende Polarisation
compensirt. In Folge der hierdurch bewirkten
Aenderung der Capillaritätsconstante wird der
Meniscus sofort seine Stellung ändern, und zwar
bei der bezeichneten Schaltung emporsteigen.
Die Bewegung der Quecksilberkuppe beobachtet
man mittelst Mikroskops und Okularmikrometers,
das gegenüber der Spitze aufgestellt ist. Man
beobachtet aber nicht die Verschiebung der Kuppe,
sondern bringt den Meniscus durch Ausübung
eines Druckes auf die Quecksilberoberfläche in A
genau in seine frühere Lage und misst an einem
seitlich angebrachten Manometer F den hierzu
nothwendigen Druck, welcher der angewendeten
elektromotorischen Kraft proportional ist. Die
Ausübung des Druckes geschieht, indem man ein
Kautschukgefäss E, von dem ein Schlauch zum
Ende der Röhre A führt, mit einer schraubstock-
ähnlichen Vorrichtung // langsam zusammendrückt und so die Luft über dem
Quecksilberspiegel compriniirt.
Das Instrument kommt ausser bei vielen physikalischen auch bei manchen
physiologischeu Untersuchungen in Anwendung. Pttach.
Elektromotor, s. Dynamo elektrische Maschine, Bd. in, pag. 566.
Elektronegativ, s. Eiekt ropositi v.
ElektrophOT (eposetv, tragen) ist ein von Volta construirter Apparat zur Er-
zeugung von Elektricität. Er besteht aus einer an den Rändern gut abgerundeten
Blechschüssel , der Form, welche ein Harzkuchen, seltener eine Ebonitscheibe,
vollständig ausfüllt. Zur Herstellung eines solchen Harzkuchens erwärmt man ein
Geraisch harziger Bestandteile, z. B. gleicher Theile Colophonium und Schwarz-
pech , bis zum Schmelzen und giesst es dann in die Schüssel , worauf man sie
eine Zeit lang in einen mässig warmen Ofeu stellt, damit die in der Masse ent-
haltenen Luftblasen entweichen können und der Kuchen nach dem Erkalten eine
glatte Oberfläche darbiete. Weiters gehört noch zum Elektrophor der sogenannte
Deckel, eine Blechplatte von etwas geringerem Durchmesser als die Form und
mit gut abgerundeten Rändern. Mit Hilfe eines Glasstieles oder dreier Seiden-
fäden kann derselbe isolirt auf den Kuchen aufgesetzt und abgehoben werden.
Zum Gebrauch des Apparates reibt man den Kuchen mit einem Thierfell oder Wolle,
wobei er an der Oberfläche negativ elektrisch wird. Diese negativ elektrische Schichte
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ELEKTROPHOR. — ELEKTROSKOP.
6S3
wirkt durch Influenz auf die Bodenfläche der Schüssel ein, wodurch die angezogene
positive Elektricität derselben gegen den Kuchen hingezogen wird, während die ab-
gestossene negative durch die als leitend angenommene Unterlage des Elektrophors
in die Erde abfliegst, so dass die Bodenfläche ausschliesslich positive Elektricität
enthält. Die negative Elektricität der Oberfläche des Kuchens und die positive des
Bodens der Schüssel werden zwar durch die isolirende Substanz des Kuchens an
der Vereinigung gehindert, halten sich aber doch durch ihren gegenseitigen Zug
fest, so dass eine Zerstreuung in die Luft nur sehr langsam vor sich geht. Hierin
liegt der Grund, warum ein Elektrophor seine Elektricität lange Zeit hindurch
bewahren kann, eine Eigenschaft, von der er seinen Namen erhalten hat. Um
Elektricität zu erzeugen, legt man den Deckel auf die Oberfläche des Kuchens
und berührt hierbei ersteren ableitend mit dem Finger. Durch das Auflegen werden
nämlich die Elektricitäten im Deckel geschieden, die positive an die Unterseite
desselben gezogen und hier von der negativen des Kuchens festgehalten, während
die abgegossene negative des Deckels durch den Finger in die Erde entweicht.
Der Deckel zeigt sich nun positiv geladen, wenn man ihn isolirt abhebt. Man
kann seine Elektricität auf einen anderen Körper übertragen, sie z. B. zur Ladung
einer Leydenerflasehe verwenden, und dann das Experiment vom neuen vornehmen.
Der Kuchen verliert hierbei nichts von seiner Ladung, so dass man in ihm eine
fast unerschöpfliche Quelle von Elektricität zur Verfügung hat. P i t s c h.
ElektrOplate ist versilbertes Neusilber.
ElektropOSftiV, elektrOnegatiV. Bei der Elektrolyse einer chemischen Ver-
bindung nennt man jenen Bestandtheil , der sich an der Kathode ausscheidet,
elektropositiv , jenen , der sich an die Anode begibt , elektronegativ. Berzblius
ordnete, allerdings unter Zuhilfenahme mancher mehr oder weniger willkürlicher
Hypothesen , die chemischen Elemente in eine Reihe , die sogenannte elektro-
chemische, in welcher jedes Glied in binärer Verbindung mit einem folgenden
elektronegativ, mit einem vorangehenden elektropositiv auftritt. Die Endglieder
dieser Reihe sind Sauerstoff, der in allen Verbindungen elektronegativ, und Kalium,
das in allen Verbindungen elektropositiv ist. Pitsch.
Eiektl*OSkop (««wratv, beobachten) ist ein Apparat, welcher zum Nachweis
des elektrischen Zustande« von Körpern, nicht aber zur Messung der Intensität
desselben geeignet ist.
Der einfachste Apparat dieser Art ist das HENLEY'sche Quadrantenelektroskop,
wie es gewöhnlich an den Conductoreu von Elektrisirmaschinen zur Untersuchung
ihrer Ladung angebracht ist. An einem kleinen Vorsprung einer vertical am Con-
duetor aufgestellten Säule aus leitendem Material hängt an einem Faden eine
leichte Kngel, welche im unelektrischen Zustand die Säule berührt. Sobald letztere
elektrisch wird, theilt sie auch der Kugel Elektricität mit, und beide stossen sich
ab, so dass das Pendel unter der gleichzeitigen Wirkung dieser Abstossung und
der Schwerkraft eine gegen die verticale geneigte Richtung annimmt. Aus der
Grösse der Neigung lässt sich ein Schluss auf die Grösse der Abstossung, also auch auf
die Stärke der Ladung ziehen. Das Instrument ist natürlich sehr unempfindlich und
daher mehr ein Hilfsmittel, um den Conductor zu verschiedenen Zeiten in gleicher
Weise laden zu können, als ein Prüfungsmittel für die Grösse der Ladung selbst.
Au Stelle eines Pendels verwendet man bei anderen Elektrodkopen deren
zwei, die sich dann bei gleichzeitiger Ladung abstossen. Ein solches Doppelpendel
ist der wesentliche Bestandtheil der gebräuchlichsten Instrumente. Sie bestehen
aus einem tiasehenförmigen Glasgehäuse (s. Fig. 113), durch dessen Hals ein
Metallstab hindurchgeht, der an seinem oberen Ende eine Kugel, an seinem unteren
die beiden Pendel trägt. Je nach der Substanz dieser letzteren spricht man von
einem Faden-, Strohhalm-, Goldblattelektroskop, von welchen das letztgenannte als
das empfindlichste die grösste Verbreitung besitzt. Das übliche Glasgehäuse ist für
Goldblattelektroskope nicht vorteilhaft, indem zuweilen Elektricität von den Gold-
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684
ELKKTROSKOP.
Fig. 113.
blättern auf die Glashülle tibergeht und die Ladung der letzteren dann zu Un-
richtigkeiten in den Angaben des Instrumentes fuhren kann. Aus diesem Grunde
construirt man auch nach Beetz die Rulle, soweit dies mit dem Zweck des
Instrumentes vereinbarlich ist, aus Metall.
Wegen der grossen Empfindlichkeit der Goldblattelektroskope darf man sie in
den meisten Fällen nicht durch directe Berührung mit dem zu untersuchenden
Körper, sondern nur durch seine Annäherung, also durch Influenz, laden. Bei der
Annäherung eines elektrischen Körpers aa den Knopf des Instrumentes tritt
nämlich eine Scheidung der Elektricitäten in demselben ein, durch welche die mit
der angenäherten Elektricität ungleichnamige
angezogen und festgehalten, die gleichnamige
aber abgestossen und in die Pendel getrieben
wird, die sie zur Divergenz bringt. Eine
kurze Berührung des Knopfes mit dem Finger
gentigt aber , um diese Divergenz durch Ab-
leitung der freien Elektricität , die sie ver-
ursacht hat , zu beseitigen. Bei der Ent-
fernung des angenäherten elektrischen Körpers
wird sich dann die im Knopf angesammelte
ungleichnamige Elektricität auch über die Gold-
blättchen vertheilen, aus deren Divergenz man
einen Schluss auf die Ladung des angenäher-
ten Körpers ziehen kann. Zur Prüfung des
elektrischen Zustande* sehr schwach elektri-
scher Körper, die auch bei directer Berührung
mit dem Zuleitungsknopf des Elektroskops
keine merkbare Wirkung auf die Goldblättehen
ausüben, dient das von Volta construirte
Condensationselektroskop. Ueber seine Wirkung siehe: Condensator, pag. 246.
Bei dem oben beschriebenen Instrument sind immer zwei Versuche nothwendig,
um nicht nur das Vorhandensein der Elektricität, sondern auch die Art derselben
Fig. tu.
zu prüfen. Sobald man nämlich die Pendel durch die . zu prüfende Elektrici-
tät sinnige zur Divergenz gebracht, iuu*s man noch untersuchen, ob durch
ELEKTROSKOP. — ELEKTROTHERAPIE.
685
Annäherung eines mit bestimmter, nehmen wir an positiver Elektricität geladenen
Körpers, z. B. einer geriebenen Glasstange, die Divergenz zu- oder abnimmt, ohne
dass man aber den Knopf des Elektroskopes hierbei ableitend berührt. Nimmt die
Divergenz zu, dann waren die Pendel positiv, nimmt sie ab, negativ geladen,
denn durch das Annähern des elektrischen Körpers wurde die mit seiner Elektricität
gleichnamige in die Pendel getrieben , deren Divergenz sie vergrössert oder ver-
kleinert, je nachdem die zugeströmte Elektricitfttsmenge als gleichnamig die in den
Blättern bereits vorhandene Ladung vermehrt, oder als ungleichnamige vermindert.
Nur ein einziger Versuch zur vollständigen PrQfung einer Elektricitätsmenge
ist beim Bohnenberg ER'scben von Fechneb verbesserten Elektroskop nothwendig.
In gleicher Weise wie die übrigen Elektroskope zwei Goldblätter enthält dieses
nur eines (s. Fig. 114), welches in einer unten offenen Glasglocke, die auf einem
Holzkasten mit Glasfenstern aufruht, in der Mitte zwischen zwei Metallscheiben a
und g herabhängt. Letztere sind die Pole einer trockenen oder ZAMBONi'schen
Säule , die sich im Holzkasten befindet und durch ihre Wirkung stets die eine
Scheibe positiv , die andere negativ elektrisch erhält. Das Goldblättchen nimmt
zwischen ihnen eine Stelle ein, an der es von beiden gleich stark angezogen
wird und daher in Ruhe bleibt. Theilt man ihm aber eine kleine Elektricitäts-
menge mit, so wird es sofort von dem gleichartig geladenen Pol abgestossen, von
dem anderen angezogen und daher aus seiner Gleichgewichtslage abgelenkt. Je
nachdem sich dabei das Goldblatt dem positiven oder negativen Pol nähert, muss
es mit negativer oder positiver Elektricität behaftet sein. Hankel ersetzte die
nicht immer gleichmässig wirkende trockene Säule durch eine grosse Anzahl sehr
kleiner Kupfer-, Wasser-, Zinkelemente und bestimmte den Ausschlag des Gold-
blattes mittelst eines Mikroskops mit Ocularmikrometer. In dieser Einrichtung ist
dann das Instrument bereits ein zu Messungen geeignetes Elektrometer.
8. auch Elektrometer. Pitsch.
Elektrotherapie. Die Elektricität wurde von jeher zu Heilzwecken ver-
wendet, aber aus dem Stadium der Empirie trat sie erst 1856, seitdem Rkmak
durch systematische Untersuchungen die wissenschaftliche Grundlage geschaffen
hatte. Gegenwartig benfltzt man die Wirkung elektrischer Ströme in dreierlei
Richtungen.
1. Man applicirt elektrische Ströme auf die unverletzte Haut, um physiologische
Wirkungen auf Nerven und Muskeln zu erzielen. Diese Wirkungen sind je nach
der Art der angewendeten Ströme qualitativ und quantitativ verschieden und man
unterscheidet : a) Galvanotherapie, bei welcher galvanische Batterien zur
Anwenduug kommen, mit Nebenapparaten zur Abstufung, Schliessung und Oeff-
nung, Richtung, Messung und Leitung des Stromes; h) Faradotherapie, bei
welchen der Inductionsapparat mit Leitungsschnüren und Elektroden der wesent-
liche Behelf ist; c) Franklin otherapie, welche sich der statischen oder
Reibungselektricitätder Elektrisirmaschine, Leydenerflasche und HoLTz'schen Influenz-
maschine bedient. Die ausgedehnteste Anwendung findet die Galvanotherapie, weil
sie die exacteste und schmerzlos ist ; die Faradisation wird vorzüglich angewendet,
um locale Wirkungen zu erzielen ; über das Geltungsgebiet der Franklinisation
endlich, welche zwar die älteste Methode ist , nach Entdeckung des Galvanismus
aber verlassen und erst in neuester Zeit wieder aufgenommen wurde, sind uoch
nicht genügend sichere Erfahrungen gesammelt.
2. Man benützt die chemischen Wirkungen des galvanischen Stromes zur Zer-
setzung pathologischer Flüssigkeiten und Gewebe oder zur Erzeugung von Blut-
gerinnseln. Die elektrolytische Wirkung wird erzielt, indem man die Elektroden
auf die befeuchtete oder besser ihrer Oberhaut beraubte Haut aufsetzt (Galvano-
lyse) oder indem man nadclförmige Elektroden einsticht (G a 1 v a n o pu n c t u r).
3. Man bedient sich der thermischen Wirkungen des elektrischen Stromes, um
Platindrähtc oder -bleclie glühend zu machen, mit denen man dann die verschieden-
artigsten Operationen ausgeführt. Die wesentlichen Vorzüge dieser Methode sind,
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686
ELEKTROTHERAPIE. - ELEMENTARANALYSE.
dass starke Blutungen vermieden werden und dass man sich derselben auch an
Oertlicbkeiten bedienen kann, welche dem Messer schwer oder gar nicht zugäng-
lich sind. Ein Nachtheil derselben ist, abgesehen von der Kostspieligkeit des
Apparates, die schwierigere Heilung der Wunde.
ElektrOtOflUS (t<5vo;) ist der Zustand, in welchem sich ein von einem in-
stanten galvanischen Strom durch flo ssener Nerv oder Muskel befindet.
Elektrum = Bernstein (Bd. II, pag. 224).
Elementaranalyse. Die Elementaranalyse beschäftigt sich mit der Ermittelung
der elementaren Zusammensetzung organischer Verbindungen, und zwar geschieht
dies in allen Fällen durch Verbrennung der organischen Substanz und Unter-
suchung, resp. Bestimmung der gebildeten Producte. Die natürlich vorkommenden
organischen Substanzen enthalten nur eine geringe Anzahl der existiren-
den Elemente und bestehen zur Hauptsache aus Kohlenstoff, Wasserstoff und
Sauerstoff, denen sich noch Stickstoff und in geringerer Verbreitung Schwefel und
Phosphor anreihen ; durch chemische Hilfsmittel lassen sich jedoch noch viele
andere Elemente in organische Verbindungen einführen, so die Halogene: Chlor,
Brom, Jod, ferner Arsen und verschiedene andere Metalloide und Metalle.
Wie bei der anorganischen , so geht auch bei der organischen Analyse der
quantitativen Bestimmung der einzelnen Bestandteile zweckmassig die qualitative
Prüfung voraus. Die nichtüflchtigen Stoffe — besonders die Metalle — lassen
sich nach dem Verbrennen der Substanz in der Asche nach den gewöhnlichen
Methoden nachweisen ; zum Kachweis der übrigen Stoffe bedient man sich folgen-
der Methoden:
1. Prüfung auf Kohlenstoff.
Kohlenstoffhaltige organische Körper verbrennen beim Erhitzen meist mit
Flamme; sind dieselben im Verhältuiss zum vorhandenen Sauerstoff sehr reich
an Kohlenstoff, so können sie sich beim Erhitzen vorübergehend schwärzen oder
unter Abscheidung schwer verbrennlicher Kohle zersetzen. Kohlenstoffarme Sub-
stanzen, wie Ameisensäure und Oxalsäure etc., zersetzen sich beim Erhitzen ohne
Schwärzung. Zum Nachweis von Kohlenstoff in einer Verbindung mengt man die-
selbe mit Kupferoxyd, erhitzt das Gemenge zum Glühen und leitet die entweichen-
den Gase durch Kalk- oder Barytwasser; die bei Anwesenheit von Kohlenstoff
gebildete Kohlensäure gibt sich durch Trübung des Reagens zu erkennen.
2. Prüfung auf Wasserstoff.
Erhitzt man die vorher scharf getrocknete Substanz mit frisch geglühtem Kupfer-
oxyd, so gibt das Auftreten von Wasser die Anwesenheit von Wasserstoff an.
