Skip to main content

Full text of "Real-encyclopädie der gesammten pharmacie. Handwörterbuch für apotheker, ärzte und medicinalbeamte"

See other formats


Real-en  cyclo pädie 

der gesammten  Pharmacie 

Ewald  Geissler,  Josef  Moeller 


ized  by  Google 


1 


Digitized  by  Google 


Chttmi'cüi  Librury 

5t 


Google 


Digitized  by  Googl 


HEAL-EUCYCLOPADIE 

DER 

GESAMMTEN  PHARMACIE. 


DRITTER  BAND. 
Chinarinden  —  Emetica. 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


REAL-ENCYCLOPÄDIE 

DER 

- 

GESAMMTEN  PHARMACIE. 


HANDWÖRTERBUCH 

KUR 

APOTHEKER,  ÄRZTE  UND  MEDICINALBEAMTE. 

HERAUSGEGEBEN 

TOS 

Dr.  EWALD  GEISSLER,      und       Dr.  JOSEF  MO  ELL  ER, 

Mit  zahlreichen  Illustrationen  in  Holzschnitt. 

DRITTKR  BAND. 
Chinarinden  —  Emetica. 

WIEN  UND  LEIPZIG  1887. 

Urban  &  Schwarzenberg. 

Digitized  by 


fackdmck  der  in  diesem  Werke  enthaltenen  Artikel,  sowie  l  ebersetinng  derselben  in  fremde  Sprachen 

ist  nnr  mit  Bewilligung  der  Verleger  gestaltet. 


Digitized  by  Google 


Verzeichniss  der  Mitarbeiter. 


1.  Prof.  Dr.  P.  ASCHERSON  Berlin. 

J>.  Prof.  Dr.  v.  BÄSCH  Wien. 

3.  Dr.  BECKER  Leiptig 

4.  Prof.  Dr.  BECKURTS  Braunschweig. 

5.  Apoth.  Dr.  BEDALL  München. 

6.  Dr.  R.  BENEDIKT  Wien. 

7.  Apoth.  Dr.  BIECHELE  Eichstätt. 

8.  Dr.  BÖ  TTGER,  Redacteur  Berlin 

9.  Prof.  Dr.  CZOKOR  Wien 

10.  Fabrikant  E.  DIETERICH   Helfenberg. 

11.  Prof.  Dr.  L.  DIPPEL  Darmstadt. 

12.  Dr.  EHRENBERG  Tübingen. 

13.  Apoth.  Dr.  ELSNEK  Leipzig- Schoenefeld. 

14.  Prof.  Dr.  A.  EULENBURG  Berlin 

15.  Dr.  B.  FISCHER   Berlin. 

16.  Doccnt  Dr.  C.  GÄNGE  Jena. 

17.  Docent  Dr.  GAERTNER  Wien. 

IS.  Dr.  GANSWINDT  Dresden. 

19.  Docent  Dr.  G.  GOI.DSCHMIEDT  Wen. 

20.  Apoth.  GRAF  Prag. 

21.  Apoth.  Dr.  C.  GROTE  Braunsehweig. 

Prof.  Dr.  T.  F.  HANAUSEK  Wien 

23.  Med.-Assessor  Dr.  HARTMANN  Magdeburg. 

24.  Apoth.  C.  HARTWICH  TangermäHde. 

25.  Dr.  Hans  HEGER,  Redacteur  Wien 

26.  Docent  Dr.  M.  HEITLER  •  .   .   .  Wien. 

27-  Apoth.  HELL  Troppatt. 

28.  Prof.  Dr.  HI  LG  ER  Erlangen. 

29.  Apoth.  Dr.  B.  HIRSCH  Frankfurt  a.  M. 

30.  Prof.  Dr.  HIRZEL  Leiptig-Plagwitx. 

31.  Apoth.  Gustav  HÖFMANN  Dresden. 

32.  Prof.  Dr.  HOFMANN   Leipzig. 

33.  Apoth.  Dr.  HOLDERMANN  Seelbach. 

,  34.  Apoth.  A.  HUBER   Basel. 

35.  Prof.  Dr.  Th.  HU  SEM  ANN  Göttingen. 

36.  Apoth.  Dr.  C.  JEHN  Geseke. 

37.  P«of.  Dr.  JOHNE   Dresden. 

38.  Prof.  Dr.  A.  v.  KERN  ER  Wien. 

Real-Kncyclopadie  der  ge*.  Phannacie.  III.  Digiti 


39.  Docent  Dr.  KLEIN   Darmstadt. 

40.  Prof.  Dr.  R.  KOBERT   Dorfat 

41.  Dr.  G.  KRAUSE,  Redacteur   Cötken 

42.  Ober  Stabsapoth.  Dr.  LENZ   Berlin 

43.  Docent  Dr.  L.  LEW  IN   Berlin 

44.  Prof  Dr.  W.  LOEBISCH   Innsbruck 

45.  Prof.  Dr.  E.  LUDWIG   Wien 

46.  Prof.  Dr.  J.  MAUTHNER   Wien. 

47.  Dr.  MAX  MÖLLER   Wien 

48.  C.  MYLIUS   Baruih 

49.  Apoth.  Dr.  E.  MYLIUS   Leiptig 

50.  Docent  Dr.  H.  PASCHKIS   Wien 

51.  Apoth.  Dr.  C.  PAULY   Harzburg 

52.  Prof.  Dr.  PINNER   Berlin. 

63.  Assistent  J.  PITSCH   Wien 

54.  Dr.  PROLLIUS   Parchim 

55.  Dr.  PROSKAUER   Berlin. 

56.  Med.  Assessor  PUSCH   Dessau 

57.  Prof.  Dr.  E.  REICHARDT   Jena 

58.  Apoth.  SCHLICKUM   Winningen 

59.  Corps  Stabsapoth.  SCHNEIDER   Dresden. 

60.  Apoth.  Th.  SCHORER  '   Lübeck 

61.  Docent  Dr.  v.  SCHRÖDER   Strassburg  i  E 

62.  Dr.  SCHWEISSINGER   Dresden. 

63.  Prof.  Dr.  SKRAUP   Graz. 

64.  Prof.  Dr.  F.  SOXHLET   München. 

65.  Prof.  Dr.  J.  SOYKA   Prag. 

66.  Prof.  Dr.  S.  STRICKER   Wien 

67.  Hofrath  Prof.  SUSSDORF   Dresden. 

68.  P.  SYDOW   Wilmersdorf. 

69-  Apoth.  K.  THÜMMEL   Breslau 

70.  Docent  Dr.  A.  TSCH1RCH   Berlin. 

71.  Prof.  Dr.  R.  ULBRICHT   Dresden. 

72.  Apoth.  VOMÄCKA,  Redacteur   Prag 

73.  Apoth.  Dr.  VULPIUS   Heidelberg. 

74.  Apoth.  A  v.  WALDHEIM   Wien 

75.  Prof.  Dr.  WEICHSELBAUM   Wien 

76.  Reg.-  u.  Med.-Rath  Dr.  WERNICH   Cöslin. 

77.  Prof.  Dr.  A.  WÖLFLER   Graz. 

78.  Med.  Assessor  ZIEGLER    Carlsruhe. 


Digitized  by  Google 


c. 

(Siehe  auch  onter  K.) 

Chinarinden,  Gortex  Ginchonae,  G.  Chinae,  G.  pernvianus, 
Cinchona  Bark,  Peruvian  Bark,  Ecorce  de  Quinquina  (in  allen 
Pharmakopoen)  stammen  von  verschiedenen  Arten  der  Gattung  Cinchona  (s.  d.) 
(und  Remijia),  «nd  zwar  sowohl  von  cultivirten  als  von  wildwachsenden  Pflanzen 
dieser  Arten. 

Die  eigentliche  Heimat  der  Chinarinden  liefernden  Cinchonen  und  Remijien 
sind  die  Cordilleren  Südamerikas.  Ausserhalb  dieser  finden  sich  wohl  auch  Cin- 
chonen, dieselben  kommen  aber  für  die  Rindengewinnung  nicht  in  Betracht.  Auf 
den  Cordilleren  erstreckt  sich  das  Verbreitungsgebiet  der  Chinabäume  über  dreissig 
Breitengrade,  etwa  von  10°  nördlicher  Breite  bis  22°  südlicher  Breite;  am  nörd- 
lichsten findet  sich  in  Caracas  G.  cordifolia ,  am  südlichsten  (19°  südl.  Breite) 
scheint  in  Bolivia  G.  amtralis  vorzukommen ,  doch  existiren  nach  den  neuesten 
Mittheilungen  Leichsenring's  Chinawfilder  (d.  h.  Chinarindenbaume  wildwachsend) 
angeblich  zur  Zeit  in  Bolivien  nicht  mehr.  (?)  Alle  bolivianischen  Rinden  sollen,  wie  die 
javanischen  und  ostindischen,  aus  forstlichen  Culturen  stammen.  Die  besten  Rinden 
liefert  der  Streifen  zwischen  dem  7°  nördlicher  Breite  und  15°  südlicher  Breite 
(zwischen  Payta  und  Arica).  Die  wichtigsten  Cinchonen ,  G.  Caltsaya  und  G. 
carabayensis,  bewohnen  fast  nur  die  kühleren  Regionen  Bolivias  und  der  Provinz 
Carabaya,  G.  succirubra  und  micrantha  die  wärmeren  Districte  von  dort  bis  zum 
Aequator ,  nördlich  von  welchem  bis  Nordcolumbien  sich  (nach  Ktntze)  fast 
nur  Hybriden  finden.  Der  Chinarinden  liefernde  Gebirgsstreifen  ist  etwa  500  Meilen 
lang.  Er  beschreibt ,  der  Westküste  Südamerikas  folgend  ,  einen  grossen  Bogen, 
dessen  Concavität  nach  Osten  liegt.  Der  westlichste  Punkt  dieses  Bogens  (unter 
dem  4°  südlicher  Breite)  liegt  etwa  beim  297°  östlicher  Länge,  bei  Loxa,  der 
östlichste  (unter  dem  15°  südlicher  Breite)  beim  317°  östlicher  Länge;  im  Norden 
erreicht  er  (unter  dem  10°  nördlicher  Breite)  nur  den  308°  östlicher  Länge.  Die  Breite 
des  Chinagürtels  varürt ,  in  der  Mitte  ist  er  am  breitesten ,  gegen  Süden  und 
Norden  verschmälert.  Aber  selbst  in  diesem  verhältnissmässig  beschränkten  Ver- 
breitnngsgebiete  wachsen  die  Cinchonen,  welche  werthvolle  Rinden  (Cascarillos 
finos)  liefern,  durchaus  nicht  überall.  Sie  sind  in  der  äquatorialen  Zone  auf  einen 
ötreifen  von  etwa  2200  m  verticaler  Höhe  beschränkt  und  kommen  vornehmlich 
in  einer  Höhe  von  1600 — 2400  m  (Weddell)  vor.  Sie  erreichen  aber  Höhen  von 
3400  m  (Karstex)  und  steigen  bis  1200  m  herab.  Unterhalb  dieser  Region  liefern 
die  dort  vorkommenden  Chinabäume  nur  minderwerthige  Rinden  (Cascarillos  bobos). 
Je  weiter  sieh  der  Gebirgszug  von  dem  Aequator  entfernt,  um  so  tiefer  sinkt  auch 
die  Höbengrenze ,  doch  findet  sich  selbst  G.  succirubra  kaum  unter  800  m.  In 
der  oben  angegebenen  Bergregion  der  südamerikanischen  Cordilleren  herrscht  ein 

1* 

Digitized  by  Google 


4 


CHINARINDEN. 


gleichförmiges  feuchtes  Klima  von  etwa  12 — 13°  (11 — 20°)  mittlerer  Jahres- 
temperatur, neun  Monate  regnet  es  dort  fast  ständig  und  ein  Wechsel  der  Jahres- 
zeiten ist  kaum  zu  constatiren.  Um  so  wechselvoller  ist  der  Himmel.  Auf  sonnige 
Tage  folgen  Stürme  und  Regenschauer  und  dichter  Nebel  deckt  Tage  lang  Höhen 
und  Thäler,  ohne  die  Temperatur  weseutlich  herabzudrflcken.  Besonders  die 
schluchtenreichen ,  nach  Osten  sich  öffnenden ,  sanft  abgedachten  Theile  der  ge- 
waltigen Andeskette  sagen  den  Chinabäumen  zu ,  wo  sie  geschlitzte  Lage  und  in 
Folge  des  an  den  Anden  sich  brechenden,  wasserbeladenen  Passates  ein  dauernd 
feuchtes,  nasskaltes,  fast  rauhes  Klima  finden,  welches  der  schroffen  Westseite  der 
Anden  gänzlich  fehlt.  Dort  am  Schauplatz  der  stärksten  Verdichtung  der  Passat- 
dämpfe, findet  sich,  gemischt  mit  tropischen  Farnen,  der  Cinchonenwald,  der,  ent- 
sprechend seiner  intensiven  Befeuchtung,  noch  den  tropischen  Charakter  dichten 
Wachsthums  und  gemischter  Baumarten  tragt,  aber  doch  schon  unzweideutig  sich 
von  dem  Tropenwald  des  Thaies  unterscheidet.  So  charakteristisch  ist  diese  Cin- 
chonenregion,  dass  man  sie  frühzeitig  schon  als  eigenartig  erkannte  und  Ceja  de 
la  montaüa  (=  Augenbraue  der  Bergregion)  nannte.  Alle  Pflanzengeographen 
unterscheiden  sie  auch  jetzt  noch  auf  das  Bestimmteste.  Sie  erstreckt  sich  nach 
IU  mholdt  von  700 — -2900  m  (nach  Karsten  noch  höher  hinauf).  Dem  Charakter 
des  Tropeuwaldes  entsprechend  finden  sich  denn  auch  in  der  Ceja  de  la  montana 
nur  selten  grössere  Flecken  zusammenhängender  Cinchonenbestände.  Meist  sind  die 
Chinabäume  zwischen  andere  tropische  Baumformen  eingestreut.  Wo  sio  gesellig 
auftreten,  bilden  sie  in  dem  farbenreichen  Meere  der  Baumkronen  des  Urwaldes  kleine 
Inseln,  die  sich  durch  andere  Färbung  auf  weite  Strecken  hin  bemerkbar  machen. 

Die  ifrm  jjYa-Arten,  welche  China  cuprea  liefern,  werden  namentlich  in  den  Ge- 
birgszügen der  Wasserscheide  des  oberen  Magdalenas  und  Suarez  oberhalb  Bueara- 
manga  ausgebeutet.  Die  beste  Rinde  wird  in  einer  Höhe  von  2200  bis  3200  Fuss 
(bis  4200),  also  etwa  1000  Meter  hoch  geschält.  Die  Remi/'ia  erreicht  die  Höhen 
der  Cinchonen  nicht,  sie  ist,  wie  alle  Chinabäume,  welche  sogenannte  unechte  China- 
rinde liefern,  zu  denen  sie  auch  anatomisch  gehört,  auf  die  tiefereu  Bergregionen 
beschränkt. 

Die  Bäume,  welche  sogenannte  falsche  oder  unechte  Chinarinden 
liefern,  meist  der  Gattung  Ladenbergia,  Remijia,  Nauden,  Bucna  und  Exotttemma 
oder  auch  zu  den  Cinchonen  gehörig,  die  auch  botanisch  in  der  Blattbildung  und 
auch  sonst  abweichen,  bewohnen  tiefere  Regionen  der  Bergkette.  Sie  verlangen 
mehr  Wärme  und  Trockenheit.  In  der  Region  bis  1600  m  über  dem  Meer  finden 
sich  goringwerthige  Cinchonen  mit  Ladenbergien  gemischt.  Die  Exostemma- Arten 
steigen  noch  tiefer  herab,  selbst  bis  zu  der  Küste  und  den  Inseln. 

Da  die  Gebiete,  in  denen  gute  Cinchonen  vorkommen,  wenig  bewohnt  und  von 
Westen,  von  der  Küste  her,  schwer  zugänglich,  auf  dem  Landwege  aber  noch 
schwerer  zu  erreichen  sind,  so  ist  die  Ausnutzung  der  Bäume  ganz  in  den 
Händen  von  Einheimischen  und  lässt  sich  daher  schwierig  oder  gar  nicht  regeln 
und  eoutroliren.  Der  naheliegende  Wunsch,  die  werthvollen  Cinchonen  in  bequemer 
gelegenen  Gcgeuden  in  geregelter  forstwirtschaftlicher  Pflege  zu  haben, 
wurde  schon  in  früher  Zeit  wach.  Mutis  (in  Maraquita)  und  die  Jesuiten  (in 
Bolivia)  waren  wohl  die  ersten,  welche  die  Cinchonen  in  ihrer  Heimat  selbst  in 
forstliche  Pflege  nahmen.  Jetzt,  wo  die  Culturen  in  der  alten  Welt  der  süd- 
amerikanischen Rindengewinnung  bedenkliche  Concurrenz  machen,  hat  man  auch  in 
der  Heimat  der  Cinchonen  die  Forstcultur  ernstlieh  in's  Auge  gefasst.  Bolivia,  be- 
sonders die  Provinz  Larccaya,  besitzt  grosse  Ciuchonencultureu ,  namentlich  am 
Mapiri  uu  der  Nähe  des  Titicaca)  und  iti  den  waldigen  Hochthälern  (Yuugas) 
werden  Cinchonen.  besonders  C.  Calisoya  Weddel! ,  gepflegt.  Auch  in  Columbien 
werden  Cinchonen  enltivirt.  Von  ihnen  kamen  neuerdings  vorzügliche  Muster  nach 
London.  Doch  beschränkte  man  sieh  nicht  auf  das  engere  Cinchonengebiet  Süd- 
amerikas, sondern  zog  auch  Mittelamerika  herbei.  So  florirt  besonders  auf  Jamaika 
jetzt  die  Cultur  ausserordentlich  und  liefert  schon  seit  lsSÜ  gute  Rinden  nach  London. 


Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


Ebenso  eifrig  ist  man  jetzt  in  Guatemala  beschäftigt,  die  Cbina-Cultur  einzu- 
bürgern, doch  kommen  daher  zur  Zeit  noch  keine  Rinden  in  den  Grosshandel. 

Unvergleichlich  höber  wie  diese  Culturen  in  Südamerika,  stehen,  sowohl  was 
Ausbeute,  als  was  geregelten  Betrieb  betrifft,  die  Culturen  in  Java,  Ostindien 
und  besonders  auf  Ceylon. 

Nachdem  1849  ein  Versuch  der  Jesuiten,  Cinchonen  in  Algier  anzupflanzen, 
wegen  der  ungünstigen  klimatischen  Verhältnisse  verunglückt  war,  wurden  im 
Anfang  der  fünfziger  Jahre  von  den  Holländern,  besonders  auf  Betreiben  MrQURL's 
und  Pahüd'8,  glücklichere  Versuche  in  dem  auf  gleichem  Breitengrade  wie  Peru 
(7°  s.  Br.)  gelegenen  Java  gemacht.  Hasskarl,  Weddell  und  Karsten'  hatten  Samen 
und  Pflanzen  junger  Cinchonen  nach  Europa  gesandt;  dieselben  gingen  eutweder 
direct  nach  Java  oder  wurden,  nachdem  sie  sich  in  Holland  und  Paris  entwickelt, 
dorthin  übergeführt.  Durch  die  glückliche  Verbindung  administrativer  Einsicht,  wissen- 
schaftlicher Tüchtigkeit  und  gärtnerischen  Geschickes  gelang  die  Ueberführung  und 
Acclimatisirung  nach  einigen  vergeblichen  Vorversuchen  (nach  fi  Jahren  1  Million 
Bäume  mit  nur  0  4  Procent  Chinin  in  der  Rinde !)  vollkommen.  Nicht  zum  Mindesten 
trug  auch  zum  Gelingen  die  auf  genauem  Studium  der  klimatischen  Verhältnisse  der 
Cinchonenregionen  Südamerikas  basirende  Wahl  der  Culturorte  und  die  bald 
durchdringende  Ansicht  der  Notwendigkeit  dauernder  chemischer  Controle  bei. 
So  sind,  namentlich  seit  de  Vru  als  Chemiker  und  Gorkom  und  Moexs  als 
technische  Leiter  den  Pflanzungen  vorstehen,  die  Culturen  in  stetem  Fortschritt 
begriffen.  Doch  kam  erst  1870  der  erste  Posten  Rinden  auf  den  europäischen 
Markt.  Jetzt  hat  die  Cultur  auf  Java  sehr  erhebliche  Dimensionen  angenommen. 
Auch  zahlreiche  Privatpflanzungen  bestehen  dort  neben  den  staatlichen.  So  z.  ß. 
nördlich  von  Bandong  bei  Soekawana,  Soekatinggi,  Djaijagiri. 

lieber  Wachsthumsbedingungen  und  Cultur  der  Cinchonen  sei  hervorgehoben, 
dass  man  auf  Java  das  frühere  Verfahren ,  die  Urwälder  gangweise  zu 
lichten  und  in  diese  lichten  Gänge  Cinchonen  zu  pflanzen,  als  zu  kostspielig  und 
wegen  wilder  Thiere  gefährlich,  aufgegeben  hat  und  nach  mancherlei  missglückten 
Experimenten ,  z.  B.  Anpflanzung  strauchigor ,  anstatt  baumartiger  Calisaya, 
Anpflanzung  auf  zu  felsigem  Boden,  Cultur  im  tropischen  Tieflande,  endlich  zu 
dem  Erfolge  liefernden  Verfahren  gekommen  ist,  zwischen  1500 — 1700  m  Seehöhe 
am  Südabhange  der  Gebirge  in  nicht  zu  trockenen  Gebieten,  auf  humusreichem 
Boden  Anpflanzungen  nach  Art  unserer  Obstbaum-Plantagen  herzustellen ,  die 
Bäume  etwa  6  m  von  einander  entfernt  zu  pflanzen ,  dazwischen  alle  3  Jahre  je 
eine  junge  Keim-  oder  Stecklingspflanze  zu  setzen,  die  Bäume  nach  6  Jahren  zur 
Rindengewinnung  zu  fällen  und  an  ihre  Stelle  neue  junge  Pflanzen  zu  bringen, 
so  dass  letztere ,  die  Schatten  bedürfen ,  von  dou  3  m  entfernten  dreijährigen 
Bäumen  solchen  genügend  erhalten  (Kuntze).  Eine  ausführliche,  von  zahlreichen 
Abbildungen  begleitete  Beschreibung  der  Cultur  auf  Java  gab  1883  Moexs 
(Kinacultuur  in  Azie).  Die  „Gouvernements  Kina  Etablissements"  liegen  besonders 
im  Westen  der  Insel  nördlich  und  südlich  von  Bandong,  namentlich  bei  Tjibenreuin 
und  Tjinjirocan. 

Fast  zu  gleicher  Zeit  mit  den  Holländern  machten  1852  die  Engländer  auf 
Royle's  Betreiben  Anstrengungen,  die  Cinchonen  nach  Ostindien,  wo  die  Bedingungen, 
besonders  im  Himalayagebiet  (Sikkim)  und  in  den  Nilagiris  (Nilgiri  Hills),  dem  Gebirge 
des  südlichen  Vorderindiens,  noch  günstiger  schienen  als  auf  Java,  überzuführen. 
Doch  erst  1859  gelang  es  den  einsichtsvollen  und  unermüdlichen  Bestrebungen 
Markham's  ,  der  mit  Sprüce,  Pritchett  und  Cross  die  Cinchonengegenden 
Südamerikas  bereiste  und  reich  beladen  in  Indien  eintraf,  den  englischen  Bestrebungen 
Erfolg  zu  sichern.  Ootacamund  (Ottacaimantu)  wurde  der  Mittelpunkt  der  ostindischen 
Pflanzungen,  ein  Ort,  der,  zwischen' 11  und  12°  nördl.  Br.  gelegen,  klimatisch  sich 
ausserordentlich  conform  den  Lebensbedingungen  der  Cinchonen  erwies.  Fast  mehr  noch 
wie  auf  Java  reichten  sich  hier  Wissenschaft  (Botanik,  Chemie,  Meteorologie)  und 
Gartenkunst  (erfolgreich  vertreten  durch  Mac  Ivor)  die  Hand  zum  Gelingen.  18«»7 

Digitized  by  Google 


Ii 


CHINARINDEN. 


kam  von  dort  der  erste  Posten  Rinde  nach  London.  —  1859  wurde  die  erste  Probe 
Chininsulfat  aus  cultivirter  javanischer  Rinde  durch  de  Vrij,  1863  aus  ostindischer 
durch  Markham  dargestellt.  Auster  in  Ootacamund  werden  von  den  Engländern 
jetzt  noch  Cinchonen  im  grössten  Maassstabe  cultivirt  (und  gelangen  in  den  Handel) 
in  Hakgalla  auf  Ceylon  in  6400 — 6000  Fuss  Höhe  (seit  1861),  in  den  Vor- 
bergen des  südöstlichen  Himalaya,  in  British  Sikkim  (Darjeeling,  Mungpoo,  Sitting, 
Rungbee).  Sonstige  wichtige  Plätze  sind  Coorg  in  der  Nähe  der  Nilagiris,  die 
Rcgicrungsplantagen  bei  Madras,  welche  vorzügliche  hochprocentige  Rinde  ergeben, 
und  kleinere  Anlagen  in  der  Nähe  des  Irawaddy-Deltas  in  British  Birma.  Nach 
Ceylon  brachte  die  China  Dr.  Thwaitks.  Das  damit  bepflanzte  Areal  betrug  1869 
100,  1883  64000  Acres,  1885  aber  nur  48000.  Die  Zahl  der.  Bäume  beträgt 
(1886)  70  Millionen. 

Von  geringerer  Bedeutung  sind  die  Pflanzungen  in  Neu-Seeland,  Australien, 
St.  Helena,  Bourbon,  Madagaskar,  Mexiko,  Algier,  Teneriffa,  Coimbra  und  auf 
den  portugiesischen  Inseln  Afrikas  ,  welche  Pflanzenstätten  (allein  Bourbon  aus- 
genommen) zur  Zeit  noch  keine  nennen swerthen  Quantitäten  Rinde  auf  den  Markt 
liefern.  Die  mexieaniseben  Pflanzungen  gedeihen  gut. 

Die  Einsammlung  der  Rinden  geschieht  in  Südamerika  durch  Einheimische,, 
die  den  Namcu  Cascarilleros  praticos  oder  Cascadores  (von  Cascara,  Rinde)  tragen. 
Dieselben  sind  selbst  nicht  Unternehmer,  stehen  vielmehr  im  Solde  eines  Privat- 
mannes oder  einer  Gesellschaft,  die  alljährlich  an  ein  Handelshaus  die  Rinden 
liefert.  Der  Unternehmer  oder  einer  seiner  Vertreter  explorirt  die  Gegend,  erwirkt 
sieb  die  Erlaubniss  der  Regierung,  einen  bestimmten,  von  ihm  für  ergiebig  erachteten 
Bezirk  auszubeuten  und  zieht  alsdann  mit  den  in  Abtheilungen  getheilten  Sammlern 
in  den  Urwald.  Dort  errichten  die  letzteren  leichte  Hütten  und  beginnen  ihr 
Werk  damit,  dass  sie  mit  Hackemessern  Stamm  und  Aestc  der  ausgewählten 
Cinchone  von  Schlingpflanzen  befreien.  Alsdann  wird  oft  noch  vom  Baume  selbst 
die  Borke  abgeschabt  und  noch  vor  dem  Fällen  des  Stammes  durch  Längs-  und 
Querrisse  die  Rinde  abgerissen.  Ist  dann  der  Baum  gefällt,  so  befreit  man  sowohl 
Stamm  als  Zweige  von  der  Rinde  und  trocknet  die  letztere  sofort  entweder 
wochenlang  (4 — 5  Wochen)  über  sehr  mässigem  Feuer  (Neu-Granada)  oder,  wenn 
es  das  Klima  und  Wetter  erlaubt,  auch  in  der  Sonne  (Südperu,  Bolivia).  Sofortiges 
Trocknen  ist  schon  deshalb  erforderlich ,  weil  bei  dem  feuchten  Klima  sonst  die 
Rinden  leicht  schimmeln  und  verderben.  Dennoch  kanu  der  Trocken process  nicht 
durch  stärkere  Wärme  beschleunigt  werden,  da  sonst  der  Alkaloidgehalt  augeblich 
alterirt  wird.  Geschält  werden  Zweigrinden  niemals,  Stammrinden  auch  nicht 
immer  und  nur  dann,  wenn  eine  starke  Borkenbildung,  wie  bei  C.  Calisaya,  dazu 
einladet  und  ein  leichtes  Abschälen  ermöglicht.  Im  Allgemeinen  ist  das  Schälen 
vom  Handelsbrauch  abhängig.  Ungeschälte  Rindeu  nennt  man  im  Handel  „bedeckte". 

Die  Rinden  werden  von  den  Sammlern  selten  an  Ort  nnd  Stelle  schon  sortirt, 
sondern  meisteus  sofort  in  Bündeln  nach  den  Niederlagen  oft  viele  Meilen  weit 
geschleppt  —  wo  ein  Sortiren  stattfindet,  es  geschieht  nur  nach  der  Grösse.  —  Von 
dort  gelangen  sie  nach  den  Magazinen  (Bodegas)  der  Hafcuplätze,  wo  sie  sortirt 
und  in  Ballen  verpackt  werden .  die  man ,  wie  viele  andere  Productc  (Tabak, 
Metalle) ,  in  Ochsenhäute  (die  Haarseite  nach  aussen)  oder  Packleinwaud  fest 
einschlägt.  Diese  Ballen  tragen  den  Namen  Serronen  oder  Surroneu  (von  Zurron 
=  Rindshauttasche).  Nur  in  Popayan  stampft  man  zur  Raumersparnis  die  Rinden 
ein.    lu  Loxa  verwendet  man  statt  der  Häute  Kisten. 

Ebenso  wie  die  Sortirung  findet  auch  eine  eventuelle  Vermischung  mit  anderen 
minderwertigen  Rinden  nur  in  den  Hafenplätzen  statt.  Dans  aber  eine  unbeab- 
sichtigte Vermengung  mit  Rinden  von  geringerem  Werthc  an  Ort  und  Stelle  leicht 
möglich  ist.  geht  aus  der  ganzen  Art  des  Einsammelns  hervor,  welches,  wennschon 
unter  Aufsicht  sachverständiger  Praktiker,  doch  ohne  jede  wissenschaftliche  Con- 
trole  der  Stamnipflanze  stattfindet. 

Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


7 


Da  die  östlichen  Thäler  der  Gordilleren  der  Haaptfundort  der  guten  Cinchonen 
sind,  80  bleibt  den  Unternehmern ,  nm  einen  Ausfuhrhafen  zu  erreichen,  nichts 
anderes  übrig,  als  entweder  den  langen  Weg  durch  den  ganzen  Continent,  zuerst 
auf  dem  Ucayali  und  dann  auf  dem  Amazonas  zurückzulegen  (ein  sehr  selten  ge- 
wählter Weg)  oder,  was  zwar  viel  kurzer,  aber  auch  viel  beschwerlicher  ist,  über 
die  Cordillerenpässe  nach  einem  Hafen  der  Westküste  hinüberzusteigen.  Den  nörd- 
lichen Bezirken  (Columbien)  bleibt  ein  dritter  Weg  übrig,  den  man  auch  dort 
häufig  einschlagt,  nämlich  die  Verladung  auf  die  nordwärts  gehenden  Ströme 
Magdalenas  und  Cauca,  auf  denen  der  Transport  jedoch  auch  nicht  ohne  Schwierig- 
keiten ist.  Die  eben  geschilderten  Schwierigkeiten  des  Transportes  allein  schon 
erklären  zur  Genüge  den  hohen  Preis  der  südamerikanischen  Chinarinden. 

Den  besprochenen  localen  Verhältnissen  gemäss  kommen  -  folgende  Hafenplätze 
in  Betracht:  Para  an  der  atlantischen  Küste  für  die  auf  dem  Amazonas 
exportirten ;  und  die  Häfen  der  Westküste  in  erster  Linie  für  die  Ecuador-,  Peru- 
und  Boliviarinden,  und  zwar  für  die  Rinden  aus  Ecuador:  Esmeraldas  und  be- 
sonders Guayaquill,  der  wichtigste  Chinahafen  nächst  Barranquilla;  für 
die  peruviauischen :  Truzillo ,  Calläo  (Lima)  Arequipa ;  für  die  bolivianischen : 
Molen do,  Islay,  Iquique,  A r i c a,  Cobija,  Antozagasta.  Die  nördlichen,  besonders 
die  Columbischen,  gehen  nach  Barranquilla  (Sabanilla),  zur  Zeit  dem  grössten 
Chinahafen  Südamerikas  und  (nächst  Ceylon)  der  gauzen  Welt,  Ciudat  Bolivar, 
Puerto  Cabello  und  Cartagena  an  der  Nordküste,  seltener  nach  ßuenaventura  an 
der  Westküste.  Für  die  Chininfabrikation  haben  die  amerikanischen  Rinden  (von 
nicht  cultivirten  Bäumen)  ihre  frühere  Bedeutung  fast  ganz  verloren. 

In  den  Culturen  auf  Java  und  Ceylon  und  in  Ostindien  wird  die  Einsammlung 
ungleich  planvoller  betrieben.  Man  unterscheidet  dort  zwei  Methoden,  die  Moos- 
behandlung, Mossing  (Mac  Ivob)  und  das  Schlagwaldsystem,  die  Coppicing. 
Ersteres  wird  besonders  in  Ostindien,  aber  auch  auf  Java,  letzteres  auf  Java  und 
Ceylon  geübt  (Flückigee,  Moens). 

Mossing  besteht  darin ,  dass  man  etwa  4  cm  breite,  vertioale  Rindenstreifen 
ablöst  und  den  ganzen  Stamm  mit  der  Wundfläche  mit  Moos  oder  Lehm  oder 
Alang-Alanggras  umhüllt.  Die  abgeschälte  Rindenpartie  regencrirt  sich  bald  wieder. 
Man  kann  also  bei  diesem  Verfahren  unterscheiden  den  zuerst  abgeschälten 
Rindenstreifen ,  die  stehengebliebene ,  mit  Moos  umwickelte  Rinde  (mossed  bark) 
und  den  erneuerten  Rindenstreifen  (renewed  bark).  Dor  Alkaloidgehalt  ist  in  der 
erneuerten  Rinde  höher.  Das  Verfahren  wird  in  Java  dadurch  abgeändert,  dass 
man  nicht  coutinuirliche  Vertic alstreifen  ablöst,  sondern  da  und  dort  einen  Rinden- 
ring intact  lässt  (B.  Moens). 

Coppicing  beruht  auf  den  gleichen  Principien  wie  unser  Schälwaldbetrieb. 
Es  wird  der  Stamm  im  Alter  von  etwa  acht  Jahren  am  Grunde  gefällt  und  ent- 
rindet. Aus  dem  Stumpf  entwickeln  sich  Schösslinge,  die  in  acht  Jahren  wieder 
gute  Rinde  liefern.  Bisweilen  werden  bei  diesem  Verfahren  auch  die  Wurzeln  ge- 
wonnen, die  die  alkaloidreichsten  sind  (Verfahren  :  U  p  r  o  o  t  i  n  g).  Die  abgelösten 
Rinden  werden  im  Freien  auf  hölzernen  Hürden  rasch  getrocknet  (Abbildung  bei 
B.  Moens). 

In  Ceylon  scheint  man  neuerdings  Raubbau  zu  treiben.  Die  enorm  hohen 
Massen  Rinde ,  die  dieser  Culturort  auf  den  Markt  wirft ,  deuten  nicht  auf  ge- 
regelte Cultur.  Neuerdings  sind  selbst  Wurzelrinden  in  so  enormen  Massen  aus 
Ceylon  in  London  erschienen,  dass  ein  Posten  allein  der  Ausrottung  von  50000  Bäumen 
gleichkam.  Man  pflanzt  dort  jetzt  Thee  an  Stelle  der  China. 

Nach  FlüCKIGEe's  Ermittlungen  werden  jährlich  über  6  Millionen  Kilogramm 
Chinarinden  consumirt.  Der  grösste  Thcil  derselben  wird  in  der  Chininfabrikation 
verbraucht.  Die  Gesammternte  beträgt  sicher  über  9  Millionen  Kilogramm. 

Der  Norden  Südamerikas  verschiffte  aus  Ciudad  Bolivar,  Puerto  Cabcll«,  Barran- 
quilla (Sabanilla)  1880  gegen  4  Millionen  Kilogramm,  die  Hauptmasse  kommt 
auf  Sabanilla.  Columbien  (inclusive  Neu-Granada)  lieferte  1881  gegen  7  Millionen 

Digitized  by  Google' 


S 


CHINARINDEN. 


Kilogramm  Rinde  nach  London.  Ecuador  und  Nordperu  verschifften  1880  über 
Guayaquil  l'/3  Millionen  Kilogramm.  Bolivia  versandte  1877  über  Para,  Arica  und 
Molendo  (südlich  von  Islay  und  Arequipa)  gegen  700000  kg.  Die  Gesammt- 
ausfuhr  von  Südaroerika  ist  von  1881  bis  1885  von  99970  Colli  auf  5290  herunter- 
gegangen. Die  Ausfuhr  aus  Ceylon  betrug  1882  1  Million,  1885  schon  4  Millionen 
Kilogramm.  Dieselbe  nimmt,  wie  aus  Gehe's  Handelsberichten  ersichtlich,  neuerdings 
enorm  zu.  Vom  1.  October  1885  bis  30.  Juni  1886  kamen  von  dort  12336599 
Pfand  (!)  gegen  1641346  Pfund  im  gleichen  Zeitraum  1881  82. 

Die  javanischen  Culturen  der  Regierung  brachten  1882  bereits  81000  kg  zum 
Verkauf.  Java  lieferte  in  der  Saison  1884/85  beinahe  ll  2  Millionen  Pfund.  Die 
Production  Javas  nimmt  langsam,  aber  stetig  zu. 

Jamaika  lieferte'  1882  schon  die  stattliche  Menge  von  15000  kg  Rinden.  Die- 
selbon sind  aber  für  den  Fabrikverbrauch  ohne  Bedeutung. 

Neuerdings  sind  auch  westafrikanische  Rinden  aus  portugiesischen  Be- 
sitzungen versuchsweise  nach  Lissabon  und  London  gekommen.  Ihre  Qualität  liess 
zu  wünschen  Übrig. 

1879/80  gestaltete  sich  das  Verhältniss  (nach  gütigen  Mittheilungen  Gjche's) 
folgcnderma8sen.  Es  kamen  nach  London  und  Amsterdam  aus  Columbien 
6000000  Pfund,  Peru  und  Bolivia  1000000  Pfund,  Indien  und  Ceylon  1172000 
Pfund,  Java  70088  Pfund,  Jamaika  21140  Pfund. 

In  erster  Linie  stehen  zur  Zeit  Ceylon  und  Columbien.  Beide  liefern  nach  London. 

Der  Hauptstapelplatz  für  Chinarinden  ist  London,  für  die  javanischen  Cultur- 
rinden  Amsterdam  (und  London),  weniger  Bedeutung  besitzen  Hamburg,  Paris, 
Havre,  New- York. 

Die  Verpackungsweise  der  südamerikanischen  Rinden  ist  auch  jetzt  noch  die 
in  Serronen,  Colli,  Ballen  (1  Collo  =  50 — 55  kg),  bisweilen  verwendet  man  auch 
Kisten.  Die  ostindischeu  und  besonders  die  javanischen  Culturrinden  werden,  wie 
mir  Flückigek  mittheilt,  vertical  in  Kisten  gesteckt,  nicht  in  Bündel  gelegt  oder 
in  Sorronen  verpackt.  Die  Fabrikrinden  aus  Ostindien  und  Ceylon  gelangen  meist 
in  kleinen,  höchstens  einige  cm  langen  Stücken  (chips,  shavings)  in  den  Handel, 
die  zudem  oftmals  mittelst  hydraulischer  [Pressen  in  grosse,  oft  steinharte  Ballen 
zusammengepresst  sind  (Weller). 

Charakteristik. 

Für  alle  echten  Cinchonenrinden  ist  es  charakteristisch,  dass  sie  nach  dem 
Schälen  eine  bemerkonswerthe  Farbenänderung  durchmachen.  Anfangs  mehr  oder 
weniger  hell,  nehmen  sie,  allerdings  in  nicht  ganz  gleichem  Maasse,  nach  und  nach, 
bisweilen  sofort,  eine  mehr  oder  weniger  deutliche  rostbraune  Färbung  an.  Doch 
ist  diese  Färbung  für  alle  Cinchonenrinden  so  wenig  einheitlich,  dass  man  schon 
frühzeitig  gelbe  (amarilla) ,  weisse  (blanca) ,  rothe  (colorada) ,  orange  (naranjada), 
braune  (negrilla)  und  rothe  (roja)  Chinarinden  unterschied  und  noch  jetzt  bietet 
die  Farbe  das  wesentlichste  unterscheidende  Merkmal  der  drei  grossen  Gruppen, 
der  gelben,  braunen  und  rothen  Chinarinden. 

Wir  finden  die  Chinarinden  entweder  ia  Platten  (dickere  Stammrinden)  oder  in 
Röhren  (Astrinden).  ErBtere  sind  mehr  oder  weniger  flach,  letztere  (in  Folge 
Auslösung  der  Rindenspannung  beim  Trocknen)  gerollt.  Rinden  jüngerer  Stämme 
sind  ebenfalls  gerollt  (Culturchina). 

Das  Lupenbild  der  Chinarinden  ist  verschieden,  je  nachdem  man  Zweig- 
oder Stammrinden,  bedeckte  oder  unbedeckte  vor  sich  hat.  Bei  Zweigrinden  (stets 
bedeckt)  unterscheidet  man  die  dünne  Korkschicht  (Aussenrinde),  die  Mittelschicht 
(Mittelrinde,  fälschlich  oft  Aussenrindc  genannt)  und  die  „Bastschicht"  der 
Pbarmakognosten  (Innenrinde).  Zwischen  Kork-  und  Mittelschicht  ist  bisweilen  eine 
dunkle  glänzende  Linie ,  der  „Harzring" ,  wahrnehmbar.  Die  Innenrinde  ist  bei 
jungen  Zweigrinden  (Loxa)  wenig  nichtig,  bei  Stammrinden  macht  sie  die  Haupt- 
masse der  Rinde  ans  fOalisaya). 


Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


9 


Die  bedeckten  Stammrinden  zeigen  entweder  eine  breite  dunkle  Korkschicht 
cder  geschichtete  Borke,  bei  den  unbedeckten  fehlt  beides,  nnd  die  ganze  Rinde 
besteht  auB  Mittelschicht  (Mittelrinde)  und  Bastschicht  (Innenrinde)  oder  "dieser 
allein.  Die  Mittelschicht  ist  rein  braon,  oft  locker  „markig"  oder  durch  hellere 
Punkte  punktirt.  Körnige  Concretionen  (Steinzellengruppen)  fehlen  den  echten 
Rinden  so  gut  wie  immer.  Die  „Bastschicht"  ist  gegen  die  Mittelschicht  nicht 
scharf  abgegrenzt.  Sie  ist  fein  und  variabel  punktirt  und  gezeichnet,  bald 
strahlig,  bald  undeutlich  concentrisch,  bald  unregelmässig.  Gegen  die  Innenseite 
zerfasern  alle  Chinarinden  leicht.  Ein  scharfer  Transversalschnitt  ist  also  schwer 
herzustellen. 

Anatomisch  treten  die  drei  Schichten  noch  stärker  hervor,  und  besitzen  die 
Chinarinden  eine  Anzahl  Merkmale,  die  es  ermöglichen,  sie  leicht  und  bestimmt 
von  anderen  Rinden  zu  unterscheiden.  Unter  sich  stimmen  sie  jedoch  so  sehr  tiber- 
ein, dass  eine  allein  auf  die  Anatomie  gegründete,  genaue  Unterscheidung  nur 
schwer  möglich,  wenn  nicht  gar  ganz  unmöglich  ist. 

Ueberhaupt  stellen  sich  dieser  Methode  der  anatomischen  Unterscheidung,  die 
durch  Schleiden,  Beeg,  Oüdemans,  Vogl,  Flückjger  eingeführt,  beziehentlich 
durchgearbeitet  wurde,  zahlreiche  Schwierigkeiten  in  den  Weg.  Erstlich  enthält  eine 
und  dieselbe  Handelswaare,  bisweilen  selbst  bei  den  8endungen  aus  Java  und  Ostindien, 
selten  durchweg  die  Rinde  einer  und  derselben  Cinchonenart,  ferner  stammen  zwei 
Sendungen  derselben  Handelswaare  oftmals  von  ganz  verschiedenen  Cinchonen  und 
endlich  wechseln  die  anatomischen  Merkmale  je  nach  dem  Entwicklungsstadium  der 
Rinde.  Die  grösste  Schwierigkeit  liegt  aber  darin,  dass  wir  über  die  Abstammung  der 
südamerikanischen  Rinden  fast  ganz  im  Unklaren  sind.  Ganz  unbrauchbar  wird 
die  Methode  aber,  wenn  0.  Kuntze  Recht  hat,  dass  die  meisten  rindenliefernden 
Cinchonen  Bastarde  sind.  In  diesem  Falle  müssen  sich  nirgends  ausgeprägte  Unter- 
schiede, sondern  überall  Uebergänge  finden.  Letzteres  ist-  denn  in  der  That  auch 
oft  der  Fall. 

Jüngere  Rinden  (z.  B.  die  China  Loxa)  sind  stets  mit  normalem  dünnwandigen 
Kork  von  der  charakteristischen  Form  (niemals  mehr  mit  der  Epidermis)  bedeckt. 
So  alle  Zweigrinden.  Auch  Stammrinden  zeigen  eine  oftmals  nicht  unerhebliche 
Korkbildung.  ( C.  8»ccirubra),  doch  ist  einigen  Arten,  namentlich  C.  Cali*aya, 
sogenanntes  inneres  Periderm  eigen,  welches  zur  Borkenbildung  führt.  Bei  diesen 
Cinchonaarten  tritt  das  Periderm  in  der  Mittelrinde  in  Streifen  auf,  die  oftmals 
bogenförmig  nach  Innen  gewölbt,  flach  schalenförmige  Rindenpartien  abschnüren. 
Entfernt  man  daher  die  Borke  von  diesen  Rinden,  so  bleiben  flache  Vertiefungen 
(Conchas,  von  ihrer  schalenförmigen,  wie  von  Fingereindrücken  herrührenden  Gestalt) 
übrig,  die  z.  B.  das  charakteristische  Aussehen  der  Aussenfläche  der  unbedeckten 
Königschina  bedingen.  Diese  secundäre  Korkbildung  kann  bis  in  die  Innenrinde 
hinein  sich  erstrecken.  Die  Borkebildung  erfasst  nämlich  niemals  das  ganze  Ge- 
webe gleichförmig,  sondern  tritt  in  Streifen  und  Bändern  ungleicher  Dicke  und 
ungleicher  Ausdehnung  auf,  so  zwar,  dass  nach  und  nach  immer  tiefer  liegende 
Schiebten  herangezogen  und  nach  und  nach  schon  bei  Lebzeiten  des  Baumes  ab- 
geworfen werden.  So  finden  sich  bei  vielen  Stammrinden  selbst  Bastzellen  und 
Phloemzellen  unter  den  ausgeschiedenen  Rindenelementen  und  alte,  geschälte  Rinden 
bestehen  sogar  fast  nur  noch  aus  der  Innenrinde  (so  die  unbedeckte  China  regia). 
Die  Borke  selbst  bestoht  daher  stets  aus  abwechselnden  Lagen  Kork  und  Mittel- 
rinde und  erscheint  stets  „gezont"  oder  „geschichtet". 

Die  Korkzellen  sind  in  radialen  Reihen  angeordnet  und  meist  dünnwandig. 
Enthalten  die  Zellen  Luft  und  sind  die  Zellwände  farblos,  so  erscheint  die  Rinden- 
oberfläche weiss  und  glänzend,  sind  jene  braungefärbt ,  so  erscheint  sie  braun- 
roth  bis  braun.  In  beiden  Fällen  ist  der  Kork  (beziehungsweise  die  Borke)  weich. 
Enthalten  die  Korkzellen  aber  einen  bräunlichen,  harzartigen  Stoff,  so  sind  sie 
oft  auch  dickwandiger  und  die  Oberfläche  ist  hart  und  erscheint  grau  oder  grau- 
braun, im  Querbruch  harzglänzend.  Solche  inhaltfflbrende  Korkzellen  bedingen  zum 


Digitized  by  Google 


10 


CHINARINDEN. 


Fig.  I. 


Theile  den  „Harzring".  Das  pnmäre  Rindenparenchym  der  Zweigrinden,  die  Mittel- 
rinde, fehlt  den  älteren  Rinden  nüt  Borkenbildung  aus",den  oben  angeführten  Gründen 
gänzlich.  Bei  den  jüngeren  Rinden  besteht  es  entweder  nur  aus  dünnwandigem, 
etwas  tangential  gestrecktem 
Parenchym  (so  bei  C.  Cali- 
saya   und  succirubra)  und 
einigen  Lagen  Collenchym 
oder  es  sind   in  dasselbe 
eigenartig  gestaltete,  kürzere 
Seiereiden  (Steinzellen, 

Brachysclerßiden)  einge- 
bettet. Dieselben  besitzen  die 
typische  Gestalt  (C.  lanci 
foli'a,  purpurea ,  omta, 
aci'ohiculata).  Ihre  Wand 
ist  meist  nicht  sehr  stark, 
stets  deutlich  geschichtet, 
verholzt,  von  geraden  Poren- 
canalen  durchzogen  ("ge- 
tüpfelt). Sie  liegen  entweder 
einzeln  oder  seltener  in 
kleinen  Gruppen  bei  einander 
(jedoch  nie  in  geschlossenen 
Massen  oder  „Nestern"),  be- 
sitzen ein  weites  Lumeu  und 
sind  fast  ausnahmslos  deut- 
lich tangential  gestreckt.  Sie 
sind  nicht  sehr  lang  —  stets 
kürzer  als  die  sogenannten 
Bastzellen  —  rechteckig  und 
au  den  Enden  abgestutzt, 
Dicht  zugespitzt.  Sie  ent- 
halten entweder  keinen  In- 
halt oder  sind  mit  einem 
feinen  Krystallmehl  i  Calcium- 
oxalati  oder  rothbrauner, 
körniger  Masse  (nicht  Harz) 
erfüllt ,  daher  Saftzellen 
(Behgi,  Harzzellen  (Schlei- 
i>E.\j.  Schleiden  unterschei- 
det ohne  Grund  Qnadrat- 
zellen  ,  Rundzellen ,  Stab- 
zellen, Schichtenzellen,  sowie 
Harz-  und  Krystallzellen.  Die 
Sclereiden  bilden  die  „helle- 
ren Punkte"  der  Mittelrinde 
im  Lupeubildc. 

Manchen  Chinarinden  (C. 
Cahsoi/n  und  den  söge 
nannten  rothen  Rinden)  feh- 
len diese  Harz,  beziehungs- 
weise Krystallmehl  führen- 
den Sclereiden  ganz ,  bei 
anderen  finden  sie  sieh  nicht  nur  in  der  Mittelrinde,  sondern  auch  in  der  Inuen- 
rinde  (C.  lanci folia),  dort  oftmals  zwei  Bastzellen  mit  einander,  sogar  über  den 

Digitized  by  Google 


;ktt 


ml; 

China  Caüsava  americuna 


Querschnitt  durch  <>ine  uulw 

(Berg). 

mk  Kindcnsrralilen.  h  Hast  fasern,  AT  Kork  <Borkeuiest> 
Vergr. 


CHINARINDEN. 


11 


Rindenstrahl  hinweg,  verbindend  („Sclergidenbrücke"  Tschirch's).    Sie  besitzen 
also  diagnostischen  Werth. 

Gegen  die  Innenrinde,  den  Siebtheil,  hin  liegen  bei  den  Rinden  fast  aller  Cin- 
chonen  im  Jugendstadium  (d.  h.  im  ersten  oder  zweiten  Jahre)  einzeln  oder  zu 
weniggliederigen  Gruppen  vereinigt  in  lockerem,  unregelmässigem  Kreise  Gummi- 
harzschläuche, Saftachläuche,  Saftröhren  (Berg),  Milchsaftzellen  (Schleiden), 

Milchsaftgefässe  (Vogl),  die  im 
Durchmesser  meist  2 — 3mal  die 
umgebenden  Parenchymzelleu 
übertreffen  (0.2  mm  bei  C. 
Huccimbra,  U.5  mm  und  mehr 
bei  C.  boliviana,  doch  sind  sie 
bisweilen  nur  eben  so  gross, 
0.040 — 0.050  mm  oder  kleiner 
und  werden  dann  leicht  über- 
sehen) und  die  rundlieh  oder 
oval,  meist  tangential,  aber 
nur  wenig  in  die  Länge  ge- 
streckt, dabei  stets  dünnwandig 
und  von  einem  eigenartigen  In- 
halte erfüllt  sind.  Bei  C.  ob- 
(usifolia  und  heterophylla  sind 
dieselben  schon  in  der  zweijähri- 
gen Rinde  kaum  zu  erkennen, 
bei  C.  scrobiculnta,  ovata  und 
lancifolia  sind  sie  dagegen 
etwa  0.1 — 0.7  mm  weit  und 
mehrere  Millimeter  lang.  Im 
frischen  Zustande  cuthalten  sie 
Milchsaft,  in  der  Droge  er- 
scheinen sie  meist  leer.  Ist  Iu- 
halt  wahrnehmbar,  so  zeigt  er 
oft  Gorbstoffreactiou. 

In  Rinden,  die  ßorkcbildung 
zeigen  (C.  Calisaya) ,  fehlen 
diese  Saftschläucho  fast  stets,  sie 
sind  sammt  der  Mittelrinde  früh- 
zeitig abgeworfen  worden  i  Fig. 
1),  aber  auch  in  den  älteren  Rin- 
den, die  keine  Borke  erzeugen, 
sind  sie  bei  den  „echten"  Cin- 
choneu  <d.  h.  denen,  die  brauch- 
bare, alkaloidreiche  Rinden  bil- 
den) nicht  mehr  oder  nur  un- 
deutlich erhalten  und  gerade 
hierdurch  unterscheiden  sich 
diese  echten  Chinarinden  von 
den  unechten ,  die  meist  von 
Ladenberyia- ,  Bunea-  und  Exostemma -Arten  abstammend,  selbst  noch  im  Alter 
meist  sehr  deutliche  Saftschläuche  erkennen  lassen.  Bei  der  Succirubra  bleiben 
die  Saftschläuche  lauge  erhalten. 

Die  Hauptmasse  der  Rinde  besteht  aus  der  I  n  n  e  n  r  i  n  d  e.  Bei  deu  unbedeckten, 
borkenbildenden  wird  die  ganze  Rinde  des  Handels  nur  aus  Innenrinde  gebildet  i  Fig.  1). 

Der  Bau  der  Innenrinde  zeigt,  wie  bei  deu  meisten  Rinden,  ein  von  radial  ver- 
laufenden Rindenstrahlen  durchzogenes  Phloeni.  Die  Riudcnstrahlen  (Hast-  oder 

Digitized  by  Google 


Querschnitt  durch  die  Innenrinde  einer  osl  indischen  Cuitur- 

rinde  von  O,  tvrtirnbra.  Dicke  de»  Itiudenniusters  äinm. 
V  Itastfwera ,  *  Siebclenieiite  und  l'urenchym  ,  A'  Kr.vafaü- 
zellen,  «•  Riudenstruhl.    Vergr.  I4ö. 


12 


CHINARINDEN. 


Markstrahlen  der  Pharmakognosten)  sind  die  directen  Fortsetzungen  der  Markstrahlen 
des  Holzes.  Diesen  entsprechend  sind  sie  bald  schmal  und  einreihig  (Nebenniarkstrahlen 
Vogl's),  bald  breit  und  mehrreihig,  doch  erreichen  sie  kaum  jemals  eine  grössere  Breite 
als  3 — 4  Zelrreihen.  Gegen  Aussen  verbreitern  sich  jedoch  beide  und  gehen  allmälig 
ohne  scharfe  Grenze  in  die  Mittelrinde  über.  In  den  inneren  Rindenpartien  sind  die 
Rindenstrahlzellen  mehr  oder  weniger  deutlich  radial  gestreckt,  in  den  Äusseren 
verbreitern  sie  sich  tangential  und  nähern  sich  daher  der  Gestalt  der  Mittelrinden- 
zellen. Der  Siebtheil  (Bastparenchym  der  Pharmakognosten),  durch  die  Mark- 
strahlen in  mehr  oder  weniger  breite,  nach  Aussen  spitz  zulaufende  Radialstreifen 
gespalten,  besteht  aus  Siebröhren,  Cambiform  und  Phloemparenchym.  Zwischen 
diese  Elemente  eingestreut  finden  sich  Bastzellen.  Die  Siebröhren  sind  ebenso  wie  das 
Cambiform  schmaler  als  die  Markstrahlzellen  (Fig.  2).  Nur  die  letzteren  sind  in  der 
Droge  in  ihren  morphologischen  Charakteren  deutlich  erhalten.  Die  Siebröhren 
dagegen,  selbst  in  jüngeren  Rinden, 

mehr  oder  weniger  undeutlich,  sind  Fis  3- 

niemals  scharf  ausgeprägt  wahrzu- 
nehmen. Alle  dünnwandigen  Zellen 
der  Rinde  haben  in  Folge  Infiltra- 
tion der  Inhaltsstoffe  braune  Mem- 
branen. 

Die  Bastzellen  der  China- 
rinden gehören  zu  den  kürzesten 
ihrer  Art.  Sie  messen  meist  nur 
1  mm ,  höchstens  2 — 3  mm ,  nie- 
mals erreichen  sie  die  typische 
Länge  so  vieler  Bastfasern  ,  ihre 
Gestalt  ist  eine  spindelförmige. 
Dagegen  zeigen  sie  alle  anderen 
Merkmale  der  Bastzellen :  sie  sind 
deutlich  geschichtet,  stark  und 
gleichmäßig  verdickt  (welche  Ver- 
dickung von  den  Pharmakognosten 
fälschlich  „Verholzung"  genannt 
wurde)  und  besitzen  mehr  oder 
weniger  spitze  Enden,  mit  denen 
sie  in  einander  eingekeilt  und  zwi- 
schen einander  eingefügt  sind.  Die 
Enden  sind  entweder  spitz  oder 
meisselartig  zugeschärft,  oder  ab- 
gestutzt (sogenannte  Stabzellen) 
oder  mit  kurzen  Auswüchsen  (Hörn- 
chen) versehen  (  Fig.  3;.  Auch 
knorrige  Formen  finden  sich.  Der 
Querdurchmesser  ist  meistens  ab- 
gerundet vieleckig  (  stets  bei  denen,  die  in  Gruppen  beisammen  liegen),  um  so  breiter, 
je  mehr  die  Bastzelle  in  der  Mitte  durchschnitten  wurde,  um  so  schmäler,  je  weiter  der 
Schnitt  gegen  das  Ende  gelegt  war  (Fig  2).  Der  Querschnitt  der  Bastzellcn  ist  meist 
im  Sinne  des  Radius  der  Rinde  gestreckt  (Fig.  4).  Die  Wandung  ist  von  feinen  Poren- 
canälen  durchzogen,  das  Lumen  meist  auf  e*incn  zarteu  Längscanal  reducirt,  niemals 
weiter  als  die  Wandung  dick  ist.  auch  inhaltfiihrend.  Ihre  Breite  wechselt  zwischen 
0.030  und  0.250  mm  (meist  0.07 — 0.1  innn  und  finden  sich  manchmal  in  einem  und 
demselben  Rindenstucke  Bastzellen,  die  so  stark  variiren,  dass  sie  im  Querdurch- 
messer sich  wie  1  :  4  verhalten.  Aeltere  Rinden  sind  reicher  an  Bastfasern  als  jüngere, 
da  diese  Zellen  reichlicher  In  der  seeuudären  Riude  entstehen.  Dieselbe  Art  zeigt  also 
ein  verschiedenes  Bild,  je  nachdem  mau  eine  junge  oder  alte  Rinde  vor  sich  hat. 


Durch  Schultz  e'schc  Maceration  iaolirte 
aus  Java-Calisaya.  Vergr.  W. 


Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


13 


Die  Micellen  der  Wandung  der  Bastzellen  zeigen  spiralige  Anordnung,  die  Tüpfel 
stehen  linksschief  und  die  Faser  lässt  deutlieh  auf  der  Oberfläche  spiralige  Streifung 
erkennen.  Die  Süssere  Begrenzungslinie  der  Bastzellen  zeigt  meist  die  Eindrücke 
der  benachbarten  Parenchymzellen  (Fig.  3).  Auf  dünnen  Querschnitten  fallen  die  gelb- 
lichen Bastzellengruppen  durch  ihren  lichten  Seidenglanz  sofort  auf. 

Diese  Bastfasern  sind  das  charakteristische  Element  der  Rinde.  Durch  sie  ist 
man  in  der  Lage,  Chinarinden  von  allen  anderen,  selbst  nahe  verwandten,  schnell 
und  aufs  Bestimmteste  zu  unterscheiden.  Auf  sie  stützen  sich  auch  die  dia- 
gnostischen Merkmale  der  einzelnen  Handelssorten  in  erster  Linie.    Ihre  Länge, 


Fig.  4. 


Breite  und  Vertheilung 
wechselt  nämlich  bei  den 
einzelnen  Sorten  nicht 
unerheblich.  Besonders 
letztere  ist  sehr  variabel, 
bald  liegen  sie  verein- 
zelt ,  bald  zu  Gruppen 
vereinigt ,  bald  bilden 
sie  radiale,  bald  zouen- 
artige  Gruppen,  und 
so  charakteristisch  und 
klar  hervortretend  ist 
ihre  Gruppirung ,  dass 
sie  schon  mit  blossem 
Auge  oder  mit  der  Lupe 
in  den  Hauptzügen  deut- 
lich erkannt  werden 
kann. 

So  unterscheidet  Wi- 
gand (Schleidens  Ty- 
pen schärfer  fassend) 
folgende  drei  Typen  des 
Lupenbildes : 

Typus  A.  (C.  Ca- 
lisaya).  Die  Bastzellen 
sind  durch  die  ganze 
Dicke  der  Rinde  fast 
gleichmflssig  vertheilt, 
so  dass  nach  aussen  nur 
eine    geringe  bastlose 
Schicht  bleibt ;  die  Bast- 
zellen stehen  fast  durch- 
weg einzeln,  zum  Theil 
etwas  reihenartig  ange- 
ordnet,  aber  höchstens 
zwei  oder  drei  einauder 
unmittelbar  berührend. 
Typus  B.  (C.  scrobiculata).   Die  Bastzellen  sind  fast  ganz  durch  die  Rinde 
verbreitet,  so  dass  nach  aussen  nur  eine  geringe  fasorlose  Schicht  bleibt ;  sie  sind 
in  deutlichen  radialen  Reihen  angeordnet  und  eine  grössere  Anzahl  liegt  in  dieser 
unmittelbar  hintereinander. 


Querschnitt  durch  den  inneren  Theil  der  Innetirinde  der  Javanischen 
(Kultur-China  von  C.  CalUaga  Leägtriana,  Dicke  des  RindenmusTers  3.5min. 
6  Bastzellcn,  m  Rindenstrahl,  #  Siebelemente  und  Parenehyni. 

Vergr.  Mö. 


Typus  C.  (G.  pubescens).  Die  Rastzellen  verlieren  sich  nach  aussen,  so  dass  eine 
Schicht  von  merklicher  Breite  ohne  oder  nur  mit  zerstreuten  Fasern  vorhanden  ist;  die 
Bastgruppen  sind  nicht  strahlig,  sondern  eher  in  peripherischen  Reihen  angeordnet. 

Doch  darf  nicht  verschwiegen  werden,  dass  diese  drei  Typen  durch  /ahlreiche 
Lebertran  tru  mit  einander  verbunden  sind. 


Digitized  by  Google 


14  CHINARINDEN. 

Auch  bezüglich  der  einzelnen  Faser  zeigen  die  drei  Typen  (nach  Wigand) 
Unterschiede.  Bei  Typus  A  ist  die  einzelne  Bastzelle  von  mittlerer  Dicke  und 
höchstens  zehnmal  so  lang  als  breit,  an  beiden  Enden  stumpf  zugespitzt,  bei 
Typus  B  ist  sie  dünner  und  verhältnissmassig  viel  länger,  bei  Typus  C  sind  sie 
am  dicksten  und  kürzesten,  zu  zwei  bis  drei  in  fest  zusammenschliessende  Gruppen 
vereinigt. 

Auf  der  Form  und  Vereinigung  der  Bastzellen  beruht  auch  der  verschiedene 
Bruch  der  Chinarinden.  Alle  brechen  faserig,  Typus  A  und  B  durch  die  ganze 
Fläche,  C  nur  innen,  aussen  dagegen  glatt.  Der  Bruch  ist  kurz-,  fein-  und 
steifsplitterig  und  die  Fasern  lösen  sich  leicht  von  einander  bei  A,  er  ist  ver- 
hältnissmässig  lang-,  fein--  und  reichfaserig  bei  B  oder  endlich  grobfaserig  bei 
C.  Im  letzteren  Falle  sind  die  Faserbündel  stumpf  und  dick. 

Eine  auf  die  Form  und  Anordnung  der  BaBtzellen  gegründete  Eintheilung  der 
Rinden  haben  Berg,  Flückigkk,  Vogl  u.  And.  gegeben  (s.  weiter  unten). 

Berg  hat  nach  den  PHöBis'schen  Präparaten  der  DELONDRE-BorcHARDAT'schen 
Rinden  die  Bastzellen  gemessen,  Folgendes  sind  einige  der  Resultate  (die  Zahlen 
geben  das  Verhältniss  des  Radialdurchmessers  [Zähler]  zum  tangentialen  [Nenner] 
bei  gleicher  Vergrößerung  au) : 

Cort.  Cinchon.  lancifol.  Mut   Vorl.  Chin.  flav.  fibrös.  *!},  7/,,. 

("ort.  Chin.  rubr  suberox.  (Cinch.  coccin.  Pav.)       — "/«• 

Cort.  Cinchon.  cordifoliae  Mut.  Chin.  flav.  dura  laevis  */s  uud  8/„. 

Cort   Cinchon.  Pitayenttia,  China  Pitaya  *js. 

('ort.  Cinchon.  Pelalbae  Pav.  '/,. 

Cort.  Cinchon.  nitidae  Ruiz  et  Pav.  Cancarilla  fina  Peruana  a/s  nnd 

Cort   Cinchon    Condamineae  Hb.  et  Bonpl  ,u/7.s. 

Cort.  Cinchon.  Culisayae  Wedd.  Calimyachina  lg/„. 

Cort.  Cinchon.  succirubr.  Pav.  Cort.  chin.  rubr.  dur.  ,0/7. 

Cort.  Cinchon.  umbelliferae  Pav.  10/s. 

Cort.  Cinchon.  »crohiculat.  Hb.  et  Bonpl.  — 

Der  Radialdurchmesser  ist  also  meist  grösser  als  der  tangentiale.  Sehr  grosse 
Bastzellen  besitzt  Cort.  Cinchon.  lutea*  und  besonders  Pelleten'anas,  sehr  reich- 
gliederige  Bastzellgruppen  besitzt  Cort.  Cinchon.  macrocah/ci*. 

Die  sogenannten  falschen  Chinarinden  sind  anatomisch  von  den  echten 
leicht  zu  unterscheiden ,  sofern  sie  nicht  dem  Genus  Cinchona  angehören ,  doch 
pflegt  man  die  letzteren  nicht  eigentlich  als  „falsche",  sondern  nur  als  „minder- 
werthige"  Chinarinden  (Ca<tcarillo8  bobos)  zu  bezeichnen  und  das  Wort  „falsche" 
für  die  Rinden  der  Ladenbergia-,  Buena-,  Exostemma-,  Nauclea-,  Cascarilla- 
und  Remijia- Arten  zu  reserviren ,  denen  Chinin  und  Cinchonin  (mit  einziger 
Ausnahme  derCuprea  und  der  China  von  Para  [Hesse])  fehlen. 

Als  Kennzeichen  eiuer  falschen  Chinarinde  kann  Folgendes  gelten :  Das  Lupen- 
bild des  Querschnittes  zeigt  eine  scharfe ,  namentlich  keilförmige  Abgrenzung  der 
Innenrinde  oder  eine  deutliche  Schichten-  oder  regelmässige  Strahlenzeichnung  der 
letzteren  (Wigand).  Im  anatomischen  Bau  zeigen  sie  mannigfache  Besonderheiten, 
die  sich  in  allgemeine  Regeln  nicht  fassen  lassen  (s.  pag.  46  und  Fig.  7),  nur  das  ist 
allen  eigen,  dass  ihnen  stets  die  für  die  echten  Chinarinden  so  charakteristischen 
kurzen  Rastfasern  fehlen,  an  ihrer  Stelle  finden  sich  entweder  lange  Bastfasern 
(Steroiden),  z.  B.  bei  Nauclea,  oder  Sclereiden,  z.  B.  bei  der  Remijia,  oder  die 
mechanischen  Elemente  sind  stark  reducirt.  Auf  diese  Verhältnisse  ist  auch  ihr 
abweichender  Bruch  (langfaserig  bei  Steroiden,  kurzkörnig  bei  Scleröiden)  zurückzu- 
führen. Auch  sind  die  mechanischen  Elemente  dieser  Rinden  niemals  so  dick,  dass 
sie  schon  mit  dem  blossen  Auge  als  feine  Pünktchen  wahrgenommen  werden  könnten. 

Der  anatomische  Ban  der  wegen  ihres  Chiningehaltes  ebenfalls  zu  den 
„echten"  Chinarinden  gehörigen  sogenannten  China  cuprea  (von  Remijia 
peduneulata)  macht  die  bisherige  Auffassung  zu  schänden,  dass  die  chininhaltigen 
Cinchonen  auch  anatomisch  genügend  von  den  übrigen  unterschieden  sind.  Die 
Cuprearinde  besitzt  vollständig  den  Bau  der  falschen  Chinarinden. 

Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


15 


Fig. 


Der  Kork  besteht  Jbei  der  Cuprea  zum  Theil  ans  dickwandigen  Zellen,  innen 
int; er  normal  dünnwandig.  Er  ist  in  der  Droge  bis  anf  die  innersten  Lagen 
entfernt  (Fig.  5).  Die  Mittelrinde  enthält  reichlich  Sclerelden,  die  ziemlich  stark 
▼erdickt  (Bracbysclerelden)  und  stets  energisch  tangential  gestreckt,  oftmals  sogar 
etwas  verbogen  sind.  Sie  liegen  einzeln  oder  in  Gruppen  bei  einander.  Im 
inneren  Theile  der  Mittel  rinde  sind  Saftschläuche  nicht  selten ,  aber  auch  nicht 

regelmässig  vorhanden. 
In  dem  Siebtheile  der 
Innenrinde  liegen  statt 
der  Bastzellen  zahlreiche 
Sclereiden  der  typischen 
Form,  doch  sind  dieselben 
im  Querschnitt  schmal,  in 
der  Längsansicht  verhält- 
nissmässig  gestreckt  (Ma- 
krosclerelden).  Ihre  En- 
den sind  jedoch  nicht 
spitz,  sondern  mehr  oder 
weniger  abgestutzt.  Durch 
alle  diese  Merkmale  unter- 
scheiden sie  sich  leicht 
und  bestimmt  von  den 
Bastzellen  echter  Cincho- 
nen.  Ausser  diesen  in 
langen,  geraden  oder  ge- 
krümmten radialen  Reihen 
angeordneten  Sclerelden 
finden  sich  in  der  Innen- 
rinde auch  solche  der 
gleichen  Gestalt,  wie  wir 
sie  in  der  Mittel  rinde  an- 
trafen. Sie  treten  auch 
hier  mit  der  dort  erwähn- 
ten Tangentialstreckung 
auf  und  bilden  nament- 
lich häufig  Sclerenchyni- 
brtlcken  von  einer  Stein- 
zellreihe Aber  den  Rinden- 
strahl hinweg  zur  ande- 
ren (Fig.  5  und  6).  Sie 
bevorzugen  in  ihrer  Lage 
den  nach  aussen  zu  ge- 
legenen Abschnitt  der 
Innenrinde.  In  dem  inne- 
ren Theile  der  secundären 
Rinde  herrscht  das  dünn- 
wandige Gewebe  des  Sieb- 
theils  (auch  Siebröhren 
sind  hier  deutlich)  vor. 
Daher  lässt  sich  eine  dickere  äussere  und  eine  dünnere  innere  Rindenpartie  auch  im 
Lupenbild  schon  deutlich  unterscheiden.  Krystallzellen  mit  feinkörnig  krystallinischem 
Calciumoxalat  finden  sich  in  beiden  (Fig.  6). 

Der  aufladende  Reichthum  dieser  Rinde  an  dickwandigen  Elementen  bedingt 
ihre  ausserordentliche  Härte,  die  Form  der  Sclerelden  den  wenig  faserigen,  mehr 
körnigen  Bruch. 


Querschnitt  durch  die  China  puprca. 
K  Korkrrate ,  *  Milchachläuche  .  b  Hrachys«rlereiden,  m 
Bdereiden,  *  Siebbiindcl  collabirt. 