3. Prüfung auf Stickstoff.
Stickstoffreiche organische Substanzen entwickeln beim Verbrennen einen eigen-
tümlichen, empyreumatischen Geruch , wie er beim Verbrennen von Horn, Haaren etc.
wahrgenommen wird; Verbindungen, welche Oxydationsstufen des Stickstoffs (z. B.
die Nitrogruppe NOa) enthalten, verpuffen meistens beim Erhitzen unter Ausgabe von
salpetrigen Dämpfen. Die meisten stickstoffhaltigen Körper entwickeln beim Glühen
mit Natronkalk Ammoniak, welche Methode auch zur quantitativen Bestimmung
des Stickstoffes Anwendung gefunden hat; geringere Mengen Stickstoff in einer
Verbindung lassen sich in der Weise nachweisen , dass man die zu untersuchende
Substanz mit einer kleinen Menge metallischen Natriums oder Kaliums in einem
engen Probirglase zusammenschmilzt, wobei sich Cyanmetalle bilden, die erkaltete
Masse mit Wasser auszieht, die Flüssigkeit filtrirt und mit einer oxydhaltigen
Ei8envitriollösung versetzt. Säuert man nun die Flüssigkeit mit Salzsäure an, so
scheidet sich — bei Gegenwart grösserer Mengen Stickstoffes sofort, bei An-
wesenheit von Spuren erst nach längerer Zeit — Berlinerblau ab.
4. Prüfung auf Schwefel und Phosphor.
Zu diesem Zwecke oxydirt man die Substanz durch Behandlung mit rauchender
Salpetersäure oder einem Gemische von Salzsäure und Kaliumchlorat , oder auch
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ELEMESTARANALYSE.
687
durch Zusammenschmelzen mit Soda und Salpeter und Prüfung auf eventuell gebildete
Schwefelsäure oder Phosphorsäure nach den Methoden der anorganischen Analyse.
5. Prüfung auf Halogene.
Man erhitzt die Substanz mit reinem Aetzkalk, löst die Masse in verdünnter
Salpetersäure und prüft das Filtrat mit Silbernitrat, oder man zersetzt die Substanz
mit rauchender Salpetersäure, verdünnt mit Wasser und prüft ebenfalls mit Silber-
nitratlösung.
Die Anwesenheit anderer Stoffe lässt sich nach Zerstörung der organischen
Substanz durch Schmelzen mit Soda und Salpeter nach den gebräuchlichen
Methoden der anorganischen Analyse nachweisen.
QuantitativeAnalyse. Die Elementaranalyse im engeren Sinne umfasst die
Metboden zur Ermittelung des Gehaltes der organischen Substanzen an Kohlenstoff,
Wasserstoff und Stickstoff; der Kohlenstoff wird durch Verbrennung in Kohlensaure
übergeführt, der Wasserstoff in Wasser, der Stickstoff entweder gasförmig abgeschieden
und gemessen oder in Ammoniak übergeführt und als solches bestimmt. Die Methoden
zur Bestimmung dieser Bestandteile sind äusserst genau ausgearbeitet und allen
vorkommenden Fällen angepasst, indessen folgt man im Princip noch heute der
von Liebig, dem Begründer unserer heutigen Elementaranalyse, gegebenen Vorschrift.
Wenn man aus den Resultaten der Analyse einen Sehluss auf die Natur der
vorliegenden Substanz zu ziehen hat, so ist natürlich die vollkommene Reinheit
der Substanz erstes Erforderniss und hat man sich von dieser durch Controlirung
des Siede-, resp. Schmelzpunktes und Untersuchung der Krystallform zu über-
zeugen; anhaftende hygroskopische Feuchtigkeit entfernt man durch Trocknen
der Substanz in einem Exsiccator über concentrirter Schwefelsäure oder Phosphor-
säureanhydrid, oder Erhitzen auf 100°, eventuell im luftleeren Räume, oder in einem
8trome vorher getrockneter Luft.
Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff. Substanzen,
welche nur Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff enthalten, verbrennt man
mit granulirtem Kupferoxyd in einer schwer schmelzbaren Glasröhre von böhmi-
schem Kaliglas, welche an einem Ende zu einer bajonettförmigen Spitze ausge-
zogen ist. In diese Röhre (Fig. 115) füllt man von a — b Kupferoxyd, schüttet
sodann die 8ubstanz hinein, füllt noch etwas Kupferoxyd nach und mischt das
Kupferoxyd mit der Substanz möglichst innig durch Umrühren mit einem am
unteren Ende korkzieherartig gewundenen Drahte, dem sogenannten Mischdrahte
(Fig. 116), hierauffüllt man wieder etwas Kupferoxyd nach, spült in diesem etwa
am Drahte haftende Spuren der Substanz ab und füllt sodann das Rohr mit
reinem Kupferoxyd vollständig an ; im Rohre befindet sich jetzt von a—b Kupfer-
oxyd, von b—c Mischung von Kupferoxyd mit Substanz und von c — d wieder
reines Kupferoxyd. Das so vorgerichtete Verbrennungsrohr wird am vorderen
offenen Ende durch einen vorher getrockneten Stopfen geschlossen, in dessen
Durchbohrung ein Chlorcalciumrohr eingefügt ist ; diese Rohre haben verschiedene
Gestalt, Fig. 117 und 118, und sind mit gekörntem reinem Chlorcalcium gefüllt;
Fig. 115.
Fi*. 118.
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ELEMENTAR AN ALYSE.
dieselben werden vor und nach der Verbrennung gewogen und zeigen durch ihre
Gewichtszunahme die Menge des gebildeten Wassers an, welches in ihnen voll-
ständig zurückgehalten wird.
Das Chlorcalciumrohr ist sodann mit einem sogenannten Kaliapparate ver-
bunden, welcher durch seine Gewichtszunahme nach der Verbrennung die Quantität
der gebildeten Kohlensäure angibt. Der von Liebig construirte Kaliapparat besteht
aus 5 Kugeln, welche in der aus Fig. 119 ersichtlichen Weise angeordnet sind;
die Gase, welche bei a eintreten, müssen bei ihrem Durchgange durch den
Apparat viermal die Absorptionsflüssigkeit passiren, und verwendet man ab] solche
eyie Auflösung von 1 Th. Kalihydrat in 2 Th. Wasser. Die von Geissler con-
struirten Kaliapparate (Fig. 120) bieten mehr Sicherheit für vollständige Absorption,
gegen das Zurücksteigen der Flüssigkeit und sind bequemer in der Handhabung.
Um zu vermeiden, dass beim Durchgange des Gases durch den Apparat der Kali-
lauge Wasser entführt werde, verbindet man den Kaliapparat mit einem mit
Aetzkalistücken gefüllten Glasrohre (Fig. 120 a), welches sowohl Wasserdampf, als
die letzten Spuren unabsorbirt gebliebener Kohlensäure zurückhält.
Fig. 11t». Fig. 120.
Das Einbringen der zu analysirenden Substanz in das Verbrennungsrohr ge-
schieht, wenn ein fester Körper vorliegt, durch sogenannte Wägeröhrchen, welche
zuvor mit der Substanz und dann nach dem Einschütten derselben in das Ver-
brennungsrohr wieder gewogen werden und durch den Gewichtsverlust die Menge
der angewandten Substanz angeben, oder man wägt die Substanz auf einem Platin-
oder Porzellanschiftehen ab, welches man sammt der Substanz in das Verbrennungsrohr
einführt: man verwendet in der Regel annähernd 0.3g Substanz zur Analyse.
Flüssige, nicht flüchtige Substanzen werden in einem kleinen Glasbecherchen ab-
gewogen und mit diesem in's Verbrenn ungsrohr eingebracht, flüchtige Flüssigkeiten
wfigt man in einem ausgezogenen kleinen Glaskügelchen von der Form Fig. 121,
dessen Spitze nach dem Füllen zugeschmolzen und erst beim Einfüllen in das
Verbrennuugsrohr abgebrochen wird.
Das zur Analyse verwendete Kupferoxyd wird zur Entfernung aller Feuchtig-
keit in einem Kupfertiegel ausgeglüht und noch heiss in ein birnformiges Glas-
gefäss eingefüllt , welches durch einen mit Chlorcalciumrohr versehenen Stopfen
geschlossen ist (Fig. 122), so dass das Kupferoxyd beim Erkalten keine Feuchtigkeit
anziehen kann ; auch das zur Verbrennung zu benutzende Verbrennungsrohr wird
vor dem Füllen mit heissem Kupferoxyd ausgespült und durch ein aufgesetztes
Chlorcalciumrohr vor Feuchtigkeit geschützt. Das Fülleu des Rohres mit Substanz
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ELEMENTARANALYSE. 689
und Kupferoxyd geschieht möglichst schnell, um keine Veranlassung zur Aufnahme
von Feuchtigkeit zu geben.
Das in vorher beschriebener Weise gefüllte Rohr wird nun in den Verbren-
nungsofen gelegt und mit den Absorptionsapparaten verbunden.
Zum Erhitzen des Verbreunungsrohroa benutzte LlXBlO einen mit Holzkohlen
heizbaren Ofen (Figv 123), welcher aus einem kästen förmigen Gefäss a ans Eisen-
blech mit schrägen Wänden und einem rostartig durchbrochenen Boden bestand;
zwischen je zwei Ausschnitten des Bodens waren Träger aus starkem Eisenblech
angebracht, auf welche die Verbrennungsröhre, unterstützt durch eine Rinne von
Eisenblech, zu liegen kam. Durch verschiebbare Schirme b aus Eisenblech konnte
man die Hitze von gewissen Theilen des Rohres abhalten; diese Oefen sind der
Anwendung des Leuchtgases in den Laboratorien entsprechend nur noch wenig
in Gebrauch. Hit Gas heizbare Verbrennungsöfen sind von vielen Chemikern, so
von Erlbxmeyeb, Glaser, Hofmasn etc., in den verschiedensten Formen con-
struirt und empfohlen worden; Fig. 124 zeigt einen Verbrennungsofen Erlenmeyer-
scher Construetion, der steh besonderer Verbreitung erfreut. Der Ofen besitzt eine
Lange von 75 — 90 cm und wird durch BuNSEN'sche Brenner geheizt , deren jeder
mit einem besonderen Hahn und einer Luftregulirungsvorrichtung versehen ist;
diese Brenner sind auf ein weites Gassuleitungsrohr aufgeschraubt, welches sich
in dem Gestell in vertioaler Richtung verstellen laset, so dass man die Flammen
in beliebige Entfernung von der Verbrennungsröhre bringen kann, diese selbst
liegt in einer Rinne von gebranntem Thon oder in einer mit Asbest ausgefütterten
Eisenrinne.
Fig. im.
Die Flamme wird durch schräg aufgestellte Thonkacheln zusammengehalten
und ist dadurch gezwungen , die Röhre auch von oben au bestreichen. Durch
Auf- oder Zuklappen der Thonkacheln gelingt es, die Temperatur auf der ge-
wünschten Höhe au halten. Bei Ausfahrung der Analyse erhitzt man zunächst
den hintersten Theil der Röhre, um ein Ansammeln der Verbrennungsproducte an
dieser Stelle an vermeiden und dann von vorne anfangend die ganze Röhre nach
und nach bis zur Zersetzung der organischen Substanz; nach Vollendung der
Zersetzung — was etwa 1*7» bis 2 Stunden Zeit in Anspruch nimmt — leitet
man reinen trockenen Sauerstort* durch die Röhre, indem man Uber die Spitze des
bajonettförmigen Endes einen Gummischlauch überzieht , welcher mit einem Sauer-
stoffgasometer in Verbindung steht, und hierauf die Spitze des Rohres abbricht;
nachdem durch den Sauerstoff das durch Verbrennung der organischen Substanz
zum Theil an Kupfer reduoirte Kupferoxyd wieder oxydirt ist , löscht man die
Flammen und leitet zur Verdrängung des Sauerstoffs mittelst eines mit Luft gefüllten
Gasometers einen Strom reiner atmosphärischer Luft durch den ganzen Apparat.
Aus der Gewichtszunahme der Absorptionsapparate, d. h. aus der Menge der
gebildeten Kohlensäure und des Wassers, berechnet man den Gehalt der Substanz
Real-EneyclopÄdie der z«. Ptiannacie. III. 44
690
ELEMENTARANALYSE.
an Kohlenstoff und Waaserstoff. Das Sauerstoffgas und die atmosphärische Luft,
welche bei Beendigung der Verbrennung durch den Apparat geleitet werden,
müssen von Kohlensäure und Feuchtigkeit zuvor vollständig befreit sein ; zu
diesem Zwecke lässt man dieselben vor ihrem Eintritte in da9 Verbrennungsrohr
einen Wasch- und Trockenapparat passiren, welcher mit Schwefelsäure, Kalilauge,
Chlorcalcinm und Aetzkalisttleken gefüllt
ist. Die ganze Anordnung der Verbren-
nung zeigt Fig. 125, bei welcher A den
Wasch- und Trockenapparat, B den Ver-
brennungsofen mit Rohr, C das Chlor-
calciumrohr und I) den Kaliapparat be-
zeichnet. (Um die Zeichnung zu verein-
fachen , ist ein LiEBiG'scher Ofen ge-
zeichnet.)
Bei Substanzen, welche sehr schwer
verbrennlich sind, genügt die oxydirende
Wirkung des Kupferoxydes allein nicht
zur Verbrennung; derartige Substanzen
verbrennt man mit Kupferoxyd in einem
an beiden Enden offenen Rohre gleich
von Anfang an in einem Strome reinen
Sauerstoffs. Bei dieser Anordnung schliesst
man das an beiden Enden offene Ver-
brennungsrohr vorn durch einen locke-
ren Bausch von Kupferdraht , füllt es
zu circa s s mit gekörntem Kupferoxyd
und hindert dieses durch einen aufge-
setzten lockeren Asbestbausch am Heraus-
fallen; hierauf erhitzt man das Kupfer-
oxyd im Verbrennungsofen, indem man
einen Strom trockener Luft durch das
mit einem Stopfen und eingesetztem
Glasrohr verschlossene hintere Ende des
Rohres einleitet. Nachdem das Kupfer-
oxyd wieder erkaltet ist, führt man in
einem Schiffchen die Substanz ein und
erhitzt das Kupferoxyd und hierauf vor-
sichtig die Substanz bis zu völliger Ver-
brennung, wobei man einen Strom von
reinem Sauerstoff durch das Rohr strei-
chen lässt. Dieses Verfahren hat den
Vortheil, dass man das Rohr zu mehreren
Verbrennungen benutzen kann und dass
dasselbe sofort wieder zur nenen Ana-
lyse vorgerichtet ist, indem man nur
das Schiffchen durch ein zweites mit
der abgewogenen Substanz versehenes
zu ersetzen braucht, um nach neuer Be-
schickung der Absorptionsapparate zur
Analyse schreiten zu können.
Schwer verbrennliche Körper verbrennt man auch mit Bleichromat Cdem zur Er-
höhung der oxydirenden Wirkung noch 1 10 seines (iewichts Kaliumdichromat zugesetzt
werden kann), welche« bei genügeuder Hitze schmilzt und dabei Sauerstoff entwickelt ;
das gekörnte Bleichromat wird ebenfalls vorher ausgeglüht und geschieht die Be-
schickung des Rohres in derselben Weise , wie bei Verwendung von Kupferoxyd.
v.Jp!
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ELEMENT AR ANA LYSE.
Organische Substanzen, welche Schwefel enthalten, wurden bei der Verbrennung
mit Kupferoxyd schweflige Säure liefern, welche ebenfalls von der Kalilauge ab-
sorbirt wurde; man verbrennt dieselben daher mit Bleichromat, wobei sich nicht
flüchtiges Bleisulfat bildet, welches in der Röhre verbleibt.
Substanzen, welche Chlor (Brom, Jod) enthalten, können bei der Verbrennung
mit Kupferoxyd und Sauerstoff flochtiges Kupferchlorür oder auch freies Chlor
liefern, welche beide das Gewicht der Absorptionsapparate vermehren würden;
man vermeidet diesen Uebelstand, indem man in den vorderen Theil der ent-
sprechend langer gewählten Verbrennungsröhre eine circa 20 cm lange Spiral»
von metallischem 8ilber vorlegt, welche selbst bei Rothgluth das Chlor (Brom,
Jod) zurückhält. Bei Anwendung von Bleichromat sind keine derartigen Vorsichts-
m assregem nöthig, da das gebildete Chlorblei bei der Temperatur der Verbrennung
nicht flttohtig ist.
Bei der elementaranalytischen Verbrennung stickstoffhaltiger Substanzen
entweicht der Stickstoff entweder als solcher gasförmig oder in Gestalt seiner
Oxydationsstufen ; da nun letztere von der Kalilauge zurückgehalten werden , so
muss man dem Auftreten dieser vorbeugen. Oxydationsproduote des Stickstoffs
entweichen" besonders dann, wenn die Verbindung bereits Stickstoff in Verbindung
mit Sauerstoff (z. B. Nitrogruppen) enthielt , sowie bei Verbrennung mit Blei-
chromat oder im Sauerstoffstrome. Man vermeidet diesen Uebelstand, indem man
vorn in's Verbrennungsrohr eine ca. 20 cm lange Schiebt von metallischem Kupfer in
Gestalt von Rollen aus blankem Kupferdraht oder Blech einbringt und diese
während der Analyse im starken Gltthen erhält. Das glühende Kupfer entzieht
den Oxydationsstufen des Stickstoffs den Sauerstoff und der Stickstoff entweicht
gasförmig, wird somit von den Absorptionsapparaten nicht zurückgehalten.
Bei Verbrennung der Verbindungen organischer Säuren mit den Alkalien oder
alkalischen Erden bleibt ein Theil der gebildeten Kohlensäure an diese gebundeu
zurück und entzieht sich der Absorption im Kaliapparate, man kann dieselben
daher nicht mit Kupferoxyd verbrennen; die Verbrennung mit Bleichromat gibt
dagegen richtige Werthe.
Bestimmung des Stickstoffs. Die Ermittelung des Gehaltes einer Sub-
stanz an Stickstoff geschieht meist durch einen besonderen Versuch und wird diese
entweder durch Abscheidung des Stickstoffes in gasförmiger Gestalt und Messen des
Volumens, oder durch Ueberführung in Ammoniak — sei es durch Verbrennung
mit Natronkalk nach der Methode von Varrrntrapp und Will oder uach der
Methode von Kj ei dahl durch Behandlung mit rauchender Schwefelsäure — und
Bestimmung des gebildeten Ammoniaks vorgenommen.
Die Bestimmung des Stickstoffs in gasförmiger Gestalt nach der Methode von
Dümas geschah in der Weise, dass die Substanz in einem mit Kohlensäure ge-
füllten Verbrennungsrohr mit Kupferoxyd und vorgelegtem metallischem Kupfer
nach Art einer gewöhnlichen Elemeutaranalyse verbrannt, das entwickelte Gas
über Quecksilber aufgefangen, durch Kalilauge von der Kohlensäure befreit und
das Volumen des übrig bleibenden Stickstoffs gemessen wurde. Jetzt ist die
Methode etwas vereinfacht, man fängt das Gas direct über Natronlauge auf und
ist das Verfahren kurz folgendes:
In das circa 80cm lange, am hinteren Ende zugeschmolzeue Verbrennungs-
rohr a, Fig. 126, bringt man zunächst eine circa 10cm lange Schicht von pulveri-
sirtem trockenem Natriumbicarbonat oder Magnesit, führt sodann einen lockeren
Asbeststopfen ein, um eine Verunreinigung des Kupferoxyds mit dem Carbouat zu
verhindern und beschickt sodann das Kohr in der gewöhnlichen Weise (aus der
Zeichnung ersichtlich) mit Kupferoxyd, Substanz, Kupferoxyd und metallischem
Kupfer. Das Verbrennungsrohr ist an seinem vorderen Ende mit einem durch-
bohrten Stopfen geschlossen, welcher das zur Ableitung der entwickelten Gase be-
stimmte Rohr b trägt ; dieses mündet iu einer Schale unter Natronlauge (circa
lOprocentiger) und über seine Mündung wird das zum Auffangen und Messen be-
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692
ELEMENTARANALYSE.
Btimmte (ebenfalls mit Natronlauge gefüllte), calibrirte Rohr c übergestülpt. Das
im Verbrennungsofen befindliche Rohr wird nun zunächst am hinteren Ende erhitzt,
bis durch die entwickelte Kohlensaure die atmosphärische Luft vollständig ans dem
Rühre vordrängt ist, sodann erhitzt man die Kupferspiralen znm Glühen und ver-
fahrt nun weiter, wie bei einer gewöhnlichen Verbrennung; ist dieselbe beendet,
so treibt man den noch im Rohre befindlichen Stickstoff durch abermaliges Erhitzen
des Carbonats vollständig in das Messrohr über, lässt das aufgefangene Stickgas
bis zur völligen Absorption der ihm beigemischten Kohlensäure mit der Natron-
lauge in Berührung und führt sodann das Messrohr — indem man die untere
Oeffnung mit dem Daumen oder einem geeigneten Löffclchen verschliesst — in
einen mit Wasser gefüllten Cylinder (Iber. Nachdem das Gas im Messrohro die
Temperatur des äusseren Raumes angenommen, bringt man das Wasser im Rohre
und das im äusseren Cylinder auf das gleiche Niveau und liest das Volumen des
Stickstoffes unter Beobachtung von Temperatur und Barometerstand ab. Ist Pdas
abgelesene Volumen , t die Temperatur , b der Barometerstand , w die Tension des
Wasserdampfes und s das Gewicht der angewandten Substanz, so ergibt sich der
Procentgehalt der verbrannten Substanz an Stickstoff aus der Formel:
Proe. N = lf ■ kVxWI,» ■ 0.0012562.
Im Buchhandel existiren Tabellen (z. B. von Kohlmann und Frerichs), denen
die Werthe von ~£ — ,c . . 0.0012562 für eine Reihe von Barometer-
<oO (l x 0.003«. »bo . t)
ständen und Temperaturen direct entnommen werden können.
L'm das beim Füllen des Messrohres mit Lauge nach diesem Verfahren nicht
zu umgehende Beschmutzen der Hände mit Lauge zu beseitigen, sind verschiedene
Apparate, so von Haxko, Zulkowski, Schwarz, Ludwig, Städel, Schmitt etc.
construirt worden.
Eine einfache Vorrichtung der Art beschreibt Ilinski (Ber. XVII, 1347); bei
dem von Schiff empfohlenen Apparate (Fig. 127) wird das Gas Über 50pro-
centiger Kalilange aufgefangen und gemessen , wobei man dasselbe als trocken
betrachten kann. Das Gas tritt bei a aus dem Verbrennungsrohr ein und wird in
dem Messrohr b gemessen, indem man nach beendigter Verbrennung den Quetsch-
hahn bei a schliesst und durch Verschieben des Niveaugefässes d die Flüssigkeit in
diesem und dem Messrohre auf gleiches Niveau bringt.
Uebcr volumetrische Bestimmung von Stickstoff in gewissen Substanzen durch
Behandlung mit Bromlauge s. unter Ilarnstoffbestimmungsmethoden.
In vielen stickstoffhaltigen Substanzen kann der Gehalt an Stickstoff auch nach
der Methode von Varrentrapp und Will durch Erhitzen mit Natronkalk als
Ammoniak bestimmt werden: man bringt zu diesem Zwecke in die, an einem
Ende zu einer Aufwärts gebogenen Spitze ausgezogene , circa 50 cm lange Ver-
brennungsröhre zunächst grobkörnigen Natronkalk, sodann ein Gemisch von Natron-
kalk mit der Substanz und füllt sodann das Rohr mit Natronkalk, welcher vorher
ausgeglüht sein muss, vollständig an. Am vorderen Ende wird das Rohr mit einem
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ELEMENTARANALYSE.
G93
durchbohrten Stopfen geschlossen, welchem eine WiLL-VARRENTRAPp'sche Absorptions-
birne eingefügt ist ; diese letztere ist mit verdünnter Salzsäure oder mit einer be-
stimmten Menge titrirter Normalsaure
beschickt (Fig. 128). Die Röhre wird
in einem Verbrennungsofen in gleicher
Weise, wie bei Analysen mit Kupfer-
oxyd, erhitzt und das nach der Ver-
brennung noch im Rohre befindliche
Ammoniak nach dem Abbrechen der
Spitze des Rohres durch Verbindung
der Absorptionsbirne mit einem Aspira-
tor in diese übergeführt. Das gebildete
Ammoniak wird entweder als Platin-
salmiak gewogen oder f>ei Anwen-
dung einer titrirten Säure als Absorp-
tionsflüssigkeit durch Rücktitriren die-
ser bestimmt.
Das vorbeschriebene Wjll-Varren'-
TRAPP'sche Verfahren ist jedoch nicht
von allgemeiner Anwendbarkeit, indem
Substanzen, welche den Stickstoff zum
Theil an Sauerstoff gebunden enthalten
(Nitro- und Nitrosoverbindungen), sowie
die Azo- und Diazoverbindungen beim
Glühen mit Natronkalk ihreo Stick-
stoff nur zum Theil, oder auch gar
nicht, als Ammoniak ausgeben und ver-
schiedene andere Körper beim Glühen
mit Natronkalk den Stickstoff in Gestalt
organischer Basen entlassen; so ent-
wickelt Indigo beim Glühen mit Natron-
kalk Anilin.
Bei Verwendung eines Gemisches
von Natronkalk mit Natriumformiat
und Natriumhyposulfit an Stelle des
reinen Natronkalkes soll sich nach
Arnold der Stickstoff in sämmtlichen
Substanzen — selbst Nitraten — als
Ammoniak bestimmen lassen.
Nach der Methode von Kjeldahl wird der stickstoffhaltige Körper mit rauchen-
der Schwefelsäure bis zur gänzlichen Zerstörung der organischen Substanz erhitzt,
das gebildete Ammoniak nach dem Verdünnen der Flüssigkeit mit Wasser durch
Uebersättigen mit Natronlauge nnd Destilliren übergetrieben, sowie durch Auf-
fangen in Normalsäure und nachträgliches Titriren dieser bestimmt.
Die Zerstörung der Substanz, die bei schwer zersetzlichen Körpern, wie Eiweiss-
8toffen etc., eine Dauer von 5 Stunden und mehr in Anspruch nehmen kann, wird
durch Zusatz geringer Mengen von Metallsalzen (z. B. des Quecksilbers, Kupfers,
Platins) erheblich beschleunigt. Mit Sauerstoff verbundener Stickstoff lässt sich auch
nach dieser Methode nicht in Ammoniak überführen, doch soll dies durch Zusatz
Substanzen hohen Kohlenstoffgehaltes, wie Zucker und besonders Benzoesäure,
mit Leichtigkeit gelingen.
Die elementar-analytische Bestimmung von Kohlenstoff, Wasserstoff und Stick-
stoff in explosiven Substanzen lässt sich nur unter besonderen Vorsichtsmassregeln
ausführen; am zweckmäßigsten ist das Verfahren von H Empel, nach welchem
Nitroglycerin, Schiessbaumwolle etc. gefahrlos verbrannt werden können. Hierbei
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[
694 ELEMENTARANALYSE.
wird die Substanz in einer mittelst der TöPLER'schen Quecksilber! oft pumpe luft-
leer gepumpten Verbrennungsröhre mit Kupferoxyd und vorgelegtem metalli-
fiebern Kupfer in gewöhnlicher Weise verbrannt und die Verbrennungsproducte
werden mit der Pumpe aus dem Rohre gesaugt: das Wasser wird in einem
U-förmigen Chlorcaleiumrohre, die Kohlensaure in einem mit Natronkalk gefüllten
Bohre zurückgehalten und der Stickstoff in einem Messrohre gasförmig gemessen.
Man kann mit Hilfe dieser Methode Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff durch
eine einzige Analyse ermitteln.
Es sind weiterhin verschiedene Methoden empfohlen worden, welche die Be-
stimmung der genannten 3 Bestandteile durch ein und dieselbe Analyse bezwecken;
dieselben beruhen meist darauf, dass man die Substanz in reinem Sauerstoff mit
Kupferoxyd etc. in gewöhnlicher Weise verbrennt, die Kohlensäure und das Wasser
wie gewöhnlich absorbirt, dem Gemisch von Sauerstoffgas und Stickgas das erstere
durch geeignete Absorptionsmittel entzieht (z. B. Chromchlorür) und den übrig
bleibenden Stickstoff mis^t.
Der Sauerstoff der organischen Substanzen wird gewöhnlich nicht direct be-
stimmt, sondern nach Ermittelung aller anderen Bestandteile aus der Differenz
erhalten : es existiren jedoch auch Methoden zur directen Bestimmung.
Ein von den im Vorstehenden beschriebenen Methoden abweichendes Verfahren
znr Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff ist von F. Kopfer beschrieben
worden. Nach dieser Methode wird die Substanz in einem Sauerstoffstrome erhitzt
und die Verbrennung durch Platinasbest vermittelt
Das circa 50 cm lange Verbrennungsrohr ist durch Stopfen und eingesetztes
Rohr an einem Ende wie gewöhnlich mit den Absorptionsapparaten, am anderen
Ende mit dem Pauerstoffgasoraeter verbundeu und in geeigneter Weise zu eirca
' s mit Platinasbest gefüllt. Die Substanz wird in einem Schiffchen in den hinteren
T heil des Rohres eingeführt und durch Erhitzen verflüchtigt, die gasförmigen Pro-
duete werden im Sauerstoffstrome von dem erhitzten Platinasbest in Kohlensäure
und Wasser übergeführt, was bereits bei einer nicht zu hohen Temperatur statt-
findet : der Vortheil der Methode liegt in dem geringen Gasverbrauch, da die Ver-
brennung mit 4 Bunsenbrennern ausgeführt wird und ferner darin, dass man dasselbe
Rohr zu 10 — 15 Analysen hintereinander benutzen kann. Bei der Analyse stick-
stoffhaltiger Substanzen wird vor den Platinasbest eine Schicht von grobkörnigem
Blcihyperoxyd vorgelegt, welches die gebildeten Oxyde des Stickstoffs zurückhält ;
Substanzen, welche Schwefel oder Phosphor enthalten, können in derselben Weise
behandelt werden, indem deren Oxydationsproducte von dem Bleihyperoxyd eben-
falls zurückgehalten werden.
Bei der Verbrennung von Substanzen , welche Halogene enthalten , wird dem
Platinasbest eine Silberspirale beigefügt , welche die Halogene vollständig zurück-
hält und nach dem Ausglühen im Wasserstoffstrome wieder von Neuem verwendet
werden kann (Fresenius, Zeitschrift für anal. Chemie. 17, 1).
Zur Bestimmung der Halogene, sowie des Schwefels und Phosphors wendet
man meistens die Methode von Camus an , bei welcher die organische Substanz
mit rauchender Salpetersäure in einem zugeschmolzenen Rohre von Kaliglas längere
Zeit auf hohe Temperatur erhitzt wird. Die organischen Substanzen werden durch
die Salpetersäure verbrannt und die resultirenden Säuren : Halogenwasserstoffsäuren,
Schwefelsäure , Phosphorsänre , nach den in der anorganischen Analyse üblichen
Methoden quantitativ bestimmt.
Eine andere Methode zur Bestimmung der Halogene in organischen Substanzen
besteht darin, dass man dieselben mit reinem Aetzkalk in einem schwer schmelz-
baren Rohre glüht, den ganzen Rohrinhalt in verdünnter 8alpeterBäure löst und
das gebildete Chlorcalcium (Brom-, Jodcalcium) durch Fällen mit Silbernitrat in
gewöhnlicher Weise bestimmt.
Zur Bestimmung des Schwefels und Phosphors kann man auch die Substanzen
mit einer Mischung von Salpeter und Soda schmelzen und in der Lösung der
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ELEMENTAR AN ALYSE. — ELEMENTE. CHEMISCHE.
695
Schmelze die gebildete Schwefelsäure und Phosphorsäure bestimmen, oder man löst
die Substanz in Kalilauge, leitet Chlor bis zur völligen Oxydation ein, verdampft
die Flüssigkeit, glflht die resultirende Salzmasse und fällt die Schwefelsäure oder
Phosphorsäure aus der Lösung der Salze in gewöhnlicher Weise.
Schwefelhaltige Substanzen werden auch durch Verbrennen in einem Ver-
brennungsrohre in einem Strome von Sauerstoff, welcher mit höheren Oxyden des
Stickstoffs gemischt ist, unter Zuhilfenahme von Spiralen glühenden Platins in
Schwefelsäure übergeführt und diese als BaSo4 oder durch Titriren bestimmt
(Ber. XLX, 1910).
Durch die im Vorstehenden beschriebenen Methoden ist man im Stande, die
procentische Zusammensetzung der organischen Substanzen zu ermitteln; dividirt
man die erhaltenen Procentzahlen durch die Atomgewichte der entsprechenden
Elemente, so erhält man das relative Verhältniss, in welchem die Atome des
Kohlenstoffes, Wasserstoffes , Stickstoffes etc. in der betreffenden Verbindung zu
einander stehen, und dieses Verhältniss drückt man zunächst in den einfachsten
ganzen Zahlen aus. So erhält man bei der Analyse der Essigsäure, welche aus
Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff besteht, 40.0 Procent Kohlenstoff, 6.7 Pro-
cent Wasserstoff und durch Ergänzung der Summe beider zu 100 = 53.3 Procent
Sauerstoff. Durch Division mit den Atomgewichten erhält man:
C — 40.0 Procent : 12 = 33.3
H — 6.7 „ : 1 = 6.70
0=53.3 „ : 16 = 3.33
und durch Rednction auf die einfachsten ganzen Zahlen : C, H2 0t als das Ver-
hältniss, in welchem die Atome der drei Elemente zu einander stehen. Die wahre
empirische Formel, d. h. die Anzahl der in einem Moleküle der Verbindung ent-
haltenen Atome der einzelnen Elemente lässt sich aus der Elementaranalyse dieser
allein nicht ableiten. Znr Bestimmung dieser Grösse kann man unter Umständen
— falls Basen oder Säuren vorliegen — ein Salz mit einer bekannten Säure oder
Base darstellen und dieses analysiren oder man bestimmt, wenn die Verbindung
flüchtig ist, die D a m p f d i c h t e (s. d. aus welcher sich die Molekulargrösse
direct ergiebt. So erfährt man aus der Analyse des Silberacetates , dass die der
Essigsäure entsprechende empirische Formel nicht C, H20n sondern Ht 02 ist,
welches Resultat mit den Ergebnissen der Bestimmung der Dampfdichte der Essig-
säure im Einklänge steht.
Bei indifferenten, nicht flüchtigen Stoffeu, z. B. den Kohlehydraten, kann man
sich nur durch das Studium ihrer Umsetzungen und Spaltungen Kenntniss von
der wahrscheinlichen Grösse des Moleküls verschaffen. Ehrenberg.
Elemente. Chemische. Die griechischen Naturphilosophen bezeichneten
Wasser, Feuer, Luft und Krde als die 4 Elemente, indem sie annahmen, das* alle
Naturkörper durch deren Einwirkung entstünden. Als später erkannt wurde, dass
Wasser eine chemische Verbindung, Luft ein Gasgemenge , Erde ein Conglomerat
von Tausenden verschiedener Körper und Feuer überhaupt nur eine Erscheinung
sei, mussten die 4 Elemente der Alten fallen. Heutzutage werden unter Ele-
menten solche Stoffe verstanden, welche mit den der Chemie bislang zu Gebote
stehenden Mitteln und Kräften nicht weiter zerlegbar (einfache Stoffe, Grund-
stoffe, Urstoffe) sind, und die, indem sie sich miteinander vereinigen,
chemische Verbindungen liefern.