Digitized  by  Google 


16  CHINARINDEN. 

Die  eigentümliche  kupferbraune  Farbe  rührt  von  einem  in  allen  dünnwandigen 
Elementen  reichlich  enthalteneu,  auch  in  die  Membranen  eindringenden  Farb- 
stoffe her. 

Die  Cinchonamin-Cuprea  (von  Remijia  Purdieana)  besitzt  eine  Innen- 
rinde mit  zahlreichen,  dicht  gedrängten,  langen  Sclerelden  (Makrosclereiden) ,  die 
ein  ansehnliches  Lumen  besitzen  und  in  radialen ,  durch  4 — 5  Zellreihen  breite 
Markstrahlen  getrennten  Reihen  stehen.  Kurze  Scleröiden  (ßrachysclereiden) 
fehlen,  ebenso  Milchröhren  (Planchon ;  wohl  Saftschläuche ?).  In  Folge  der  nahezu 
gleichen  Vertheilung  der  Sclereiden  über  die  ganze  Innenrinde  ist  eine  innere  und 
äussere  Partie  nicht  oder  doch  nur  undeutlich  unterschieden. 


Fig.  6. 


tjuernchnitt  durch  den  mittleren  Tbeil  der  Innenrinde  der  China  cuprea. 
mk  Rindenstrahl,  b  ßrachysclereiden,  m  Makiosclereiden,  A"  KiysUillzellen. 

Vergr.  2<>0. 

Die  Würze  Irin  den  der  Ciuchonen,  die.  weil  sehr  alkaloidreieh,  sehr  gesucht 
sind,  besitzen  im  Allgemeinen  den  Bau  der  Stammrinden.  Sie  scheinen  sehr  zur 
Borkebildung  geneigt  zu  sein. 

Der  Inhalt  der  Zellen  ist  mannigfach.  Die  stark  verdickten  Bastzellen  sind 
entweder  ganz  inhaltsleer  (»der  enthalten  ebenso  wie  die  Makroscler&den  kleine 
Mengen  einer  körnigen  Substanz.  Die  duunwaudigen  Elemente  der  Mittel-  und 
Inneurinde  (Parenchym.  Siebtheil,  Markstrahlen)  und  der  Kork  (nur  das  Phellogeu 
i<t  meist  farblos,,  enthalten  einen  braunen  oder  braunrothen  Farbstoff  (Chinaroth), 
der  auch  in  die  Membranen  eindringt.  Derselbe  erfüllt  dieselben  oft  vollständig 
und  bedingt  die  Farbe  der  verschiedenen  Kiudeusorten.  Stärke  ist,  besonders  bei 
den  Ctilturriuden,  reichlich  in  der  Mittelrinde  enthalten.  Auch  die  äusseren  Schichten 

Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


17 


der  Innenrinde,  ja  selbst  die  inneren  Korklagen  enthalten  Amyhnu.  Die  Kurner 
desselben  sind  klein,  rundlich,  bisweilen  zusammengesetzt.  Junge  Zweigrinden  führen 
in  den  Süsseren  Schichten  bisweilen  kleine  Chlorophyllkörner.  Kalkoxalat  kommt 
bei  den  Cinchonen  nur  sehr  selten  in  gut  ausgebildeten  Krystalleu  vor.  Es  erfüllt 
vielmehr  meist  als  fein  krystallinisches  Krystallmehl  (wie  bei  Helladonna)  besondere, 

dünnwandige  Krystallschläuche,  die  von  den 
anderen  Zellen  morphologisch  nicht  ver- 
schieden sind  (Fig.  2).  Seltener  sind  Kry-  • 
stallmehl  führende  Braehysclereiden.  Das 
Polarisationsmikroskop  läsat  die  kleinou  Kry- 
ställchcn  leicht  erkennen  und  kann  man  die 
Schläuche  am  besten  damit  aufsuchen.  Bei 
China  cupreo  fand  ich  da  und  dort  besser 
ausgebildete  Krystalle  (Fig.  6). 

Die  Chiuaalkaloide  haben  ihren  Sitz  in 
dem  Rindenparenehyni  (N.  J.  C.  M  Oller, 
Fleckiger ,  Carles).  nicht,  wie  Wigand 
behauptete,  in  den  Bastzellen.  Welcher  Theil 
des  Querschnittes  es  ist,  der  am  alkaloid- 
reichsten  ist,  darüber  weichen  die  Ansichten 
von  Howard,  Carles,  de  Vrij,  Vogl, 
Weddell,  Karsten  auseinander.  Sicher  ist, 
dass  der  Kork  alkaloidfrei  ist,  ob  aber  Mittel- 
riude ,  Phloem  (Siebröhren ,  Parenchym  und 
Cambiform)  oder  Markstrahlen,  secundäre 
oder  primäre  Rinde  vornehmlich  der  Sitz 
der  Alkaloide  sei,  ist  noch  nicht  sicher  aus- 
gemacht. Meine  Versuche  weisen  mich  darauf 
hin,  dass  man  die  Alkaloide  namentlich  in  den 
dünnwandigen  Elementen  der  Innonrinde  zu 
suchen  habe,  doch  sind  die  anderen  Thcile 
sicher  nicht  alkaloidfrei.  Durch  Infiltration 
dringen  die  AlkaloidlÖsuugeu  übrigens  stets 
auch  in  die  Membranen,  selbst  der  Bastzcllon,  wodurch  Irrthümer  entstanden  sind. 

Die  Alkaloide  siud  ohne  Weiteres  (etwa  in  Krystallform)  nicht  sichtbar,  nur 
Howard  will  in  der  Rinde  der  Cinchona  Ledgeriana  solche  Krystalle  gesehen 
haben  —  dagegen  kann  man  sich  Krystalle  herstellen,  indem  man  dünne  Rinden- 
querschuitte  sehr  kurze  Zeit  mit  Kalilauge  erwärmt,  das  Reagens  schnell  abfliessen 
lässt  und  durch  Wasser  ersetzt  (Howard).  Alsdann  erscheint  das  ganze  Gewebe 
reichlich  mit  büschelförmigen  Krystallaggregaten  übersät. 

Mikroskopische  Schnitte  sind  von  Chinarinden  nicht  leicht  herzustellen, 
da  die  faserige  Innenrinde  oft  beim  Schnitte  bröckelt.  Man  hat  daher  häufig  ver- 
schiedene vorherige  Prüparationsmethoden  (Einlegen  der  Rinden  in  Glycoringelatine, 
Erwärmen  in  verdünntem  Glycerin  u.  And.)  empfohlen.  Ganz  abgesehen  davon, 
dass  alle  diese  Methoden  den  Inhalt  mehr  oder  weniger  modificireu,  fand  ich  stets, 
dass  sich  bei  einiger  Uebung  gute  dünne  Schnitte,  selbst  durch  die  dünnsten  und 
mürbsten  Rinden  herstellen  lassen ,  wenn  man  dieselben  24  Stunden  in  Wasser 
oder  sehr  verdünntes  Glycerin  legt  und  auf  einer  tiefgelegten  Schnittfläche  das 
scharfe  Messer  führt.  Klare  und  schöne  Bilder  erhält  mau .  wenn  man  durch 
Erhitzen  der  Schnitte  in  Ammoniak  oder  ammoniakalischen  Alkohol  (Berg  ver- 
wendete Kali)  die  in  den  Membranen  abgelagerten  braunen  Farbstoffe,  zum  Theile 
wenigstens,  entfernt.  Gleichzeitig  werden  die  zusammengetrockneten  Sicbeletnente 
bei  dieser  Methode  etwas  gestreckt  und  in  ihre  natürliche  Form  (wenigstens 
naheziu  wieder  Ubergeführt.  Der  Inhalt  wird  bei  diesen  Manipulationen  freilich 
zerstört. 

Rc-al-Encycloj>adie  der  gea.  Pharmacie.  III.  %  Digitized  by  Google 


Fig.  7. 


Mit  S  c  hultze'schor  Muceration  Uolirte 

Scleröiden  der  Chiua  cuprea. 
m  Makroacleriiiden,  *,  h  <Y  Braehysclereiden. 
Vergr.  UO. 


18  CHINARINDEN. 

Der  Geruch  der  echten  Chinarinden  ist  achwach,  doch  namentlich  bei  ge- 
pulverter Rinde  so  eigenartig,  das«  er  mit  keinem  anderen  verwechselt  werden 
kann.  Man  wird  durch  ihn  ohne  Schwierigkeit  schon  die  China  von  anderen  Rinden 
zu  unterscheiden  im  Stande  sein ,  wenigstens  wichtige  Anhaltspunkte  gewinnen. 
Viele  Verwandte  der  Chinarinden  besitzen  ihn  nicht,  selbst  der  Cuprea  geht  er 
:ib  und  die  Cascarillen ,  Gomphosien  und  andere  Rubiaceen  und  Euphorbiaceen 
sind  entschieden  aromatisch. 

Der  Geschmack  variirt  nicht  unerheblich,  je  nach  der  Handelssorte.  Jüngere 
Rinden  schmecken  vorherrschend  herbe,  seltener  (Huanuco,  Loxa)  zugleich  säuer- 
lieh adstringirend.  Je  älter  die  Rinden  sind,  um  so  bitterer  pflegen  sie  zu  sein, 
so  das»  bei  diesen  der  adgtringirende  Geschmack  mehr  in  den  Hintergrund  tritt. 
Nur  einige  wenige  Sorten  (Calisaya)  sind  auch  im  Jugendstadium  schon  stark  und 
vorherrschend  bitter.  Je  alkaloidärmcr  eine  Rinde  ist,  um  so  weniger  bitter  und 
um  so  mehr  adstringirend  schmeckt  sie. 

Den  falschen  Chinarinden,  denen  die  Chiuaalkaloidc  fehlen,  mangelt 
meistens  auch  der  eigenartig  bittere  Geschmack,  sie  schmecken  oftmals  widerlich, 
scharf,  ja  ekelerregend. 

Die  wichtigsten  Bestandtheile  der  echten  Chinarinden  sind  die 
Chinaalkaloide  (s.  Bd.  11,  pag.  (>♦;!>).  Denselben  verdankt,  zwar  nicht  aus- 
schliesslich, so  doch  vorwiegend  die  Chinarinde  ihre  therapeutische  Wirksamkeit. 
Sie  sind  in  der  Rinde  als  Tannate  (de  \n].f)  enthalten  (neben  freier  Chinasäure). 
Unter  ihnen  nimmt  das  Chinin  (1*20  von  Pelletier  und  Caventoi'  entdeckt) 
die  beiweitem  erste,  das  Cinchoniu  (3  Cincbonin ,  Huanocin,  im  gleichen  Jahre 
aufgefunden)  die  zweite  Stelle  ein.  Ferner  kommen  darin  in  grösserer  Menge  vor  : 
Chinidin  f  1833)  (>-Chinin,  Chinolin,  Cinchotiu ,  Pitayin ,  Carthagin ,  Conchiuin) 
und  C  i  n  c  ho  n  i  d  i  n  '  1847)  i Pseudochinin  ,  Chinidin  auturum),  in  geringerer: 
Homocinchon  id  i  u  (1877),  Chinamin  (1872),  Cincharaidin  (1881). 
Ausser  diesen  sind  auch  folgende,  noch  weniger  wichtige  Alkaloide  darin  enthalten  : 
Aricin(?).  Cuseonin,  Cusconidin.  Cuscamin,  Cuscamidin,  Paytin, 
Pari  ein,  zweifelhaft  sind  Javanin ,  Chinichin,  Cinchonichiu,  Homocinchonidin, 
Cinchotin  (flüssig).  Bisher  nur  in  der  Cuprea  von  liemijia  Purdt'rana  auf- 
gefunden wurden:  Cinchonamin  il88lj,  Conen s conin,  Cheiramin, 
Coucheirami  n,  Cheiramidin,  C  oncheiramidin  (Hesse,  1884).  In  der 
echten  Cuprea  ist  enthalten:  Cuprein  (1884,  mit  Chinin  verbunden  das  Homo- 
chinin  He?sr's  bildend).  Chinamin  und  Paricin  findet  sich  in  der  oftlcinellen 
Succirubra  (  Hesse),  die  auch  viel  Cinchonidin  enthält. 

Alle  diese  Alkaloide,  ausser  Paricin.  Cusconidin,  Cuscamidin,  Cheiramidin, 
Chinicin,  Cinchonicin,  Dicinchonin,  Diconchinin,  Bind  krystallisirbar.  Ob  ausser  den 
angeführten  noch  andere  amorphe  Basen  in  den  Rinden  vorkommen  oder  ob  die- 
selben (z.  B.  Cinchotin,  Hydroconchinin,  Hydrocinchonin,  Hydrocinchinidin,  Hydro- 
chinidin»  erst  wahrend  der  Verarbeitung  in  der  Fabrik  entstehen,  ist  noch  zu 
untersuchen.  Das  Chinoidin  des  Handels  besteht  vorwiegend  aus  solchen 
amorphen  Körpern. 

Durchaus  nicht  alle  der  oben  angeführten  Basen  finden  sich  in  jeder  Rinde. 
Einige,  namentlich  die  seltenereu,  sind  bisher  nur  in  einer  oder  der  anderen  auf- 
gefunden worden.  Nur  Chinin  und  Cinchonin  scheinen,  wenn  wir  Hksse's  Angabe 
über  eine  chininfreie  Rinde  von  Cinchona  pubescenx  Vald.,  die  gelbe  China  aus  Para 
und  die  nelkenbraunc  Calebejachina  i  Wjxcklkr),  die  zwar  alle  den  anatomischen 
Bau  der  echten  besitzen,  aber  kein  (hinin  enthalten  sollen,  ausnehmen,  keiner 
echten  Cinchonenrimle  gänzlich  zu  fehlen.  Von  (im  anatomischen  Sinne)  „unechten 
Chinarinden"  enthält  die  Cuprea  und  die  China  de  Para  (von  Buena  hexandra) 
Chiuin  'Hessel 

Der  Gehalt  an  Alkaloiden  schwankt  ganz  ausserordentlich.  In  dieser 
Beziehung  ist  besonders  der  Gehalt   an  Chinin  eingehend  »tudirt  worden.  Selbst 

Digitized  by  Google 


CHINARINDEN.  19 

dieselbe  Art   zeigt  je   nach   dem  Standorte   erhebliche  Schwankungen.    So  fand 
Karstex  bei  Cinchonn  con/mhosa  in  einer  Cegend  gar  kein  Chinin  in  der  Rinde, 
an  anderen  günstigeren  Orten  0.75  Procent,  in  der  eigentlichen  Cinchoneuregion 
aber  1.3 — 3.5  Procent  Chinin.  Ucherhaupt  ist  der  Gehalt  an  Chinin  selir  abhängig 
von  der  Bodenbeschatfenheit,  der  Beschattung,    der  Seehöhe,  dem  Klima  und  der 
Regenmenge,  dem  Alter  der  Bäume  u.  A.    Wie  gross  der  Eintiuss  der  Düngung, 
z.  B.  in  den  Culturen  ist,  zeigt  Succirubra,  bei  der  der  Chiningehalt  in  einem  Falle 
durch  Düngung  von  1.51  auf  2.2!»  stieg  fHooPKR..  Bei  Sucei rubra  scheint  während 
und  am  Schluss  der  Regenzeit  die  Kinde  am  alkaloidreichstcn  zu  sein  (de  Vrij). 
Auch   die  Art  der  Trocknung  ist  von  Eintiuss.  Howard  fand,  dass  Ledgeriana- 
rinde  in  der  Sonne  getrocknet  11.0b"  Proeent,   bei  künstlicher  Wärme  getrocknet 
11. GS  Procent  Chinin  gab.    Aber  selbst  in  den  Kiuden,  die   von  Cinchonen  des- 
selben  Standortes  und  derselben  Art  entnommen   waren ,   war  der  Gehalt  ein 
sehwankender,  und  so  kommt  es  denn,  dass  in  derselben  Handelssorte,  die  im  All- 
gemeinen morphologische  und   anatomische  Unterschiede   nicht   zeigt,   oft  Rinden 
verschiedenen  Werthc*  bei  einander  liegen.    Ks  leuchtet   schon  hieraus  ein.  dass 
eine  Beziehung  zwischen  der  anatomischen  Structur  und  dem  Alkaloidgehalte  nicht 
besteht  und  die  erstere  nur  eine  diagnostische  Bedeutung  zur  Erkennung  der  Sorten 
und  (s.  unten)  auch  hierfür  nur  bedingten  Werth  besitzt.  Da  selbst  dieselbe  Handels- 
sorte Schwankungen  im  Alkaloidgehalte  zeigt,  so  besitzt  die  immer  mehr  sich  ein- 
bürgernde Handclsusanee,  die  Rinden  nur  nach  dem  Gehalte,  nicht  nach  den  Sorten 
zu  kaufen  —  ein  Usus,  der  von  der  javanischen  Regierung  für  die  von  dort  kom- 
menden Rindensendungen  eingeführt  wurde  —  vollauf  Berechtigung.  Denn  auch  in 
den    Culturen    schwankt  der  Alkaloidgehalt  nicht  unerheblich.    So   fand  z.  B. 
r»K  Vui.r  bei  javanischer  Culturchina  (Calimyti)  Schwankungen  zwischen  0.64  Pro- 
cent und  5  Procent  Alkaloid  bei  etwa  gleichalterigen  Stämniehen  der  gleichen  Art, 
bei    CmcJiona  officinolis  (aus   Ostindien)   Gehalte   zwischen    1.4 — 9.1  Procent 
Chinin.  Ueberhaupt  sind  bisher  bei  guten,  echten  Chinarinden  Schwankungen  zwischen 
0.7 — 17  Procent  Chininsulfat  beobachtet  worden.  Der  höchste  Gehalt,  den  Weller 
in  Fabrikrinden  fand,  war  15.4  Procent,  den  Muens  (bei  Ledgeriana)  beobachtete 
15.2  Procent  Cbininsulfat.   Eine  treffliche  Tabelle  des  Gehaltes  aller  javanischen 
Rinden  hat  Moexs  (Kinacultuur,  pag.  269;  mitgetheilt. 

Im  Grossen  und  Ganzen  kann  man  sagen,  dass  bei  derselben  Art  die  Zweig- 
rinden am  ärmsten,  die  Wurzelrinden  am  reichsten  an  Alkaloid  sind  'de  Vrij 
fand  z.  B.  in  ostindischer  Succirubra- Wurzelrinde  einmal  12  Procent  Alkaloid 
und  Choss  in  einer  anderen  3.51  Procent  Chinin)  und  die  Stammrinden  das 
Mittel  zwischen  beiden  halten^  aber  den  Wurzelrinden  näher  stehen ,  dass  ferner 
durch  das  Mossingverfahren  erneuerte  (renewed)  Kiuden  der  Culturen  reicher  sind 
als  die  ursprünglichen. 

Ueber  letztere  Thatsache  geben  folgende  Zahlen  Auskunft.  Succirubra  war 
im  6.  Jahre  in  Madras  (Ostindien)  entrindet  worden.  Es  betrug  der  Ge- 
halt (1SS6): 

Chinin  Gesamnualkaloide 

Ursprüngliche  Rinde   .  1.25  7.22 

Erste  Erneuerung  2.4'»  H.e>8 

Zweite       „   H.tiO  7.59 

Dritte       „    8.87  7.58 

( Hoofer).  Besonders  dem  Chiningehalt  ist  also  die  Erneuerung  förderlich.  Bei 
älteren  Stämmen  ist  das  Verhältniss  ungünstiger.  Bei  21jährigen  Bäumen  sinkt 
der  Gehalt  sogar.  Das  Verhältniss  der  Alkaloide  zu  einander  bleibt  bei  der  Er- 
neuerung wohl  kaum  dasselbe,  wie  de  Vrij  meint. 

Ferner  illustriren  folgende  Zahlen  das  allgemeine  Verhältniss  der  einzelnen 
Rindensorten  (Wurzel,  Stamm,  Zweig  und  erneuerte  Rinden)  zu  einander.  Denis 
nnd  Marcixelle  fanden  (ISSJ)  bei  javanischen  Riuden,  und  zwar: 

2*Digitized  by  Google 


20  CHINARINDE*. 

Chinin  Alkalose 

Wurzelrinden  Succirubra  1.0  9.3  Procent 

„  Hasskarliaua  1.5  6.0  „ 

Offlcinalis  3.H  9.2  „ 

Ledgeriana  .  4.9  7.7  „ 

Erneuerte  Rinden    Succirubra  2.3  7.8 

„  „         Officinalis  3.9  6.0  „ 

r  w         Ledgeriana  6  9  8.7  „ 

Kinde  v.  Schössl.    Ledgeriana  2.7  4.4 

Stamm  u.  Astrinden  Succirubra  1.2  8.3  r 

Hasskarliana  0.9  3.3 

„        Oftlcinalis  2.7  5.0 

„      „       „        Ledgeriana  5.2  6.8 

Von  den  eultivirten  Rinden  —  und  nur  diese  spielen  zur  Zeit  in  der  Chinin- 
fabrikation, die  beiweitein  die  meisten  Rinden  verbraucht,  eine  Rolle  —  erwies  «ich 
Cinch.  succirubra  und  ofßc'mnlis  (die  hauptsächliche»  Culturrinden  Ostindiens 
und  Ceylons)  ärmer  an  Chinin  als  Calimya  und  besonder«  die  rar.  Ledgeriana 
(die  hauptsächlichen  Culturrinden  Javas),  welch  letztere  häufig  4 — 6  Procent  Chinin- 
sulfat erreicht,  während  diese  Ziffer  von  .succirubra  nur  äusserst  selten,  von 
officinalifi  nicht  oft  erreicht  wird.  Letztere  Sorten  enthalten  dagegen  bedeutend 
grössere  Mengen  Cinchonidin.  Folgende  Zahlen ,  die  ich  der  Güte  des  Herrn 
Weller  (Zimmeb'scIic  Chininfabrik;  verdanke  und  die  sämmtlich  von  dies- 
jährigen (1886)  Analysen  javanischer  Rinden  stammen  und  das  Mittel  aus  wenigstens 
10  (meistens  20 — 70)  Analysen  darstellen,  geben  einen  Begriff  von  dem  Gehalte 
der  jetzt  im  deutschen  Fabrikrinden  handel  dominirenden 
Rinden  an  Chininsulfat. 

Succirubra  Stammrindc  2.2  Procent 

„  Wurzel  rinde  2.8  „ 

„  Zweigrinde  1.5  „ 

Ledgeriana  Stammrinde  5 

„  Wurzel  rinde  5.6  .. 

„  Zweigrinde  2.1 

Of/icinalui  Stammrinde  3.8  „ 

„  Wurzelrinde  4.2  „ 

„  Zweigrinde   0.7 


C.  F.  Bö  bring  er  &  Söhne  verarbeiten  jetzt  meist  ostindische  Rinden  mit 
einein  Durchschnittsgehalt  von  1.5  Proceut  Chinin. 

Die  von  Java  stammenden  Rinden  sind  meist  gehaltreicher  als  die  aus  den 
britischen  Besitzungen,  aber  auch  von  hier  kommen  in  neuerer  Zeit  immer  chinin- 
reichere. Mokns  fand  (1879)  injavanischer  Ledgeriana,  1.09 — 12.05  Procent 
Alkaloid,  nur  in  13  Proben  (von  80)  weniger  als  5  Procent.  1881  betrug  durch- 
schnittlich der  Alkaloidgehalt  2 — 9  Procent,  der  an  Chinin  1.2 — 8.1  Procent, 
schwankte  also  sehr.  Ueberhaupt  liofert  keine  Sorte  ganz  constante  Zahlen. 

Gesammtalkaloide  besitzt  die  ostindische  Succirubra  oft  6 — 11  Procent  ,  doch 
tritt  das  Chinin  zurück,  dafür  ist  meist  3 — 4  Procent  Cinchonidin  darin  enthalten. 
1881  wurden  auf  Java  bei  dieser  Rinde  folgende  Schwankungen  beobachtet:  an 
Alkaloid  3.2—9.8,  an  Chinin  0.4—2.5,  an  Cinchonidin  1.3 — 5.2  (Flückiger). 

Bei  den  im  Handel  augenblicklich  (1886)  überwiegenden  Ceylonrinden  kann 
man,  da  sie  oftmals  sehr  geringwerthig  sind,  den  durchschnittlichen  Gehalt  an 
Chininsulfat  auf  nicht  höher  als  2 — 3  Procent  annehmen  (selten  mehr  als  4  Proeent, 
oft  nur  1.5 — 2.5  Procent),  doch  scheint  es,  dass  der  Gehalt  von  Jahr  zu  Jahr 
steigt  (Weller). 

Für  die  amerikanischen,  von  wildwachsenden  Bäumen  gesammelten  China- 
rinden lassen  sich  bestimmte,  auch  jetzt  noch  giltige,  allgemeine  Werthe  nicht 
angeben.  Einige  Angaben  darüber  sollen  bei  den  einzelnen  Sorten  gemacht  werden. 
Für  die  Chininfabrikation  sind  sie  nur  von  untergeordneter  Bedeutung .  dagegen 
erweist  sich  die  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  eingeführte  südamerikanische,  speciell 
bolivianische.  Cnlturealisaya  als  sehr  alkaloidreich.  Auf  der  südamerikanischen  Aus- 


Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


2f 


Stellung  in  Berlin  (188(1)   habe  ich  Rinden   von  dort  gesehen,  die  4.88,  5.72r 
6.37 ,  ja  sogar  6.65  Procent  ('hinin  enthielten  (  Leichsexrixg). 

Die  auf  Janiaica  cultivirten  Rinden  lieferteu  (1881)  schon  treffliche  Resultater 
C.  Caliaaga  4.93  Procent,  C.  ofßchxnl.  5 — 6.95  Procent,  C.  succirnbra  1.97 
bis  2.4  Procent  Chininsulfat  (Howard);  die  von  dort  nach  Columbien  ver- 
pflanzten Bflume  lieferten  :  C.  Caltsaga  2.7 — 4.3  Procent,  C.  ofßchialis  4.3 — 4.6, 
C.  succirnbra  4.94  und  dieselbe  erneuert  sogar  7  Procent. 

Die  wetterharte,  aus  klimatischen  Gründen  besonders  in  Ostindien  cultivirte 
Sucrintbra  soll  dort  an  sonnigen  Standorten  einen  höheren  Gehalt  wahrnehmen 
lassen.  Auch  die  dunkelblüthigen  Spielarten  und  Hybriden  pflegen  etwas  mehr 
Chinin  zu  enthalten  und  werden  daher  in  der  Cultur  bevorzugt  (KrxT/Ei. 
C.  Letigrriana  (wahrscheinlich  eine  unregelmässige  Hybride)  macht  eine  Ausnahme 
davon :  sie  hat  eine  bleiche  Blfltbe. 

Auch  die  Luftströmung  ist  nicht  ohne  Einfluss  auf  den  Alkaloidgchalt. 
So  zeigt  die  Succirubra  in  den  Nilagiris  das  Maximum  des  Gehaltes  vor  Beginn 
des  Süd-West-Monsums  (Ende  Mai,  Mitte  Octoberj,  und  geht  herab  wahrend  der 
regenbringenden  Monsummonate  '  Juli-September  j  i  Brougthox). 

Kuxtze  vertritt  die  Ansicht  und  hat  dieselbe  durch  zahlreiche  Belege  und  das 
Gutachten  einiger  Cultivateure  gestutzt,  dass  der  Chiningehalt  mit  dem  Grade  der 
Hybridation  wächst.  Cinchoneu  neigen  nämlich  sehr  zur  Hybridenbildung  (s. 
C  i  n  c  b  o  n  aj.  Je  weiter  der  Bastard  von  der  reinen  Art  sich  entfernt,  um  so 
alkaloidreieber  soll  er  sein.  Die  reinen  Arten  sind  alkaloidarm. 

Ich  verdanke  Kuxtzk  folgende  Angaben.    Er  fand  (aus  den  Auktionslisten 
Chinin  in  den  javanischen  Rinden  von  : 

<  \  Calisaya  0.84  Prooent 

('.  carabayensin  0.15  „ 

('  micrantha  0.01  „ 

('.  succirubra  0.98  „ 

(die  letztere  ist  auf  Java   schon   mit  Hybriden   vermischt,   daher  chiuinreicher 
als  sonst). 

Dagegeu  die  Hybriden: 

<\  t'aiinaya  X  carabaytngis  0-7  Procent 

(',  Calisayn  X  micrantha  2.58  „ 

('.  Culimyn  X  succi  rubra  12  , 

('.  carabayenfiis  X  succirubra      .   .   .  0  72  „ 

Die  unregelmässige  Hybride  C.  Calisaya  X  micrantha,  die  sogenannte  C. 
Ledgeriana  ist  sehr  chininreich  (s.  oben),  sie  erreicht  13.2  Procent  Chinin  und 
mehr ,  enthält  also  viel  mehr  als  die  Eltern,  was  gegen  Kuxtze  sprechen  wurde 
(Morxs).  Andererseits  hat  man  oftmals  bemerkt,  dass  bei  der  Bastardirung  die 
schlechte  Cinchone  die  bessere  schädigt. 

Wie  wichtig  die  künstliche  Hybridation  für  die  Cinchonenculturen  werden 
kann ,  falls  sich  Küxtze's,  zunächst  noch  viel  bestrittene,  Ansicht  bewahrheiten 
sollte,  liegt  auf  der  Haud.  Für  Kuxtze's  Ansicht  spricht  mancherlei,  so  hat  er 
z.  B.  der  C.  Mac  Jroriana  =  C.  carabayensi*  X  micrantha  x  suenirubra  eiu 
günstiges  Prognostikon  gestellt  und  dasselbe  hat  sich  bewahrheitet.  Ein  weiterer 
VortheSl  liegt  darin,  dass  bei  der  künstlichen  Kreuzung  meist  kräftigere  Bäume 
erzielt  werden. 

Auch  durch  Pfropfung  kann  man  eine  Veredelung  der  Cinchonen  erzielen 
(vax  Gorkom).  In  Java  stellt  man,  wie  dies  Moexh  abbildet,  mit  einem  Messer 
einen  steilen  Längsspalt  in  der  Rinde  her,  in  welchen  der  keilförmig  zugespitzte 
Spro««  eingesenkt  und  alsdann  durch  Schnur  festgebunden  wird. 

Was  das  Verhältnis«  des  Alters  der  Bäume  zum  Chiningehalte  betrifft,  so  fand 
Hooi'KR,  dafs  z.  B.  bei  Ledyriana  bis  zum  5 — 6.  Jahre  die  Alkaloide  steti^r 
zunehmen.  von  da  wieder  abnehmen.  Bei  Hnccinthra  steigt  der  Alkaloidgehalt  in 
derselben  Weise,  dagegen  der  Chiningehalt  bisweilen  bis  zum  12.  Jahre,  erreicht 

Digitized  by  Google 


22 


CHINARINDEN. 


jedoch  selbst  zu  dieser  Zeit  meist  nicht  die  Höhe  wie  im  ß.  Jahre.  Vom  12.  Jahre 
an  sinkt  der  Alkaloidgehalt  beständig. 

Man  kann  daher  die  Resultate  dahin  zusammenfassen :  Der  Chiniugchalt  ändert 
ab  bei  den  Rinden  ein  und  derselben  Art  1.  nach  dem  .Substrate  (Bodeu- 
beschaüenheit,  Düngung/,  2.  der  Beschattung.  3.  der  Seehöhe,  4.  dem 
Klima,  5.  der  Regenmenge  (und  der  Luftströmung),  ß.  dem  Alter 
der  Bäume,  7.  nach  den  Tb  eilen  des  Baumes,  8.  nach  dem  Grade 
der  Hybridation  i'Kcntze)  oder  der  Art  der  Pfropfung  (van  Gorkom _.=, 
9.  dem  Grade  der  eventuellen  Erneuerung  der  Rinde,  10.  der 
Art  der  Trocknung.  Den  Einfluss  aller  dieser  Verhältnisse  hat  man  erst 
erkannt  seit  man  die  Cinchoncn  in  den  Culturen  unter  Aufsicht  hat. 

Inwieweit  der  Alkaloidgehalt  durch  langes  Liegen  ,•  Feuchtigkeit ,  Schimmel 
leidet,  ist  noch  nicht  sicher  ausgemacht.  i>R  Vri.t  meint,  dass  längeres  Aufbe- 
wahren die  Alkaloide  zum  Theil  zerstöre.  StöDER  fand  bei  flacher  Calisaya  eiu 
Herabgehen  des  Gehaltes  innerhalb  20  Jahren  um  1.2  Procent,  Hauer  in  10  Jahren 
(bei  Calisayapulveri  um  0.45  Proceut.  Broughtox  bemerkte,  dass  lagerude  uasse 
Kinde  ihren  Alkaloidgehalt  einbüsste  i' wenigstens  Chinin  uud  Cinchonidini.  Auch 
das  Beregnen  der  Droge  alterirt  den  Gehalt. 

Ausser  den  Alkaloiden  findet  sich  in  allen  Chinarinden  noch  ein  glucosidiseher 
Bitterstoff:  Chinovin  (Acide  quinovique  Pelletier  und  Cavextoc,  Chinova- 
bitter,  Cinchonabitter),  welches  sich  in  C h  in  ova säure  und  Mannitan  spaltet 
(Hlasiwetz).  welche  Spaltungsproduete  sich  oftmals  auch  in  den  Rinden  finden, 
ludische  Culturrinden  enthalten  1.4  Procent  (Stamumnde  i,  1  Proceut  (Wurzelrinde), 
die  Wurzel  dagegen  im  Holz  2.5  Procent,  die  Blätter  2  Proceut  M>K  Vitu).  Huanuco- 
rinde  enthielt  1.75  (Reichari>t)  ,  China  flava  librosa  1.75  Procent  -Reichel), 
China  nova  4.28  Procent  (Howard). 

Ferner  ist  in  allen  Rinden  die  zu  den  aromatischen  Körpern  gehörige  Ch i n a- 
8äure  (bis  !*  Procent)  vorbanden,  die  saure  Reaction  der  Auszüge  bedingend  —  der 
Cuprea  fehlt  sie.  Sie  ist  an  der  Bildung  von  Chinou  kenntlich,  wenn  man  die 
Rinde  mit  Braunstein  und  Schwefelsaure  behandelt.  Fast  ebenso  regelmässig  findet 
sich  die,  Eisenoxydsalze  hellgrün  färbende,  Chinagerbsäure.  Sie  ist  nicht  in 
allen  Rinden  vorhanden,  auch  ist  es  fraglich,  ob  es  nicht  mehrere  gibt  Hesse). 
Sie  wird  durch  Leimlösung  gefällt  und  liefert  mit  Sauren,  Alkalien,  ja  schou  J)eim 
Eindampfen  der  Lösung  rothe  Producte,  unter  denen  das  C  h  i  n  a  r  o  t  h  sich  befindet. 
Dieser  Farbstoff  ist  löslich  in  Alkohol  und  Ammoniak  und  durchdringt  Zellinhalt 
und  Membranen  der  parenehymatischen  Elemente  der  Rinden.  Das  vorwiegend 
die  Farbe  der  Rinde  bedingende  Chinaroth  ist  nicht  immer  dasselbe  Individuum 
(Hesse/.  Die  Chinagerbsäure  ist  in  China  flava  fibrosa  zu  1 — .'5.8  Procent  (Reichel), 
in  flacher  Calisaya  zu  3.5  Procent,  in  Calisaya  convoluta  zu  2  Procent 
(Reicharut)  enthalten.  In  China  nova  fand  Hlasiwetz  Chino  vager bsä  ure, 
die  sich  leicht  in  Zucker  und  Chinovaroth  spaltet,  ferner  ist  in  den  Rinden 
(besonders  China  uovaj  Chinovaroth  (Remboldi,  welches  zur  Chinovasäure  in 
gleicher  Beziehung  wie  Chinaroth  zur  Chinagerbsäurc  steht  und  ein  Phlobaphen 
ist,  enthalten. 

Ausserdem  ist  Wachs  f  Cinrhoeerotin  Kerxeri,  fett-  beziehungsweise  wachs- 
artige Körper  (C  ine  hol  in  allen  echten  Cinchonen,  nicht  in  der  Cuprea, 
Cupreol  in  der  Cuprea.  Quebrachol  Hesse i,  Harz  (sehr  wenig),  Stärke 
und  Kalk oxalat  in  den  Rinden  enthalten.  Letzteres  in  geringer  Menge, 
1  Prorent  wohl  kaum  übersteigend  (Oxalsäure  nach  Reichel  in  Huanuco 
0.29  Procent,  nach  Reichardt  in  China  rubra  0.33  Procent ...  Körner  fand  auch 
Kaffeesäure.  Das  C  h  i  n  a  p  h  I  o  b  a  p  h  e  n  (Städelix  und  Hofstetter)  und 
L  i  gn  o  i  n  (Reichel,  vielleicht  Chinaroth j  bedürfen  weiterer  Untersuchung.  A  e  t  h  e  ri- 
sches  Oel  fand  Howard  in  der  Stammrinde  von  Gorn/thonia  chlorantha,  die,  der 
China  regia  plana  ähnlich,  als  Calisaya  Quill  of  superior  quality  im  Handel  war. 

Digitized  by  Google 


-• 


CHINARINDEN. 


23 


Der  Wassergehalt  der  Rinde  wird  auf  0 — 11  Proeent  angegeben  (Flückiger). 
Die  Asche  beträgt  0.75 — 3  Procent.  In  ihr  wiegen  die  Carbonate  des  Calcium* 
und  Kaliums  vor  (bei  Flava  fibrosa  */5  der  Asche,  Reichardtj.  geringer  ist  das 
Magnesiumcarbonat  (' l0  der  Asche  bei  flacher  Calisaya).  Cuprea  enthalt  1.65  Pro- 
cent Asche.  Auch  Ammonsalze  sind  —  freilich  in  sehr  geringer  Mcuge  —  in  den 
Rinden  vorhanden  (Carles).  Der  Kalkgehalt  der  Rinde  betrögt  1  Procent  (China 
rubra»,  oder  gar  nur  0.5  Procent  (Succirubra,  Iuuenrinde). 

Das  einfachste  Mittel,  echte  Chinarinden  von  falschen  oder  von  anderen  Rinden 
zu  unterscheiden,  ist  die  GuAHK'sche  Reaction  iChera.  Centralblatt  1858). 

Dieselbe  beruht  darauf,  dass  Chinin  und  Cinchonin  mit  flüchtigen  organischen 
oder  anorganischen  Sauren  oder  Stoffen,  die  diese  beim  Erhitzen  entwickeln, 
erwärmt  einen  rothen  Theer  liefern.  Wenn  man  echte  (d.  h.  chininhaltige)  Rinden 
gepulvert  im  Reagirglasc  erwärmt,  oder  einen  Theil  der  gepulverteu  Rinde  mit  Alkohol 
extrahirt,  den  Auszug  mit  einer  zweiten  Menge  eintrocknen  lässt  und  dieses  dann 
erst  erhitzt  (Hesse),  so  tritt  ein  rother,  im  oberen  Theile  des  Reagirglases  sich 
niederschlagender  Theer  auf.  Diese  Modifikation  ist  besonders  bei  chinioarmen 
Rinden  nothwendig,  da  die  Reaction  bei  kleinen  Mengen  nicht  ganz  zuverlässig 
ist.  Die  GfiAHE'sche  Reaction  kommt  nicht  (wie  Prtzoz  uud  Hobinet  meinem 
auch  dem  Chinaroth  zu  (Hesse). 

Die  Ph.  Germ.  II.,  die  diese  treffliche  Identitätsreaction  reeipirt  hat.  sagt,  das* 
0.1  Rinde  im  Glasröhrchen  erhitzt,   einen   schön  canninrothen  Theer  geben  soll. 

Ausser  Verfälschungen  und  Vermischungen  mit  anderen  Rinden ,  bei  deren 
Eruirung  auch  das  Mikroskop  gute  Dienste  leistet,  kommen  noch  mancherlei  audere 
Fälschungen  vor.  So  hat  mau  durch  Befeuchten  mit  Ammoniak  (das  Chiuaroth 
wird  hierdurch  gelost  und  bewirkt  dann  eine  tiefere  Rothfilrbung)  minderwerthigen 
gelben  Rinden  das  Ausseben  von  guten  rothen  zu  geben  versucht.  Man  kann  in 
solchen  Rinden  das  Amnion  leicht  durch  Nessler's  Reagenz  und  Platinchlorid 
nachweisen. 

Auch  eine  Beschwerung  mit  Cinchonin  und  Chinoidin  (zur  Erhöhung  des 
Alkaloidgehaltes)  ist  besonders  bei  Calisayapulvcr  beobachtet  worden.  Man  muss, 
wo  ein  solcher  Verdacht  vorliegt,  nicht  nur  die  Gesammtalkaloide ,  sondern  auch 
das  Chinin  bestimmen. 

Pulver  rother  China  ist  mit  Sandelholz  vermischt  angetroffen  worden.  Aether 
nimmt  aus  solchem  Falsificat  einen  orangegelben  Körper  auf.  Auch  Mandelstaub 
soll  als  Verfälschungsmittel  verwendet  worden  sein.  Man  thut  gut ,  Chinapulver 
gar  nicht  oder  nur  aus  sehr  zuverlässiger  Quelle  zu  kaufen. 

Chinoidin  kann  man  in  einer  Rinde  dadurch  nachweisen,  dass  man  sich  einen 
kalten  möglichst  neutralen  Auszug  herstellt  und  zu  demselben  gesättigtes  Pheuol- 
wasser  fiiessen  lässt.  Bei  Chinoidinanwesenheit  tritt  eine  Trübung  an  der  Berührungs- 
fläche beider  Flüssigkeiten  ein  (Hager). 

Der  ganzen  Lage  der  Sache  nach  kommt  es  bei  den  Chinarinden  aber  in 
erster  Linie  darauf  an,  den  Gesammtalkaloidgehalt,  sowie  den  Gehalt  an 
den  einzelnen  Alkaloiden.  besonders  Chinin,  sicher  und  bestimmt  feststellen  zu  können. 

Es  sind  denn  auch  eine  Unzahl  von  Methoden  empfohlen  worden,  die  alle 
einzeln  aufzuführen  einen  ganzen  Band  füllen  würde.  Die  wichtigsten  sind  unter 
dem  Artikel  Chinaalkaloide  ('s.  Bd.  II,  pag.  669)  abgehandelt. 

Aeltere  Gehaltsangaben  sind  mit  Vorsicht  aufzunehmen,  da  die  Methoden  der 
Alkaloidbestimmung  erst  in  «euester  Zeit  so  vervollkommnet  sind,  dass  sie  wenig- 
stens annähernd  zuverlässige  Resultate  geben.  Zudem  wird  bei  Gehaltsangaben 
erst  in  neuerer  Zeit  genau  angegeben,  welchen  Körper  man  meint.  Die  meisten 
Angaben  beziehen  sich  jetzt  auf  reines  Chinin  oder  das  Sulfat  Ch3  H2  SO,  +  7  HO. 

Das  Chinadeco  et  enthält  heiss  bereitet  einen  Theil  der  Chinaalkaloide  an 
Chinasäure  und  Chinagerbsäure  gebunden,  Chinaroth,  chinasauren  Kalk  u.  A. 
Beim  Erkalten  fällt  ein  Theil  der  Alkaloide  und  des  Gerbstoffes  aus.  Wie  Ver- 
suche lehren,  ist  die  Extraetion  der  Rinde  durch  Decoction  und  Infusion  sehr  unvoll- 


Digitized  by  Google 


24 


CHINARINDEN. 


ständig  (nur  3  7  nach  DE  Vrij),  aber  bei  den  verschiedenen  Sorten  verschieden. 
Paul  fand,  dass  in  einem  Falle  4. 54  Tb.  ausgezogen  wurden  und  23.93  unaus- 
gezogen  zuröckgeblieben  waren,  in  anderen  Fällen  stellte  sich  das  Verhältnis» 
8.33:  -20.40,  1.17  :  15.40,  10.3  :  19.89,  15.5  :  19.90. 

Da  (wie  schon  K.  Jansen  fand)  bei  einem  Decoct  ohne  Zusatz  von  verdünnter 
Schwefelsäure  41.5  Procent,  in  einem  mit  Zusatz  von  Säure  hergestellten 
74.3  Procent  der  Alkaloide  in  Lösnng  gehen,  so  sollte  man  ein  Chinadecoct  oder 
Infus  nie  anders  bereiten,  als  unter  Zusatz  von  wenig  verdünnter  Schwefelsaure  zu 
der  Specie.8  vor  der  Infusion  und  die  letztere  in  einem  Porzellaninfnndirapparat 
vornehmen,  dk  Vrij  fand,  dass  3;20g  Chinaalkaloide  20  com  Normalsalzsäure  zur 
Auflösung  erfordern. 

Alle  Chinapräparate  sind ,  ebenso  wie  die  Rinden  selbst,  vor  Licht  geschützt 
aufzubewahren,  da  Sonnenlicht  die  Alkaloide  zerstört,  beziehungsweise  umwandelt 
(z.  B.  in  braunes  Chiniretin,  Flückiger). 

Die  medicinische  Anwendung  der  Chinarinden  ist  in  neuester  Zeit  stark 
herabgegangen.  Kaum  jemals  bedient  man  sich  ihrer  mehr  als  Antitypica,  eher  noch 
als  Tonica,  Adstringentia  und  Antiseptica,  innerlieh  im  Decoct  oder  Infus  (  weniger 
vortheilbaft),  äußerlich  als  Pulver  oder  im  Decoct  (15 — 30:200).  —  Gebräuch- 
licher sind  die  ChinarindenprSparate,  von  denen  die  wichtigsten  sind :  Extractum 
Chivae  fuscae,  Extr.  Chinae  aquosum,  Extr.  Chittae  spirituosum,  Tincturu  Chinae, 
Tivctura  Chivae  ewposita,  Vinvm  Chinae  und  Pulvis  dentifrieivs  niger  (Ph. 
Austr.).  Ausserdem  sind  Chinarinden  ein  wirklicher  oder  angeblicher  Bestandteil 
zahlreicher  Specialitäten  und  Geheimmittel. 

Das  Holz  von  Stamm  und  Wurzel  der  Cinchonen  enthält  neben  Chinovin 
bis  0.5  Proeent  Alkaloide  iB.  Moens). 

Die  säuerlich  und  bitter  schmeckenden  Blätter  führen  ebenfalls  kleine  Meugeu 
Alkaloide  (Theile  eines  Promille),  daneben  ist  Chinovin  in  grösserer  Menge  als  in 
der  Rinde  anzutreffen.  Sie  sind  als  Fiebermittel  empfohlen  worden. 

Die  sehr  bitteren  Blütben  enthalten  kein  Alkaloid,  aber  Chinovin  (Broughtox). 

Die  ebenfalls  bitteren  Früchte  sind  sehr  alkaloidarm  oder  alkaloidfrei. 

EMheüungsprincipien  der  Handelsrindeo. 

Als  Haupteintheilungsprincip  der  Chinarinden  hat  von  jeher  die 
Farbe  der  inueren  Partien,  die  Art  und  Form  der  „Bedeckung"  (des  Korkes),  die 
Textur  und  die  anatomische  Structur  (Lupenbild,  Orientirung  der  Bastzellen,  Form 
und  Grösse  derselben,  Vorhandensein  oder  Abwesenheit  von  SclereTden  und  Saft- 
schläucben  etc.)  gegolten.  Alle  drei  sind  unzuverlässige  Merkmale.  Die  Farbe 
wechselt  mit  dem  Lebensalter,  ebenso  der  anatomische  Bau,  und  die  Korkbedeckung 
ist  oft  entfernt.  So  ist  selbst  die  einzig  richtige  Eintheilung  der  Chinarinden  nach 
den  Stammpflanzen  (wie  sie  Berg  und  Vogl  durchführten)  vom  anatomischen  Stand- 
punkte nicht  ganz  zuverlässig ,  ganz  abgesehen  davon,  dass  wir  noch  lange  nicht 
von  allen  Rinden  die  8tammpflanzen  sicher  kennen.  Das  für  den  Handel  jedenfalls 
am  meisten  praktische  ist  immerhin  noch  die  Farbe,  denn  auf  die  Herbeiziehung 
der  den  Kork  anhängenden  Flechten  ''besonders  von  Fee  beschrieben)  oder  gar 
des  Verhallens  der  Auszüge  zu  Keagentien  izu  welchen  Hilfsmitteln  man  eben- 
falls griff)  muss  man  ganz  verzichten. 

Die  holländischen  Verwaltungen  der  staatlichen  Cbinacnlturen  unterscheiden 
wegen  der  Fnzuverlässigkeit  der  allgemeinen  Merkmale  gar  keine  Handelssorten 
mehr,  sondern  geben  jeder  grösseren  Sendung  eine  Analyse  und  eine  Notiz  über 
die  Stammpflanzc  bei.  Diestm  Princip  hat  sich  auch  die  Ph.  Germ.  IT.  angeschlossen, 
indem  dieselbe  *.war  eine  Cincbona  nominirt,  den  Hauptnachdruck  aber  auf  die 
Analyse  legt.  Die  ostindisebe  Verwaltung  ist  dem  Beispiel  der  holländischen  noch 
nicht  vollständig  gefolgt.  Sie  unterscheidet  auch  noch  Handelsforten  (z.  B.  crown 


Digitized  by  Google 


CHINARINDEN.  5>5 

bark  ,  red  bark ,  yellow  bark),  wennschon  auch  von  ihr  oftmals  die  Staiumpflanze 
angegeben  wird. 

Der  Versuch,  die  Chinarinden  nach  anatomischen  Merkmalen  einzuteilen,  ist  oft 
gemacht  worden,  derselbe  ist  im  Einzelnen  stets  niisshiugen,  denn  so  ausgeprägt  der 
anatomische  Charakter  der  Cinchonenrinden  gegenüber  anderen  Rinden  selbst  nahe 
verwandter  Pflanzen  (z.  B.  der  Remijien)  ist,  so  sehr  stimmen  doch  die  Charaktere 
derJÜnden  unter  einander  überein,  und  wenn  es  auch  extreme  Fälle  gibt,  die  sieh 
unschwer  unterscheiden  lassen,  60  sind  dieselben  doch  durch  so  zahlreiche  Ueber- 
gänge  mit  einander  verbunden,  dass  selbst  der  geübteste  Anatom  schliesslich  ver- 
zweifelt das  Unmögliche  aufgibt.  Der  Versuch  erscheint  für  einzelne  Rinden  und 
Rindengruppen  aber  geradezu  unsinnig ,  da  wir  wissen ,  dass  nicht  wenige  der- 
selben (besonders  die  braunen  Chinarinden)  nicht  von  einer,  sondern  von  mehreren 
Stammpflanzen  kommen,  also  Gemenge  verschiedener  Rinden  sind. 

Nichtsdestoweniger  soll  auch  im  Folgenden  der  Versuch  gemacht  werden,  die 
anatomischen  Merkmale  zur  Charakteristik  mit  herbeizuziehen,  weil  sie  wenigstens 
Anhaltspunkte  zur  Bestimmung  bieten.  Unter  diesem  Gesichtspunkte  allein 
sind  die  nachfolgenden  Tabellen  zu  berücksichtigen. 

Die  alte  FLi  CKiGER'sche  Eintheilung  der  .  Cinchonenrinden ,  wesentlich  auf 
anatomische  Merkmale  basirt,  ist  folgende : 

I.  Uastzellen,  wenigstens  in  den  mittleren  und  inneren  Bastschiehten  in  unverkenn- 
barer und  vorherrschend  tangentialer  Anordnung. 

A.  Steinzellen  fehlend  oder  spärlich. 

Cinch.  lutea.  Gummiharzschläoche  enger  als  der  Durchmesser  der  meisten  Bastzellen  ;  letztere 
mehr  vereinzelt,  im  Querdurchschnitte  nbht  radial  gestreckt,  ungleich,  aber  bis  0.180  mm  dick. 

Cinch.  Urituainya.  Gummiharzschläuche  lange  bleibend ,  oft  weiter  als  die  benachbarten 
Bastzellen;  letztere  mehr  in  Gruppen,  ziemlich  gleich  stark,  bis  O.O'b'mm  dick.  Vergl.  ferner 
diese  üeber*icht  unter  III.,  D.,  a  . 

B.  Steinzellen  reichlich  vorhanden. 

Cinch.  macrocali/x  (nur  Astrinden  im  Handel).  ,  Gummiharzschläuche  früh  verschwindend. 
Bastzellen  zugleich  auch  in  Ji — «1  fachen  Radialreihen. 

Cinch.  pubescenf.  Gummiharzschläuche  lange  bleibend.  Bastzellen  circa  0.2  mm  dick  und 
durchschnittlich  dicker  als  der  längere  Durchmesser  der,  bis  ziemlich  tief  in  den  Bast  vor- 
dringenden, Steinzellen,  in  starke,  kurze  Bündel  zusammengedrängt  und  von  Stabzellen  be- 
gleitet. 

IL  Bastxellen,  nicht  entschieden  tangential  angeordnet,  sondern  hftnflg  in  Gruppen 
oder  zerstreut  in  In  Gänsen  vorherrschend  radialer  Anordnung. 

A.  Steinzellen  fehlend  oder  spärlich. 

a)  Bastzellen,  weder  tangential,  noch  eigentlich  radial  geordnet,  innen 
in  Gruppen,  nach  aussen  sehr  zerstreut.  * 

Cinch.  hferophylla  (nur  Astrinden  im  Handel).  Gummiharzschlänche  (wo  noch  vorhanden) 
in  geringer  Zahl  und  Grösse. 

b)  Bastzellen  vorherrschend  radial  geordnet. 

Cinch.  micrantha.  Gnmroiharzschläuche  früh  schwindend.  Zellen  des  Parenchyms  der  Innen- 
rinde in  den  äusseren  Schichten  oft  sehr  erweitert.  Bastzellen  von  mittlerer  Dicke,  bei  alteren 
Rinden  immer  in  kleinen  Gruppen. 

c)  Bastzellen  mit  Neigung  zu  tangentialer  Anordnung. 

Cinch.  Chahuarguera  (nur  in  Astrinden  im  Handel).  Gummiharzschlaucbe  früh  schwindend. 
Bastzellen  etwa  0.06—  O.l  mm  dick,  innen  in  kleinen  Gruppen. 

B.  Sttinzellen  sehr  reichlich  vorhanden. 

Cinch.  laneifolia  ((TJiina  ßava  ßbro*a ;  gelbe  oder  gelbrüthliche  Ast-  und  Stammrinden ). 
Steinzellen  gross,  tangential  gestreckt,  anch  im  Baste  vorhanden.  Bruch  langsplitterig :  Bast- 
zellen gleichmäßig ,  circa  0  05  bis  0.09mm  dick,  kleiner  als  die  Steinzellen,  von  Stabzellen 
begleitet  und  bald  in  kürzeren  oder  längeren  Radialreihen,  bald  in  kleineren  Gruppen.  Gummi- 
harzschläuche fehlen  der  last  immer  erhaltenen  Mittelrinde, 

Cinch.  cordifolia.  Hellgelblich-zimmtfarben ,  grobsplitterig  brechend,  ohne  Gummiharz- 
schläucbe. 

III.  Bastzellen  in  radialen,  aber  oft  völlig  aufgelösten  Reiben,  seltener  in  Gruppen. 
A.  Rinden  von  rother  Färbung. 

Cinch.  succirubra  (China  rubra  dura,  Ast-  und  Stammrinde).  Bastzellen  bei  Behandlung 
mit  Alkalien  sich  roth  violett  färbend,  etwa  0.03  mm  dick ;  Gnmmihajzschlämhe  lanpe  erhalten 


Digitized  by  Google 


20  CHINARINDEN. 

und  sehr  weit ;  Steinzellen  fehlend ;  Zellen  der  Baststrablen  und  des  Bastparenchyms  ungefähr 
gleich  gross.  Astrinden  mit  hellem  Korke  bedeckt;  Stamnirinden  mit  harter,  brnuurother, 
stellenweise  noch  weiblicher  Borke. 

Cinch.  coccima?  China  rubra  xuberosa'.  Bastzellen  wie  bei  Cinch.  succirubra.  Gummi- 
harzsrhläuche  fehlen;  Baststrahlen  auffallend  breit,  an  Grosse  die  einzelnen  Zellen  des  Bast- 
parenchyms weit  tibertreffend. 

B.  Rinden  von  bräunlioher  bis  gelbröthllcher  Färbung. 

Cinch.  pitayennis.  Meist  kurze  Stücke  flacher,  dicker  Rinden  oder  dünne,  verbogene,  kleine 
Bruchstücke,  seltener  Röhren.  Bastzcllen  dünn,  sehr  zerstreut,  wenig  vortreteud,  nicht  stecnend. 
Bruch  kurz.  Mittelrinde  meist  noch  erhalteu.  Steinzellen  fast  stets  fehlend,  jedenfalls  nicht 
sehr  dickwandig.    Gummiharzschläuchc  nur  in  den  dünnsten  Rinden  nachweisbar. 

C.  Gelbe  Rinden. 

Cinch.  cordifoUa  (China  flava  dura  laecis).  Mittelriude  lange  bleibend,  eigentliche 
Borke  nicht  bemerkbar,  vielleicht  überhaupt  nicht  vorkommend.  Kork  gclblichweisslich.  Gummi- 
harzschläuche  fehlend.  Steinzellen  fehlend  oder  nur  an  der  Grenze  dos  Korke«  Bnstzelleu  sehr 
ungleich,  oft  sehr  9tark,  oft  nicht  aneinander  schliessend,  in  unterbrochenen  Radialrciben  oder 
auch  da  und  dort  kleine  Gruppen  bildend. 

Cinch.  Cali&aya  (China  reyia),  und  zwar: 

a)  Mittel  rinde  erhalten: 

China  n;/ia  lubnlata.  Mit  granlicher,  gefelderter  Borke  bedeckte  Röhren;  Kork  nur 
stellenweise  abgeworfen;  Steinzeiten  fehlen;  Gummiharzschlänehe  ansehnlich. 

China  reaia  bolicirma.  Bünne,  meist  flache  Stücke  mit  Borkegruben  :  Kork  abgeworfen; 
Steinzellen  gewöhnlich  fehlend,  stellenweise  aber  doch  ausgebildet;  Gummiharzschlauche  sehr 
weit,  mit  unbewaffnetem  Auge  erkennbar:  Bruch  etwas  derb  und  langsplitterig. 

bi  Reine  Bastplatten  mit  ausgezeichneten,   muscheligen  Borkegruben. 

China  rvyiu  plana.  Bis  15  mm  dicke,  flache,  mürbe  Stücke. 

D.  Rinden  von  gelblicher,  jedenfalls  nicht  in's  Röthüche  oder  in'«  Bräunliche  spielender 
Farbe. 

a   Steinzellen  fehlen  oder  spärlich. 

Cinch.  ( 'undawinta.  Gummiharz3chlauche  enger  als  die  benachbarten  Zellen  und  früher  ver- 
schwindend. Bastzellen  radial  angeordnet. 

Cinch.  Critusinya,  vergl.  ferner  diese  Uebersicht  unter  I.,  A.).  Bastzellen  in  den  inneren 
Lagen  tangential  angeordnet. 

b)  Steinzellen  reichlich  vorhanden. 

Cinch.  umbellifera  (Astrinden).  Gummiharzschlänche  im  längeren  Querdnrchmesser  über 
0.2  mm  erreichend ;  Steinzellen  sehr  verschieden .  die  grössten  durchschnittlich  enger  als  die 
Gummiharzschläuche,  aber  weiter  als  die  Bastzellen;  letztere  nicht  in  Gruppen,  höchstens 
(wenigstens  in  den  Astrinden)  zu  2—3  penähert,  von  Stabzellen  begleitet.  Auf  dem  Brache 
erscheint  nebst  den  zahlreichen  weiten  Har^schläuchen  ein  „Harzring". 

Cinch.  nitida  (China  Pseudo-Loxa ,  Astrindeu).  Gummiharzsehläuche  ?  Bastzellen  zu 
Gruppenbildung  und  einigermaßen  tangentialer  Anordnung  hinneigend.  Kein  „Harzring". 

IT.  Bastzellen  In  Radialreihen,  nieht  in  Gruppen. 

Cinch.  ncrobicnlata.  Astrinden  mit  hellem  Korke  und  ziemlich  lange  bleibender  Mittelrinde 
mit  Steinzellen  und  Gummiharzschläuchen.  Stammrinden  der  flachen  Calisaynrinde  ähulich, 
durch  schwachen  Stich  in  's  Röthüche.  sowie  durch  langfaserigen,  derberen  Bruch  verschieden. 

Eine  »ehr  brauchbare  Uebersicht  zur  mikroskopischen  Bestimmung 
der  wichtigsten  Chinarinden  gab  Vogl  : 

A.  Bedeckte  R luden. 

1.  Bastzellen  vorwiegend  in  starken  radial  und  tangential  geordneten 
G  ruppen. 

a   Zahlreiche  Steinzellen  in  der  Mittelrinde  und  in  der  Aussenschicht  der  Innenrinde. 
f  In  der  Mittelrinde  die  Stein-  I  Stabzellen  im  Bast.  Cinchonu  latvifalia  Var. 
zelleu  vorherrschend.    Milch-  |  Keine  Stabzollen.  C.  lucumaefolia. 

Steinen  ^  der^MiUelrinde  f  Bwtfasern  in  sehr  ausgezeichnet  isolirten  Bündeln. 

nkht  i^S^L   EnBe  I  Bork..  r«S«i'«Iet»t  in  Reihen  aufgelöst  C.  Palton. 
b)  In  der  Mittelrinde  und  in  der  Aussenschicht  der  Innenrinde  keine  oder  nur  vereinzelte 
Steiuzellen. 

^0^UenWn^S,?°f!^  1  .«tabaellen  vorhanden.  C.  P,hu,li„na. 

XL  It  f  TT  I  ^abzellen  fehlen.  C  P„},,^n, 

lend  oder  meist  enge.        I  1 

Bastzellen  mitteldick.  C.  obtutifolia. 

Bastzcllen  dünn.  Keine  Milchsaftgetässe.  C.  Chahuaroucra. 


Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


27 


mi.  Hastzelleu  vorwiegend  in  radialen  Reihen. 
n)  Keine  Milchsaftgefasse. 
Bastzellen  dünn,  ziemlich  gleich  dick  in  stark  unterbrochenen  radialen  Reihen.  C.  Pitatjenxi*. 

(Nehonmarkstrahlen  nicht  grosszellig.  In  der  Regel  keino  Stabzellen. 
('.  micruntha. 
Mittelrinde  ohne  oder  mit  einzelnen 
Nebenmarkstrahlen  grosszellig, 
Stabzclleu  meist  vorhanden. 


Bastzellen 


Steinzellen.  C,  cordifolia. 
Mittelrinde  vorwaltend  aus  Stein- 
zellen bestehend.  C.  lancifvlia. 


Enge  Milch- 
saftgefäße 


Weite  Milch 
&aftge  fasse 


b)  Milchsaft gefässe  vorhanden. 

-f-  Mittelrinde  mit  zahlreichen  Steinzellen. 

»„   (  Zum  Theil  in  ununterbrochenen  radialen  Einzel-  und  Donpclreihen.  Stab- 

xvastzeiien  uunn  1  ,,  ,  .    ,  .  ** 

oder  Mehr  dünn  «eilen.  <  ■  srrobtculata. 

'  i  In  unterbrochenen  radialen  Reihen.  Keine  Stabzellen.  C  «rata. 
Bast  Zeilen  mitteldick.    Besonders  weite  Milchsaftgefass*  in  der  Mittelrinde  und  »ehr  viele 
Steinzellen.  Stabzellen  im  Bast.  C.  Peruriana. 
-f-+  Mittelrinde  ohne  oder  nur  mit  vereinzelten  Stoinzellen. 

Bastzellen  mitteldick,  j  ln  mittleren  Region  des  Bastes  mit  Zonenbildung, 

die  äußersten  dünner,  j  0bn."  Z^ne.MMld^.  C  h«<roPh,ßla . 
Bastzellen  dick,  die  äusscrsten  dicker.  C.  Tncujenvi«. 

Bastzellen  »ehr  dünn,  zum  Theil  in  ununterbrochenen  radialen  Einzel-  und  Doppel- 
reihen. C  acrobiculata. 

Mit   Kalilauge   geben   Rindenschnitte   eine  blutrothe 

Lösung.  Bastzellen  orange.  ('.  succirubra. 
Schnitte  geben  mi^Kalilauge  eine  gelb-  oder  rothbraune 
Lösung.  Rastzcllen  gelb.  C.  Calittaya. 

B.  ünbedeekte  Rinden. 

Bastzellen  iu  tangentialen  Bündeln,  mitteldick.  Weiche,  sehr  mürbe  faserige  Rinde. 

C.  lucnmaefolitt. 
(  In  Doppelreihen.  In  den  noch  anhaftenden  Borken- 
Dünn  oder  sehr  dünn  |       resten.  wohl  erhaltene  weite  Milchsaftgefässe  und 
zum  grossen  Theil  in  )       zahlreiche  Steinzellen.  Brach  langsplitterig  bis 


Bast zellen  mitteldick 
in  unterbrochenen  ra- 
dialen Reihen. 


Bastzellen 
ausschliesslich 

oder 
vorwaltend  in 
radialen 
Reihen. 


Mitteldick  in  unter- 
brochenen einfachen 
Reihen.    Hruch  kurz- 
splitterig. 


unterbrochenen  faserig.  C.  scrobiculata. 

In  Einzelreihen.  Stoinzellen  fehlend.  Bruch  kurz- 
splitterig.  C.  austrat  i«. 
Hastzellen  ziemlich  gleich  dick.  Nebenmarkstrahlen 
nicht  hervortretend.  Hruch  glassplitterig. 

.     C.  Calisaya. 
Nebenmarkstrahlen  grosszellig 
Bastzellen  un-  C.  Uritutinya. 

gleich  dick.      Nebenmarkstrahlen    nicht  gross- 
zellig.  C.  micruntha. 

Auf  morphologischen  Merkmalen  beruht  die  Eintheilung  Berg's: 

I.  Röhren  oder  Halbröhren,  aussen  ireisslicb,  grau,  granbraun,  braun,  aussen  zart- 
rissig,  Innen  rothbraun,  im  Bruch  aussen  eben,  innen  kurzsplitterig.  China 
fusca  8.  y  rise  a. 

A.  Rinden  mit  einem  dunklen  Harzring  unter  dem  Peride rm. 

1.  Rohren  meist  mit  weisslichem  Ueberzuge ,  mit  vor- 

waltenden Längsfurchen   .  .    China  Huanoca. 

2.  Köhren  aussen  vorwaltend  grau ,  mit  entfernten  ,  fast 

ringförmigen  ({uerrissen  China  Loxa. 

B.  Rinden  ohne  Harzring  unter  dem  Peridern. 

1.  Röhren,  schuppigrunzlig,  vorwaltend  schwarz   .      .  .    China  Pseudoloxa. 

2.  Röhren,  rein  leberbraun,  mit  vorwaltenden  Längsfurchen 

und  Korkwarzen  China  HuamaUea. 

3.  Rohren .   fast  eben ,   aussen  Mass ,  im  Bruch  grob- 

splitterig   China  Jacn  pallida. 

II.  Röhren  oder  Platten,  innen  gelb  oder  orangegelb,  Im  Bruch  faserig  oder 

splitterig.    Ch  i  n  a  fl  a  v  a  r.  a  u  r  a  n  t  i  a  c  a. 
A.  Bruch  kurz  und  glassplitterig. 

1.  Röhrrn,  Borke  spröde,  geschichtet,  meist  quadratisch 

gefeldert   •  China-  t'uli*atja  convohda. 

2.  Platten,  Borkensehuppen  gelb,  geschichtet. 

a)  Borkengruben  regelmassig  oder  undeutlich    .   .    China  Calisaya  plana. 

b)  Borkengruben  unregelmässig  China  Calisaya  tnorada. 


Digitized  by  Google 


28 


CHINARINDEN. 


B.  Bruch  kurz  und  dünnsplitterig. 

1.  Borke  geschichtet,  schwammig   China  Pitaya  de  Buennr-rntura. 

2.  Kork  dick,  weich  .  .    China  Pitaya  de  Saranilla^ 

3.  Kork  dünn,  weich,  gelblichweiss   China  flava  dura  lato*. 

C.  Bruch  grobsplitterig,  Kork  dünn,  weit«.  gelblichweiss,  mit  Korkwarxen. 

1.  Bast  ockergelb   China  flava  dura  subei-uxa. 

2.  Bast  zimmtfarl>en   China  Cuttco. 

0.  Bruch  langsplitterig. 

1.  Borke,  dünn,  spröde,  hart,  rissig;  Bast  braunroth   .  .  China  Caliuaya  flhrosa. 

2.  Kork  weich,  blass  ockergelb  bis  silberweiss. 

<i    Mast  ockergell)   ( 'hina  flava  flbrosa. 

b   Bast  roth   China  rubiyinosa. 

III.  Röhren ,  Halbröhren ,  seltener  Platten  von  tief  brannrother  Farbe ,  im  Brach 
langsplitterig-.    China  rubra. 

A.  Kork  weich,  schwammig,  rothbraun,  warzig  .  .  .   China  rubra  suberona. 

B.  Borke  hart,  spröde,  längsrissig,  warzig   ....   China  rubra  dura. 

Im  Habitus  und  den  Farben  sehr  getreu  sind  die  südamerikanischen  China- 
rinden in  Drlondre  und  Bouchardat's  Quinologie  und  bei  Wehdem,  abgebildet. 
Moens  gibt  (Kinacultuurj  photographische  Bilder  der  javanischen  Rinden.  Dei.oxdre 
und  Bouchardat  theilen  die  Chinarinden  nach  Ländern  folgendermassen  ein : 

Gute  Chinarinden. 

Bolivia:  Qninquina  calisaya  plat,  sans  epidenne.  Qninquina  calisaya  roule,  ayec  »'piderme. 

Peru:  Quinquina  carabaya  avec  et  sans  i-piderme.  Qninquina  carabaya  rouge  de  Cuzco.  avec 
et  sans  epiderme.  Quinquina  huanueo  plat,  Hans  epiderme.  (Quinquina  hnanueo  jaune  pale.  (Qnin- 
qnina huanueo  ronlö,  avec  epiderme.  Qninqnina  de  Jaen. 

Ecuador:  Qninquina  rouge  vif.  Quinquina  rouge  pale.  Qninquina  gris  fin  de  Loxa. 
Quinqnina  gris  fin  Condaniinea.  Qninquina  jaune  de  Quayaquil. 

Neu  -  Granada  :  Qninquina  calisaya  de  Santa-Fe de  Bogota.  Quinqina  janne  orange,  ronlc. 
Qninquina  pitayo.  Qninquina  Carlhageue  ligneux.  (Qninqnina  janne  orange  de  Mutis.  Qninquina 
rouge  de  Mutis.  Quinquina  jaune  de  Mutis.  Qninquina  Carthagene  ros...  (Qninquina  Maraoaibo. 

Chinarinden  geringerer  Qualität. 

Peru:  Qninquina  jaune  de  Cuzco.  Quinquina  bmn  de  Cuzco. 

Ecuador:  Quinquina  gris  de  Quito. 

Küste  von  Afrika:  Qninquina  des  iles  de  Lagos. 

Neu -Granada:  (Qninquina  rouge  pale.  Quinquina  blanc. 

Falsche  Chinarinden. 

Neu-Granada:  Hcon^a  rouge»  brun«. 

Brasilien:  Petitos  «corces  rouge».  Petites  ecorces  blanches. 
Neu-Granada:  Ecorces  rouges  sans  epidermes  (quina  nova). 
Argentinische  Ii  «publik:  Ecorces  rouges  avec  «piderme. 

Doch  sei  alsbald  an  dieser  Stelle  erwähnt,  dass  der  Grosshandel  schon  längst 
nicht  mehr  so  viele  Sorten  keunt. 

Wenn  man  von  den  einzelnen  Handelssorten  absieht,  so  kann  man  unterscheiden: 
Stammrinden,  Zweigrinden,  Wurzelrinden  und  bei  der  Culturchina 
noch  sogenannte  erncuerteRinden  (Renewed  bark).  Seit  tnan  auf  den  Unter- 
schied im  Alkaloidgehalte  zwischen  den  4  Sorten  aufmerksam  wurde,  kommen  die- 
selben wenigstens  aus  den  indischen  und  javanischen  Culturen,  deren  Rinden  in  allen 
obigen  Tabellen  noch  fehlen,  gesondert  in  den  Handel.  Stamm-  und  Zweigrinden 
werden  bei  den  einzelnen  Sorten  unten  beschrieben  werden. 

Die  Wurzelrinden  der  Culturchina  kommen  nur  zur  Chininfabrikation 
in  den  Handel.  Sie  bilden  in  allen  mir  vorliegenden  Proben  (von  Calisaya,  Led- 
geriana,  anglica,  javaniea,  Schuhkraft,  sueeirubra,  officinalis)  kurze,  nnregelmässig 
gewundene  Platten  oder  Halbröhren,  mit  starker,  meist  warziger  Borke.  Der  Chinin- 
gehalt ist  hoch  (bei  Ledgeriana  z.  B.  5  Procent). 