Bevor diese Ansichten völlig geklärt waren, hat die Chemie verschiedene Wand-
lungen durchgemacht. So wurde z. B. von Stahl gegen Ende des 17. Jahrhunderts
die Theorie aufgestellt, dass alle verbrennlichen Korper einen eigenen Stoff,
Phlogiston, enthielten , der während des Verbrennungsprocesses daraus ent-
weiche. Die Beobachtung, dass manche Metalle beim Verbrennen, wobei sie in Folge
des Entweichens von Phlogiston eine Gewichtsverminderung hätten erleiden müssen,
im Gegentheil eine Gewichts Vermehrung erfuhren, führte zur Annahme eines
negativen Phlogiston s.
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696
ELEMENTE. CHEMISCHE.
Nachdem von Priestley und Scheele der Sauerstoff entdeckt worden war.
stellte Lavoisier durch Experimente fest, dass die Körper sich bei der Verbrennung
mit Sauerstoff verbänden. Als Hümphry Davit entdeckte, dass mittelst der
VOLTA'schen Säule die bis dahin für einfache Stoffe gehaltenen Alkalien und
Erden sich in Sauerstoff und ein eigenes Metall zersetzen Hessen, war ein Mittel
gefunden, mit dessen Hilfe im Laufe der Zeit eine Anzahl von Elementen isolirt
werden konnten. Das auf Grund des chemischen Verhaltens seiner Verbindungen
schon lange als Element anerkannte Fluor ist erst in der jüngsten Zeit (1886)
durch Moissan ebenfalls durch den elektrischen Strom isolirt worden.
Die Zahl der als solche anerkannten Elemente betrug im Jahre 1886 66 ; die
Zahl derselben vermehrt sich bestandig, wenn auch langsam, und voraussichtlich
werden noch verschiedene der jetzt als Elemente angenommenen Stoffe, vielleicht
mit Hilfe von bis jetzt noch gänzlich unbekannten Kräften, entweder als Gemische
bereits bekannter Elemente oder als Gemische bekannter Elemente mit noch un-
bekannten erkannt werden.
Eine andere Quelle für die Entdeckung neuer Elemente bieten seltene, neuauf-
zufindende Mineralien.
Letzterem Umstände verdankt die Chemie das von Ol. Winkler (im Jahre
1886) in dem neuen Mineral Argyrodit entdeckte Element Germanium,
dessen Echtheit als Element zweifellos zu sein scheint.
Eine Anzahl der im Laufe der Zeit als neue Elemente angesprochenen Stoffe
hat bei weiterer Untersuchung wieder aufgegeben werden müssen, da sie sich als
Gemische bereits bekannter Elemente herausstellten.
Von derartigen wieder verlassenen Elementen sind zu nennen : A r i d i u m,
Donarium, Urnen ium, Norium, Pelopium. Terbium. Ein in jüngster
Zeit (1886) von Linnemann und Wenzel im Orthit von A r e n d a 1 entdecktes
Element A u s t r i u m ist noch nicht völlig sichergestellt. Das Gleiche gilt von
den folgenden : Dysprosium, Gadolinium, Holmium, Mosandrin, Neodym, Praseodym,
Samarium.
Ein Verzeichniss der bis 1886 bekannten Elemente befindet sich Bd. I,
pag. 714.
Döberriner hatte 1830 gefunden, dass die Atomgewichte von Elementen mit
ähnlichen Eigenschaften nahezu um 16, oder ein Vielfaches von 16 differiren und
Mendelejeff, der die bekannten Elemente nach ihren Atomgewichten aufsteigend
in Tabellen ordnete, sagte auf diese Weise eine Anzahl neuer Elemente vorher.
So hat Mendelejeff bereits dem später von Nilson und Cleve entdeckten
Scandium als Ekabor*), dem später von Pifrrefitte und Bensberg ent-
deckten Gallium als Ekaaluminium und dem später von Cl. Winkler ent-
deckten Germanium alsEkasilicium eine Stelle in seiner Tabelle eingeräumt.
Diese Tabelle von Mendelejeff befindet sich Bd. I, pag. 717.
Das Vorkommen der Elemente in der Natur ist ein sehr verschiedenes; die
wenigsten finden sich im elementaren Zustande, die meisten kommen nur in Ver-
bindung mit anderen Elementen vor. Während eine Anzahl Elemente in den ver-
schiedenartigsten Verbindungen in grossen Mengen und überall verbreitet vor-
kommen und für das Leben von Thier und Pflanze, sowie für die Industrie von
grösster Wichtigkeit sind, finden sich andere nur in höchst geringen Mengen an
einzelnen Orten.
Man hat früher die Elemente eingetheilt in Metalle und Nichtmetalle,
oder Metalloide, d. h. den Metallen ähnliche Elemente. Dieser Eintheilung
liegt die Ansicht zu Grunde , dass den Metallen gewisse charakteristische, physi-
kalische Eigenschaften, wie Metallglanz, Leitungsfähigkeit für Wärme und Elek-
tricität, hohes, die Zahl 6 überschreitendes speeifisches Gewicht, Undurchsichtigkeit
allein zukämen. Obwohl nun eine derartige Eintheilung in Folge des lücken-
*) Eka bedeutet im Sanskrit = 1.
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ELEMENTE, CHEMISCHE. — ELEMENTE, GALVANISCHE. 697
haften Princips nicht aufrecht zu erhalten ist, wird dieselbe doch aus praktischen
Gründen noch benutzt, indem zur Classificirung jedoch (nach Kolbe) die chemi-
schen Eigenschaften der Elemente herangezogen werden.
Diejenigen Elemente, welche bei ihrer Vereinigung mit Sauerstoff Oxyde mit
vorwiegend basischem Charakter liefern, sind Metalle, diejenigen, welche Oxyde
mit vorwiegend saurem Charakter liefern, sind Metalloide.
Jedoch auch diese Eintheilung ist nicht einwandsfrei , da einige Elemente mit
Sauerstoff Verbindungen mit saurem und auch mit basischem Charakter liefern und
der Sauerstoff selbst zu keiner von beiden Classen gehört, jedoch zu den Metalloiden
gezahlt wird.
Zu den Metallen zählen daher die nachfolgenden Elemente, die wieder von den
Eigenschaften der Sauerstoff- und Schwefelverbindungen ausgehend, weiter zer-
gliedert werden:
Alkalimetalle (deren Oxyde und Oxydhydrate sind in Wasser leicht löslich
und von stark alkalischer ßeaction) : Kalium, Natrium, Lithium, Rubidium, Caesium.
Erdalkalimetalle (deren Oxyde und Oxydhydrate sind in Wasser weit
weniger löslich, von geringerer alkalischer Reaction und erdiger Beschaffenheit):
Calcium, Baryum, Strontium, Magnesium.
Erdmetalle (deren Oxyde sind in Wasser unlöslich und besitzen ebenfalls
erdige Beschaffenheit) : Aluminium, Chrom, Beryllium, Zirconium, Yttrium, Cerium,
Lanthan, Didym.
Schwere Metalle, I (deren Schwefel Verbindungen werden ans neutralen
Lösungen durch Schwefelammonium gefällt): Eisen, Mangan, Uran, Zink, Kobalt,
Nickel.
Schwere Metalle, II (deren Schwefelverbindungen werden aus saurer
Lösung durch Schwefelwasserstoff gefällt): Blei, Wismut, Thallium, Cadmium,
Indium, Zinn, Kupfer.
Edle Metalle (wegen der grossen Beständigkeit): Quecksilber, Silber, Gold,
Platin, Iridium, Palladium, Rhodium, Ruthenium, Osmium.
Zu den Metalloiden zählen folgende Kiemente, von denen einige ebenfalls in
Gruppen geordnet werden können :
Sauerstoff, Wasserstoff.
Haloide oder Halogene (weil sie durch unmittelbare Vereinigung mit den
Metallen Salze bilden): Chlor, Brom, Jod, Fluor.
Schwefelgruppe: Schwefel, Selen, Tellur.
Stickstoffgruppe: Stickstoff, Phosphor, Arsen, Antimon; ferner: Bor,
Silicium, Kohlenstoff, Titan, Molybdän, Wolfram, Vanadin, Niobium, Tantal.
Ueber die zur Bezeichnung der Elemente in Formeln benutzten chemischen
Symbole (die aus den Anfangsbuchstaben ihrer lateinischen Namen gebildet
sind), sowie über die Atomgewichte der Elemente (in Bezug auf Wasserstoff
= 1), über das Gesetz der Gleichheit der Atomwärmen (von Ddlong-Petit)
und das Gesetz von der Gleichheit der Molek ul ar volumin a (von Avogadbo),
mit deren Hilfe die Sicherstellung der Atomgewichte sämmtlicher bekannterer Ele-
mente ermöglicht wurde, ferner über das Verhältniss, in dem sich die Elemente
untereinander zu chemischen Verbindungen vereinigen (ihre Atomigkeit,
Werthigkeit, Valenz), siehe die Artikel Atom in Bd. I, pag. 710—718,
Bindung in Bd. II, pag. 260 und. Chemie in Bd. II, pag. 659—666.
A Schneider.
Elemente, galvanische, sind Apparate zur Erzeugung continuirlicher , gal
vanischer Ströme. Ein galvanisches Element besteht mindestens aus zwei Leitern
erster Ordnung, das ist solchen, welche den elektrischen Strom ohne Zersetzung leiten,
und einem Leiter zweiter Ordnung, das ist einem solchen, der vom elektrischen Strom
zersetzt wird. Das Element heisst offen, wenn die beiden Leiter erster Ordnung
nicht untereinander in leitender Verbindung stehen, geschlossen, wenn dies der
Fall ist. Im Schliessungsleiter circulirt dann ein elektrischer Strom (s. Galvanis-
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KLKMKNTE, GALVANISCH K
mue). Die mit dem Leiter zweiter Ordnung nicht in Berührung stehenden Enden
der Leiter erster Ordnung des Elementes nennt man dessen Pole. An den Polen
eines isolirten, offenen Elementes tritt immer freie Elektricität , positive an dem
einen, negative an dem anderen, auf, weshalb man von einem positiven und
negativen Pol des Elementes spricht.
Die Güte eines Elementes benrtheilt man nach seinen Constanten, nämlich der
elektromotorischen Kraft und dem inneren Widerstand desselben
(s. Galvanismus). Die elektromotorische Kraft hängt nur von der Art des
Elementes, nicht von seiner Grösse ab, der Widerstand aber ist von beiden abhängig
nnd wird insbesondere unter sonst gleichen Umstanden um so kleiner , je grösser
die Berührungsfläche der Leiter erster Ordnung mit jenen «weiter Ordnung wird.
Da die Wirkung eines Elemeutes für viele Zwecke zu gering ist, verbindet
man mehrere Elemente derart, dass sie sich gegenseitig unterstützen. Eine solche
Verbindung bezeichnet man als galvanische Batterie, eine Bezeichnung, die
in seltenen Fällen auch fttr ein einzelnes Element gesetzt wird. Eine solche Com-
bination führt auch den Namen galvanische Säule, da die erste, von Volta
construirte Batterie säulenförmig aus ihren Elementen aufgebaut war. Auch dieser
Ausdruck wird auf ein einzelnes Element angewendet. Da die Elemente einer
Batterie sich wie die Glieder einer Kette aneinanderreihen, erklärt sich auch die
häufig gebrauchte Benennung galvanische Kette für dieselbe nnd in Uebertragung
auch für das einzelne Element.
Das erste, von Volta construirte galvanische Element bestand aus einer Zink-
nnd einer Kupferplatte , zwischen welchen sich als Leiter zweiter Ordnung eine
mit Salzlösung getränkte Tuchscheibe befand. Cm einen merkbaren galvanischen
Strom zu erzielen , muss man eine grosse Anzahl solcher Elemente aufeinander -
schichten. Der Strom entsteht dann , wenn man die erste Zink- mit der letzten
Kupferplatte, die Polo der Säule, leitend verbindet. Die Sänlenform der Batterie
führte manche Unannehmlichkeit mit sich. So floss z. B. in Folge des Druckes
die Flüssigkeit ans den Tuchscheiben ans, wodurch die Säule sehr bedeutend an
Wirksamkeit verlor. Man construirte daher später Batterien aus Becher- oder
Zellenelementen, viereckigen, mit verdünnter Schwefelsäure gefüllten Glasgefässen,
in welche je eine Zink- und Kupferplatte eintaucht. Bei der Zusammenstellung
der Batterie verbindet man Ieiteud die Kupferplatte je eines Elemente« mit der
Zinkplatte eines anderen , bis schliesslich wieder eine freie Zink- und eine freie
Knpferplatte als Pole der Säule übrig bleiben.
Eine grosse Aehnlichkeit mit der VoLTA'schen Säule zeigt die trockene
oder ZAMRONi'sche Säule, bei welcher die Kupfer- und Zinkplatten durch
Scheiben von Gold- und Silberpapier ersetzt werden , die man mit ihren blanken
Seiten aneinanderlegt, so dass die feuchte Papiermasse den Leiter zweiter Ordnung
bildet. Man schiebtet einige tausend solcher Scheibenpaare aufeinander und ver-
schliesst sie dann in eine Glasröhre, deren in Messing gefasste Enden die Pole der
Säule abgeben. Diese Säule findet eine wichtige Anwendung beim Bohnenberg er-
schen Elektroskop und zuweilen auch als Ladungssäulu bei Elektrometern.
Ebenfalls aus Zink, Kupfer und Flüssigkeit setzt sich die Pul vebmacher1 sehe
Kette zusammen, deren Anwendung in der Therapie vor ungefähr drei Decennien
eine ziemlich verbreitete war. Diese Kette besteht aus kleinen Holzcylindern (s.
Fig. lL".t\ auf welchen spiralig in kurzer Entfernung von einander ein Kupfer- und
ein Zinkdraht so aufgewickelt ist, dass je eine Windung des einen zwischen zwei
Windungen des anderen fällt. Die Drahtenden sind zur Vermeidung jeder Oxydation
vergoldet und biegen sich zu Oesen um, mit Hilfe welcher man eine grössere Anzahl
solcher Cylinder derart aneinanderhängt , dass stets die Zinkdrahtösen des einen
Elementes in die Kupferdrahtösen des zweiten eingreifen. Die letzten Enden des
Kupferdrahtes sind dann durch eiuen Metallstab K, jene des Zinkdrahtes durch
Z verbunden, welche Stäbe die Pole der Kette bilden. Vor dem Gebrauch wird die
Kette kurze Zeit in Essig getaucht, wodurch die Holzcylinder Flüssigkeit genug
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BLEUEM GALVANISCHE.
b99
annehmen, um die Säule zur Wirksamkeit zu bringen. Der Ersatz des Zinkdrahtes
durch Magnesiumdraht erhöht bedeutend die elektromotorische Kraft der Kette.
Der Strom, welchen eine VOLTA'sche Säule liefert, nimmt bald beträchtlich ab.
Er wirkt nämlich zersetzend auf die Flüssigkeit des Elementes, also beim Element
Zink-Kupfer-Schwefelsäure auf die verdünnte Schwefelsäure ein (s. Elektrolyse),
wobei sich die Zersetzungsproducte an die Metallplatten begeben und Veränderungen
im Zustand derselben hervorrufen. Im angegebenen Beispiel scheidet sich Wasser-
stoffgas an der Kupferplatte, Sauerstoff mit wasserfreier Schwefelsäure an der
Zinkplatte ab. Letztere oxydirt sich und löst sich allmälig zu Zinkvitriol auf,
wodurch der Process der Stromerzeugung nicht weiter behindert wird, an ersterer
aber ruft die sich anlagernde Schichte von Wasserstoff eine elektromotorische
Gegenkraft hervor, welche den ursprünglichen Strom schwächen, ja vollständig
vernichten kann. DaB Auftauchen dieser elektromotorischen Gegenkraft bezeichnet
man als Polarisation (s. d.) des Elementes. Ein Element wird nur dann einen
constanten Strom geben, wenn das Anlegen solcher Zersetzungsproducte, meistens
des Wasserstoffes , verhindert wird , oder wenn sich nur Substanzen ausscheiden,
die keine Polarisation bewirken können. Elemente, welche diese Bedingungen er-
füllen, nennt man konstant. Die Haupttypen derselben sind das I Uni eil-,
das Grove- und das Bunsenelement.
Fig. 12;».
Das Danicllelement besitzt meist ein cylindrisehes Glasgefäss, in dem sich
ein ähnlieh gestaltetes, poröses Thougefäss von kleinerem Durchmesser, das Dia-
phragma, befindet. Das Glasgefflss ist mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt, in
welche ein amalgamirter Zinkcylinder so «intaucht, dass er das Diaphragma um-
schliesst. Letzteres selbst enthalt eine eoneentrirte Lösung von Kupfervitriol und
eine cylindrisch gebogene Kupferplatte. Der Kupfer- und Zinkcylinder tragen dann
noch passende Klemmen zum Befestigen des Leiters, durch welchen das Element
geschlossen werden soll. Der Strom zerlegt beim geschlossenen Element die Schwefel-
säure, wodurch Sauerstoff und wasserfreie Schwefelsäure an die Zinkplatte treten
und an dieser Zinkvitriol bilden, während sich der von der Zersetzung herrührende
Wasserstoft' an das Diaphragma begibt. Gleichzeitig tritt aber auch eine Zer-
setzung des Kupfervitriols ein, in Folge welcher sich metallisches Rupfer an
den Kupfereylinder niederschlagt, Sauerstoff und wasserfreie Schwefelsäure sich
am Diaphragma ausscheidet und mit dem dort vorhandenen Wasserstoff wieder
Schwefelsäurehydrat bildet. Die elektromotorische Kraft dieses sehr constanten
Elementes beträgt 1.12 Volts. Da sich durch den chemischen Process nach
und nach die Schwefelsäure in eine Lösung von Zinkvitriol verwandelt, so
verändert sich der innere Widerstand des Elementes, worunter ebenfalls die Con-
stanz des Stromes leidet. Man hilft diesem Uebelstand durch ciue Beschickung des
Elementes mit einer Lösung von Zinkvitriol an Stelle der Schwefelsäure ab. Die
Concentration der Kupfervitriollösung wird durch ein oben hineingehängtes Draht-
sieb, welches Krystalle des Vitriols enthält, erhalten. Das Amalgamiren des Zink-
cylinders in diesem und den folgenden Elementen verhindert, dass sich das Metall
nicht schon ohne Stromeswirkung in der Säure auflöst (s. Elektrolyse). Dag
Daniellelement wird in zahlreichen Modifikationen construirt , die sich jedoch im
Princip nicht von der ursprünglichen Construction unterscheiden. In diese Kategorie
gehören die Elemente von Siemens, Meidinger und Callaud.
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700
ELEMENTE, GALVANISCHE.
Die elektromotorische Kraft des Daniellelementes ist nicht besonders gross, sein
innerer Widerstand nicht unbedeutend, zwei Ursachen, welche eine grössere Strom-
intensität mit Datenelementen nur schwer zu erreichen gestatten. Nach beiden
Richtungen hin ist das Groveelement bedeutend besser. Der äusseren Form nach
gleicht es dem Daniellelement , doch ist in demselben an Stelle des inneren
Kupfercylinders in Kupfervitriollösung ein Platinblech, welches in concentrirte
Salpetersäure taucht, gesetzt. Auch in diesem Element kann der von der zersetzten
Schwefelsäure herrührende Wasserstoff nicht an das Platin gelangen, da er in der
Salpetersäure zu Wasser oxydirt wird, hierbei aber die Säure zu Untersalpeter-
säure reducirt , die sich theilweise löst , theilweise aber in Gasform ausscheidet.
Der letztgenannte Umstand verringert sehr bedeutend die Anwendbarkeit des Ele-
mentes, da die ausgeschiedenen Dämpfe nicht nur auf die Respiratiousorgane
schädlich, sondern auch auf alle metallischen Gegenstände der Umgebung ver-
derbend einwirken. Die elektromotorische Kraft des Elementes beträgt 2 Volts;
sein innerer Widerstand ist relativ gering.
An Stelle des theueren Platinbleches setzte Bcnsen in seinem Elemente Platten
oder Cybnder der billigeren Retortenkohle. Vortheile und Nachtheile hat das
Bunsenelement mit dem Groveelement gemein. Für grössere Stromintensitäten und
längeren Gebrauch verbürgen beide eine grössere Constanz des Stromes als das
Daniellelement.
Zur Vermeidung der lästigen Dämpfe ersetzte Bunsen die Salpetersäure durch
eine Mischung von 61.82 Gewichtsth eilen saurem chromsaurem Kali, 115.7 Ge-
wichtstheilen Schwefelsäure und 604.7 Gewiehtstheilen Wasser, eine Mischung,
aus der sich Chromsänre bildet, die aber mehr Schwefelsäure enthält, als zur
Bildung von Chromalaun bei der Reduction der Chromsäure durch den Wasserstoff
nothwendig ist. Poggendorff empfiehlt eine Mischung von respeetive 3, 4 und
18 Th. Das so construirte Chromsäureelement besitzt eine noch etwas
grössere elektromotorische Kraft als das GROVE'sche, ist auch ziemlich constant, zeigt
aber unter sonst gleichen Umständen einen etwas grösseren Widerstand als dieses.
Die Wartung bei den genannten Elementen beschränkt sich darauf, dass man
für Concentration der Säure respeetive der Kupfervitriollösung sorgt, die Elemente,
sobald man sie nicht mehr braucht, auseinandernimmt, die Diaphragmen in Wasser
aufbewahrt, damit die an ihnen abgelagerten Substanzen nicht die Poren durch-
wachsen und die Zellen brüchig machen, dass man ferner den an der Zinkober-
fläche in Folge der Verunreinigungen dieses Metalles sich ansetzenden Schlamm
beseitigt und dieselbe von Zeit zu Zeit frisch amalgamirt.
Ausser den constanten Elementen gibt es noch manche Constructionen von
balbconstanton , bei welchen der Strom nur während eines kürzeren Gebrauches
verhältnissmässig constant erhalten werden kann. Ein ziemlich häufig angewendetes
Element dieser Art ist das SMEß'sche. Es besteht aus einer mit Platinmohr über-
zogenen Silberplattc, die an einem Holzdeckel zwischen zwei untereinander leitend
verbundenen Zinkplatten isolirt befestigt ist. Die Platten sind mit passenden Zu-
leitungsklemmen versehen und tauchen durch Aufsetzen des Deckels auf ein mit
verdünnter Schwefelsäure gefülltes Glasgefäss in die Säure ein. Man verwendet
selten einzelne Elemente, sondern vereinigt mehrere zu einer Batterie, wobei man
die Platten aller einzelnen Elemente so an einem Brette befestigt, dass sie gemein-
sam aus ihren Gefässen mittelst einer einfachen Hebevorrichtung herausgehoben
werden können. Bei diesen Elementen verhindert die rauhe Oberfläche des Platins
das Ansetzen des Wasserstoffgases, das in kleinen Blasen entweicht. Die be-
schriebene Form der Batterie nennt man Tauchbatterie.
Auch Bensen construirte eine solche Tauchbatterie, bei der die Kohlen- und
Zinkplatten , aus welchen die Elemente bestehen , ebenfalb an einem Holzrahmen
befestigt sind und aus ihren Glasgefässen , die eine der oben angegebenen
Chromsäuremischungen enthalten , gemeinsam beim Nichtgebrauch herausgehoben
werden.
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ELEMENTE, GALVANISCHE.
701
Ein sehr weit verbreitetes, halbconstantes Element ist jenes von Leclaxche.
Das Glasgefäss desselben wird durch eine poröse Thonwaud in zwei Abtheilungen
geschieden. Die eine erfüllt eine Lösung von Salmiak oder Kochsalz, in die ein
Zinkstab eintaucht , die andere enthält eine kleinere Menge derselben Lösung , in
die sich eine Kohlenplatte senkt, während den noch übrigen Raum kleine Stückchen
von Mangansuperoxyd ausfüllen. Das Element ist gewöhnlich mit einem Deckel
geschlossen, an welchem die mit dem Zink und Kohleneude in Verbindung stehen-
den Zuleitungsklemmen sitzen.
Eine eigenthümliche Art von Elementen sind die Gaselemente. Ein solches
Element, wie es z. B. Grove construirte, entsteht, wenn zwei durch Platinmohr
rauh gemachte Platinplatten, an deren eiue sich eine Schichte Waaserstoffgas an-
setzte, während die andere mit Sauerstoffgas behaftet ist, in verdünnte Schwefel-
säure tauchen. Der Strom geht dann ausserhalb der Flüssigkeit von der mit
Sauerstoff belegten Platte zu der mit Wasserstoff in Berührung stehenden. Da
durch diesen Strom die Schwefelsäure des Elementes derart zerlegt wird, dass sich
Sauerstoff an der Wasserstofffläche, Wasserstoff an der Sauerstofffläche abscheidet,
und sich hierdurch unter Verdrängung der Gase Wasser bildet, so hört die Wirk-
samkeit des Elementes bald anf. Eine praktische Form gewannen die Gaselemente
erst in den Accumulatoren (s.d., Bd. I, pag. 4JI).
Was die Verbindung der Elemente zur Batterie anbelangt, bq unterscheidet man
die Schaltung auf Quantität und Intensität. Bei der Schaltuug auf Quantität,
die man auch als Nebeneinanderschaltung der Elemente bezeichnet, ver-
bindet man von den zu vereinigenden Elementen alle Platten des einen Metalles
leitend untereinander und ebenso alle des andern. Das Resultat einer solchen
Schaltung ist ein Element, dessen Plattengrösse die Summe jener aller angewen-
deten Elemente ist. Die elektromotorische Kraft der Batterie ist dabei allerdings
nicht grösser als die eines Elementes, ihr innerer Widerstand ist aber auf den
n-ten Theil jenes eines Elementes gesunken, wenn n die Anzahl der geschalteten
Elemente bezeichnet. Die Schaltung auf Intensität, die Hintereinander-
schaltung der Elemente besteht darin, dass man je den positiven Pol des
einen Elementes mit dem negativen eines anderen verbindet. Eine solche Ver-
einigung von n-Elementen besitzt die n-fache elektromotorische Kraft, aber auch
den n-fachen Widerstand des eiuzelnen Elementes. Die erste Art der Schaltung
hat einzutreten, wenn der Widerstand der äusseren Leitung klein ist im Vergleich
zu jenem eines Elementes, die zweite Art, wenn der äussere Widerstand den
inneren bedeutend (Iberwiegt. Die Schaltung auf Intensität ist daher auch die
Schaltungsweise der Batterien zu therapeutischen Zwecken, indem die Theile
des menschlichen Körpers , durch welche der Strom geschickt werden soll , einen
grossen Widerstand besitzen. Alle solche Batterien enthalten daher eine grosse
Anzahl kleiner Elemente, da wohl die durch die groBse Anzahl der Elemente
beträchtliche elektromotorische Kraft, nicht aber der durch ihre Kleinheit bedingte
grössere Widerstand in Betracht kommt.
Zu ärztlichen Batterien eignet sich auch so ziemlich jedes Element , welches
für einige Zeit einen constanten Strom gibt. Der Unterschied dieser Batterien liegt
daher weniger in der Art der Elemente, die nnr insoweit in Betracht kommt, als
die Transportfähigkeit und die Möglichkeit, sie in gutem Zustande zu erhalten,
davon abhängt, sondern hauptsächlich in der mehr oder weniger compendiösen
Zusammenstellung, der bequemen Handhabung nud der geschickten Verbindung der-
selben mit den zu ihrem Gebrauch notwendigen Nebenapparaten. Ein Beispiel solcher
Elemente ist die Modification des Daniellelementee von Remak und später von
Trouve, welche kleine Zink-, Thon- und Kupferschüsselchen nach Art der Volta-
schen Säule aufschichteten, wobei jede Zink- und Kupferplatte auf einem Tuchlappen
oder Fliesspapierbauseh aufruhte, der mit Zink- respective Kupfervitriol getränkt war.
Beim Chlorsilberelement nach Pincus befindet sich am Boden eines mittelgrossen
ReagirglaseB ein kleiner Cylinder aus Silberblech, von dem ein Zuleitungsdrabt isolirt
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702 ELEMENTE, GALVANISCHE. — ELEMI.
in einem Kautschukröhrchen nach aussen geht. Der Cylinder ist mit Chlorsilber
gefüllt , über welchem verdünnte Schwefelsäure oder Kochsalzlösung steht. In
letztere taucht ein Zinkstab , welcher durch den Stöpsel des Glase« geht und an
ihm befestigt ist.
Das LECLANTHä-Element wurde von Beetz in sehr zweckmässiger Weise für
therapeutische Zwecke umgestaltet. In ein Reagirglas ist von unteu ein Platindraht
so eingeschmolzen, dass seine Enden innen und aussen hervorragen. Das innere
Ende umgibt ein Gemisch von Retortenkohle und Braunstein, auf das concentrirte
Salmiaklösung bis zu zwei Drittel der Höhe des Gefässes gegossen wird. Den
oberen Theil des Glases bestreicht man dann mit Talg, damit nicht Salmiak an
ihm emporkriecht. Durch den Stöpsel des Reagirglases hindurch geht in die
Fig. 130.
Salmiaklösung ein unamalgamirter Zinkstab, der nach oben zu mit einem geraden
Messingdrabt als Zuleiter in Verbindung steht. Die Vereinigung solcher Elemente
zur Batterie zeigt Fig. 130. Jedes Element wird mittelst des oberen und unteren
aus ihm herausrageuden Drahtes von zwei Klemmen an einem Holzgestell festgehalten.
Dabei sind immer die untere Klemme des einen Elementes und die obere des
nächsten leitend verbunden, die Elemente also auf Intensität geschaltet. Die Figur
zeigt weiters noch die mit Holzstielen versehenen Federklemmen, durch deren
Anstecken an die geraden Messingdrähte der Elemente man eine beliebige Anzahl
derselben in den Stromkreis schalten kann, und zwei Elektroden, zu welchen die
Leitungsdrähte führen. Pitsch.
Elemi ist ein Sammelname für harzartige Produete verschiedener, vorwiegend
dem Verwandtschaftskreise der Durserarme angehöriger Bäume.
Das Elemi der Alten, das afrikanische Elemi, wird aut das Exsudat der dornigen
Form des wilden Ölbaumes, oder wahrscheinlicher nach FlüCKJGER auf dasjenige
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ELEMI.
703
von Bo8tcellia Frereana Birdvo. der Somaliküste, das alte LubanMati, zurück-
getunrt.
Die Elerai8orten der Jetztzeit gruppiren sich in
1. Amerikanische, von Icica- und Amyrt's-Arten abstammend. Sie werden,
respective wurden im Handel nach Herkunft bezeichnet als Brasil- oder Rio-Elemi,
Elemi in panis von Columbien und Neu Guinea , Westindisches Elemi , Yucatau-
Elemi und Mexico- oder Veracruz-Elemi. Von allen diesen gelangt nur Mexico-,
respective Yucatan-Eleroi in den Handel. Beide bilden die als hartes Elemi
bezeichnete Waare der Drogenhfiuser.
Mexico - Elemi wird in der Gegend von Oaxaca, von Amyris elemifera Royle
gesammelt, wurde vor 30 Jahren zuerst eingeführt. Es bildet blassgelbliche harte,
auf dem Bruche glänzende Stücke, die theilweise mit porzellanartigen, weissen,
glänzenden Partien durchsetzt sind.
Yucatan-Elemi ist in der jetzigen Handebjform mehr hell graugrünlich,
auf dem Bruch an polirtes Horn erinnernd , aussen weisslich bestäubt , daher in
den kleinsten 8tücken an Olibanum erinnernd. Geruch, ebenso wie die übrigen
festen Elemisorten, schwach aromatisch, terpentinartig.
Yucatan- oder westindisches Elemi der Ph. Germ. I., welches oitronen- oder dunkel,
pomeranzengelb ist und von Amyris Plumieri DC. oder Icica- und Bursera- Arten
der Antillen abgeleitet wird, scheint nach vorliegenden Proben nicht gleichbedeutend
mit dem jetzigen Yucatan-Elemi zu sein. Die jetzt im Handel gebräuchliche Gleich-
bedeutung von Mexico- und Yucatan-Elemi erklärt sich durch die politische Zuge-
hörigkeit Yucatans zu Mexico.
Elemi in panis von Columbien (Neu-Guinea) kommt nicht mehr in den
Handel. Es bildet bis Kilo schwere dreieckige oder abgeplattete, in Palmen oder
Marantablätter eingewickelte Stücke. Es stammt von /c/ca-Arten.
Brasil- oder Rio-Elemi. Heute selten, von Icica -Arten abstammend, ist
weich und erinnert in Consistenz und Geruch an Manila-Elemi. Ein neues Elemi
in Form eines Weichharzes stammt von Icica heptaphylla AubL in Britisch-
Guyana, wo es als Hiawe bekaunt ist.
2. Manila- oder Philippinisches Elemi, das weiche Elemi des Handels ;
zur Zeit die einzige regelmässig im Handel erscheinende Sorte. Es wird auf Luzon
von einem oder vermuthlich mehreren Baumarten, welche als Arbol al Brea oder
Harzbaum bezeichnet werden, aber botanisch nicht genau bekannt sind, gewonnen.
Die Handelsform des Manila-Elemi bildet weiche, zähe, fettglänzende, klebrige
Massen, von der Consistenz eines sehr dicken Terpentins, in Farbe und Ausseheu
dem weissen Honig sehr ähnlich und mit kleinen Rindenstückchen untermischt.
Die anfangs weissliche Färbung geht mit der Zeit in's Gelbliche und in's Grünliche
über, auch tritt grössere Härte ein. Der Geruch ist sehr charakteristisch und
stark, erinnert an Terpentinöl, an Macis, und etwas an Fenchel oder Ol. Cumini.
Der Geschmack ist aromatisch und bitterlich. Unter dem Mikroskop zeigen sieh
Krystalle, die besonders deutlich beim Verdunsten einer ätherischen Lösung zu
erkennen sind.
3. Ostindisches Elemi von Canarium Arten. Dasselbe bildet bis Uber pfund-
schwere harte Stücke, an denen Reste von Palmblättern als Verpackungsmaterial
kleben. Bruchstücke zeigen eine weissliche mattglänzende Innenfläche. Die Aussen-
seite ist dunkel citronengelb, leicht abreibbar. Oft bildet diese gelbe Aussenseite
eine Rinde, die als deutliche Schicht von der helleren Mittelpartie abgetrennt ist.
In grösseren 8tücken sind grünliche Partien erkennbar. Geruch tritt nur beim
Reiben deutlich, aber auch dann nur schwach hervor.
4. Bengal-Elemi. Dasselbekam 1830 von Calcutta nach England als weiche,
weisse, in Bambusröhren eingeschlossene Masse von starkem Elemigerucb. Es soll von
Amyris Agallocha Bxb. oder von Balsamodendron Boxbourghii A •'. abstammen.
5. Neu-Guinea- Elemi soll von Canarium -Arten stammen, ist gelblichweiss,
hart und bestäubt. Keine Haudelswaare.
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704
ELEMI. — ELETTARIA.
6. Mauritius-Elemi. Dasselbe gelangte bis jetzt nur im Jahre 1855 in
den Handel, gleicht dem Manila-Elemi und stammt von Golophonia Mauritiana DC.