Die  gleichfalls  nur  in  die  Chininfabriken  wandernden  Renewed  barks 
zeichnen  sich  im  Gegensatz  hierzu  durch  eine  stark  verminderte  Korkbildung  aus, 
die  in  dem  Verfahren  (s.  oben)  begründet  ist.  Kine  mir  vorliegende  erneuerte 
Rinde  von  Ledgeriana  besitzt  beispielsweise  eine  völlig  glatte  Rinde,  weder  Runzeln 


Digitized  by  Google 


CHINARINDEN.  29 

* 

noch  Leisten.  Doch  finden  sich  auch  bisweilen  korkbedeckte  Stücke  unter  dieser 
Sorte.  Sie  pflegt  chininreicher  als  die  ursprüngliche  Stammrinde  zu  sein  (s.  oben). 
Nicht  selten  weicht  auch  die  erneuerte  Rinde  so  sehr  von  der  ursprünglichen  ab, 
dass  man  die  Rinde  einer  ganz  anderen  Cinchone  vor  Bich  zu  haben  glaubt. 

Im  Folgenden  werden  dio  Handelssorten  pharm akognostisch  beschrieben,  obgleich 
scharfe  Tnterschiede  immerhin  selten  sind,  und  sich  vorwiegend  nur  bei  den 
Stamm  rinden  finden.  „Hat  man  es  aber , "  sagt  Moexs  ,  der  Director  der 
Gouverucuients-Kina-Onderueming  in  Java,  „mit  jungen,  unreifen  Rinden  zu  thun, 
so  wird  die  Sache  schwieriger  und  ich  bekenne  gern,  dass  ich  nicht  im  Stande 
bin,  z.  B.  Ledgeriana  und  Succirubra-Rinden  von  einander  zu  unterscheiden,  und 
*o  ist  es  mit  den  meisten/4 

Die  Handelssorten. 

Im  Allgemeinen  lassen  sich  drei  grosse  Gruppen  unterscheiden: 
I.  Die  südamerikanischen  Chinarinden:  a)  die  echten,  b)  die  falschen. 
II.  Die  Rinden  der  Colonien  (besonders  Java,  Ostindien,  Ceylon). 
III.  Die  China  cuprea. 

I  >ie  Händler  unterscheiden  nur  M  e  d  i  c  i  n  a  I-  oder  Drogisten-  und  Fabrik- 
rinden.  Letztere  wandern  direct  in  die  Chinin-Fabriken,  erstcre  sind  die  aus- 
gelescnen  besten  und  ansehnlichsten  Stücke  der  Droge.  Die  Fabrikrinden  sind 
meist  sehr  unansehnlich.  Ein  weiterer  Unterschied  besteht  zwischen  beiden  nicht. 
Im  Allgemeinen  sieht  mau  bei  den  Fabrikrinden  auf  hohen  Chiningehalt  und 
leichte  Gewinnung  desselben,  bei  den  Drogistenrinden  auf  schönes  Aussehen. 

Da  man  aber  die  Chinarinden  seit  lange  gewöhnt  ist,  nach  ihrer  Farbe  in 
folgende  drei  Gruppen  zu  trennen : 

A.  Gelbe  Chinarinden, 

B.  Braune  Chinarinden, 
V.  Rothe  Chinarinden, 

soll  an  dieser  Einteilung  auch  hier  festgehalten  werden,  so  wenig  dieselbe  auch 
selbst  für  Rinden  derselben  Pflanze,  aber  in  verschiedenen  Altersstadien,  absolut 
coustant  ist.    Immerbin  ist  sie  die  einzige  noch,  die  durchführbar  ist. 

A.  Gelbe  oder  orangegelbe  (oder  Bolivia-)  Chinarinden*),  Cortice» 
Chinae  flavi  s,  aurantiaci. 

Die  zu  dieser  Abtheilung  gehörenden  Rinden  sind  meistens  dicke  Rinden  dea 
Stammes,  selten  die  stärkerer  Aeste. 

Sie  haben  eine  ockergelbe,  hellzimmtbraune  Farbe,  bestehen  entweder  ausschliess- 
lich (die  unbedeckten,  d.  h.  geschälten)  oder  doch  vorwiegend  (die  bedeckten,  d.  h. 
ungeschälten)  aus  der  Innenrinde  und  haben  eine  grobfaserige  oder  splitterige 
Textur.  Sic  schmecken  mehr  bitter  als  adstringirend  und  enthalten  vorwiegend 
Chinin. 

1.  Königschina,  China  Calisaya,  China  regia.  Röhren  mit  spröder, 
dunkelfarbiger,  tiefrissiger  Borke  oder  flache  Stücke  von  Borke  befreit,  aber  mit 
flachen  Borkegruben  (conchas)  versehen.  Calisaya  ist  der  Name  der  Provinz,  welche 
die  Rinde  früher  ausschliesslich  lieferte. 

a)  Echte  Calisayachina,  echte  Königschina,  Cincliona  flava,  Gort.  Cinch. 
flavus,  Quina  Calisaya  seu  amarüla  in  allen  Pharmakopoen,  doch  meist  neben 
anderen  Sorten  (nur  die  Ph.  Norv.  und  Suee.  verlangen  diese  Sorte  allein),  von 
Cinchona  Calisaya  Weddell  in  Südperu  und  Bolivia  und  von  den  in  Java  und 
Indien  cultivirten  Varietäten,  bezw.  Hybriden  der  Calisaya:  C.  Ledgeriana, 
javanica,  Schuhkraftiana  f=  Josephiana),  Hasskarliana,  Mac  Ivoriana,  anrjlica 
(Coh'myo  x  surcirt(/>ra)  u.  A.,  hart,  dicht,  schwer,  zimmtbraun,  im  Bruch  kurz 
und  Klassplitterig. 

*)  Hei  «Ion  cinzelueu  Rindensorten  sind  die  Tabellen  auf  r^r-  25 — 28  *»  vergleichen. 

Digitized  by  Google 


30 


CHINARINDEN. 


Sie  kommt  in  zwei  Sorten  vor : 

7.)  Cort.  Chinae  r  pqius  ronoolui .v,  China  Calisaya  cum  rpideemide, 
C.  tectn  s.  tubidata,  gerollte  oder  bedeckte  Königschina.  Quinquina  Calisaya  roul6, 
Quill.  Calisaya  au«  Bolivia.  Vollständige  Zweigrinden  in  K> — 25  cm  langen, 
1 — 2.5cm  breiten,  1 — 6mm  (oder  dickerem  Köhren,  die  meisten«  von  beiden 
Rändern  her  eingerollt  sind  (Doppelröhren),  aussen  dunkelgraubraun  (wenn  die 
äusserste  Schicht  fehlt)  oder  gleichmassig  weisglich  mit  groben  unregelmäßigen 
Längsleisten  und  Furchen ,  die  im  Ganzen  übereinstimmend  gerichtet  sind  und 
von  zahlreichen  tiefen,  oft  ringsum  laufenden  Querrissen  gekreuzt  werden.  Durch 
diese  Furchen  und  Risse  entsteheu  Felder  mit  aufgeworfenen  Rändern  und  gewöhn- 
lich etwas  feiner  gefurchter  Fläche,  welche  leicht  abspringen  und  auf  der  Ober- 
fläche der  zimmtbraunen  inneren  Kinde  ihre  Umrisse  noch  erkennen  lassen 
(  Fli  ckiger).  Die  Innenfläche  ist  bramigelblieh,  durch  die  hellen  Bastfasern  genau 
vertical  gestreift,  der  Brach  ist  rein  faserig,  aussen  dunkler  und  relativ  glatter. 
Im  anatomischen  Bau  nach  Typus  A  i  Wioaxdi.  In  der  Mittelrinde  keine  "oder 
wenige  Scleröiden  i  Steinzellen),  bei  den  jüngeren  Rinden  an  der  Grenze  der  Innen- 
rinde ein  doppelter  Kranz  von  ovalen  Saftsckläucheu.  Von  Aussen  nach  Innen 
nehmen  die  Bastzellen  an  Dicke  zu.  Krystallzellen  fehlen.  Die  breiteren  Mark- 
strahlen 3 — 4  Zellen  breit.  Die  Borke  ist  abwechselnd  hell  (Rindenparenchym)  und 
dunkel  (Korki  geschichtet. 

Unter  der  Bezeichnung  „Cnbiuetstüeke"  siud  bisweilen  bei  den  DrngiKten-Hinden  zu  finden, 
die  keine  regelmässig  quadratischen  Itorkesehuppeu  besitzen  und  deren  Itorkc  überwiegend  ans 
im  Querschnitte  harzigem  Kork  besteht. 

Die  mir  vorliegenden  trefflichen  Stücke  bedeckter  Calisaya  sind  namentlich 
durch  tiefe  Querrisse,  die  oft  über  die  Hälfte  der  Rinde  fast  genau  horizontal 
verlaufen,  eine  fast  grau  weisse  Oberflächenfarbe  und  sehr  reichliche  Flechten  (ich 
zähle  5  Arten !)  ausgezeichnet. 

Gehk  sandte  mir  dagegen  als  China  regia  cum  epidermide  Stücke,  die  zur 
Zeit  die  Handelssorte  bilden,  die  der  obigen  Beschreibung  entsprechen,  aber  ausser- 
ordentlich zahlreiche  Querrisse  besitzen.  In  meiner  Sammlung  besitze  ich  auch 
bedeckte  Eönigschina  in  fiacheu  gelben  Stammstücken. 

Nach  Mittheilung  Leichsenrixh':;  soll  augenblicklich  wenig  oder  gar  keine  Calisaya 
von  wildwachsenden  Bäumen  aus  Bolivien  exportirt  werden.  Nach  diesem 
Gewährsmann  stammt  alle  bolivianische  Calisaya  aus  Culturen.  (Er  schätzt  die 
Zahl  der  angepflanzten  Bäume  auf  5 — 0  Millionen.;  DasB  alle  Calisaya  ausgerottet 
sei,  erscheint  mir  jedoch  sehr  fraglich. 

Cultivirte  bedeckte  Ca  lisaya  kommt  aus  Bolivien,  jedoch  unter  diesem 
Namen  augenblicklich  erst  in  kleiner,  aber  stetig  steigender  Menge  nach  London. 
Auf  der  südamerikanischen   Ausstellung  in  Berlin  sah  ich  vortreffliche  chinin 
reiche  Astrinden  daher,  die  nach  Angabe  Leicbsenring's  bis  6.05  Procent  Chinin 
enthalten  sollen  (s.  unten). 

Reichardt  faud  vor  läugerer  Zeit  in  Röhrencalisaya  0.60  Procent  Chinin  und 
0.33  Procent  Cinchonin,  im  Mittel  vieler  Untersuchungen  1.1  Proeeut  Chinin  und 
0.42  Procent  Cinchonin. 

I lierher  gehört  auch  die  Königschina  der  (indischen  und)  javanischen 
Culturen,  die  von  der  nächst  der  Mac  Ivon'ana)  werthvollsten  aller 
Cinchonen,  der  Cinchona  Calisaya  Ledyniana  i unregelmäßige  Hybride:  Cinchona 
Calisaya  x  miernntha  Kimtze),  in  geringerer  Menge  von  C.  Calisaya,  Josejthiana 
(Schuft kraft),  Hasskarliana,  auglica  und  anderen  Calisayen  stammt.  Auch  C. 
carahayensis  W*id.  liefert  diese  Rinde.  Dieselbe  kommt  in  Ballen  und  Kisten 
fast  ausschliesslich  nach  Amsterdam. 

Diese  Cttlturrinden  bilden  ein  oder  mehrfach  zusammengerollte  Röhren  mit  grau- 
weisseni  tiefris.sijrem  iVridcrm  .  worauf  sich  oft  noch  Reste  von  Flechten  finden. 
Die  Länge  ist  sehr  verschieden,  durchschnittlich  15— 45  cm,  ihr  Durchmesser  be- 

Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


3t 


trft^rt  1 — 5  cm,  die  Dicke  der  Rinde  1.5 — 3  mm.  Der  Kork  ist  grauweiss ,  von 
Längs-  und  Querrissen  von  etwa  25  mm  Abstand  durchzogen  mit  unregelmässigen 
Maschen.  Innen  ist  die  Rinde  zinimtbraun,  durch  die  Bastfasern  fein  gestreift.  Die 
mir  vorliegenden  Stücke  zeigen  ausgeprägten  Calisayacbarakter :  Tiefe  horizontal 
über  mehr  als  die  Hälfte,  verlaufende  Querrisse  (nach  Moexs'  Abbildungen  hat 
C.  Josephiana  die  breitesten  und  tiefsten),  schwache  Längsrunzeln,  weisse  Kork- 
tleeken  von  großer  Ausdehnung,  Innenseite  glatt,  feingestreift,  Dicke  der  Rinde 
3mm,  Durchmesser  der  Röhren  2 — 2.5  cm.  der  Querbrueh  innen  faserig,  nach 
aussen  mehr  gleichförmig.  Doch  gibt  es  hiervon  auch  Abweichungen.  So  liegt  mir 
z.  Fi.  eine  (von  Gehe  stammende)  .lava-Calisaya   mit   starken  Längarunzeln  vor. 

Im  Folgenden  gebe  ich  eine  kurze  Charakteristik  der  besonder*  für  die  Chinin- 
fabrikation zur  Zeit  i 1 88f> )  wichtigsten  J  a  v  a  -  C  a  I  i  s  a y  a  r  i  n  d  e  n,  die  ich  Herrn 
Wkllkr  verdanke. 

* )  ('.  Calisaya  vor.  L  ?  d  tj  >'  r  i a  n  a ,  Stamm  rinde.  Doppelt  eingerollte 
Röhren  von.  1.5  cm  Durchmesser.  Tiefe  Qiierrisse,  schwache  Längarunzeln  (Calisaya- 
cbarakter). Aussen  vorwiegend  grauweiss,  Chinin  5.1»  Procent.   Eine  zweite  Probe 

4.4  Proeent. 

Stammrinde,  erneuert.  Korkbedeckung  ganz  glatt,  ohne  alle  Runzeln 
oder  Risse.  Aussen  graubraun.  In  Röhren  und  Platten,  Chinin  2.5  Procent. 

Zweigrinde.  Röhren  von  lern  Durchmesser.  Aussen  graubraun  mit  starken 
reinbraunen,  nicht  sehr  langen  Längsrnnzeln,  Chinin  2.2  Proeent. 

Wurzel  rinde.  Unregelraäasige,  verbogene  Platten  und  Halbröhren  von  sehr 
ungleicher  Läuge  und  Breite.  Dicke  der  Rinden  Substanz  etwa  2  mm.  Farbe  dunkel- 
braun. Aussen  mit  sehr  zahlreichen  warzigen  oder  leistenförmigen  Korkhöckerehen 
besetzt. 

**i  C  Calisaya  Sch  ah  k  ra  ft.  Stammrinde.    Sehr  harte  Röhren  von 

2.5  cm  Durchmesser  und  5  mm  Dicke  der  Rinde.  Aussen  grau  bis  graubraun, 
gran weiss  roarmorirt,  unregelmässig  feinrunzelig,  mit  tiefen  und  breiten  Querrissen. 
Kork  da  und  dort  abgesprungen.  Innenfläche  schön  rothbraun.  Chinin  O.'J  Procent. 

Zweigrinde.  Meist  doppelt  eingerollte  Röhren  von  1  cm  Durchmesser,  aussen 
grau,  fein  längsrunzlig  und  schwach  warzig.  Kork  sehr  leicht  abblätternd,  Chinin 
0.5  Proeent. 

Wurzelrinde,    l'nregelmässige ,   verbogene,  grobrunzelige  Stücke.  Chinin 
0.8  Proeent. 

C.  Cal  is  aya  bezeichnet :  javaniea.  8 1  a  m  m  r  i  u  d  e.  Röhren  von  über 
2  cm  Durchmesser  mit  starken  Längsrunzeln,  tiefen  Qnerrissen,  grossen  rundlichen 
weissen  Flecken.  Flechten.  Chinin  1  Procent. 

Zweigrinde.  Dünne  Röhren,  zum  Theil  von  dem  grauweissen  Kork  befreit, 
dann  rothbraun»  Schwache  Längsrnnzeln,  tiefe  Querrisse.  Chinin  0.3  Procent. 

Wurzel  rinde,  Unregelmässige  Platten  oder  Röhren  mit  dicker,  oft  schwam- 
miger Borke.  Chinin  1.7  Procent. 

Die  als  C.  Calisaya  anylira  im  Handel  bezeichnete  Rinde  von  C.  Galt- 
»aya  x  succirubra  entspricht  dem  Calisayatypns,  von  dem ,  wie  man  sieht,  sieh 
die  Schuhkraftiana  weit  entfernt. 

Nach  Jobst'ö  früheren  Angaben  waren  enthalten  in   Java   Calisaya  3.39, 
Hasskarliana  2.52,  Pahudiana  2.07  Procent  Alkaloid. 

Die  Zweigrinden  sehen  unseren  sogenannten  braunen  Rinden  nicht  unähnlich. 

Von  Java  wurden  1885  exportirt  Colli :  100000  Succirubra,  350000  Ledgeriana, 
140000  Schuhkraft,  73000  Oftlcinalis,  die  Zahl  der  Bäume  betrug  circa  4  Millionen. 

Von  ostindischer  Calisaya  und  Ledgeriana  stehen  mir  leider  nur 
Chips  und  shavings  zur  Verfügung,  kleine  Abschabsei,  die  eine  Beschreibung  nicht 
zulassen.  —  Sie  enthält:  Ceylon  Stem  shavings  1.1  Procent,  Renewed  chips 
4.8  Procent  Chinin ;  Ledgeriana  chips  2 — 1.5  Procent  Chinin  (Weller). 
BroüOHTON  gibt  den  Cehalt  auf  3.1) — 5.30  Procent  Alkaloid,  mit  1.02 — 4.18 
Prozent  Chinin  an. 

Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


Culturcalisaya  aus  Bolivien  ist  zur  Zeit  noch  kein  grosser  Handels- 
artikel, dessen  Bedeutung  jedoch  von  Jahr  zu  Jahr  wachst.  Besonders  zur  Chinin- 
fabrikation wird  sie  schon  jetzt  viel  verwendet.  Die  mir  vorliegenden  Proben 

Bolivianische  Stammrinde  (aus  der  Z i m m e r'schen  Chininfabrik)  bilden 
bis  2cm  starke,  doppeltgerollte  Köhren,  mit  deutlichen  breitön  Querrissen  und 
zahlreichen  breiten,  aber  flachen  Lüugsrunzeln.  Aussen  graubraun,  innen  braun, 
Chinin  4.5  Procent. 

Die  bolivianische  Astrinde,  die  auf  der  südamerikanischen  Ausstellung  in  Berün 
vertreten  war,  bildete  bis  50 cm  lange  und  5cm  breite,  dabei  verhältuissmäsaig 
dünne  (2  mm),  meist  doppelt  eingerollte  schöne  Röhren,  die  zum  Theil  15  cm  breite 
Rindenstreifen  repräseutiren.  Aussen  grau  bis  graubraun  mit  auffallend  grossen 
weissen  Fleckeu ,  schwachen  Läugsruuzelu  und  den  charakteristischen ,  hier  aber 
ziemlieh  unregelmäßig  verlaufenden  Querrissen.  Besonders  charakteristisch  für 
dieselbe  scheint  es  zu  sein,  dass  sieb  der  papierdünne  Kork  leicht  von  der  Riude 
abblättern  lässt.  Die  dann  auf  weiten  Strecken  zu  Tage  tretende  Mittelrinde  ist 
reinbraun  und  zeigt  zahlreiche  Lftngsrunzeln.  Die  Angaben  Lkicdsenrixg's  Uber 
den  Chiuingehalt  besagen,  dass  die.se  Culturrinden  zwischen  0.48  und  G.65  Procent 
Chiniu  und  zwischen  0.21  und  2.53  Procent  Cinchouin  enthalten. 

In  J  amaica-Cult  urcalisaya  fand  DB  Vrij  2.75  Proeent  Alkaloide.  In 
Röunion-Calisaya  Trouette  4.38  Proceut.  (Auf  Jamaica  cultivirt  man  ausserdem: 
C.  Pahudiana  (0.95  Proeent  Chinin),  C.  ofjicinalis,  succirubra  und  micrnntJiay 
auf  Reunion  C.  officinalis  und  succirubra.)  —  Die  mittelamerikanischen  Rinden 
werden  nicht  gelobt  (Bo  bring  er). 

Beide  bedeckten  Chinarinden,  die  südamerikanischen  und  die  Culturrinden, 
zeigeu  schon  üebergänge  zu  den  braunen  Rinden.  Ihren  charakteristischen  Aus- 
druck  finden  die  gelben  Rinden  in 

,i)  Cort.  Chinae  Calisayae  8.  regiua  planus,  China  regia  plana  s. 
tiuda,  CK.  reg.  sine  epidermide,  flache,  platte,  unbedeckte  Königschina,  Calisaya 
plat,  Fiat  Calisaya.  Cort.  Ckin  Monopol*. 

Bildet  bis  50  cm  lange  (meist  kürzere  [20  cm]  übrigens  erheblich  variirende) 
bis  20  cm  breite  und  5 — 15  (30)  mm  dicke,  flache  oder  nur  sehr  wenig  rinnen- 
artig gebogene,  der  Regel  nach  vou  der  Borke  völlig  befreite  Stücke  von  gleich- 
mässig,  lebhaft  hell-gelblichbrauuer ,  ceylonziinmtartiger  Farbe,  kaum  mit  einem 
Stich  in's  Gelbröthliche.  Sie  ist  eine  Stammrinde  und  stammt  von  älteren  8tämmen. 
Die  Oberfläche  ist  häufig  durch  Verwitterung,  wenigstens  stellenweise,  dunkler.  Sie 
ist  mehr  oder  weniger,  oftmals  sehr  stark  durch  die  muldenförmigen  scharf  randigen 
Einbuchtungen  der  entfernten  Borke  (Conchas)  uneben. 

Die  (in  Folge  hervortretender  Bastzellon)  schimmernde  Innenfläche  ist  nicht,  wie 
bei  den  Astriuden,  parallel,  sondern  oft  wellenförmig  gestreift.  *Das  ganze  Gewebe, 
besonders  die  Iunenrindo,  ist  sehr  mürbe,  schon  mit  dem  Fingernagel  kann  man 
leicht  Stücke  loslösen.  Prüft  man  die  abgekratzten  kurzen,  dickfaserigen  Abschabsei 
mit  dem  Mikroskop,  so  sieht  man,  dass  sie  aus  Bastzellen  und  Bastzellgruppen 
mit  anhängenden  Phloeratheilen  bestehen. 

Au  den  Rändern  der  Conchas  sind  bisweilen  noch  kleine  Partien  der  Borke  er- 
halten. Dieselben  lassen  sich  leicht  ablösen.  Fast  die  ganze  Handelsrinde  besteht 
aus  der  Innenrinde,  nur  in  den  äussersten  Partien  sind  Korkbänder  wahrzunehmen. 
Die  dicken,  kurzen,  gelben,  spröden  und  glänzenden  Bastzellen,  meist  einzeln  oder 
(seltener)  in  wenig  gliederigen  Gruppen  (2 — 4)  sind  ziemlich  zerstreut,  bald  mehr, 
bald  weniger  deutlich  radial-strahlig  angeordnet.  Typus  A  (Wigand).  Die  innersten 
Partien  sind  am  reichsten  an  Bastfasern.  Im  Lflngsvorlauf  sind  oft  mehrere  an- 
einander gefügt. 

Wo  Borke  vorhanden  ist.  besteht  sie  aus  schwarzbraunen,  tafelförmigen,  dünn- 
wandigen Peridermstreifen  und  schlaffem,  braunem,  abgestorbenem  Rindenparcnehym. 

Die  bolivianische  China  fand  verhältnismässig  spät  '  in  den  Zwanziger-Jahren  dieses 
Jahrhunderts)  die  verdiente  Beachtung,  wurde  dann  aber  nach  Möglichkeit  forcirt. 

Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


33 


Trotzdem  betrug  das  grösste  aus  Bolivia  exportirte  Jahresquantuni  nur  20000 
Centner.  Sie  war  ehedem  die  bei  Weitem  geschätzteste,  jetzt  ist  Bie  mit  stark 
vermindertem  Alkaloidgehalt  in  den  Handel  gekommen  und  wird  daher  mehr  und 
mehr  von  der  Culturchina  verdrängt. 

Neuerdinga  findet  sich  im  Handel  auch  eine  Rinde,  die  sehr  unsorgfältig  ge- 
schalt ist  und  Conchas  nicht  oder  undeutlich  erkennen  lässt.  Ehedem  betrachtete 
man  das  Vorhandensein  derselben  nicht  mit  Unrecht  als  ein  Zeichen  guter  Waare. 

Sie  kommt  in  Serronen  oder  Trommeln  aus  Arica  (seltener  Cobija)  in  den  Handel, 
in  trefflicher  Qualität  ist  sie  selten  geworden  (Gehe). 

Man  unterschied  im  Handel  die  bolivianische  und  die  peruanische 
Königschina.  Die  peruanische  ist  im  Allgemeinen  heller,  im  Bruch  lockerer, 
splitterig  und  mit  den  Ueberresten  der  Borko  versehen.  Die  bolivianische 
oder  Bolivia-Monopolchina  in  grossen,  schönen  und  gleichmässig  der  Borko 
beraubten  Platten  war  früher  die  beste  südamerikanische  Chinarinde,  neben  ihr 
kommt  eine,  ebenfalls  gute,  in  kleineren  Stücken  vor,  doch  geben  die  Ph.  Germ.  1., 
Dan.  und  Russ.  der  ersteren  den  Vorzug. 

Alle  Pharmakopöen ,  welche  unbedeckte  Calisaya  führen  (mit  Ausnahme  der 
Ph.  Belg,  und  Graec.) ,  fordern  die  Abwesenheit  der  Borke ,  die  Droge  darf  nur 
aus  der  Innenrinde  bestehen,  die  nach  der  Ph.  Brit.  4.23 — 8.47  mm,  nach  der 
Ph.  Un.  8t.  4 — 10  mm,  nach  der  Ph.  Helv.  5 — 15  mm,  nach  der  Ph.  Austr.,  Dan., 
Germ.  I..  Neerl.  und  Norv.  10 — 20  mm  und  nach  der  Ph.  Rom.  20  mm  dick  sein  soll. 

Das  Pulver  ist  hellzimmtbrauu. 

Die  flache  China  (Jä)  wird  von  der  Ph.  Austr.,  Dan.,  Germ.  I.,  Helv.,  Hung., 
Rom.,  Norv.,  Russ.,  Suec.  ausschliesslich,  von  der  Brit.  vorzugsweise  verlangt, 
während  die  Ph.  Belg.,  Brit.,  Gall.,  Graee.,  Neerl.  und  Un.  St.  neben  der  flachen 
als  gleichwertig  auch  die  bedeckte,  gerollte  Calisaya  als  officinell  führen  (Hirsch). 

Die  Ph.  Germ.  H.  führt  zwar  die  Calisayarinde  nicht  namentlich  auf,  da  sie 
offenbar  vornehmlich  Culturchinarinden  angewendet  wissen  will.  Da  sie  jedoch  den 
Hauptnaebdruck  auf  den  Alkaloidgehalt  legt,  so  ist  südamerikanische  Caüsaya 
ebenfalls  zulässig,  falls  sie  mindestens  3.5  Procent  Alkaloide  enthält. 

Die  Ph.  Austr.,  Brit.,  Hung.,  Norv.,  Rom.,  Suec.  fordern  von  der  Calisaya 
mindestens  2  Procent  Alkaloide,  2.5  Procent  ätherlösliche  Alkaloide  verlangt  die 
Ph.  Russ.,  mindestens  2.5  —  3  Procent  Chiuabasen  die  Ph.  Dan.,  1.875  Procent 
Chinin  die  Ph.  Gall. 

Der  Alkaloidgehalt  der  Königschina  schwankte  früher  zwischen  1  und  4.5  Procent, 
im  Mittel  betrug  er  2.5  Procent.  Darunter  nimmt  das  Chinin  die  erste  Stelle  ein 
(2 — 4  Procent),  dann  folgt  Chinidin  '0.6  Procent)  und  Cinchonin  0.4  Procent. 
Die  unbedeckte  Calisaya  ist  angeblich  cliininreicher  als  die  bedeckte. 

So  fanden  (vor  längerer  Zeit) 

in  der  bedeckten    in  der  unbedeckten 
Reichardt    .    .    Chinin  0.659  2.701 

Dronke    ...       „  0.124  2.968 

Jetzt  beträgt  der  Alkaloidgehalt  der  flachen  Königschina  selten  über  1  Procent 

(Hesse). 

Da  gehaltreiche  Calisaya  ahie.  epidermtde  jetzt  schwer  zu  beschaffen  ist  (Gehe), 
wird  dieselbe  immer  mehr  von  Culturcalisaya  und  Succirubra  verdrängt.  Nach  mir 
gütigst  von  Gehe  gemachten  Angaben  ist  die  zur  Zeit  im  Handel  befind- 
liehe Calisaya  sine  epiderm.,  die  für  den  Nordeu  noch  viel  gefragt 
wird,  sehr  alkaloidarm.  Sie  enthält  1.5 — 2  Procent  ätherlösliches  Alkaloid,  aber 
kein  Chinin  oder  nur  Spuren  davon !  Darnach  ist  sie  für  uns  so  gut  wie  werthlos. 

Der  Alkaloidgehalt  der  cultivirten  Calisaya  ist  viel  höher;  13  und  mehr  Procent 
Alkaloide,  darunter  bis  10  Procent  Chinin,  gehören  jetzt  schon  nicht  mehr 
zu  den  Seltenheiten.  So  fanden  in  der  javanischen  Calisaya  rar.  Ledyeriana 
Jobst  7.2  Procent  Alkaloide,  darunter  5.5  Procent  Chinin,  Mof.ns  sogar  13.4  Procent, 
Howard  11  Procent  Alkaloid,  darunter  10  Procent  Chinin  (s.  auch  pag.  19 — 21). 

R^l-Eucyciop&die  der  ges.  I'üarmadc.  III.  3  jgjtj; 


34 


CHINARINDEN. 


Das  Lackmuspapier  nur  schwach  röthendc  Infusum  (Ph.  Graec.)  soll  bei  ge- 
nügender Concentration  und  filtrirt  durch  Zusatz  von  Katriumsulfat  (in  Folge  Gyps- 
ausscheidung)  trübe  werden  (das  Infus  der  braunen  China  nicht?). 

Der  kalt  bereitete  Auszug,  der  Calisayachina  ist  weingelb ,  das  Decoct  rothgelb, 

trübt  sich  beim  Erkalten  milchig,  wird  durch  verdünnte  Säuren  klar,  gibt  aber 

nach  und  nach  einen  bräunlichen  Bodensatz,  filtrirt  wird  es  von  Leimlösung  nicht 

und  von  Brechweinstein  kaum  getrübt.    Gerbsäure  erzeugt  einen  weisslichgelben, 

Eisensalze  einen  blassgrttnlichen  Niederschlag. 

C hina  Calisaya  morada,  Ch ina  boliviana ,  leichte  Königschina  von  Cinclwna 
boliviaua  Wedd,  Grosse ,  flache ,  dünne ,  leicht  zerbrechliche ,  4  mm  dicke  Stücke ,  der  echten 
Kfinigschina  ähnlich ,  mit  flachen  und  unregelmäßigen  Conchas.  Bastzellen  in  weniger  unter- 
brochenen Radialreihen.  Alkaloidärmer.  Verwechslung,  beziehungsweise  Vermischung  der  echten 
Königschina,  aber  auch  als  solche  ohne  Bedeutung. 

c)  China  Galisa ya  fibrosa,  China  von  Sa.  Ana,  Cascarilla  de  Sa.  Ana, 
von  Cinchona  scrobiculata  Humb.  et  Bonpl.  (und  ovata  R.  et  Pav.),  einer  süd- 
peruanischen  Art.  Die  dunkelzimmtbrannen,  flachen  Stücke  mit  dünner,  minder  tief 
eingerissener  Borke  bedeckt,  oder  davon  befreit  und  mit  Conchas  versehen,  der 
echten  Königschina  nicht  unähnlich,  durch  besonders  beim  Befeuchten  deutlich  in's 
Rötbliche  fallende,  oftmals  sehr  feurige  Färbung,  dichteres  Gefüge  (sie  ist  nicht 
mürbe!)  und  fädigen,  relativ  langfaserigen  Bruch  von  ihr  unterschieden.  Sie  findet 
sich  auch  in  Röhren.  Die  Mittelrinde  ist  reich  an  Sclerelden.  Jüngere  Rinden  ent- 
halten Saftschläuche.  Keine  andere  Cinchone  besitzt  einen  so  deutlich  radial  ge- 
streiften Querschnitt  (Typus  B,  Wigand).  Die  sehr  zahlreichen,  besonders  in  den 
inneren  Schichten  vorherrschenden  Bastzellen  stehen  der  Regel  nach  in  ein- 
zeiligen Radialrcihen,  die  nur  selten  von  Siebelemcnten  unterbrochen  werden. 

Kommt  über  Arequipa,  Islay,  Arica  in  den  Handel,  ist  alkaloidarm  und  kommt 
allein  oder  mit  echter  Calisaya  gemengt  als  Verfälschung  derselben  im  Handel  vor. 
Besitzt  keine  Handelsbedeutung.  Die  anatomischen  Merkmale  reichen  zur  Unter- 
scheidung aus. 

Hierher  gehören  ferner: 

ii.  Cusvochina,  Cascarilla  colorada,  Ecorce  d'Arica,  Cascarilla  boba,  Carua-Carua  von 
Cinchona  Pelleteriana  oder  Cinchona  pubescens  rar,  Pellet.  Wedd.  bei  Cusco  gesammelt.  Flache 
riunenförmige  Stücke,  Köhren  oder  Platten,  3 — 14  mm  dick,  stellenweise  mit  glimmerglänzenden, 
gelbliohwcissen  Ueberresten  des  Periderms  bedeckt  und  hier  und  da  mit  kleinen  runden  Kork- 
warzchen  oder  deren  runden  Vertiefungen  versehen .  Kork  gelblichweiss,  warzig,  Bruch  grob- 
hplitterig  bis  grobfaserig .  die  l>edeckten  Stücke  ohne  Querrisse.  Anordnung  der  Bastzellen 
nach  Typus  C  (Wigaud).  Enthält  Aricin  (Cuscocinchonin).  Salpetersaure  färbt  dasselbe, 
ebenso  wie  die  Binde,  grün.  Au«  Südperd.  Ohne  Bedeutung,  auch  arm  an  Alkaloiden  (0.3  Procent 
Chinin). 

Cu  Storni  na  ist  z.  Z.  kein  grosser  Handelsartikel.  Die  Proben,  die  ich  auf  der  süd- 
amerikanischen Ausstellung  sah,  bildeten  bis  70  cm  lange  und  3  cm  breite,  doppelt  zusammen- 
gerollte Röhren  älterer  Acstc.  Ihre  graue  01>crnaclic  erscheint  weiss  gefleckt  mit  zahlreichen 
langen  und  flachen  Längsrunzeln,  Querrisse  fehlen.  Die  Innenseite  ist  dunkelbraun.  Die  Binde 
gehört  darnach  zu  den  brauneu  Riuden  (s.  d.). 

3.  China  flava  dura,  am  besten  mit  der  nahe  verwandten  China  flava  fibrosa  (6) 
zu  vereinigen,  aussen  ziemlich  eben,  mit  dünnem,  weichem  Kork  (meine  Proben  sind  zum  Theil 
davon  befreit)  und  fester,  gelber,  harzbrüchiger  Innenrinde.  Berg  unterscheidet  zwei  Sorten: 

a)  China  dura  laevis  s.  yranatensis,  von  Cinchona  cordifolia  Mutis  in  Neu-Granada. 

l>)  China  dura  suberona  s.  peruviana,  von  Cinchona  lutea  Pav.  und  C.  puhtscens  Wedd. 
in  Peru,  beide  jetzt  ohne  Handelsbedeutung.  Eine  Sorte  der  flava  dura  stammt  nach  Karsten 
von  C.  laneifolia  Mutig. 

4.  China  Pitaya,  von  Cinchona  Condaminea  var.  pitayensis  Wedd.  (  C.  pitayensis) 
und  vielleicht  C.  laneifolia  Mulis  aus  Ecuador.  Neu-Granada  über  Bonaventura.  Bis  8  mm  dicke, 
rinnenformige  Stücke  mit  schwammiger,  ockerfarbener,  bräunlich  geschichteter,  quadratisch 
gefeldcrter,  abblätternder  Borke  und  zimiutfarbeuer.  harter,  dichter,  unterseits  fein  gestreifter 
Innenrinde.  Bruch  dünn  und  kurzsplitterig,  nicht  stechend.  Früher  wegen  ihres  auffallend  hohen 
Chiuingehaltes  viel  zur  Chininfabrikation  benutzt,  jetzt  ohne  hervorragende  Bandelsl^deutung. 
Chinin  circa  1.8  Procent  (1.5—1.8  Procent  [DelondreJ,  08 — 1.0  Procent  Oinchonin). 

In  die  Nähe  dieser  Binden  gehören  auch  die  China  de  Maracaibo  (von  Cinchona 
tueujensi*  Karst.),  die  leichte  Calisaya,  die  röt bliche  Calisaya,  die  Cascarilla 
colorado  de  Cusco  oder  Carabaya  oder  rothe  Cuscorinde  (von  C.  purpurea,  C.  pubes- 
etns  var.  ß  purpur.    Wedd.,  mit   1  —  1.2   Procent  Chinin),  die  Porto  Cabellorinde, 


Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


35 


China  flava  paraensis,  flache  Gnanucoch  ina  (0.1  Prooent  Chinin)  u.  And.  ans 
Venezuela,  Columbien  u.  a. 

Von  diesen  fand  sich  1886  Porto  Cabello-  und  Maracaiborinde  auf  dem  deutsehen 
Markt,  wegen  geringerer  Zufuhr  zu  steigenden  Preisen  (Gehe),  so  dass  es  an- 
gezeigt scheint,  diese 

5.  Col um  bisehon  Rinden  kurz  zu  charakterisiren. 

Mir  liegen  zwei  nicht  .sehr  chininreiche  Proben,  die  ich  Gehe  verdanke,  vor. 

a)  Cort.  Ckinae  flavus  Maracaibo,  Quina  amarilla,  Marakaibochina, 
von  Cinchona  tucujensls  und  cordifolia  aus  den  Gebieten  vom  8—10°  n.  B.  in 
den  venczuelischen  Auslaufern  der  östlichen  Cordilleren  (Gehk).  Grosse  flache  oder 
wenig  gekrümmte  ungeschälte  Stammrinden ,  etwa  35  cm  lang  und  6  cm  breit. 
Dicke  der  Rindenraasse  7  mm.  Aussen  graugelb-ockergelb,  mit  zahlreichen  feinen, 
zarten  und  langen,  bisweilen  wellig  verlaufenden  Längsrunzeln  (ohne  Querrisse) 
und  grossen  rundlichen  oder  unregelmässigen,  weissen  oder  grauweissen  Flecken, 
innen  gelbröthlich,  unregelmässig  längsfaserig,  leicht  zersplitternd.  Sehr  hart. 
Bruch  kurzsplitterig,  fast  körnig.  Chiningehalt  0.1  Procent. 

b)  Cort.  Chinae  flav  us  Porto  Cabello,  Portocabcllochina  von  Cinchona 
laneifolia.  Kleincrc,  von  der  Borke  befreite,  flache  oder  schwach  gekrümmte 
Stammrinden,  etwa  20cm  lang  und  4cm  breit.  Dicke  der  Rindenmasse  5mm. 
Aussen  und  innen  hellgrau  gelb  röthlich.  Aussen  sehr  zart  längsrnnzlig ,  durch 
zahlreiche  Krystalle  glitzernd,  welches  Glitzern  auch  auf  der  längsstreifigen  Unter- 
seite deutlich  hervortritt.  Mürbe.  Bruch  calisayaartig  kurzsplitterig.  Chiuingehalt 
0.25  Procent. 

Von  1870—1880  führte  Columbien  alljährlich  60—80000  Centner  dieser  Rinden 
aus.  Man  cultivirt  neuerdings  dort  ebonfalls.  Der  Grund,  warum  diese  und  die  in 
Bolivien  cultivirten  Rinden  mit  den  indischen  zur  Zeit  noch  nicht  coneurriron 
können,  dürfte  in  den  hohen  Transportkosten  zu  suchen  sein  (Gkhbj.  Der  Export 
von  Maracaibo  und  Portocabellorinde  ist  von  1883  bis  1885  von  3895  Colli  auf 
861  zurückgegangen  1886  betrug  er  dagegen  wieder  1592  Colli. 

H  erher  gehört  und  ist  wohl  zum  Theil  damit  identisch  die 

6.  China  flava  fibrosa,  Carthagena-,  Bogota  China,  Calisaya  von  Santa 
Fe  de  Bogota,  Quina  anaranjada  oder  naranjada,  Quina  tuuita,  Caqueta  (Caqueza) 
bark,  Cartbageue  ligneux  (und  China  rubitfinosa  zum  Theil  i.  Alle  diese  in  Bau  und 
Textur  nur  wenig  abweichenden  Rinden,  früher  wohl  als  besondere  Sorten  unter- 
schieden,  stammen  von  der  botanisch  veränderlichen  Cinchona  laneifolia  Midis 
in  Xeu-Granada  (einige  Arten  vielleicht  auch  von  anderen  Cinchonen).  Meist  in 
starken,  flachen,  rinnenförmigen,  1  cm  dicken,  selten  gerollten  Stückeu  verschiedener 
Dicke.  Kork  anfangs  grau,  später  silberweissUch  bis  b'.assockergelblich,  glänzend, 
dünn,  sehr  woieh,  leieht  abblätternd. 

Innenrinde  gelb  bis  rothgelb,  Mittelrinde  selbst  in  dickeren  Stammrinden  noch 
erhalten  (Borkenbildung  beginnt  erst  später),  in  ihr  zahlreiche,  tangential  gestreckte 
Scleröiden,  oft  eine  fest  zusammenhängende  Schicht  bildend.  Die  nicht  sehr 
dicken  Bastzellen  in  streckenweise  zusammenhängenden  einfachen  oder  doppelten 
radialen  Reihen.  Im  Innern  bisweilen  undeutlich  tangential  angeordnet.  In  der 
Innenrinde,  im  Siebtheil  und  den  Markstrahlen,  Stabzellen  und  Sclereideu.  Von  der 
echten  Calisaya  unterscheidet  sieh  diese  Rinde  im  Allgemeinen  durch  die  blass- 
ockergelbe, matte,  gleichsam  bestäubte  Farbe,  durch  die  stellenweise  mit  gelhlich- 
weissen,  glimmerglänzenden  Korkschiebten  bedeckte,  bei  den  jüngeren  Rinden  nicht 
rissige  Oberflache  uud  durch  meist  zahlreich  im  Innern  zerstreute  weisse  Punkte, 
Krystallzellen  (Wigand).  Der  Bruch  der  Rinde  ist  feiusplitterig ,  je  nach  den 
Sorten  kurz-  oder  laugfaserig.  Ich  bin  geneigt,  diese  Rinde  als  naheverwaudt  mit 
der  China  Maracaibo  zu  halten. 

Die  besten  Sorten  heissen  in  Xeu-Granada  col  um  bische,  die  geringeren 
Carthagena- Rinden.  Der  Alkaloidgehalt  ist  meist  nicht  sehr  gross,  circa  1  Pro- 
cent Chinin. 


36  CHINARINDEN. 

Die  mir  vorliegenden  BERG'schen  Proben  Bogotachina  können  mit  bedeckter 
Calisaya  nicht  verwechselt  werden :  Die  röthlichc  Farbe  des  Inneren ,  der  braune 
Kork  u.  And.  sind  deutliche  Unterscheidungsmerkmale  (den  Stücken  fehlt  der 
Kork  zum  Theil).  Erst  recht  ist  dies  unmöglich  mit  den  ganz  anders  aus- 
sehenden als  „China  flava  fibrosau  bezeichneten  Rinden  meiner  Sammlung. 
Dieselben  ähneln  der  unbedeckten  Calisaya,  sind  leicht  und  mürbe,  aber  noch 
zum  Theil  mit  weichem,  schwammigem,  rothbraunem  Kork  bedeckt,  der  da 
und  dort  silbergrau  zu  schimmern  pflegt,  entsprechen  also  der  oben  gegebenen 
Beschreibung. 

Koch  mehr  ähnelt  die  China  de  Sa.  Fe  meiner  Sammlung  der  unbedeckten 
Calisaya,  doch  fehlen  die  Conchas ,  die  Innenfläche  ist  glatter ,  das  Innere  hart, 
nicht  mürbe  und  die  Oberfläche ,  zwar  grösstenteils  borkefrei ,  trägt  doch  noch 
die  mürben  Ueberreste  derselben,  die  sich  leicht  mit  dem  Nagel  abkratzen  lassen. 

Karsten  leitet  seine  mit  hierhergehörige  China  flava  lignosa,  Cartagena- 
rinde,  Cascarilla  Ulwsi,  Cajtcarilla  aman'lla  von  C.  cordifolia  Mutis  (Neu- 
Grauada,  C.  pubescens  Vahl  (Peru)  und  C.  tueujensis  Krst.  (Veuezuela)  ab.  Er 
rechnet  hierzu :  Cort.  Chin.  flav.  lign.  s.  de  Cartagena  durus  (über  Cartagena) 
von  C.  cordifolia  f  C.  Chin.  flav.  de  Cuzco  (über  Arica) ,  von  C.  pubescens, 
C.  Chin.  de  Cuzco,  rothe  Cuzco  von  C.  pubescens  var.  fr.  purpuren  Wcdd., 
C.  Chin.  Maracaibo  von  C.  tueujensis. 

B.  Braune  oder  graue  Chinarinden,  Perurinden,  Cort.  Chin.  fusci,  grisei, 
officiuales,  Cort,  Cinchonae  pallidae,  Cortice  de  China  bruna  scu  grisa,  Quina 
de  Loja,  Quinquinn  grls  (in  Ph.  Austr.,  Belg.,  Brit.,  Dan.,  Fenn.,  Gall.,  Germ.  I., 
Gracc.,  Helv.,  Hisp.,  Hung.,  Xecrl.,  Rom.,  Russ.). 

Unter  diesem  Namen  versteht  man  die.  meistens  relativ  cinchon  in  reichen,  Rinden 
jüngerer  Zweige.  Sie  bilden  niemals  flache  Stücke,  sind  also  auch  keine  Stamm- 
rinden, sondern  Astrinden,  sie  finden  sich  daher  nur  in  mehr  oder  weniger  starken, 
etwa  3  mm  dicken,  gänsefederkiel-  bis  fingerstarken  (Ph.  Austr.,  Dan.,  Germ.  I., 
Hung.},  einfach  oder  doppelt  eingerollten  Röhren.  Dire  Oberfläche  ist  graubraun 
und  von  vielen  nicht  sehr  tiefen  Läugs-  und  Querrissen  durchzogen.  Die  Farbe 
der  Mittel-  und  Innenrinde  ist  vorherrschend  braun,  an  der  Greuze  der  Mittel-  und 
Auügcnrinde  findet  sich  meist  ein  Harzriug,  im  Bruch  sind  sie  mehr  eben  als  splitterig 
oder  faserig,  aussen  verhältnissmässig  glatt,  innen  schwachfaserig. 

Ihr  Geschmack  ist  mehr  herbe  als  bitter.  Die  Oberflüche  trägt  oft  kleine  Strauch- 
und  Krnstenflechten. 

Die  Stammpflanzen  der  braunen  Rinden  sind  zahlreich.  Selbst  eine  und  dieselbe 
Handelssorte  stammt  wohl  kaum  von  einer  und  derselben  Art.  Als  wichtigste 
Stamnipflanzen  sind  zu  nennen :  Cinchona  micrantka  Bz.  et  Pav.  (Ph.  Germ.  I.), 
C,  l'ritusinga  und  macrocalyx  Pav.,  C.  Condami nea  Humboldt  var.  Chahuar- 
guera  Pav.  und  crispa  Tafulla  (Ph.  Brit.),  C.  officinalis  L.,  C.  nitida  Bz.  et 
Pav.,  C.  peruviana  Hute.  u.  And. 

Vorwiegend  liefert  Südamerika  braune  Rinden ,   weniger  die  Colonialculturen, 
letztere  nur  in  die  Fabriken. 

Der  von  den  Pharmakopöen  geforderte  Alkaloidgehalt  soll  betragen  0.5  Procent 
i.'Ph.  Brit.).  mindestens  1  Proceut  (Ph.  Austr.,  Helv.,  Rom.),  wenigstens  1.5  Pro- 
cent an  salzbildendeu  Basen,  worunter  mindestens  1  ,0  Chinin  (Ph.  Gall.),  0.3  bis 
0.0  Procent  Chinin  und  1.5 — 2.5  I'roccnt  Cinchonin  (Ph.  Russ./  Die  in  Ostindien 
cultivirten  braunen  Rinden  sind  meist  erheblich  alkaloidreicher.  Sofern  die  süd- 
amerikanischen oder  die  Culturrinden  deu  Gehaltsforderuugcn  der  Ph.  Germ.  U.  ent 
sprechen  (3.5  Procent  Gesammtalkaloide) ,  ist  gegen  ihre  Verwendung  nichts  ein- 
zuwenden, meist  bleiben  erstere  jedoch  unter  dieser  Minimalgrenze. 

Der  Geschmack  der  braunen  Chiua  ist  eigentümlich,  nicht  sehr  stark  (Ph.  Austr. 
Hung.  bitterlich,  schwach  zusammenziehend  (nur  nach  der  Ph.  Brit.  stark  adstrin- 
gircml),  schwach  aromatisch. 

Digitized  by  Google 


CHINARINDEN'. 


37 


Durch  Fleohton  ist  die  Oberfläche  oft  hell  gefleckt.  Kork  und  Mittelrindo  sind 
relativ  stärker  als  die  Innenrinde.  Bruch  mehr  braun  als  gelb. 

Die  braune  China  wird  namentlich  im  Süden  und  Osten  Europas  begehrt. 
1886  fand  sich  Loxa,  Yuanuco  und  Guayaquill  in  guter  Qualität  am  Markt. 

Die  Sorten  sind  folgende: 

1.  Hu  an  u  co-,  Yuanuco-  oder  Guanocochina,  Cascarilla  roja 
de  Cuzeo  (Ph.  Belg.,  Gall.,  Helv.,  Neerl.,  Rom.,  Russ.,  Austr.,  Dan.,  Germ.  f., 
Hang.),  von  Cinchona  micrantha  Ruiz  et  Pav.  (Ph.  Germ.  I.),  C.  snbeordata 
Pav.,  G.  suberosa  Pav. ,  G.  nitida  R.  et  Pav.  und  C.  umbellifera  Pav.,  G. 
purpurea  Ruiz  et  Pav.  u.  And.  Meist  ein  Gemenge  mehrerer  Rindensorten,  daher 
ohne  durchgreifende  Merkmale.  Röhren  meist  spiralig,  doch  auch  von  beiden 
Rändern  her  eingerollt,  4 — 20  mm  im  Durchmesser  (meist  nicht  unter  LOmro), 
2 — 5  mm  dick,  aussen  bla&s  röthlichbraun,  hie  und  da  mit  weisslichem  Ueberzuge, 
zart  querrissig  mit  vorwaltenden  kurzen  und  flachen  Längsfurchen, 
beziehungsweise  Lftngsrunzelu ,  Querrisse  selten  oder  fohlend,  unregelmässig. 
Die  jüngeren  Rinden  glatt.  Innen  hellzimmtbrauu ,  Harzring  dunkel  (die  Mittel- 
rinde meist  dicht  harzglänzend) ,  Periderm  dünn.  Die  Innenrindo  ist  häntig 
durch  die  mit  Oxalat  gefüllten  Zellen  der  Markstrahlon  fein  weiss  gesprenkelt 
(Flückigkr). 

Die  „graue  China"  wurde  1776  in  den  Wäldern  von  Huanuco  entdeckt.  Sie 
kam  früher  in  grossen  Mengen  aus  Südperu,  Huanuco  (Peru)  Uber  Calläo  in  Kisten 
und  Serronen  in  den  Handel  und  war  von  der  Ph.  Germ.  I.  in  erster  Linie  als 
braune  China  vorgeschrieben.  Jetzt  ist  sie  in  viel  geringeren  und  sehr  ungleichen 
Sendungen  eingetroffen.  Oftmals  finden  sich  andere  Sorten  darunter.  Die  mir 
vorliegenden  Proben  Huanoco,  wie  sie  jetzt  (1886)  im  Handel  ist,  entsprechen  im 
Allgemeinen  der  obigen  Beschreibung,  doch  sind  die  Röhren  25  mm  breit.  Chinin- 
gehalt 0.58  Procent  (Gehe). 

Der  Alkaloidgehalt  ist  sehr  variirend,  im  Mittel  etwa  0.33 — 0.6  Procent 
Chinin  und  1.5 — 2.5  Procent  Cinchonin ,  nach  Reichärdt  0.85  Chinin  und 
2.24  Proeent  Cinchonin. 

Hierher  gehört  auch  dio  unter  dem  Namen  Pata  de  gallin azo  bekannte 
Rinde  der  Cinchona  nitida  Ruiz  et  Pav  ,,  die  ihren  Namen  (=  Geiergriffe)  nach 
der  eigentümlichen,  durch  Korkwarzen  und  Flechten  hervorgerufenen  Zeichnung 
der  Oberfläche  trägt.  Die  Rinde  der  auf  Java  anfänglich  cultivirten  Cinchona 
Fahudiana  ist  etwa  der  Huauoco  im  Werthe  gleichzustellen. 

DaB  Decoct  der  Huanucorinde  ist  heis*  klar  rothbraun,  erkaltet  gelbbraun- 
trübe, einen  schmutzigbraunen  Bodensatz  absetzend.  Kisenchlorid  erzeugt  eine 
dunkelgelbgrüne  Färbung. 

2.  Loxa-  oder  Lojachina,  Kronchina  (Th.  Belg.,  Gall..  Helv.,  Neerl ,  Rom., 
Rusb.,  Brit.,  Hisp.,  Austr.,  Dan.,  Germ.  I.,  Hung.),  stammt  fnach  Berg)  von  Cin- 
chona Un'titftinfja  Pav.,  C.  Gondaminea  Humb .,  C.  macrnenlyx  Pav.,  C.  conglo- 
merata  Pav.,  G.  Ghahuarquera  Pav.,  G  qlandulifera  Ruiz  et  Pav.,  C.  hetero- 
phylla  Pav,,  C.  officinalis,  G.  nitida,  C.  purpurea,  G.  corymhom  u.  And. 
ist  also  ein  Gemenge  verschiedener  Rinden ,  daher  ohne  durchgreifende  Merk- 
male. Röhren  (Zweigrinden)  spiralig  oder  (häufiger)  von  beiden  Rändern  her 
eingerollt,  4— 20  mm  breit  (in  der  Regel  nicht  über  10  mm  im  Durchmesser), 
gänsekiel-  bis  kleinfingerdick  (Ph.  Germ.  I.)  und  1  '2 — 4  mm  dick,  aussen  aschgrau 
oder  graubraun,  mit  oftmals  recht  umfangreichen  weisslichen  Flecken,  wenig  zahl- 
reichen, entfernten,  zarten  Quorrissen  und  relativ  breiten  und  laugen,  unregelmässig 
verlaufenden  Längsrunzcln.  Innen  zimmtbraun.  Harzring  dunkel  (Mittelrinde  dicht 
harzglänzend).  Periderm  dünn.  Jüngere  Rinden  sind  ebener  als  ältere.  Mir  vor- 
liegende Proben  der  Loxachina,  wie  sie  augenblicklich  im  Handel  ist  (von  Gehe), 
bilden  30cm  lange  und  12mm  breite,  doppelt  gerollte  Rühren  mit  deutlichen 
Längsrunzeln  und  sehr  zahlreichen  und  scharfen  QnerrisBon.  Chinin- 
gehalt 0.35  Procent.   Loxa  ist  u.  And.  besonders  in  Frankreich  begehrt. 

Digitized  by  Google 


38 


CHINARINDEN. 


Loxachina  stammt  aus  Ecuador-  und  Nordperu  '  und  kam  in  grossen  Mengen 
in  Kisten  nnd  Serronen  über  Guayaquil,  Payta  und  CallSo  in  den  Handel.  Sie 
bildete  (in  Gemeinschaft  mit  der  Huanucosorte,  aber  noch  häufiger  als  diese)  noch 
vor  zehn  Jahren  den  Hauptrepräsentanten  der  braunen  Chinarinden  im  deutschen 
Handel,  da  die  Ph.  Germ.  I.  sie  (neben  der  dickeren  Huanuco)  als  braune  China 
vorsehrieb.  Die  charakteristischen  dünnen  Köhren  fehlten  in  keiner  Apotheke.  Jetzt 
ist  sie  durch  die  mehrfach  erwähnte  Minimalforderung  des  Alkaloidgebaltes  in  der 
Ph.  Germ.  II.  in  ihrer  Existenz  arg  bedroht ,  da  sie  dieser  Forderung  nicht  zu 
entsprechen  pflogt.  Sic  wird  daher  meist  nur  zur  Darstellung  von  Präparaten  (China- 
wein  etc.)  verwendet.  —  Früher  unterschied  man  Loxa  e  ramulis  junioribus  und 
e  ramis  vetustis.  Letztere  sind  nicht  unerheblich  dicker. 

Rinden  mit  leichter,  schuppiger,  oder  tief  runzliger  Oberfläche,  von  Leberfarbe 
oder  schwarz  und  ohne  den  charakteristischen  dunklen  Harzring,  sind  statt  der 
Loxa  und  Hiiauucorindc  nicht  in  Anwendnng  zu  ziehen  (Ph.  Germ.  I:). 

Nur  die  Loxachina  verlangen  die  Ph.  Brit.  und  Hisp. 

Die  Loxa  ist  nicht  selten  reichlich  mit  Flechten  besetzt. 

Ihr  Alkaloidgebalt  variirt  sehr,  im  Allgemeinen  sind  die  dickeren  (älteren) 
Rinden  nlkaloidreicher.  Er  beträgt  etwa  1 — 2  Procent  Alkaloid  mit  0.2  Procent 
Chinin  (bis  0.35  Chinin  und  0.34  Cinchonin). 

Die  Gegend  von  Loxa  lieferte  die  ersten  Chinarinden  des  Handels,  bis  zum 
Jahre  1772  gclangtcu  Chinariuden  fast  ausschliesslich  aus  Loxa  und  Quito  zu 
uns.  Zur  Zeit  der  spanischen  Herrschaft  wurden  die  auserlesensten,  etwas  röthlichen 
als  Cascarilla  nmarilla  del  Rey,  Cascarilla  colorada  del  Rey, 
für  den  königlichen  Hof  in  Madrid  besonders  reservirt,  daher  hiess  die  Loxa  lange 
Zeit  Königschina,  China  coronalis,  Kronchina,  Crown-bark 
(Flickiger),  jetzt  ist  das  Beiwort  „regius"  auf  die  Calisaya  übergegangen.  Die 
Gegend  um  Loxa  ist  jetzt  erschöpft. 

3.  G  u  aj  aqu  il  c  bin  a  ist  zur  Zeit  (1886)  wieder  reichlich  im  Handel.  Sie 
bildet  nach  den  mir  vorliegenden  Gehe' sehen  Mustern  lange  einfach  gerollte  Röhren 
von  einer  Länge  von  ca.  40  cm  und  einer  Breite  von  etwas  über  1  cm.  Dicke  der 
Rindensubstanz  2  mm.  Der  graueu  weissgefleckten  Oberfläche  fehlen  Runzeln  gänz- 
lich. Sie  ist  aber  vou  einer  Unzahl  scharfer,  dicht  bei  einander  liegender,  Quer- 
rissc  durchzogen.  Innen  ist  sie  rehbraun.  Zahlreiche  Flechten  bedecken  die  Aussen- 
seite.  Für  den  Süden  und  Osten  Kuropas  sehr  gefragt.  Chiningehalt  0.35  Procent. 

4.  Pscudoloxa-China,  China  Jai'n  nigricans,  dunkle  Ten-China,  von  Cinchona 
vitiila  Puiz  et  Put',,  ('.  stuppca  l'ar  ,  C.  scrobiculata  Humb.  und  Uonpl.,  ist  also  ebenfalls 
ei»  Genienge  verschiedener  Rinden.  Dünne,  meist  gekrümmte  Röhren  von  4 — 25mm  Durch- 
messer und  1—2  mm  Dicke,  nassen  dunkelbraun  bis  schwarz,  da  und  dort  (selten)  mit  weiss- 
licheiu  Autlug.  ^uenisse  regelmässig,  ziemlich  tief,  sehr  genähert,  Längsrunzeln  zahlreich,  flach, 
nnnstomosirend,  daher  die  Obei  flache  schuppig  runzlig,  innen  dunkel  zimnitbrauo,  Harzring 
fehlt.  Alkaloidgehalt  sehr  variirend,  im  Mittel  0.16  Procent  Chinin,  0.11  Procent  Cinchonin 
(bis  0.35  Chinin  und  0.66  Cinehonio).  Stammt  aus  Nordperu.  Beisorte  der  Loxa-China,  aber 
ohne  Bedeutung. 

Die  mir  vorliegenden  Berg'schen  Proben  sind  nur  schwachrunzlig  und  rissig. 

5.  Huamalies-  oder  Yu  ama  1  i  es-Ch i u  a,  von  Cinchona  micrantha  B.  et  P.,  C.  glan- 
rfulifera  H.  et  R,  C.  Paltan  Pav.  und  laneeolota  It.  et  P.,  also  ebenfalls  ein  Rindengemenge. 
Röhren  oder  Halbröhren  von  5  —  iiOmm  Durchmesser  (in  der  Regel  nicht  unter  10  mm)  nnd 
I — 8  mm  Dicke,  aussen  leberbraun,  selten  und  nur  stellenweise  blassttclblich  oder  schwarzbraun. 
Län»swurzeln  vorherrschend,  etwas  wellenförmig,  daneben  rundliche  oder  ovale  Korkwarzen 
(Lenticellen?).  Kork  dick  und  rostbraun,  Harzring  fehlt.  Aus  Mittelpern. 

Gehalt  an  Alkaloiden  variirend,  im  Mittel  Ü.Q2  Procent  Chinin,  0.4  Proeent  Cinchonin 
(aber  bis  0.3  Procent  Chinin). 

Gewöhnliche  Beimeuguug  der  Huanncorinde  und  nur  als  solche  von  (geringer)  Bedeutung. 
Die  mir  vorliegenden  Stücke  „e  ramulis  junioribus"  sind  durch  grobfaserige,  grobgestreifte  Innen- 
seite ausgezeichnet. 

Hierher  gehört  auch  ein  Tlieil  der  Carabayachiua  (Berg). 

6.  China  de  Ja8u  pal  Ii  da.  blnsse  jaen  oder  Ten-China,  von  Cinchona  viridijlora 
Pac,  C.  piibwemt  \\\<ld.  n  And.  Dünne,  gekrümmte  Röhren  von  4 — 26  mm  Durchmesser 
und  1<—  4mm  Dicke,  oft  bogenförmig  gekrümmt,  aussen  stbroutzig-gclbgrau ,  ziemlich  eben 
oder  mit  zarten  Laugsrunzeln  und  feinen  ^uenii.sen,  innen  rothbraun,  ohne  Harzring,  Mittel- 

Digitized  by  Google 


CHINABIND  KN. 


39 


rinde  locker,  aber  mit  glänzenden  Punkten  auf  der  Querschnittsfläche.  Brach  grobspl  itterig  un- 
gleich. Die  Proben  meiner  Sammlung  sind  12  mm  dick ,  aussen  vorwiegend  grau-silberweiss, 
mit  wenigen  zarten  Längs-  und  Querrissen  versehen. 

Kam  aus  Ecuador  über  CallSo  in  den  Handel.  Zuweilen  der  Hnannco  beigemengt.  Alkaloid- 
gehalt  etwa  wie  der  der  Jaen  nigricans,  aber  bis  0.56  Procent  Chinin  und  0.6  Cinchonin. 
Ohne  Bedeutung. 

7.  Die  braunen  Rind  en  der  Culturen.  Im  Aeusscren  kommt  die  Astrinde 
iler  Calisaya  nnd  der  Snecirubra  den  braunen  Rinden  ziemlich  gleich,  docb  gehört 
erste  re ,  durch  Abstammung ,  Gestalts  Verhältnisse  ,  Textur  und  auch  durch  hellere 
Farbe  richtiger  zu  den  sogenannten  gelben,  die  Succirnbra  entschieden  zu  den 
rothen  Sorten. 

Dünne  braunliche  Zweigrinden  aus  den  Culturen  (besonders  von  C.  officinalis) 
bilden  zur  Zeit  keinen  nennenswerthen  Handelsartikel  für  den  Drogisten.  Sie  werden, 
ebenso  wie  die  weniger  ansehnlichen  Röhren,  fast  ausschliesslich  in  den  Fabriken 
zur  Chininfabrikation  verwendet  (vergl.  oben  unter  Calisaya,  pag.  31  und  unter 
Succirnbra,  pag.  41). 

(Jinc  ho  na  officinalis,  welche  sowohl  auf  Java  als  in  Ostindien  viel 
cultivirt  wird,  liefert  aber  eine  recht  gute  braune  Fabrikrinde.  Aus  Java: 
Stammrinde  (1.7  Procent  Chinin),  erneuerte  Stammrinde  (3  Procent  Chinin). 
Zweigrinde  (0.5  Procent  Chinin),  Wurzelrinde  (3.7  Procent  Chinin);  aus  Ost- 
indien: Stembark  (2.7  Procent  Chinin);  aus  Ceylon:  Renewed  Bark  (2.5  Pro- 
cent Chinin). 

Die  Javanische  Stammrinde  ist  die  Rinde  von  mässig  dicken  Bäumen. 
Sie  bildet  einfach  oder  doppelt  zusammengerollte  Röhren  von  etwa  1  cm.  Durch- 
messer, die  aussen  graubraun  und  schwach  längsrunzlig  und  mit  tiefen  Querrissen 
versehen  sind. 

Die  Astrinde  entstammt  ganz  dünnen  Zweigen.  Ihre  Röhren  sind  noch  dünner 
als  die  der  Pseudoloxa  (3 — 5  mm  im  Durchmesser),  aussen  sind  sie  schwarzbraun, 
bisweilen  grau  gefleckt,  mit  geraden  Längsrunzeln  und  Quorrisscn.  Der  Kork 
blättert  leicht  ab.  Bei  der  ostindischen  Stammrinde  walten  die  Längsrunzeln  vor. 
Ihre  Farbe  ist  aussen  heller  (hellgraubraun),  innen  gelbröthlich ,  nicht  braun. 
Durchmesser  der  Röhren  circa  7  mm. 

Die  erneuerteRinde  ist  bei  beiden  auch  aussen  erheblich  heller.  Querrisse 
kann  ich  bei  ihr  nicht  bemerken. 

Die  Wurzelrinde  bildet  1— 2cm  breite,  aussen  dunkel  schwarzbraune  Röhren 
und  Stücke,  die  durch  zahlreiche  hellere,  in  der  Axe  des  Organs  etwas  gestreckte 
Korkwarzen  grobwarzig  erscheint.  Qiierrisse  und  Längsrunzeln  fehlen. 

Die  ostindische  C.  offcinalis:B.init  ist  die  chininreichste  der  indischen  Cultur- 
riuden:  Nach  Paul  2.81—5.70  Procent  Chinin  (1884). 

Cinchona  officinalis  wird  auch  in  Jamaika  und  Reunion  cultivirt.  Ja- 
maikarinde zeigte  0.83  Procent  Alkaloide  (De  Vrij),  Reuniourinde  5.345  Procent 
Troüettk).  C.  micrantha  lieferte  auf  Jamaika  Rinde  mit  3.402  Procent  Alkaloid 
(De  Vrij). 

Bei  den  Culturrinden  pflegt  man  gelbe,  brauue  und  rothe  für  gewöhnlich  nicht 
zu  unterscheiden.  Nur  die  ostindischen  haben  Handelssortenbezeichnungeu,  wie  red 
bark  (rothe  Chioa),  yellow  bark  (gelbe  China),  crown  bark  (braune  China). 

C.  Rothe  Chinarinden,  Cort.  Chinae  rubr.,  China  rubra,  Cinchona  rubra, 
Cort.  Cinchonae  rubr.,  Corticile  de  China  rosie,  Quinquina  rouge  (Ph.  Austr., 
Belg.,  Brit.,  Dan.,  Gall.,  Germ.,  Neerl.,  Rom.,  Ruas. ,  Uu.  8t.,  meist  neben  den 
2  anderen  Sorten,  die  Ph.  Un.  St.  verlangt  neben  der  rothen  nur  die  Calisaya). 
Dieselben  sind  cbarakterisirt  durch  eine  vorherrschend  rothbraune  Farbe  der 
Mittel-  nnd  Innenrinde.  Die  im  Handel  befindlichen  Stücke  sind  entweder  die 
flachen  Rinden  der  Stämme  und  dickerer  Aeste  (südamerikanische  Rothe  China)  oder 
die  röhrigen  Rinden  dünnerer  Aeste  (Culturchina  aus  Java,  Ostindien  und  Ceylon). 
Erstere  sind  auch  an  den  Stammrinden  noch  mit  der  starken  Borke  versehen 


Digitized  by  Google 


40 


CIIIN*  ARINDEN. 


und  besitzen  eine  faserige  oder  splitterige  breite  Innenrinde,  letztere  sind  stets 
mit  Kork  bedeckt,  den  sogenannten  braunen  Chinarinden  äusserlich  nicht  unähnlich, 
doch  bei  gleichem  Astumfang  dünner.  Ihr  Geschmack  ist  mehr  bitter  als  herbe. 
Sie  enthalten  nicht  sehr  reichlich  Chinin,  aber  mehr  als  die  braunen  Rinden. 

Die  rothe  China  stammt  fast  ausschliesslich  von  Cinchona  succirubra 
Pavon  (C.  Howardiana  Kuntze,  G.  oblongifolia  Mutis ,  C.  magnifolia  nnd 
colorata  Ruiz  et  Pav.J.  Für  die  südamerikanische  wurde  dies  von  Weddell  (?), 
Howard,  Klotzsch  und  Schacht  festgestellt.  Da  sich  die  Rinde  dieser  Pflanze  als 
zwar  nicht  sehr  chininreich  erwies,  die  Cinchone  selbst  aber  sehr  leicht  zu 
cultiviren  ist,  da  sie  zu  den  wetterharten  gehört,  so  hat  man  sie  besonders  in 
Ostindien  in  grösserem  Umfange  angepflanzt  und  sie,  sowie  zahlreiche  Bastarde 
derselben,  in  sorgfältige  Pflege  genommen.  Auch  auf  Java  hat  man  mit  ihr  Vor- 
suche angestellt. 

Die  Rinde  von  Cinchona  succirubra  ist  (nach  Flückigeb)  bei  jungen 
1  '/Jährigen  Stämmchen  etwa  1  mm  dick  und  hat  eine  etwa  lr3  des  Querschnittes 
ausmachende  Innenrinde.  Die  Bastzellen  sind  noch  vereinzelt,  entweder  isolirt  oder 
zu  2,  beziehungsweise  3  einander  genähert.  In  der  Mittelrinde  liegen  in  unter- 
brochenem Kreise  weite  Saftschläuche,  bisweilen  zu  zwei  einander  genähert.  Bei 
5  mm  dicken  Rinden  waltet  bereits  die  Innenrinde  stark  vor  und  die  Bastzellen 
sind  in  grosser  Zahl  vorhanden.  Sie  stehen,  durch  schmale  Streifen  kleinzelligen 
Parenchyms  getrennt,  in  unterbrocheneu  Radialreihen.  In  der  innersten  Partie 
sind  sie  auch  bisweilen  in  tangentialer  Richtung  orientirt,  so  dass  die  Rinde  dort 
bisweilen  ein  gefeldertes  Aussehen  gewinnt.  Die  Saftschläuche  bleiben  bei  der 
Succirubra  lange  erhalten,  selbst  12  mm  dicke  Rindenstücke  zeigen  sie  noch  deutlich. 
Die  Borke  wird  hier  schwerer  als  bei  den  anderen  Chinarinden  abgeworfen.  Selbst 
relativ  mächtige  Stammrinden  zeigen  noch  eine  festhaltende  grauschwärzliche 
Borkebekleidung. 

Die  rothe  (südamerikanische)  China  enthält  im  Maximum  2  Procent  Chinin 
(Mittel:  0.91  Chinin  und  0.39  Cinchonin  nach  Rkichaudt),  sie  soll  enthalten  nach 
der  Ph.  Brit.  1.5  Procent,  nach  der  Ph.  Un.  St.  2  Procent  Chinin,  nach  der 
Ph.  Russ.  2  Procent  Chinin  und  1  Procent  Cinchonin,  nach  der  Ph.  Austr.  und 
Rom.  2.5  Procent,  nach  der  Ph.  Germ.  II.  mindestens  3.5  Procent  Gesamrat- 
alkaloide,  nach  der  Ph.  Gallic.  3  Procent  Alkaloidsulfate  (wovon  2  Procent 
Chininsulfat). 

Die  rothen  Culturrinden,  besonders  einige  Bastarde,  sind  ausserordentlich  viel 
alkaloidreicher,  5 — 8  Procent,  ja  sogar  15  Procent  Gesammtalkaloide  gehören 
schon  jetzt  nicht  mehr  zu  den  Seltenheiten.  Doch  war  z.  B.  in  einem  eoncreten 
Falle  bei  5.7  Procent  Alkaloidgehalt  nur  1.1  Chinin  vorhanden. 