Am genauesten untersucht ist das Mauila- Klemi. Dasselbe ist löslich in Chloro-
form, in Aether, warmem Benzol, Alkohol, Terpentinöl, fetten und Ätherischen
Gelen und hat das specifische Gewicht 1.02 — 1.08. Die Hauptmasse wird von
einem amorphen Harz (C„ H8)j -f OH2 gebildet. Daneben findet sich eine geringe
Menge krystallisirbare Elemisäure CJ5H4604, krystallisirendes Amyrin CiöH120
und Krystalle von Bryoidin C80Hs8O3. Aetherisches Oel befindet sich zu etwa
1 2 Procent darin. Dasselbe bedingt den Geruch, besteht aus verschiedenen Terpenen
und ist wasserhell. Ausserdem ist ein Bitterstoff vorhanden.
Westindisches Elemi ist nur zu 60 Procent in warmen Spiritus löslich, der
Gehalt an ätherischem Oel ist ungefähr derselbe.
Ostindisches und amerikanisches Elemi löst sich nach vorliegenden Proben in
denselben Lösungsmitteln, liefert auch wie Manila-Elemi deutliche Krystalle, wahrend
das Harz von Boswellia Frereana keine Krystalle zeigt.
Die Unterscheidung der Elemisorten ist sehr schwierig, wenn nicht unmöglich.
Chemische und mikroskopische Unterschiede sind nicht festzustellen. Ueberhaupt
würde nur eino Unterscheidung in hartes und weiches Elemi für den Fall einer
Aufnahme in eine spatere Pharmakopoe praktisch durchführbar sein und auch
genügen, denn die Unterschiede unter den einzelnen harten Sorten sind nicht
grösser als die zwischen den Terpentinsorten verschiedener Pinus- Arten. Weiches
Elemi ist durch Reiuen viel grösseren Oelgehalt abweichend, daher vielleicht wirk-
samer und medicinisch und pharmaceutisch zu trennen.
Die Gewinnung des Elemi ist nur von Luzos* bekannt, wo die Bfiume ange-
schnitten und durch Feuer der Austritt des Harzes beschleunigt wird.
Anwendung findet Elemi nur noch zur Lackfabrikation.
Als Verfälschungsmittel dient Fichtenharz. Prollius.
Elemisäure, C36 H60 04. Wenn man aus dem Elennharz das Amyrin vom
Elemin trennt, bleibt in der alkoholischen Mutterlauge des erstcren die Elemisäure
zurück. Kleine glänzende Krystalle, unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol
und Aether. Schmelzpunkt 215°. Linksdrehend.
ElephantenlällSe heissen die Früchte von A n acard ium (s. Bd. I, pag. 347).
Elephantiasis ist eine meist auf die unteren Extremitäten beschränkte , mit-
unter aber auch an anderen Körpertheilen vorkommende Erkrankung der Haut,
in deren Folge die betroffenen Organe unförmlich und oft in sehr hohem Grade
vergrössert werden.
Elephant0pif8, Gattung der Compositae. Gruppe Vernoieae. Ausdauernde
Kräuter mit 3 — f>blflthigen Köpfchen. Der Hüllkelch zeigt 2 Reihen von Hüll-
blättern; die Krone ist handfÖrmig-5theilig , mit einem tieferen Einschnitte: die
Staubfäden sind kahl; die Griffeläste dünn; die Frucht ist zusammengedrückt,
vielrippig, behaart; der Haarkranz einreihig.
Elephantopus tomentosus auet. (non L.) = inollis HBK„ ausgezeichnet
durch zottige Behaarung, wird in Nord-Amerika neuerlich als Expectorans und
Diaphoreticum empfohlen.
Elettaria, Gattung der Zingiberaceae, Unterfamilie Amomeae. Südasiatische
Kräuter mit kriechendem Wurzelstock, zweizeilig mit scheidigen Blättern besetztem
Stengel und theilwcise kriechendem Blüthenschaft. Von der doppelten Blüthenhülle
ist das äussere Pcrigon röhrig, das innere lippig. Das einzige fruchtbare Staub-
gefäß schliesst zwischen den Antherenhälften (ohne Anhängsel) den Griffel ein,
dessen Narbe klein, nicht gefranst ist. Die Frucht ist eine lederige, stumpf drei-
kantige Kapsel it zahlreichen, von einem zarten Arillus umwachsenen Samen.
Elettaria Cardamomum White et Mat. (Anwmum rejtens Sonn.,
Alpinia Cardamomum Jixb.) besitzt ein stark daumendickes , reich bewurzelte«
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ELETTARIA. — ELFENBEIN.
705
Fig. 131.
illililllUlii
Rhizom, aus welchem sich 2 — 3 m hohe Stengel mit big 60 cm langen, gehilfähn-
lichen, fein behaarten, drüsig punktirten Blättern abzweigen. Die Blüthenstiele mit
häutigen Scheidenblattern liegen auf dem Boden auf, erat die Blüthenrispeu erheben
sich. Die Blllthen sind unscheinbar grttnlichweiss, die Kapseln bis fast 2 cm lang,
dreifächerig, mit zwei Reihen Samen in jedem Fache.
Von dieser Art stammen die kleinen oder Malabar-Cardamomen (s. Bd. II,
pag. 552).
El ettaria major 8m. , die Mutterpflanze der langen Ceylon-Card a-
momen, ist vielleicht nur eine Varietät der vorigen, indem sie sich wesentlich
nur durch die doppelt so grossen Früchte und durch die oberseits kahlen Blätter
von ihr unterscheidet.
Elfenbein im engeren Sinne ist die Zahnbeinsubstanz der Stogszähne des
Elephanten und des fossilen Mamuth, doch bezeichnet man mit diesem Namen auch
andere Zahnsubstanzen , namentlich auch die grossen Eckzähne des Nilpferdes
(Hippopotamus), des Walross (l'richechus), den Stosszahn des Narwal oder
Einhorn (Monodon), die Zähne des P o t w a 1 ( Physeter), und vegetabilisches
Elfenbein nennt man das weisse und
beinharte Endosperm einiger Palmensameu,
welche gross genug sind, um technisch ver-
werthet zu werden. — S. S t e i n n u s s.
Alle die oben genannten Zahne stimmen
in ihren histologischen, chemischen und
physikalischen Eigenschaften nahe ttberein,
und wenn sie dessenungeachtet technisch
nicht gleichwerthig sind , so liegt dies
hauptsächlich au ihrer Form und Grösse,
theilweise auch an gewissen physikalischen
Verschiedenheiten, welche an und für sich
sehr geringfügig, aber für bestimmte Ver-
wendungsarten ausschlaggebend sind , wie
Härte, Zähigkeit, Farbe.
Die Grundmasse aller Zahne ist das
Zahnbein ( Dentin). Es besteht aus den
verknöcherten Zahncanülchen, welche dicht-
(vllrl gcdrflngt in radialer Richtung mehr oder
weniger geschlängelt von der Pulpa aus-
strahlen. Zwischen den innig verschmolzenen
Röhrchen des Zahnbeins bleiben mikrosko-
pisch kleine Lücken frei, die sogenannten
Interglobularräume , welche eine gewisse
Regelmässigkeit in der Anordnung zeigen
und dadurch das sicherste Mittel zur Unterscheidung der Zahnarten im verarbeiteten
Zustande darbieten. Im Elfenbeinzahne (Fig. 131) sind sie in dichten parallelen
Reihen gruppirt, im Nilpferdzahu sehr klein uud kaum merklich geschichtet, im
p ■ , « $MMmk
Dünnschliff de» Elfenbein*; die Inter-
globulärräume > kreuzen die Zahiieauabhen
(nach Obermayer). Vergr. 300.
Walrosszahn sehr gross, geschwänzt und zerstreut, im Narwalzahn in ab-
wechselnd schmalen und breiten Streifen dicht gereiht.
Das Dentin enthalt 20—30 Procent organische Substanz , welche gleich dem
Knochen beim Kochen Leim gibt; die Asche besteht vorwiegend aus Kalksalzen.
Seine Härte schwankt zwischen 5 und 6.
Das Elfenbein findet ausschliesslich gewerbliche Anwendung. Der Cement- oder
Schmelzüberzug wird vor der Verarbeitung entfernt. Das sogenannte „Ebur U8tumu
wird nicht aus Elfenbein, sondern aus Knochen und anderen thierischen Abfällen
dargestellt.
Real-Encyclopädio der ge*. Pharmacie. III. 45
Dil
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706
ELFENBEIN. — ELIMINATION.
Fälschungen mit Knochen (s. d.) sind unter dem Mikroskope auf den ersten
Blick zu erkennen, da die Knochensubstanz von der ihr chemisch so nahe stehen-
den Zabnsubstanz histologisch völlig verschieden ist.
I
Elimination (elimino, über die Schwelle setzen) heisst in der Pharmakologie
und Toxikologie die Fortschaffung der eingeführten und resorbirten Medicamente
oder Gifte durch die Secrete. Dieselbe geschieht vorzugsweise durch die Nieren,
bei gasförmigen Stoffen durch Lungen und Haut; ausserdem nehmen Speichel-
drüsen, Thränendrüsen, Leber, Magen- und Darmschleimhaut, die Schleimhaut der
Athemwerkzeuge, unter Umständen auch die Brustdrüse an der Elimination mehr
oder weniger wesentlichen Antheil. Das Verhalten der einzelnen Medicamente und Gifte
ist den Secretionsorganen gegenüber verschieden, ohne dass der Grund dafür überall
klar vorliegt, weshalb gerade dieses oder jenes Secretionsorgan bevorzugt wird.
Von einer specifischen Attractionskraft kann nicht wohl die Rede sein, da häufig
ein secernirendes Organ , welches gerade in erhöhtem Maasse tbätig ist , gewisse
Substanzen fortschafft, die unter normalen Verhaltnissen von einem anderen aus-
geschieden werden, z. B. Chinin im Schweisse bei stark transpirirenden Personen, ver-
schiedene Alkaloide im Speichel bei künstlich durch Pilocarpin erzeugter Salivation.
Eine grosse Anzahl von Stoffen verlässt den Körper unverändert in wenigen Tagen
wieder. Von einzelnen dieser als Organodecursoren bezeichneten Substanzen,
z. B. von chlorsaurem Kalium , ist der Nachweis geliefert , dass sie in der ein-
geführten Menge auch wieder ausgeschieden werden. Zu den Organodecursoren
gehören die meisten lösüchen Salze der Alkali-, Erdalkali- und Erdmetalle (Jodüre
und Bromüre, Carbonate, Sulfate, Hydrochlorate, chlorsaure und unterchlorsaure,
borsaure, unterschwefelsaure Verbindungen), ebenso die Verbindungen der meisten
Pflanzenbasen. Bei auderen, insbesondere bei den Verbindungen der Schwerraetalle,
erfolgt die Elimination in Folge von zeitweiser Ablagerung (s. Bd. I, pag. 24)
erst in weit längerer Zeit , auch nicht in Form der eingeführten Salze , sondern
in solcher metallorganischer Verbindungen. Manche Medicamente und Gifte erleiden
im Organismus solche Veränderungen, dass sie nicht als solche in die Secrete Uber-
treten. Einzelne organische Substanzen unterliegen einer Destruction durch
Oxydation, insofern sie durch Einwirkung des Sauerstoffs im Blute und in den
Geweben die gewöhnlichen Endproductc der Verbrennung, wie sie in den Secreten
zur Ausführung gelangen (Kohlensäure und Wasser bei den nicht stickstoffhaltigen
Substanzen, Harnstoff bei den stickstoffhaltigen) liefern. In diesem Falle können
die Secrete unter Umständen keine Spur der eingeführten Substanz enthalten ;
doch kann die Verbrennung auch nicht vollständig zu Stande kommen und ein
Theil unverändert in die Secrete übertreten. Letzteres ist namentlich der Fall,
wenn grössere Mengen eines Stoffes eingeführt werden , für die der vorhandene
Sauerstoff nicht ausreicht ; man kann häufig den Uebergang eines Stoffes in diese
Secrete nachweisen, wenn derselbe als Gift eingeführt wurde, während derselbe in
medicinalen Dosen nicht in nachweislichen Mengen eliminirt wird. So entzieht sich
der Alkohol bei kleinen Dosen mitunter dem Nachweis im Harn, in dem man ihn
bei berauschenden Dosen regelmässig findet. Verschiedene organische Säuren treten
auch wieder unverändert im Harne auf, wenn sie als solche in grösseren Dosen
gereicht werden, z. B. Apfelsäure, Weinsäure, GitronenBäure , während dieselben
in kleineren Mengen mit den Alkalien im Organismus Salze bilden und so, oder
wenn sie als neutrale Alkalisalze eingeführt werden, wie auch die entsprechenden
Salze der Essigsäure, Ameisensäure und Baldriansäure, als Carbonate im Harne auf-
treten. Neben den Endproducten der Verbrennung organischer Körper finden sich
aber nach manchen unorganischen und organischen Stoffen noch Körper in den
Secreten, welche ebenfalls dem Einflüsse der Oxydation ihre Entstehung verdanken.
So findet sich Schwefelnatrium bei Einführung medicinaler Dosen im Harn als
Natriuinsulfat wieder , schwefligsaure und unterschwefligsaure Alkalien verbrennen
ebenfalls zu Sulfaten, salpetrigsaure Salze zu Nitraten. Neben der Oxydation
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ELIMINATION.
707
können aber auch andere Processe im Organismus Anlass geben, dass andere Ver-
bindungen als die eingeführte in den Secreten erscheinen. So erscheint Ferricyan-
kalium theilweise als Ferrocyankalinm im Harn, wahrend Ferrocyankalium durch
Oxydation in ersteres verwandelt wird. Auf die Combination von Oxydation und
Kednction und die dadurch bedingte Wasserentziehung hat man auch die Bildung von
Harnstoff aus kohlensaurem Ammoniak zurückgeführt, welche von Anderen indessen
auf complicirtere Processe bezogen wird. Solche Processe sind theüs Spaltungen,
theils 8ynthesen, vereinzelt auch moleculäre Umlagerungen, die nicht selten auch
mit Oxydations- und Reductionsprocessen einhergehen und sich mitunter nicht am
ursprünglich eingeführten Körper, sondern an einem Oxydationsproducte vollziehen.
So erscheinen dann in den Secreten, namentlich im Urin, von der eingeführten
Substanz ganz verschiedene Verbindungen, häufig mehrere neben einander und
mit einem Theile des durch die Organe ohne Veränderung hindurchgegangenen
Arzneimittels. Spaltungen sind weniger häufig als Synthesen; doch findet sich
nach Salicin Saligenin neben einer Reihe anderer Körper, nach Solanin Solanidin
(Draoendorff). Auch der Uebergang der Gerbsäure in Gallussäure ist als Spaltung
gedeutet, gehört aber wohl zu den moleculären Umsetzungen, für welche Chinin
ein anderes Beispiel gibt, das nach Kerner theilweise als amorphes Chinin, theils
als Oxydationsproduct (Dihydroxylchinin) im Urin auftritt. 8ynthesen verschiedener
Art finden sich besonders bei aromatischen Verbindungen. Am längsten bekannt
ist die von Wöbler entdeckte Umwandlung von Benzoesäure (C, Hs 04) in Hippur-
sflure (C, Hj, N08) durch Paarung mit Glycocoll (C4 H5 NOa) und Abgabe von
Wasser, der sich der Uebergang von Toluylsäure, Salicylsäure und Anissäure in
analog zusammengesetzte 8äuren (Tolursäure, Salicylursäure, Anisursäure) anschliesst.
In ähnlicher Weise paart sich die aus Chinasäure und Zimmtsäure durch Oxydation
im Thierkörper entstehende Benzoesäure mit Glycocoll und erscheint als Hippur-
süure im Harn. Eine andere Paarung ist die von Baumann und Hertel, entdeckte
mit Schwefelsäure, welche für Phenol, Cresol, Thymol, Naphtol, Salieylamid und
Ähnliche Körper nachgewiesen wurde, die als Aetherschwefelsäuren im Harn er-
scheinen. Eine dritte ist diejenige mit Glycuronsäure (C„ H10 Ot), welche sich bei
Einführung von Kampfer uud Terpentinöl (Schmiedebero), aber auch bei Phenol,
Thymol, Naphtol und diversen aromatischen Stoffen neben der Paarung mit
Schwefelsäure vollzieht. Auf Glycuronsäurepaarung ist auch die Ausscheidung des
Chloralhydrats und Butylchlorats als Urochloralsäure und Urobntylchloralsäure zu
beziehen, doch findet diese erat nach zuvoriger Reduction der eingeführten Körper
zu Trichloraethylalkohol, beziehungsweise Trichlorbutylalkohol statt. Als Beispiel
complicirter Veränderungen nennen wir das Jodoform, von dem sich Jod abspaltet
und in Form von Jodalkalien , zum Theil vielleicht auch von jodsauren Salzen
erscheint, neben denen dann aber auch noch eine organische Jodverbindung im
Urin sich findet, ferner das bereits mehrfach erwähnte Phenol, das bei Vergiftungen
theils als solches, theils als Aetherschwefelsäure oder Glycuronsäureverbindung im
Harn erseheint, daneben aber auch zu Hydrochinon und Brenzcatechin sich oxydirt,
von denen das erstere wieder theilweise mit Schwefelsäure sich paart, theilweise
zu gefärbten Producten weiter verbrennt.