1.  Culturrinden  von  Cinchona  succirubra,  Ceylon- und  ostindische 
Rinden.  Dieselben  kommen  namentlich  aus  den  ostindischen  Cuituren  und  aus 
Ceylon  (Hakgalle,  in  Java  ist  die  Succirubra  jetzt  aufgegeben,  doch  kommt  auch 
von  dorther  noch  Succirubra  zu  Fabrikationszwecken),  zur  Zeit  nur  in  Zweig  uud 
Astrinden  vor,  besitzen  daher  nur  eine  geringe  Dicke.  Die  indischen  Proben  sind 
bis  80cm  (meist  50cm)  lange,  einmal  oder  von  beiden  Rändern  her  eingerollte 
Röhren,  die  einen  Durchmesser  von  durchschnittlich  21/2cm  besitzen  (aber  auch 
bisweilen  erheblich  breiter  [bis  6]  werden).  Die  Dicke  der  Rinde  beträgt  2  mm. 
Die  Oberfläche  ist  graubraun  durch  kleine  grauweissliche  ovale  Flecken  gefleckt 
und  durch  zahlreiche  zierliche,  längsverlaufende,  hie  und  da  anastomosirende  Längs- 
runzeln gerunzelt.  Querrisse  fehlen  so  gut  wie  ganz.  Innenfläche  schön  dunkel- 
rothbraun,  fein  längsgestrichelt.  (Vcrgl.  auch  Fig.  2.) 

Dio  mir  vorliegenden  schönen  Röhrcu  ceylanischer  Succirubra,  die 
augenblicklich  (1886)  im  Handel  dominirt,  cutsprechen  gegen  25  cm  breiten 
Rindenstreifen.  Sie  sind  auf  der  graubraunen  Oberseite  mit  sehr  zahlreichen,  bis- 
weilen etwas  helleren,  kurzen  und  oft  wellig  verlaufenden  Längs- 
run zeichen  versehen.  Da  und  dort  finden  sich  weisse  Flecken.   Der  leicht  ab- 


Digitized  by  Google 


CHINABINDEN. 


41 


blätternde  papierdünne  Kork  —  eine  Eigentümlichkeit ,  die  sich  in  der  Cnltur 
herauszubilden  scheint  —  ist  an  den  Röhren  meist  noch  daran.  An  den  Stellen, 
wo  er  abgeblättert  ist ,  erscheint  die  Rinde  schwarzbraun ,  fast  glänzend  und  mit 
zahlreichen  kleinen,  etwa  1!2mm  grossen  he  IIb  raunen,  rundlichen,  nicht  er- 
habenen Punkton  wie  übersät.  Querrisse  fehlen  vollständig.  Chinin- 
gehalt 1.4  Procent. 

Mit  der  Bezeichnung  „Red  chips"  versehene  indische  Succirubra  (Weller) 
bildet  dünne  (4mm)  Röhren  junger  Zweige,  bei  denen  ebenfalls  schon  an  vielen 
Stellen  der  graubraune  Kork  abgesprungen  ist,  so  dass  die  rothbrauno  Farbe  des 
Inneren  zu  Tage  tritt.  Bei  der  „Renewed  stein",  der  erneuerten  Stammrinde, 
fand  ich  den  Kork,  wo  er  daran  war,  nicht  abblätternd. 

Javanische  Succiruba  ist  besonders  als  Fabrikrinde  geschätzt.  Die  mir 
vorliegende  Stammrinde  zeigt  die  oben  geschilderten  Kennzeichen  der  ceyla- 
nUchen,  besonders  den  abblätternden  Kork  und  die  braunen  Punkte  darunter  — 
nur  ist  die  Außenseite  nicht  mit  kurzen,  zarten,  sondern  mit  groben  und  langen 
Lftngsronzeln  versehen.  Die  Innenseite  Ist  rothgelb,  fast  glänzend  und  glatt.  Eine 
andere  Stammrinde  (mit  1  Procent  Chinin)  hatte  aussen  eine  graue,  fast  calisaya- 
artige  Farbe,  sonst  stimmte  sie  mit  der  vorigen  überein.  Die  erneuerte  Rinde 
zeigt  einen  nicht  abblätternden,  grobwarzigen  oder  stark  längsrunzeligen  Kork. 
Innenseite  gestreift. 

Die  Wnrzelrinde  bildet  verbogene ,  bis  2 mm  dicke  Platten,  mit  glatter 
Innenseite  und  grobwarzigem ,  nicht  abblätterndem  Kork.  Bei  den  sehr  dünnen 
(4  mm)  Zweigrindenröhren  blätterte  der  Kork  ebenfalls  leicht  ab.  Wo  er  daran 
war,  erschien  er  zartlängsrunzelig ,  graubraun  und  fast  silberglänzend  (Chinin- 
gehalt siehe  unten). 

Nach  der  Ph.  Germ.  II.  besitzen  die  ganzen  Röhren  der  Succirubra  eine  Länge 
von  etwa  60  cm,  einen  Durchmesser  von  1 — 4  cm  bei  2 — 4  mm  Dicke  der  Rinden- 
snbstanz.  Daueben  kommen  auch  Röhrenstücke  und  Längshälften  vor.  Die  Rinden 
tragen  einen  dünnen  graubräunlicben  Kork  mit  groben  Längsrunzeln  Und  kleinen 
und  kurzen  Querrissen,  die  Innenfläche  ist  braunroth  und  faserig,  der  Bruch  mtlrbe. 
Diese  Beschreibung  passt  auf  die  ceylanische  Succirubra. 

Die  ostindische  Succirubra  wird  in  Ostiudien  selbst  in  grösstem  Maassstabe  auf 
Chinin  verarbeitet. 

Die  Succirubra-Rinde  ist  die  einzige ,  die  von  der  Ph.  Germ.  IL  namentlich 
aufgeführt  und  als  in  erster  Linie  in  Anwendung  zu  ziehen  bezeichnet  wird,  als  die 
Cort.  Chinae  par  excellence,  obgleich  nach  der  ganzen  Fassung  des  Artikels  die 
Höhe  des  Chiningehaltes  allein  massgebend  für  die  Verwendung  ist,  daher  gegen 
die  Verwendung  anderer  Chinarinden,  sofern  sie  den  Anforderungen  entsprechen, 
nichts  einzuwenden  ist. 

Im  deutschen  Handel  und  in  den  Apotheken  finden  sich  denn  auch  neben  der 
Succirubra  die  alte  unbedeckte  Calisaya,  die  javanische  Calisaya  (Ledgeriana, 
Hasakarliand)  und  einige  gute  braune  Rinden. 

Paul  zeigte  (1884)  auf  Grund  zahlreicher  Untersuchungen,  dass  Succirubra 
in  Indien  an  Gesammtalkaloiden  am  reichsten  (6.47—7.78),  an  Chinin  aber 
relativ  am  ärmsten  (1 — 2.86  Procent)  ist.  Der  Chiningehalt,  den  mir  Wkller  an- 
gibt —  für  Succirubra  aus  Ceylon  1.7 — 2.9  Procent,  aus  den  Nilgiris  1  Procent 
und  für  Rubra  (?)  1.5  (red  shavings),  0.9  (red  chips),  1.6  (red  root)  —  stimmt  gut 
damit  Uberein.  Howard  gibt  für  Succirubra  an:  Zweigrinde  3.3  Procent,  Stamm- 
rinde 5.5  Procent,  Wurzelrinde  7.6  Procent,  Wurzel  fasern  2  Procent  Alkaloid. 
Broughton  für  dieselbe  6.7  —  7.85  Procent  Alkaloid  mit  1.7 — 2.4  Procent 
Chinin.  Gehe  gibt  mir  den  Gehalt  ceylanischer  Succirubra  auf  1.4  Procent 
Chinin  an. 

Javanische  Succirubra,  die  ich  Weiter  verdanke,  enthält:  Stammrinde 
1—2.7  Procent,  Zweigrinde  0.7  Procent,  Wurzolrinde  2.4  Procent.  Erneuerte 
Stammrinde  2.7  Procent. 

Digitized  by  Google 


42 


CHINARINDEN. 


Jamaika-Succi rubra  enthält  nach  de  Vrtj  10.83  Procent  Alkaloid  mit 
1.9  Chinin  und  5.59  Cinchonin. 

Reunion-Succirubra  hat  nach  Teouette  7.5  Procent  Alkaloid. 

In  der  Rinde  der  Hauptwurzel  von  Succirubra  (aus  Madras)  fand  Cross  :  Chinin 
3.51  Procent,  Cinchonin  2.10  Procent,  Cinchonidin  2.26,  Chinidin  0.77  Procent. 

Die  Ph.  Gall. ,  die,  ebenso  wie  die  Ph.  Austr.  und  Neerl.,  Calisaya,  Loxa, 
Huanuco  und  rubra  unterscheidet,  lässt  die  Culturrinden  gleichfalls  zu.  Sie  fordern 
aber  ebenfalls  einen  Minimalgehalt  an  Alkaloiden. 

Die  südamerikanischen  rothen  Chinarinden  stehen  dieser  Cultur- 
Succirubra  an  Bedeutung  nach.  Die  Ausfuhren  aus  Guayaquil  haben  etwas  nach- 
gelassen. Nichtsdestoweniger  werden  sie  immerhin  auch  jetzt  noch  in  grossen 
Mengen,  und  zwar  vorwiegend  als  Stammrinden,  ausgeführt.  Früher  betrug  der 
Alkaloidgehalt  6 — 10  Procent,  jetzt  selten  mehr  als  2 — 3  Procent. 

Man  kann  (nach  Berg)  folgende  Sorten  unterscheiden  (der  Grosshandel  macht 
diesen  Unterschied  nicht  mehr): 

2.  China  rubra  dura,  besonders  aus  Ecuador,  von  Cinchona  succirubra 
Pav. ,  flache  oder  wenig  gebogene,  2cm  dicke  Staramrindenstücke  (die  mir  vor- 
liegenden Stücke  besitzen  eine  Dicke  bis  13  mm)  mit  einer  harten,  derben,  spröden, 
hellbraunen  bis  rothbraunen,  glänzenden,  stellenweise  weiss  Überflogenen  (luft- 
haltiger Kork) ,  vorherrschend  tief  längsrissigen ,  mit  dicken ,  runden  oder 
leistenförmigeu  Warzen  besetzten  Borke  (Querrisse  unbedeutend)  und  einer  lebhaft 
braunrothen ,  faserigen ,  im  Bruch  fein  und  kurzsplitterigeu  Innenrinde  (weniger 
splitterig  als  bei  Calisaya).  Flechten  pflegen  zu  fehlen.  Farbe  durchweg  rothbraun. 
Innenseite  fein  und  lebhaft  glänzend  gestrichelt. 

Die  Borkenschicht  wird  bis  0.5  cm  dick  (die  Korkbänder  dunkler  als  die  von 
ihnen  durchzogenen  Mittelrindenstreifen).  In  den  mir  vorliegenden  Proben  war  sie 
0.3— 0.4  cm  dick,  von  einigen  Stücken  meiner  Sammlung  ist  der  Kork  grössten- 
teils abgelfist,  nur  da  und  dort  sitzen  noch  einige  Warzen  auf.  Mittelrinde  dunkel- 
glänzend. Bastzellen  fast  nach  Typus  A  (Wigand)  angeordnet,  doch  entschiedener 
radial  und  gedrängter.  Mikroskopisch  lassen  sich  meistens  Saftschlauehe  nach- 
weisen. Seiereiden  fehlen. 

Diese  Riuden  enthalten  1.12 — 1.18  Procent  Chinin  und  etwa  1  Procent  Cinchonin. 

3.  China  rubra  suberosa,  aus  Guayaquil  ausgeführt,  angeblich  (Berg) 
von  Cinchona  coecnea  Pav.}  aber  wahrscheinlich  von  anderen  Arten.  Flache, 
rinnen-  oder  röhrenförmige,  1 — l.1  2  cm  dicke  Stücke  mit  einem,  starker  wie  bei 
2  entwickelten,  oft  über  die  Hfllfte  des  Querschnittes  betragenden  (bei  meinen 
Stücken  5mm  dicken),  weichen,  schwammigen,  dunkelrothbraunen ,  mit  weichen 
Korkwarzen  oder  Korkhöckern  bedeckten  Kork  und  einer  dicken,  bräunlichrothen, 
faserigen,  im  Bruch  dünn  und  kumplitterigen  (aber  langfaseriger  als  bei  2)  Innen- 
rindc.  Innenfläche  nicht  glänzend  gestrichelt ,  Bastzellen  undeutlich  radial  ange- 
ordnet, weniger  als  bei  2,  Safts^hläuche   fehlen  meist. 

4  China  rubitfinova  von  Cinch.  lucumaefolia  Pur.  Rinnenfbrmige ,  von  Borke  be- 
freite, besonders  nach  aussen  rostfarbige,  schöne  lange  Stück«  oder  Rühren.  Enthält  fa*t  nur 
Cinchonin  (2.5  Procent).  Ohne  Qaudetabedeutung. 

Zur  Zeit  (1886)  unterscheidet  man  im  Grosshandel  die  einzelnen  Sorten  süd- 
amerikanischer Rubra  nicht  mehr  scharf,  sondern  bringt  als  C.  Chinae  rubrae  eine 
etwa  1.6  Procent  Chinin  enthaltende  Rinde  in  den  Handel,  die  aus  dicken,  breiten, 
schön  lebhaft  kupfer-  bis  rothbraunen  Stücken  von  etwa  20  cm  Länge  und  7  cm 
Breite  bestehen,  deren  Innenrinde  bis  1  cm  stark  wird  und  die  nur  theilweise  von 
dem  tief  runzeligen ,  dunkelrothbraunen ,  schwammigen  Korke  befreit  sind.  Die 
Innenrinde  ist  mürbe,  bricht  dick-  und  kurzfaserig.  Solche  Stücke  sandte  mir  Gehe. 
Sie  sind  im  Handel  noch  sehr  gesucht  und  werden  hoch  bezahlt. 

Nach  den  Pharmakopöen,  welche  die  rothe  südamerikanische  China  führen  und  sie 
beschreiben   (Ph.  Germ.  I.,  Belg.,  Austr.,  Dan.,  Brit. ,  Neerl.,  Rom.)  bildet  sie 

Digitized  by  Google 


CHINA  K  INDEN. 


43 


flache  oder  gekrümmte  bis  fast  rinnenförmigc,  seltener  zusammengerollte,  Va — 2  cm 
dicke,  häufig  längsfurchige,  meist  harte,  dichte  und  schwere,  oft  mehrere  Fuss 
lange  Stücke  mit  dunkel  braunrother,  mit  ovalen  Warzen  besetzter  Borke.  Die 
bräunlichrothe  dicke  Innenrinde  ist  faserig,  auch  im  Bruch  splitterig-faserig,  Bast- 
zellen radial  angeordnet,  innen  schwach  concentrisch. 

Diese  Beschreibung  passt  etwa  auf  die  China  rubra  dura.  Ph.  Russ.  und 
Un.  St.  warnen  vor  einer  Verwechslung  mit  der  mehr  faserigen  und  pomeranzen- 
gelben China  rubiginosu  (4). 

Die  Verwendung  dünner,  leichter,  eingerollter,  blasser  Röhren  der  rothen  China 
ist  nach  der  Ph.  Dan. ,  Germ.  I. ,  Russ.  und  Un.  St. ,  die  also  die  Verwendung 
cnltivirter  Rinden  ausschliessen,  verboten.  Das  Gleiche  gilt  von  der  Ph.  Belg.,  welche 
die  dicken,  dunkelrothbraunen  schweren  Stücke  vorzieht.  Die  Ph.  Gall.  lässt,  nach  dem 
Text  zu  urt heilen,  neben  der  flachen  südamerikanischen,  auch  die  Culturrinden  zu. 

Das  filtrirte  Dococt  der  rothen  China  wird  durch  Leimlösung  nicht  verändert, 
durch  Brechweinstein  stark  gelb,  ebenso  auch  durch  Gerbsäure  gefällt.  Kiscuchlorid 
färbt  mehr  oder  weuiger  grün. 

Isolirt  sowohl  ihrer  botanischen  Abstammung,  wie  ihres  anatomischen  Baues 
nach  steht  die  ebenfalls  zu  den  rothen  Chinarinden  zu  rechnende 

5.  China  cuprea.  Dieselbe  stammt  von  keiner  Cinchona,  sondern  von 
Remijieu,  gehört  aber  dennoch,  da  sie  Chinin  enthält,  zu  den  echten  Chiuarinden. 

Von  dieser  Rinde  kann  man  3  Sorten  unterscheiden: 

a)  Die  eigentliche  China  cuprea  von  Remijia  peduneulata  Triana  (Cin- 
chona peduneulata  Krst.).  Nach  Planchon  gehört  hierzu  sowohl  die  Quinquina 
cuprea  des  Südens,  die  Cvjn'ea  der  Llanos  (Arnaud)  uud  sehr  wahrscheinlich 
auch  die  Cuprea  des  Nordens  und  von  Bucararoanga.  Diese  Cbinariude,  die  von 
Flückigeb  1871  alseine  besondere  Rinde  erkannt  und  wegen  ihrer  an  angelaufenes 
Kupfer  erinnernden  Farbe  Cuprea  geuannt  wurde,  zeigt  sich  als  besondere 
Handelssorte  seit  1880  auf  dem  europäischen  Markto,  früher  war  sie  nur  anderen 
Rinden  beigemengt.  In  den  Jahren  1880 — 83,  wo  diese  Riude  den  Markt  förmlich 
überschwemmte,  deckten  die  Cbiuiufabrikantcn  ihren  hauptsächlichsten  Bedarf  aus 
ihr.  Sie  ist  auch  heute  (188(5)  noch  nicht  vom  Markte  verschwunden,  aber  selten 
geworden.  Bei  den  billigen  Preisen  für  Ceylonrinden  scheint  aber,  wie  mir  Gehr 
mittheilt,  ganz  abgesehen  von  der  geringen  Grösse  der  Kemijiabestünde,  der  Transport 
im  Vergleich  zu  den  ostindischeu  Rinden  zu  theuer  zu  sein. 

Sie  kommt  in  ziemlich  flachen  Stücken  oder  Rinnen  (selten  in  Röhren)  vor,  die  eine 
Länge  bis  50  cm  und  eine  maximale  Dicke  von  5 — 7  mm  (meist  2 — 3  mm)  be- 
sitzen. Die  überwiegende  Masse  der  Droge  besteht  jedoch  aus  kleineren  Bruch- 
stücken. Der  längsrunzelige,  respeetivo  warzige  Kork  besitzt  eine  hellbraune  Farbe. 
Gewöhnlich  ist  er  bis  auf  wenige  anhängende  Warzen  entfernt  und  es  tritt  alsdann 
die  kupferbraune  Aussenrinde  zu  Tage:  dieselbe  ist  nirgends  ganz  eben,  sondern 
reichlich  feingrubig  (ähnlich  als  wäre  die  Oberfläche  von  Bohrkäfern  durchfurcht) 
und  bisweilen  mit  conebasartigen  Gruben  versehen,  durch  parallele  Messerschnitte 
gestreift,  die  offenbar  von  der  Ablösung  des  Korkes  herrühren  (FlCckiger).  Die 
ganze  Rinde  zeigt  diese  Kupferfarbe  deutlich.  Die  Inneufläche  ist  glatt,  eben, 
fein  längsstroifig,  schmutzig  braunrotb.  Eine  lebhafte  rothe  Farbe  tritt  erst  im 
Innern  hervor.  Sie  ist  sehr  hart  (in  England  daher  „hard  bark")  und  zerbricht 
nur  schwer.  Der  Bruch  ist  kurz,  körnig,  niemals  faserig.  Die  Anatomie  dieser 
Rinde ,  welche  ganz  die  einer  sogenannten  falschen  Chinarinde  ist ,  wurde  obeu 
im  allgemeinen  Theile  beschrieben  (s.  pag.  15,  Fig.  5  u.  6). 

Von  der  China  nova  surinamen*  in  von  Ladenbergia  magnifolia  Kl. 
weicht  sie  in  der  Anatomie  und  dadurch  ab ,  dass  die  Cuprea,  nicht  aber  dio 
China  nova,  die  GRAHE'schc  Theerprobe  gibt.  Die  Korkzellen  sind  bei  der  China 
nova  dünnwandig  und  bilden  die  Bastzellen  im  (Querschnitte  nicht  so  lange  gerade 
Radialreihen  wie  bei  der  Cuprea. 

Digitized  by  Google 


44 


CHINA  RINDEN. 


Die  Cnprea  enthält  dieselben  Alkaloide  wie  die  echten  Chinarinden,  doch  ist 
sie  dadurch  ausgezeichnet,  dass  sie  neben  relativ  viel  Chinin  (1 — 2  Procent,  selten 
mehr),  nur  wenig  andere  Alkaloide  (im  Ganzen  2 — 5.0  Procent  Alkaloide  [Hesse, 
de  Vrij],  nur  Chinidin  ist  in  grösserer  Menge  darin)  enthalt.  Besonders  werthvoll 
ist  für  die  Fabrikverwendung  die  Abwesenheit  von  Cinchonidin.  Cuprea  des  1886er 
Marktes,  die  ich  Weller  verdanke,  zeigte  0.6 — 0.8  Procent  Cbiuin.  Bei  ihr 
war  der  graubraune,  breit  und  unregelmässig  runzlige,  mit  wenigen  flachen 
Querris9en  versehene  Kork  nicht  entfernt.  Eine  zweite  Sorte  war  schlecht 
geschält.  Die  Cuprea  enthält  ein  (neues)  Alkaloid  Cup  rein  (Paul  und  Cowxley). 
Die  Gerbsäure  der  Cuprea  ist  Kaffeegerbsäure. 

Nur  wenig  Wurzelrindo  findet  sich  in  der  Cuprea. 

Sie  gelangt  zu  uns  besonders  aus  den  Gegenden  südöstlich  von  Bogota,  den 

Bergen  der  Wasserscheide  von  Magdalenas   und  Suarez,   aus   der  Gegend  von 

Bucaramanga  und  dem  Süden. 

h!  Die  C  inchon ami n- Cup rea,  von  Remijia  Purdieana  Wald  ,  von  Pianohon  des- 
halb Qninquina  ä  cinchonamine  genannt  weil  Arnaud  ans  dieser  Rinde  ein  neues  Alkaloid 
gewann,  Cinclionamin. 

Sie  ist  ebenfall«  meist  von  dem  warzigen  Korke  befreit.  Da*  Lupenbild  zeigt  nicht  eine 
so  deutliche  Scheidung  in  zwei  Schichten  wie  bei  der  Caprea.   Vergl.  pag.  16. 

In  dieser  Rinde  fand  Hesse  ausser  Cinchonamin  eine  Reihe  neuer  Alkaloide,  die  den 
Cinchonenrinden  und  der  echten  Cuprea  fehlen,  nämlich  Concusconin,  Cheiramin,  Con- 
chei  ramin,  Cheiramidin,  Concheiramidin. 

Diese  Rinde  kommt  au«  dem  mittleren  Gebiete  zwischen  Canca  und  Magdalenas.  Sie  bildet 
keinen  Handelsartikel,  sondern  kommt  nur  zwischen  der  echten  Cuprea  vor. 

c)  Tolima-Cuprea,  der  echten  Cuprea  einigermassen  ahnlich,  kam  aas  Tolima  im 
oberen  Magdalenenthale  in  einer  grossen  Sendung  auf  den  Markt,  verschwand  aber  wieder,  da 
sie  sich  relativ  arm  an  Chinin  (0  8—1.5  Procent)  erwies.  Abstammung  unbekannt. 

Gegenwärtig  (1886)  sind  folgende  Chinarinden  von  Handelsbedeutung: 

Rothe  und  gelbe  China  aus  dem  Norden  Südamerikas :  China  rubra,  China 
flava  Maracaibo  und  Porto  Ca  hello;  Calisaya  aus  Bolivien;  Cultur- 
rinden  aus  Ceylon.  Java  und  Ostindien :  China  indica  und  j  avanica;  braune 
Ecuador-  und  Nordperu-Rinden:  China  Loxa,  Huanoco  und  Guayaquil, 
endlich  die  Cuprea. 

Als  Fabrikrinden,  aus  Java:  Cinchona  Calisaya  Ledgeriana, 
Schubkraftiana ,  anglica  und  javanica ;  C.  officinalis  und  C.  succirubra.  Ans  Ost- 
indien: C.  succirubra,  C.  Calisaya,  Ledgeriana,  C.  officinalis. 

Mo exs  gibt  (Kinaeultnur)  folgende  Rinden  als  188.J  von  Java  erzengt  an:  C. 
Ledgeriana,  Calisaya,  Joseph iana,  Cal.  anglica,  Hasskarliana,  Pahu- 
diana ,  officinalis ,  laneifolia  var.  discolor,  succirubra,  micrantha,  caloptera,  cordi- 
folia  und  Trianae.  In  Ceylon  wurden  (1886)  cultivirt:  C.  succirubra,  offi- 
cinalis, Calisaya,  Ledgeriana,  robusta,  roagnifolia  und  pubescens. 

Synonymik  einiger  echter  amerikanischer  Rinden. 

Cor t ex  Cinchona«  laneifoliae  Mut.  =  China  flav.  fibrös,  nnd  straminca,  Cascarilla 
naranjada,  Quina  tanita,  Quinquina  Carthagene  rose,  Quinqu.  janne  orange  de  Mutis 
und  jaune  orange  roule,  Quinqu.  Carthagene  lipuenx  (Delondre  et  Bouchardat), 
aniCarlh.  tpongicux  (Wcdd.).  New  spurions  yellow  bark  (Pereira)  China  flava  dura 
Karsten).  Heavy  bark  from  New-Rranada  (Howard).  Quinqu.  Calisaya  de  Sa.  Fe  de 
Bogota  und  Quinqu.  Maracaibo  (Del.  et  Ron  eh.),  China  Pitayo  (?).  Columbian  Bark 
(Wedd.).  Von  C.  lancifol.  var.  obtusifol.  China  flava  flhrosa  ruhiginosa,  C.  lan- 
rifol.  var.  discolor  =  China  flaza  (Iura  Pitayo  (Karsten). 

Cor  t  ex  Chin.  r  uhe  r  9  uh  e  r  o's.  =  Red  bark  of  commerce  (llow.),  Qninqu.  rouge  pale 
(Del.  et  Bonch.)  von  Cinchona  coccinta  Pav.  (?). 

Cortex  C inchonae  cordifoliae  Mut.  —  China  flava  dura  laevis  s.  granatens ,  Cort. 
chin.  flav.  lign.  s.  de  Cartayena  dttruft  (Karsten).  Quinqu.  janne  de  Mutis,  Quinqu. 
Pitayo  (Del.  et  nouch,).  Columbian  Bark  ex  parte  (Wedd) 

Cortex  Cinchonae  1'  i  t  a  y  e  11  ,v  1  x  Wedd.  —  Cliina  Pttava  (Berg),  Pitaya  narajada 
(How.)  ?  Pitayo  bark  (Wedd eil),  gelbe  Rinde  von  Pitayo. 

Cortex  Cincho»  te  Petathae  Par.  =  Cascarilla  con  hojaa  de  Z*mba  (Pavou),  Quinqu. 
gris  ronle  (?). 


Digitized  by  Google 


CHINARINDEN. 


45 


Cortex  Cinchon  ae  hirsutae  R  et  Pav.  —  Cascarilla  Ana  delgada  do  Loxa  (Pav.), 
Loxa  ex  parte.  Quinquina  Huamalies  gris  terne  (Wedd.). 

Cortex  Cinchonae  la  nceolatae  R.  et  Pav.  =■  Cascarilla  boba  amarilla  (Pav.),  Hua- 
malies ex  parte.  Carthugena  bark  (Wedd.). 

Cortex  Cinchonae  nitida«  Ii.  et  Pap,  =  Cascarilla  Aua  Peraana  (Pav.),  China  Pseudo- 
loxa,  Qoinqn.  Hoanoco  plat  sans  epid.  (Del.  et  Bouch.),  Quina  cana  legitima  (How.  ?), 
Psendoloxa  ex  parte.  Hnanuco  or  Lima  bark  (Wedd.).  Quinquina  rouge  de  Lima,  Quin, 
ronge  vrai  non  verruqueax  (Cascarilla  roja  vordadera  Laubert).  Q.  rouge  officinal 
(W«dd.). 

Cortex  Cin  chonae  Reich  elia  nae  How.  von  C.  glandulifera  var.  alpestrls  Poeppig 
=  C.  pubescens  (How.),  Cascarilla  amarilla  de  Loxa,  Cascar.  negrilla  ordinaria,  Lima- 
Loxa  (Poeppig). 

Cortex  Cinchon  ae  australi»  Wedd.  =  Cochabamba  Bark  (How.). 

Cortex  Ciuch  onae  Con  daminea  e  Hb.  et  Bonpl.  =  die  dünnen  Köhren  als  China 
Pseudoloxa ,  die  dickeren  als  China  Huamalies ,  die  platten  als  falsche  Calisaya,  Cinch. 
Apolobamba  (Pav.),  Marcapata  Bark  (How.),  Quinqn.  gris  roulö,  Quiuqu.  Carabaya  plat 
f».  ep.  (Del.  et  Bouch.),  Loxa  ex  parte.  Qninquina  gris  de  Loxa  compacte  (Wedd.). 
Quinquina  Pilayo,  Qu.  de  la  Colombie  ou  d'Antioquia,  Caicarilla  parecida  ä  la  Calisaya, 
Q.  de  Colombio  lignenx,  Wrody  Carthagene  bark. 

Cortex  Cinchonae  Cr  i  tu  s  in  g  a  e  Pav.  =  die  jüngeren  Rinden  als  China  Loxa,  ältere 
als  Calisaya  empedertnida  (How.),  Cascarilla  flna  de  Uritusinga.  Cort.  peruvian. 

Cortex  Cinchonae  glanduii  ferne  U.  et  Pav.  =  Cascarilla  negrilla,  Cinch.  uudulata, 
feine  Loxa,  Quina  flna  de  Loxa  (How.),  Silver  crown  bark  (H o w.),  Cascarilla  Provinciana 
(How.),  Quinqu.  Loxa,  Gris  fin  Coudaminea  (Del.  et  Bouch.),  Loxa  und  Huamalies 
ex  parte.  Quinquina  de  Lima  tres  rugueux  imitant  le  Calisaya  (Wedd.). 

Cort   C ich  onae  officinulis  Hook.  =  Loxa  oder  Crown  Bark,  Pale  Bark  (Weddell). 

Cortex  Cinchonae  Calisaya  Wedd.  =  bedeckte  und  unbedeckte  Calisaya,  Quinqu. 
Calisaya  plat.  et  roule  /Del.  et  Bouch.).  Bolivian  bark,  Yellow  bark,  Quinquina  jaune 
de  roi  d'Kspagne,  Cascarilla  amarilla  del  Rey,  Chin.  reg.  Calis.  anaranjada  empederaida. 

Cortex  Cinchonae  Jiolivianae  Wedd.  —  China  Calisaya  ex  parte. 

Cortex  Cinchonae  succirubrae  Pav.  =  Cort.  chiu.  ruber  durus  (Berg),  Cascarilla 
colorada  de  Huaranda  Quito  (Pav.),  Quinqu.  rouge  vif.  (Del.  et  Bouch.),  China  Huanuco 
ex  parte,  Commercial  red  Bark  from  Cinch.  succirubm  (Pav),  Bark  of  cinchon.  rnflnervis 
Wedd.  (How.),  Quina  roxa  (Pav.). 

Cortex  Cinchonae  congl  ome  rat  a  e  Pav.  =  Cascarilla  colorada  de  Loxa  de  la  pro- 
vincia  Jaen  (Pav.),  Quina  cana  legitima  (How.),  Loxa  und  Psendoloxa  ex  parte. 

Cortex  Cinchona  e  unibcl  l  i/era  e  Pav.  =  Cascarilla  flna  provinciana  de  Quito  (Pav.), 
Huanuco  ex  parte ,  Cinch.  lutea ,  Beisorte  (P  a  v.)f  Cascarilla  amarilla  de  Chito  (P  a  v.), 
Cascarilla  crespilla  de  Jaen  (H  o  w.),  Colorada  de  Cusco,  Soft  Carabaya  bark  (H  o  w.). 

Cortex  Cinchonae  sc robicnlatae  Hb.  et  Bonpl.  =  China  flava  (Calisaya)  flbrosa, 
China  rubiginosa,  China  Huamalies  ,  China  de  Cuzco,  Chiua  Uritusinga  suberosa.  Quina 
dudosa  (Pav.),  Quiuqu.  rouge  de  Cuzco  und  Quiuqu.  faux  Calisaya  (Del.  et  Bouch.), 
Quinqu.  Huauuco  jaune  päleV  (Del.  et  Bouch.),  China  Carabaya,  Calebaja,  gelbe  Para- 
rinde  (Berg),  Pseudoloxa  ex  parte.  Ked.  Cuzco  Bark,  Santa  Ana  Bark  (WediD),  Quin- 
quina de  Loxa  brun  compacte,  dunkle  Ten  China  (Wedd.),  Qu.  do  Loxa  rouge  marron, 
Calisaya  leger  (Wedd.) 

Cortex  Cinchonae  pu  rpureae  R.  et  Pav.  —  Cascarilla  de  hoja  morada  Pav.,  unter 
Chiua  Jaen  pallida  und  Huanuco  (Berg).  Hnamalies  bark  (Wedd.),  Quinquina  de  Lima 
blanc  (Wedd.). 

Cortex   Cinchonae  suberosae  luv.   =   Cascarilla  blanca  pata  do  Galiinazo  de  Loxa 

(Pav.),  Huanuco  ex  parte. 
Cortex   Cinchonae  ovatae  R.  et  Pac.  —  Cascarilla  boba  de  Gallereta  (Pav.)  unter 

Chin.  Jaen  pallida  (Berg),  Quinqu.  brun  de  Cuzco?  (Del.  et  Bouch.).    Quinquina  de 

Loxa  condre,  A»h  bark,  blasse  Ten  China,   China  Jaen  Bergon,  Quinquina  gris  pale 

ancien,  Qu.  blanc  de  Loxa,  Qu.  blanc  fibreux  de  Jaen. 
Cortex  Cinchonae  h  et  e  r  oph  y  IIa  e  Pav.   =  Cascarilla  negrilla  o  negra  (Pav.),  Loxa 

China  ex  parto  (Berg). 
Cortex  Ctnchonae  subcordatae  Pav.    —  Cascarilla  Pata  de  Galiinazo  (Pav.),  Quinqu. 

Huanuco  jaune  pale  (Del.  et  Bouch).  Huanuco  ex  parte. 
Cortex  Cinchonae  miernnthae  R  et  Pav.  —  Cascarilla  proviueiana  blanquilla  (P  a  v.), 

die  jüngere  Rinde  als  Huanuco,  die  ältere  als  Huamalies,  von   einer  Varietät  stammt 

die  falsche  rothe  China  (Berg);   Cascarilla  colorada  del  Rey  Huanoco  roule   avec  eped. 

(Del.  et    Bouch.).   Lima   bark  (Wedd.),   Quinqnina  do  Lima  gris  brun  ou  ordinaire 

(Wedd.).  Qninquina  jaune  orange,  Quiuqu.  cannelle,  Calisaya  leger  (Wedd.),  Cascarilla 

claro-amarilla  (Laubert),  Qu.  Huamalies  ferrugineux  (Wedd.). 
Cortex  Cinchonae  C  ha  h  u  c  rg  ue  r  a  e  Pav.  —  Cascarilla  Chahuerguera  (Pav.),  Loxa 

China  ex  parte,   Cascarilla  amarilla  fina  del  Rey,  la  colorada  flna  del  Rey ,  la  crespilla 

nigra?  (Pav.),  Quinqu.  de  Loxa  gris  lin  negrilla  (Del.  et  Bouch.),   Quinqu.  gris  roulö 

(Del.  et  B  o  n  c  h.),  flache  Guayaquilchina. 

Digitized  by  Google 


46 


CHINARINDEN. 


Cortex  Cinchonae  microp  hyllae  Pav.  —  Cascarilla  crespilla  con  hojas  de  Hoble 

(Pbv.),  Casc.  hojas  de  Zamba  ex  parte  (How.),.Loxa  ex  parte. 
Cortex   Cinchonae  macrocalycis  Fat.   —   Cort.  cinchonae  de  hoja  redonda,  cavae, 

Quina  amarilla  do  Loxa,  Cascarilla  de  Cnenca  (P  a  v.),  Loxarinde  (hanflg),  Qninqn.  Jaen 

iDol.  et  Bouch.).  Ashy  Crown  Bark.   Die  Subspociea  C.  Palton  liefert  die  Palton  Bark 

(Wedd.),  Qninqnina  de  Loxa  janne  fibreux  (Wedd.). 
Cortex  Cinchonae  lucu  maefol  i  a  Pav.   =  Cascarilla  con  hojas  de  Lucuma  (Pav.), 

Quina  parece  do  Calysaya  cortex  es*  (Pav.). 
Cortex  Cinchonae  atupeae  Pac.  =  Cascarilla  estoposa  de  Loxa  (Pav.  ,  Pseudologia 

ex  parte. 

Cortex  Cinchonae  tutete   Pi\   =  CiscarilU  amirilla  de  Inta  (Pav.),   China  flava 

dura  suberosa  (Bertr),  Quinqn.  janne  de  Cuzco  (Dol.  et  Bouch.'. 
Cortex  Cinchonae  Palton  Pav.   =   Caacarilla  con  hojas  de  Palion  ( Pa  v.),  nnter  Loxa 

und  Flava  dura;  Huamalics  ex  parte. 
Cortex  Cinchonae   Pell  e  t  ier  e  a  nac    Wedd.    =    Cort.   cinchon.    viridiflorac  (Pav.), 

Cascarilla  Codiarilla  (Pav.),  blasse  Jaen  (Berg),  gelbe  Cnzko,  Cirua-Carua  (Karsten). 
Cortex  Cinchonae  coc.cineae  Pav.  =  Chin.  rubra  suberosa  (Berg). 
Cortex  Cinchonae  p  ubenc  en  s  Wedd.  =  Cusco  china,  ecorce  d'Arica,  blasse  Jaen  (?). 

Arica  bark  (Wedd.). 
Carter  Cinchonae  Bolirianae  Wedd.  =  China  Calisaya  morada. 
Cortex   Cinchonae   H umbold  t  ia  na  e  Lamb.  Falsche    Loxa-Rinde ,    Jaen  bark 

(Wedd.). 

Cortex  Cinchonae  ellipticae  Wedd.  =  Carabaya  bark  (Wedd.). 

Cortex  Cinchonae  tueujensis  Krst.  =  Maracaibo  bark  (Kr st.). 

Cortex  Cinchonae  ovalifoliae  H.  et  D.  =  Quiuquina  jaune  de  Cuenca  (Wedd). 

Die  falschen  Chinarinden.  Zu  diesen  leitet  die  Cuprea  wegen  ihrer  Herkunft 
und  ihres  anatomischen  Baues  (s.  pag.  14)  hinüber. 

Als  Kennzeichen  derselben  kann  gelten ,  ein  baudartiger ,  zRhfadcnförmigcr, 
langfaseriger  oder  bröckeliger,  körniger  oder  glatter  Bruch.  Scloröiden  walten  vor 
(Remijin).  Die  charakteristischen  Cinehononbastzcllon  fehleu  stets.  Lange  Steroiden 
sind  hftufig  (Nauden),  ebenso  die  Milchschlauche. 

Sie  finden  sich  meist  in  Köhren ,  seltener  in  Platten.  Aussen  sind  sie  meist 
eben,  seltener  rissig,  oft  korkig.  Sie  geben  die  GRAHF.'sche  Reaction  nicht  (der 
bei  dem  Verfahren  entstehende  Theer  ist  gelbbraunlieh). 

Sie  besitzen  jetzt  kaum  noch  Bedeutung.  Am  meisteu  Wichtigkeit  besitzt  die 
erstgenannte. 

I .  Ch  i  n  a  n  o  c  a,  China  nova  s  u  r  i  n  a  m  e  n  si 8  seit  yranateusis,  Quina  roja  (M  u  t  i  j»), 
China  rosea,  China  Saranilla,  China  Valparaiso,  China  rubra  spur,  de  St.  Fe,  China  de 
Caura,  Qninquina  nova  ordinaire,  von  Cascarilla  mayni/alia  Endlicher  n'inchona  oblonytfol  a 
Alutis,  Ladenberyia  tnaynifolia  Kforh.,  Huena  maynifolia  Wedd.,  Cinchona  heterocarpa  K*tJ, 
vorwiegend  wohl  au9  Neu-Granada  (nicht  Surinam).  Der  Baum  (Cascarilla  flor  de  Azahar, 
Paln  de  Roqneson)  ist  über  Pcrn,  Columbia  und  Kcuador  verbreitet.  Die  Blüthen  riechen 
pomeranzenähnlich. 

Die  jetzt  kaum  noch  im  Handel  anzutreffende  harte  Rindo  bildet  dünne  Röhren  von 
8mm  Durchmesser  nnd  I — 2mm  Stärke  oder  dickere  rinnenformige  Stücke  von  3 — 6mm  Starke. 
Die  j  ringet  en  Rinden  sind  (nach  Berg)  aussen  fast  eben,  mit  wenigen  zarten  Längsfurchen 
nnd  zarten  Querrissen.  Ausscnrindo  dünn,  glänzend,  silhorgran,  durch  zarte  Krustenflechten 
bunt,  bei  stärkeren  Rinden  oft  theilweiso  oder  ganz  fehlend.  Mittclrindo  schwarzbraun,  wo 
sie  zu  Tage  tritt,  kastanienbraun ,  bei  stärkeren  Rinden  oft  bis  anf  die  Innenrinde  hin 
gespalten. 

Im  Lupenbilde  zeigt  der  Querschnitt  der  Mittclrinde  abwechselnd  schwarzbraune  und  blass- 
röthlichc,  tangential  verlaufende  Schichten.  Der  Bruch  ist  korkig. 

Die  Innenrinde  ist  auf  der  Ui.tcrfläche  ganz  eben,  glatt,  dunkel  zimmthraun,  im  Querschnitt 
chocoladebraun,  radial  schmutzigweiss  gestreift  und  punktirt.  im  Bruch  erobsplitterig. 

Die  Anatomie  ist  sehr  der  der  Cuprea  ähnlich.  Die  Ausscnrinde  besteht  aus  aussen  farb- 
losen, innen  rothbrannen  Korkzellen.  Die  Mittelrinde  besteht  aus  abwechselnden  tangentialen 
Lagen  rothbranner  und  farbloser  Zellschiebten  ,  in  letzteren  waltet  Starke,  in  ersteren  Färb» 
stolV  vor.  Dio  Mittelrinde  enthält  reichlich  tangential  gestreifte  Brachyscleretden ,  hier  und  da 
auch  «rosse  ovale  Milchschlauche.  Die  Inueuriude  enthalt  stärkeführende  Rindenstrahlen  und 
reichlich  0.3mm  lange,  u  Oomm  breite  Makrosclereiden  in  radialen,  oft  mehrgliederigen  Reihen, 
meist  zn  Bündeln  vereinigt.  Dieselben  sind  dnnn  und  lang  und  besitzen  ein  relativ  weites 
Lumen  und  stumpfe  Enden,  anch  Brachysclereiden  sind  da  und  dort  zn  bemerken.  Im  Siebtheile 
linden  sich  Krystallzellen  und  zahlreiche  gnt  erhaltene  Siehrohren,  besonders  in  dem  inneren 
Theile  der  secundären  Rinde,  der  sehr  arm  an  Sclereiden  zu  sein  pflegt.  Die  Markstrahlcu 
Bind  sehr  breit.  Bisweilen  sind  in  ihnen  eiuzelue  Zellen  sclcrogirt  (Moeller). 

Digitized  by  Google  , 


CHINARINDEN. 


47 


Diene  Rinde  enthält  die  üblichen  Bestandteile  der  Chinarinden,  aber  keine  Alkaloide,  gibt 
also  die  Grahe'sche  Reaction  nicht.  Nach  einigen  Angaben  sollte  sie  Spuren  Alkaloid  ent- 
halten,  was  aber  Hesse  bestreitet.  In  China  nova  wurde  das  Chinovin  entdeckt. 

2.  China  de  Para  von  einer  Ladenbergia  (?)  bildet  (nach  Berg)  Köhren  von  8—  14mm 
Durchmesser  von  umbrabrauner  Farbe.  Die  mir  vorliegende  Probe  zeigt  rinnenfdrmige  Stücke 
?on  3  mm  Dicke,  die  den  echten  rothen  Chinarinden  nicht  unähnlich  sind.  Dieselben  sind 
aussen  mit  flachen,  welligen,  längsverlnufenden  graubraunen  Leisten  besetzt.  Die  Borke  ist 
hart,  im  (kurzen)  Qnerbruch  dnnkelbraun.  Die  Innenrinde  lichtrothbraun ,  im  Bruch  relativ 
langfaserig. 

Sie  soll  Paricin  enthalten. 

3.  China  alba  granatensis,  Quina  blanca  Mutis  von  Ladenbergia  macrocarpa  Kl., 
bildet  (nach  Berg)  flache  6mm  dicke  oder  dickere  Stücke  mit  braunrother,  grösstenteils  ent- 
fernter Borke,  sonst  ist  die  Rinde  bräunlich-weiss.  Die  Innenseitc  ist  eben,  der  Bruch  in  Folge 
zahlreicher  Steinzollengruppen  körnig.  Querschnitt  hell  pnnktirt 

Knthalt  keine  Clüoaalkaloide. 

4.  China  bicolorata  s.  Pitaya  s.  Tecamez,  China  bicolor,  Quinquina  bicolore,  an- 
geblich ans  Onayaquil  von  einer  lAtdenbergia.  Bildet  einfache  oder  mehrfach  zusammengerollte 
Röhren.  Die  mir  vorliegenden  Röhren  sind  im  Durchmesser  üOmm  und  haben  eine  Dicke 
Ton  1.5mm.  Sie  sind  aussen  eben  und  fast  glatt  und  besitzen  nur  äusserst  feine,  kurze 
und  zarte  Längsrunzelchen  und  gar  keine  Quer-  oder  Längsrisse.  Ihre  Farbe  ist  hellsilhergrau 
bis  bräunlich.  Zahlreiche,  in  den  Conturen  oft  recht  zierliche,  stets  scharfbegrenzte  und  grosse, 
rein  rehbraune  Flecken  geben  der  Aussenseite  ein  sehr  charakteristisches  Aussehen. 

Die  Unterseite  ist  gleichmässig  rein  zimmtbraun,  bis  schwarzbraun,  sehr  feinstreiflg,  fast 
eben.  Das  Lupenbild  zeigt  zierlich  radiale,  abwechselnd  dnnkle  und  helle  Streifen. 

Die  Innenrinde  zeigt  schön  nnd  regelmässig  ausgebildete  Rindenstrahlen.  Bastzellen  fehlen. 
Scleröiden  reichlich  ausgebildet. 

Diese  Rinde  soll  das  Alkaloid  Pitayin  enthalten  (Folchi  und  Peretti). 

5.  China  rubra  de  liio  de  Janeir o ,  China  rubra  brasiliens.  (Berg),  Quinquina  de 
Californie ,  China  californica,  von  Ladenbergia  Riedeliana  Kltzsch.  (Cascarilla  Riedeliana 
Wedd.,  C.  Riedeliana  Cas.,  Buena  Riedeliana).  i.ie  mir  vorliegenden  Stücke  sind  rinnenförmige 
Astrinden  von  4  cm  Durchmesser  und  5— 6  mm  Dicke,  äusserlich  (wenigstens  auf  der  Oberseite) 
der  Röhrencalisaya  nicht  unähnlich.  Die  Unterseite  ist  dnnkelzimmtbraun,  längsstreifig.  Die 
starke,  aussen  silbergraue,  innen  rothbranne  Borke  ist  von  vielen  tiefen,  horizontal  oder  schief 
horizontal  verlanfenden  Querrifsen  und  weniger  zahlreichen  Längsrissen  durchzogen  (daher 
gefeldert)  und  mit  tiefen  unregelmässigen  Längsrunzeln  besetzt.  Sie  löst  sich  nicht  ebi>n  schwer 
von  der  Mittelrinde  Mittel-  und  Inn«*nrinde  sind  rothbraun,  im  Brnch  kurzfaserig.  Zahlreiche 
Scleifciden  sind  besonders  in  der  Innenrindc  enthalten.  Bastzellen  fehlen  oder  spärlich,  Milch- 
schläuche deutlich  vorhanden. 

Sie  schmeckt  schwach  bitter,  stark  adstringirend. 

Sie  enthält  Chinovasäure,  Gerbstoff  (Win  kl  er),  aber  keine  Chinaalkaloide. 

Diese  Rinde  kam  nur  einmal  in  den  Handel,  verschwand  dann  aber  bald .  da  man  ihre 
Wert  hlosigkeit  erkannte.  In  der  sehr  reichen  Sammlung  von  Peckolt  in  Rio  de  Janeiro  (auf 
der  sudamerikanischen  Ausstellung  in  Berlin  1886)  f-ind  ich  keine  Probe  davon.  Sie  seheint 
also  verschwunden  zu  sein.  Ebenso 

6.  China  nova  brasiliensiit,  China  de  Rio  de  Janeiro  Goeb.  etKz.,  China  rubra 
spnr.  Dittr.,  China  de  Bahia  nnd  de  Para  rnber,  China  pseudorubra,  Quinquina  nova  colorada, 
von  Buena  hexandra  Pohl  (Ca&carilla  hexandra  Wedd.,  Ladenbergia  hexandra  Klzsch.), 
hoher  Baum  in  Brasilien.  Harte  und  schwere  Röhren  oder  Halbröhren  von  braunrother,  in's 
Brannviolette  ziehender  Farbe,  bis  4  cm  breit  und  bis  8  mm  dick,  aussen  mit  groblängsrunze- 
ligem  oder  stark  zerklüftetem,  in  flachen  Stucken  abspringendem,  graubraunem,  oberflächlich 
gelblichweissem-grauweisslichem  Periderm,  darunter  braunviolett,  die  stärkeren  Stücke  mit 
stark  zerklüfteter,  bisweilen  entfernter  Borke.  Innenfläche  grobstreitig.  Bruch  grobsplittertg. 
Querschnitt  fein  radial  gestreift  (Vogl).   Enthält  etwas  Chinin  nnd  Paricin  (Hosse). 

7.  Ch  ina  caribaea  «.  j amai c e  n  &  i #,  jamaicensische  Fieberrinde  von  Exostemma  cari- 
haeum  Willd.  von  den  caraibischen  Inseln.  Die  mir  vorliegenden  Proh  n  sind  Röhren  oder 
Rinnen  von  circa  18mm  Durchmesser  und  ijmra  Dicke.  Anssen  sind  dieselben  schmntzig  grau- 
weiss,  unregelmässig  flachrnnzlig.  Der  Kork  löst  sich  sehr  leicht  und  vollständig  ab.  Die  (da- 
h«r  oft  hervortreten ile)  Mittelrinde  ist  braunroth. 

Der  Bruch  ist  besonders  in  der  Innenrinde  kurz  und  dicksplitterig.  Sie  ist  reich  an  Sclcrei- 
den  schmeckt  sehr  bitter  und  enthält  Chinovasäure  (Winckler). 

8.  China  St.  Lucia  t:,  China  Piton,  China  montana,  China  martini  censis, 
St  Lucienrinde  von  Exostemma  ßoribundum  Willd.  (Cinrhona  ßoribundum  Sw.f  C.  montana 
Bad)  von  den  Antillen,  kommt  (nach  Berg)  in  Röhren  oder  flachen  Rindenstücken  von  I  — 2  mm 
Dicke  vor.  Die  Aussenrinde  ist  längsrunzlig,  granbraun,  stellenweise  mit  korkigem,  blassbränn- 
lichem  Ueberznge  bedeckt.  Die  Mittelrinde  ist  granbraun,  im  Lnponbilde  tangential  gestreift, 
im  Bruch  eben.  Die  Innenrinde  ist  dunkler,  gefeldert,  auf  der  Unterfläche  glatt,  gestreift, 
mit  parallelen,  etwas  hervortretenden  Fasern.  Bruch  blätterig-splitterig. 


Der  Geschmack  dieser  Rindo  ist  widerig  bitter.  Die  darin  gefundene  Base  Montauin  (von 
Möns)  ist  fraglich. 


48  CHINARINDEN. 

9.  China  rosa  aus  Tucuman,  Paraguatanrinde  von  Condaminea  tinctoria  DC. 
(Cinchona  lacci/era  Par.),  im  nördlichen  Südamerika  (Orinocco),  Chile.  Argentinien.  Sie  ist 
schön  rosenroth  und  schwach  bitter,  aber  frei  von  Chinaalkaloiden  (oder  enthält  doch  nur 
Spuren),  sie  gibt  die  Grahe'sche  Beaction  nicht. 

Ihr  sehr  ähnlich  (oder  damit  identisch)  ist  die 

10.  Ar a  r  ibarinde ,  China  von  Cantagallo  von  Arariba  rubra  Mart.    ?,  welche 
Aribin  enthält.    Anatomisch  ihr  ähnlich  ist  die  Cort.  Chinae  californicae  »pur.  (Yogi). 

U.  China  Lambertiana.  Der  Loxa  äusserlich  ähnlich,  von  Buena  Lambertiana 
Wedd.  fCascarilla  Lambertiana  Wedd.,  Cinchona  Lambertiana  Mart.)  in  Brasilien  (Rio 
negro). 

12.  China  brasiliensis  de  Mi  na  8,  Cort.  Itemijiae,  Casca  della  Quina  de  Bemijo, 
Quina  da  Serra,  von  Jtemijia  Vtlozii  DC.  in  Brasilien  (Minas).  Meist  unansehnliche,  höchstens 
l'/4 — 2mm  dicke  Rindenstücke  von  vorherrschend  rehbrauner  Farbe,  mit  stark  gerunzelter 
Aussenfläche*  (Yogi).  Anhaltend  bitter. 

13.  China  alba  oder  blanca  de  Payta  (nicht  synonym  mit  Quina  blanca  Mutis) 
von  Cascarilla  macrocarpa  Wedd.  Platten  von  3 — 4mm  Dicke,  hellbraun,  oberflächlich 
graulich-weiss,  grobgestreift,  mürbe  faserig  (Vogl,  Flückiger).  Sehr  bitter. 

14.  Cortex  Qomphosiae  chlor anthae,  Cort.  adst  ringen«  novus,  von  Gomphosia 
chlorantha  Wedd.  in  Peru  (Carabaya).  In  gleicher  Hohe  mit  C.  Gilisaya  Wedd.,  daher  der 
Calisaya  bisweilen  beigemengt,  3 — 4  mm  dicke  Rindenstücke  mit  läugsrunzeliger,  querzerklüfteter 
Borke.  Im  Innern  und  auf  der  Innenfläche  zimmtbrann.  Brach  grobsplitterig ,  fast  körnig. 
Querschnitt  grob  radial  gestreift  (Vogl). 

Ferner  sind  als*  falsche  Chinarinden  zu  nennen:  China  Trujillo,  Quinquina  de  Chiquimala, 
Quinqu.  de  Canquin  de  Alt»  Vera  Paz ,  Quina  preta  da  terra  nnd  Quina  do  Matto,  Quina  de 
St.  Paulo  (von  Castrum  Pseudochina) ;  Quina  de  Campos  (von  Strychnos  Pseudochi na  St.  Ml.) , 
Quina  Bennjo,  Quiua  branca,  Quina  de  Caniamu  (von  Ceritinia  illustris  Vtll.),  Quina  do 
carapo  de  Minas  llortia  brasiliensis  Vell.  \  Quina  do  Matto  (auch  von  Exostemma  cnspidatum 
St.  Ml.),  Quina  de  Pernambuco  (von  Coutarea  spteiosa  Aubl.) ,  Quina  do  Piauhy  (von 
Exostemma  cnspidatum) ,  Quina  do  Rio  grande  do  Sul  (von  Dioscorea  febrifuga  Mart.), 
Quina  de  tres  Folhas  brancas  (von  Ticorea  febrifuga  St.  Ml.),  auch  Exostemma  angusti- 
folia  Roem.  >:t  Schult. ,  sowie  andere  Sauclea-  und  Cascarilla- Arten  liefern  sogenannte 
falsche  Chinarinden.  Ueberhaupt  sei  an  dieser  Stelle  bemerkt,  dass  man  bittere  Rinden 
in  Südamerika  mit  dem  Namen  „Quina"  schmückt,  auch  wenn  sie  mit  Cinchonen  nichts  zu 
thun  haben. 

Handelsbedeutung  besitzt  zur  Zeit  keine  von  alleu. 

Vogl  gibt  folgende  Bestirnmnnjrstabelle  der  falschen  Chinarinden : 

I.  In  den  Baststrahlen  meist  stabförmige  oder  spulenfurmige  dünne  oder  mitteldicke  (0.015 
bis  0.96  mm)  Bastfasern,  und  zwar  am  Querschnitte : 

A.  In  zum  Theil  ununterbrochenen  und  seitlich  zusammenhängenden  radialen  Reihen. 
Buena-Rinden. 

a)  In  der  Mittelrinde  weite  Milchsaftgefässe 
a)  Mittelrindo  mit  reichlichen  Meinzellen. 

Cortex  Buenae.  magnifoliae. 

Cortex  Buenae  Lumbertianae. 

Cortex  Buenae  undatae. 
»  Mittellinde  ohne  Steinzellcn. 

Cvrttx  Buenae  hexandrae. 

Cortex  Buenae  Riedelianae. 
bj  Milchsaftgefässe  fehlend. 

China  bicolorata. 

B.  Meist  in  mehrfachen  ununterbrochenen  radialen  und  zugleich  tangentialen  Reihen,  von 
weiten,  nicht  stark  verdickten  Steinzellen  begleitet.  Bastfasergruppen  zonenartig  mit 
schmalen  Pigmentschichten  wechselnd.  Nauclea-Rinden. 

Cortex  Xuudeae  Cimhonae. 

C.  In  tangential  gestreckten  dichten  Gruppen  in  reichlichem  dünnwandigem  Gewebe,  voll- 
kommen verdickt  mit  punktförmigen  Lumen.  Exostemma- Rinden. 

China  St.  Lucia  f.. 
<  h ina  angnstifol ia. 
China  firrugima. 

D.  Vorwiegend  in  lockeren,  radial  geordneten  Reihen  oder  Strängen;  meist  mit  weitem 
Lnmeu.  Remijia-Rinden. 

China  brasiliensis  de  Minus. 

II.  In  den  Baststrahlen  am  Querschnitte  zerstreute,  vereinzelte  oder  in  kleinen  Gruppen 
aggregirtc,  von  Krystallf';isern  dicht  umsponnene,  dicke  C.i.06  bis  0.»  >8  mm),  meist  spindel- 
förmige Bastfasern. 

China  (diu  de  Payta. 

Digitized  by  Google 


CHINARINDEN.  —  CHINA  ROTH. 


49 


III.  In  den  Bastfasern  sehr  grosse  (O.Od  bis  0.6  tnm  Durchmesser)  steinzellenartige  Bastzellen 
und  polymorphe  Sklerencbymzellen ,  am  Querschnitte  vereinzelt  oder  in  kleinen  Gruppen. 

China  de  Contagallo. 
China  californica  spuria. 
China  de  Trujillo. 

IV.  In  den  Baststrahlen  am  Querschnitte  vorwiegend  qnerelliptischo  Strange  aus  grossen  poly- 
morphen Steinzellen  und  Bastzellen. 

Cortex  (romphosiae  chloranthae. 

Literatur:  De  la  Condamine,  Sur  l'arbre  de  quinquina  Mem.  d.  l'ac.  roy.  d.  sc.  Paris 
1738.  —  Weddell,  Histoire  natur.  des  Quinquinas  etc.  Paris  1849.  (Deutsch:  W/s  Natur- 
geschichte der  Chinabäume.  Wien  1865.)  —  Weddell,  Notes  sur  les  Quinquinas.  Ann. 
wt.  nat.  5.5,  XI  und  XII.  (Deutsch  von  Flückiger,  Uebersicht  der  Cinchonen  von  Weddell, 
1871.)  —  Howard,  Illustration»  of  the  Nueva  Quinologia  of  Pavon.  London  1862.  (Deutsch: 
Die  Nueva  Quinologia  von  Pavon.  London  1862.)  —  Howard,  Quinology  of  the  East  India 
Plantations.  London  1869  und  1876).  —  Markhain,  The  Cinchona  species  of  New  Granada. 
London  1867.  —  Triana,  Nouvelles  etudes  sur  les  Quinquinas.  Paris  1870.  —  Karsten, 
Florae  Columblae  terrarumque  adjacentinm  speeimina  selecta.  Berlin  1858—1869.  —  Kuntze, 
Cinchona,  Arten,  üybriden  und  Cultur  der  Chinabäume.  Leipzig  1878.  —  Howard,  Exami- 
nation  of  Pavons  Collection  of  Peruvian  Barks  contained  in  the  British  Museum.  London  185H. 

—  Klotzsch,  Die  Abstammung  der  im  Handel  vorkommenden  rothen  Chinarinde.  Abhandl. 
d.  Berlin.  Akad.  1857.  —  Delondre  et  Bouchardat,  Quinologie.  Paris  1854.  —  Pboebus, 
Die  Delondre-Bouchardat'schen  Chinarinden.  Giessen  1864.  —  Karsten,  Die  medi- 
cinischen  Chinarinden  Neugranadas.  Berlin  1858.  —  Berg,  Die  Chinarinden  der  pharmako- 
kinetischen Sammlung  zu  Berlin  1865.  —  Vogl,  Die  Chinarinden  des  Wiener  Grosshandels 
und  der  Wiener  Sammlungeu.  Wien  1867,  und  Commentar  zur  Österreich.  Pharmakop.  — 
Bergen,  Versuch  einer  Monographie  der  China.  Hainburg  1826.  —  Moeller,  Anatomie  der 
Baumrinden.  —  Flückiger,  Pharmakognosie  des  Pflanzenreiches,  I.  und  II.  Aufl.  und  die 
Chinarinden  in  pharmakognostischer  Hinsicht  dargestellt.  Berlin  1883.  —  Berg,  Pharma- 
kognosie. —  Bidie,  Cinchona  culturc  in  British  India  etc.  Madras  1879.  —  Gorkom,  Die 
China-Cnltur  auf  Java.  Leipzig  1869.  —  King,  Manual  of  Cinchona  cultivation  in  India. 
Calcutta  187ti.  —  Lambert,  A  description  of  the  Genus  Cinchona  etc.  London  1797.  — 
Lambert,  An  illustration  of  the  Genus  Cinchona.  London  1821.  —  Lanbert,  Recherche» 
botaniques,  chimiques  et  pharmaceutiques  sur  le  Quinquina.  Journ.  de  med.  1816.  —  Mac 
Ivor,  Notes  on  the  propagatiou  and  cultivation  of  the  medical  cinchona»  etc.  Madras  188". 

—  Markham,  Zwei  Reisen  in  Peru,  deutsch  Leipzig  1865.  —  Markham,  Peruvianbark. 
London  1880.  —  von  Martins,  Die  Fieberrinde,  der  Chinabaum,  sein  Vorkommen  und 
seine  Cultur.  Rep.  d.  Pharm.  1863.  —  Owen.  Cinchona  Planters  Manual.  Ceylon  1881.  — 
Planchen,  Des  Quinquinas.  Paris  1864.  —  Ruiz,  Quinologia.  Madrid  1794.  —  Ruiz. 
Snplemento  ä  la  Quinologia.  Madrid  18J1.  —  Soubeiran  et  Delondre,  De  l'introduction 
et  de  l'acclimation  des  Cinchonas.  Paris  1868.  —  Vogl,  Beitrage  zur  Kenntnias  der  soge- 
nannten falschen  Chinarinden.  Festschr.  d.  zoolog.  botan.  Ges.  Wien  1876.  —  Planchon, 
Notes  sur  les  ecorces  de  Remijia.  Jonrn.  d.  Pharm,  et  Chim.  1882.  —  Bentley  and  Trimen, 
Medicinal  Plauts.  1880-  —  Flückiger  and  Hanbury,  Pharmacographia.  —  Flückiger, 
Cnprea.  Vorwerk's  Neues  Jahrb.  für  Pharmacie.  1871.  —  Moens,  De  Kinacultuur  in 
Azie  1854.  t  m.  1882.  Batavia  1883.  Weitere  Literatur  in  Flückiger,  Die  Chinarinden ; 
über  die  HnndeJsbewegutig  siehe  auch  Gehe's  Handelsberichte  und  die  Berichte  der  englischen 
nnd  holländischen  Regierung.  —  Fee,  Essai  sur  les  cryptog.  d'ecorc.  exotiqu.  offle.  Paris  1834. 

Pelletier  und  Caventou,  Annal.  chim.  pbys.  15,  p.  315.  —  Reichardt,  Chemische 
IJfct  mdtbeile  der  Chinarinden.  Braunschweig  1855.  —  Reichel,  Chinarinden  und  deren 
Bextandtheile.  Leipzig  1856.  —  Vrij.  Kinologische  Studien  in  Haaxman's  Tijdschrift  voor 
Pharmacie  in  Nederland  seit  1866,  ebenda  Moens,  Cultur  der  Chinacalisaya  Ledgeriana  in  Java 
(1877),  Stoeder,  Analysen  bolivianischer  Rinden  (1878).  —  Trouette,  Chinarinden  von 
Rennten.  Jonrn.  de  Pharm,  et  Chim.  1880.  —  Zahlreiche  Aufsätze  (von  Paul,  Howard,  de 
Vrij,  Wood,  Hooper,  Broughton)  in  Pharm.  Journ.  and  Transact.  von  1860  an  — 
Grahe,  Chem.  Centralhl.  1858.  —  R.  Schwarz,  Ann.  de  Chem.  80.  —  Stadelin  und  Hof- 
stetten Ann.  de  Chem.  51.  —  Reichel,  Arch.  Pharm.  92.  —  Hlasiwetz,  Ann.  de  Chem. 
143.  —  Jobst,  Ber.  d.  chem.  Ges.  6.  —  Winckler,  Rep.  Pharm.  91.  —  Petroz  u. 
Robinet,  Jonrn.  pharm.  7.  —  Carle s,  Journ.  de  Chim.  et  Pharm.  77  B.  Zahlreiche 
Aufsätze  von  Hesse  besonders  in  den  Ber.  d.  chem  Ges.  u.  den  Annalen  der  Chemie.  Vergl. 
auch  dessen  Artikel  Chinarinden  in  Fehling'*  Handwörterbuch  der  Chemie.  —  Die  chemische 
Literatur  bis  1883  sehr  vollständig  in  Hnsemann-Hilger,  Pflanzenstoffe.  Karten  der 
Verbreitung  der  Cinchonen  bei  Delondre  et  Bouchardat,  Weddell  u.  A.  —  Die  Javanischen 
Cnltnren  veranschaulicht  eine  Karte  bei  Moens  (s.  oben).  Auch  RÖssig  entwarf  ein  kleine» 
brauchbares  Kärtchen  (Halle,  Schwarz).  Tschirch. 

Chinaroth.  C29  H33  0|<.  Bildet  sich  beim  Kochen  von  Chinagerbsäure  mit  ver- 
dünnter Salzsaure.  Es  ist  in  allen  Chinarinden,  ain  reichlichsten  in  dea  rothen,  ent- 
halten und  entsteht  in  diesen  jedenfalls  durch  Zersetzung  der  Chinagerbsilure,  wie 

K«al-Kncyolopttdie  der  ges.  Pharmacie.  III.  4 


50 


CH1NAROTH.  —  CHINASÄURE. 


sich  denn   auch  hei  der  Darstellung  der  Chinagerbsäure   (vergl.   Bd.  II, 
pag.  698)  immer  neue  Mengen  Chinaroth  bilden. 

Zur  Darstellung  des  Chinaroths  erschöpft  man  die  Kinde  mit  verdünntem 
wäfißerigem  Ammoniak ,  fallt  den  Auszug  mit  II  Cl  und  erhitzt  den  aus  Chinovin 
und  Chinaroth  bestehenden  flockigen  Niederschlag  nach  erfolgtem  Waschen  mit 
Kalkmilch  zum  Kochen.  Es  bleibt  dann  eine  Verbindung  von  Chinaroth  mit  Kalk 
im  Rückstände,  den  mau  mit  kochendem  Wasser  wäscht  und  mit  verdünnter  Salz- 
säure zersetzt.  Das  ausgeschiedene  Chinaroth  wird  durch  wiederholtes  Fiukrystalli- 
sireu  aus  Alkohol  gereinigt.  Es  bildet  ein  amorphes,  rothbraunes,  geruch-  und 
geschmackloses,  nicht  schmelzbares  Pulver,  wenig  löslich  in  kochendem  Wasser, 
leicht  in  Alkohol,  Aether,  wässerigen  Alkalien  und  Ammoniak,  sowie  in  concentrirter 
Essigsflure.  Beim  Schmelzen  mit  Kali  gibt  sie  Essigsäure  und  Protoeatechu- 
Säure.  Ganswindt. 

Chinasäure.  C7  II12  0„.  Die  Chinasäure  gehört  zu  denjenigen  Bestandteilen 
der  Chinarinden ,  welche  bei  der  Verarbeitung  der  letzteren  auf  Chinin  gemeinhin 
ganz  ausser  Acht  gelassen  werden,  trotzdem  ihre  Darstellung  als  Nebenproduct  eine 
durchaus  mühe-  und  kostenlose  sein  würde.  Sie  findet  sich  in  den  echten  China- 
rinden zu  5 — 8  Procent,  zum  geringsten  Theil  an  organische  Basen,  in  der  Haupt- 
sache an  Kalk  gebunden,  auch  in  der  China  noin  &h  rinn  mm  »in  findet  sie  sieb ; 
ferner  ist  sie  nachgewiesen  worden  im  Heidelbeerkraut .  in  den  Kaffeebohnen ,  im 
Wiesenheu  und  im  Kraut  von  Galiura  Molhigo.  Wahrscheinlich  findet  sie 
sich  auch  noch  in  manchen  anderen  Pflanzen ,  mindestens  in  denjenigen ,  die 
bei  der  Destillation  mit  Braunstein  und  Schwefelsäure  Chinon  oder  Hydrochinon 
geben.  Da  die  Chinasäure  selbst,  wie  ihre  Salze,  in  Wasser  leicht  löslich  ist, 
so  ist  ihre  G  e  w  i  n  n  u  n  g  verhältnissmässig  einfach.  Man  zieht  zerkleinerte  China- 
rinde 2 — 3  Tage  mit  kaltem  Wasser  aus .  fällt  aus  der  Flüssigkeit  mit  über- 
schüssigem Kalk  Färb-  und  Kxtraetivst'>fTe.  filtrirt  und  dampft  das  Filtrat  zur  Syrup- 
eonsistenz  ein. 

Man  erhält  so  die  gesammte  Chinasäure  als  Kalksalz,  welches  man  umkrystalli- 
sirt  und  entweder  durch  Oxalsäure  oder  durch  Schwefelsäure  in  Gegenwart  von 
Alkohol  zerlegt. 

Auch  aus  dem  Heidelbeerkraut  hlsst  sie  sich  gewinnen:  man  kocht  das  frische 
Kraut  von  Vaccinium  Myrtillu*  mit  Kalk  und  Wasser  aus,  lässt  erkalten,  filtrirt, 
dampft  das  Filtrat  ein  und  fällt  das  Calciumchinat  mit  Alkohol.  Die  wässerige  Lösung 
desselben  wird  mit  Bleiacetat  von  Farbstoffen  und  Unreinigkeiten ,  mit  H,  S  vom 
überschüssigen  Blei  befreit  und  schliesslich,  wie  oben,  mit  Oxalsäure  oder  Schwefel- 
säure zerlegt.  Die  rationellste  Gewinnung  der  Chinasäure  ist  wohl  die  als  Neben- 
product bei  der  Chininfabrikation.  Man  braucht  dann  nur  den  mit  verdünnter 
Schwefelsäure  bereiteten  Chinarindenauszug,  nachdem  man  die  Alkaloide  mit  über- 
schüssiger Kalkmilch  ausgefällt  hat ,  zur  dünnen  Syrupsconsistenz  abzudampfen ; 
dann  krystallisirt  zunächst  der  Gyps  aus.  Dampft  man  nun  die  klar  abgegossene 
Flüssigkeit  zum  Extract  ein,  kocht  dieses  wiederholt  mit  Alkohol  aus  und  löst  den 
Rückstand  in  wenig  Wasser,  so  erstarrt  das  Ganze  in  2—3  Tagen  zu  einem 
Krystallbrei  von  chinasanrem  Kalk,  den  man.  wie  oben,  nach  vorherigem  Auspressen 
und  Umkrystallisiren  zerlegt. 