Die Kenntniss der Elimination der einzelnen Stoffe hat namentlich dadurch Be-
deutung, dass die Secrete, und vor Allem der Urin, ein werthvolles Untersuchung»-
object für gerichtliche Fälle abgeben, da das Gelingen des Nachweises eines Giftes
oder daraus im Thierkörper entstehender Substanzen in denselben den Beweis
einer stattgehabten Vergiftung liefern kann. Die Elimination durch den Harn ist
mitunter so bedeutend, dass der Urin selbst giftige Wirkung äussern kann. Durch
glaubwürdige Reisende ist verbargt, dass der Harn der Personen, welche in Ost-
asien den Fliegenpilz als Berausohungsmittel verwenden , dieselben Erscheinungen
hervorruft. Fast alle oben angeführten Beispiele für die verschiedenen Aus-
scheid ungsweisen beziehen sich auf den Harn, und einzelne Arten der Elimination
baben nur für diese Giltigkeit, z. B. die Hippursäurebildung aus Benzoesäure, die
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ELIMINATION. — EL1SABKTII QUELLE.
aller Wahrscheinlichkeit nach in den Nieren durch ein eigentümliches Ferment
(Histozym) bewirkt wird. Aber auch andere Secrete entbehren der toxikologischen
Bedeutung keineswegs; namentlich erscheint die Galle für die Elimination der
Metalle von besonderer Wichtigkeit. Weniger Bedeutung besitzt die Elimination
durch die Haut , (»bschon nicht blos flüchtige Stoffe , wie Schwefelwasserstoff,
Tellurwasserstoff, Kakodyl, die Stinkstoffe von Asa foetida und Allium, welche der
Hautausdünstung ihren Geruch mittheilen, durch dieselbe eliminirt werden, sondern
auch Quecksilber, Jod und Jodalkalien, Arsenikalien, Kupfer, Chinin, verschiedene
organische Säuren und Farbstoffe (Indigo, Rhabarber), die im Schweisse nachgewiesen
wurden. Im Speichel sind Quecksilber , Jod , Saiicylsäure , Chlorlithium , diverse
Alkaloide, namentlich auch das im Harn nicht nachweisbare Physostigmiu, aufge
wiesen; im Magensaft Natriumsalicylat , Quecksilberchlorid, Jod, Chlorlithium,
Chinin, Atropin, Strychnin u. a.
Ein besonderes Interesse gewährt die Elimination durch die Milch, nicht blos wegen
der reichlichen Anzahl von Stoffen (Zink, Blei, Eisen, Wismut, Saiicylsäure, Jod,
manche Riech- und Farbstoffe, wie Anis-, Cumin-, Dillöl, Wurmsamenöl, Terpentin,
Knoblauchöl, Copaivaöl, Indigo, viele Bitterstoffe n. a.), die in dieselbe übergehen,
sondern auch, weil einzelne Stoffe unter Umständen in solchen Mengen in die
Milch übertreten, dass sie vergiftend und selbst letal auf den die Milch geniessenden
Säugling wirken können. Es gilt dies ganz besonders für arseuigsaures Kali und
Morphium (Opium), doch nur, wo diese in toxischer Dose gegeben wurden, nicht
nach den internen oder subcutanen Medicinalgaben (Rkouardel , Fehling). In-
wieweit der purgirende Effect der Milch von Müttern , welche Sennesblätter,
Scamraoniura, Ricinusöl genommen haben, auf dem Uebergange des activen Stoffes
in die Milch beruht, ist nicht völlig sicher.
Die zeitlichen Verhältnisse der Elimination sind nur für wenige Stoffe genau
erforscht. Unter den Organodecursoren werden Stoffe von sonst gleichen Eigen-
schaften mit grösserem Diffusionsvermögen rascher als diejenigen mit geringerem
Diffusionsvermögen eliminirt. Manche Stoffe erscheinen schon in wenigen Minuten
in den Secreten, selbst ehe sie deutliche Wirkung ausgeübt haben, z. B. Salicyl-
säure und Strychnin im Harn, Jodkalium im Speichel und Harn. Die Elimination
erreicht bei solchen ihre Höhe in den ersten Stunden und ist in 24 — 36 Stunden
nahezu vollendet. Auf die Schnelligkeit der Ausscheidung wirken übrigens alle die
Resorption fördernden Momente (».Aufsaugung, Bd. II, pag. 18) beschleunigend;
namentlich sind die Applicationsstellen von besonderer Bedeutung. So erscheinen Jod-
kalium, Ferrocyankalium u. a. rascher nach directer Einführung in das Blut und bei
Subcutanapplication in den Secreten 'als nach interner Verabreichung. Bei letzterer
wirken Fieber und pathologische Zustände des Magens retardirend. Bei Stoffen,
welche in Folge von Deposition langsamer und intermittirend ausgeschieden werden,
läset sich die Elimination durch chemische Lösungsmittel und secretionsbefördernde
Substanzen (s. Antidota, Bd. I, pag. 420) beschleunigen oder wieder in Gang
bringen. Th. Hasemann.
Elisabethiner Blutreinigungspillen des Apothekers neüstein in Wien
bestehen nach Hahn vorwiegend aus Aloe und Jalapa mit einem geringen Zusatz
von Rheum und Pulpa Tamartndorum. Sie sind weiss caudirt. Von derselben
Firma werden auch verstärkte, rosa candirtc Pillen in den Verkehr gebracht.
Elisabethiner Kugeln, Globuli ad erysipelas, sind (nach einer österreichischen
Vorschrift) circa 30 g schwere Kugeln, welche aus einer Pulvermischung von 25 Tb.
Ammonium chloratum, 25 Th. Camphora, 50 Th. Alumen, 300 Th. Cerwaa und
600 Th. Greta mit Hilfe von Stärkekleister geformt , dann bei gelinder Wärme
getrocknet werden. Weiche Leinwandlappen werden mit diesen Kugeln reichlich
bestrichen und über die entzündete Stelle gelegt.
Elisabethquelle, s. Homburg, Mehadia, Giesshübl.
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ELIXIB. — ELIXIR APERITIVUM GLAU DK R.
709
Elixir (Elixirium). Vom arabischen eksir oder iksir, Stein der Weisen, mit dem
Artikel «/, nicht von iXifc, AXtfe, Lecksaft, oder elixus, in einer Brühe gesotten,
abstammende, von den Paracelsisten angewandte Bezeichnung für von ihnen als Uber-
aus werthvoll erachtete, mit Weingeist oder mit Weingeist und Säuren oder Alkalien
gemachte flüssige Auszüge aus mehreren Drogen. Das Elixir ist somit eine Tinctur
oder Tinctura composita, mit welchem Namen man jetzt auch die Mehrzahl der
unter dem Namen Elixir officinellen Präparate belegt, und unterscheidet sich von
gewöhnlichen Tincturen nur durch grössere Concentration und davon herrührende
dickflüssige, häufig trübe und sedimentirende Beschaffenheit. Viele der älteren
Elixire, z. B. Elixir amarum, Elixir Aurantiorum compositum, sind jetzt nicht
mehr Auszugsformen, sondern Lösungen von Extracten und Mischungen von
Tincturen (Mixturen). Vereinzelt ist auch für besonders wirksam gehaltene Mix-
turen anderer Art der Name Elixir beibehalten, z. B. für Elixir pectorale s. e
succo Liquiritiae, dessen Basis Wasser bildet, oder Mischungen von Mineralsäuren
und Alkohol (Elixir acidum Rabeiii, El. acidum Halleri). Neueren Datums ist
die Verwendung der Bezeichnung für Tafelliqueure, die durch Mischung von Spiri-
tuosen Destillaten oder in Weingeist gelösten ätherischen Oelen mit Zucker erhalten
werden (Beral). Auch in diesem Sinne ist der Ausdruck in einzelne Pharma-
kopoen Ubergegangen , besonders in die französische , die das Elixir als eine
Mischung von Syrup mit Alkoholarten definirt, ohne dass ein einziges ihrer Elixire
genau in dieser Weise hergestellt würde. Solche moderne süsse Elixire sind das
Elixir de Garus, Elixir de jyepsine, Elixirium Coca Belg, und Elixir Aurantii
der amerikanischen Pharmakopoe. Die Zahl der Elixire nimmt in den Pharma-
kopoen von Jahr zu Jahr ab, die Ph. Austr. kennt gar keine „Elixire" mehr, die
Ph. Germ, führt deren noch drei auf. Th. Hose ma an.
Elixir acidum Haller Oder Dippel ist gleich Mixtura sulfurica acida Ph.
Germ, und Liquor acidus Hallen Ph. Austr.
*
Elixir ad longam Vitam, schwedisches Lebenselixir, Augsburger Lebens-
elixir, KiNSOW'sche Lebensessenz. Die Ph. Germ. I. gab unter dem Namen „Tinctura
Aloös composita" folgende Vorschrift zu dem Elixir : 9 Th. Aloe und je 1 Th.
Enzianwurzel, Rhabarber, Zittwerwurzel, Safran und Lärchenschwamm werden
mit 200 Th. Spiritus dilutus durch Digestion zur Tinctur bereitet. Nach älteren
Vorschriften werden den vorstehenden Species noch hinzugefügt 1 Th. Galgant-
tcurzel, 1 Th. Myrrhe und 2 Th. Theriak. — Vergl. auch Augsburger
Lebensessenz, Bd. 11, pag. 28.
EllXir alexipharmaCUm Huxham ist eine Tinctur, aus 24 Th. Gortex
Chinae, 6 Th. Gortex Aurantii, 5 Th. Radix Serpentariae, 2 Tb. Crocus und
1 Th. Goccionella mit 275 Th. Spiritus dilutus bereitet.
EllXir amarum Ph. Germ. II. : 10 Th. Extractum Absinthii und 5 Th.
Elaeosacch. Menthae piper. werden in 25 Th. Aqua vertheilt und dieser Mischung
je 6 Th. Tinct. amara und Tinct. aromatica zugefügt. — Nach Ph. Germ. I.
dagegen wurden je 2 Th. Extractum Trifolii und Extractum Aurantii cort. in
16 Th. Aqua Menthae piper. und 16 Th. Spiritus dilutus gelöst und 1 Th.
Spiritus aethereus hinzugemischt.
EllXir ammOniacale-Opiatum ist eine Mischung aus 40 Th. Elixir e succo
Liquiritiae und 1 Th. Tinct. Gpii crocata.
Elixir antiCatarrhale Hufeland ist eine Mischung aus 4 Th. Extr. Cardui
bened., 1 Th. Extr. Dulcamarae , 5 Th. Aqua Laurocsrasi und 30 Th. Aqua
Foeniculi.
Elixir aperitivum Ciauder, s. unter ciauder, Bd. in, pag. im.
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710 ELIXIR AURANTII COMPOSITUM. — ELLAGENGERBSÄURE.
EliXir AurantÜ Compositum (Ph. Germ.), Elixir viscerale Hoffmann, E. bal-
saniicum temperans , E. stomachicum. 50 Th. Gortex Aurantii, 10 Th. Cortex
Cinnamomi und 2Va Th. Kalium carbon. werden mit 250 Th. Xereswein acht
Tage lang maeerirt ; in der abgepressten Colatur, welche durch Zusatz von Xeres-
wein auf 230 Th. zu bringen ist, werden je 5 Th. Extr. Absinthii, Extr. Cas-
carillae, Extr. Gentianae und Extr. Trifolii gelöst. Man lasst längere Zeit ab-
setzen und filtrirt dann.
Elixir de Garus, ein iu Frankreich sehr irebräuchliebes Stomachicum ; die
ursprüngliche Bereitungsweise ist ziemlich umständlich, und da das Elixir mehr als
Tafelliqueur wie als Medicament dient, so gibt Dorvault auch eine vereinfacht«
Vorschrift : Je 10 Tb. Tinctura Croci, Tinct. Cinnamomi, Tinct. Caryophyllorum
und Tinct. Mocidis, 100 Th. Aqua Aurantti ftorum, 400 Th. Alkohol und 550 Th.
Syrupus Capilli Veneris werden gemischt.
EliXir paregoriCUm ist Tinctura Opii benzofca.
Elixir pectorale und E. p. Regia Oaniae, 8. Elixir e Sueco Liqui-
ritiae. — E. p. Hüfeland. Je 10 Th. Bulbi Scillae, Radix Helenii und Rhi-
zoma Iriditt Flor., je 5 Th. Ammoniacum, Benzo?, Myrrha, Fructus Anisi und
Succus Liquiritiae depur. und 4 Th. Crocus werden mit 120 Th. Spiritu*
dilutus digerirt.
Elixir ProprietatiS Paracelsi (Ph. Germ. I.), Elixir Proprietät acidum.
2 Th. Aloe, 2 Th. Myrrha und 1 Th. Crocus werden mit einem Gemisch aus
24 Th. Spiritus und 2 Th. Acidum sulßiricum dilutum acht Tage hindurch
maeerirt. — E. P. sine acido oder E. P. aaünum oder E. P. Boerhave. Eine
Tinctur aus 6 Th. Aloe, 2 Th. Myrrha, 1 Th. Crocus, 8 Th. Kalium tartaricum,
7 Th. Aqua und 14 Th. Spiritus dilutus. — E. P. OtlRI Rheo. 6 Th. Aloe,
2 Th. Myrrha, 1 Th. Crocus, 4 Th. Radix Rhei, 64 Th. Vinum Hispan. und
4 Th. Acidum hydrochloricum.
Elixir Regis Daniae und Elixir Ringelmann = Elixir e Sueco Liquiritiae.
Elixir Rhei DarelÜ = Tinctura Rhei vinosa.
EliXir rODOrailS Whytt = Tinctura Chinae composita.
EÜXir StOUgthOn. Eine Tinctur aus je 1 Th. Aloe und 6 Th. Radix Rhei,
je 6 Th. Herba Absinthii, Herba Chamaedryos , Radix Gentianae und Cortex
Aurantii mit 200 Th. Spiritus dilutus. — Im Handverkäufe wird an vielen
Orten für „STOUGTHON'sehes Elixir" Tinctura amara gegeben.
EÜXir e SUCCO Liquiritiae, Elixir pectorale Regis Daniae, Elixir RiNGRL-
MA3fN. 10 Th. Succus Liquiritiae depur. werden in 30 Th. Aqua Foeniculi
gelöst und 10 Th. Liquor Ammonii anisatus hinzugemiacht. — Ph. Germ. I. lies»
die Mischung vor dem Dispensiren aufschütteln , nach Ph. Germ. II. dagegen soü
die Mischung nach zweitägigem Stehen von dem Bodensatze abgegossen werden.
EÜXir Uterinum CrolÜUS. Eine Mischung aus 15 Th. Tinctura Castorei
canad. , 5 Th. Tinct. Absinthii, 5 Th. Tinct. Croci und 10 Tropfen Oleum
Anisi.
EliXir Viscerale Hoffmann = Elixir Aurantii compositum. — E. v. Klein
ist dasselbe mit einem Zusätze von 5 Procent Liquor Kalii acetici.
EÜXir Vitriol! MynsiCht = Tinctura aromatica acida. G. Hof mann.
Ellagengerbsäure, cmh10o10, der Eiiagsaure isomer, kommt mit ihr ge-
meinsam in den Dividivischoten und den Myrobalanen vor. Darstellung s. Ellag-
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ELLAGENGERBSÄDRE. — ELÖPATAK.
711
säure. Das die Ellagengerbsäure enthaltende Filtrat wird mit Chlornatrium gefällt.
Der Niederschlag wird mit einem Gemisch gleicher Volumina gesättigter Rochsah-
losung und Wasser behandelt und mit Essigäther ausgeschüttelt. Bräunliche,
amorphe Masse, welche, mit Wasser auf 110° erhitzt, in Ellagsäure übergeht.
Ganswind t.
Ellagsäure, Cu H6 Os + 2 H, 0. Kommt i dj Pflanzenreich ziemlich häufig vor,
hauptsächlich dort, wo sich Gerbsäuren in grösserer Menge vorfinden ; nicht selten
entsteht sie aber auch als Spaltungsproduct anderer Gerbsäuren und somit erscheint
die Frage berechtigt, ob sie in jenen Pflanzen, in denen sie gefunden wird, prä-
formirt vorhanden ist oder als ein Zersetzungsproduct betrachtet werden darf. Die
Ellagsäure findet sich in den Galläpfeln, in einigen (nicht schmelzenden)
indischen Bezoaren , in den Dividivischoten , den Myrobalanen , der Eichen-
rinde, Ficbtenrinde , Tormentillwurzel und wahrscheinlich noch in einer Anzahl
anderer Pflanzen. Sie bildet sich neben Zucker bei der Spaltung der Granat-
wurzelgerbsäure , ferner geht Gallussäure auf mehrfache Weise in Ellagsäure
über; auch bildet sich letztere schon bei der üblichen Darstellung der Gallus*
säure als Nebenproduct. Zur Darstellung erwärmt man eine mit Soda ver-
setzte wässerige Lösung von Gallussäureäthylester auf 60° oder erhitzt Gallus-
säure mit Wasser und Jod (2 C, H„ 0, + 2 J = C14 0„ + 2 H, 0 + 2 HJ). Viel-
fach benutzt man zur Darstellung die Dividivischoten, welche man zerkleinert und
mit kaltem Alkohol digerirt; das alkoholische Filtrat wird eingedampft und der
Rückstand in Wasser gegossen; dabei fällt die Ellagsäure aus; das Filtrat enthält
Ellagengerbsäure, welche dureh Erhitzen auf 1 10° in Ellagsäure übergeführt
werden kann. Beim Verdampfen der Lösung und Uebergiessen des Rückstandes
mit Wasser wird dann eine neue Menge Ellagsäure abgeschieden. Die Ellagsäure
bildet ein gelbliches krystallinisehes Krystallpulver von 1.677 spec. Gew.; sie ist
geschmacklos und reagirt schwach sauer; löst sich sehr wenig iu kochendem
Wasser , ebenso wenig in Weingeist und fast gar nicht in Aether ; dagegen in
Kalilauge mit tiefgel ber Farbe. Letztere Lösung färbt sich an der Luft tief roth-
gelb und scheidet schwarze Krystalle von glaukomelansaurem Kalium ab. Ueber*
giesst man Ellagsäure mit Salpetersäure, welche salpetrige Säure enthält, und fugt
etwas Waaser hinzu, so entsteht eine blutrothe Lösung. Diese Reaction ist für die
Ellagsäure charakteristisch. Eisenchlorid färbt die Säure erst grünlich, dann schwarz-
blau. Bure Salze mit den Alkalien sind in Wasser löslieh und bilden hellgelbe bis
citronengelbe krysUllinisehe Pulver. Ganswind t.