Die  Chinasäure  bildet  grosse ,  farblose,  durchsichtige ,  der  Weinsäure  ähnliche, 
monokline  Säulen,  von  einem  spec.  Gew.  1.637.  Schmelzpunkt  161°.  Sie  ist  an 
der  Luft  unveränderlich,  löst  sich  leicht  in  2.5  Th.  kaltem,  viel  leichter  in  warmem 
Wasser ;  schwer  in  Alkohol  und  fast  gar  nicht  in  Aether.  Die  wässerige  Lösung 
ist  linksdrehend  und  schmeckt  stark  und  rein  sauer.  Bei  der  trockenen  Destillation 
liefert  sie  als  Hauptproduct  Hydrochinon :  beim  Kochen  mit  Wasser  und  Pb  03 
entsteht  nur  Hydrochinon, 

C7  H,,  0,  +  0  =  C„  IL,  0a  +  C  02  +  3  IL  0, 
Chinasäure  Hydrochinon 

Digitized  by  Google 


CHINASÄURE.  —  CHINIDIN.  51 

I 

beim  Destilliren  mit  Braunstein  und  verdünnter  Schwefelsäure  dagegen  Chi  nun. 
Die  chinasauren  Salze  gebeu  bei  der  trockenen  Destillation  hauptsächlich  Chinon 
(neben  Ameisensäure) : 

C?  Hn  O0  +  0  =  C,  Ht  Os  +  CH2  02  +  3  Ha  0. 
Chinasäure  Chinon  Ameisensäure 

Wird  Chinasäure  rasch  an  der  Luft  erhitzt,  so  verbrennt  sie  mit  Flamme  und 
mit  dem  Geruch  der  verbrennenden  Weinsäure.  Beim  langsamen  Erhitzen  verliert 
sie  ein  Mo].  Hs  0  und  geht  in  Chinid,  C7  H,0  06 ,  (Iber,  eine  glasartige  zähe 
Masse,  die  sich  lejcht  in  Wasser  löst  und  bei  langsamem  Verdunsten  der  wein- 
geistigen Lösung  in  salmiakähnlichen  Krystallen  erhalten  werden  kann. 

In  ihren  physikalischen  Eigenschaften  (Krvstallforni,  Löslichkeit,  Lichtbrechung) 
steht  sie  der  Weinsäure  sehr  nahe.  In  chemischer  Hinsicht  sind  keine  Verwandt- 
schaften vorhanden,  obgleich  man  die  Chinasäure  als  eine  Weinsäure  betrachten 
kann,  in  welcher  3  H-Atorae  dnrch  3  Methylgruppen  ersetzt  sind,  also  als  Trimethyl- 
weinsäure. 

Da  jedoch  bei  allen  glatt  verlaufenden  Reactionen  Benzolderivate  entstehen,  so 
muss  die  Chinasäure  zu  den  Additionsproducten  der  aromatischen  Reihe  gerechnet 
werden.  Die  jetzt  ziemlich  allgemein  angenommene  Structur  derselben  wurde  auf 
Hexahy  drotetraoxybenzoßsäure  lauten,  was  indessen  nur  durch  sehr  ge- 
waltsame Anwendung  der  Substitutionstheorien  sich  erklären  lässt.  Ganswindt. 

Chinasilber,   eine  der  Alfenide  sehr  ähuliche  oder  fast  gleiche  versilberte 
Legirung;  s.  auch  Neusilber. 

Chinawein,  s.  vinum  China  e. 

Chinese  Medicine  ist  eine  Einreibung,   bestehend   aus  Lavendelspiritus, 
Kampferspiritus,  Salmiakgeist  und  Sassafrasöl. 

ChinesiSCh-BlaU,  Fayence-Blau,  Porzellan-Blau,  wird  in  der  Zeugdruckerei 
angewendet,  um  iudigblaue  Muster  auf  weissem  Grund  hervorzurufen. 

ChinesiSCh-GrÜn.  Ein  vegetabilischer  Farbstoff  aus  Ehamniis  cldotophorus 
und  Ithamnus  utilts ;  führt  auch  den  Namen  Lokao. 

Chinesische  Gallen,  s.  Rhus-Gaiien. 

Chinesisches  Haarfärbemittel  von  Rothe  &  Co.  ist  (nach  Hager)  eine 
Lösung  von  8ilbernitrat  und  Pyrogallussäure  in  Salmiakgeist  und  Wasser.  — 
Chinas.  Haarliquor  von  R.  Hofkmann  ist  (nach  Industrie-Bl.)  eine  ammoniakalische 
Silbernitratlösung.  Die  zugleich  mit  verabfolgte  „Contra-Tinctnr"  zur  Beseitigung 
der  Silberflecke  ist  eine  Kalinmjodidlösung. 

Chinetum,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  •  > 7 1 . 

Chinhydron  (grünes  Hydrochinc  >n),  CI3H,0O,.  Ein  intermediäres  Product 
zwischen  Chinon  und  Hydrocbinon  (vergl.  Chinon).  Es  bildet  sich  beim  Vermischen 
der  wässerigen  Lösungen  von  Chinon  und  Hydrochinon,  sowie  auch  durch  partielle 
Reduction  von  Chinon  oder  vorsichtige  Oxydation  von  Hydrochinon.  —  Lange, 
metallglänzcnde  grüne,  im  durchfallenden  Lichte  rothbraun  erscheinende  Prismen, 
welche  schon  beim  Kochen  mit  Wasser  wieder  in  Chinon  und  Hydrochinon  zer- 
fallen. Wenig  löslieh  in  kaltem  Wasser,  leichter  in  heissem,  leicht  in  Alkohol  und 
Aether,  sehr  schwer  in  Chloroform,  unlöslich  in  Benzol :  in  Ammoniak  mit  grüner 
Farbe  löslich.  Reductionsmittel  führen  es  in  Hydrochinon,  Oxydationsmittel  in 
Chinon  über.  Gauswin.lt. 

ChiniCin,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  674. 

Chinid.  Ein  Zersetzungsproduct  der  Chinasäure  fa.  d.l 

Chinidin,  seine  Verbindungen  und  Derivate .  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II, 
pag.  685. 

4*Digitized  by -Google  ( 


52  CHIN1D1NÜM  SDLFURICüM.  —  CHININ  AUSSCHLAG. 

Chillidinum  8UlfuriCUm  (Ph.  Austr.  u.a.),  Conchmnum  sulfuncum,  Chini- 
din sulfat.  Schwefelsaure»  Chinidin;  schwefelsaures  Conchiuin. 
Feine,  weisse,  glänzende,  nadeiförmige  Krystalle  von  bitterem  Geschmackc,  ohne 
Geruch,  luftbeständig.  Sie  verkohlen  beim  Erhitzen  und  verbrennen  beim  Glühen 
ohne  Röckstand.  Sie  lösen  sich  mit  neutraler  Reaction  in  etwa  100  Tb.  kaltem,  in 
7  Th.  siedendem  Wasser ,  in  8  Th.  Weingeist ,  in  20  Th.  Chloroform ,  kaum  in 
Aether.  Angesäuertes  Wasser  nimmt  sie  leicht  auf.  Die  Lösungen  drehen  das 
polarisirte  Licht  nach  rechts.  —  Identitätsreactionen:  Bei  Zusatz  einer 
etwas  kleineren  Menge  verdünnter  Schwofelsäure  löst  sich  das  Salz  in  Wasser 
leicht  auf  zu  einer  blauschillernden  Flüssigkeit,  welche,  mit  Chlorwasser  und  darauf 
mit  Ammoniak  versetzt,  eine  smaragdgrüne  Färbung  annimmt.  Die  rein  wässerige 
Lösung  (1 : 100)  des  Salzes  scheidet  auf  Zusatz  einer  nicht  zu  verdünnten  Jod- 
kaliumlösung einen  weissen,  körnigen  Niederschlag  ab  (Unterschied  von  dem  sehr 
ähnlichen  Chininsulfat),  wird  aber  durch  Natriumkaliuratartrat  nicht  getrübt  (Unter- 
schied vom  Cinchonidinsulfat).  Baryumnitrat  ruft  in  ihr  einen  weissen ,  in  ver- 
dünnter Salpetersäure  unlöslichen  Niederschlag  hervor.  —  Zusammensetzung: 
(C20  Ha4  Ns  Oa)a  Ha  8 Oi  +  2  H2  0  (4.6  Procent Krystallwasser).  —  Darstellung: 
In  gewissen  Chinasorten,  zumal  der  Pitayo- China  (von  der  in  Columbia  wachsenden 
Cinchona  Pitayensis) ,  findet  sich  das  Chinidin  und  bleibt  nach  Ausscheidung  des 
Chininsulfalts  in  der  Mutterlauge.  Daher  ist  es  auch  ein  gewöhnlicher  Bestandtheil 
des  Chinoidins,  aus  welchem  es  vielfach  dargestellt  wird.  Man  scheidet  es  durch 
Seignctte8alz  vom  Cinchonidin ,  da  letzteres  hierdurch  als  schwerlösliches  Tartrat 
ausfällt,  das  Chinidin  aber  in  Lösung  bleibt.  Durch  Ammoniak  wird  es  aus  der- 
selben ausgeschieden,  dann  mit  verdünnter  Schwefelsäure  ueutralisirt  und  als  Sulfat 
aus  heiBsem  Wasser  auskrystallisirt.  —  Prüfung:  Conccntrirte  Schwefelsäure 
löse  das  Salz  farblos  oder  nur  mit  schwachgelblicher  Färbung  auf  (Röthung :  Salicin, 
Bräunung  oder  Schwärzung:  fremde  organische  Materien);  diese  Lösung  darf  auf 
Zusatz  einiger  Tropfen  Salpetersäure  nicht  verändert  werden  (Röthung:  Morphin). 
Wird  0.5  g  des  Salzes  mit  0.5  g  Jodkalium  und  10  ccin  Wasser  bis  gegen  60° 
erhitzt  und  bis  zum  völligen  Erkalten  eine  halbe  Stunde  bei  Seite  gestellt,  so 
darf  das  Filtrat  durch  wenige  Tropfen  Ammoniak  keine  oder  nur  eine  schwach 
opalisirende  Trübung  erleiden  (Trübung  verräth  Cinchonidin,  Cinchonin  oder  Chinin). 
Wird  die  mit  etwas  verdünnter  Schwefelsäure  bewirkte  wässerige  Lösung  (1 : 20) 
mit  Ammoniak  schwach  alkalisch  gemacht  und  mit  dem  gleichen  Volum  Aether 
geschüttelt,  so  muss  die  Mischung  sich  in  zwei  klare  Schichten  trennen  (bleibt 
hierbei  ein  Theil  des  Alkaloids  vom  Aether  ungelöst,  so  ist  Cinchonin  oder  eine 
grössere  Menge  Cinchonidin  zugegen).  —  Aufbewahrung:  In  verschlossenen 
Glasgefässen.  Das  Salz  verwittert  an  der  Luft  nicht.  —  Gebrauch:  Sowohl 
gegen  Fieber,  wie  gegen  typische  Leiden;  dem  Chinin  ziemlich  gleichwerthig 
gefunden,  wurde  es  gleich  dem  Chininsulfat  in  Gebrauch  gezogen.  Schliekum. 

Chinin,  seine  Verbindungen  und  Derivate,   s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II, 
pag.  671. 

ChininaUSSChlag.  In  eigeuthünilicher  Weise  wird  die  Haut  mancher  Indivi- 
duen bei  dem  Gebrauche  selbst  kleiner  Chinindoseu  angegriffen.  Von  Arbeitern 
in  Chininfabriken  ist  es  bekannt,  dass  sie  in  Folge  der  Berührung  mit  Chinin 
einer  Hautaffection  unterworfen  sind ,  welche  sich  als  Knötchen-,  Bläschen ,  resp. 
Pustelbildung  an  verschiedenen  Körpertheilen,  namentlich  an  den  Händen  und  den 
oberen  und  unteren  Extremitäten  darstellt.  Bei  gewissen,  besonders  hierzu  prä- 
disponirten  Menschen,  welche  Chinin  zu  Heilzwecken  nehmen,  treten  in  seltenen 
Fällen  Blutflecken  an  dem  gauzeu  Körper  auf.  Bei  anderen  erscheinen  ver- 
einzelte rothe  Flecke  am  Rumpfe  oder  den  Extremitäten.  Am  häufigsten  zeigt 
sich  ein  scharlachartiger  Ausschlag,  der  mit  Jucken  einhergeht  und 
unter  Abschilferung  verschwindet  ,  sowie  Mischformen  aus  dem  scharlachartigen 
und  einem  bläschenförmigen  Ausschlag.  Begleitet  können  diese  zufälligen, 

Digitized  by  Google 


CII I NINAUSSCHL  AG.  — 


CHtNINUM. 


53 


bisweilen  juckenden  Hautveränderungen  sein  von  Kopfschmerzen,  Schüttelfrost, 
Uebelkeit  und  Erbrechen. 

Diese  wie  alle  sonstigen  „Arzneiausschlage"  (s.  Bd.  I,  pag.  626)  hören  auf, 
wenn  der  Gebrauch  des  Mediearoents  ausgesetzt  wird  und  hinterlassen  keine 
Nachwirkungen.  Bisweilen  sind  dieselben  mit  anderen  Nebenwirkungen  des  Chinin 
vergesellschaftet.  Solche  sind:  Störungen  in  den  Sinnes\^erkzeugen ,  wie  Seh- 
nnd  Gehörsstörungen.  Unter  ungünstigen  Umständen  kann  sogar  dauernde 
Benachtheilung  des  Seh-,  resp.  Hörvermögens  dadurch  zu  Stande  kommen. 
Vereinzelt  ist  auch  in  Folge  von  Chiningebrauch  Blutspeieu,  sowie  Heizung  der 
Harnwege  beobachtet  worden. 

DaB  Chinin  und  seine  Verbindungen  sind,  wenngleich  die  besprochenen  Neben- 
wirkungen sich  auch  nicht  bei  allen  Menschen  zeigen,  doch  als  ein  Gift  anzusehen. 
Hinsichtlich  des  Verkaufs  und  des  Gebrauchs  desselben  müssen  deshalb  auch  die 
Voreichtsmassregeln  innegehalten  werden,  die  bei  anderen  stark  wirkenden  Stoffen 
in  dieser  Beziehung  in  Frage  kommen.  Lew  in. 

Chininblume,  Quinine-flower,  volksth.  Bez.  für  das  Kraut  von  Gent  in  na 
quinquefolia  L.  und  anderer  Gentianeen,  welche  in  Amerika  als  Fiebermittel 
verwendet  werden. 

Chinin$äure,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  673. 

Chininum  (Ph.  Austr.,  Germ.  I.  u.  a. ),  Chinin.  Ein  weisses  amorphes  oder 
mikrokristallinisches  Pulver ,  luftbeständig .  von  stark  bitterem  Geschmack ,  ohne 
Geruch;  beim  Erhitzen  verkohlt  es  und  verbrennt  iu  der  Glühhitze  langsam,  aber 
ohne  Rückstand.  Eb  verliert  im  Wasserbade  zwei  Drittel  seines  Wassergehaltes 
(9.5  Procent),  den  Rest  bei  125°.  Es  löst  sich  mit  alkalischer  Reaction  in  1600  Th. 
kaltem,  leichter  in  siedendem  Wasser ,  in  6  Th.  Weingeist ,  leicht  in  Aethcr  und 
in  Chloroform.  Angesäuertes  Wasser  nimmt  es  leicht  auf ;  diese  Lösungen  drehen 
das  polarisirte  Licht  nach  links.  —  Identität sreactionen:  Die  mittelst  ver- 
dünnter Schwefelsäure  bewirkte  Lösung  schillert  bläulich,  zumal  bei  starker  Ver- 
dünnung: mit  Chlorwasser,  darauf  mit  überschüssigem  Ammoniak  versetzt,  färbt 
sie    sich    smaragdgrün.    —    Zusammensetzung:    Im  amorphen  Zustande 

fC.0  H8t  Ns  0,),  krystallisirt  =  (C,0  Ha<  N2  0a)  4-  3  H2  O. 

Darstellung:  Eine  mittelst  der  ausreichenden  Menge  (2/s  Th.)  verdünnter 
Schwefelsäure  bewirkte,  nicht  zu  verdünnte  wässerige  Lösung  von  Chiniusulfat 
(1  :  50)  wird  mit  Ammoniak  oder  Natronlauge  (Kalilauge)  bis  zur  vollständigen 
Ausfällung  und  alkalischen  Reaction  versetzt,  der  Niederschlag  ausgewaschen  und 
ohne  Auwendung  von  Wärme  getrocknet.  Das  anfangs  amorph  ausgeschiedene 
Chinin  nimmt  allmälig  unter  Wasseraufnahme  Krystallform  an,  ein  Vorgang,  der 
bald  nach  der  Fällung  beginnt.  Ph.  Gall.  verwendet  einen  grossen  Ueberschuss 
von  Ammoniak  (2.4  Th.),  um  durch  theilweise  Lösung  des  Niederschlages  während 
eines  eintägigen  Stehenlassens  die  Ueberführung  desselben  in  den  krystalünischen 
Zustand  zu  befördern.  —  Prüfung:  Iu  concentrirter  Schwefelsäure  rauss  sich 
das  Chinin  ohne  Färbung  oder  nur  blass  gelblich  auflösen  (Höthuug :  Salicin, 
Bräunung  oder  Schwärzung:  Zucker  und  andere  organische  Materien);  einige 
Tropfen  Salpetersäure  dürfen  diese  Lösung  nicht  färben  (Röthung :  Morphin).  Mit 
Kalkmilch  erwärmt  darf  das  Chinin  keinen  Geruch  nach  Ammoniak  entwickeln. 
In  verdünnter  Schwefelsäure  gelöst  und  mit  überschüssigem  Ammoniak  ausgefällt, 
soll  es  bei  sofortigem  Znsatze  von  Aether  darin  gelöst  werden,  so  dass  die 
Mischuug  sich  in  zwei  klare  Schichten  trennt  (bleibende  Trübung  verräth  Neben- 
alkaloide  der  Chinarinde,  zumal  Cinchonin  und  Cinchonidin,  sowie  grössere  Bei- 
mengung von  Chinidin).  Genauer  wird  diese  Prüfung  in  folgender  Weise  vorge- 
nommen (nach  Ph.  Un.  St.) :  1  g  Chinin  wird  mit  0.5  g  Ammoniumsulfat  und  5  cem 
Wasser  im  Mörser  verrieben,  im  Wasserbade  völlig  eingetrocknet  und  mit  10  ecm 
Wasser  1;a  Stunde  bei  15°  macerirt,  darauf  müssen  5  cem  des  Filtrats,  mit  7  cem 
Ammoniak  gemischt,   eine  klare  Flüssigkeit  geben   (Trübung  verräth  Cinchonin, 

Digitized  by  Google 


54 


CH1XINUM.  —  CHININUM  BISULFURICUM. 


sowie  mehr  als  1  Procent  Cinchonidin  und  Chinidin).  —  Gebrauch:  Zur  Dar- 
stellung mancher  Chininsalze ;  wegen  seiner  Unlöslichkeit  eignet  es  sich  kaum  zur 
directen  mediciniscben  Anwendung.  Schlickam. 

ChiniflUm  biSUlfuriCUm  (Ph.  omnes),  Chininum  mlßiricumneutrum,  Chininum 
sttlfurieum  ad  dum.  Chininbisulfat.  Saures  schwefelsaures  Chinin. 
Weisse,  glänzende  gerade  rhombische  Prismen,  an  der  Luft  verwitternd,  von  stark 
bitterem,  nicht  sauerem  Geschmacke ,  ohne  Geruch.  Sie  schmelzen  beim  Erhitzen 
(nach  Ph.  Germ,  bei  80°,  nach  Ph.  Gall.  bei  100°)  in  ihrem  Krystallwasser  und 
hinterlassen,  im  Wasserbade  eingetrocknet,  77  Procent  wasserfreies  Salz.  In  höherer 
Hitze  verbrennt  das  Chininbisulfat ,  unter  Zurücklassung  einer  voluminösen ,  glän- 
zenden Kohle,  welche  zerrieben  bei  fortgesetztem  Glühen  zwar  schwierig,  aber 
vollständig  verschwindet.  Das  Salz  löst  sich  in  11  Th.  Waaser  zu  einer  blau- 
schillernden Flüssigkeit,  von  Weingeist  verlangt  es  32  Th.  zur  Lösung ;  im  Sieden 
nehmen  beide  Flüssigkeiten  dasselbe  sehr  leicht  auf.  —  Identitätsreactionen: 
Die  wässerige  Lösung,  auf  etwa  200  Th.  verdünnt  und  mit  50  Tb.  Chlorwasser 
versetzt,  färbt  sich  bei  Zugabe  von  überschüssigem  Ammoniak  grün.  Baryumnitrat 
scheidet  aus  der  wässerigen  Salzlösung  einen  weissen,  in  Salpetersäure  unlöslichen 
Niederschlag  ab.  Diese  Reactionen,  verbunden  mit  der  Leichtlöslichkeit  und  der 
Krystallform  des  Salzes,  beweisen  es  als  Chininbisulfat. —  Zusammensetzung: 
(C8o  H2,  Na  02)  Hs  S04  +  7  Ho  0  (22.99  Procent  Krystallwasser).  —  Darstellung 
(nach  Ph.  Austr.):  10  Th.  Chininsulfat  werden  mit  Hilfe  von  7  Th.  verdünnter 
Schwefelsäure  in  100  Th.  Wasser  gelöst  und  die  Flüssigkeit  durch  Verdunsten  an 
einem  warmen  Orte  und  Abkühlung  zur  Krystallisation  gebracht.  Das  Chininsulfat 
ist  vor  dem  Zusatz  der  Säure  mit  einem  kleinen  Bmchtheile  des  Wassers  anzu- 
rühren; die  spätere  Verdampfung  der  gewonnenen  Salzlösung  geschehe  in  einer 
50°  nicht  übersteigenden  Temperatur.  Man  kann  auch  9  Th.  Chininsulfat  mit  etwas 
Wasser  zu  einem  Breie  anrühren  und  durch  Zusatz  von  6  Th.  verdünnter  Schwefel- 
säure zur  Lösung  briugen,  worauf  man  bei  gelinder  Wärme  verdunsten  lasse.  Die 
gewonnenen  Krystallc  sind  auf  einem  Trichter  zu  sammeln  und  ohne  abzuwaschen 
auf  FliesRpapier  bei  gewöhnlicher  Temperatur  zu  trocknen.  Ex  tempore  bereitet 
man  das  Salz,  indem  man  für  10  Th.  Chininum  bisulfuricum  8  Th.  Chininsulfat 
mittelst  der  gerade  hinreichenden  Menge  verdünnter  Schwefelsäure  (gegen  6  Th.) 
znr  Lösung  bringt.  —  Prüfung  auf  Reiuheit:  Mit  Schwefelsäure  muss  das  Salz 
eine  nur  schwach  grünlichgelbe  Lösung  geben  (Röthung  oder  Schwärzung  zeigen 
fremde  organische  8toffe,  z.  B.  Salicin ,  Zucker  an),  die  sich  auf  Zusatz  einiger 
Tropfen  Salpetersäure  nicht  verändern  darf  (gelbrothe  oder  rothe  Färbung: 
Morphin).  Beim  Erwärmen  mit  Kalkmilch  darf  das  Präparat  kein  Ammoniak  ent- 
wickeln. Wird  die  wässerige  Salzlösung  mit  etwas  überschüssigem  Ammoniak  aus- 
gefüllt und  mit  so  viel  Aether  geschüttelt,  dasa  letzterer  eine  dünne  Schicht  über 
der  wässerigen  Flüssigkeit  bildet ,  so  müssen  zwei  klare  Schichten  entstehen  und 
das  ausgeschiedene  Chinin  vollständig  vom  Aether  aufgenommen  werden  (ungelöste 
Partien  verrathen  Cinchonidiu  uud  finchonin,  auch  grössere  Mengen  Chinidin).  Ge- 
nauer prüft  man  auf  die  fremden  Chinaalkaloide  nach  Ph.  Germ. :  2  g  des  Salzes 
werden  mit  lg  Ammoniak  eingetrocknet,  darauf  mit  20  cem  Wasser  von  genau  15° 
geschüttelt  uud  in  dieser  Temperatur  1  .,  Stunde  hingestellt ;  5  cem  des  Filtrats  mit 

7  cem  Ammoniak  vermischt,  müssen  eine  klare  Flüssigkeit  geben,  i  Ein  Mehrver- 
brauch von  Ammoniak  bis  zur  Wiederauflösuug  des  anfänglich  ausgeschiedenen 
Chinins  zeigt  die  Gegenwart  von  Cinchouin.  sowie  bis  auf  wenige  Procente  Chinidin 
resp.  Cinchonidin  au.  Bei  reinem  Chininsalze  genügen  5 — 6  ecm  Ammoniak 
zur  Wiederaufklärung,  j  Nach  Ph.  Cn.  St.  führt  man  diese  Prüfung  in  folgender 
Weise  aus:    1  g  des  Salzes  wird  bei  100°  vorsichtig  ausgetrocknet,   darauf  mit 

8  cem  Wasser  geschüttelt  und  mit  Ammoniak  genau  neutralisirt  (bis  zum  neutralen 
Verhalten  gegen  Lackmnspapier  :  die  Mischuug  wird  mit  Wasser  auf  lOccm 
verdünnt,   dann    1  a  Stunde   bei    15<>  hingestellt  und  filtrirt.    5  ecm  des  Filtrats, 

Digitized  by  Google 


CHININUM  BISULFUßfCUM. 


—  CHININÜM  FERR0CITR1CUM. 


55 


mit  7  ccm  Ammoniak  versetzt ,  müssen  eine  klare  Mischung  geben.  Fand  die 
Maeeration  bei  etwas  höherer  Temperatur  statt,  so  sind  bei  20°  8  ccm,  bei  25° 
ü  ccm  Ammoniak  zu  verwenden,  da  in  solchem  Falle  mehr  Chinin  in  Lösung  ge- 
fuhrt ist.  —  Aufbewahrung:  In  wohl  verschlossenen  Glasgcfässen,  vor  Licht 
geschützt.  Das  Tageslicht  färbt  alle  saueren  Chiniusalze  im  Laufe  der  Zeit  gelb 
bi»  bräunlich,  durch  Uebcrführung  des  Chinins  in  das  isomere,  gelbliche,  amorphe 
Chinicin.  — Gebrauch:  Wie  beim  ('Ii inintim  sulfuricum,  vor  welchem  das  Bi- 
sulfat  den  Vorzug  der  Leichtlöslichkeit  besitzt,  zumal  zu  subcutanen  Injectionen. 
Fflr  Mixturen  wird  es  gewöhnlich  durch  Lösung  von  Chiniusulfat  mittelst  ver- 
dünnter Schwefelsäure  dargestellt  i'vergl.  oben).  Schliekum. 

Chininum  CrudUHI,  s.  Chinaalkaloide,  M.  IL  pag.  671. 

Chininum  ferrOCitriCUm  « Ph.  Genn.  u.  a. ),  E  i  s  e  n  c  h  i  n  i  n  c  i  t  rat,  Citro- 
nensaures  Eisen-Chinin.  Dünne,  glänzende,  grünlich-  oder  röthlichbraune 
(nach  Ph.  Brit.  grünlichgoldgelbe)  Schüppchen  oder  Blättchen  oder  ein  braungelbes 
Pulver  von  bitterem  und  milde-eiseuartigem  Geschmacke,  ohne  Geruch,  in  Wasser 
langsam,  aber  vollständig  und  leicht  löslich,  wenig  löslich  in  Weingeist.  Das 
Präparat  verkohlt  beim  Erhitzen  nud  hinterlässt  einen  eisenhaltigen  Rückstand 
ohne  alkalische  Reaction.  •—  Identitätsreactionen:  Die  wässerige  Lösung 
gibt  selbst  im  sehr  verdünnten  Zustande  sowohl  mit  Ferrocyankalium,  wie  mit 
Ferricyankalium  (das  Präparat  der  übrigen  Pharmakopoen  ausser  Ph.  Germ,  nur 
mit  Ferrocyankalium)  tiofblaue  Niederschlüge,  mit  Tanninlösung  eine  schwärzliche 
Fällung.  Jodlösung  trübt  selbst  die  stark  verdflnute  Lösung  unter  Verdickung 
rothbraun.  Schüttelt  man  die  wässerige  Lösung  nach  Zusatz  von  Ammoniak  mit 
Aether,  so  löst  sich  das  ausgeschiedene  Chinin  iu  letzterem  auf  und  es  entstehen 
zwei  klare  Flüssigkeitsschichten ;  wird  der  abgehobene  Aether,  mit  angesäuertem 
Wasser  geschüttelt  und  letzteres  abgetrennt ,  mit  Chlorwasser  uud  darauf  mit 
Ammoniak  versetzt,  so  färbt  «s  sich  grün.  —  Zusammensetzung:  Eine 
Mischuug  von  citronensaurem  Eisenoxyduloxyd  (Ph.  Germ.)  oder  von  citronen- 
saurem  Eisenoxyd  (die  übrigen  Pharmakopoen)  mit  citronensaurem  Chinin.  Der 
Chiningehalt  schwankt  je  nach  der  Vorschrift  und  beträgt  nach  Ph.  Germ,  zwischen 
9  und  10  Procent,  nach  Ph.  Tin.  St.  12  Procent,  nach  Ph.  Belg.,  Russ.  u.  a. 
13.4  Procent,  nach  Ph.  Brit.  13.7  Procent  wasserfreies  Chinin.  —  Darstellung: 

1.  Nach  Ph.  Germ,  werden  3  Th.  Eisenpulver  in  einer  Lösung  von  6  Th.  Citronen- 
säure  in  500  Th.  Wasser  unter  öfterem  Umrühren  2  Tage  im  Wasserbade  digerirt. 
Das  dabei  sich  unter  Wasserstoffentwicklung  auflösende  Eiseu  bildet  zunächst  citronen- 
gaures  Eisenoxydul ,  geht  aber  durch  die  längere  Digestion  in  Folge  von  Sauer- 
rtoffaufuahiue  in  das  unkrystallisirbare,  leicht  lösliche  Oxyduloxydsalz  über.  Das 
Filtrat  wird  zur  dünnen  Syrupsconsistenz  eingedampft  uud  nach  dem  Erkalten  mit 
dem  wohl  ausgewascheneu ,  noch  feuchten  Chininhydrat  versetzt ,  welches  zuvor 
aus  1.3  Th.  Chininsulfat  mittelst  Natronlauge  ausgeschieden  worden  ist.  (Dieses 
Chininhydrat  beträgt  mindestens  1.104  Th.  und  entspricht  mindestens  0.946  Th. 
wasserfreiem  Chiniu,  kauu  aber  zufolge  eingetretener  Verwitterung  des  benutzten 
Sulfats  bis  zu  0'97O  Th.  betragen.)  Das  Chinin  löst  sich  in  dem  Eisen- 
citrate  leicht  zu  einem  Doppelsalze  auf,  worauf  man  die  dickliche  Flüssigkeit  auf 
Glastafeln  oder  Porzellanplatten  aufstreicht  und  in  gelinder  Wärme  trocknet.  — 

2.  Nach  Ph.  Uu.  St.  löst  man  22  Th.  Ferricitrat  iu  40  Th.  Wasser  bei  einer 
60°  nicht  übersteigenden  Warme,  fügt  dann  3  Th.  wasserfreies  (bei  100°  völlig 
ausgetrocknetes)  Chinin  hinzu  uud  dampft  nach  vollzogener  Lösung  bei  höchstens 
60°  zur  Syrupconsistenz  ein,  worauf  man  die  dickliche  Flüssigkeit  auf  Glasplatten 
eintrocknen  lässt.  —  3.  Ph.  Russ.  und  Belg,  lösen  4  Th.  Ferricitrat  nebst 
l  Th.  Chinincitrat  in  70  Th.  Wasser,  verdampfen  zur  Syrupconsistenz  und  trocknen 
auf  Glasplatten  aus. — 4.  Nach  Ph.  Brit.  fällt  mau  6.5  Th.  schwefelsaure  Eiseu- 
oxydflüssigkeit  mit  Ammoniak,  desgleichen  1  Th.  Chiniusulfat ;  dann  wird  zunächst 
das  vollständig  ausgewaschene  Eisenoxydhydrat  in  einer  Lösung  von  3  Th.  Citronen- 

Digitized  by  Google 


56  CHININÜM  FERROCITBICÜM.  —  CQININUM  HYDROBROMJCUM. 


säure  in  5  Tb.  Wasser  unter  Umrühren  gelöst ,  darauf  das  mit  30  Th.  Wasser 
ausgewaschene  Cbininhydrat.  Der  erkalteten  Flüssigkeit  wird  in  kleinen  Mengen 
eine  Mischung  von  1.5  Th.  Ammoniak  und  2  Th.  Wasser  hinzugefügt,  wobei  nach 
jedem  Zusätze  das  sich  ausscheidende  Chinin  durch  Umrühren  wieder  in  Lösung 
überzuführen  ist.  Die  klare  Mischung  wird  zur  Syrupdicke  eingedampft  und  auf 
Glastafeln  oder  Porzellanplatten  in  dünner  Schicht  bei  100°  getrocknet.  Zufolge 
seines  Gehaltes  an  Ammoniumeitrat  entwickelt  dieses  Präparat  der  Ph.  Brit.  mit 
Natronlauge  erwärmt  Ammoniak,  wodurch  es  sich  von  den  Präparaten  der  übrigen 
Pharmakopoen  unterscheidet.  —  Prüfung  auf  den  Chiningehalt:  Nach  Ph.  Germ, 
wird  1  g  Eisenchinincitrat  in  4  cem  Wasser  gelöst,  mit  Natronlauge  bis  zur  alka- 
lischen Reaction  versetzt  und  zweimal  mit  je  5  g  Aether  ausgeschüttelt ;  die  ab- 
gehobenen Aethermengen  sollen  nach  freiwilligem  Verdampfen  nicht  weniger  als 
0.09  g  Chinin  hinterlassen.  —  Nach  Ph.  Helv.  werden  2  g  Eisenchinincitrat  in  20  g 
Wasser  gelöst  und  mit  Ammoniak  im  geringen  Ueberschuss  versetzt;  der  ent- 
stehende weisse  Niederschlag  (Cbininhydrat)  soll  nach  dem  Auswaschen  und  Trocknen 
mindestens  0.2  g  wiegen ,  in  Aether  fast  vollständig  löslich  sein  und  beim  Ver- 
brennen kaum  Spuren  eines  Rückstandes  hinterlassen.  —  Nach  Ph.  Un.  St.  werden 
4  g  des  Präparates  in  30  g  warmen  Wassers  gelöst,  nach  dem  Erkalten  mit  0.5  g 
Weinsäure,  darauf  mit  überschüssiger  Natronlauge  versetzt  und  viermal  mit  je  • 
15  cem  Chloroform  ausgeschüttelt.  Die  vereinigten  Chloroformmengen  müssen  nach 
dem  Verdampfen  einen,  bei  100°  getrocknet,  0.4  8  g  betragenden  Rückstand  hinter- 
lassen. —  Nach  Ph.  Brit.  werden  3  g  Eisenchinincitrat  in  30  g  Wasser  gelöst  und 
mit  einem  geringen  Ueberschusse  von  Ammoniak  versetzt;  der  ausgeschiedene 
Niederschlag  (Chininhydrat)  muss  nach  dem  Auswaschen  und  Trocknen  0.5  g  be- 
tragen, in  Aetber  völlig  löslich  sein  und  sich  bis  auf  einen  nur  sehr  unbedeuten- 
den Rückstand  verbrenucn  lassen.  —  Aufbewahrung:  In  gut  verschlossenen 
Gefässen  (die  Präparate  der  Ph.  Brit.  und  Un.  8t.  sind  an  der  Luft  langsam  zer- 
fliesslich),  vor  Licht  geschützt.  —  Anwendung:  Als  stärkendes  Mittel  bei 
Blutarmuth  und  zumal  bei  damit  verbundenen  Neurosen,  die  Wirkuug  des  Chinins 
als  Roborans  mit  der  des  Eisens  als  Tonicuni  verbindend ;  zu  0.05 — 0.3  in  Pillen, 
Pulver  oder  Lösung.  »  Schliekum^* 

Chininum  hydrobromicum  (Ph.  Gaii.,  un.  st.).'  chininhyd  robromat, 

ßromwasserstoffsaures  Chinin.  Farblose,  scideuglänzende  Nadeln,  bei 
gelinder  Wärme  verwitternd,  von  stark  bitterem  Geschmacke,  ohne  Geruch.  Beim 
Erhitzen  verbrennen  sie  ohne  Rückstand;  sie  lösen  sich  in  16  Th.  kaltem  und 
1  Th.  heissem  Wasser,  sowie  in  3  Th.  Weingeist,  auch  in  Aether,  Chloroform 
und  Glycerin .  —  Idcntitätsreactioncn:  Die  wässerige  Lösung  fluorescirt 
bläulich  bei  Zusatz  verdünnter  Schwefelsäure :  mit  Chlorwasser  und  darauf  mit 
Ammoniak  versetzt,  nimmt  sie  eine  grüne  Färbung  an.  Mit  Silbernitrat  erzeugt  sie 
einen  gelbb'chweissen,  in  verdünnter  Salpetersäure  unlöslichen,  in  Ammoniak  schwer- 
löslichen Niederschlag.  Wird  sie  mit  Ammoniak  ausgefällt,  das  Filtrat  angesäuert, 
mit  etwas  Chlorwasscr  verdünnt  und  mit  Chloroform  geschüttelt,  so  färbt  sich 
letzteres  gelb.  Aetzammoniak  scheidet  aus  der  Salzlösung  weisses  Chininhydrat 
aus,  welches  sich  auf  Zusatz  von  soviel  Aether,  dass  derselbe  nach  dem  Schütteln 
in  massiger  Schicht  übersteht,  darin  auflöst,  so  dass  sich  zwei  klare  Flüssigkeits- 
schichten  bilden.   —  Zusammensetzung: 

Nach  Ph.  Un.  St.  (C.,0  II21  N„  0.,  >IIBr  +  2  IL.  0. 

Nach  Ph.  Gall. :  fC20  IL,  N2  Ö,)  11  Br  +  H2  0. 
Nach  ersterer  Formel  beträgt  das  Kry stall wasscr  4.25  Procent,  nach  letzterer 
Formel  8.16  Procent.  —  Darstellung:  In  eine  siedende  Lösung  von  100  Th. 
Chininsulfat  in  800  Th.  Wasscr  trägt  man  portionenweise  eine  Lösung  von  38  Th. 
krystallisirtem  Rrombaryum  (mit  2H«0)  in  350  Tb.  Wasscr  ein.  Für  den  Fall, 
dass  die  durch  Absetzen  etwas  geklärte  Flüssigkeit  auf  Zusatz  einer  wannen  Chinin- 
lösung noch  eine  Trübung  erleidet,  wird  so  lange  noch  von  letzterer  zugefügt, 


Digitized  by  Google 


CHININUM  HYDROBROMICUM.  -  CHININUM  HYDROUHLORICUM.  57 


bis  kein  Niederschlag  mehr  entsteht.  Die  beiss  abfiltrirte  Flüssigkeit  lässt  man 
nach  dem  Eindampfen  im  Wasserbade  durch  Abkühlung  krystallisireu  und  trocknet 
die  Krystalle  ohne  Anwendung  von  Wärme.  —  Man  kann  sich  auch  des  Brom- 
kaliums statt  des  Brombaryums  bedienen ,  indem  man  100  Th.  Chininsulfat  mit 
27.5  Th.  Bromkalium  und  100  Th.  Wasser  anrührt,  im  Wasserbade  eintrocknet 
und  den  Rückstand  mit  400  Th.  Weingeist  durch  Digestion  extrahirt.  Heiss  filtrirt 
und  der  freiwilligen  Verdunstung  ausgesetzt,  scheidet  die  Flüssigkeit  das  Salz  in 
nadeligeu  Krystallen  aus,  und  zwar  etwa  in  der  Quantität  des  angewendeten 
Chininsulfats.  —  Prüfung:  Das  Salz  löse  sich  in  coneentrirter  Schwefelsäure 
nur  mit  blassgrtinlichgelber  Farbe  auf  (Rötbuug:  Salicin ,  Schwärzung:  Zucker 
u.  dergl.) ;  einige  Tropfen  Salpetersäure  dürfen  diese  Lösung  nicht  verändern 
(Röthung:  Morphin).  Die  wässerige  Salzlösung  darf  durch  verdünnte  Schwefel- 
säure durchaus  nicht  verändert  (weisse  Trübung :  Baryuni),  durch  Baryumnitrat  nur 
schwach  getrübt  werden  (Sulfat).  100  Th.  des  Salzes  dürfen  beim  Trocknen  im 
Wasserbade  nicht  weniger  als  91.2  Th.  zurücklassen  (andernfalls  eine  Beschwerung 
mit  Wasser  vorliegt).  1.5  g  Chininhydrobroniat,  in  15ccm  heisscm  Wasser  gelöst 
und  mit  0.6  g  zerriebenem  Natriumsulfat  versetzt,  werden  */?  Stunde  lang  bei  15° 
hingestellt;  5ccm  des  Fütrats,  mit  7  cem  Ammoniak  vermischt,  müssen  eine  klare 
Flüssigkeit  geben.  (Ein  Mehrverbrauch  von  Ammoniak  bis  zur  Wiederauflösung  des  an- 
fänglich ausgeschiedenen  Chinins  verräth  eine  Beimischung  von  Cincbonin,  sowie 
bis  auf  wenige  Proceuto  Chinidin  und  Cinehonidin.  Bei  reinem  Chininsalze  genügen 
noch  nicht  ganz  6ccm  Ammoniak  zur  Wiederaufklflrung.)  Fand  die  Maceration 
in  einer  etwas  höheren  Temperatur  statt,  so  sind  bei  20°  8ccm,  bei  25°  9ccm 
Ammoniak  zu  rechnen,  da  alsdann  mehr  Chininsabi  zur  Lösung  gelangt.  —  Aufbe- 
wahrung: In  wohlverschlossenen  Glasgefässen ,  da  das  Salz  in  warmer  Luft 
rasch  verwittert.  —  Gebrauch:  Wie  beim  Chininsulfat .  jedoch  leichter  ver- 
träglich für  den  Magen.  Schliekum. 

Chininum  hydrOChloriClim  fPb.  omnes),  Chininum  muriaticum,  Chinin- 
h  y  d  r  o  c  h  1  o  rat,  Salz  saures  Chinin.  Feine,  weisse  Kry  stall  nadeln  von  sehr 
bitterem  Geschmacke,  ohne  Geruch,  bei  gewöhnlicher  Temperatur  luftbeständig, 
in  der  Wärme  rasch  verwitternd  (unter  Verlust  von  1  Mol.  H2  0  =  4.5  Procent). 
Beim  Erhitzen  verbrennen  sie  mit  stark  russender  Flamme,  ohne  feuerbeständigen 
Rückstand  zu  hinterlassen.  Sie  lösen  sich  mit  neutraler  Reaction  in  34  Th.  (Ph. 
Genn.),  nach  Ph.  Austr.  in  24  Th.  Wasser  von  gewöhnlicher  Temperatur,  sehr 
leicht  in  siedendem  Wasser,  desgleichen  in  3  Th.  Weingeist,  in  9  Th.  Chloroform, 
aueb  in  heissem  Glycerin.  Die  wässerige  Lösung  reagirt  neutral  und  schillert  nicht 
auf  Zusatz  verdünnter  Schwefelsäure  (Unterschied  vom  Chininsulfat).  Im  Wasser- 
bade getrocknet,  hinterlasst  das  Salz  91  Th.  Rückstand.  —  Identitätsreac- 
t  i  o  n  e  n  :  Die  wässerige  Lösung  scheidet  auf  Zusatz  von  Silbernitrat  einen  weissen, 
käsigen ,  uicht  in  verdünnter  Salpetersäure ,  leicht  aber  (abfiltrirt)  in  Ammoniak 
löslichen  Niederschlag  ab.  Mit  Cblorwasser  und  darauf  mit  Ammoniak  versetzt, 
färben  sich  selbst  verdünnte  Salzlösungen  (1  :  200)  intensiv  grün.  Das  mittelst 
Ammoniak  aus  der  wflsserigen  Lösung  (1  =  50)  ausgeschiedene  Chininhydrat  löst 
Hieb  bei  Zusatz  von  so  viel  Aether,  dass  derselbe  nach  dem  Schütteln  in  dünner 
Schicht  ('  io  Vol.)  tibersteht,  darin  auf,  so  dass  sich  die  Mischung  in  zwei  klare 
Schichten  trenut.  In  der  wässerigen  Lösung  des  Salzes  wird  durch  Jodkalium  kein 
Niederschlag  erzeugt,  eine  etwa  entstehende  Trübung  verschwindet  bei  Zusatz  einiger 
Tropfen  Weingeist  wieder  (Unterschied  vom  Chinidinhydrochlorat).  —  Zusammen- 
setzung: (Cj0IInN3O2)II('l  +  2II20  (9  Procent).  —  Darstellung:  Durch 
Sättigung  von  Chinin  mit  verdünnter  Salzsäure  und  Verdampfung  der  erzielten 
Ivösung  in  massiger  Wärme  (nicht  in  zu  hoher  Temperatur ,  da  dieselbe  zersetzend 
wirkt)  zur  Krystallisation.  Auch  stellt  mau  das  Salz  aus  dem  Sulfat  dar  durch 
Umsetzung  mit  Chlorbaryum,  wobei  Baryumsulfat  als  unlösliches  Pulver  sich  aus- 
scheidet und  heiss  abfiltrirt  wird.    Mau  hat  hier  sorgsam  darauf  zu  achten,  dass 


Digitized  by  Google 


58 


CH1XINÜM  HYDROCHLORICUM. 


alles  Baryuni  niedergeschlagen  ist  und  das  Filtrat  auf  weiteren  Zusatz  von  Chinin- 
Bnlfatlösung  keine  Trübung  mehr  erleidet ;  in  solchem  Falle  wäre  durch  einen  vor- 
sichtigen Zusatz  von  Chininsulfat  diese  völlige  Ausscheidung  des  Baryuras  zu 
erzielen.  Ph.  Austr.  lässt  40  Th.  Chininsulfat  in  1500  Th.  siedendem  Wasser 
lösen  und  eine  heisso  Lösung  von  1 1  Th.  Chlorbaryum  in  30  Th.  Wasser  ein- 
tröpfeln. Das  schwefelsaure  Baryum  wird  an  einem  warmen  Orte  ahsetzeu  ge- 
lassen, dann  abfiltrirt  und  das  Filter  gewaschen.  Die  filtrirten  Flüssigkeiten  werden 
bei  einer  40°  nicht  Übersteigenden  Temperatur  verdunstet  und  durch  Abkühlung 
zur  Krystallisation  gebracht.  Mau  trocknet  sie  ohne  Anwendung  vou  Wärme. 
(Ph.  Austr.  lässt  sie  nochmals  umkrystallisiren.  i  Da  ein  Verdampfen  grösserer 
Wassermengen  mögliehst  zu  umgehen  ist ,  empfiehlt  sich  mehr  die  Vorschrift  der 
Ph.  Gall.,  nach  welcher  100  Th.  Chininsulfat  in  800  Th.  heissem  Wasser  ver- 
theilt und  mit  der  genügenden  Menge  einer  Lösung  von  28  Th.  Chlorbaryum  in 
200  Th.  Wasser  zersetzt  werden ;  nach  kurzem  weiteren  Erhitzen  ist  zu  filtriren 
und  im  Wasserbade  zur  Krystallisation  einzudampfen.  Am  rathsamsten  ist  es,  die 
Lauge  langsam  verdunsten  zu  lassen,  bis  das  meiste  Salz  auskrystallisirt  und  nur 
wenig  Mutterlauge  mehr  vorhanden  ist :  dann  sammelt  man  erstcres ,  presst  es 
schwach  aus  und  trocknet  es  in  gewöhnlicher  Temperatur.  Aus  der  geringen  Mutter- 
lauge fällt  man  durch  Ammoniak  das  Chinin  zur  geeigneten  Verwerthung.  Ausbente  : 
90 — 91  Procent  vom  Chininsulfat.  —  Prüfung:  In  eoncentrirter  Schwefelsäure 
löse  sieh  das  Präparat  nur  mit  blassgrünlichgelber  Farbe  i  Röthung  verräth  Saliein, 
Schwärzung :  Zucker  u.  dergl.) ;  einige  Tropfen  Salpetersäure  sollen  dieselbe  nicht 
verändern  (Röthung:  Morphin).  Die  verdünnte  wässerige  Salzlösung  (1  :  100 1  darf 
durch  verdünnte  Schwefelsäure  gar  nicht  verändert  (weisse  Trübung:  Baryum), 
durch  Baryumnitrat  nur  opalisirend  getrübt  werden  Sulfat».  Hinterlässt  das  Salz 
beim  Trocknen  im  Wasserbade  weniger  als  9 1  Procent .  so  ist  es  mit  Wasser 
beschwert.  —  Die  Prüfung  auf  die  Nebenalkaloide  der  China  geschieht  entweder 
nach  der  KERXER'schen  oder  nach  der  HESSK'schen  Probe.  Erstere,  von  den 
Pharmakopöen  aufgenommen,  wird  mit  dem  Sulfate  vorgenommen,  in  welches  das 
Hydrochlorat  überzuführen  ist,  und  gründet  sieh  auf  die  Schwerlöslichkeit  des 
Chininsulfats  gegenüber  den  Sulfaten  des  Cinchonins.  Chinidins  und  Cinchonidins. 
Man  zerreibt  2  g  Chininhydrochlorat  mit  0.8  g  Natriumsulfat ,  gibt  20  g  Wasser 
hinzu  und  lässt  bei  15°  eine  halbe  Stunde  unter  öfterem  Umrühren  stehen;  von 
der  durch  das  ausgeschiedene  Chininsulfat  trüben  Mischung  werden  5  com  Flüssig- 
keit abfiltrirt  und  mit  Ammoniak  bis  zur  Wiederaufhellung  versetzt ;  hierzu  dürfen 
nach  Ph.  Germ,  nicht  mehr  als  7  cem  Ammoniak  verbraucht  werden.  Ein  Mehr- 
verbrauch von  Ammoniak  zeigt  die  Gegenwart  von  mehr  als  einigen  Procenten 
Nebcnalkaloidcn  der  China  an;  bei  reinem  Chininhydrochlorat  genügen  schon 
3.5ccra  Ammoniak,  wenn  die  Maceration  genau  bei  lo°  vorgenommen  wurde.  Für 
18 — 20°  ist  leem  Ammoniak  mehr  zu  rechnen.  Die  Gegenwart  überschüssigen 
Natriumsulfats  verringert  ,  die  des  entstandenen  Natriumchlorids  erhöht  etwas  die 
Löslichkeit  des  Chininsulfats,  bei  den  obwaltenden  gegenseitigen  Mengeverhilltnissen 
verringert  sich  der  Effect  nur  wenig.  Man  erkennt  selbst  beigemengte  Spuren  von 
Cinchonin  und  Chinidin  durch  einen  starken  Mehrverbrauch  an  Ammoniak,  sowie 
noch  1  Procent  Cinchonidiu.  —  Zur  Vornahme  der  HESSK'schen  Probe  führt  man 
ebenfalls  lg  Chininhydrochlorat  durch  Verreiben  mit  0.4g  Natriumsuli'at  und 
20  g  Wasser  in  Chininsulfat  über  und  filtrirt  nach  halbstündiger  Maceration, 
5ccm  des  Filtrats,  mit  1  cem  Aether  und  5  Tropfen  Ammoniak  versetzt  und  in 
einem  verschlossenen  Glase  bei  Seite  gestellt,  dürfen  weder  körnige  Ausscheidungen 
(Cinchonidiu),  noch  concentrische  Nadeln  (Chinidin,  Cinchonin)  mit  der  Lupe 
erkeunen  lassen ,  selbst  nicht  nach  längerer  Zeit.  (Bei  1  Procent  Cinchonin  oder 
Cinchonidiu  treten  jene  Krystallisationen  erst  nach  12  Stuuden ,  bei  2  Proeent 
schon  nach  10  Minuten,  bei  3  Procent  nach  3  Minuten  auf.  Vom  Chinidin  erkennt 
man  2  Procent  erst  nach  2  Stunden,  1  Proeent  selbst  nicht  nach  12  Stunden.) 
Eine  dritte  sehr  empfehlenswerthe  Art  der  Prüfung  auf  die  Nebenalkaloide  gründet 


Digitized  by  Google 


CHININUM  HYDROCHLORICUM.  ~  CHININUM  SÜLFURICUM. 


:>9 


sich  auf  die  Ausscheidung  des  Chinins  als  Chromat,  aus  dessen  kaltgesättigter 
wässeriger  Lösung  Alkalien  kein  Chinin  fallen,  da  das  Chinin  mit  seinem  Chromate 
gleiche  Löslichkeit  besitzt,  wahrend  in  den  Lösungen  der  Chromate  des  Cincho- 
nidins,  Chinidins  und  Cinchonins  Alkalien  Trübungen  hervorrufen.  0.4  g  Chinin- 
hydrochlorid  werden  in  10  g  heissem  Wasser  gelöst,  mit  0.12  g  zerriebenem  gelbem 
Kaliumchromat  versetzt  und  zum  Erkalten  bei  Seite  gestellt,  nach  3 — 4  Stunden 
wird  filtrirt  und  zum  Filtrate  1 — 2  Tropfen  Natronlauge  oder  Ammoniak  gefügt, 
wobei  weder  Trübung  noch  Abscheidung  von  Flocken  eintreten  darf.  (Eine 
Opalescenz  oder  Trübung  verräth  Nebenalkaloide  über  1  Procent,  Cinchonin  über 
1  ,  Procent.)  —  Aufbewahrung:  In  wohl  verschlossenen  Gefässen ,  da 
das  Salz  an  warmer  Luft  verwittert  (unter  Verlust  bis  zu  4.5  Procent).  — 
Gebrauch:  Wie  das  Chininsulfat ,  jedoch  in  etwas  kleineren  Dosen  wegen 
des  durch  das  geringere  Krystallwasser  bedingten  höheren  Chiningehaltes. 

Schliekum. 

Chininum  salicylicum  rpb.  Gaii.,  Russ.),  chini  nsalicylat,  Salicyl- 

saures  Chinin.  Weisse,  glänzende,  leichte  Prismen,  luftbeständig,  ohne  Geruch, 
von  bitterem  Geschmack,  beim  Erhitzen  verbrennend,  ohne  Rückstand  beim  Glühen 
zu  hinterlassen.  Sie  lösen  sich  in  225  Tb.  Wasser,  20  Th.  Weingeist,  schwieriger 
in  Aether  .  leicht  und  vollständig  in  Chloroform.  —  Idcntitätsreactiouen: 
Die  wässerige  Lösung  färbt  sich  mit  Cblorwasser  und  darauf  mit  Ammoniak  ver- 
setzt, grün ;  auf  Zugabe  von  Eisenchlorid  wird  sie  blauviolett  gefärbt.  Schüttelt 
man  die  Lösung  mit  etwa«  Ammoniak  und  einer  geringen  Menge  Aether,  so  dass 
derselbe  in  massiger  Schicht  überstehen  bleibt,  so  löst  sich  das  ausgeschiedene 
Alkaloid  im  Aether  vollständig  auf. 

Zusammensetzung:  (Ca0  Ha,  N2  02)  C7  Hu  O,  4-  H2  0. 

Darstellung:  10  Th.  Chininsulfat  werden  mit  33/4  Th.  trockenem  (4  Th. 
krystallisirtem)  Natriumsalicylat  und  120  Th.  Wasser  zum  Sieden  erhitzt;  beim 
Erkalten  scheidet  sich  das  Chiuinsalicylat  aus.  wird  auf  einem  Filter  gesammelt, 
etwas  ausgewaschen,  ausgepresst  und  aus  50  Th.  heissem  Weingeist  unikrystallisirt. 
—  Prüfung:  Die  wässerige,  kaltgesättigte  Lösung  darf  durch  Barvumnitrat  nur 
schwach  opalisirend  getrübt  werden.  In  concentrirter  Schwefelsflure  musa  sich  das 
Salz  nur  mit  schwach  grünlichgelber  Farbe  auflösen  (Röthung  oder  Bräunung: 
organische  Verunreinigungen).  Auf  Nebenalkaloide  der  China  prüft  man  es,  indem 
man  5  ecm  der  wässerigen,  kaltgcsättigten  Lösung  mit  l  cem  Aether  und  einigen 
Tropfen  Ammoniak  versetzt  und  in  einem  wohl  verschlossenen  Glase  •  bei  8eite 
stellt;  selbst  nach  2  Stunden  dürfen  aus  der  ätherischen  Schicht  keine  körnigen 
oder  krystallinischen  Ausscheidungen  sich  gebildet  haben  (erstere  deuten  auf 
Cincbonidiu,  letztere  auf  Cinchouin  oder  Chinidin).  —  Aufbewahrung:  In  ver- 
schlossenen Glasgefflsseu.  —  Gebrauch:  Wie  das  Chininum  suffuricum. 

Schliekum. 

Chininum  SUlfuriCUm  (Ph.  omnes).  Chininsulfat.  Schwefelsaures 
C  h  i  n  i  n.  Feine,  weisse ,  glänzende ,  biegsame  Nadeln ,  zuweilen  harte ,  spiessige 
Krystalle,  ohne  Geruch,  von  stark  bitterem  Geschmack,  an  der  Luft  allmälig  bis 
zu  einem  Verlust  von  nahezu  12  Procent  verwitternd,  beim  Erhitzen  verkohlend 
und  geglüht,  ohne  Rückstand  verbrennend.  Das  Salz  löst  sich  mit  neutraler 
Reaction  in  800  Th.  kaltem ,  25  Tb.  siedendem  Wasser ,  in  30  Th.  kaltem, 
6  Th.  siedendem  Weingeist,  nicht  in  reinem  Chloroform,  jedoch  in  einer 
Mischung  aus  2  Vol.  Chloroform  und  1  Vol.  wasserfreiem  Weingeist.  Bei  100° 
getrocknet,  verliert  das  Chininsulfat  15  Procent,  bei  115°  H..2  Procent,  d.  i. 
sein  geaammtes  Krystallwasser  und  hinterlässt  83.8  Procent  des  Salzes.  —  Iden- 
titätsreactionen:  Bei  Zusatz,  einer  etwas  kleineren  Menge  verdünnter  Schwefel- 
säure löst  sich  das  Salz  leicht  in  Wasser  zu  einer,  zumal  in  der  Verdünnung  blau- 
schillernden Flüssigkeit ,  welche  das  polarisirte  Licht  nach  links  dreht  und ,  mit 
Chlorwasser  und  darauf  mit  Ammoniak  versetzt,   sich  intensiv  grün  färbt.  Fügt 

Digitized  by  Google 


6u 


CHININÜM  SULFURICOM. 


man  zur  sauren  Lösung  (1  :  50)  Ammoniak  und  so  viel  Aetber ,  dass  er  nach 
dein  Schütteln  in  dünner  Schicht  ('/,<>  Vol.)  übersteht,  so  nimmt  derselbe  das  aus- 
geschiedene Alkaloid  vollständig  auf,  und  die  Mischung  trennt  sich  in  zwei 
klare  Schichten.  Die  rein  wässerige  Lösung  des  Salzes  wird  durch  Baryumnitrat, 
nicht  durch  Silbernitrat  gefällt ;  Jodkalium  fällt  sie  nicht  (Unterschied  von  Chinidin- 
sulfat).  —  Zusammensetzung:  (Cao  Hal  Nä  Og)  H8  SO,  +  8  H2  0  (Krystall- 
wassergehalt  IG. 2  Procent).  Das  meiste  Salz  des  Handels  ist  durch  beginnende 
Verwitterung  auf  71  2  Mol.  (15.3  Procent)  Krystallwasser  redueirt.  Mit  2  Mol. 
Krystallwasaer  gewinnt  man  das  Chininsulfat  ans  siedender  alkoholischer  Lösung  in 
luftbeständigen  feiuen  Nadeln.  —  Darstellung:  Fabrikmässig  aus  der  rothen 
und  Königschina,  zumal  den  auf  Java  und  dem  ostindischen  Festlande  cultivirten 
Rinden.  Dieselben  werden  mit  salzsäurehaltigem  Wasser  zu  wiederholten  Malen 
extrahirt,  die  Auszüge  mit  Kalkmilch  alkalisch  gemacht  und  dadurch  das  Chinin 
mit  dem  überschüssigen  Kalke  niedergeschlagen.  Aus  dem  ausgewaschenen  und 
getrockneten  Bodensatz  werden  die  Alkaloide  mittelst  Weingeist  ausgekocht  uud 
der  Weingeist  zu  zwei  Drittel  abdestillirt ,  worauf  das  Cinchonin  zum  grössten 
Theile  auskrystallisirt.  Die  rückständige  Flüssigkeit,  genau  neutralisirt  mit  ver- 
dünnter Schwefelsäure,  wird  nun  vom  Weingeiste  vollständig  befreit  und  lässt  das 
Chininsulfat  beim  Erkalten  in  feinen  Nadeln  auskryBtallisiren.  Durch  mehrmaliges 
Umkry8tallisiren  aus  siedender  Lösung  und  Filtration  durch  Thierkohle  wird  das 
Salz  gereinigt.  Die  8ulfate  der  Nebenalkaloide  bleiben  hierbei  in  der  Mutterlauge. 
Man  trocknet  das  Chiuinsulfat  in  einer  36°  nicht  übersteigenden  Temperatur.  Von 
den  begleitenden  Nebenalkaloideu  vollständig  rein  gewiuut  man  das  Chiuinsulfat 
dadurch ,  dass  man  es  zunächst  in  Bisulfat  überführt ,  letzteres  auskrystallisiren 
lägst  (die  Bisulfate  der  Nebenalkaloide  bleiben  in  der  Mutterlauge)  und  durch 
Neutralisation  mittelst  Ammoniak  in  das  neutrale  Salz  zurückverwandelt.  — 
Prüfung:  lg  des  8alzes,  im  Wasserbade  ausgetrocknet,  darf  nicht  weniger 
als  0.85  g  zurücklassen  (bei  einem  geringeren  Rückstände  ist  das  Sulfat  mit 
Wasser  beschwert).  In  concentrirter  Schwefelsäure  löse  es  sich  nur  mit  blassgrün- 
lichgelber Farbe  auf  (Röthung :  Salicin,  Schwärzung :  Zucker  u.  dergl.).  Gibt  man 
zu  dieser  schwefelsauren  Lösung  einige  Tropfen  Salpetersäure,  so  darf  keine  Farben- 
veränderung eintreten  (Röthung :  Morphin,  weniger  eine  Verfälschung,  als  wie  eine 
Verwechslung !).  Kalkmilch  darf  aus  dem  Chininsulfat  kein  Ammoniak  frei  machen. 
Auf  Platinblech  verbrenne  das  Salz  bei  andauerndem  Glühen  ohne  jeglichen  Rückstand. 
Eine  Generalprüfung  auf  fremde  Beimengungen  führt  mau  aus,  indem  man  1.0  g 
Chininsulfat  in  7  cem  einer  Mischung  vou  2  Vol.  Chloroform  und  1  Vol.  wasser- 
freien Weingeistes  kurze  Zeit  bis  auf  40 — 50°  erwärmt:  es  muss  eine  vollständige 
Lösung  crfolgeu,  die  auch  nach  dem  Erkalten  klar  bleibe.  Auf  die  Neben- 
alkaloide der  Chinarinden  wird  entweder  die  KERXER'sche  oder  die  HESSE'sche 
Probe  angewendet.  1.  Die  Methode  nach  Dr.  Erkner  ist  die  von  den  neueren 
Pharmakopoen  aufgenommene  und  gegründet  auf  der  sehr  geringen  Löslichkeit 
des  Chininsulfats  (1:800)  in  kaltem  Wasser,  während  die  Sulfate  des  Cinchonins, 
Chinidins  und  Cinchonidins  sich  reichlicher  darin  lösen  (1  :  70— 100);  andererseits 
löst  sich  von  sämmtlichen  Chiuaalkaloiden  das  Chinin  am  leichtesten  in  Ammoniak- 
liquor  auf  1 0.004  in  1  ccm).  weniger  leicht  das  Cinchonidin  und  Chinidin,  fast  gar 
nicht  das  Cinchonin.  2  g  Chininsulfat  werden  bei  15°  mit  20  cem  Wasser  ge- 
schüttelt und  in  dieser  Temperatur  1  2  Stunde  bei  Seite  gesetzt.  Zu  6  ccm  des 
Filtrats  werde  portionenweise  Ammoniak  gesetzt,  bis  das  ausgeschiedene  Chinin 
wieder  zur  Lösuug  gelangt  ist.  Hierzu  dürfeu  nach  Ph.  Germ,  nicht  mehr  als  7  ccm 
Ammoniak  verbraucht  werden.  Bei  eiuera  reinen  Chininsulfate  genügen  4 — 5  ccm 
Ammoniak  auf  5  ccm  Filtrat.  (Ein  Mehrverbrauch  verräth  eine  mehrere  Procente 
übersteigende  Beimengung  von  Cinchonin.  Chinidin  oder  Cinchonidin.)  Bei  Anstellung 
dieser  Probe  ist  jedoch  die  Temperatur  von  grosser  Wichtigkeit ,  in  welcher  die 
Maceration  des  Chininsulfats  vorgenommen  wird;  bei  18— 20°  behandelt,  bedürfen 
5  ccm  des  Filtrats  1  ccm  Ammoniak  mehr  als  nach  der  Maceration  bei  15°.  Ferner 


Digitized  by  Google 


CHININ  DM  SULFURICÜM. 


61 


ist  von  Bedeutung  in  welchem  Zustande  der  Aufgeschlossenheit  das  Chininsulfat 
sich  befindet.    Nichtverwitterte  Krystalle  geben   ihren  Gehalt  an  Sulfaten  der 
Nebenalkaloide  nur  schwierig  ab,  so  das»  ein  solches  Salz  kaum  mehr  Ammoniak 
verbraucht  als  ganz  reines  Chininsulfat.    Befinden  sich  aber  die  Kryställchen  zu 
Folge  längerer  Aufbewahrung  und  theilweiser  Verwitterung  in  einem  halbzerfallenen 
Zustande,  so  geben  sie  ihre  Beimischungen  leichter  ab  (von  einem  z.  B.  mit 
2.5  Procent  Cinchonidinsulfat  beladenen  Chininsulfate  im  frisch  krystallisirten  Zu- 
stande der  Prüfung  unterworfen,  erfordern  5  ccm  Filtrat  von  15°  nur  5  ccm,  in 
etwas  verwittertem  Zustande  der  Prüfung  unterzogen  7  ccm,  im  völlig  verwitterten 
Zustande  8  ccm  Ammoniak  bis  zur  Aufklärung).  Die  Probe  gibt  also  nur  dann  sichere 
Resultate,  wenn  man  das  Chininsulfat  bei  100°  gfinzlich  verwittern  lässt,  bevor 
man  es  mit  dem  Wasser  erschöpft.  Sorgsames  Zerreiben  des  Salzes  erzielt  nahezu 
dasselbe  gute  Resultat.    Auch  ist  zu  beachten,  dass  die  Beendigung  der  Probe 
in  den  Zeitpunkt  fällt,  wenn  durch  den  Ammoniakzusatz  die  anfangs  stark  getrübte 
Cbininlösung  sich  aufgeklärt  hat;  es  schwimmen  dann  nicht  selten  noch  wenige 
feine  Partikelchen  in  derselben  herum,  deren  Wiederauflösung  eine  unverhöltniss- 
mässige  Quantität  Ammoniak  beanspruchen  würde.    Ein  Auskochen  des  Chinin- 
sulfats  mit  dem  Extractionswasser  und  Auskrystallisiren  des  Chininsalzes  bewirkt 
gewöhnlich  eine  übersättigte  Lösung,  so  dass  5  ccm  derselben  7.5  ccm  Ammoniak 
erfordern,  selbst  beim  reinen  Salze.  —  2.  Die  IlESSE'sche  Probe  gründet  sich  auf 
die  sehr  grosse  Löslichkeit  des  Chinins  in  Aether  (1  :  1 — 2;,  welcher  die  anderen 
Chinaalkaloide  schwieriger  aufnimmt  (das  Chinidin  1  :  22,  das  Cinchonidin  1  :  188, 
daB  Cinchonin  1  :  370).  Nach  der  HESSE'schen  Probe  wird  0.5  g  Chininsulfat  mit 
10  ccm  Wasser  von  50 — 60°  kräftig   durchschüttelt  (besser  zum  Sieden  erhitzt) 
und  nach  dem  Erkalten  filtrirt.  5  ccm  des  Filtrats ,  mit  genau  1  ccm  Aether  und 
5  Tropfen  Ammoniak  versetzt,  dürfen  selbst  nach  längerer  Zeit  keine  körnige 
Ausscheidungen  (Cinchonidin)  oder  Krystallnadeln  (Cinchonin,  resp.  Chinidin)  mit 
der  Loupe  erkennen  lassen.  Hierdurch  werden  2 — 3  Procent  Cinchonin  und  Cin- 
chonidin schon  nach  wenigen  Minuteu,  1  Procent  erst  nach  12  Stunden  nach- 
gewiesen, nach  12  Stunden  aber  erst  2  Procent  Chinidinsulfat.  Hier  ist  ebenfalls 
ein  Zerreiben  oder  Austrocknen  des  Salzes  nothwcndig,  damit  die  Nebenalkaloide 
voll  zur  Lösung  gelangen.    Auch  ein   Aufkochen   des  (unzerriebenen ,  unver- 
witterten) Salzes  mit  dem  Wasser  und  Wiedererkaltenlassen   führt  zum  Ziele.  — 
Ph.  Austr.  begnügt  sich  mit  der  Liebig 'sehen  Probe:  0.5  g  Chininsulfat  werden  mit 
5  g  Aether  innig  gemischt,  welchem  zuvor  1.5  g  Ammoniak  beigegeben  ist.  Nach 
dem  Schütteln  muss  sich  die  Mischung  in  zwei  klare  Schichten   trennen ,  welche 
selbst  nach  längerem  Stehen  im  verschlossouen  ProbircyHnder  auf  der  Grenzlinie 
keine  Abscheidungen  zeigen  dürfen  (letztere  können   nur  bei  einem  Gehalte  von 
über  3  Procent  Cinchonin  oder  5  Procent  Cinchonidin,  aber  erst  von  über  45  Pro- 
cent Chinidin  eintreten).  Eine  scharfe  Prüfung  auf  Chinidin  und  Cinchonin  gestattet  die 
Schwerlöslichkcit  des  Chinintartrats  in  Wasser.  Mischt  man  5  ccm  der  kaltgesättigteu 
wässerigen  Lösung  des  Chininsulfats  mit  0.25  g  gepulvertem  Natriumkaliumtartrat 
und  stellt  Va  Stunde  bei  Seite,  bei  öfterem  Umschütteln,  so  gibt  das  Filtrat  nach 
Zusatz  von  1  Tropfen  Ammoniak  schon  1  Procent  genannter  Nebenalkaloide  (aber 
nicht  Cinchonidin)  durch  Trübung  zu  erkennen.  3.  Eine  dritte,  sehr  empfehlenswertbe 
Art  der  Prüfung  des  Chininsulfats  auf  Nebenalkaloide  gründet  sich  auf  die  Ab- 
seheidung  des  Chinins  als  Chromat,  aus  dessen  kaltgesättigter  wässeriger  Lösung 
Alkalien  kein  Chinin  fällen ,  da  dasselbe  mit  seinem  Chromate  gleiche  Löslicbkeit 
besitzt,  während  die  Lösungen  der  Chromate  des  Cinchonins,  Chinidins  und  Cin- 
chonidin» durch  Alkalien  getrübt  werden.    Zwar  ist  das  Cinchoninchromat  ebenso 
schwer  löslich  als  das  Chininchromat,  aber  das  reine  Cinchonin  ist  in  Wasser  fast 
unlöslich.  Die  Chromate  von  Chinidin  und  Cinchonidin  lösen  sich  schon  in  500  Th. 
Wasser ,  sind  also  viermal  löslicher  als  das  Chininchromat ;   in  diesen  Lösungen 
erzeugen  Aetzalkalien  starke  Trübungen.  Man  gibt  dieser  Probe  am  besten  folgende 
Form:  0.4g  Chininsulfat  wird  in  12g  siedendem  Wasser  gelöst,  mit  0.12g  zer- 

Digitized  by  Google 


62 


CBININÜM  SULFURICUM.  —  CHIXINUM  TANNICUM. 


riebeuem  gelbem  Kaliumchromat  versetzt  and  zum  Erkalten  bei  Seite  gestellt; 
nacb  3  bis  4  Stunden  wird  die  Flüssigkeit  von  dem  ausgeschiedenen  gelben 
Cbiuinehromat  abfiltrirt  und  mit  1 — 2  Tropfen  Natronlauge  oder  Ammoniak  ver- 
setzt, wobei  weder  Trübung,  noch  Ausscheidung  vou  Flocken  eintreten  darf 
(Opaleszenz  oder  Trübung  verräth  Nebenalkaloide ,  und  zwar  Cinchonidin  und 
Chinidin  über  1  Procent,  Cinchonin  Über  1  2  Proeent/.  —  Aufbewahrung: 
In  wohlverschlosseuen  Glas-  oder  Blechgefässen.  Das  Chininsulfat  beginnt  seine 
Verwitterung  so  schnell,  dass  es  lange  Zeit  eine  Streitsache  war,  ob  es  mit  7,  7'/3 
oder  8  Mol.  Wasser  krystallisire.  Bei  sorgloser  Aufbewahrung  schreitet  die  Ver- 
witterung bis  auf  2  Mol.  Krystallwasser  fort,  in  welcher  Verbindung  das  Salz 
luftbeständig  ist.  Man  erleidet  dabei  jedoch  'einen  Verlust  bis  zu  nahezu  12  Pro- 
cent. —  Gebrauch:  Als  Tonicum  und  stärkendes  Mittel;  gegen  Wechselfieber; 
in  entzündlichen  Krankheiten  und  regelmässig  wiederkehrenden  Neuralgien.  Mah 
gibt  das  Mittel  theils  als  Pulver  in  Oblaten,  Chokoladepastillen ,  Pillen,  theils  in 
Mixturen,  mittelst  verdünnter  Schwefelsäure  (7  Th.  auf  10  Th.  Chininsulfat), 
Salzsäure  (31,.,  Th.  auf  H>  Th.),  Weinsäure  oder  Citroneusäure  (2  Th.  auf  10  Th.) 
in  Lösung  Ubergeführt,  unter  Zugabe  von  Kaffee,  einigen  Tropfen  Chloroform 
u.  a.  als  Corrigentien.  Es  erzeugt  nicht  selten  Erbrechen  bald  nach  dem  Genüsse. 
Zu  vermeiden  sind  bei  innerlicher  Anwendung  Metallsalze,  Alkalien,  Tannin,  Lakriz 
(letztere  beide  gehen  uulösliche  Verbindungen  mit  dem  Chinin  ein).  Auch  in  Klystier 
anwendbar ,  zumal  zu  empfehlen  bei  Kindern  und  Personen ,  die  leicht  darnach 
brechen.  Bei  grösseren  Chiningaben  tritt  gewöhnlich  der  Rogenannte  Cbininrausch, 
mit  Ohrensausen  verbunden,  ein.  (S.  auch  Chiuinan »schlag,  pag.  52.) 
Subcutane  Anwendung  empfiehlt  sich  wenig,  wegen  der  nicht  selten  eintretenden 
Entzündung  an  der  Einstiehstclle.  Schliekum. 

Chininum  tannicum  (Ph.  Austr.,  Gcrm.i.  u.  a.),  chu  i n  t  a  n n a t.  Gerb- 
säure» Chinin.  Ein  gelbliches,  amorphes  Pulver,  fast  ohne  Geruch,  von  zu- 
sammenziehendem, etwas  bitterem  Gcschmacke,  luftbeständig,  in  der  Hitze  ver- 
kohlend, bei  längerem  Glühen  ohne  Rückstand  vcrbrennlich,  nur  wenig  in  kaltem, 
leichter  in  heissem  Wasser,  sowie  in  Weingeist  löslich ;  mit  Wasser  erhitzt ,  ballt 
es  harzartig  zusammen.  — I  d  en  t  it  ä  tsr  ea  c  ti  o  n  e  n :  Mit  Wasser  angescbüttelt, 
färbt  sich  das  Präparat  bei  Zusatz  von  Eisenchlorid  blauschwarz.  Die  weingeistige 
Lösung,  mit  der  überschüssigen  Meuge  Bleiacetat  ausgefällt,  liefert  ein  Filtrat, 
welches  bei  Zusatz  von  Chlorwasser  und  darauf  von  Ammoniak  eine  grüne  Färbung 
annimmt.  —  Zusammensetzung:  C20  H24  N2  03  .  3  CM  H10  0,  +  8  Hj  0 ,  mit 
22.6  Procent  Chinin;  das  officinelle  Präparat  besteht  gewöhnlich  aus  20  Procent 
Chinin,  70  Proceut  Gerbsäure,  etwas  Schwefelsäure  und  Wasser.  —  Darstellung: 
1  Th.  Chininsulfat  wird .  unter  Zusatz  der  möglichst  geringen  Menge  verdünnter 
Schwefelsäure  (etwa  8/t  Tb.,  so  dass  noch  einige  Flocken  Chininsulfat  ungelöst  bleiben, 
in  30  Th.  Wasser  gelöst  und  mit  einer  kalten  Lösung  von  3  Th.  (besser  2 1  ,  Th.) 
Gerbsäure  in  30  Th.  Wasser  gemischt.  Nach  dem  Absetzen  sammelt  man  den  Nieder- 
schlag auf  einem  Filter,  wäscht  ihn  mit  Wasser  aus  (jedoch  nicht  zu  lauge!), 
presBt  ihn  nach  dem  Ablaufen  zwischen  Fliesspapier  und  trocknet  ihn  ohne  An- 
wendung von  Wärme  (bei  einer  40°  über  steigenden  Temperatur  schmilzt  der  halb- 
feuchte Niederschlag  oberflächlich  und  wird  missfarbig).  Wird  die  Chininlösung 
durch  eine  mit  der  Hälfte  Liquor  Amnion  ü  acetici  vermischte  Gerbsäurelösung 
gefällt,  so  fällt  das  Präparat  weisser  und  weniger  bitter  aus,  auch  ohne  den 
(geringen!  Gehalt  an  Schwefelsäure.  —  Prüfung  auf  den  Chiningehalt :  1.  Nach 
Ph.  Austr.  wird  das  Präparat  mit  2  Th.  präparirter  Bleiglätte  und  Wasser  zu 
einem  feinen  Brei  angerührt,  den  man  in  gelinder  Wärme  trocknet  und  darauf 
wiederholt  mit  Weingeist  auszieht ;  das  weingeistige  Filtrat  hinterlässt  beim  Ver- 
dampfen das  Chinin.  Dasselbe  mnss  etwa  den  fünften  Theil  des  angewendeten 
Pulvers  betragen.  —  2.  1  g  des  Präparates  wird  gelinde  mit  15 — 20  cem  Natronlauge 
erwärmt,  die  tiefbrauno  Mischung  mit  dem  gleichen  Volumen  Chloroform  geschüttelt, 


Digitized  by  Google 


CHIN1NOI  TANNICUM.  —  CHINIOIDINUM. 


63 


letzteres  abgetrennt  und  verdunstet ;  da»  rückständige  Chinin  betrage  etwa  0.2  g. 
Will  man  das  gewonnene  Alkaloid  näher  untersuchen,  so  löse  mau  es  in  schwefel- 
säurehaltigem Wasser  auf  und  mische  so  viel  Aether  hinzu,  daas  er  in  dünner 
Schiebt  Obersteht;  gibt  man  dann  Ammoniak  im  schwachen  Ueberschusso  hinzu, 
so  müssen  zwei  klare  Schichten  resultiren  ^Trübungen  zwischen  der  Aetherschicht 
und  der  wässerigen  Flüssigkeit  verrathen  Cinchonin,  resp.  Cinchonidin).  —  Ge- 
brauch: Wie  das  Chininsulfat,  wegen  der  geringeren  Bitterkeit  vorzüglich  in 
der  Kinderpraxis.  Schliekum. 

ChininURI  ValerianiCUm  (Ph.  Germ.  I.  u.a.),  Chininvalerianat,  Bai- 
driansaures  Chinin.  Weisse  oder  weissliche,  glänzende  tafelförmige  oder 
nadelige  Krystalle,  luftbeständig,  von  sehr  bitterem  Gesehmackc  und  schwachem 
Gerüche  nach  Baldriansäure.  Sie  schmelzen  beim  Erwärmen  im  Wasserbade,  ver- 
brennen in  der  Glühhitze  ohne  Rückstand;  eie  lösen  sich  in  100  Th.  kaltem,  leichter 
in  siedendem  Wrasser,  in  5  Th.  Weingeist,  wenig  in  Aether.  —  Identität  b- 
reactionen:  Die  wässerige  Lösung,  mit  verdünnter  Schwefelsäure  angesäuert, 
schillert  bläulich  und  gibt  den  Geruch  der  Baldriansäure,  die  sie,  wenn  concentrirt, 
als  Oelschicht  oben  abscheidet.  Versetzt  man  die  wässerige  Lösung  mit  Chlorwasser 
und  darauf  mit  Ammoniak,  so  nimmt  sie  eine  grüne  Färbung  an.  Aetzalkalien 
fällen  auB  der  wässerigen  Lösung  weisses  Chininhydrat,  welches  beim  Schütteln 
mit  Aether  von  letzterem  vollständig  und  klar  aufgenommen  wird.  —  Znsammen- 
setzung: (OjoH^NjOOC^HjoO. +  HaO.  —  Darstellung:  3  Th.  Chinin 
(die  man  aus  4  Th.  Chininsulfat  durch  Fällung  mit  Natriumcarbonat  erhalten  kann) 
werden  in  4— 5facher  Menge  Weingeist  warm  gelöst,  dann  mit  Baldriansäure 
tetwa  1  Th.)  bis  zum  schwachen  Vorwalten  derselben  versetzt,  mit  dem  ein-  bis 
zweifachen  Volum  warmem  Wasser  verdünnt  und  an  einem  nicht  über  50°  warmen 
Orte  verdunstet.  (In  höherer  Temperatur  scheidet  sich  das  Salz  harzartig  aus.)  — 
Prüfung:  In  concentrirter  Schwefelsäure  löse  sich  das  Salz  mit  nur  schwach 
grünlich-gelber  Farbe  auf  (rothe  Farbe  verräth  Salicin ,  braune  bis  schwarze: 
fremde  organische  Materien),  welche  bei  Zusatz  einiger  Tropfen  Salpetersäure  sich 
nicht  verändern  darf  (Röthung:  Morphin).  Die  kaltgesättigte  wässerige  Lösung 
werde  durch  Baryumnitrat  nicht  oder  nur  schwach  opalisirend  getrübt.  Wird  die 
unter  Znsatz  von  verdünnter  Schwefelsäure  bereitete  wässerige  Lösung  (1  =  10) 
mit  etwas  überschüssigem  Ammoniak  und  dem  halben  Volumen  Aether  geschüttelt, 
müssen  zwei  klare  Schichten  entstehen,  zwischen  denen  auch  nach  2  Stunden  keine 
Ausscheidungen  wahrzunehmen  sind  (wolkenartige  oder  krystallinische  Ausschei- 
dungen verrathen  Cinchonin,  Cinchonidin  oder  grössere  Mengen  von  Chinidin).  — 
Aufbewahrung:  In  wohl  verschlossenen  Glasgefässeu.  —  Gebrauch:  Wie 
Chininsulfat;  die  ihm  zugeschriebene  speeifisebe  Wirkung  auf  das  Nervensystem 
;-t  nicht  erwiesen.  Schliekum. 

Chiflinum  UriniCUm  8.  UriCUm,  Chininurat,  harnsaures  Chinin, 
ein  von  Pkhkyre  empfohlenes  Präparat,  wird  nicht  angewendet.  —  Darstellung: 
Das  aus  12  5  Chiniusulf'at  gewonnene  Chininhydrat  wird  mit  5  0  Harnsäure  und 
100-0  heissem  destillirtem  Wasser  gemischt,  im  WTasserbade  eingedampft  und  durch 
kochenden  Alkohol  umkrystallisirt. 

ChininZUCkerlll  VOn  ROZSnyay  enthalten  pro  Stück  so  viel  Chinidintanuat, 
daas  dieses  0.05  Chinidinhydrat  entspricht. 

ChinioYdin,  seine  Verbindungen  und  Derivate,  s.  Chinaalk  aloide,  Bd.  II, 
pag.  6'J2. 

ChinioYdin,  animallSCheS,  s.  unter  Cadaveralkaloide,  Bd.  U,  pag.  444. 

ChinioYdiniim  (Ph.  Germ,  u.a.),  Chmmdinum,  ChinioYdin,  Chinoldin. 
Eine  braune  oder  schwarzbraune,  harzähnliche  Masse,  in  der  Kälte  spröde  und 
mit  glänzendem,  muscheligem  Bruche,  in  der  Wärme  erweichend,  ohne  Geruch. 
8ie  löst  sich  kaum  in  Wasser,  leicht  in  Weingeist  und  Chloroform ,  theilweise  in 

Digitized  by  Google 


64 


CHINIOIDINUM.  —  CHINIOlDINUM  TANNICÜM. 


Aether,  zu  alkalisch  reagirenden,  stark  bitter  schmeckenden  Flüssigkeiten.  Ver- 
dünnte Säuron ,  sowie  angesäuertes  Wasser  nehmen  es  leicht  und  vollständig  auf. 
Beim  Erhitzen  verkohlt  es  und  verbrennt  in  der  Glühhitze  ohne  oder  fast  ohne 
Rückstand.  —  Identitätsreactionen:  Die  verdünnte  salzsaure  Lösung,  mit 
Chlorwasser  und  darauf  mit  Ammoniak  versetzt,  nimmt  eine  grüne  Farbe  an.  — 
Zusammensetzung:  Die  Mutterlaugen  bei  der  Chininfabrikation,  aus  denen 
die  Sulfate  der  Chinabasen  möglichst  abgeschieden  sind,  werden  mit  Natronlauge 
gefällt,  der  harzartige  Niederschlag  durch  Kneten  mit  heissem  Wasser  von  Farb- 
stoffen und  anderen  Beimengungen  befreit  und  durch  nochmaliges  Auflösen  in  ver- 
dünnter Säure  und  Ausfallen  durch  Natronlauge  gereinigt,  schliesslich  in  gelinder 
Wärme  geschmolzen  und  in  Stangenform  gebracht.  —  Zusammensetzung: 
Ein  Gemenge  amorpher  Chinabasen  in  wechselnder  Zusammensetzung,  zumeist  von 
Diconchinin  (C10  Hi6  N4  08)  und  Dicinchonin,  welche  die  krystallisirbaren  Basen  in 
der  Chinarinde  begleiten,  jedoch  nur  amorphe  Salze  bilden.  Das  Diconchinin  be- 
sitzt dieselbe  Reaction  gegen  Chlorwasser  und  Ammoniak  wie  das  Chinin  und 
Chinidin.  Zugleich  sind  Chiuicin  und  Cinchonicin  vorhanden,  die  durch  die  Ein- 
wirkung höherer  Temperatur  bei  der  Fabrikation  aus  den  Chinaalkaloiden  ent- 
stehen und  ebenfalls  amorphe  Beschaffenheit  haben.  —  Prüfung:  lg  ChinioTdin 
muss  sich  in  lOccm  kaltem  Essig  bis  auf  einen  sehr  geringen  Rückstand  (etwa 
1  Procent)  klar  auflösen ;  desgleichen  sei  1  g  ChinioYdiu  in  9  g  kaltem  verdünntem 
Weingeist  klar  löslich.  (Uulösliche  Partien :  Harze,  z.  B.  Colophoniuni,  Extract- 
stoffe,  Gummi  u.  dgl.)  Mit  Wasser  gekocht,  gebe  das  ChinioTdin  eiu  klares,  farbloses 
oder  nahezu  ungefärbtes  Filtrat,  welches  auch  auf  Zusatz  eines  Alkalis  nicht  gefärbt 
werden  darf  (Röthung:  Alo6).  Beim  Einäschern  hinterlasse  es  höchstens  0.7  Procent 
Rückstand  (unorganische  Stoffe).  —  Aufbewahrung:  In  Porzellangefässon  an 
einem  kühlen  Orte,  in  Wachspapier  eingerollt,  um  das  Zerfliessen  und  Festhaften 
an  die  Gefässwand  zu  verhüten.  —  Gebrauch:  Gegen  WechBelfieber  und  andere 
typische  Krankheiten,  wie  Keuchhusten,  ähnlich  dem  Chininsulfat,  dem  es  (je  nach 
seiner  Zusammensetzung)  in  der  Wirkung  bald  gleichgesetzt,  bald  nachgestellt 
(10  ChinioTdin  gleich  6  Chininsulfat)  wird.  In  Pulver  oder  Pillen,  unter  Zusatz  der 
Hälfte  Weinsäure ;  in  Lösung  mit  der  Hälfte  Salzsäure,  meistens  als  Tinctur.  Die 
Salze  des  ChinioTdins  eignen  sich  wegen  ihrer  grossen  Hygroskopicität  wenig  zur 
Darstellung  und  Dispensirung  in  fester  Form.  Schliekum. 

ChinioVdinUm  tanniCUm,  Chinidin  taunat  (ChinoYdintannat),  gerb- 
saures ChinioTdin  (Chinoidin).  Ein  bräunliches,  amorphes  Pulver,  fast  ohne 
Geruch,  von  zusammenziehendem,  wenig  bitterem  Geschmacke,  luftbeständig,  in 
der  Hitze  verkohlend  und  bei  anhaltendem  Glühen  ohne  Rückstand  verbrennend, 
kaum  iu  Wasser,  schwierig  in  Weingeist,  leichter  in  säurehaltigem  Weingeist  lös- 
lich. —  Identitätsreactionen:  Mit  Wasser  angeschüttelt  färbt  sich  da* 
Präparat  durch  Eisenchlorid  blauschwarz.  Die  Lösung  in  salzsäurehaltigem  Wein- 
geist, mit  Wasser  stark  verdünnt,  bleibt  klar.  Das  mittelst  Natronlauge  ausge- 
schiedene, in  Chloroform  gelöste  und  nach  dessen  Verdunstung  in  schwefelsäure- 
haltigem  Wasser  gelöste  Alkaloid  ruft  nach  Zusatz  von  Chlorwasser  und  Ammoniak 
eine  grüne  Färbung  hervor.  —  Zusammensetzung:  Etwa  20  Procent  Dicon- 
chinin und  Dicinchonin,  gebunden  an  etwa  70  Procent  Gerbsäure.  —  Darstel- 
lung: 10  Th.  ChinioTdin  werden,  unter  Zugabe  von  7.5  Th.  Salzsäure,  in  500  Th. 
Wasser  gelöst  und  mit  einer  kalten  Lösung  von  40  Th.  Gerbsäure  in  400  Th. 
Wasser  gemischt,  darauf  eine  Lösung  von  20  Th.  Natriumacetat  in  200  Th.  Wasser 
zugefügt,  wodurch  zu  dem  zuerst  ausgeschiedenen  (aus  Dicinchonintannat  bestehen- 
den) Niederschlage  eine  weitere  Menge  (Diconchinintannat)  ausgefällt  wird.  Deu 
gesammten  Niederschlag  wäscht  man  mit  etwas  Wasser  aus  und  trocknet  ihn  ohne 
Anwendung  von  Wärme.  —  Prüfung  auf  den  Alkaloidgehalt :  1  g  wird  mit  1 5 
bis  20ccm  Natronlauge  gelinde  erwärmt,  die  dunkelbraune  Mischung  mit  dem 
gleichen  Volumen  Chloroform  geschüttelt,  letzteres  abgetrennt  und  verdunstet.  Das 

Digitized  by  Google 


CHINIOIDINUM  TANN1CUM.  —  CHINOLIN 


65 


dabei  als  Rückstand  gewonnene  Alkaloid  betrage  etwa  0.2g.  —  Gebrauch: 
Als  Roborans,  selten.  Schliekum. 

Chinizarin,  cI4h9o4.  ist  isomer  dem  Alizarin  und  diesem  sehr  ähnlich,  verhält 
sich  aber  gegen  Thoncrdo  und  Eisenbeizen  weniger  energisch  färbeud. 


C,H7N,  ist  der  Hauptrepräsentant  einer  Gruppe  von  Basen,  welche 
gewissermassen  in  der  Mitte  stehen  zwischen  gewissen  Alkaloiden  und  den  vom 
IJenzol  und  dessen  Homologen  sich  ableitenden  Basen.  Eigentümlich  ist  den 
Chinolinen  ein  Gehalt  an  Stickstoff,  welcher  die  drei  werthige  Gruppe  CH  einmal 
ersetzt.  Die  Chinolinbasen  erinnern  in  ihrem  Verhalten  an  die  Pyridinbasen,  ins- 
besondere in  ihrem  Verhalten  gegen  Alkyljodid.  Denkt  man  sich  das  Pyridin  als 
ein  Benzol ,  in  dessen  Kern  die  Gruppe  CH  einmal  durch  N  substituirt  ist ,  so 
würden  dann  die  Chinolinbasen  betrachtet  werden  müssen  als  eine  Anlagerung  eine» 
Pyridinmoleküls  an  einen  Benzolring,  und  zwar  so,  dass  zwei  benachbarte  Kohlen- 
stoffatome gemeinsam  sind.  Man  kann  daher  mit  gleichem  Recht  die  Chinoline  als 
Derivate  des  Benzols,  wie  des  Pyridins  aufTassen.  Sie  repräsentiren  gewissermassen 
ein  Naphtalin,  in  welchem  eine  Gruppe  CH  durch  N  ersetzt  ist. 

CH         CH.  CH  CH 

CH  "         CX        CH  CH  C  CH 

I  I  !  I 

CH  C  CH  CH  C  CH 

CH         CH  CH  N 

Naphtalin  Cninolin 

Da  nun  für  die  Lage  des  Stickstoffmoleküls  im  Pyridin  zwei  Modiiicationeii 
denkbar  sind,  so  geht  daraus  das  Vorkommen  in  zwei  isomeren  Modificatiouen 
hervor.  Iu  der  That  existiren  zwei  isomere  Chinolinbasen,  die  a-Chinolinreihe  (ge- 
meinhin Chinolin  bezeichnet;  und  die  ß-Cbinolinreihe  (gewöhnlich  als  Leukolin  be- 
zeichnet). Erstere  entstehen  bei  der  Destillation  von  Chinin  oder  Cinchonin  mit 
Kali ,  neben  Pyridinbasen ;  letztere  finden  Bich  im  Steinkohlentheer.  Die  Basen 
beider  Reihen  sehen  sich  sehr  ähnlich,  geben  auch  häufig  die  gleichen  Reactionen ; 
dapregen  unterscheiden  sie  sich  wesentlich  in  ihrem  Verhalten  gegen  Alkyljodide, 
mit  denen  lediglich  die  Basen  der  a  Reihe  Farbstoffe  bilden.  Bei  der  Oxydation 
liefern  beide  Reihen  Pyridincarbonsäuren.  Die  verschiedene  Lage  des  Stickstoffes 
im  Pyridinkern  lässt  sich  graphisch  folgendermassen  darstellen: 

,CH         CH  CH  XCH 

CH  C  CH  CH  C  CH 

I         !  I  I  '  I 

CH  Cx         CH  CH         yQ  N 

CH  N  CH  CH 

a-Chinolin  Leukolin 

Zu  den  Chinolinbasen  gehören : 

1.  Basen  von  der  Formel  C«  H7  N :  Chinolin,  Leukolin. 

2.  „      „     „       „      Cl0  H„  N :  Lepidin ,  Ortho-,  Meta-  und  Para-Tolu- 

ehinolin,  Iridolin,  Phenylpyrrol,  Chincho- 
lepidin,  Naphtylamin. 

3.  „      „     „       „      Cn  H,,  N  :  Aethylchinolin,  Dispolin,  Kryptidin,  Tolyl- 

pyrrol,  Menaphtylamin. 

4.  „      „     „       „  C13Hl3N:Hydrocarbazol. 

Das  eigentliche  Chinolin  (a-Chinolin)  ist  eine  farblose,  bewegliche,  stark 
lichtbrechende  und  durchdringend  riechende  Flüssigkeit,  die  an  der  Luft  sich 
bräunt.  Siedepunkt  235 — 237°,  spec.  Gew.  1.084.  In  einem  Kältegemisch  von 
fester  Kohlensäure  und  Aether  erstarrt  es  vollständig  zu  weissen  Krystalleu.  Das 
Chinolin  ist  sehr  hygroskopisch  und  nimmt  nach  und  nach  1.5  Molekül  Wasser 
auf.  Das  Chinoünhydrat  trübt  sich  bei  Blutwärme.  Gegen  Oxydationsmittel  ist  es 

IH-  8  Digitized  by  Google 


1 


66  CBJNOLIN. 

sehr  widerstandsfähig ;  mit  Kaliumpermanganat  bildet  sich  nur  wenig  Cbinolinxäure. 
Kalibydrat  fällt  die  Lösung  eine«  Chinolinsalzes  milchig  weis«,  ebenso  Ammoniak. 
Der  Niederschlag  ist  im  Ueberscbuss  des  Fällungsinittels  wieder  löslich;  Natriuin- 
carbonat  fällt  Chinolinsalze  in  gleicher  Weise  unter  Kohlcnsäurccntwicklung.  Jod- 
jodkalium gibt  einen  rothbraunen,  in  Salzsäure  unlöslichen  Niederschlag:  Phosphor- 
molybdänsäure  unter  Zufügung  von  Salpetersäure  bis  zur  stark  sauren  Reaction 
einen  gelblich  weissen,  in  Ammoniak  löslichen  Niederschlag;  Pikriusäure  einen 
gelben  amorpheu,  in  KaUhydrat  löslichen  Niederschlag;  Quecksilberchlorid  einen 
weisseu  äoekigeu,  in  Salzsäure  leicht,  in  Essigsäure  schwieriger  löslichen  Nieder- 
schlag; Kaliumquecksilberjodid  gibt  einen  gclblich-weissen  amorpheu  Niederschlag, 
der  sich  auf  Zusatz  von  Salzsäure  in  bernsteingelbe  Nadeln  verwaudclt.  Eine 
sehr  charakteristische  Reaction  auf  Chinolin  ist  die  Röthlichfärbung  durch  Ferri- 
cyankalium ;  noch  in  einer  Verdünnung  von  1 :  3500  lässt  sich  Chinolin  auf  diese 
Weise  nachweisen. 

Das  Chinolin  bildet  den  Ausgangspunkt  für  eine  grosse  Anzahl  von  Derivaten, 
von  denen  eine  Anzahl  als  schöne,  beständige  Farbstoffe  fabrikmässig  hergestellt 
werden  und  unter  dem  Namen  Chinolin- Farbstoffe  bekannt  sind.  Der  be- 
kannteste ist  das  Alizarinblau,  das  Chinolin  des  Alizarius.  Zur  Darstellung  des 
C  h  i  n  o  1  i  n  s  mischt  man  24  g  Nitrobenzol  mit  38  g  Anilin,  1 20  g  Glycerin  und  100  g 
Schwefelsäure  und  erhitzt  vorsichtig,  da  aufaugs  die  Reaction  sehr  stürmisch  ist. 
Dann  erhitzt  mau  noch  einige  Stunden  am  Kühler,  verdünnt  mit  Wasser,  dcstillirt 
das  Nitrobenzol  ab  ,  gibt  zum  Rückstände  Natron  und  dcstillirt  das  Chinolin  mit 
Wasserdämpfen  über.  Zur  Reinigung  wird  dasselbe  fractionirt  und  durch  Lösen  in 
Alkohol  und  Zufügen  von  Schwefelsäure  als  saures  Sulfat  niedergeschlagen. 

Wie  bei  diesem  Vorgange  der  Process  verläuft,  darüber  existiren  mehrere  An- 
schauungen; am  verbreitetsteu  ist  die  SKRAur'sche  Synthese,  nach  welcher  zuerst 
die  Schwefelsäure  wasserentziehend  wirkt,  und  zwar  so ,  dass  aus  dem  Anilin 
der  Wasserstoff  der  Amidogruppe,  aus  dem  Glycerin  der  Sauerstoff  eliminirt  wird ; 
es  resultirt  Acrolein-Anilin,  welches  in  der  zweiten  Phase  des  Processen  durch  De- 
hydrogenation  mittelst  Nitrobenzol  in  Chinolin  Ubergeführt  wird.  . 

1.  C,  H,  (NIL)  f  C,  H„  0,  =  C  6H,  N  (C1I)3  CII2  +  3  H2  0 
Auiliu  Glvcerin       Acrolein-Anilin  Wasser 

2.  Ce  n ,  N  CII),  CH3  —  2  H  =  C  H4  N (CI1  3 
Acrolein-Anilin  Chinolin 

Ausser  der  vorstehenden  SKRAnp'schen  Syuthese  sind  noch  einige  andere  be- 
kannt, die  mindestens  das  gleiche  Interesse  beanspruchen  und  von  denen  die  Baykr- 
sche  Synthese,  vom  Hydrocarbostyril  ausgebend,  der  Constitution  des  Chinolin» 
wohl  am  meisten  entspricht. 

Das  Chinolin  ist  eine  starke  Base,  welche  wohl  eharakterisirte  Salze  und  Doppel- 
salze bildet,  welche  alle  mehr  oder  minder  leicht  in  Alkohol,  Acther,  Chioroform, 
Benzol,  Schwefelkohlenstoff  und  Chinolin  löslich  sind  und  in  langen  Nadeln  oder 
Prismen  oder  als  krystallinische  Niederschläge  sich  gewinnen  lassen.  Chlor,  Brom 
und  Jod  lagern  sich  einfach  au,  ohne  zu  substituiren,  ebenso  auch  zwei-  oder  ein- 
werthige  Gruppen,  z.  B.  Chinolinjodmcthylat  C9  ll7  N  .  CH3  .  J.  Die  Hydroxylgruppe 
tritt  dagegen  Bubstituirend  ein,  z.  B.  Oxychinolin  C9H6N.(0H).  Ausser  der  obigen 
Anlagerung  der  Halogene  gibt  es  auch  noch  Substitutionsproducte ,  z.  B.  Chlor- 
chinolin  C,  H6  Cl  N ;  Dibromchinolin  C9  H-,  Br2  N ;  ferner :  Nitrochinolin  C9  H«  (N(XJ  N ; 
Amidochinolin  C„H0(NH2)N.  Die  oben  bereits  genannte  Chi  no  Ii  n  säure  hat  die 
Formel  C9H9N03. 

Das  ß- Chinolin  (Leukolin)  kommt  im  Steinkohlenthecr  vor  und  ist  ein 
unangenehm  nach  Bittermandelöl  riechendes  Oel ;  dieses  erstarrt  bei  20°  noch  nicht 
In  meinen  physikalischen  und  chemischen  Eigenschaften  verhält  sich  das  Leukolin 
ganz  wie  das  Chinolin,  es  liefert  dieselben  Salze  und  dieselben  Reactionen.  Während 
aber  x-Chinolin  beim  Behandeln  seines  Jodisoamylats  mit  kochendem  Kali  Chino- 
lincyanin   bildet,   denken   schwefelsaures  Salz  einen   prächtigen  blauen  Farb- 

Digitized  by  Google 


I 


CHIXOLJX.  —  CH1XOX.  G7 

stoff  in  Nadeln  repräsentirt,  gibt  das  Leukolin  diesen  Farbstoff  nicht.  Von  ander- 
weiten  Leukolinderivateii  ist  nur  noch  die  Leukolinsäure  und  auch  diese  nur  wenig 
bekannt.  Ganswindt. 

ChinOÜngelb.  Ein  durch  Erhitzen  von  Chinaldin  (x-Methylchinoliu  C9  H6.CH3.N) 
mit  Phthalsäureanhydrid  erhaltener  gelber  Farbstoff  (Chinophthalon)  oder  dessen 
Sulfosäure. 

Das  Chinophthalon  bildet  bei  235°  schmelzende,  gelbe  Nadeln,  welche  in 
Wasser  unlöslich  sind,  sich  in  Alkohol  auflösen  und  thierische  Fasern  gelb  färben. 

Die  Chinophthalonsulfo säure  ist  in  Wasser  löslich  und  gibt  auf  Seide 
und  Wolle  rein  gelbe  Färbungen. 

Beide  Farbstoffe  finden  nur  geringe  technische  Verwendung.  Benedikt. 

Chinolinroth  ist  ein  von  E.  Jacobson  entdeckter  Farbstoff,  welcher  nach 
Analogie  der  Triphenylmethanfarbstoffe,  insbesondere  des  Malachitgrüns,  aus  Benzo- 
trichlorid  und  einem  Gemisch  von  Chinolin  und  Chinaldin  gewonnen  wird.  Der 
Farbstoff  ist  in  kaltem  Wasser  unlöslich,  in  heissem  Wasser  schwerlöslich.  Die 
alkoholische  Lösung  ist  blauroth  mit  zinnoberrother  Flnoresoenz  und  zeigt  ein 
charakteristisches  Absorptionsspectrum.  Mit  concentrirter  Schwefelsaure  gibt  das 
Chinolinroth  eine  farblose  Lösung,  die  beim  Verdünnen  mit  Wasser  carminroth  wird. 

In  der  Färberei  hat  der  Farbstoff  noch  keine  Verwendung  gefunden ,  obwohl 
er  Seide  sehr  schön  roth  mit  prächtiger  Fluorescenz  färbt.  Dagegen  sind  in  letzter 
Zeit  mit  Chinolinroth  seusibilisirte  photographisehe  Platten  zur  Anwendnug  empfohlen 
worden.  Benedikt. 

Chinolsäure,  ».  ch  inaalkaloide,  Bd.  11,  pag.  687. 

Chinon.  Als  Chinone  bezeichnet  man  eine  grosse  Gruppe  von  Körpern,  welche 
mit  wenigen  Ausnahmen  Derivate  der  Kohlenwasserstoffe  der  aromatischen  Reihe 
sind.  Der  erste  Körper  dieser  Art  wurde  von  Woscresknsky  aus  der  Chinasäure 
hergestellt  und  von  ihm  Chinoyl  genannt ;  die  Bezeichnung  Chinon  ist  später  von 
Berzeliüs  eingeführt  worden.  Charakteristisch  für  die  Chinone  ist,  dass  sie  aus 
den  Kohlenwasserstoffen  der  aromatischen  Reihe  entstehen  durch  Substitution  zweier 
Moleküle  Wasserstoff  durch  2  Moleküle  Sauerstoff;  so  entspricht  z.  B. : 
dem  Benzol  CG  H0         das  Benzochinon  C„  H4  03 

„    Toluol  C7H8  „   Toluchinon  C^O, 

„    Xylol  C8  H,  0  „    Xylochinon  CA  HB  0. 

„    Thymol  Cl0  IIU        „    Tymochinon  CjoH.ÖO. 

„    Anthracen  CM  H10    „    Anthrachinon  CuH80;J 

„    Naphtalin  Cl0  Hö      „    Naphtochinon  C^H^Os  u.  s.  w. 

In  welcher  Weise  wir  uns  die  Substitution  zweier  Wasserstoffmoleküle 
durch  zwei  Sauerstoffmolekttle  zu  erklären  haben,  ist  noch  nicht  genügend  be- 
kannt. Denkbar  ist,  dass  die  Chinone  das  Endproduct  eines  Oxydationsprocesses 
sind,  der  (analog  der  Oxydation  der  Alkohole  der  Fettreihe  in  die  correspon- 
direnden  Säuren)  in  zwei  durchaus  verschiedenen  Stadien  verlaufen  würde,  der- 
gestalt, dass  der  erste  Theil  ein  Dchydrogenationsprocess  ist,  durch  welchen  dem 
Kohlenwasserstoff  C.H,,,.,  zwei  Moleküle  Wasserstoff  entzogen  werden,  so  dass 
ein  Radical  CnHa„_8  entstehen  würde,  welches  dann  im  weiteren  Vorlaufe  des 
Processes  zwei  Moleküle  Sauerstoff  an  sich  anlagern  würde.  Diese  meine  An- 
schauung trifft  thatsächlich  bei  einer  Anzahl  von  Chinoneu  zu,  aber  nur  bei  den- 
jenigen, welche  sich  von  den  Homologen  der  Naphtalinreihe  (Anthracen,  Phenantren. 
Fluoranthen,  Pyren,  Cbrysen,  Picen  u.  s.  w.)  ableiten.  In  der  That  gehen  die 
Kohlenwasserstoffe  der  Naphtalinreihe  bei  Behandlung  mit  Kaliuradichromat  und 
Schwefelsäure  verhältnissmässig  leicht  in  die  entsprechenden  Chinone  über,  z.  B. 
Phenantren  Sauerstoff  Phenantrenchiuon  Wasser. 
C14H10  +    30    =      CuH8.02     +  H20. 

-*      zed  by  Google 


68 


CHIXOX. 


Bei  den  Kohlenwasserstoffen  der  Benzolreibe  trifft  diese  Theorie  jedoch  nicht 
zu;  eine  directe  Oxydation  ist  hier  nicht  möglich;  nur  auf  dem  Umwege  der 
Oxydation  der  Monosubstitutionsproducte ,  noch  besser  und  leichter  der  Disub- 
stitutionsproducte,  welche  die  für  Wasserstoff  eingetretenen  Gruppen  OH,  NH2 
oder  S02OH  in  der  Parastellung  enthalten.  So  geben  die  Para-Dioxyverbindungen 
die  Paradiamine  und  die  Phenol-  und  Amin-Parasulfosäuren  mit  Leichtigkeit  die 
entsprechenden  Chinone.  Am  leichtesten  gelingt  die  Ueberführung  der  Dioxy- 
verbindungen  in  das  betreffende  Chinon.  Hier  verläuft  der  oben  erwähnte  Process 
in  der  Weise,  dass  zunächst  eine  Lockerung  zweier  Waaserstoffmoleküle  erfolgt, 
mit  welchen  sich  2  Mol.  8auerstoff  zu  2  Mol.  Hydroxyl  verbinden.  Beim  Benzol 
würde  also  die  Oxydation  in  der  Weise  erfolgen,  dass  für  je  2  Mol.  Wasserstoff 
2  Mol.  Hydroxyl  eintreten  : 

CH.+20  =  C.H4<g{{. 

Eine  Dchydrogenation  des  Dioxybenzols  (Hydrochinons)  führt  dann  zum  Chinon. 

C6  H4  (OH>,  —  H  =  C6  H4<^ 

Diese  Bildung  der  Chinone,  oder  besser  die  Bildung  dieser  Chinone  durch  Sub- 
stitution führt  nothgedrungen  zu  der  Annahme  einer  theilweisen  eigenen 
Bindung  der  beiden  Sauerstoffmoleküle,  so,  dass  dieselben  zur  Hälfte  sich  sättigen 

0  — 

und  einen  zweiwerthigen  Atomcomplex  ^      bilden,  der  dann  an  das  zweiwerthige 

Radical  C6  H4  sich  anlagert.  Diese  theilweise  und  eigene  Bindung  der  Sauerstoff- 
moleküle würde  genau  derjenigen  entsprechen ,  wie  wir  sie  im  Wasseretoffdioxyd 
(Wasserstoffsuperoxyd)  anzunehmen  gezwungen  sind.  Ueberhaupt  ist  das  Verhältniss 
der  Dioxysubstitutionsproducte  zu  den  entsprechenden  Chinonen  genau  dasselbe, 
wie  dasjenige  zwischen  Wasserstoffdioxyd  und  Wasser,  z.  B.: 

0  nu 
Wasserstoffdioxyd  H3<ö  Wasser  H-^jJ 

0  ()H 
Toluchinon  C7  Dioxytoluol  C7  H6QJR. 

Nach  dieser  Theorie  müssten  wir  die  Chinone  in  die  Reihe  derjenigen  Körper 
stellen,  welche  wie  das  Wasserstoffdioxyd,  das  Baryumsuperoxyd  und  ähnliche 
stark  oxydirende  Eigenschaften  besitzen.  Thatsächlich  oxydiren  sie  schweflige 
Säure  zu  Schwefelsäure,  und  gehen  dabei  unter  Aufnahme  zweier  Moleküle  Wasser- 
stoff in  die  entsprechenden  Hydrochinone  über,  wie  das  Wasserstoff-Dioxyd  in 
Wasser. 

Im  Gegensatz  zu  den  Chinonen  der  Benzolreihe  können  die  Chinone  der 
Naphtalin-  und  Antbracenreihe  nicht  in  die  Kategorie  der  Dioxyde  gerechnet 
werden ,  welche  oxydirende  Eigenschaften  besitzen ;  diese  Classe  enthält  den 
Sauerstoff  jedenfalls  anderweitig  gebunden,  und  man  nimmt  gegenwärtig  an,  dass 
derselbe  an  Kohlenstoff  gebunden,  in  denselben  in  Form  zweier  Carbonylgruppen 
vorhanden  sei.  Dadurch  würden  sich  diese  Chinone  als  Di-Ketone  darstellen,  was 
von  dem  Anthrachinon  und  dem  isomeren  Phenantrenchinon  thatsächlich  nachge- 
wiesen ist ,  so  dass  für  diese  die  Formel  C,  H^j^C«  H4  lauten  muss. 

Fittig  (Ber.  d.  deutsch,  chem  Gesellsch.  6,  167)  will  alle  Chinone  als  Di-Ketone 
betrachtet  wissen  und  vindicirt  z.  B.  dem  Prototyp  der  Chinone,  dem  Benzochinon, 

die  Formel  Ca  H2\^Nc.,  H2.    Das  ist  jedenfalls  nicht  richtig,   denn  wenn  der 

Sauerstoff  als  Carbonyl  im  Kern  enthalten  int,  wäre  die  Aufnahme  von  Wasserstoff- 
molekülen nicht  zu  erklären.  Es  scheint  mir  daher  nur  gerechtfertigt,  wenn  wir  zwei 
Chinongnippon  unterscheiden,  die  sich  vielleicht  als   Holochinone   und  Per- 

Digitized  by  Googl< 


CHI  XON. 


G9 


chinone  bezeichnen  Ii  essen.  Die  letztere  Classe  würde  denjenigen  Metallsuper- 
oxyden adäquat  sein ,  welche  erst  auf  Anregung  anderer  Agentien  einen  Theil 
ihres  Sauerstoffes  abgeben,  wie  z.  B.  das  Mangansuperoxyd,  Bleisnperoxyd 
u.  dergl. 

Die  meisten  Chinone  sind  Paraderivate ,  d.  h.  die  Sauerstoffmoleküle  befinden 
sich  an  den  Kohlenstoffmolekülen  1  und  4  der  KEKULK'schen  Benzolstructurformel. 
Das  ergibt  für  das  Benzochinon  folgende  Structurformel : 

C 

CH       !  CH 


0 


: 


H      ?  CH 


C 


Einige  der  hoher  molekularen  Chinone  sind  dagegen  Ortho- Verbindungen ;  die 
beiden  Sauerstoffatome  derselben  befinden  sich  an  zwei  benachbarten  Kohlenstoff- 
atomen; hierher  gehört  z.  B.  das  ß-Naphtochinon  und  Phenantrenchinon. 

Die  Chinone  besitzen  weder  saure  noch  basische  Eigenschaften;  den  Holo- 
chinonen  vornehmlich  kommt  die  Eigenschaft  zu,  durch  Reductionsmittel  2  Mol.  H 
aufzunehmen  und  dadurch  in  Hydrochinone  überzugehen,  welche  durch  Oxy- 
dation wieder  in  Chinone  übergeführt  werden  können.  Bei  unvollständiger  Reduction 
bilden  sich  intermediäre  Verbindungen,  Chinchinone;  dieselben  können  auch 
dnrch  ungenügende  Oxydation  aus  Hydrochinonen  gewonnen  werden ,  sowie  auch 
darch  Mischen  entsprechender  Mengen  des  Chinons  und  Hydrochinons.  Die  Chinone 
vereinigen  Bich  auch  mit  1  Mol.  eines  anderen  zweiwerthigen  oder  2  Mol.  eines 
einwerthigen  Phenols:  derartige  Verbindungen  heissen  Phenochinone.  Die 
Per-Chinone  verbinden  sich  nach  Art  der  Ketone  mit  saurem  schwefligsaurem  Natron. 
Chlor  und  Brom  wirken  zunächst  redneirend  und  lagern  sich  dann  an  das  gebildete 
Hydrochinon  direct  an 

0  ,OHCl 


CöH4<i  +  2HCl  =  CüHtQ^. 


Bei  fortgesetztem  Chloriren  substituirt  CI  oder  Br  nach  und  nach  den  Wasser- 
stoff in  der  Gruppe  C«  H, ;  z.  B.  Ott  H,  .  (OH)3  Cl2  +  Ol  =  Cfl  Hs  Cl .  (OH)2  Cl2. 

Schliesslich  lassen  sich  alle  H-Mol.  des  Benzolkerns  durch  Cl  oder  Br  ersetzen ; 
es  entsteht  also  zuletzt  0„  Cl4  .  (OH)2  Cl».  Derartige  Substitutionsproduete  ersetzen 
sehr  leicht  2  Halogenatome  dnrch  Hydroxyl ;  es  entsteht  dann  C6  Cl2  (OH)»  .  (OH)2  Cl2. 
Derartige  Verbindungen  haben  den  Charakter  einer  Säure  und  heissen  dann 
Chinonsäuren;  solche  sind  z.  B.  die  Chloranilsäure. 

Charakteristisch  für  die  Chinone  ist  die  Aufnahme  von  1  oder  2  Mol.  Amid 
in  den  Benzolkern  bei  Behandlung  mit  Ammoniak  —  besser  noch  mit  Aminbasen 
—  unter  gleichzeitiger  Bildung  von  Hydrochinon,  z.  B. : 

0  \  i 

3  C4  H4<^  +  2C6  H, .  (NH»)  =  C6  Ii,  (NHC,  H.)ä  02  +  2  0,  H4  <^jj 

Ohinon    Amidobenzol  (Anilin)  Dianilidochinou  Hydrochinon. 

Die  Chinone  sind  sämmtlich  lebhaft  gefärbt,  desgleichen  die  Derivate,  wie  auch 
die  Chinchinone  und  die  Phenochinone;  die  Hydrochinone  sind  dagegen  farblos. 
Die  Farbe  der  Obinonverbindungen  scheint  mit  der  höheren  Molekularisirung  in 
einem  gewisieu  Verhältniss  zu  stehen;  die  minder  kohlenstoffreichen  erseheinen 
gelb,  mit  der  Zunahme  des  Kohlenstoffgehaltes  gebt  die  Farbe  von  Roth  bis  in's 
Violett  über. 

Viele  Chinouderivate  finden  ausgedehnte  Anwendung  in  der  Technik  als  ge- 
schätzte Farbstoffe,  so  das  Alizarin  (Dioxy-Anthrachinon)  und  dessen  Salze  und  die 
sogenannten  Cbinonfarbstofle. 


Digitized  by  Google 


70 


CHINON.  —  CHIOCOCCA. 


Die  Chiuone  sind  sämmtlich  feste  Körper,  die  der  Benzolreihe  sind  alle  ziem- 
lich leicht  in  Wasser,  «ehr  leicht  in  Alkohol,  Aether,  Benzol  etc.  löslich,  sie  sub- 
limiren  unzersetzt  und  verflüchtigen  sich  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  etwas; 
sie  besitzen  einen  starken,  jodähnlichen  Geruch  und  färben  auch  ähnlich  wie  dieses, 
die  Haut  gelb.  Mit  der  Zunahme  der  Intensität  der  Farbe  nimmt  diese  Eigen- 
schaft ab. 

Gemeinhin  bezeichnet  man  den  Hauptvertreter  dieser  Gruppe,  das  Benzochinon, 

0 

als  C  h  i  n  o  n  :  ihm  gehört  die  Formel  C6  ?  eR  wird  gewonnen  durch  Oxy- 
dation von  Hydrochinon  oder  Anilin  mit  Chromsäure.  Es  bildet  lange  gelbe 
Prismen,  sublimirt  in  goldgelben  Nadeln,  schmilzt  bei  115 — 116°,  riecht  durch- 
dringend chlorähnlich,  die  wässerige  Lösung  färbt  die  Haut  braun.  Spec.  Gew. 
1.307 — 1.318.  Das  Cbinon  wird  nachgewiesen  durch  Hydro-Coerulignon ;  eine 
wässrige  ChinonlÖsung  färbt  sich  auf  Zusatz  von  1 — 2  Tropfen  einer  alkalischen 
Lösung  dieses  Reagens  sofort  gelbroth  und  scheidet  unter  Entfärbung  stahlblau 
schimmernde  Nadeln  von  Coeruliguou  ab;  mittelst  dieses  Reagens  lassen  sich  noeh 
6  mg  Chinon  im  Liter  Wasser  nachweisen. 

Von  den  Derivaten  sind  am  bekanntesten  das  Dichlorchinon ,  das  Tetrachlor- 
chinon  (Chloranil) ,  das  Di-  und  Tetrabromchinon  (Bromanil),  das  Chinchinon 
(oder  Chinfaydron,  grünes  Hydrochinon),  die  Chloranilsäure  und  Bromanilsäure. 

Ganswindt. 

Chinoquinine,  ein  Gemenge  der  sämmtlichen  fällbaren  Basen  von  Cinchona 
surcirubra ,  au  Salzsäure  gebunden,  wurde  als  Ersatz  der  reinen  Cbinabasen  in 
den  Handel  gebracht. 

ChinOVagerbsäure,  die  Gerbsäure  in  der  Rinde  von  China  nova.  Man  fällt 
das  wässerige  Decoct  durch  Bleizucker.  Durchsichtige,  bernsteingelbe  Massen,  lös- 
lich in  Wasser  und  Alkohol,  unlöslich  in  Aether.  Gibt  mit  Eisenchlorid  eine  grüne 
Färbung  und  zerfällt  beim  Kochen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  in  Zucker  und 
Chinovaroth. 

ChinOVaroth.  In  der  Rinde  von  China  nova  (Cascarilla  magnifolia  Endl.).  Fast 
schwarzes,  glänzendes  Harz,  unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Alkohol,  Aether, 
Alkalien,    (übt  mit  Eisenchlorid  keine  Färbung. 

Chinovasäure,  c„  H^Oj,  kommt  in  der  Tormentillwurzel  vor;  bildet  sich 
beim  Behandeln  von  Chinovin  mit  alkoholischer  Salzsäure,  noch  leichter  durch  Be- 
handeln mit  Natriumamalgani  in  schwach  alkoholischer  Lösung.  Unlöslich  in  Wasser, 
sehr  wenig  löslich  in  kaltem  Alkohol,  wenig  in  Aether.  Schwache  Säure. 

ChinOVill,  Chiuovabitter,  Cs0  H18  08.  Ein  in  fast  allen  Chinarinden  und  im  • 
Holz  und  den  Wurzeln  fast  aller  Chinapflanzen  vorkommendes  Glycosid.  Das  durch 
Kochen  mit  Kalkmilch ,  Fällen  und  Abkochung  mit  Salzsäure  und  wiederholtes 
Reinigen  dargestellte  Chinovin  bildet  eine  amorphe  gummiähnliche  Masse;  leicht 
löslich  in  Alkohol  und  Chloroform,  weniger  in  Aether,  kaum  löslich  in  Wasser.  Zer- 
fällt beim  Einleiten  von  Salzsäure  in  die  heisse  alkoholische  Lösung  in  Chinova- 
säure und  einen  Zucker.  Ganswindt. 

ChiOCOCCa,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfanülie  der  Bubiaceae; 
Sträuchcr  des  tropischen  Amerika  mit  gegenständigen ,  tiederigen  Blättern  und 
breiten,  dreieckigen  Nebenblättern.  Die  intloresceuzen  sind  achse^,  und  gegen- 
ständig, die  ltlüthen  meist  zwittrig,  fünfzählig,  Fruchtknoten  zwei-,  selten  drei- 
tiu  herig,  zu  kleinen  zweisamigeu,  von  dem  gezähuten  Kelchraude  gekrönten  Stein- 
früchten sich  entwickelnd. 

Chiucoca  racemosa  Ja*'q.  (Ch,  braehiata  liuiz  uud  Pav.,  Ch.  pani- 
cnluta  und  parviffor«  W'ilhL)  ein  besonder*  in  Südamerika,  Westindien,  Mexico 


Digitized  by  Google 


CH10C0CCA.  —  CHITIN. 


71 


and  Florida  einheimischer,  kleiner,  kletternder  Strauch  mit  eiförmig  zugespitzten, 
glänzenden  Blättern,  achselständigen,  in  Trauben  stehenden,  weiss-gelblicheu,  wohl- 
riechenden Blütheu  und  schueewcissen  (Chiococca  von  ^to>v  Schnee  und  scö/jco;  Beere) 
iweisamigen  Beeren,  ist  die  Stammpflanze  der  Caluca- Wurzel  (s.  Bd.  II,  pag.  458 

Von  Ch.  angtrifaga  Marl,  und  Ch.  densifolia  Mart.,  stammt  die  ihr  ähnliche 
Radix  Serpentartne  brasiliensia. 

Chionanthus,  Gattu  ng  der  Olcacme.  —  Holz^ewächse  des  nördlichen  Amerika 
und  wärmeren  Asien.  Blätter  gcgeustäudig,  einfach;  traubige  Inflorescenzen  und 
gelben  Blflthcn  mit  sehr  kurzer  Kronenröhre;  Steinfrüchte.  Aus  der  Rinde  von 
Cii.  virginica  L.,  Fringe-tree,  wird  ein  FIuid-Extraet  bereitet,  welches  als 
Tonieum  verwendet  wird. 

Chios-Terpentin,  vor  ein  paar  Jahren  mit  grosser  Reelame,  besonders  von 
England  aus,  als  untrügliches  Mittel  gegen  Krebs  empfohlen,  hat  sich  zu  diesem 
Zweck  als  völlig  nutzlos  erwiesen  und  gegenwärtig  seine  Rolle  längst  ausgespielt. 
Der  fragliche  Terpentin  sollte  von  der  Insel  Chios  kommen  und  von  Pistacia 
Terelrinthus  L.  gewonnen  werden. 

Chiragra         Hand  uud  xvpa,  Falle,  das  Gefangene),  die  Handgicht. 

Chiratin,  ein  in  den  Stengeln  von  Swertia  Chirata  vorkommendes  Glycosid. 
Man  gewinnt  es  aus  diesen  durch  Kochen  mit  Alkohol  von  GO  Procent ,  Ab- 
destilliren  des  Alkohols  und  Eindampfen  mit  Bleicarbouat  zur  Trockne.  Der  Rück- 
stand wird  mit  Alkohol  ausgekocht,  der  Alkohol  abgedunstet  und  der  Rest  mit 
Wasser  behandelt.  Das  in  Lösung  Gehende  ist  Ophelia  säure,  der  Rückstand 
Chiratin.  Dunkelgelbe,  harzige  Tropfen,  die  beim  Stehen  bräunlich  krystallinisch 
werden.  Leicht  löslich  in  Alkohol,  Aether,  Chloroform ;  schwer  in  Wasser.  Schmeckt 
sehr  bitter  und  zerfällt  beim  Erhitzen  mit  verdünnter  Salzsäure  in  Opheliasäure 
und  Chiratogenin.  Ganswind t. 

ChiratOgenin,  ein  Spaltungsproduct  des  Chiratin«  (s.d.).  Gelbbraune 
amorphe  bittere  Substanz,  leicht  löslich  in  Weingeist,  fast  unlöslich  in  Wasser, 
neutral ;  nicht  fällbar  durch  Gerbsäure  und  FEHMXG'sche  Lösung  nicht  reducirend. 

Gans  win  dt. 

Chiretta,  Chi  rata,  ist  das  Kraut  von  Sicertia  Chirata  Grüeb.  (Gentia- 
naceae),  einer  ©,  in  den  Gebirgen  Nord -Indiens  heimischen  Pflanze,  welche  vor 
Beginn  der  Fruchtbildung  gesammelt  uud  als  Bittermittel,  wie  bei  uns  Centaurium 
(r.  Bd.  II,  pag.  61o,j  verwendet  wird  (Ph.  Uu.  St.).  Die  Blätter  sind  ei-  oder  herz- 
eiförmig, zugespitzt,  gegenständig  sitzend,  5 — 7  nervig,  die  kleinen ,  gelben 
vierzähligen  Blütheu  iu  lockereu  Trugdolden.  Die  wirksamen  Bestandteile  sind: 
Chiratin  (CSfi  H48  016)  und  Opheliasäure  (C1S  H20  O10). 

ChirOflia,  GentianeenGntUing,  deren  Arten  jetzt  meist  zu  En/thraca  Rieh. 
gezogen  werden. 

Chirurgie  (ysif,  Hand  uud  spyw.  ich  wirke;  ist  die  kuustgemässe  Ausführung 
von  Operationen  zu  Heilzwecken,  gleichgültig,  ob  mit  oder  ohne  Instrumente. 

Chiteniü,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  073. 

Chitin  (CB0  HI0,  N„  Os8  4-n[H20]?)  ist  ein  bei  den  Gliederthieren  vorkom- 
mender Gewebsbestandtheil  von  grosser  Resistenz.  Es  wird  aus  den  Panzern 
grosser  Krebse,  aus  den  Flügeldecken  von  Maikäfern  dargestellt,  indem  man  zu- 
nächst bei  Krebsen  die  anorganischen  Salze  durch  Waschen  mit  verdünnter  Salz- 
sflure entfernt,  mit  verdünnter  Kalilange  kocht,  dann  mit  Wasser,  Alkohol  und 
Aether  auskocht  und  wäscht.  Nach  Behandeln  des  Rückstandes  mit  einer  Lösung 
von  übermangansaurem  Kali  erhält  man  das  Chitin  vollkommen  weiss.  Das  Chitin 
kann  nur  unter  Veränderung  seiner  Beschaffenheit  gelöst  werden.  Bei  längerer  Ein- 


Digitized  by  Google 


72 


CHITIN.  —  CHLOR. 


Wirkung  von  concentrirter  Schwefelsäure  und  heisser  concentrirter  Salzsäure  wird 
es  zu  Glycosamin,  C6H18N05,  umgewandelt,  daneben  bilden  sich  Ameisensäure, 
Essigsäure,  Buttersäure.  Nach  Sundvik  (Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  Bd.  V)  ver- 
hält sich  da«  Chitin  zum  Glycosamin  ähnlich  wie  Cellulpse  zu  Traubenzucker, 
während  man  es  früher  für  ein  thierisches  Glycosid  hielt.  Loe bisch. 

ChitiQnd.no  bei  Arezzo,  kalte  alkalische  Eisenquellen. 

Chläenaceae,  eine  Familie  der  Cistißorae,  zumeist  der  Flora  Madagascars 
angehörig.  Es  sind  kleine  Sträucher  mit  glänzenden  Blättern.  —  Charakter :  Kelch 
klein.  3blätterig,  Krone  5—6-  (selten  11— 12)blätterig.  Staubgefässe  zahlreich. 
Griffel  1.  Frucht  eine  1— 3fächerige  Kapsel  oder  eine  öfäcberige  Beere. 

Chlor.  Cl  =  35.37.  Geschichtliches.  Scheele,  welcher  1774  das  Chlor 
bei  Einwirkung  von  Salzsäure  auf  Braunstein  entdeckte,  nannte  es  der  damals 
herrschenden  Theorie  entsprechend  „dephlogistisirte  Salzsäure".  11  Jahre  später 
bezeichnete  es  Bertholet,  als  Antiphlogistiker,  mit  „oxydirter  Salzsäure",  weil  er 
darin  Sauerstoff  vermuthete.  Nachdem  Gay-Lussac  und  Thenard  durch  Experi- 
mente den  elementaren  Charakter  des  Chlors  nachgewiesen,  erhielt  es  1809  von 
Davy  seinen  jetzigen  Namen  (//o>po;,  grünlich). 

Vorkommen.  Wie  alle  Halogene  (8alzbildner)  findet  sich  Chlor  wegen 
seiner  grossen  Verwandtschaft  zu  anderen  Elementen  in  der  Natur  nur  in  gebun- 
denem Zustande,  niemals  frei ,  dann  aber  in  allen  drei  Reichen ,  namentlich  in 
grosser  Menge  im  Meerwasser,  in  Salzsoolen  und  Salzlagcrn  als  Chlornatrium,  als 
Carnallit  (K  Cl .  Mg  Cls  .  6  H3  0) ,  Tachhydrit  (Ca  CI3  .  2  Mg  Cl2  .  12  H2  0),  Sylvin 
(K  Cl)  in  den  Stassfnrter  Abraumsalzen ,  in  geringen  Mengen  an  Blei ,  Silber, 
Quecksilber ,  Kupfer  und  Eisen  gebunden ,  als  Salmiak  und  Salzsäure  in  den 
Exhalationsproducten  thätiger  Vulcane.  Die  am  Meeresufer  wachsenden  Pflanzen 
sind  besonders  reich  an  Chlormetallen  :  im  Thierkörper  spielen  die  Chloralkalien 
eine  wichtige  Rolle,  ebenso  freie  Salzsäure  (im  Magensaft). 

Darstellung:  Diese  geschieht  in  der  Regel  aus  Braunstein  und  Salz- 
säure, oder  aus  Kochsalz,  Schwefelsäure  und  Braunstein  (s.  Art.  Chlorkalk) 
oder  aus  Kaliumdichromat  und  Salzsäure  (s.  Art.  Chlorwasser)  unter  Er- 
wärmen der  genannten  Substanzen,  oder  auch  im  (»rossen  nach  dem  Verfahren 
von  Deacon  (a  Art.  Chlorkalk}.  Als  Eutwickelungsgofässe  nimmt  man  im 
Kleinen  Glaskolben,  im  Grossen  Gefässe  ans  Steinzeug  oder  Chamottmasse,  sog. 
Bombonnes,  in  die  ein  thönerner  Siebkorb  mit  Braunsteinstucken  (in  die  Salzsäure) 
eingesenkt  wird ;  ferner  auch  geschlossene  Kasten  von  Sandstein,  die  mit  Kautschuk- 
einlagen gedichtet  und  mit  Asphalt  überstrichen  sind.  Das  sich  entwickelnde  Gaa 
wird  weiter  durch  Zwischenflaschen  geleitet,  gewaschen  und  für  die  speciellen 
Zwecke  weiter  verwandt. 

Eigenschaften.  Das  Chlor  ist  bei  gewöhnlichen  Druck-  und  Temperatur- 
verhältuissen  ein  gelbliebgrünes  Gas ,  färbt  sich  beim  Erwärmen  dunkler  und 
besitzt  in  zusammengepresstem  Zustande  eine  pomeranzengelbe  Farbe  (SchöNBELN). 
Selbst  stark  verdünnt  zeichnet  Chlor  sieh  durch  eiuen  höchst  charakteristischen 
Geruch  aus  und  erzeugt,  eingeathmet,  heftigen  Husten  und  weiterhin  Erstickungs- 
anfälle, Bluts]>eien  u.  s.  w.  Als  Gegenmittel  werden  Inhalationen  von  Alkohol-  mit 
und  ohne  Aetherdampf,  ebenso  Anilindampf  empfohlen.  Chlorgas  ist  selbst  nicht 
brennbar,  aber  eine  Talgkerze  oder  Leuchtgasflaramc  brennen,  iu  das  Gas  eingeführt, 
mit  stark  russeuder  Flamme  unter  Salzsilurebildung  uud  Abscheiduug  von  Kohle 
weiter.  Durch  Abkühlung  auf  —  40°  oder  Druck  von  4  Atmosphären  bei  15° 
verdichtet  sich  das  Gas  zu  einer  Flüssigkeit  (spec.  Gew.  =  1.33).  Das  spec. 
Gew.  de*  Gases  ist  35.5  (H  =  1)  oder  2.45  (Luft  =  1).  11  Chlorgas  wiegt  bei 
0°  und  TGOnim  Druck  3.1808  g.  Wasser  löst  Chlor  je  nach  der  Temperatur  in 
grösserer  oder  geringerer  Menge,  z.  B.  bei  9 — 10°  (Maximum)  2.585  Vol.,  bei  25a 
1.050  Vol.,  bei  40»  1.3«5Vol.,  während  die  Lüsliehkeit  bei  100°  gleich  Null  ist. 

Digitized  by  Google 


CHLOR.  —  CHLOR A  ETHYLEN. 


73 


Chlor  besitzt  zu  vielen  Elementen  energische  Verwandtschaft,  besonders  zu 
Wasserstoff  und  zu  den  Metallen,  verbindet  sich  bei  gewöhnlicher  Temperatur  mit 
Phosphor,  Arsen  und  Antimon  unter  Feuererscheinung.  Je  nach  der  Menge  des  Chlors 
in  seinen  Verbindungen,  speciell  den  mit  Metallen,  bezeichnet  man  dieselben  als 
Cblorüre  oder  Chloride  oder  auch  als  einfache  und  mehrfache  Chlorver- 
bindungen. Mit  Wasserstoff  vereinigt  sich  Chlor  nicht  im  Dunkeln ,  wohl,  aber 
im  zerstreuten  Tageslicht,  im  Sonnenlicht  sogar  unter  Explosion.  Auf  der  grossen 
Verwandtschaft  des  Chlors  zum  Wasserstoff  beruht  die  bleichende  und  auch  des- 
inficirende  Wirkung  des  ersteren,  auch  ist  dieser  Verwandtschaft  die  geringe  Halt- 
barkeit des  Chlorwassers  und  die  Substitution  des  Chlores  in  organischen  Ver- 
bindungen beizumessen,  indem  es  sich  u.  a.  mit  dem  Wasserstoff  (organische 
Farbstoffe  und  Miasmen)  vereinigt,  während  der  freiwerdende  Sauerstoff  oxydirend 
und  zersetzend  wirkt.  Desshalb  lassen  sich  z.  B.  mit  Chlor  gebleichte  Farben  nicht 
mehr  wieder  herstellen.  Brom  und  Jod  werden  durch  Chlor  aus  ihren  Verbindungen 
abgeschieden,  worauf  sich  der 

Nachweis  des  letzteren  in  erster  Reihe  stützt.  Zu  diesem  Zweck  versetzt 
man  entweder  die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  mit  einigen  Tropfen  Jodkalium- 
lösung und  Chloroform  und  schüttelt  durch,  worauf  sich  letzteres  bei  Gegenwart 
von  Chlor  violett  (braunroth  bei  grosseren  Mengen  ausgeschiedenen  Jods)  färbt, 
oder  man  gibt  zu  einer  Jodzink-  oder  Jodkaliunistärkelösung  einige  Tropfen  der 
fraglichen  Cblorlösung.  Chlor  erzeugt  Bläuung  zufolge  Bildung  von  Jodstärke.  In 
beiden  Fällen  hat  man  jedoch  einen  üeberschuss  an  Chlor  zn  vermeiden,  der 
eventuell  die  Färbung  zerstört. 

Der  Nachweis  von  gebundenem  Chlor  geschieht  in  salpetersaurer  Lösung  durch 
Silbernitrat ,  welches  einen  weissen .  beim  Schütteln  flockig  käsigen  Niederschlag 
von  Cblorsilber,  AgCI,  gibt,  der  unlöslich  in  Salpetersäure,  leicht  löslich  in  Am- 
moniak, ebenso  in  Cyankalium  und  Natriumthiosulfat  ist.  Diese  Eigenschaft  des 
Chlorsilbers  wird  gleichzeitig  zur  quantitativen  Gewicbtsbeetimmung  von  gebundenem 
Chlor  benutzt ;  maassanalytische  Bestimmung  des  freien  Chlors  s.  Chlorwasser 
und  Chlorkalk.  In  organischen  Verbindungen  wird  Chlor  durch  Mischen  der 
Substanz  mit  Calciumoxyd ,  Glühen  (wobei  sich  Chlorcalcium  bildet).  Lösen  des 
Rückstandes  in  verdünnter  Salzsäure  und  Zusatz  von  Silbemitrat  nachgewiesen. 
Entzündbare,  chlorhaltige  organische  Körper  brennen  mit  grflu  gesäumter  Flamme. 

K.  T h ü mm e  1. 

ChlOr-Alum,  Chloratum,  ist  der  Name  eines  zuerst  von  England  aus  in  den 
Handel  gekommenen,  flttssigen  Desinfektionsmittels.  Es  wird  dargestellt  durch 
Auflösen  von  Thon  in  roher  Salzsäure  oder  dnreh  Wecbselzersetzung  von 
rohem  Thonerdesulfat  mit  Chlorcalcium  und  besteht  sonach  hauptsächlich  aus 
Aluminiumchlorid.  Chloratum  -  Powder  ist  dasselbe  Präparat  in  coneen- 
trirter  Form  mit  so  viel  Thonmergcl  durchmischt,  dass  ein  fast  trockenes  Pulver 
entsteht.  Aehnliche  Präparate  sind  Brom-Chlor- Aluin  und  Jodobromide-Calcium- 
Compound. 

ChlOra,  Gattuug  der  (lentianoceae,  Uuterfamilie  Gent-iawae.  ©  Kräuter  mit 
Maugrünen,  gegenständigen  Blättern  uud  gelben  6 — 8zähligen  Bltithen.  Die  Corolle 
ist  kurzröhrig,  die  Staubgefässe  sind  der  Röhre  eingefügt,  der  oberständige 
Fruchtknoten  trägt  einen  fadenförmigen  Griffel  mit  zweilappiger  Narbe,  die  Frucht 
ist  eine  einfächerige  Kapsel. 

C/ilora  perfoliataL.  charakterisirt  durch  dreieckig-eiförmige,  zusammen- 
gewachsene Stengelblätter,  war  als  Hrrba  Centaitret  lutei  officinell  und  wird 
im  südlichen  und  westlichen  Europa  noch  als  Bittermittel  verwendet.  —  S.  C  e  n- 
taurium,  Bd.  II,  pag.  015. 

Chloracetyl,  *.  Acetyi,  Bd.  i,  Pag.  «i. 

Chloraethylen,  s.  Aeth  ylenum  chloratum.  Bd.  I.  pag.  1»J7. 

Digitized  by  Google 


74 


CHLORAL  -  CHLORALHYDRAT. 


Chloral,  Trichloracetaldehyd,  CCls.CHO,  von  Liebig  als  End- 
product  bei  der  Einwirkung  von  Chlor  auf  Alkohol  erhalteu  ,  C  H3  .  C  H3  0  H  + 
4CL,  =  CC1S  .CHO  +  5  HG. 

Darstellung.  Man  leitet  einen  langsamen,  jedoch  stetigen  Strom  trockenen 
Chlorgases  in  96procentigen  Alkohol,  bis  ersteres  nicht  weiter  aufgenommen  wird, 
resp.  keine  salzsaurcn  Dampfe  mehr  austreten.  Anfänglich  wird  das  Gemisch  ge- 
kühlt, dann  aber  bis  auf  60°  erwärmt.  Das  Product  behandelt  man  zur  Abscheidung 
des  Chloralg  (Zersetzung  des  gebildeten  Chloralalkoholats  und  -hydrats)  und  zur 
Zerstörung  anderer  Chlorderivate  mit  Schwefelsäure,  trocknet  und  rectificirt  über 
Soda.  Zunächst  entsteht  hierbei  Aldehyd  und  Salzsäure,  C  Hs  .  C  Ha  OH  +  Cl2  = 
CH3  .  CHO  +  2H  Cl,  dann  wird  Monochloräther  aus  Salzsäure  und  Alkohol 
gebildet ,  welcher  durch  Chlor  in  Tetrachlorätber  Ubergeht ,  um  dann  weiter 
durch  Alkohol  in  Salzsäure  und  Trieb loracetal  und  durch  Wasser  in  Chloral 
und  Chloräthyl  zu  zerfallen  (Jacobsen  ,  Neumeister,  Berl.  Berichte.  15. 
pag.  600). 

Eigenschaften.  Das  Chloral  ist  eine  bei  1»7.2U  siedende,  farblose,  leicht 
bewegliche  Flüssigkeit  von  eigentümlich  süsslichem ,  stechendem  Geruch  und 
bitterem  Geschmack.  Es  reagirt  neutral,  löst  sich  leicht  in  allen  gebräuchlichen 
Lösungsmitteln  und  besitzt  bei  0°  ein  spec.  Gew.  von  1.548.  Durch  wässerige 
Aetzalkalien  wird  es  in  Chloroform  und  ameisensaure  Salze  zerlegt,  C  Cl3  .  CHO  -r- 
KOH  =  CHCI,  +  HCOOK. 

Da  es  der  Aldehyd  der  Trichloressigsäure,  C  Cl,  .  CO  OH,  ist,  so  zeigt  es  auch 
fast  alle  typischen  Eigenschaften  der  Aldehyde,  reducirt  ammoniakalische  Silber- 
lösung beim  Erwärmen,  wird  von  rauchender  Salpetersäure  zu  Trichloressigsäure 
oxydirt,  verbindet  sich  mit  Alkalidisulfiten  u.  s.  w.  In  nicht  reinem  Zustande, 
besondere  rasch  beim  Mischen  mit  6  Tb.  Schwefelsäure,  polymerisirt  es  sich  zu 
Metachloral  (C  Cl,  .  C  HO)  x  ,  erstarrt  dabei  zu  einer  weissen ,  porzellanartigen 
Masse,  die  bei  der  Destillation  wieder  in  gewöhnliches  Chloral  übergeht.  Polymere 
Producto  entstehen  auch  durch  Contact  mit  Trimethylamin,  N(CH3)j,  und  Fluorbor, 
BoFl3,  überhaupt  wird  es  durch  eine  ganze  Anzahl  Körper  zerlegt.  Mit  Wasser  und 
Alkohol  zusammengebracht  vereinigt  es  sich  direct  zu  Chloralhydrat-  und  -alkoholat. 

Chloraläthylalkoholat,  c  ci,<^J  H  . 

Darstellung  s.  vor.  Art.  Weisse  Prismen,  in  Wasser  langsam,  aber  reichlich 
löslich,  Schmelzpunkt  46°.  Siedepunkt  115°,  wird  durch  Aeetylchlorid,  CH,.C0C1. 

/C  H 

in  Clüoralessigäther ,   C  ( \  .  C  H0\q£.q( ,  ^  ,   fibergeführt.    Beim   Erhitzen  auf 

Platinblech  entzündet  es  sich  und  verbrennt  mit  russeuder ,  grüugesäumter 
Flamme  (Unterschied  vom  Chloralhydrat).  Cbloralalkoholat  ist  als  Verunreinigung 
des  Chloralhydrats  vorgekommen,  besitzt  die  schlafbringende  Wirkung  des  letzteren. 

Choralhydrat,    Chloratum  hydratum,    Hydrate  de  Chloral,   Chloral  hydras, 

oa,.CH<g«. 