ElleP'S Liquor antarthritiCU8 ist eine Mischung aus gleichen Theilen
Liquor Ammonü suednici und Spiritus aether eus.
£lmen bei Magdeburg in Preussen besitzt eine Trink-, eine Badequelle
und zwei Soolen. Sie sind sämratlich kühl und stark kochsalzhaltig. Die erst-
genannte Quelle führt Na Br 0.211 und NaCl 26.44. die zweitgenannte Na Br
0.658 und Na Cl 48.97 auf 1000 Th.; die Soolen enthalten 104.04, bezüglich
44.44 NaCl in 1000 Th.
ElÖpatak Oder Arapatak in Siebenbürgen besitzt drei Eisensäuerlinge von
folgender Zusammensetzung:
Stammhrunnen
Nenbrunnen
B&dibrnnnen
1.284
0922
0.627
1.175
1.382
0 599
0.780
0.581
0:777
0.208
0.306
0.145
3.643
3.359
2.360
1.983
1.536
1.215
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712
ELORRIO. — EMBLICA.
ElorHO in Spanien besitzt kalte Schwefelquellen.
Elsholtzift, Gattung der Labiatae, Unterfamilie Satureineae, charakterisirt
durch glockigen, fünfzähnigen Kelch, vierspaltige Blumenkrone, aus welcher die
spreizenden Staubfäden etwas hervorragen.
Elsholtzia cristata Willd. (Hyssopua ocimifolius Lam.) ist ein 0,
aus Asien stammendes Kraut mit behaarten Stengeln und kahlen Blättern, welches
wegen des rosenähnlichen Geruches in Gärten gezogen wird.
Elster in Sachsen hat sechs kalte Quellen, von welchen die Salzquelle eine
alkalisch-salinische, die übrigen fünf Eisenquellen sind. Die erstere enthält NaCl
0.801, Na2S04 5.262, Na COs 1.718 und Fe ^(COg), 0.062 in 1000 Th. Dieser
zunächst stehen die Albert s-, Königs- und Marienquelle mit XaCl 1.08,
1.39 und 1.88, Na^SO, 3.13, 2.05 und 2.93, NaHC03 0.86, 0.87 und 0.72 und
FeH2(C03)2 0.058, 0.084 und 0.062 in 1000 Th. An fixen Bestandteilen die
ärmsten und an Eisen relativ die reichsten Quellen sind die Johannisquelle
und die Moritzquelle, welche neben Na Cl 0.39 und 0.68, dann Na2S04 0.59
und 0.95 noch FeH3(COs)s 0.056 und 0.085 enthalten.
Ema.il, Schmelze, Schraelzglas, Glasur, ist eine leichtflüssige, meist undurch-
sichtige, seltener durchsichtige, gefärbte oder ungefärbte Glasmasse, welche ent-
weder zu Decorationszwecken (Emaille auf goldenen Schmucksachen, Ordensdecora-
tionen, Emaille-Malerei) oder als Schutzmittel zum Uebcrziehen von Glas, Porzellan
oder Metallen verwendet wird. Ein Beispiel der ersteren Art sind die Emailleschilder
auf den Glasstandgefässen der Apotheken ; als Beispiel der zweiten Art diene die
Glasur des Porzellans (im Gegensatz zum unglasirten, sogenannten Biscuit-Porzellan ) ;
die bei Weitem umfangreichste Verwendung aber findet die Emaille als Schutz-
mittel für eiserne Gefässe, zur Fabrikation des emai Hirten Eisens. Um
eiserne Kochgeschirre (gleichviel, ob aus Gusseisen oder Eisenblech) vor dem Rosten
zu schützen, pflegt man sie entweder nur innen, oder neuerdings auch innen und
aussen mit Emaille zu überziehen, zu emailliren. Dazu benutzt man einen
feuchten Brei aus Borax, Quarz, Feldspat, Thon und Wasser, den man in dem
betreffenden Gefässe umschwenkt, streut auf den feuchten Ueberzug feines Pulver
von Feldspat , Soda , Borax und Zinnoxyd und brennt dann in einer Muffel. Ein
Zusatz von Blei zur Schmelze macht die Emaille zwar minder spröde, ist aber
aus Gesundheitsrücksichten für eiserne Geschirre gesetzlich untersagt.
Die undurchsichtige weisse Farbe verdankt die Emaille ihrem Gehalt an
Zinnsäure; den gleichen Effect geben auch Antimonoxyd, arsenige Säure, Calcium-
phosphat und Kryolith; das sogenannte Milch- oder Beinglas und das Kryolith-
glas oder Heissguss-Porzellan sind, streng genommeu, Emaillen ; durchsichtige klare
Emaillen sind richtiger mit Fluss zu bezeichnen. Durch Zusatz von Metalloxyden
kann man der Emaille jede gewünschte Farbe ertheileu , so z. B. gelb , roth bis
braun durch Eisenoxyd, grün durch Chromoxyd, blau durch Kobaltoxyd, schwarz
durch Uranoxyd, Manganoxyd oder Iridiumoxyd. Vergl. auch Schmelzfarben.
— Email der Zähne, s. Schmelz. Ganswindt.
Email-Tinten sind Verreibungen von Erdfarben oder farbigen Metalloxyden
mit Wasserglas, welche die Eigenschaft besitzen, mit emailleartigem Glanz auf
Glas oder Porzellan einzutrocknen und durch Wasser oder mechanische Mittel
sich nur langsam wieder abreiben lassen.
Embelia, g attuug der Myrsinaceae , charakterisärt durch die freiblätterige
Blumenkrone. Die Früchte von Embelia Ribes Burm., einer indischen Pflanze,
sollen als Fälschung des Pfeffers vorgekommen sein.
EmbÜCa, Gattung der Euphorbiaceae , Unterfamilic Phyllantheae. Halb-
sträucher oder Sträucbcr. <J mit 5- oder 6theiligem Kelch, 3—6 Drüsen und
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EMBLICA. — KMBRYO.
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3 Staubgefäßen mit aufrechten Antberen. Q hat 3 in eine 8äule verwachsene
Griffel mit zweitheiliger oder gelappter Narbe.
Emblica officinalts Oaertn. (Phyllanthus Emblica L.) , ein Baum
Ostindiens, liefert in seinen KapselfrUchten eine Art Myrobalanen (s. d.).
Embolus (ev und ßäUw, werfen) ist ein in den Blutstrom gerathener Fremd-
körper, welcher an einer entfernten Stelle stecken bleibt. Schon dadurch können,
wenn der Pfropf einen lebenswichtigen Bezirk von der Circulation ausschliefst, ge-
fährliche Zustände, sogar der augenblickliche Tod herbeigeführt werden. Neben diesen
mechanisch wirkenden Embolia gibt es auch solche, die Entzündung erregen oder
selbst zu bösartigen Geschwülsten auswachsen.
Embryo (iujäpuo?. Keim) beisst der sich (im Ei) bildende thierische oder pflanz-
liche Organismus.
1. Der thierische Embryo war früher entstanden gedacht, indem man lehrte
(SWAMMERDAM, MALPIGHJ, VaLLISNERI, HALLER, BONNET, SPALLANZANI, SBNNE-
bier) : „seit der Schöpfung sind keine neuen Lebengkeime mehr entstanden, sondern
alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Generationen sind gleichzeitig, aber
in immer abnehmender Grösse geschaffen und in einander eingeschlossen worden ;
durch die Befruchtung erhalten sie nur Nahrung und den Anstoss zur Bewegung
und jedes neue Leben bezeichnet nur das Grösserwerden eines von Alters her vor-
handenen Wesens und ein vom Erwachen begleitete« Freiwerden desselben aus den
mütterlichen Hüllen" — eine Lehre, die als Präformation , Evolution, Involution,
Syngenese oder Einschachtelung bezeichnet wird. Ihr steht die gegenwärtige,
auf Beobachtung gegründete Epigenese gegenüber, wie sie von Harway (1851)
erkannt und von Wolff (1759) u. a. ausgeführt wurde, nach welcher der Embryo
ans dem Eiinbalte entsteht und seine Organe allraälig, die wichtigsten zuerst,
bildet, bis erst später die feinen Einzelheiten durch Aus- und Zubau entstanden
sind. Diese Umbildung wird eingeleitet durch die Zerklüftung, Theilung und
Furchung des Dotters, der sich zuerst stellenweise trübt, eine kreisende Bewegung
annimmt und entweder ganz oder zum Theile erst in zwei Kugeln zerfällt, welche
sich nachträglich wieder theilen, so das« nacheinander 2, 4, 8, 16 u. s. w. Kugeln
entstehen, bis endlieh der ganze Dotter die Form einer Maulbeere (Morula) hat.
Während nun der Keimfleck verschwindet, bildet sich im weiteren Verlaufe eine
scheibenförmige Hervorragung aus kleinen Zellen , die sich langsam vergrössert
und endlich den ganzen Dotter oder doch den grössten Theil desselben umschliesst
(Keimhaut, Keimscheibe , Blastoderm). Die weitere Entwicklung erfolgt nun
entweder unmittelbar aus dem Dotter, indem die ganze Dottormasse gleichmässig
in den Embryo aufgenommen wird, also holoblastisch (z.B. bei den meisten
Würmern und Mollusken) oder durch Bildung eines Prim itiv theil es , der sich ver-
dickt und von dem auR durch flächenförmige Ausbreitung die Entwicklung des
Embryos allmfilig vor sich geht, wodurch oft ein Theil des Dotters in einer mit
dem Embryo in Verbindung stehenden „Dotterblase" abgeschieden wird und zu
dessen Ernährung dient, weshalb man dann Bildung»- und Ernährungsdotter unter-
scheidet und solche Eier mesoblastisch nennt.
Der Primitivtheil selbst lässt weiters wieder mehrere Schichten, die Keim-
blätter, unterscheiden . die im Laufe der Entwicklung immer deutlicher
werden : aus der oberen Schichte , dem sogenannten „Hornblatt", entstehen die
Organe des animalen Lebens, das Skelet, die Muscnlatur und das Nervensystem ;
aus der zweiten Schichte, dem „Darmdrüsenblatt", entstehen die Organe der Ver-
dauung und bei den niederen Thieren auch jene des Blutlaufs; aus der dritten
endlich, die zwischen beiden vorhergehenden liegt und nur den Wirbelthieren zu-
kommt „motorisch - germinatives Blatt"), entstehen die Kreislaufsorgane und sie
bildet die Leibeshöhlen.
Nach der Lage des Embryo oder seiner Blätter zum Dotter unterscheidet man
den bauchständigen Dotter (bei den Wirbelthieren), den rückenständigen (bei den
Real-Encyclopadie der gea. Pharaacie. III. 46
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EMBRYO.
Gliederfüssern) und den kopfständifren (bei den Kopffttssern). Bei den höheren
Wirbelthieren (Reptilien, Vögeln und Säugern) entwickeln sich überdies noch eigene
Eihäute, die Schafhaut (Amnion) und die Harnhaut (Allantois), die den Embryo
schützend umgeben und durch Ausscheidung von Flüssigkeiten als Secretionsorgane
wirken ; ausserdem vertritt die letztere die Stelle eines Respirationsorganes. Bei
den Säugethieren , sowie beim Menschen, wo das Ei und der Ernährungsdotter
sehr klein ist, erfolgt die Entwicklung des Embryos innerhalb eines besonderen
Organes der Mutter, des Uterus, und dieser erhält auf endosmotischem Wege durch
den gefässreichen „Mutterkuchen" (Pl<icenta) , der den Austausch zwischen den
Blutbestandtheilen des Blutes der Mutter und des Embryo besorgt, die erforder-
lichen Mengen für die Ernährung und den Stoffwechsel.
Die Entwicklungszeit des Embryos bei verschiedenen Thieren ist sehr ver-
schieden; beim Menschen beträgt sie 280 Tage. v. Dalla Torre.
2. Der pflanzliche Embryo stellt einen in Folge des Geschlechtsactes aus der
weiblichen oder Eizelle hervorgegangenen mehrzelligen Körper dar, welcher einer-
seits noch von der vorhergehenden Generation, welche die Geschlechtsorgane ent-
wickelte, getragen und ernährt wird, andererseits den Anfang einer neuen
Generation bildet, um später, meist erst nach einer Ruheperiode, sich weiter zu
entwickeln. Da bei den Thallophyten das befruchtete Ei sich sofort von der
Mutterpflanze trennt und zu einem neuen Thallus auswächst, kann bei denselben
von einem Embryo noch nicht gesprochen werden, dagegen findet sich ein
solcher in allen Classen des Pflanzenreiches von den Moosen aufwärts, wenn auch
die Theile der Pflanzen, an denen er erzeugt wird, je nach den Classen sehr ver-
schieden sind. Am höchsten entwickelt ist er bei den Phanerogamen, wo er bereits
die ganze Anlage der zukünftigen Pflanze darstellt.
Der Embryo oder Keimling ist also die jugendliche Anlage der künftigen
Pflanze im Samen. Er entsteht aus der befruchteten Eizelle, dem Ei (s. d.), und
besteht aus
a) den Cotyledonen, Keim- oder Samenlappen (beiden Monocotylen einem,
bei den Dicotylen zwei, bei den Gymnospermen und einigen Dicotylen oftmals
mehreren) ;
b) der R a d i c u 1 a , der jungen Anlage der Wurzel. Dieselbe ist stets gegen
das Micropylarende des Ovulums gerichtet;
c) dem hypocotylen Gliede, dem ersten Internodium der Pflanze. Das-
selbe liegt zwischen der Anheftungsstelle der Wurzel und der der Cotyledonen
und ist meistens sehr verkürzt;
d) der Plumula, dem Federchen oder Knöspchen, der jungen Anlage des
Stengels und der Blätter. Im vollkommensten Zustande, z. B. bei der Bohne,
dem Mais u. a., zeigt die Plumula um den die Spitze bildenden Vegetationspunkt
schon die Anlage der ersten Blätter. Bisweilen ist auch schon das Stengelchen
entwickelt und schwach gestreckt. Im unvollkommensten Zustande besteht die
Plumula nur aus dem Vegetationspunkte.
Nur selten sind die oben genannten Theile am Embryo nicht aufzufinden.
Derselbe bildet alsdann uur ein längliches Körperchen ohne jede Differenzirung
einzelner Organe. Einen solchen Embryo acotyledoneus besitzen z. B. die Orchideen
und auch Colchicum.
Bezüglich der Lage im Samen kann der Embryo entweder gerade oder gekrümmt
sein. Die Krümmung ist eine ausserordentlich verschiedene ; von der nur schwachen
Krümmung bei der Bohne finden sich alle Ilebergänge zu der mehrmals spiralig
gewundenen und verbogenen zahlreicher Solanaceen und Cruciferen (vergl. Fig. 50,
Bd. III, pag. 322). Meist sind es die Cotyledonen, die durch Faltung oder Ein-
krümmung den gewundenen Embryo erzeugen.
Auch die Lage des Embryos zum Sameneiweiss ist sehr variabel. Der Embryo
kann nämlich entweder in der Axe des Albumens liegen (E. axilis) oder excen-
trisch (E. excentricus) oder peripherisch (E. peripherica).
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EMBRYO. — EMETICA.
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Meist wird nur ein Embryo im Ovulum entwickelt. Selten kommt es vor, dasa
durch Sprosauug anderer Nuceliareellen sogenannte Pseudoembryonen neben dem
eigentlichen Embryo entstehen. Solche Polyembryonie findet sich z. B. bisweilen
bei Citrus.
Die Embryonen lassen sich aus den meisten der arzneilioh angewendeten Samen
leicht herauspräpariren. Dort, wo sie den ganzen Samen bilden, d. h. Überall, wo
Endogperm fehlt (Cruciforae, Cannabis, Amygdalus), genügt die Entfernung der
Test», um den Embryo frei zu legen. Aber auch die endospermhaltigen Samen
machen keine Schwierigkeiten. Es genügt, dass man die Samen in Wasser ein-
quellt und das Kndosperm vorsichtig abpräparirt. So erhält man z. B. beim
Kaffee, Semen Strychni, schwieriger bei den Samen der Umbelliferen die Embryonen
freiliegend. Tuchirch.
EinbryotortllB (l[/.ßfH>ov, die ungeborene Leibesfrucht und Tspt-vw, schneiden)
heisst die geburtshilfliche Operation, bei welcher das (meist schon todte) Kind
zerstückelt wird, weil es in toto nicht geboren werden könnte.
EmergenZ6l1 (emergere, hervorragen) sind haar- oder stachelförmige Bildungen
an der Oberfläche von Pflanzentheilen , welche nicht wie die Haare (Trichome)
ausschliesslich aus Oberhautzellen, sondern auch aus Parenchym bestehen, mitunter
sogar von Oefiissbündeln durchzogen sind. Sie sind in Folge dessen von ihrer
Unterlage nicht so leicht abzutrennen wie die eigentlichen Haarbildungen.
Emetica (i[tz-nx6i , Brechen erregend, von iptto, erbrechen), Rrechmittel
(s. d., Bd. II, pag. 372). Th. Hnsemana.
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erichtigungen.
Seit« 261, Zeile 17 von oben soll es heissen: „zweiknöpfig.
„ 263, „ 2 „ „ „ „ „ „nngeformter.
Druck von Oott!i*b OliUI * Coup.. Wien. 1., Aur»tta«*tn*M IS.
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