Darstellung.  Diese  geschieht  durch  Mischen  äquivalenter  Mengen  reinen 
Chlorais  (100  Th.  mit  Wasser  (7 — 7.5  Th.  1,  wobei  sich  die  Mischung  stark 
erwärmt,  und  nachfolgendes  llmkrystallisiren  der  erstarrten  Masse  aus  Chloroform 
oder  einem  Gemenge  von  Aethylen-  und  Acthylideucblorid  (Nebenproducte  bei 
der  Fabrikation  des  Chlorais  im  Grossen). 

Eigenschaften.  Das  Chloralhydrat  erscheint  in  farblosen,  luft beständigen 
Krystallen  (monokline  Tafelu),  von  stechendem  Geruch,  schwach  bitterem,  ätzen- 
dem Geschmack,  die  bei  57°  schmelzen,  bei  97.5 '  sieden,  dabei  in  Chloral  nnd 
Wasser  zerfallend.  Letztere*  geschieht  auch  beim  l'ehergie-*en  mit  Schwefelsäure, 
wobei  sich  das  ausgeschiedene  Chloral  über  der  Saure  ansammelt.  Chloralhydrat 
löst  sieh  leicht  in  Wasser.  Alkohol  und  Aether,  schwerer  in  Schwefelkohlenstoff, 


Digitized  by  Google 


1 


CHLORALHYDRAT.  —  CHL.ORALRE.HiEX;>.  75 

Benzol,  Ligroin  u.  s.  w.,  nicht  in  kaltem  Chloroform.  Es  verbindet  sieb  mit  den 
Alkoholen  der  Fettreihe,  nicht  aber  mit  denen  der  aromatischen  Reihe.  Aetzende 
und  kohlensaure  Alkalien  zerlegen  es  in  Chloroform,  ameisensaures  Salz  uud  Wasser, 
C  Ol, .  CH  (0H)3  +  Na  OH  =  OH  Cl3  +  H  000  Na  +  H2  O,  worauf  seine  titrimetrische 
Bestimmung  beruht  (s.  u.). 

Prüfung.  Beim  Vorhandensein  von  Salzsäure  röthet  eine  alkoholische  Lösung 
des  Chloralhydrats  (1:10)  blaues  Lackmuspapier  und  gibt  mit  Salpetersäure  und 
Silbernitrat  versetzt  Opalisirung.  Chloraläthylalkoholat  macht  sich  beim  Erhitzen 
auf  Platinblech  bemerkbar,  indem  es  sich  entzündet  und  mit  rossender  Flamme 
brennt.  Ebenso  entsteht  beim  Uebergiessen  und  Erwärmen  eines  alkoholhaltigen 
Chloralhydrats  mit  Salpetersäure  (spee.  Gew.  1.2}  eine  heftige  Reaction  und  Ent- 
wicklung braunrother  Dämpfe.  Da  nach  der  vorigen  Gleichung  durch  Einwirkung 
von  Aetzalkalieu  auf  Chloralhydrat  27.71»  Procent  (aus  Cbloralalkobolat  23.77 
Procent)  Ameisensäure  entstehen,  so  benutzt  man  die  bezeichnete  Wechselwirkung 
zur  quantitativen  Bestimmung  des  Chloralhydrats.  Man  bringt  2— 3  g  (genau 
gewogen)  desselben  in  ein  passendes  Fläschchen  mit  Glasstöpsel ,  lässt  20 — 30ccm 
Normalalkalilauge  zufliessen,  verbindet  das  Gefäss  und  stellt  es  etwa  eine  halbe 
Stunde  in's  Wasserbad.  Nach  dem  Abkühlen  wird  mit  Lackmus  tingirt  und  die 
überschüssig  zugesetzte  Lauge  durch  NormalRänre  zurückgemessen. 

K  OH  +  C  Cl3 .  CH  (OH),  =  H  COO  K  +  CH  Cls  -f  H2  0. 
56.1  165 

leem  Normalalkalilauge  (=0.0561  KOH)  steht  mithin  0.165  g  Chloralhydrat 
gleich.  Sind  z.  B.  2.*39  g  Chloralhydrat  und  20.2  cem  Normalalkalilauge  genommen, 
dann  nach  der  Umsetzung  3.1  cem  Normalsäure  zur  Neutralisation  des  über- 
Hchüssigen  Alkalis  gebraucht,  so  enthielt  das  untersuchte  Präparat  99.3  Procent 
Chloralhydrat,  denn  20.2  —  3.1  =  17.1  x  0-165  =  2.8215  und  2.839:2.821  = 
100 :  x  (x  =  99.3). 

Anwendung.  Liebreich,  welcher  zuerst  das  Chloralhydrat  in  den  Arznei- 
schatz  als  Hypnoticum  und  Anaestheticum  einführte,  vermuthete,  dass  es  im 
Organismus  durch  Einwirkung  der  alkalischen  Säfte  desselben  in  Formiat  und 
Chloroform  gespalten  werde,  und  die  Wirkung  des  letzteren  dadurch  weit  sicherer 
und  günstiger  sei,  als  wenn  es  als  solches  (Chloroform)  dem  Körper  zugeführt 
würde.  Obwohl  die  Versuche  Likbrkich's  diese  Voraussetzung  zu  bestätigen 
schienen,  so  ist  doch  durch  exaete  Untersuchungen  erwiesen,  da*s  sich  keiu  Chloro- 
form in  den  Organen  oder  thierischen  Secreten,  wohl  aber,  wie  z.  B.  im  Harn, 
unzersetztes  Chloralhydrat  nachweisen  lässt.  Sonach  übt  das  Chloral  wie  viele 
andere  ehlorirte  Fettkörper  schon  an  sieh  die  charakteristische  schlafbringende 
Wirkung  aus.  Die  Hauptmengo  des  genossenen  Chloralhydrats  geht  in  den  Harn 
als  Urochloralsäure ,  C8  H, ,  C,  0; ,  über.  Ferner  wirkt  das  Chloralhydrat  anti- 
septisch ,  indem  es  mit  Eiweisskörpern  nicht  faulende  Verbindungen  bildet.  Man 
wendet  Chloralhydrat  meist  innerlich  an  in  Gaben  von  0.5  —  2.0  am  besten  mit 
Salcp-  oder  Gumraiscbleirn  und  mit  einem  säuerlicheu  Syrup  als  Corrigens.  Maxi- 
malgabe 3.0!  bei  Trinkern  und  Aufgeregten  bis  8.0!  Bei  Anwendung  im  Clysma 
?ilt  dieselbe  Dosirung,  die  subcutane  Anwendung  ist  möglichst  zu  vermeiden,  die 
äussoriiehe  ist  irrationell.  Als  tödtliche  Dosen  bei  Erwachsenen  können  5 — 10  g 
betrachtet  werden,  doch  ist  Rettung  selbst  bei  30  g  nicht  ausgeschlossen.  Als 
Antidot  gegen  das  Auästheticum  Chloral  wirkt  als  Paralyticum  Strychnin  und 
umgekehrt  wird  Chloralhydrat  als  Antidot  bei  Strychnin  Vergiftungen  gebraucht 
(*.  Bd.  I,  pag.  426}.  K.  T  hü  mtuel. 

CtlloralreagertS  empfiehlt  Helm  als  Reagens  für  ätherische  Oele  und  Harze,  die 
damit  zusammengebracht ,  gewisse ,  zum  Theile  charakteristische  Färbung  zeigen ; 
Myrrhaöl  (z.  B.  der  Verdunstungsrückstand  des  Pctrolätherauszuges  der  Myrrha) 
wird  dadurch  violettroth  gefärbt.  Das  Chloralreagens  ist  ein  rohes  Chloral  und 
wird  von  Helm  in  folgender  Weise  dargestellt.    Kr   sättigt    100  cem  Alkohol  mit 


Digitized  by  Google 


76 


♦ 

C  HLORA LRE  A GENS.  —  CHLORBROM. 


Chlor,  destillirt  die  gebildete  Salzsäure  theilweise  ab,  mengt  den  Rückstand  mit 
Schwefelsäure  und  destillirt  das  abgeschiedene  Chloral  über. 

Chloralyde,  eine  englische  Specialität,  ist  in  der  Hauptsache  eine  concentrirte 
Lösung  von  Chloralhydrat,  mit  unwesentlichen  Zusätzen,  um  den  Geschmack  zu 
verdecken. 

Chloral  perle,  heiss  en  kleine  Gclatinecapsules  von  der  Form  der  Perlen,  in 
welcho  geschmolzenes  Chloralhydrat  eingegossen  ist;  jede  enthält  etwa  0.25  g 
Chloralhydrat. 

Chlorangilim,  Gattung  derFlechtenfannlieZmwu>r0«<'. —  C/dorangiumJussufii 
Müll,  ist  synonym  mit  Lecanora  esculenta  Everam. ,  der  Mannaflechte.  — 
S.  Lecanora. 

Chloranodyne  von  Parke,  Davis  &  Co.  ist  der  Chlor  odyne  (s.d.)  ähn- 
lich zusammengesetzt  aus  0.5  g  Morphin,  hydrochlor.,  je  2.5  g  Tinct  Cannabis 
Jndic.  und  Tinct.  Capsici,  15g  Chloroform,  0  5g  Oleum  Mendta*  pip  ,  2g 
Acid.  hydrocyan.,  30  g  Alkohol  und  60  g  Glycerin. 

ChloranthUS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten,  den  Piperaceae  verwandten, 
tropischen  Pflanzenfamilie.  —  Die  Wurzel  von  Ch.  officinalis  BL,  eines  javani- 
schen Strauches,  ist  angeblich  ein  Fiebermittel. 

Chloras,  im  Französischen  uud  im  Englischen  C  h  1  o  r  a  t  e ,  ist  ein  chlorsaures 
Salz  (Chlorat),  z.  B.  Chloras  kalicüs  =  Kalium  chloricum.  Abweichend  hiervon 
ist  Chloras  Calcariae  eine  veraltete  Benennung  für  Calcaria  chlorata. 

Chlorbor.  B  o  r  t  r  i  c  h  1  o  r  i  d,  Bo  Cl,,  bildet  sich  beim  Ueberleiteu  von  trockenem 
Chlorgas  über  amorphes,  in  einer  Röhre  erhitztes  Bor;  Bortrichlorid  entweicht 
dabei  als  farbloser  Dampf.  Auch  erhält  man  es  beim  Glühen  eines  innigen 
Gemenges  von  Borsäureanhydrid  und  Kohle  in  einer  Porzellanröhre  unter  gleich- 
zeitigem Durcbleiten  von  trockenem  Chlor  durch  letztere.  In  beiden  Fällen  werden 
die  entweichenden  gasförmigen  Producte  in  gut  gekühlte  Vorlagen  geleitet  und 
durch  Rectification  gereinigt.  Auch  durch  Einwirkung  von  Phospborpentachlorid 
auf  Borsäureauhydrid  entsteht  Chlorbor  beim  Erhitzen  auf  150°  3—4  Tage  hin- 
durch in  geschlossener  Röhre. 

Chlorbor  stellt  eine  farblose,  an  der  Luft  stark  rauchende  Flüssigkeit  dar,  die 
durch  Wasser  in  Borsäure  und  Chlorwasserstoff  zerlegt  wird.  Spec.  Gew.  1.35, 
Siedepunkt  -f  18.23°. 

Andere  Verbindungen  von  Bor  und  Chlor  sind  nicht  bekannt. 

K.  Thfimmel. 

Chlorbrom.  BrCl.  Chlor  und  Brom  vereinigen  sich  nicht  nur  bei  gewöhn- 
licher Temperatur,  sondern  selbst  bei  —  90°  miteinander. 

Zur  Darstellung  vou  Chlorbrom  leitet  mau  Chlor  durch  Brom  und  verdichtet 
die  Dämpfe  in  einer  durch  Kältemischung  stark  abgekühlten  Vorlage.  Die  Ver- 
bindung BrCl  wird  nur  bei  starker  Abkühlung  erhalten,  andernfalls  eine  chlor- 
ärmere. 

Chlorbrom  stellt  eine  rothgelbe,  nur  unter  +10°  beständige,  leicht  bewegliche 
Flüssigkeit  dar,  welche  dunkelgelbe,  widrig  riechende,  die  Augen  zu  Thräneu 
reizende  Dämpfe  ausstößt.  Wie  Chlor  und  Brom  gibt  auch  Chlorbrom  mit  Wasser 
ein  festes  Hydrat.  BrCl  +  10HsO,  welches  iu  hellgelben  Blättcheu  oder  Nadeln 
erscheint  uud  bei  -f  7°  zu  einer  gelben  Flüssigkeit  schmilzt.  Die  wässerige 
Lösung  des  Chlorbroms  wirkt  wie  Chlorwasser  bleichend,  wird  aber  durch  Zusatz 
von  Phosphor.  Sehwefel,  Zink,  schweflige  Säure  oder  Ammoniak  unter  Abscheidung 
von  Brom,  welches  die  Flüssigkeit  bräunt,  zersetzt. 

Chlorbrom  wurde  neben  Chlor jod  eine  Zeit  lang  in  der  Dagnerreotypie  zum 
Chloriren  der  Silberplatteu  (AgClAgBr)  benutzt.  K.  Thtlmmel. 


Digitized  by  Googh 


CHLORESSIGSÄUREN.  —  CHLORIREN. 


ChloreSSigsäuren.  In  der  Essigsflure  kann  der  Wasserstoff  der  Methylgruppe 
ganz  oder  nur  zum  Theil  durch  Chlor  substituirt  werden;  es  existiren  somit  drei 
verschiedene  Chlor-Essigsauren:  Monochlor-Essigsäure  CH8Cl.COOH 

Dichlor-         „        CH  Cl3 .  COOH 

Trichlor-  „  CCL..COOH. 
Alle  drei  Chlorderivate  der  Essigsaure  bilden  sich  bei  der  Einwirkung  von 
Chlorgas  auf  Essigsäure  ini  Sonnenlicht,  entweder  nach,  vielleicht  auch  neben  ein- 
ander. Mit  der  Zunahme  der  Chloratome  entfernen  sich  diese  Derivate  von  der 
eigentlichen  Essigsäure ;  während  die  Monochlor-Essigsäure  noch  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  erstarrt,  thut  die  Dichlor-Essigsäure  dies  erst  unter  0°  und  die  Kry- 
stalle  des  ganz  gechlorten  Productes  verflüssigen  sich  sogar  au  der  Luft;  die 
Siedepunkte  steigen  mit  der  Zunahme  des  Chlors,  und  zwar  siedet  die  Mono- 
chlorsäure  bei  185—189°,  die  Dichlorsäure  bei  189—191°,  die  Trichlorsäure 
bei  195°.  Das  spec.  Gew.  nimmt  gleichfalls  zu,  und  zwar  zeigt 

C9H8C10,  0.3947  (bei  73°);  CäHäClsOa  1.5216  (bei  15");  C3HCl8Oa 

1.617  (bei  46°). 

Alle  drei  Säuren  sind  als  solche,  wie  auch  in  Form  ihrer  Salze  sehr  leicht  lös- 
lich in  Wasser.  Das  Monochlorproduot  zerfällt  beim  anhaltenden  Erhitzen  mit  Wasser 
vollständig  in  H  Cl  und  Glyeolsäure.  Das  Trichlorprodnct  zerfällt  beim  Kochen  mit 
Ammoniak  oder  Kali  in  COa  und  CHC18. 

Die  Bereitung  der  Monochlor-Essigsäure  und  Trichlor- Essigsäure  ist  in  IUI.  I, 
pag.  83  und  94  beschrieben. 

Die  Dichlor-Essigsäure  gewinnt  man  am  besten,  indem  man  84g  gelbes 
Blut  laugensalz,  50  g  Cbloralhydrat  und  1:50  g  HaO  1 — 2  Stundeu  lang  am  Rückfiuss- 
ktthler  erhitzt,  filtrirt,  mit  200  cc  kochendem  Wasser  wäscht  und  kocht  bis  alles  Blut- 
laugensalz  zerlegt  ist.  Hierauf  wird  zur  Trockne  verdampft  und  das  dichlor-essig- 
saure  Kalium  mit  Alkohol  ausgezogen.  Man  trocknet  es  und  zerlegt  es  mit  Salz- 
säuregas. 

Von  allen  drei  Derivaten  sind  auch  die  entsprechenden  Aldehyde,  die  Anhydride, 
die  Aethylester,  die  Chloride  (z.  B.  CH3C1.C0C1),  Bromide,  Jodide,  Amide  (z.B. 
CCl3.CONHa),  die  Nitrile  (z.  B.  CHCl2.CN),  die  Phosphide,  die  Methyl-  und 
Aethylamide  u.  s.  w.  bekannt.  Auch  das  Chloralhydrat  gehört  zu  den  Derivaten 
der  Trichlor-Essigsäure.  Gangwind t. 

Chlore  tum,  veraltete  Benennung  für  Chlorid.  Die  Oxydationsstufe  wurde  durch 
verschiedene  adjectivische  Endungen  der  betreffenden  Metalle  ausgedrückt,  z.  B. 
Chloret  um  hydrnrgyricum,  hydrargyrosum,  ferrwtnn,  stnnnosum.  Auch  Chlor- 
wasscrstoffsalze  der  Alkaloide  wurden  so  benannt,  z.  B.  Chloratum  chinicum, 
morphtcum. 

Chloride,  ChlorÜre,  sind  Chlorverbindungen  mit  Metallen  oder  Radicalen, 
oder  Chlorwasserstoff- Verbindungen  mit  Metall-Oxyden,  so  zwar,  dass  die  Chlor- 
verbindung mit  dem  Metall-Oxydul  Chlorür,  die  mit  der  entsprechenden  Oxydver- 
bindung abor  Chlorid  genannt  werden.  Ausführlicheres  über  die  Constitution  dieser 
Verbindungen  siehe  unter  Haloide,  sowie  Bd.  III,  pag.  73. 

ChlOn'dulum,  Chloridum  (mit  nachfolgendem  Adjectiv),  veraltete  Bezeich- 
nung für  Chloride,  z.  B.  Chloridum  plntinu  nm. 

Chlorine  =  chiorum. 

Chloriren.  Unter  Chi  oriren,  ebenso  Bromiren  und  Jodiren,  versteht 
man  die  Einführung  der  Halogene  in  Kohlenwasserstoffe,  in  Kohlenstoffverbinduugen 
überhaupt.  Die  entstehenden  Körper  werden  Ilalogousubstitutionsproducto  genannt. 
Der  Austausch  in  diesen  hat  seitens  der  Halogene  stattgefunden  entweder  gegen 
eine  entsprechende  Anzahl  Wasserstoffatome,  oder  gegen  Hydroxylgruppen,  oder, 
wie  bei  den  Aldehyden  und  Ketonen,  gegen  Sauerstoff,  oder  auch  gegen  die  Diazo- 
gruppe.    Ebenso  gehört  die  Addition  der  Halogene  an  gesättigte  und  unge- 

Digitized  by  Google 


7* 


CHLORIREX. 


sattigte  Kohlenwasserstoffe   hierher,   deren  Producte  als  Halogeuadditionsprodueto 
bezeichnet  werden.  Die  wichtigsten  Methoden  des  Chlorirens  etc.  sind  folgende. 

1.  Durch  directe  Einwirkung  der  Halogene  anf  die  Kohlenwasserstoffe,  wobei 
ein  bis  alle  Wasserstoffatome  der  Verbindung  ersetzt  werden  können  unter  gleich- 
zeitiger Bildung  von  Halogenwasserstoff. 

Chlor  zeigt  sich  bei  diesen  Substitutionen  am  wirksamsten,  dann  folgt  Brom, 
dessen  Einwirkung  durch  Erwärmen  beschleunigt  wird.  Jod  wirkt  gewöhnlich  nicht 
direct  substitairend,  da  die  etwa  entstehenden  Jodderivate  durch  gleichzeitige  Bildung 
von  Jodwasserstoff  wieder  reducirt  werden  (C,  H7  J  +  HJ  =  C3  Hg  4-  J2). 

Die  Wirkung  des  Jodwasserstoffes  wird  meistens  durch  Zusatz  von  Jodsäure 
oder  Quecksilberoxyd  aufgehoben.  Beschleunigt,  häufig  bedingt,  wird  die  Einwir- 
kung von  Chlor  und  Brom  durch  directes  Sonnenlicht  oder  bei  Gegenwart  kleiner 
Mengen  Jod.  Im  letzteren  Falle  vermittelt  die  Entstehung  von  J  Cl8  und  die  gleich- 
zeitige Zersetzung  desselben  in  J  Cl  und  Cla  die  Uebertragung  des  Chlors.  Ebeuso 
chloriren  Sb  Clft  .  (Sb  Cl3  +  Cl3)  und  M0CI5.  Wasserstoff  der  Benzolverbindungeu 
wird  durch  Chlor  und  Brom  leichter  ersetzt  als  der  der  Fettkörper.  Die  Substi- 
tution findet  bei  den  homologen  Benzolen,  sowohl  im  Benzolrest  als  in  den  Seiten- 
gruppen statt  (z.  B.  C8  Hs  Cl2 .  CH,  —  C„  H,  Cl .  CH,  Cl  —  C6  H6 .  CH  Cl3). 

Am  Benzolkern  sind  die  Halogenatome  besonders  fest  gebunden,  weichen  nicht 
der  Einwirkung  von  Aetzalkalien,  Silberoxyd  oder  Natriumsulfid.  Reactionsfähiger 
werden  Benzolhalogenderivate  bei  Eintritt  von  Nitrogruppen.  In  der  Seitenkette 
verhalten  sich  die  Halogenatome  wie  diejenigen  in  den  Fettkörpern. 

Im  Benzol  und  dessen  Derivaten  ersetzen  in  der  Kälte,  oder  bei  Gegenwart  von 
Jod  und  Mo  Cls ,  Chlor  und  Brom  nur  Wasserstoffatome  aus  dem  Benzolrest, 
C6  H*  .  CH3  4-  Clo  =  C(!  Ht  Cl .  CH,  +  HCl ,  Jod  wirkt  nur  ansnahmsweise  snbsti- 
tuirend. 

Dagegen  wird  beim  Einleiten  von  Chlor,  z.  B.  in  heisses  Toluol  oder  dessen  Homo- 
loge, sonst  nur  die  Seitenkette  chlorirt,  Cö  II5  .CH,  +  CL,  =  C6  H.  .  CH2  Cl  +  H  Cl. 

Da  bei  fortschreitender  Einwirkung  die  Substitution  der  Halogene  nachlässt.  so 
erhitzt  man  zur  Erlangung  hoher  Substitutionsproducte  die  Substanz  mit  PCIS, 
PC16,  M0CI5  oder  mit  J  Cl8.  Bei  derartig  energischer  Chlorirung  werden  z.B.  aus 
Benzolhomologen  unter  Bildung  von  Hexachlorbenzol ,  C,;  Cl^ ,  die  Seitenketten  als 
CCI4  abgespalten.  Aehnlich  verhalten  sich  Naphtalin-  und  Anthracenderivate. 

2.  In  den  Alkoholen  CnH,Jn  +  1).OH  ersetzen  die  Halogene  die  Gruppe  OH; 
vermittelt  wird  dies  durch  Erwärmen  der  Alkohole,  nachdem  sie  mit  Halogeu- 
wasserstoffsäuren  (HCl  wird  dampfförmig  eingeleitet)  gesättigt  sind  (C3  Hj .  OH  4- 
HCl  =  C,  K„  Cl  +  IIa  0). 

Doch   hängt  die  vollständige  Zersetzung  (Substitution)  theils  von  der  Menge 
der  reagirenden  Substanzen,  theils  von  der  Temperatur  ab.    Am  leichtesten  voll- 
zieht sich  die  Umsetzung  der  Alkohole  mit  Jodwasserstoffsäure,  hier  stehen  Chlor- 
und  Bromwasserstoffsäure  ersterer  nach.  Dagegen  geht  bei  Einwirkung  von  Chlorver- 
bindungen des  Phosphors  der  Austausch  der  OH-Gruppe  leicht  und  vollständig  vor  sich : 
C  H6 .  OH  4  PClä  =  Co  H5  Cl  4-  HCl  +  PO  Cl3 
3  C-,  Hs .  OH  +  PO  Cl4  =  3  C.  H6  Cl  +  PO  (OH), 
3  C,  Hft .  OH  -f  P  Cl3  =  3  Ca  Hfi  Cl  +  P  OH  (0H)2. 
Hierbei  führeu  phosphorige  Säure  und  Phosphorsäure  gleichzeitig  einen  Theil 
der  Alkohole  in  Aethersäuren  über,  die  beim  Abdestilliren  der  Chlorsubstitutions- 
produete  zurückbleiben. 

In  Phenolen  und  aromatischen  Alkoholen  wird  beim  Behandeln  derselben  mit 
Chlor  nicht  nur  die  OH-Gruppe  im  Benzolrest,  sondern  auch  die  der  Seitenkette 
durch  Chlor  ersetzt: 

C0H4.OH.CHS  +  P  CL,  =  Cd  H4 .  Cl .  CH,  +  H  Cl  +P0C1,, 
C6  H5  .  CII2  OH  H-  P  Cl6  =  Ce  H, .  CH2  Cl  +  H  Cl  +  PO  Cl3. 

3.  Charakteristisch  für  die  Chlorirung  etc.  der  Benzolderivate  ist  die  Umsetzung 
der  Diazoverbindungen.    Die  Gruppe  —  N  =:  N  —   wird  direct  als  solche  durch 

Digitized  by  Google 


CHLORIREN.  -  CHLOR  JOD. 


79 


Cl,  Br  und  J  vertreten.  Das  bezügliche  Verfahren  dient  dazu,  um  im  Benzolrest 
Nitro-  oder  Amidogruppen  durch  Zwischenstellung  von  Diazoverbindungen  in 
Halogensubstitntionsproducte  überzuführen  (CöHsN02  gibt  C„  H8  NH, ,  letzteres 
dauu  0,  H6  N2  X  und  dies  /..  B.  mit  Chlor  Cfl  Hß  Cl). 

Auch  aus  sub8tituirtcn  Amidoproducten  erhält  man ,  indem  die  NH2-Gruppe 
(durch  Vermittelung  der  Diazoverbindung)  durch  H  ersetzt  wird,  Halogenderivate 
(z.  B.  <  V,  Hs .  Cl, .  NH,  gibt  Cfl  II,  CL  i. 

4.  Bei  der  Einwirkung  von  Phosphorpentachlorid  auf  Aldehyde  und  Ketone 
substituiren  2  Chlor-  1  Sauorstoffatora : 

CH3 .  CHO  +  H  Cl5  =  CHj  CH  Cl,  4-  PO  Cl3, 
CH?  .  CO .  CH3  +  P  01s  —  CH8 .  C  Cl, .  CHj  +  PO  01, . 
Die  Reaction  bei  den  Aldehyden  spricht  mit  dafür,  das«  in  letzteren  das  Sauer- 
stoffatom  zweiwerthig  gebunden  ist. 

5.  Ungesättigte  Kohlenwasserstoffe  der  Methanreihe  addiren  die  Halogene,  meist 
schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  sehr  energisch,  C,  H4  -f  01,  =  Ca  H,  Cl,, 
langsamer  bei  Abschluss  des  Lichtes,  im  Licht  oft  unter  Bilduug  von  Substitutions- 
producten.  Brom  addirt  sich  wie  Chlor  den  mehrwerthigen  Kohlenwasserstoffen, 
Jod  dagegen  in  alkoholischer  Lösung  meistens  nur  beim  Erwärmen. 

Mit  Benzol  oder  Chlorbenzolen  geben  ('hlor  und  Brom  z.  B.  im  Sonnenlicht 
ebenfalls  Additiousproducte  (0,,  Hc  Cl,  bis  C^  IL,  Cl.  und  Cü  n5  .  01  .  Cl,  bis 
Ca  Hj  .  Cl  OL.),  dieselben  sind  fest  und  nicht  unzersctzt  flüchtig,  durch  Aetzalkalien 
theilweise  zersetzbar.  Benzol hexachlorid  .  Cfl  H«  01fl,  entsteht  auch  beim  Einleiten 
von  Chlor  in  kochendes  Benzol,  wobei  sich  gleichzeitig  Substitutionsproductc  bilden, 
in  denen  wiederum  Chlor  und  Halogene  überhaupt  durch  Einwirkung  von  nas- 
cireudem  Wasserstoff'  (Xatriumaraalgam)  ersetzt  werden. 

Ebenso  addiren  ungesättigte  Kohlenwasserstoffe  Halogenwasserstoffe,  besondere 
leicht  concentrirte  Jodwasserstoffsänre ,  HJ.  Hierbei  tritt  das  Halogenatom  fast 
stets  an  das  wasserstoffärmere  Kohlenstoffatom  :  CH3  .  CH  .  CH,  +  H  Cl  = 
CHS .  OH  Ol .  CHS. 

Halogensubstitutionsproducte  der  ungesättigten  Kohlenwasserstoffe  können  meist 
nicht  durch  directe  Einwirkung  der  Halogene  erhalten  werden,  da,  wie  bemerkt, 
hierbei  Additionsproducte  entstehen.  Erstere  bilden  sich  bei  massiger  Einwirkung 
von  alkoholischer  Kalilauge  oder  von  Silberoxyd  auf  disubstituirte  Kohlenwasser- 
stoffe, CnHonX«,  namentlich  leicht  auf  die  Additionsproducte  der.  Olefine: 
C2  H4  Cl,  -f  K  OH  =  C,  H3  Cl  +  K  Cl  +  H2  0. 
Aethylenchlorid       Monochloräthylen.  K.  Thümmel. 

Chlorjod.  Die  Halogene  vereinigen  sich  untereinander  zu  chemischen  Ver- 
bindungen, welche  jedoch  wegen  der  Aehnlicbkeit  ihrer  Elemente  wenig  beständig 
sind  (vergl.  Chlorbrom)  und  von  denen  durch  längere  Einwirkung  des  einen 
Elements  auf  das  andere,  wie  bei  Chlor  und  Jod,  einfach  oder  mehrfach  Chlorjod 
entsteht.  In  diesen  Verbindungen  wirkt  Chlor  weit  energischer,  gleichsam  in  statu 
nascendi  snbstituirend  auf  Kohlenwasserstoffverbinduugen ,  ■  als  reine*  Chlor  (s. 
Chloriren). 

Einfach  Chlor  jod,  J  Cl,  erhält  man  neben  J  Cl,  beim  Ueberleiten  von  Chlor 
über  Jod.  Es  bildet  eine  rothe,  krystallinische  Masse,  welche  bei  27.4°  schmilzt, 
etwas  über  100°  destillirt  und  durch  Wasser  zersetzt  wird. 

Dreifach  Ohio rj  od,  J  Cl, ,  entsteht  beim  Mischen  von  Jodwasserstoffsänre 
mit  eoncentrirter  Chlorwasserstoffsäure,  ebenso  durch  Einwirkung  von  Phosphor- 
pentachlorid (P  Cl6)  auf  Jodsäureanhydrid  (J,  06).  Lange,  gelbe  Nadeln,  die  beim 
Erhitzen  in  J  Cl  und  01,  zerfallen.  In  wenig  Wasser  fast  unverändert  löslieh,  durch 
mehr  Wasser  wird  es  zersetzt. 

Fünffach  Chlor  jod,  J  CL, ,  ist  eine  braune  Flüssigkeit,  die  in  der  Kälte 
mit  wenig  Wasser  ein  krystallinisches  Hydrat  bildet,  ähnlich  dem  des  Chlors  und 
Chlorbroms.  K.  Th 

Digitized  by  Google 


80 


CHLORKALI.  —  CHLORKALK. 


Chlorkäli.  Die  Aerzte  verstehen  darunter  zwar  meist  Kalium  chlor  icinn 
(Kaliumchlorat),  manchmal  aber  auch  Chlorkalium  (Kaiiumchlorid) ;  es  ist  daher 
diese  zu  schweren  lrrtbümern  leicht  Anlass  gebende  Bezeichnung  möglichst  ganz 
zu  vermeiden,  um  so  mehr ,  als  auch  in  chemischer  Beziehung  „Chlorkali"  ein 
Unding  ist.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  Bromkali  und  Jodkali. 

Chlorkalk,  Bleichkalk,  unterchlorigsaures  Calcium,  Calcaria  chlurata,  Calcium 
hi/pochlorosum,  Calcaria  hypochlorosa.  Das  unter  diesem  Namen  fabrikmässig 
dargestellte  Präparat  wird  als  ein  Gemisch  von  unterchlorigsaurem  Calcium  und 
Chlorcalcium  mit  mehr  oder  weniger  Calciumhydroxyd  und  Wasser  angesehen 
(s.  w.  u.). 

Darstellung.  Fabrikmäßig  wurde  Chlorkalk  im  Jahre  1799  von  Ch.  Ten- 
nant  in  Glasgow  dargestellt.  In  Fabriken,  in  denen  Soda  und  Chlorkalk  gemein- 
schaftlich fabricirt  werden,  entwickelt  man  das  zur  Darstellung  erforderliche  Chlor  ent- 
weder direct  aus  Salzsäure  und  Braunstein,  Mn  Os  +  4  H  Cl  =  Clä  +  2  Ha  0  +  Mn  CL , 
oder  aus  Kochsalz,  Schwefelsäure  und  Braunstein,  resp.  regenerirtem  Braunstem  (». 
Braunstein),  2NaCl-f  SHjSO^MnOj  =Cl2-f  2NaHS04-f  Mn804  +  2HaO, 
oder  nach  dem  seit  1867  bekannten  Verfahren  von  Deacon  in  folgender  Weise. 
Salzsäuredampf  wird  mit  atmosphärischer  Luft  gemischt  über  Thonröhren  oder 
Ziegelsteinstücke  geleitet,  welche  mit  Kupfersulfatlösung  getränkt  und  dann  ge- 
trocknet waren  und  die  in  besonderen  Kammern  auf  360 — 400°  erhitzt  werden. 
Bei  dieser  Temperatur  tritt,  entgegen  dem  sonstigen  Verhalten  des  Chlors  gegen 
Wasserstoff,  die  Zersetzung  der  Salzsäure  unter  Bildung  von  Wasser  und  Abspaltuug 
von  Chlor  ein,  2  H  Cl  +  0  =  Cl,  4-  H2  0. 

Das  GasgemeDge  wird  durch  Wasser  geleitet,  welches  unzersetzte  Salzsäure  und 
einen  Tbeil  des  Wasserdampfes  zurückhält,  dann  wird  es  mittelst  Calciumchlorid 
oder  Schwefelsäure  getrocknet.  Es  enthält  schliesslich  ausser  Chlor  nur  noch  Stick- 
gtoff  und  etwas  Sauerstoff. 

Zur  Darstellung  des  Chlorkalks  wird  Chlorgas  —  sei  es  nach  der  einen 
oder  anderen  Methode  dargestellt  —  über  Calciumhydroxyd  (zu  Pulver  ge- 
löschtem Kalk,  der  noch  ausserdem  2 — 3 — 4  Procent  Wasser  enthält)  geleitet, 
wobei  die  Temperatur  nicht  über  25°  steigen  darf.  Das  Calciumhydroxyd  wird  in 
Kammern  aus  Sandstein ,  Backsteinen  oder  Steinzeug ,  deren  Wände  mit  Asphalt 
überzogen  sind ,  auf  Platten  ausgebreitet ,  von  denen  sich  mehrere  Etagen  über- 
einander befinden.  Sobald  kein  Chlor  mehr  abaorbirt  wird,  krückt  mau  den  fertigen 
Chlorkalk  aus  und  beschickt  die  Kammer  von  Neuem.  Das  fertige  Präparat  wird 
für  den  Handel  oft  durch  Kalkhydrat  gestreckt. 

Da  es  der  Technik  ohne  Schwierigkeit  gelingt,  Chlorkalk  von  42 — 43  Proeent 
(Wagnkb),  selbst  von  44  Procent  (Lunge  und  Schäppi)  wirksamem  Chlor 
darzustellen,  so  ist  eine  Formel,  welche  die  Zersetzungserscheinungen  genügend 
erklärt,  zur  Zeit  nicht  zu  geben.  Wir  können  zwar,  nach  Analogie  der  Ein- 
wirkung von  Chlor  auf  Alkalihydroxyde,  die  Reaction  annähernd  erklären  durch: 
2Ca(0H)a  •+■  2Cla  =  Ca(OCl),  -f  CaCla  +  2Ha0,  wonach  Chlorkalk  als  ein 
Gemenge  von  Calciumhypochlorid  mit  Calciumchlorid  und  Wasser  anzusehen  wäre. 
Der  ReactionBgleichung  entsprechend  müssto  der  vollständig  mit  Chlor  gesättigte 
Chlorkalk  48.9  Procent  wirksames  Chlor  enthalten,  was  jedoch  bis  jetzt  unerreich- 
bar war,  da  man  gefunden,  dass  stets  ein  Theil  des  Calciumhydroxyds  unverändert 
bleibt.  Ebenso  findet  Bich  Calciumchlorid  nicht  als  solches  im  Chlorkalk  (Alkohol 
zieht  kern  CaCla  aus  Chlorkalk  aus),  und  ferner  lässt  sich  sämmtliches  Chlor 
durch  Kohlensäure  austreiben. 

Odling  und  Lunge  nehmen  deshalb  an,  dass  im  Chlorkalk  wahrscheinlich  die 

Verbindung  Ca^^  enthalten  sei,  und  wir  müssen  demnach  die  Zersetzungs- 

Cl 

erecheinnngen  durch  Ca  (0  H)2  +  Cl3  =  Ca<^ft  n  -f  Hs  0  ausdrücken. 


Digitized  by  Googl 


CHLORKALK. 


81 


Eigenschaften.  Der  Chlorkalk  ist  ein  weisses,  bröckliches  Pulver,  das  au 
feuchter  Luft  schmierig  wird  und  einen  schwachen  Geruch  nach  unterchloriger 
8äure  (chlorähnlich )  besitzt.  Chlorkalk  ist  mit  Hinterlassung  von  Calciunihydroxyd 
in  circa  15  Th.  Wasser  löslich.  Reibt  man  ihn  mit  wenig  Wasser  an,  so  schwillt 
er  unter  Erwärmung  zu  einem  voluminösen,  aus  mikroskopischen  Nadeln  bestehen- 
den Brei  an.  Die  tiltrirte  wässerige  Lösung  ist  farblos,  besitzt  einen  herben  Ge- 
Kchmack  und  zeigt  alkalische  (Caf'OH),)  Reaction;  rothes  Lackmuspapier  wird 
daher  anfangs  gebläut,  dann  aber  gebleicht.  Verdünnte  Säuren,  selbst  die  schwächsten, 
entwickeln  im  Ueberschuss  angewendet,  aus  Chlorkalk  Chlor,  worauf  seine  Anwendung 
für  Bleicherei-  und  Desinfectionszwecke  beruht. 

PI 

2  CaQ 1    +  4  II  Cl  =  2  Cl,  +  2  Ca  Cl,  +  2  Ha  0  und 

2  Ca/j^  +  2  H,  S  04  =  2  Cl,  +  2  Ca  S  04  +  2  H,  0. 

Erhitzt  man  Chlorkalk  oder  setzt  man  ihn  dem  directen  Sonnenlicht  aus,  so 
gibt  er  theils  Sauerstoff  ab,  theils  zersetzt  er  sich  in  Calciumchlorat  und  -Chlorid. 
Letzteres  geschieht  auch  beim  Kochen  von  Chlorkalklösungen.  Besonders  lebhaft 
ist  die  Saucrstoffentwickluug  in  Berührung  mit  einzelnen  Metalloxyden,  z.  B.  Kobalt- 
oxydulhydrat u.  a.  in  erwärmten  Chlorkalklösungeu. 

Die  Aufbewahrung  des  Chlorkalks  geschieht  in  trockenen,  kühlen  Räumen  vor 
Lieht  geschützt  in  verschlossenen  Gefässen. 

Chlorimetrie.  Da  bei  der  Verwendung  des  Chlorkalks  nur  die  Menge  des 
durch  verdünnte  Salz-  oder  Schwefelsäure  frei  werdenden ,  d.  h.  wirksamen 
Chlors  in  Betracht  kommt,  so  bedingt  lediglich  dies  wirksame  Chlor  seinen  Werth. 
Die  Operation,  durch  welche  der  Gehalt  an  wirksamem  Chlor  ermittelt  wird,  be- 
zeichnet man  mit  dem  Namen  Chlorimetrie. 

Ph.  Germ.,  Austr. ,  Suec. ,  Neerl.  und  Helv.  verlangen  20  Procent  wirksames 
Chlor,  Ph.  Un.  St.  25  Procent.  Ph.  Gall.  28.6  Procent  (=  90  Grade,  d.  h.  es 
sollen  aus  1  kg  Chlorkalk  90  1  Chlorgas  freigemacht  werden  können;,  Ph.  Brit. 
30  Procent. 

Da  Ferrosulfat,  welches  zur  titrimetrischen  Bestimmung  des  Chlorgehalts  von 
mehreren  Pharmakopoen  (z.  B.  Ph.  Suec,  Neerl.  und  Helv.)  vorgeschrieben  wird, 
mehr  oder  minder  oxydhaltig  ist,  so  verdient  die  jodometrische  Methode  nach 
R.  Wagnee  für  pharmaceutische  Zwecke  den  Vorzug.  (NB.  es  begnügen  sich  die 
meisten  Pharmakopoen  mit  einer  Grenzbestiinmung.) 

0.3 — 0.5  g  (genau  gewogen  )  einer  gut  gemischten  Durchschnittsprobo  werden 
von  dem  zu  untersuchenden  Chlorkalk  in  einen  Porzellanmörser  gegeben,  dessen 
Ausgu88  am  Rande  eingefettet  ist.  Nachdem  der  Chlorkalk  mit  etwas  Wasser 
zu  einem  zarten.  Brei  angerieben  ist,  wird  der  Inhalt  des  Mörsers  unter  nach- 
herigem  Abspritzen  in  ein  Becherglas  gegeben,  das  jodsäurefreie  Jodkaliumlösung 
(1  — 1.5:10 — 20)  enthält.  Man  setzt  dann  15 — 20  Tropfen  Salzsäure  zu  und 
titrirt  das  in  Jodkaliumlösnng  gelöste  Jod  durch  1  10  Normalnatriumthiosulfatlösung. 
Indicator  Stärkelösung  oder  Jodzinkstärkelösung,  welche  erst  dann  zugegeben  wird, 
sobald  die  Jodlösung  durch  Zusatz  von  Na,  S,  03  -  Lösung  weingelb  gefärbt 
erscheint. 

CaM)Cl  +  2 HCl  ~  <,aCla  +  Hs °  +  C,a' 
Cl,  +  2  K  J  =  2  K  Cl  +  J3  und 
J,  +  2Na,SaO,.10H20=  2NaJ  +  Na2S106  +  10H,O. 

I  »anach  entsprechen  J,  =  Cl,,  ebenso 

2  X  127  =  254  2  x  35.4  =  70.8 

J,  =  2Na.jS.3O3. 10 II,  0  oder 

J  =  Na.S303.10HaO 

127  248 

R^l-tocyclopadie  der  ges.  Pbannacie.  III.  6  by  Googk 


82  CHLORKALK.  —  f'HLORKOHLEXSTOFF. 

1  ccm  1  ,0  Nornialnatriumthiosulfatlösung  (=  0.0248  g  Na.  Sä  Oj .  10  lla  O,  ent- 
spricht mithin  0.0127  g  Jod  oder  0.0035  g  Chlor. 

Bei  Berechnung  des  (wirksamen)  Chlorgehalt»  ist  daher  die  verbrauchte  Anzahl 
Cubikcentinieter  1/l0  NormaluatriumthiosulfatlösuDg  mit  0.003  öl  zu  multipliciren 
und  der  Quotient  weiter  auf  Procente  zu  berechnen. 

In  der  Technik  wird  meistens  die  titrimetrische  Methode  nach  Gay-Lissac, 
die  raodificirt  von  der  Ph.  Austr.  als  Grenzbestimmung  aufgenommen  ist,  ange- 
wendet. 

Danach  werden  10  g  einer  Durchschnittsprobe  Chlorkalk  wie  vorher  mit  Wasser 
zu  einem  zarten  Brei  angerieben,  dieser  in  eine  Literflasche  gespfllt  und  letztere 
bis  zur  Marke  aufgefüllt.  Gleichzeitig  bringt  man  10  ccm  einer  salzsauren  Arsenig- 
sänrelösung  ( 13.95  g  As,  0,  werden  in  Aetznatron lauge  gelost,  die  Lösung  wird 
mit  Salzsäure  stark  übersättigt  und  zum  Liter  aufgefüllt)  in  ein  Becherglas,  verdünnt 
mit  Walser,  gibt  als  lndicator  entweder  Indigolösung  oder  Jodzinkstarkelösung  zu 
und  lässt  hierzu  von  der  gut  durchmischten  Chlorkalklösung  aus  einer  Bürette  so 
lange  zumessen,  bis  entweder  die  blaue  Farbe  des  Indigo  verschwindet  oder  die 
Blauung  von  Jodstärke  bleibend  ist. 

10  ccm  Arsenigsäurelösung  i  =  0.1395  As3Oa)  stehen  0.1  Chlor  gleich. 
Ass  0:{  +  2  CL,  +  2  H.,  O  =  As,  05  +  4  HCl 
198  :  141.G  =  0.1395  :  x(  =  0.1). 

Wären  z.  B.  31.2  ccm  Chlorkalklösung  zur  Oxydation  erforderlich  gewesen,  so 
würde  der  fragliehe  Chlorkalk  32.05  Proeent  wirksames  Chlor  enthalten  haben: 
31.2  :  100  =  100  :  x  .  —  32.05).  K.  Thümmcl. 

ChlOrkohlenOXyd,  Carhonylchlorid,  Phosgen,  COCL,  entsteht  durch 
direete  Vereinigung  von  Kohlenoxyd  mit  Chlor  im  directen  Sonneulicht  (im  zer- 
streuten Lieht  vereinigen  sie  sieh  nur  langsam),  ferner  beim  Durchleiten  von 
Kohlenoxyd  durch  kochendes  Antimonchlorid ,  Sb2Cl5,  und  bei  der  Oxydation  von 
Chloroform  (s.  d.  Art.)  mit  einem  Geraenge  von  concentrirter  Schwefels:! ure 
und  Kaliumdiehromat.  2CIIC1,  +  30=  2C0CI.  +  11,0  +  CL,. 

Im  Grossen  wird  es  auch  dargestellt  durch  Ueberleiteu  eines  Gemisches  von 
Chlor  und  Kohlenoxyd  über  gepulverte  Knochenkohle.  Entweder  condensirt  man 
das  Gas  weiter  in  einer  Kältemischung  oder  man  fängt  es  in  Beuzol  auf.  Bei  ge- 
wöhnlicher Temperatur  stellt  Chlorkohlenoxyd  ein  farbloses,  erstickend  riechendes 
Gas  dar,  das  sich  iu  einer  Kältemischung  zu  einer  farblosen  Flüssigkeit  verdichtet, 
die  bei  +  8°  siedet.  Mit  Wasser  zersetzt  es  sich  in  Kohlensäure  und  Salzsäure, 
mit  wasserfreieu  Alkoholen  zusammengebracht,  bilden  sich  die  Ester  der  Chlor- 
kohlen-, beziehungsweise  der  Chlorameisensäure,  damit  erhitzt,  entstehen  neutrale 

Cl 

Kohlensäureester  >z.  B.  C'0<0(1  H    =  chlorkohlensaurer  Aethylester). 

Eingcatbmet  wirkt  Chlorkohlenoxyd  schon  in  kleinen  Mengen  unter  denselben 
Erscheinungen  wie  Kohlenoxyd  äusserst  giftig  (eigene  Erfahrung).     K.  Thümmel. 

Chlorkohlenstoff.  Kohlenstofftetraehlorid ,  Tetrachlormetban ,  CC1,  ist  das 
Endproduct  der  Einwirkung  von  Chlor  auf  Aethylalkohol  oder  Chloroform,  und 
repräsentirt  ein  Chloroform,  in  welchem  das  H-Atom,  das  letzte  der  Methylgruppe, 
durch  Cl  ersetzt  ist,  oder  ein  Methan,  in  welchem  alle  4  H-Atome  durch  Cl-Atome 
ersetzt  sind.  Thatsächüch  lässt  sieh  der  Chlorkohlenstoft  durch  Behandeln  von 
Chloroform  mit  Chlor  gewinnen ,  leichter  durch  Behandeln  mit  Chlorjod : 
CHCls  -I-  C1J  =  CC14  -I-  HJ.  Zur  Darstellung  versetzt  man  nach  Hofmann 
Schwefelkohlenstoff  mit  Antimonchlorid  und  leitet  in  die  siedende  Mischung  trockenes 
Chlor;  das  unter  100u  Siedende  wird  mit  Aetzkalilösung  gekocht  und  reetificirt. 
—  Es  bildet  eine  farblose,  bewegliche,  angenehm  gewürzhaft  riechende  Flüssigkeit 
von  1.632  spec.  Gew.  und  .".6. 5— ."»8°  Siedepunkt.  Dem  Chloroform  analog  bewirkt 
es  Anästhesie.  In  alkoholischer  Lösung  mit  Natriumamalgam  behandelt,  wird  ea 
zu  Chloroform  reducirt. 


Digitized  by  Googl 


CHLORKOH  LEXSTOFF.  —  CHLOROFORM. 


83 


Ausser  der  obigen  Verbindung  CC14  wind  noch  zwei  andere  Verbindungen  von 
Kohlenstoff  mit  Chlor,  C8  Cl4  und  Ca  Cl6  hergestellt  worden,  welche  indessen  wohl 
nur  als  vorübergehende  Dissociationsproducte  angesehen  werden  dürfen. 

Ganswind  t. 

Chlorodyne.  eine  in  England  sehr  beliebte  8pecialität .  die  auch  viel  nach 
dem  Festlande  ausgeführt  wird.  Chlorodyne  wird  innerlich  und  äusserlich  ange- 
wendet. Es  existiren  Präparate  sehr  verschiedener  Zusammensetzung,  alle  haben 
sie  aber  das  gemeinsam,  dass  sie  die  heterogensten  Mittel  zusammengemischt  ent- 
halten. Nachstehend  ein  paar  Vorschriften.  Nach  Farnham:  0.5  g  Morphinum 
hydrochlor.,  16  g  Aqua ,  6  g  Chloroform,  6  g  Tinct.  Cannabis  Indic. ,  24  g 
Alkohol,  12  Tropfen  Acut,  hydrocyan.  dil.,  2  Tr.  Oleum  Menthae  pip.  und 
10  Tr.  Tinct.  Capsici  ann.  —  Nach  Browne:  5g  Acid.  muriat.  conc,  je 
10  g  Aether^  Chloroform ,  Tinct.  Cannahis  Indic.  und  Tinct.  Capsici  ann.,  je 
2  g  Morphin  und  Acid.  hydrocyan.,  1  g  Oleum  M+nthae  /«/>.,  50  g  Syrup 
Sacchariy  je  3  g  Tinct.  Hyoscyami  und  Tinct.  Aconiti.  —  Nach  einer  ameri- 
kanischen Vorschrift:  je  120g  Chloroform  und  Alkohol,  25g  Aether,  75g  Extr. 
Liquiritiae,  650g  Syrup.  Sacchari,  0.5g  Morphin,  lg  Oleum  Menthae  pip., 
60  g  Acid.  hydrocyan. 

Chloroform,  Trichlormethau,  Formylchlorid,  Chloroformium, 
Formylum  trichloratum,  CHC13.  Geschichtliches.  Das  Chloroform  wurde 
1831  gleichzeitig  von  Liebig  (bei  Behandlung  von  Aethylalkohol  mit  Chlor  und 
Zersetzung  des  I'roductes  durch  Aetzalkalii  und  von  Soubeiran  (bei  der  Ein- 
wirkung von  Chlorkalk  auf  Alkohol  und  Aceton)  entdeckt.  1834  stellte  Dumas 
seine  Zusammensetzung  fest.  Der  Name  Chloroform  ist  abgeleitet  von  Formylum 
truhloratumy  Formylchlorid,  weil  man  darin  das  dreiwerthige  Radikal  C  H,  Foriuyl 
genannt,  annahm.  1847  führte  8iüi*son  das  Chloroform  als  Anastheticum  in  den 
Arzneischatz  ein. 

Darstellung.  Chloroform  entsteht  durch  Chlorirung  chlorärmerer  Substitutions- 
producte  des  Methans,  besonders  bei  Gegenwart  erhitzter  Thierkohle,  ebenso 
durch  Reduction  von  Perchlonuethan,  ferner  bei  der  Destillation  von  Aethylalkohol, 
Aceton,  Terpentinöl,  von  Acetaton  u.  m.  a.  organischer  Verbindungen  mit  Chlor- 
kalk, sowie  bei  der  Zersetzung  des  Chlorais  durch  Aetzalkalien.  Methylalkohol 
liefert  kein  Chloroform. 

Die  Darstellung  geschieht  in  Fabriken  (Ph.  Austr.  verlegt  sie  noch  in's  pharma- 
eeutische  Laboratorium),  welche  dafür  ihre  eigenen  Vorschriften  haben.  Es  wird 
angegeben,  dass  20  Tb,.  Chlorkalk  mit  60 — 80  Th.  heissem  Wasser  zu  einem 
glsichmässigen  Brei  angerührt,  und  dazu  l  Th.  (Mich.  1'ettenkofer }  90  bis 
Dlproceutiger  oder  4  Th.  (Schmidti  86procentiger  Alkohol  zugesetzt  werden 
Bollen.  Die  Destillation  wird  durch  die  bei  der  Zersetzung  erzengte  Wärme  ein- 
geleitet, später  unterstützt  man  sie  durch  Dampf.  Das  gewonnene  Rohchloroform 
wird  von  dem  mit  übergegangenen  wässerigen  Destillat  getrennt,  zur  Zerstörung 
der  vorhandenen  Chlorderivate  mit  Schwefelsäure  behandelt,  dann  mit  Sodalösung 
gewaschen,  getrocknet  und  rectificirt. 

Bezüglich  des  Verlaufes  der  Einwirkuug  von  Chlorkalk  auf  Aethylalkohol 
ist  mit  Sicherheit  nur  Anfang  und  Ende  bekannt,  man  weiss,  dass  sich  zunächst 
Aldehyd,  dann  wahrscheinlich  Acctal  und  schliesslich  Trichloraldehyd  bildet,  das 
durch  Aetzkalk  in  Chloroform  und  ameisensaures  Salz  gespalten  wird. 

2  C,  H6  .  0  H  +  Ca  <  C1 0)2  =  2  C  Hs  .  C  H  0  4-  Ca  Cl2  +  2  H2  0, 
2  i'll,  .  CHO  -j-  3  CaiCIO  ..  =  2  CCI,  .  CHO  +  3  CafOIIi.,, 
2  CC1,  .  CHO  +  Ca  (OH*,  =  Ca  (HC  0,i.,  -f  2  CHC1S. 

Chloralchloroform ,  das  unter  diesem  Nameu  im  Handel  vorkommt,  stellt  man 
dar  dureh  Destillation  von  1  Th.  reinem  Chloral  mit  3  Th.  Natronlauge  (1.1  spec. 
Gew.),  Entwässern  des  Destillats  uud  Rectificiren  desselben. 

CC13  .CHO  +  NaOH  =  CHO,  +  HCOONa. 

6* 

Digitized  by  Google 


84 


CHLOROFOKM. 


Ph.  Gall.  und  Un.  St.  lassen  käufliches  Chloroform  durch  Behandeln  mit  Schwefel- 
säure, Waschen  mit  Sodalösung  und  nachherige  Destillation  besonders  reinigen. 

Eigenschaften.  Das  Chloroform  ist  eine  farblose,  bewegliche,  neutrale 
Flüssigkeit  von  eigenartig  Ätherischem  Geruch  und  süsslichem  Geschmack;  es 
erstarrt  in  reinem  Zustande  bei  —70°,  siedet  bei  61.2°  und  besitzt  bei  15°  das 
spec.  Gew.  von  1.502,  bei  0°  von  1.526.  Es  ist  in  Wasser  sehr  wenig,  in  Alkohol 
und  Aether  leicht  löslich,  löst  Phosphor,  Brom,  Jod,  Fette,  Harze,  Paraffin,  Kaut- 
schuk und  besonders  Alkaloide.  An  sich  ist  es  nicht  entzündlich,  brennt  aber  mit 
Alkohol  gemischt  mit  rauchender,  grüner  Flamme.  Erwärmt  man  nur  wenige 
Tropfen  Chloroform  mit  etwas  Anilin  und  alkoholischer  Kalilauge,  so  tritt  der 
penetrante  Geruch  nach  Phenylcarbylamin  (Isonitril) ,  Ca  Hö  C  N ,  auf.  Dieselbe 
Keaction  geben  auch  Cbloral,  Bromoform  und  Jodoform.  Mit  Chloroform  geschütteltes 
Wasser  reducirt  FEHLiNG'sche  Lösung  wie  Traubenzucker.  Durch  dies  Verhalten 
ist,  sobald  man  Fehling 'sehe  Lösung  mit  Chloroform  erwärmt,  ein  Verfahren  zur 
quantitativen  Bestimmung  des  letzteren  gegeben ,  C H Cls  +  2  Cu 0  -f  5  KOH  = 
Cu3  0  +  3  KCl  +  Ka  COs  4-  3  H2  0. 

Chloroform  bildet  mit  alkoholischer  Alkalilauge  Alkalichlorid,  -formiat  und 
Wasser,  wahrend  bei  Gegenwart  von  Ammoniak  in  diesem  Gemisch  Blausäure, 
beziehungsweise  Cyanammonium  entsteht.  (Ueber  den  Nachweis  von  Chloroform 
im  Organismus  und  in  Vergiftungsfällen  s.  Lustgarten,  Monatsschr.  f.  Ch.  III, 
pag.  715  und  Vitali,  Gaz.  chim.  IX,  pag.  489).  Durch  Einwirkung  von  Licht  und 
feuchter  Luft  wird  reines,  alkoholfreies  Chloroform  unter  Bildung  von  Chlor  und 
Chlorkohlenoxyd  (Phosgen,  COCla)  rasch  zersetzt,  im  Dunkeln  langsamer;  es 
zeigt  dann  den  widerlichen  Geruch  nach  Phosgen ,  raucht  an  der  Luft ,  reagirt 
infolge  gebildeter  Salzsäure  auf  Lackmus  und  Silbernitrat.  Ein  derartig  zersetztes 
Chloroform  lässt  sich  durch  Schütteln  mit  Sodalösung,  Waschen,  Trocknen  und 
Rectificiren  wieder  brauchbar  machen.  Da  ein  Gehalt  von  mindestens  0.5  Procent 
Alkohol  erfahrnngsroässig  diese  Selbstzersetzung  des  Chloroforms  in  einer  bis  jetzt 
unaufgeklärten  Weise  verhindert,  so  soll  in  den  Officinen  nur  alkoholhaltiges  Chloro- 
form dispensirt  werden.  Die  Forderungen  der  Pharmakopöen  schwanken  in  dem 
Alkoholgehalt  zwischen  0.5—2  Procent.  Nach  Bri.TZ  beträgt  das  speeifische  Gewicht 
des  Chloroforms,  nach  Schmidt  der  Siedepunkt  desselben  bei  einem  Gebalt  von: 

SZ'll7  Siedepunkt 

0.25  Procent  Alkohol     .    .    1.4974  61.3  —61.9° 

0.5        „  „         .    .    1.4936  61.07—61.8» 

1  „  „         .    .    1.4851  60.27—61.60 

2  „  „  .    .     1.4702  59.0  —61.2° 

Ph.  Germ.  II.  verlangt  ein  spec.  Gew.  von  1.489,  Siedepunkt  60 — 61,  1  Procent 
Alkoholgehalt,  Ph.Anstr.  1.49— 1.5,  Siedepunkt  63.5,  Ph.Suec.  1.485—1.493, 1—1.5 
Procent  Alkohol,  Ph.  Neerl.  1.492— 1.496,  Ph.  Helv.  1.492,  Siedepunkt  62—63°, 
Ph.  Gall.  f.  Chlorof.  venale  1.49,  dep.  1.5°,  Siedepunkt  60.8»,  Ph.  Brit.  1.49, 
Ph.  Un.  St.  dep.  1.485 — 1.490,  2  Procent  Alkohol.  Eine  Uebereinstimmung  zwischen 
diesen  Forderungen  und  der  vorigen  Tabelle  ist  allerdings  nicht  vorhanden. 

Alkoholhaltiges  Chloroform  färbt  sich  auf  Zusatz  von  Fuchsin  (bei  110°  ge- 
trocknet) roth,  alkoholfreies,  reines  nicht.  Ueber  die  Einwirkung  von  rauchender 
Salpetersäure  und  Schwefelsäure  s.  Nitrochloroform. 

Prüfung.  1.  Wasser,  das  mit  Chloroform  geschüttelt  worden,  darf  blaues 
Lackmuspapier  nicht  röthen,  ebenso  soll  ein  Gemisch  von  einigen  Tropfen  Silber- 
nitratlösung ,  5  g  Alkohol  und  20  Tropfen  Chloroform  keine  Trübung  zeigen 
(Salzsäure).  2.  Wird  Chloroform  mit  Jodzinkstärkelösung  überschichtet,  so  zeigt 
das  Erscheinen  einer  blauen  Zone  Chlor  an.  In  diesem  Falle  ist  auch  Chlor- 
kohlenoxyd  (Phosgen)  vorhanden,  das  sich  durch  den  eigenthümlichon  Geruch 
bemerkbar  macht.  3.  Chloroform  mit  einem  halben  Volumen  Schwefelsäure  in  einem 
staubfreien,  durch  Schwefelsäure  gereinigten  Stöpselglase  von  circa  3  cm  Weite 


Digitized  by  Google 


CHLOROFORM.  —  CHLORO  PO  R  M  V  E  RG IFT  UNG. 


85 


öfter  geschüttelt,  darf  nach  einer  Stunde  die  Säure  nicht  färben  (Chlorderivate). 
Bei  dieser  Prüfung"  hat  man  allerdings  nicht  nur  die  angegebenen  Cautelen  zu 
beachten ,  sondern  man  muss  auch  sicher  sein,  daas  das  Chloroform  nicht  vorher 
mit  organischen  Stoffen  in  Berührung  gewesen,  etwa  in  Flaschen  mit  Korkstöpsel 
aufbewahrt  worden.  In  letzterem  Falle  wäre  vor  der  Prüfung  das  zu  untersuchende 
Chloroform  zu  rectificiren. 

Die  Aufbewahrung  des  Chloroforms  geschieht  an  einem  kühlen,  vor  Licht 
geschätzten  Orte.  K.  Thomm el. 

ChlorofOrmiC  anOdyne,  eine  englische  SpecialitiU ,   ist  ein  Gemisch  aus 
Chloroform,  Opinmtinctur  und  Bittermandelwasser. 

ChlOrOformirUng.  Darunter  versteht  man  das  Betäuben  mittelst  Zuführung 
von  Chloroformdämpfen  durch  Mund  und  Nase.  Das  Chloroform  wird  auf  ein  Tuch 
oder  auf  einen  über  ein  Drahtgestell  gespanuten  Flanelllappen  aufgeträufelt  und 
dem  zu  Narcotisirenden  vor  die  Nasenöffnungen  gebracht.  Die  Augen  schützt  man 
durch  ein  aufgelegtes  trockenes  Tuch.  In  der  Chloroformwirkung  sind  drei  Stadien 
zu  unterscheiden.  Im  ersten,  im  Stadium  der  Willkür,  besteht  noch  freies  Bewusst- 
sein  bei  herabgesetzter  Schärfe  der  Sinne;  es  dauert  1 — 5,  selten  15  Minuten. 
Das  zweite  Stadium ,  das  der  Excitation ,  ist  durch  Hallucinationen ,  Irrereden, 
Lachen,  Singen,  Weineu  und  Wehklagen  charakterisirt.  Mitunter  kommt  es  zu 
furibunden  Delirien.  Das  zweite  Stadium  ist  von  sehr  verschiedener  Dauer  und 
besonders  bei  Trinkern  stark  ausgeprägt.  Die  Schmerzempfindung  ist  im  zweiten 
Stadium  noch  nicht  völlig  erloschen.  Erst  bei  weiterer  Zufuhr  von  Chloroforui- 
dämpfen  tritt  der  Patient  in's  dritte  Stadium ,  in's  Stadium  der  Toleranz ,  auch 
chirurgisches  Stadium  genannt.  Haut  und  Conjuuctiva  bulbi  werdeu  unempfindlich ; 
die  Muskeln  erschlaffen  vollständig.  Die  Bewegung  solcher  Organe,  die  mit 
organischen  (glatten)  Muskelfasern  versehen  sind ,  wie  Darm  oder  Uterus,  bleiben 
ungestört. 

Die  Chloroformnarcosc  tritt  viel  rascher  und  sicherer  ein ,  wie  die  Aether- 
narcose,  ist  aber  gefährlicher.  Ein  Todesfall  kommt  auf  2873  Chlorotorranarcosen, 
hingegen  erst  auf  23.204  Aethernarcosen ;  bei  Mischungen  von  Chloroform  mit 
Aether,  ein  Fall  auf  5588  Nareosen.  —  S.  auch  Chloroformvergiftung. 

ChlOrofOrmium  albuminatum  {gelatinatum).  Gleiche  Theile  Chloroform 
und  Eiwttin»  werden  so  lange  kräftig  zusammengeschüttet,  bis  eine  gleichförmige 
Masse  entstanden  ist. 

ChlOrofOrmium  CamphOratum   ist   Chloroform    mit    10  bis  15  Procent 
Kampfer. 

Chloroformium  cum  Morphino  Bernatzik.  <>.:.-  Morph  in.  pur.  werden 

bei  gelinder  Wärme  mit  Hilfe  von  10  Tropfen  Acid.  aceticnm  in  10  g  Spiritus 
gelöst  und  erkaltet  mit  40  g  Chloroform  gemischt.  Nach  einer  anderen  Vorschrift : 
0.5  g  Morphin,  aceticum ,  5  Tr.  Acid.  aceticnm,  25  g  Spiritus  und  50  g 
Chloroform. 

Chloroformium  gelatinatum  =  chloroformium  albuminatum. 

ChlOrofOrmium  glyCerinatUm.  10  Th.  Chloroform   werden   in    20  Tb. 
Spirit.  Saponia  gelöst  und  mit  20  Th.  Glijcerin  gemischt. 

Chloroformium  phosphoratum  ist  Chloroform  mit  einem  verschiedenen 
Gehalte,  5—10  Procent,  an  Phosphor. 

Chloroformöl  heissen  im  Allgemeinen  alle  Mischungen  von  Chloroform  mit 
einem  fetten  Oele. 

Chloroformvergiftung.  Vergiftungen  mit  Chloroform  kommen  acut  durch 
Einathmung  dea  Dampfes  oder  durch  Verschlucken  der  Substanz,  und  chronisch 
bei  solchen  Individuen  zu  Stande,  die  Chloroform  als  Genussmittel  cinathmeu. 

Digitized  by  Google 


86 


CHLOROFORM  VERGIFTUNG.  —  CHLOROPHYLL. 


Ein  unglücklicher  Ausgang  der  zu  Operationszwecken  vorgenommenen  Chloro- 
formiruag  kann  veranlasst  werden :  1.  Durch  schlechte  Beschaffenheit  des  Chloro- 
forms, insofern  dasselbe  giftige,  von  der  Darstellung  oder  durch  Zersetzung  her- 
rührende Beimengungen  enthält;  2.  durch  unzweckmässige  Anwendung  desselben, 
vorzüglich,  wenn  es  nicht  genügend  mit  atmosphärischer  Luft  gemischt  eingeathraet 
wird,  und  3.  durch  eine  eigenartige  individuelle  Veranlagung  oder  durch  gewisse 
zur  Zeit  bestehende  Krankheiten  (Herzleiden,  Schwäche  etc.).  Bei  Einigen  tritt 
der  Chlorofornitod  nach  wenigen  Einathmungen  durch  Herzlähmung  ein,  bei  Anderen 
zeigen  sich  Blässe  des  Gesichts,  Unregelmässigkeit  der  Athmung  und  der  Tod 
erfolgt  unter  den  8ymptomen  der  Erstickung. 

Vom  verschluckten  Chloroform  können  schon  4  g  tödtlich  wirken.  Wiederher- 
stellungen sind  noch  nach  7.*»  und  90  g  beobachtet  worden.  Es  entsteht  intensive 
Reizung  vom  Munde  bis  zum  Magen,  häufig  Erbrechen  und  fast  immer  Betäubung, 
blasse,  kühle  Haut  und  Athmungsstörnngen.  Der  gewöhnliche  Ausgang  der  Ver- 
giftung ist  die  Genesung.  Der  Tod  kann  aber  auch  noch  nach  einer  scheinbaren 
Besserung  in  den  ersten  24  Stunden  erfolgen. 

Die  künstliche  Athmung  mnss  bei  jeder  Form  der  acuten  Vergiftung  angewendet 
werden.  Bei  der  Vergiftung  vom  Magen  aus  ist  auch  die  Entleerung  desselben 
sowie  die  Verabfolguug  entzündungsmildernder  Stoffe  (Gele,  Gummi  etc.]  angezeigt. 

Lewin. 

Chlorogenin,  noch  wenig  untersuchtes  Alkaloid,  aus  der  Riude  von  Ahiortia 
eoitsti'icta  dargestellt. 

Chlorophyll  (/^wpoe,  grün,  und  (pO).Vjv,  Blatt),  Blattgrün,  von  Pelletier 
und  Cavextou  1817  für  den  grünen  Farbstoff  der  Blätter  eingeführter  Name. 
Man  muss  daher  denselben  für  den  Farbstoff  selbst  reserviren  und  darf  nicht  die 
Cblorophyllk  ö  r  n  e  r  der  pflanzlichen  Zellen  mit  diesem  Namen  bezeichnen. 

Chlorophyll  kommt  niemals  in  reiner  Form  in  der  pflanzlichen  Zelle  vor,  sondern 
ist  stets  reit  eiuera  anderen  (gelben)  Farbstoff,  dem  Xanthophyll,  gemischt  in 
die  Substanz  kleiner  aus  Eiweisssubstanzen  bestehender  Körper  eingelagert.  Diese 
sogenannten  Chlorophyllkörper  besitzen  bei  allen  höheren  Pflanzen,  von 
den  Gefüsskryptogamen  aufwärts,  die  Gestalt  von  Körnern  (Chlorophyll- 
körner) und  sind  selten  in  der  Einzahl,  ineist  in  der  Vielzahl  in  den  (grünen) 
Zellen  der  Pflanzen  enthalten.  Nur  einige  Gruppen  der  Algen  machen  eine  Aus- 
nahme hiervon ,  indem  bei  ihnen  die  <  'hlorophyllkörper  bald  die  Gestalt  von 
Bändern,  Platten  und  Sternen  besitzen,  bald  der  Farbstoff  gleichmässig  Uber  das 
ganze  Plasma  vertheilt  ist  (sehr  selten). 

Bei  den  höheren  Pflanzen  finden  sich  <  'hlorophyllkörner  in  allen  grünen  Theilen, 
in  grösster  Menge  in  den  Blättern  und  hier  namentlich  in  den  Zellen  der  Ober- 
seite (Paiissadeuzellen),  die  denn  auch  meist  einen  dunkleren  Farbeton  besitzt,  als 
die  Unterseite.  Da  der  pflanzliche  Assimilationgprocess  —  d.  h.  die  Fähigkeit,  aus 
Kohlensäure  und  Wasser  kohlenstoffhaltige  organische  Substanzen  aufzubauen  — 
allein  auf  die  Chlorophyllkörper  beschränkt  ist,  so  sind  nur  grüne  Organe 
Assimilationsorgane,  in  erster  Linie  also  die  Blätter,  bei  denen  bisweilen  in 
einer  Zelle  50 — oO  solcher  Chlorophyllkörner  liegen.  Da  andererseits  der 
Assimilationsproecss  nur  unter  dem  Einflüsse  des  Lichtes  stattfindet,  so  sind 
einmal  die  ehlorophyllführenden  Zellen,  andererseits  die  Cblorophyllkörner  in  ihnen 
in  die  denkbar  beste  Lage  zum  Lichteinfall  orientirt,  so  zwar,  dass  möglichst  alle 
Körner  vom  Liebte  getroffen  werdeu. 

Die  Chlorophyllkörner  selbst  besitzen  meist  eine  runde,  flach  scheiben- 
förmige Gestalt,  von  der  Seite  gesehen  erseheiuen  sie  linsenförmig,  von  der  Fläche 
kreisrund.  Sie  bestehen  aus  einem ,  wahrscheinlich  zwei  Eiweisssubstanzen  ent- 
haltenden, schwammartigen  Stroma,  in  dessen  Maschenwerk  das  Farbstoffgemenge 
in  Verbindung  mit  anderen  Substanzen  (den  Assimilationsprodueten,  Oel  etc.)  ein- 
gelagert ist,   und  einer  zarten,  das  ganze  Korn    umgebeuden  Plasmamembran. 


Digitized  by  Googl 


CHLOROPHYLL. 


87 


Diesen  Chlorophyllkörneru  lässt  sich  das  Farbstoffgemenge  auf's  leichteste ,  z.  B. 
mittelst  Alkohol,  entziehen.  Sie  bleiben  dann  farblos  zurück  und  zeigen  alle  Eiweiss- 
reactionen  auf's  prägnanteste.  Das  Stroma  ist  ausserordentlich  weich  und  dehnbar, 
die  Körner  sind  daher  im  Stande,  ganz  erhebliche  Formveränderuugeu  zu  erleiden, 
sich  zu  dehnen,  sieh  abzuplatten,  abzurunden  etc.  Liegen  zahlreiche  derselben  in 
einer  Zelle  bei  einander,  so  platten  sie  sich  gegenseitig  aneinander  ab,  werden 
drei-,  viereckig  oder  polyedriscb.  Die  Plasmamembran  hindert  sie  aber  am  Zu- 
sammen Hiesse  n.  Durch  den  Tod  der  Zelle  verliert  die  letztere  diese  Eigenschaft, 
alsdann  flicsseu  oft  die  sämmtlichen  Körner  einer  Zelle  zu  einem  formlosen, 
grossen  grünen  Klumpen  zusammen.  So  finden  wir  sie  der  Hegel  nach  iu  den 
Drosen,  welche  grüne  Organe  (Blätter  etc.)  enthalten,  nur  selten  bleibt  aus  uns 
anbekannten  Gründen  ihre  Form  anch  nach  dem  Tode  erhalten.  Wie  die  tJestalt, 
■o  verlieren  die  Chlorophyllkörper  beim  Tode  auch  meist  ihre  reingrflne  Farbe, 
sie  werden  braungrün,  daher  kommt  es,  dass  die  meisten  Drogen,  besonders  jene, 
die  unsorgfältig  getrocknet  wurden,  kein  frisehjrrünes,  sondern  eben  jenes  braun- 
prflne  Aussehen  besitzen. 


aßC  1) 
;j  70    65  60 

I  Jl|  il  jrl  Jr 


Hl 


In  die  sehr  zarten  Masehen  des  Stromas,  der  Gruudsnhstauz,  ist  uuu  der  Farb- 
stoff selbst  eingebettet. 

Derselbe,  das  Rohchlorophyll,  besteht,  abgesehen  von  anderen  Beimengungen, 
deren  chemische  Natur  noch  nicht  erkannt  ist ,  aus  zwei  Farbstoffeu ,  einem  rein 
grünen,  dem  Reinchlorophyll  i  Chlorophyll),  und  einem  gelben,  dem  Xantho- 
p  h  y  1 1.  Ihren  spectral-analytischen  Eigenschaften  nach  sind  uus  beide  genau, 
ihren  chemischen  Eigenschaften  nach  noch  unvollkommen  bekannt. 

Wir  wissen,  dass  die  Lösungen  des  Reinchlorophylls  (Tjschirch)  ,  abge- 
sehen von  einer  continnirlichen  Absorption  der  blauen  uud  violetten  Spectrurns- 
hillfte  (bis  etwaX=  500)  vier  Bander  besitzen  (Fig.  8,  Nr.  3  u.  4):  ein  sehr  dunkles 
(I)T  ungefähr  zwischen  den  FRAU.VHOKKu'sehen  Linien  B  und  C  im  Roth,  zwei 
mattere,  aber  ungefähr  gleich  starke,  im  Gelb  (II  u.  III)  und  ein  sehr  mattes 
(IV) ,  erst  in  dicker  Schicht  deutliches ,  etwa  bei  der  Linie  E.  Die  gleichen 
Bänder  in  der  gleichen  relativen  Intensität  finden  wir  auch  beim  Blatte  selbst 
(Fig.  8,  Nr.  /  u.  2),  wenn  wir  dasselbe  bei  durchfallendem  Liebte  mit  dem  Spectral- 
apparat  prüfen,  nur  sind  sie  hier  alle  etwas  ffegen  Roth  verschoben.  Bei  dem  Blatte 
treten  aber  noch  zwei  weitere  Bänder  auf.  Dieselben   (/  und  Ji   liefen  im  Blau 


88 


CHLOROPHYLL. 


(Fig.  8,  Nr.  1).  Sie  gehören  dem  zweiten  Farbstoffe,  dem  Xanthophyll,  an, 
dessen  Lösungen ,  abgesehen  von  der  Endabsorption,  ein  Band  bei  F  nnd  eines 
zwischen  F  und  G  besitzen.  (Fig.  8,  Nr.  o  u.  6). 

Band  2  ist  beim  Blatte  meistens  schwer  siehtbar.  da  die  Endabsorption  des 
Reinchlorophylls  sich  über  diesen  ganzen  Spectralbezirk  lagert.  Das  Blatt- 
spec t  r  u  m  ist  also  ein  Mischspectrum. 

Das  Reinchlorophyll  bildet  rein  grüne  Lösungen  (ohne  einen  Stich  in 's 
Gelbe),  die  lebhaft  roth  fluoresciren. 

Die  Lösungen  des  Xanthophylls  sind  rein  gelb  und  fluoresciren  nicht 

Das  Reinchlorophyll  ist  bis  jetzt  genau  nur  in  seiner  Zinkverbindung 
bekannt.  Dieselbe  bildet  dunkel  stahlblaue  Lamellen,  die  sich  mit  prächtig  rein 
grüner  Farbe  in  Alkohol,  Aether,  Pctroläther,  Chloroform,  nicht  in  Wasser  lösen. 
Sie  enthalt  13.8  Procent  Zinkoxyd.  Das  darin  enthaltene  Chlorophyllmolektil  ent- 
spricht der  Formel  C28H47N30„.  Chlorophyll  enthält  also  wohl  Stickstoff,  aber 
kein  Eisen,  ebensowenig  wie  andere  Aschenbestandtheile.  Die  Zink  Verbindung  ist 
relativ  beständig. 

Die  genaue  Zusammensetzung  des  Xanthophylls,  des  zweiten  Farbstoffes 
im  Rohchlorophyll,  ist  zur  Zeit  noch  nicht  bekannt.  Es  enthält  sicher  keinen 
Stickstoff. 

In  der  Pflanze  erleidet  das  Chlorophyll  sehr  leicht  Zersetzungen;  sobald  die 
Zelle  abstirbt  und  der  saure  Zellsaft  an  die  Chlorophyllkörner  tritt,  werden  die- 
selben braungrün.  Bei  dieser  Zersetzung  entsteht  das  braungrüne  C  h  1  o  r  o  p  h  y  1 1  a  n 
(Hypoehlorin).  Diesem  Chlorophyllan  verdanken  alle  durch  Trockueu  oder  Kochen 
braun  gewordenen  Blätter  oder  Drogen  ihre  Farbe.  Um  diese  Umbildung,  die  schon 
beim  Extrahiren  der  Blätter  mit  Alkohol  anhebt,  zu  vermeiden,  genügt  es,  wenn 
man  vor  der  Extractiou  dem  Extractiousmittel  kleine  Mengen  von  Alkalien  hinzufügt. 
Pflanzenauszüge  mit  schwach  ammoniakalischem  Alkohol  bereitet  ,  sind  rein  grün 
und  bleiben  es  lange  Zeit.  Ebenso  wirken  Kali  und  Natron.  Es  entstehen  hierbei 
sogenannte  Alkalichlorophylle,  salzartige  Verbindungen  von  Kali  und  Natron 
mit  einem  Zersetzungsproducte  des  Chlorophylls. 

Auf  der  Bildung  derselben  beruht  auch  der  Zusatz  von  Natronearbonat  zu 
grünen  Speisen  (Spinatj  um  dieselben  auch  nach  dem  Kochen  noch  grün  zu 
erhalten. 

Um  in  Drogen  die  grüne  Farbe  beim  Trocknen  zu  erhalten,  mnss  man  den 
Farbstoff  so  schnell  als  möglich  der  Einwirkung  des  sauren  Zellsaftes  entziehen; 
also  rasch  trocknen,  denn  nur  in  gelöstem  Znstande  wirken  die  Säuren  zerstörend 
auf  den  Farbstoff. 

R o b c h  1  o r o p h y  1 1  löst  sich  in  Alkohol,  Aether,  Chloroform, 
fetten  und  ätherischen  Oelen.  Alle  Tinctureu  aus  grünen  Vegetabilien 
enthalten  daher  dasselbe,  aber  selbst  in  Tinct.  Arnicae  ist  Chlorophyll  enthalten 
(von  den  Fruchtknoten  stammend).  Das  Bergamottöl  des  Handels  enthält,  da  nicht 
destillirt,  ebenfalls  den  Farbstoff.  Durch  Destillation  ist  es,  da  nicht  flüchtig,  aus 
allen  diesen  zu  entfernen.  Cajeputöl  ist  daher  frei  davon ,  die  grünliehe  Farbe 
rührt  von  Kupfer  her.  Dagegen  sind  die  sogenannten  Olea  cocta,  besonders  Ol. 
Hyosc;i<w>t  reich  daran.  Da  der  Farbstoff  aber  in  den  verwendeten  Drogen  selbst 
meist  schon  durch  Chlorophyllaubilduug  braungrün  geworden  ist,  so  werden  auch 
die  Gele  ;  besonders  Ol.  Hyoscyomi)  nie  reingrüu  ausfallen. 

Die  Rohchlorophyllauszttge  fluoresciren  stark.  Doch  geht  dem  Chlorophyll  unter 
Umständen  die  Fluoreseenz  verloren  (Tschirch),  besonders  wenn  man  mit  grossen 
Massen  operirt  und  mit  Kupferblascn  arbeitet.  Es  entsteht  hierbei  eine  nicht 
flnorescirende  Kupferverbinduug. 

Jedenfalls  ist  Fluoreseenz  kein  absolut  sicheres  Kennzeichen  des  Chlorophylls 
in  Gemischen.  Weuu  sie  iu  der  charakteristischen  Weise  vorhanden ,  so  ist  auch 
Chlorophyll  nachgewiesen,  wo  sie  fehlt,  darf  noch  nicht  das  Gegentheil  geschlossen 
werden.  Mit  der  verschwindenden  Fluoreseenz  geht  auch  eiue  andere  Eigenschaft  des 


Digitized  by  Googl 


CHLOROPHYLL.  -  CHLORPHOSPHOIt. 


89 


liohcblorophyllB  verloren,  die  partielle  Löslichkeit  in  concentrirter  Salzsaure.  Taucht 
man  n&mlioh  Blätter  iu  concentrirte  Salzsäure  so  werden  Bie  blau.  Eb  entsteht  aus 
dem  Chlorophyll  das  Phyllocyanin.  Dasselbe  ist  leicht  aus  jedem  alkoholischen 
Blätterextract  darzustellen,  wenn  man  den  Alkohol  abdestillirt  und  den  Rückstand  mit 
der  Säure  behandelt.  Man  erhält  einen  braunen  Rest  und  eine  rein  blaue  Lösung. 

Fällt  man  die  blaue  Phyllocyaninlösung  mit  Wasser,  so  erhält  man  die  Phyllo- 
cyaninsäure;  dieselbe  krystallisirt  in  stahlblauen  Lamellen  und  ist  mit  dem 
Keinohlorophyll  nahe  verwandt. 

Das  sicherste  Kennzeichen  des  Chlorophylls  ist  stets  das  Spectrum,  kein 
anderer  grüner  Farbstoff  gibt  die  charakteristischen  Ränder  (s.  oben).  Doch  ist 
zu  beachten,  dass  in  den  alkoholischen  Chlorophyllauszügen  stets,  je  älter  und  zer- 
setzter dieselben  sind  um  so  mehr,  durch  Chlorophyllanbildung  eine  Veränderung 
des  Spectrums  durch  Uebereinanderlagerung  eintritt. 

Das  Chlorophyllanspectrum  ist  namentlich  durch  ein  dunkles  Band  bei  X=500 
charakterisirt,  Je  deutlicher  dies  Band  bei  einer  Lösung  auftritt,  um  so  zersetzter 
ist  dieselbe.  Da  aber  auch  das  Xanthophyll  durch  alle  obigen  Lösungsmittel 
extrahirt  wird,  so  ist  in  einem  Blätterauszug  stets  die  Uebereinanderlagerung 
dreier  Speetren  (Chlorophyll,  Chlorophyllan,  Xanthophyll)  zu  beobachten.  Nichts- 
destoweniger bleiben  auch  in  diesem  Gemisch  die  für  das  Chlorophyll  charakteristi- 
Hchen  Bänder  I,  II  und  III  so  vollständig  deutlich  erhalten ,  dass  dieselben  als 
diagnostische  Merkmale  benutzt  werden  können. 

So  begegnet  es  denn  keinen  Schwierigkeiten  Chlorophyll  nachzuweisen. 

Quantitativ  bestimmt  man  Chlorophyll  vergleichend  colorimetrisch  oder 
mittelst  der  Baryum-,  beziehungsweise  Zinkverbindung  (Tschirch).  Blätter  ent- 
halten 2 — 4.5  Procent  (der  aschefreieu  Trockensubstanz)  Chlorophyll. 

Aus  Gemischen  entfernt  wird  Chlorophyll  leicht  durch  Blei   und  Barytsalze. 

Die  gebildeten  Verbindungen  sind  unlöslich  in  Alkohol.  Darauf  beruht  auch  meine 

Methode  zur  Conservirung  grüner  Pflanzeutheile  in  Alkohol. 

Literatur:  Tschirch,  l'ntersuchungen  über  das  Chlorophyll.  Parey  1884  (dort  die 
£«s  am  rote  Chlorophyllliteratur  bis  1884).  Tschirch. 

Chlorosis  (-/>.a>po;,  blass),  Bleichsucht  (vergl.  Bd.  II,  pag.  303)  in  Folge 
verminderten  Hämoglobingehaltes  des  Blutes,  zum  Unterschiede  von  Anämie 
f».  Bd.  I,  pag.  350 j  und  Leukämie  (s.  d.). 

ChlOrOZOII  (oder  Chlorozone),  ein  Bleiehmittel,  als  Speeialität  vertrieben,  wird 
erhalten  durch  Einleiten  von  Chlor  in  Natronlauge;  es  soll  nicht  identisch  sein 
mit  unterchlorigsaurem  Natron  ,  kann  aber  wohl  in  allen  Fällen  durch  letzteres 
ersetzt  werden. 

ChlorphOSphOr.  Phosphor  vereinigt  sich  mit  Chlor  und  den  Halogenen  über- 
haupt in  den  Formen  PX3  und  PXft  (X  =  1  Halogenatom). 

Phosphortrichlorid.  Phosphorchlorür,  PC13,  entsteht,  wenn 
trockenes  Chlorgas  in  eiue  Retorte  über  schwach  erhitzten  Phosphor  geleitet  wird. 
Letzterer  verbrennt  dabei  zu  PCI3,  welches  überdcstillirt  und  durch  Rectifieiren 
gereinigt  wird. 


Stark  rauchende,  farblose,  liehtbreehende  Flüssigkeit,  die  an  feuchter  Luft  in 
phosphorige  Säure  und  Chlorwasserstoff  zerfällt :  P  Cl3  +  3  H,  0  =  Ha  P03  4-  3H  Cl. 
Spee.  Gew.  l.tilli  bei  0%  Siedepunkt  74° ,  Dampfdichte  68. Ci  (II  =  l).  Mit 
Schwefel  verbindet  sich  Phosphortrichlorid  beim  Erhitzen  auf  130°  zu  Phosphor- 
sulfoehlorid ,  P  8  CL  .  eine  ölige  Flüssigkeit ,  die  iu  Wasser  untersinkt  und  sich 
gleichzeitig  unter  Bildung  von  H2  S  und  HCl  in  Metaphosphorsäure,  HP0S,  zersetzt. 

Phosphorpentachlorid,  Phosphorchlorid,  PC15,  entsteht  bei  der 
Einwirkung  von  Chlor  auf  Phosphortrichlorid. 

< telblichwewse ,  krystallinische  Masse,  die  an  der  Luft  stark  raucht,  beim 
Erhitzen  ohne  zu  schmelzen  suhlimirt,  und  dabei  theilweise  iu  PCI,  und  CL  zer- 
fallt. Bei  hoher  Temperatur  dissoeiirt  PCl^  vollständig,  mit  organischen  Verbin- 


Digitized  by  Google 


90 


CHLORPHOSPHOR.  —  CHLORSÄUREN. 


dangen  gibt  es  Cblorsubstitutionsproducte  (g.  Chlor iren),  in  wenig  Wasser 
eingetragen  wird  es  in  Chlorwasserstoff  and 

Phosphoroxychlorid,  POCI,,  zerlegt  (PC16  +  H20  =  POCl3  +  2  HCl). 
Zweckmässig  geschieht  die  Darstellung  des  Phosphoroxychlorids  durch  Destillation 
von  Phosphorpeutachlorid  mit  überschüssigem  Phosphorsäureanhydrid ,  3  P  Clj  + 
P2Of,  =  5  P0C13,  oder  durch  Einleiten  von  Chlor  in  ein  Gemenge  von  PhoBphor- 
trichlorid  und  Phosphorsäureanhydrid.  Auch  beim  Durchleiten  von  ozonisirter  Luft 
durch  PC13  entsteht  Phosphoroxychlorid. 

Farblose,  an  der  Luft  stark  rauchende  Flüssigkeit.  8pec.  Gew.  1.7  bei  12°, 
Siedepunkt  110°,  wird  durch  Wasser  in  Metaphosphorsäure  und  Salzsaure 
zersetzt.  POCI,  +  2  H2  0  =  It  PO,  +  3  H  Cl.  K.  Thfimmel. 

Chlorsäuren.  Während  sich  Chlor  mit  Wasserstoff  nur  in  einem  Wrliiiltriiss 
(HCl)  verbindet,  kennen  wir  mehrere  Sauerstoffverbindungen,  Säuren  und  Au- 
hydride,  welche  jedoch  im  freien  Zustande  wenig  Beständigkeit  besitzen.  Die 
Säuren  sind  einbasisch. 

Unterchlorigsäureanhydrid,  Chlor oxyd,  Cl, 0,  entsteht  beim  Ueber- 
leiten  von  trockenem  Chlorgas  über  gefälltes,  vorher  auf  300 — 400°  erhitztes 
Quecksilberoxyd.  Dasselbe  stellt  eine  blutrothe,  chlorähnlich  riechende  Flüssigkeit 
dar,  die  bei  ltt — 20°  siedet,  sich  in  gelben  Dämpfen  verflüchtigt  und  beim  Er- 
wärmen oft  unter  Explosion  zersetzt  wird. 

Unterchlorige  Säure,  HC10,  erhält  man  durchschütteln  von  11  Chlor- 
gas mit  15  g  gefälltem,  auf  300°  erhitzt  gewesenem  Quecksilberoxyd  und  wenig 
Wasser;  ebeoso  durch  theilweise  Zersetzung  von  Chlorkalk  mit  verdünnter  Salpeter- 
säure. In  beiden  Fällen  destillirt  man  die  Säure  ab.  —  Die  concentrirte  Lösung 
derselben  hat  eine  orangegelbe  Farbe,  ätzt  die  Haut  stärker  wie  Salpetersäure,  zer- 
setzt sich  schnell  im  Sonnenlicht,  im  Dunkeln  langsamer.  Die  Salze  der  unter 
chlorigen  Säure  bezeichnet  man  als  Hypochlorite.  Sie  sind  im  reinen  Zustande 
wenig  bekannt,  geben  auf  Zusatz  von  Salzsäure  Chlor  ab  und  werden,  besonders 
rasch  am  Tageslicht,  in  ihreu  Lösungen  unter  Sauerstoffentwicklung  in  chlorsaure 
Salze  und  Chloride  übergeführt  (vergl.  Chlorkalk).  Auf  organische  Färb-  nud 
Riechstoffe  wirkt  unterchlorige  Säure  zerstörend. 

Chloriff  säurean  hydrid,  C1.,03,  scheint  entgegen  früheren  Angaben  nach 
Garzakolu -THURXhACKH  (Berl.  Berichte,  14,  pag.  2H)  nicht  zu  existiren.  vielmehr 
soll  das  unter  diesem  Namen  bisher  dargestellte,  bei  — 18°  condensirbarc.  dunkel 
grüngelbe  Gas  ein  Gemenge  von  Chlordioxyd  mit  Chlor,  beziehungsweise  Sauerstoff 
sein.  Zur  Darstellung  erwärmt  man  ein  Gemisch  von  Kaliumehlorat.  Salpetersäure 
und  Arsentrioxyd. 

Untcrchlorsäureanhydrid,  Chlordioxyd,  C10_,,  entsteht  bei  der 
Einwirkung  von  stark  abgekühlter  Schwefelsäure  oder  von  Oxalsäure  auf  Kalium- 
ehlorat. Die  Darstellung  darf  nur  unter  Anwendung  besonderer  Vorsichtsmaßregeln 
vorgenommen  werden,  da  Chlordioxyd  leicht  von  selbst  mit  grosser  Gewalt  explodirt. 
Es  ist  eine  lebhaft  rothe  Flüssigkeit,  die  bei  +9'J  (731mm  Druck)  siedtt  und 
bei  —  7l»°  krystallinisch  erstarrt.  Der  Dampf  bleicht  energisch,  die  wässerige  Lösung 
aber  enthält  keine  wirkliehe  Unterchlorsäure,  zersetzt  sich  schon  im  Dunkeln,  und 
mit  Basen  zusammengebracht  entstehen  keine  dieser  Säure  entsprechende  Salze, 
sondern  Gemische  von  chlorsauren  und  chlorigsanren  Salzen. 

Chlorsäure.  H  Cl  Q3  ,  ist  ebenso  im  reinen  Zustande  nicht  bekannt ,  ein 
Anhydrid  noch  nicht  dargestellt.  Chlorsäure  bildet  sich  direct  bei  Zersetzung 
wässeriger  Lösungen  der  Hypochlorite,  der  chlorigen  Säure  oder  des  Chlordioxyds 
im  Tageslicht.  Man  stellt  sie  entweder  durch  Wechselwirkung  von  Kaliumehlorat 
und  Siliciumfluorwasserstoff.  lLSiFI(i,  oder  durch  Zersetzung  äquivalenter  Mengen 
Baryumchlorat  und  (verdünnter)  Schwefelsäure  dar.  Die  so  erhaltene  Lösung  «1er 
Säure  lässt  sich  im  Vacuum  zu  einer  farblosen ,  nicht  ölartigeu  Flüssigkeit  von 
1.282  spee.  Gew.,  =    40.1  Procent  HC10.S,  eonceutriren.    In  diesem  Zustande 


Digitized  by  Google 


CHLORSÄUREN.  —  CHLORSTICKSTOFF. 


91 


besitzt  sie  einen  stechenden,  salpetersäureähnlichen  Geruch,  röthet  Lackniuspapier 
anfangs  lebhaft  und  bleicht  es  darauf.  Bei  4<>°  zersetzt  sich  verdünnte  Chlorsäure 
in  Chlor  und  Sauerstoff,  concentrirt  wirkt  sie  äusserst  stark  oxydirend,  entzündet 
eingetauchtes  Fliesspapier,  führt  Schwefeldioxyd  in  Schwefelsäure,  Jod  in  Jodsäure 
über  u.  s.  w.  Die  Salze  der  Chlorsäure  nennt  man  Chlorate,  die  wichtigsten  der- 
selben gewinnt  man  durch  Einleiten  von  Chlor  in  kochend  heisse  Lösungen  der 
Alkalien  oder  Erdalkalien,  6KOU  +  3  Cla  =  5  KCl  +  KC103  +  3  Ha  0. 

Salzsäure  entwickelt  mit  Chlorsäure  oder  aus  Lösungen  der  Chlorate  Chlor 
(s.  Kaliumchlorat),  HC10S  +  5  HCl  =  3  Ha  O  4-  3  Cla. 

Die  Salze  der  Chlorsäure  sind  meistens  in  Wasser  löslich ,  geben  beim  Erhitzen 
Sauerstoff  ab,  besonders  leicht,  sobald  sie  mit  Eisenoxyd,  Mangan-  oder  Blei- 
snperoxyd  vorher  gemischt  waren;  im  Rückstand  bleiben  Chloride.  Ferner  geben 
Chlorate  mit  Phosphor,  Kohle,  Schwefel,  Schwefelantimon,  Zucker,  Cyankalium  und 
anderen  oxydirbaren  Substanzen  heftig  verpuffende  Gemenge. 

Ueberchlorsäure,  IIC104,  entsteht  bei  der  Destillation  von  Chlorsäure, 
bei  der  Elektrolyse  in  Wasser  gelöster  Chlorate.  Die  Salze  derselben,  Perchlorate 
oder  Hyperchlorate  genannt,  bilden  sich  neben  Chlorid  beim  Erhitzen  der  Chlorate, 
2KC103  =  2  0  +  KCl  +  KC104. 

Durch  Behandlung  der  Hyperchlorate  mit  Schwefelsäure  (Destillation)  lässt  sich 
reberehlorsäure  rein  darstellen.  Sie  erscheint  concentrirt  als  farblose,  an  der  Luft 
stark  rauchende  Flüssigkeit  (spec.  Gew.  1.782),  welche  sich  nicht  unzersetzt 
destilliren  lässt  und  sich  besonders  leicht  im  concentrirten  Zustande  zersetzt, 
wobei  sie  dann  eine  bromähnliche  Farbe  annimmt.  Auf  der  Haut  erzeugt  sie 
schmerzhafte  und  gefährliche  Wunden,  explodirt  heftig  mit  Kohle,  Aether,  Papier, 
Holz  u.  s.  w.  Hyperchlorate  geben  beim  Erhitzen  Sauerstoff,  einige  auch  Chlor  ab 
mit  Hinterlassung  von  Chloriden  und  auch  von  Metalloxyd,  verpuffen  auf  glühende 
Kohlen  geworfen  heftig  und  unterscheiden  sieh  von  den  Chloraten  u.  a.  dadurch, 
dass  sie  unter  100°  weder  von  Salz-  noch  von  concentrirter  Schwefelsäure  zer- 
setzt werden.  K.  Thümmel. 

ChlorSChwefel.   Schwefel   verbindet  sich  mit  Chlor  in  drei  Verhältnissen: 
SsCla,  SC1S  und  8C14. 

Einfach  Chlorschwefel,  Halbchlorschwefel,  Sc  Ii  wefelmo  uo- 
chlorid,  Schwefelchlorür,  Ss  CL,,  erhält  man,  wenn  trockenes  Chlorgas  in 
eine  Retorte  über  geschmolzenen  Schwefel  geleitet  wird.  Das  gebildete  Schwefel- 
monochlorid destillirt  über  und  wird  durch  Kühlung  verdichtet.  Das  I*roduct  wird 
durch  Rectificiren  gereinigt.  S2  Cla  stellt  eine  an  der  Luft  stark  rauchende,  roth- 
gelbe Flüssigkeit  dar  von  scharfem,  die  Augen  zu  Thränen  reizendem  Geruch. 
Spec.  Gew.  1.68,  Siedepunkt  139°,  Dampfdichte  »57  (H  =  1).  Mit  Wasser  zusammen 
zersetzt  es  sich :  2  S«  Cl.  +  2  Hs  0  =  8  0a  +  4  H  Cl  -f  3  S. 

Schwefclmonochlorid  löst  Schwefel  leicht  auf  und  dient  zum  Vulcaniniren  des 
Kautschuks. 

Zweifach  C  h  1  o  r  sch  wef  el ,  Schwefoldi  chlori  d,  SCL.,  entsteht  beim 
Sättigen  von  Halbchlorschwefel  mit  Chlor  in  der  Kälte.  Ueberschüssiges  Chlor 
wird  durch  Durchleiten  eines  Kohlensäurestromes  entfernt.  SCI,  ist  eine  dunkel- 
rothe  Flüssigkeit.  Spec.  Gew.  1.02,  Siedepunkt  64°,  wobei  es  sich,  ebenso  wie 
bei  mittlerer  Temperatur  in  S3  CL,  und  Cl2  zersetzt. 

Vierfach  Chlorschwefel,  S chwefeltetra chlorid,  S<'14,  existirt  nur 
bei  Temperaturen  unter  0°  und  bildet  sich  beim  Sättigen  von  SCL  mit  Chlor  bei 
—2ö  bis  30°.  Schon  bei  —20°  beginnt  seine  Dissociatinn  und  ist  diese  bei  -f6° 
vollständig.  Mit  einigen  Metalloidchloriden,  z.  B.  SnCI4,  AsCI3,  SbCl3,  gibt  Schwefel- 
tetraehlorid  krystallinischc  Verbindungen.  K.  Thttmmel. 

ChlOrStickstOtT,  Trichloramin,  Nd3.  Bei  der  Einwirkung  von  Chlor 
auf  überschüssiges  Ammoniak  entweicht  Stickstoff,  dagegen  entgeht  umgekehrt  bei 

Digitized  by  Google 


1 


92  CHLORSTICKSTOFF.  —  CHLORWASSER. 

Gegenwart  von  überschüssigem  Chlor  durch  Zersetzung  von  anfangs  gebildetem 
Salmiak  Chlorstickstoff  und  Salzsäure. 

N  H,  -f  3  Cl  =  N  4-  3  H  Ct, 
3  Nils  +  3  HCl  =  3NH,  Cl, 
NH«C1  +  3C12  =  NC1S  +  4  HCl. 

Zur  Darstellung  kleiner  Mengen  Chlorstickstoff  taucht  man  einen  mit  Chlorgas 
gefüllten  Kolben  mit  der  Oeffnung  nach  unten  in  eine  auf  30°  erwärmte  Salmiak- 
lösung. Bei  der  Absorption  des  Gases  scheiden  sich  schwere  Oeltropfen  aus,  die 
man  in  einem  untergestellten  Bleischälchen  auffängt. 

Chlorstiekstoff  ist  eine  ölige,  gelbe  Flüssigkeit  von  unangenehmem  Geruch. 
Spec.  Gew.  1.65.  Er  ist  von  allen  bekannteu  chemischen  Körpern  der  gefähr- 
lichste ,  weil  er  sich  nicht  nur  bei  der  leisesten  Berührung ,  sondern  auch  schon 
von  selbst,  besonders  beim  Erwärmen,  unter  äusserst  heftiger  Explosion  zersetzt. 
Wegen  dieser  seiner  gefahrvollen  Eigenschaft  dürfen  Chlor  und  chlorhaltige 
Flüssigkeiten  niemals  mit  Ammoniak  oder  Ammoniumhaloidsalzen  zusammengebracht 
und  abgegeben  werden.  K.  Thümroel. 

ChlorÜre,  s.  Chloride. 

ChlOrwaSSer,  Aqua  eklorata.  Aqua  Chlort,  Solutio  Chlori,  Aqua  oxy- 
muriatica,  ist  eine  mehr  oder  minder  gesättigte,  wässrige  Chlorlösung. 

Darstellung.  Gewöhnlich  wird  das  erforderliche  Chlor  aus  Braunstein  und 
Salzsäure  entwickelt,  Mn  Oa  -4-  4  HCl  =  Cl2  +  Mn  Cl,  +  2  H3  0. 

Man  füllt  einen  Kolben  zu  etwa  2'3  mit  haselnnssgrossen  Stücken  Braunstein, 
giesst  ho  viel  Salzsäure  hinein,  dass  der  Braunstein  zu  *  K  bedeckt  ist  und  vor- 
schliefst die  Oeffnung  mit  einem  Kork,  der  mit  einem  Gasleitungsrohre  versehen 
ist.  Letzteres  wird  mit  einer  Zwischenflasche  verbunden  und  das  Ganze  im  Sand- 
bade oder  über  einem  Drahtnetze  durch  eine  Flamme  allmälig  bis  zum  Kochen 
erhitzt. 

Den  nicht  gelösten  Braunstein  wäscht  man  ab  und  bewahrt  ihn  zum  ferneren 
Gebrauch  auf.  500g  25procentige  Salzsänre  geben  nach  Rechnung  60.8  g.  Chlor 
oder  27 1  Chlorwasser.  Für  pbarmaceutische  Laboratorien  empfiehlt  sich  ferner  die 
Chlorbereitung  aus  Kaliumdicbromat  und  Salzsänre,  K2Cr207  +  14  HCl  =  3  CL,  + 
Cr3  CL.  -|-  2  KCl  4-  7  H2  0. 

100g  Kaliumdichromat  und  540g  32procentige  (rohe)  Salzsäure  geben  72.4g 
Chlor,  ein  Quantum,  welches  theoretisch  genügt,  um  181  0.4pr<>eentiges  Chlor- 
wasser  zu  bereiten.  Da  jedoch  in  der  Praxis  die  berechnete  Ausbeute  nicht  erreicht 
wird,  so  muss  1  ,  weniger  Wasser  in  die  Vorlagen  gegeben  werden.  Um  bei  der 
Bereitung  des  Chlorwassers  möglichst  wenig  von  Chlor  belästigt  zu  werden,  be- 
dient man  sich  als  Vorlagen  der  sogenannten  DRECHSEL'schen  Waschflaschen,  die 
man  zu  2  s  mit  Wasser  füllt,  und  von  denen  man  2 — 3  untereinander  durch 
GumnÜ8chläuche  verbunden  hat.  Aus  der  letzten  Flasche  wird  das  nicht  absorbirte 
Gas  durch  Schlauch  und  Rohr  in  Natronlauge  oder  Sodalösung  geleitet.  Nachdem 
die  atmosphärische  Luft  aus  dem  Apparat  verdrängt  ist  und  Chlor  den  oberen 
Raum  der  Vorlagen  füllt ,  werden  diese  zur  Beförderung  der  Gasabsorption  Öfter 
bewegt.  Die  erste  Vorlage  wird  das  stärkste ,  die  letzte  das  schwächste  Wasser 
enthalten.  Da  sich  bei  niederer  Temperatur,  wenige  (Jrade  über  0°,  Chlorhydrat 
(Cl2 . 10HS0),  eine  blassgelbe,  krystullinische  Masse  bildet,  welches  die  Leitungs- 
röhren verstopft,  so  muss  das  vorgelegte  Wasser  mindestens  eine  Temperatur  von 
9 — 10°  haben.  Auch  werden  zur  Erhaltung  der  Gummischläuche  diese  sofort  nach 
dem  Gebrauch  in  eine  Lösung  von  Natriumhyposulfit  gelegt  und  später  gewaschen. 

Eigenschaften.  Das  Chlorwasser  besitzt  alle  Eigenschaften  des  Chlors ,  er- 
stickenden Geruch  und  grüngelbe  Farbe ,  wird  durch  dieselben  Reageutien  wie 
letzteres  erkannt.  Bei  der  Aufbewahrung,  namentlich  rasch  am  Lichte,  entwickelt 
es  8auerstoß*  unter  Bildung  von  Salzsäure ,  wird  färb-  und  geruchlos ,  so  dass 
schliesslich  verdünnte  Salzsäure  zurückbleibt,  CL  +  H2  0  —  0+2  HCl. 


Digitized  by  Google 


CHLORWASSER.  —  CHLORWASSERSTOFFSÄURE. 


Diese  Zersetzung  wird  sofort  eingeleitet  so  dass  man  in  relativ  frisehem  Chlor- 
wasser nach  dem  Sehüttelu  mit  Quecksilber  durch  Silbernitrat  Salzsäure  nach- 
weisen kann.  Mit  Ammoniak  gemischt  darf  Chlorwasser,  wegen  Bildung  von  explo- 
sivem Chlorstickstoff,  nicht  dispensirt  werden. 

Aufbewahrung.  Diese  geschieht  in  gefüllten,  kleinen  Flaschen  mit  fest 
schliessenden  Glasstöpseln  an  einem  dunklen  Orte,  und  stellt  man  die  Gefässe  ge- 
wöhnlich umgekehrt  in  Sand  oder  Sägespähne. 

Prüfung.  Bei  9—10°  gesättigtes  Wasser  enthält  0.79  Gewichtsprocente 
Chlor  (8.  C  h  1  o  r).  Wenn  auch  die  Forderungen  der  verschiedenen  Pharmakopoen 
eich  mit  einem  geringeren  Gehalt  begnügen,  so  gelingt  es  doch  nur  durch  ein 
verhältnissmässig  frisches  Präparat  diesen  Forderungen  zu  genügen.  Es  verlangen 
in  Gewichtsprocenten  Chlor:  Ph.  Germ.  II.  0.4  Procent  (Austr.  und  Helv.  geben 
keinen  Gehalt  an),  Brit.  0.55  Procent  (spec.  Gew.  1.003),  Suec.  et  Norv.  0.32  Pro- 
cent, Neerl.  0.362  Procent,  Un.  St.  0.4  Procent,  Gall.  0.68  Procent.  Unerheblich 
erscheint  es,  wenn  sich  die  Prüfung,  wie  Ph.  Helv.  verlangt,  auch  auf  Salzsäure 
zu  erstrecken  hat. 

Den  Chlorgehalt  ermittelt  man  auf  die  Weise,  dass  man  1  g  jodsäurefreies  Jod- 
kalium in  einem  Becherglase  in  circa  10 — 15  g  Wasser  löst,  das  Ganze  tarirt  und 
25  g  Chlorwasser  hinzuwiegt.  Darauf  lässt  man  so  lange  1  10  Normalnatriumthio- 
sulfatlösung  zufliessen,  bis  die  durch  vorher  ausgeschiedenes  Jod  braunrotb  gefärbte 
Jodkaliumlösung  weingelb  geworden,  setzt  nunmehr  circa  10  Tropfen  Jodzinkstärke- 
lösung oder  Stärkelösung  zu  und  titrirt  mit  Thiosulfat,  bis  farblos. 

Cl3  +  2  KJ  =  2  KCl  +  J3     und    2  X  35.4  =  70.8, 
J8  +  2  Naj  S3  0,  .  10  Ho  0  =  2  Na  J  +  Na.,  S4  0e  4-  10  Ha  0 
2  x  248  =  496. 

Da  1  Molekül  Chlor  (=  70.8)  2  Molekül  Natriumthiosulfat  (=  496)  (oder 
35.4  =  248;  gleichstehen,  so  hat  man,  da  1cm  1  l0  Normalnatriumthiosulfatlösung 
0.0248  g  Naa  S3  0, .  10  H3  0  enthalten,  die  Anzahl  der  verbrauchten  Cubikcentimeter 
Thiosulfatlösung  mit  dem  Chloräquivalent  0.00354  zu  multipliciren,  um  den  Chlorgehalt 
zu  erfahren ;  Chlorprocente  werden  weiter  durch  Vervierfachen  des  Quotienten  gefun- 
den. Z.B.  würden  29.8 cc  1  l0  Natriumthiosulfat  in  25g  Chlorwasser  0.42  Pro- 
cent Chlor  anzeigen  (29.8  x  0.00354  =  0.105492  x  4  =  0.421968).  —  S.  auch 
Chlorkalk,  Chlorimetrie.  K.  Thümmel. 

CWorwaSSerStoffsäure,  Salzsäure,  HCl,  ist  eine  wässerige  Lösung  von 
Chlorwasserstoff  —  Mol.  Gew.  36.4. 

Vorkommen  und  Bildung.  Chlorwasserstoffgas  wird  mit  den  Dampfen 
vieler  thätiger  Vulcane  ausgestossen,  ebenso  enthalten  Quellen,  welche  vulcanischem 
Boden  entspringen,  häufig  das  Gas  gelöst.  Die  Laabdrüsen  des  Magens  von  Säuge- 
thieren  sondern  Salzsäure  ab;  z.  ß.  enthalt  der  Magensaft  des  Hundes  bis  zu 
3  Procent  dieser  Säure,  der  des  Menschen  0.2 — 0.3  pro  mille. 

Die  Bildung  von  Chlorwasserstoff  kommt  auf  verschiedene  Weise  zu  Stande, 
entweder  geschieht  dies  direct  oder  indirect.  Direct  aus  Chlor  und  Wasserstoffgas 
(Cblorknallgas),  die  sich  beide  im  zerstreuten  Tageslicht,  bei  Magnesium-,  Schwefel- 
kohlenstoff-Dampf-Stickoxyd oder  besonders  heftig  im  Sonnenlicht  zu  Chlorwasser 
stoff  vereinigen.  Gleiche  Vol.  Chlor  und  Wasserstoff  gebeu  nach  ihrer  Verbindung 
zwei  Vol.  Chlorwasserstoffgas,  eine  Verdichtung  findet  also  nicht  statt.  Ferner 
bildet  sich  Chlorwasserstoff  beim  Zusammentreffen  von  Chlor  mit  Verbindungen, 
die  Waaserstoff  enthalten,  so  z.  B.  werden  Jod-  und  Brom-,  Schwefel-,  Phosphor- 
uud  Arsenwasserstoff  und  Ammoniak  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  leicht 
zersetzt,  Wasser  durch  Einwirkung  des  Lichtes  oder  bei  hoher  Temperatur ;  orga- 
nische Verbindungen  vertauschen  durch  Einwirkung  von  Chlor  Wasserstoff  gegen 
letzteres  unter  Bildung  von  8alzsäure.  Manche  Chlorverbindungen,  z.  Ii.  die  Chloride 
vieler  Metalloide,  anorganische  und  organische  Sänrechloride  u.  s.  w.,  geben  mit 
Wasger  oder  Ammoniak  zusammengebracht,  Chlorwasserstoff.  Eine  wichtige  Bildnngs- 


Digitized  by  Google 


94 


CHLO  K  W  AS  SEHSTOFFSÄÜBE. 


weise  desselben  beruht  anf  der  Einwirkung  von  starken  und  feuerbeständigen 
Mineralsäuren,  z.  B.  Schwefelsäure,  Borsäure,  Phosphorsäure,  Kieselsäure  u.  s.  w., 
auf  Chlorroetalle,  besonders  auf  Alkalichloride. 

Darstellung.  Die  bequemste  Art  der  Darstellung  beruht  auf  der  Zersetzung 
von  Chlornatrium  mittelst  Schwefelsäure.  Im  Kleinen  nimmt  man  zur  Bereitung  von 
officineller  Salzsäure ,  Acidum  fii/drochloricum,  um  das  Chlorwasserstoffgas  bei 
möglichst  niederer  Temperatur  auszutreiben,  gleiche  Moleküle  Chlornatrium  und 
Schwefelsflure,  Na  Cl  +  H,  SO,  =  HCl  +  Na  HS04. 

Gleichzeitig  bat  man  bei  diesem  Verhältnis«  der  Substanzen  den  Vortheil,  dass 
sich  der  Salzkuchen,  vermöge  seiner  leichteren  Löslichkeit  gegenüber  Na2  S04, 
besser  aus  dem  Glaskolben  entfernen  lässt.  Auf  100  Th.  Chlornatrium  werden 
170  Th.  mit  V;s  — 1  4  N  asser  verdünnte  Schwefelsflure  genommen  und  200  bis 
240  Th.  Wasser  vorgelegt.  Nachdem  man  Chlornatriuin  in  einen  geräumigen  Glas- 
kolben gebracht  und  die  Oeffnung  desselben  mit  einem  doppelt  durchbohrten  Kork 
verschlossen  ist,  durch  den  ein  Gasleitungsrohr  und  eine  sogenannte  WKLTEB'scbe 
Sicherheitsröhre  gesteckt  waren,  giesst  man  durch  den  Trichter  der  letzteren  das 
erkaltete  Säuregemisch.  Die  Leitungsröhre  wird  mit  einer  Waschflasche  verbunden, 
welche  etwas  Salzsäure  oder  Wasser  enthält,  während  die  Fortleitungsröhre  der 
Waschflasche  in  eine  Vorlage  taucht.  Da  das  Gas  begierig  von  Wasser  aufge- 
nommen wird,  so  lässt  man  zur  Vermeidung  unnöthigen  Druckes  die  Leitungs- 
röhre nur  wenig  unter  die  Oberfläche  des  vorgelegten  und  gekühlten  Wassers  ein- 
tauchen, erwärmt  ferner  den  Kolben  im  Sandbade  so  lange,  bis  die  Absorption 
des  Gases  aufhört,  d.  h.  bis  keine  niedersinkenden  Streifen  von  gelöster  Säure 
in  der  Vorlage  bemerkbar  sind.  Nach  dem  Erkalten  wird  die  Säure  auf  das 
spec.  Gew.  gestellt. 

Im  (irossen  gewinnt  man  Salzsäure  als  Nebenproduct  bei  der  Sodafabrikation 
nach  Lebkanc  Hier  wird  das  Verbllltniss  von  Chlornatrium  zu  Schwefels:! ure 
jedoch  so  genommen,  dass  neutrales  Natriumsulfat  zurückbleibt,  2NaCl  -+  Ha804  = 
2  HCl  +  Na2  S04,  um  letzteres  dann  weiter  als  solches,  hauptsächlich  aber  zur 
Sodafabrikation  zu  verwenden.  Man  leitet  das  aus  dem  Gemisch  von  Kochsalz  und 
Kammersäure  (  —  50— t>0°B.  =  1.52—1.7  spec.  Gew.)  sich  entwickelnde  Chlor- 
wasserstoffgas  aus  den  Sulfatöfen,  in  denen  die  Snlzmasse,  anfänglich  unter  Durch- 
krücken, bis  zur  Rotbgluth  erhitzt  wird,  durch  Thonröhren  oder  gemauerte  Kanäle 
zunächst  in  einen  aus  Stein  gefertigten  Thurm.  Letzterer  ist  derartig  construirt,  dass 
das  (Jas  von  unten  eintritt  und  oben  durch  Thonröhren  in  die  Absorptionsgefässe, 
Bombonnes  genannt,  weiter  gefuhrt  wird.  In  diesem  Thurm  befinden  sich  durchbrochene 
Thonscheiben,  welche  mit  Wasser  befeuchtet  werden,  um  nicht  nur  das  durchströmende, 
heisse  Gas  zu  kühlen,  sondern  auch  die  leichter  condensirbaren  Schwefelsäure- 
dämpfe zu  verdichten  und  hier  zurückzuhalten.  Weiter  durchstreicht  das  salzsaure 
(Jas  eine  ganze  Reihe  zur  Hälfte  mit  Wasser  oder  schwacher  Säure  gefüllter  Bom- 
bonnes, thönerue  Ballons  von  180—2001  Inhalt,  die  nach  Art  der  Wui.FFsehen 
Flaschen  oben  mit  2 — 3  Oeffnungen  versehen,  an  den  Seiten  ebenfalls  zweimal 
tubulirt  sind,  um  aus  diesen  Seitentuben,  mittelst  eines  bis  auf  den  Boden  reichen- 
den Rohres,  die  fertige  Säure  entleeren  und  die  Borabonne  wieder  mit  Wasser 
«»der  verdünnter  Säure  beschicken  zu  können.  Unter  sich  sind  diese  Absorptions- 
gefässe  zur  besseren  Kühlung  des  durchströmenden  Gases  mit  etwa  Im  hohen  Thon- 
röhren verbunden,  welche  mittelst  Lehm  in  die  Tuben  lutirt  werdeu.  Aus  der 
letzten  Vorlage  gelangen  die  nicht  absorbirten  salzsauren  Dämpfe  in  den  unteren 
Theil  eines  Thurmes,  welcher  innen  mit  Rosten  versehen  ist,  auf  denen  durch- 
löcherte Steinplatten  und  weiter  nach  oben  Coaksstüeke  liegen,  die  dauernd  mit 
Wasser  berieselt  werdeu. 

Die  so  gewonnene  Säure  des  Handels  enthält  verschiedene  Verunreinigungen 
(vergl.  Arid  um  h  //  d  r  o  r  h  I n  r  i r  u  m  v  r  »  d  um  ,  Bd.  I.  pag.  80).  Um  sie 
von  denselben  zu  befreien,  verdünnt  man  die  Säure  auf  das  spec.  Gew.  von  1.12, 
setzt,   falls  sie   schweflige  Sjiure  enthalt,   etwas  Chlorwasser,   oder  sobald  sie 

Digitized  by  Googl 


CHLORWASSERSTOFFSÄURE. 


95 


chlorhaltig  «ein  sollte,  etwas  schweflige  Süure  zu  und  destillirt.  Arsen  lässt  sieh 
durch  Erwärmen  mit  Zinnchlorflr,  oder  Einleiten  von  Schwefelwasserstoff  im  Ueber- 
Hchuss  und  mehrtägige  Maceration  entfernen  (ausgeschiedenes  metallisches  Arsen 
(»der  Arsentrisulfid  müssen  vor  der  Destillation  abfiltrirt  werden).  Auch  gibt  Zu- 
satz von  Eisenehlorür,  FeCLj,  eine  arsenfreie  Salzsäure,  nachdem  das  zuerst  über- 
gegangene Drittel  abgenommen  wurde;  die  Destillation  darf  nicht  bis  zur  Trockne 
fortgesetzt  werden,  um  vor  einer  Verflüchtigung  von  Eisenchlorid  sicher  zu  sein. 

Eigenschaften.  Cblorwasserstoffsäure  stellt  im  reinen  Zustande  eine  farb- 
lose, flüchtige  Flüssigkeit  dar,  rohe  Säure  ist  theils  durch  organische  Substanzen, 
theils  durch  Eisenchlorid  gelb  gefärbt  und  hinterlegst  beim  Verdampfen  kleine 
Mengen  fester  Substanzen.  Eine  Säure,  die  über  25  Procent  Chlorwasserstoff  ent- 
hält, raucht  an  der  Luft  wie  Chlorwasserstoffgas,  besonders  stark  in  einer  Atmo- 
sphäre von  Ammoniak  unter  Bildung  von  Salmiak.  Chlorwasserstoff  wird  von  Wasser 
bei  0°  und  0.76  mm  Barometerstand  =  525:1  Volum  absorbirt.  Eine  solche 
Losung  besitzt  ein  spec.  Gew.  von  1.2257  und  enthält  45  Procent  HCl,  während 
Wasser  bei  14°  nur  462  Volumen  HCl  aufzunehmen  imstande  ist,  die  Lösung 
wiegt  dann  1.2074  und  enthält  42  Procent  HCl  (über  Löslichkeit  des  Chlorwasser- 
stoffes 8.  Deicke,  Poggend.  Ann.  119.  pag.  156  und  RoscOE  und  Dittmar,  Ann. 
d.  Cb.  112,  pag.  527).  Reine  concentrirte  Salzsäure  gesteht  unter  — 40°  zu  einer 
huttcrartigen  Masse.  Die  Dämpfe  der  concentrirten  .Chlorwasserstoffsäure  besitzen 
wie  da«  Chlorwasserstoffgas  selbst  einen  stechend  erstickenden,  zum  Husten  reizen- 
den Geruch  und  stark  sauren  Geschmack.  Letzteren  behält  die  Säure  auch  bei 
starker  Verdünnung,  ebenso  die  Röthuug  von  blauem  Lackmuspapier.  Wie  alle 
löslichen  HaloYdvcrbindungen  gibt  Salzsäure  mit  Silbernitrat  einen  weissen,  käsigen 
Niederschlag,  der  schon  durch  zerstreutes  Tageslicht  grau  gefärbt  wird,  sich  leicht 
in  Ammoniak,  ebenso  in  Cyankalium  und  Natriumthiosulfat,  nicht  in  Salpetersäure 
löst.  Salzsäure  wird  durch  eine  Anzahl  Metalle  unter  Wasserstoffentwickelung  zer- 
legt, besonders  lebhaft  durch  Zink  und  Eisen,  unter  Bildung  von  Chloriden,  ebenso 
von  Metalloxyden  unter  Wasserbildung.  Superoxyde ,  übersättigte  Verbindungen 
entwickeln  Chlor.  Da  Chlorwasserstoffgas  in  Wasser  äusserst  leicht  löslich  ist,  so 
wird  es  auch  von  letzterem  heftig  absorbirt  —  beim  Oeffneu  eines  mit  dem  Gase 
gefällten  Gefässes  unter  Wasser  stürzt  dasselbe  fast  wie  in  einen  luftleeren  Raum 
in  daa  Gefäss  hinein.  Bei  110°  besitzt  die  Säure  constanten  Siedepunkt,  wobei  das 
Destillat  die  Zusammensetzung  HCl .  8  H2  0  bei  einem  Gehalt  von  20.24  Procent  HCl 
hat.  mit  Erhöhung  des  Druckes  sinkt,  mit  der  Verminderung  desselben  steigt  die  Con- 
centration  der  überdestillirenden  Säure.  Auf  400°  erhitzt  zerfällt  Chlorwasserstoff- 
gas zum  grössteu  Theil  in  Chlor  und  Wasserstoff  (s.  Art.  Chlorkalk),  beim 
Sinken  der  Temperatur  tritt  Wiedervereinigung  ein.  Beim  Stehen  an  der  Luft 
bleibt  eine  Säure  von  HCl .  6  H»  0  zurück  (Bineau).  Zulässig  soll  nach  Piekrk 
und  Pi'CHOT  die  Aunahrae  eines  Hydrats,  HC1.2H20,  seiu ,  welches  sich  beim 
Einleiten  von  Chlorwasserstoff  in  eine  auf  —  22u  abgekühlte  Salzsäure  bildet. 

Nachweis  und  Bestimmung.  Letztere  geschieht  theils  gewichts-,  theils 
maassaualytisch ,  theils  durch  Feststellung  des  spec.  Gew.  (vergl.  u.  A.  J.  Kolb, 
C.  r.  74,  pag.  337,  Dinglek's  polyt.  Journ.  204,  pag.  322  und  Wagner's  Jahresb. 
1872 ,  pag.  260),  Das  Verhalten  der  Chlorwasserstofl'säure  gegen  Silbernitrat  ist 
bereits  erwähnt,  die  Reaction  dient  nicht  nur  zur  qualitativen,  sondern  auch  zur 
quantitativen  Bestimmung  der  Säure,  indem  mau  das  Reagens  zur  letzteren  im 
L'eberschuss  zugibt  und  darauf  das  Ganze  erwärmt ;  weiter  wird  der  Niederschlag 
abfiltrirt  und  nach  dem  Waschen  und  Trocknen  bis  zum  Schmelzen  erhitzt  und 
gewogen,  Ebenso  genau  lässt  sich  Chlor  in  der  Säure  durch  Titriren  mittelst 
1  io  Normalsilbernitrat  bestimmen,  indem  mau  letzteres  unter  Erwüruieu  und 
Schütteln  der  Säure  so  lange  zugibt,  bis  ein  weiterer  Tropfen  keine  Fällung  mehr 
erzeugt  oder  auch,  indem  ein  Ueberschuss  von  8ilbernitrat  zugesetzt  und  dieser 
mit  1  l0  Normalchlornatrium  oder  mit  Rhodanammonium  unter  Znsatz  eines  Eiscn- 
"xydsalzes,  z.  B.  FeJSO,),,  zurücktitrirt  wird. 

Digitized  by  Google 


96 


CHLORWASSERSTOFFSÄURE. 


—  CHOLAGOGA. 


Neben  Brom-  und  Jod-  kann  Chlorwasserstoffsäure  nach  der  Neutralisation  durch 
Alkalien  durch  Zusammenschmelzen  mit  Kaliumdichromat  und  Destillation  mit 
Schwefelsaure  nachgewiesen  werden.  Entwickeln  sich  dabei  gelbrothe  Dämpfe,  die 
sich  in  der  Vorlage  zu  blutrothen  Tröpfchen  verdichten,  so  ist  Chlor  zugegen,  da 
nur  dies  eine  flüchtige  Chromverbindung,  Chromylchlorid,  Chromoxychlorid,  CrO,CI4, 
gibt.  Nach  dem  Verdünnen  des  Destillates  entsteht  auf  Zusatz  von  Bleiacetat 
Chromgelb,  PbCrCv  Probe  nach  Vortmann,  vergl.  Berl.  Ber.  13,  pag.  324. 

Verwendung.  Die  wässerige  Lösung  des  Chlorwasserstoffes  findet  nicht  nur 
in  der  Pharmacie  und  Medicin,  sondern  auch  in  der  analytischen,  synthetischen 
und  technischen  Chemie  die  aasgedehnteste  Anwendung.  Vielfach  dient  sie  hier 
als  Lösungsmittel  für  unlösliche  oder  schwerlösliche  Verbindungen,  zum  Lösen  von 
Metallen,  ausser  Silber,  Arsen  und  Antimon;  diese  beiden,  ebenso  Gold  und  Platiu, 
auch  Schwefelquecksilber  lösen  sich  nur  in  Königswasser,  einer  Mischung  von 
3  Th.  Salzsäure  und  1  Th.  Salpetersäure.  In  der  Technik  werden  grosse  Mengen  Salz- 
säure zur  Chlorkalkfabrikation,  überhaupt  zur  Entwickelung  von  Chlor  gebraucht. 
2  Th.  Schnee  und  1  Th.  concentrirte  8alzsäure  liefern  eine  Kältemischung,  deren 
Temperatur  bis  —  32»  beträgt. 

Die  Aufbewahrung  der  Salzsäure  geschieht  in  Glas  oder  auch  Thongefiissen 
mit  gut  schliessenden,  ebensolchen  Stöpseln  an  einem  kühlen  Ort.      k.  T  h  ü  m  m  e  I. 

ChlOrzinkjOd,  Reagens  auf  Cellulose,  s.  Bd.  II,  pag.  607. 

ChllOOphora,  Gattung  der  Farnfamilie  Cyatheaceae,  synonym  mit  Trichiptcris 
Prsl.  —  Chnoophora  tomentosa  Bl.  auf  Java  ist  eine  der  Stammpflanzen  des  Pa  k  o  e- 
Kidang.  —  S.  Cibotium. 

ChOCOladO,  s.  Cacao,  Bd.  II,  pag.  432. 

ChOCOladenpflaster,  eine  volksth.  Bezeichnung  von  Emplastrum  fuseum. 

ChOirOmyceS,  Gattung  der  Tuberaceae,  mit  aussen  glatter,  kahler,  hellbrauucr, 
innen  fleischiger,  weisser,  reif  zäher  Peridie.  Hymenium  mit  einerlei  feinen,  dunkleren 
Adern  und  in  eine  Reihe  gestellten,  langgestiolten  Schläuchen.  Sporen  gefärbt, 
warzig. —  Choiromycea  maeandriformis  Vitt.  (Tuber  album  Sow.,  Rhi- 
zopogon  albus  Fr.),  weisse  Trüffel.  Unterirdisch  wachsende,  faustgrosse  und 
darüber  unregelmässig  knollige  Pilze,  mit  schwach  trüffelartigem  Gerüche.  Man 
findet  sie  iu  Eichen-,  Buchen-  und  Kastanienwäldern  bis  1  dm  unter  der  Erde, 
namentlich  in  Ungarn,  der  Lombardei  und  England,  ferner  in  Oberschlet>ien, 
Böhmen  und  bei  Moskau  (nach  Jelesnow).    Sie  ist  essbar  und  wohlschmeckend. 

Sydo  w. 

Cholämie  (y6>o?,  Galle  und  xt^z,  Blut)  ist  eine  Ueberladung  des  Blutes  mit 
Gallensalzen,  welche  entsteht,  wenn  durch  verhinderten  Abfluss  der  Galle,  Gallen- 
bestandthcile  vom  Blute  aufgenommen  werden.  Die  Anwesenheit  von  Gallensalzen 
(Cholaten)  im  entleerten  Harn  wird  durch  die  Pettkx k OFER'sche  Probe  nachge- 
wiesen ;  ein  Zusatz  von  Rohrzuckerlösung  und  concentrirter  Schwefelsäure  ertheilt 
dem  Harne  eine  purpurviolette  Farbe,  falls  die  Erwärmung  nicht  70°  übersteigt. 
8trassbur<tER  modiflcirte  die  Probe  in  folgender  Weise :  Man  löse  in  dem  zu 
prüfenden  Harne  ein  Stück  Rohrzucker  auf,  tauche  einen  Streifen  Fliesspapier  ein 
und  trockne  denselben.  Betupft  man  das  getrocknete  Papier  mittelst  eines  in 
reine  concentrirte  Schwefelsäure  getauchten  Glasstabes,  so  bildet  sich,  wenn  Galleu- 
salze zugegen  waren,  nach  einigen  Minuten  an  der  Berührungsstelle  eine  deutlich 
carminfarbene  oder  purpurviolette  Stelle ,  welche  im  durchfallenden  Lichte  ganz 
besonders  deutlich  wird. 

Cholagoga  (^oM),  Galle,  ay<»>,  treiben,  abführen),  gallentreibende  Mittel.  Von 
Alters  her  bezeichnet  man  gewisse  Mittel,  welche  bei  Störung  der  Gallenfunction 
und  besonders  bei  der  damit  im  Zusammenhange  stehender  Gelbsucht  (Icterus;  von 


Digitized  by  Google 


■ 


CHOLAGOGA.  —  CHOLERA.  97 

günstiger  Wirkung  sind,  als  Cholagoga,  und  schreibt  denselben  eine  vermehrende 
Wirkung  auf  die  Abscheidung  der  Galle  zu.  Neuere  Untersuchungen  lassen  die 
Heileffecte  der  meisten  auf  eine  mit  der  Steigerung  der  Bewegung  des  Darmes 
im  Zusammenhang  stehende  mechanisch  entleerende  Wirkung  der  in  der  Gallen- 
blase und  den  Gallengäogen  aufgestauten  Galle  zurückführen.  Indessen  ist  es 
unzweifelhaft,  dass  es  einzelne  Substanzen  gibt,  welche  dircct  durch  Erregung  der 
Leberthätigkeit  vermehrte  Absonderung  der  Galle  bedingen,  sogenannte  Hepatica 
Stimulantia,  wobei  der  Darm  entweder  in  gleicher  Weise  oder  Uberhaupt  nicht 
affieirt  wird.  Ueber  die  einzelnen  Mittel  sind  die  Ansichten  auseinandergehend ;  die 
von  alteren  Aerzten  als  Cholagoga  besonders  geschätzten  Stoffe  (Calomel,  Blue  pills, 
Löwenzahn)  besitzen  keine  die  GaUenseeretion  anregende  Wirkung,  dagegen  nach 
Rütherford  von  abführenden  Stoffen  Aloe,  Jalape,  Colchicum,  Rheum,  Coloquinten 
fvon  Paschkis  bestritten),  verschiedene  Salze  (Natriumphosphat,  Natriumsulfat, 
Kaliumsulfat,  Tart.  natronatus),  und  verschiedene  Cholagoga  der  nordamerikanischen 
Eklektiker  (Iridin,  Evonymin,  Podophyllin ,  Juglandin ,  Leptatidrin,  Phytolacein, 
Baptisin,  Hydrastin,  Sanguinarin) ;  von  nicht  abführenden  Stoffen  Ipecacuanha, 
Natrium-  und  Ammoniumbenzoat,  Natrinmsalicylat,  Ammoniumphosphat  und  Acidum 
chloronitrosum.  Sehr  bedeutende  Steigerung  der  GaUenseeretion  bringen  cholalsaures 
und  glycocholsaures  Natrium  hervor  (Paschkis)  ,  ebenso  salicylsaures  Natron, 
das  nach  Lewaschew  weit  stärker  als  verschiedene,  bei  Leberaffectionen  mit 
Störung  der  Gallenfunction  in  grossem  Ansehen  stehende  alkalische  Mineral- 
quollen (Vicby,  Karlsbad]  die  Gallenmenge  steigert.  Bei  starker  Steigerung  der 
Danntbätigkeit  wird  die  cholagoge  Wirkung  verschiedener  Mittel,  z.  B.  des  Podo- 
phyllins,  aufgehoben.  Th.  HuRt'mann. 

Ch0lelithia3i8  p.-K-,  Stein},  Gallenstein-Krankheit. 

Cholelit hin.   isopathisch  =  Gallensteine  in  Verreibung  mit  Milchzucker. 

Cholera  (entweder  von  /oatj?  Galle,  oder  vom  hebräischen  Cholera,  „die 
böse  Krankheit'*)  bedeutet  ein  rasch  eintretendes  massenhaftes  Erbrechen  und 
Laxiren,  einen  Brechdurchfall.  In  den  heissen  Sommermonaten  kommen  nach  Diät- 
fehlern solche  Zustände  bei  uns  in  jedem  Jahre  vor.  ohne  eine  epidemische  Ver- 
breitung zu  gewinnen;  man  bezeichnet  diese  Krankheit  als  Cholera  noatras, 
Cholera  sporadica,  Chol  er  ine.  Trotzdem  es  auch  bei  Cholera  nostras  zu  be- 
drohlichen Erscheinungen  kommt,  tödtet  sie  doch  Erwachsene  nur  selten.  Die  bei 
Kindern  im  ersten  Lebensjahre ,  und  zwar  fast  ausschliesslich  bei  künstlich  ge- 
nährten, vorkommende  Form:  Cholera  infantum  fordert  sehr  zahlreiche  Opfer. 
Ein  der  Cholera  nostras  eigentümlicher  Bacillus  wurde  1884  von  Prior  und 
FlXKLUR  entdeckt.  Die  asiatische  Cholera,  Cholera  morbus ,  Cholera 
epidemica  hat  ihre  Heimat  in  Ostindien.  Obwohl  seit  undenklichen  Zeiten  daselbst 
vorhanden,  trat  sie  doch  erst  1817  scuehenartig  auf  und  verbreitete  sich  auf  die 
Xachb»rländer.  1830  erschien  sie  zuerst  im  östlichen  Theile  Europas ;  1831  drang 
sie  nach  Centraleuropa  vor:  Wien  und  Berlin  hatten  in  diesem  Jahre  die  ersten 
Epidemien;  1832  kam  sie  nach  Eugland,  Frankreich  und  Amerika.  Von  1836  bis 
1*46  blieb  Europa  frei.  Von  1846 — 59  dauerte  ihr  zweiter  Verheerungszug  in 
Europa:  1865  begann  der  dritte;  die  vierte,  noch  nicht  ganz  erloschene  Epidemie 
ging  1884  von  Toulon  aus,  wohiu  sie  wieder  aus  Indien  eingeschleppt  wurde.  Nach 
den  Erfahrungen  über  das  Auftreten  der  asiatischen  Cholera  beruht  jede  neue 
Epidemie  auf  einer  Einschleppung  der  Seuche  aus  Indien.  Die  Träger  des  Cholera- 
giftes sind  höchst  wahrscheinlich  die  von  Rob.  Koch  1883  in  Egypten  entdeckten 
Co  mmabacillen  (s.  Bd.  II,  pag.  87).  Dafür  spricht  das  constantc  Vorkommen 
in  den  Dejectionen  der  Cholerakranken  und  im  Darminhalt  von  Choleraleichen 
überall,  wo  der  Bacillus  gesucht  wurde  (Egypten,  Indien,  Frankreich,  Italien).  In 
inficirten  Ortschaften  Indiens  fand  Koch  die  Bacillen  in  den  Pfützen,  ans  welchen 
die  Bewohner  trinken,  während  dasselbe  Wasser  in  cholerafreien  Orten  keine  Bacillen 
enthielt.    Vollkommen  beweisende  Thierexperimente  mit  dem  Cholerabacillus  sind 

Re»l-Kncyclopadie  der  Kes. ^harmacie.  III.  7 


9S 


CHOLERA.  —  CHOLERATROPFEN. 


noch  nicht  gelungen.  Die  Ansteckung  eines  Individuums  erfolgt  bei  der  Nahrungs- 
aufnahme: entweder  mit  dem  Trinkwasser  oder  es  werden  feuchte  Speisen  ge- 
nossen ,  auf  welche  Insecten  den  Krankheitskeim  übertragen  oder  welche  mit  in- 
ficirten  Händen  berührt  wurden.  Bei  ungestörter  Verdauung  gehen  die  Krankheite- 
keime im  saueren  Magensafte  zu  Grunde ;  besteht  dagegen  eine  Verdauungsstörung, 
dann  gelangen  die  Bacillen  in  den  Darm  und  entfalten  dort  ihre  speeiiische  Thätig- 
keit.  Besonders  wenn  auch  der  Darmcanal  durch  die  Verdauungsstörung  gelitten 
hat,  vermehren  sich  die  Bacillen  ausserordentlich.  In  das  Blut  gelangen  die  Bacillen 
selbst  nicht,  sondern  wahrscheinlich  ein  von  ihnen  erzeugter  Giftstoff.  Eine  Ueber- 
tragung  der  Kraukheitskeime  durch  die  Luft  ist  unwahrscheinlich,  denn  die  Luft 
kann  nur  trockene  Bacillen  fortführen  und  nach  Koch  gehen  die  Bacillen  zu 
Grunde,  sobald  sie  austrocknen.  Die  oberste  Massregel  dor  Choleraabwehr  besteht 
darin ,  den  Grenzverkehr  ärztlich  überwachen  zu  lassen ;  erkrankte  Reisende  an 
der  Grenze  zurückzuhalten  und  zu  isoliren ;  das  von  ihnen  benützte  Vehikel  sorg- 
fältigst zu  desinficiren.  Sonst  muss  tiberall  dafür  gesorgt  werden,  dass  das 
Durchsickern  fäcaler  Stoffe  in  das  Erdreich  vormieden  und  dadurch  das  Brunnen- 
wasser vor  Verunreinigung  geschützt  werde.  Alle  Herbergen  sind  vor  Ueberfüllung 
zu  bewahren  und  auf  ihre  Sauberkeit  hin  zu  eontroliron.  Die  Marktpolizei  muss 
strengstens  gehandhabt  werden.  Speisen  und  Getränke  geniesse  man  nur  nach 
gründlichem  Kochen ;  sonst  weiche  der  Einzelne  von  seiner  gewohnten  Lebensweise, 
falls  diese  eine  vernünftige  war,  nicht  ab.  Bei  jeder  Verdauungsstörung,  auch  wenn 
dieselbe  gering  erscheint,  soll  ärztliche  Hilfe  gesucht  werden. 

Die  Sterblichkeit  ist  bei  der  asiatischen  Cholera  eine  ausserordentlich  hohe ;  in 
Berlin  starben  bei  jeder  Epidemie  über  60  Procent  der  Erkrankten.  Ist  auch  der 
Choleraanfall  überstanden,  so  ist  der  Kranke  noch  nicht  immer  gerettet,  denn  oft 
stellt  sich  nachher  ein  typhusähnlicher  Zustand  ein,  das  sogenannte  Choleratyphoid, 
welches  das  Leben  in  ernste  Gefahr  bringt.  Ein  »peeifisches  Heilmittel  gegen 
Cholera  gibt  es  nicht.  Die  FKRUAN'sche  Choleraimpfling  (1885)  wurde  ausserhalb 
Spaniens  mit  grossem  Misstrauen  aufgenommen. 

Nicht  unerwähnt  darf  bleiben,  dass  die  Symptome  einer  Arsonikvergiftung  mit 
denen  der  Cholera  sehr  grosse  Aehnlichkeit  haben. 

Choleratropfen.  Im  Nachfolgenden  werden  Vorschriften  zu  cinigon  der^ge- 
bräuchlichsten  Choleratropfen ,  wie  sie  sowohl  von  Aerzten  verordnet ,  als  auch 
(im  Nothfalle)  im  Handverkauf  verabfolgt  werden,  gegeben:  von  Aufführung  der 
übergrossen  Menge  anderer  „Choleramittcl" ,  wie  z.  B.  Cholerabitter,  -Essenz, 
-Liqueur,  -Medicin,  -Mixtur,  -Tinctur,  -Wein  u.  s.  w.  kann  um  so  mehr  abgesehen 
werden,  als  dieselben  meist  nichts  weiter  als  aromatische  bittere  Schnäpse  darstellen. 
Choleratropfen  nach  Badt:  10  Th.  Tinct.  aromatica,  je  5  Th.  Tinct.  Opii 
simpl.  und  Tinct.  Zingiberi*.  —  Choleratropfen  nach  Bastler:  24  Th.  Tinct. 
Cinnnmomi,  12  Tb.  Spirit.  aethereus,  je  4  Th.  Oleum  Antut,  OL  Cajeptuti  und 

Ol.  Juniperi,  l  Th.  Elixit  Hallen.  —  Choleratropfen  nach  Ewenius: 

2  Th.  Tinct.  Strychni,  6  Th.  Tinct.  Valcrianae  aeth. ,  8  Th.  Tinct.  Arnicae, 
2l  „  Th.  Tinet.  L  ßpii  siiui  >L ,  1  Th.  Oleum  Menthne  pip.  —  Choleratropfen 
nach  Hauck.'  Jo  10  Th.  Tinct.  Opii  simpl. ,  Tinct.  Vnlerianae  aeth.  und  Tinct. 

aromatica,  l  Th.  Oleum  Mentha/ 'pip.  —  Choleratropfen  nach  Lorenz:  6  Th. 

Tinct.  Opii  crocata,   4  Th.   Vitium  Ipecacuanhae,    12  Th.  Tinct.  Valcrianae 

aeth.,  l  Th.  Oleum  Menthne  pip.  —  Choleratropfen  nach  Hiemeyer:  32  Th. 

Tinct.  Valerinnae  aeth.,  IG  Th.  Vinum  Ipecacuanhae,  5  Th.  Tinct.  Opii 
compos.,  1  Th.  Oleum  Menütae  piper.  —  Choleratropfen,  Petersburger,  sind 
den  LoREN'z'8chen  Tropfen  ähnlich,  mit  noch  2  Th.  Tinct.  Strychni.  —  Cholera- 
tropfen, russische:  30  Th.  Tinct.  Jihei  vinosn,  3  Th.  Tinct '.' Strychni,  je  5  Th. 
Tinct.  Castorei,  Tinct.  Opii  simpl.,  Tinct.  Valeria»,  aeth.  und  Spirit.  aetJiereus, 

10  Th.  Spirit.  Menthne  pip.  —  Choleratropfen  nach  Schäfer:  60  Th.  Tinct. 

aromatica,  12  Th.  Mixt,  oleoso-bals.,  6  Th.  Aeth  er  ncet.,  »  4  Th.  Oleum  Calami. 


Digitized  by  Googl 


CHOLERATHOI'i'EN. 


—  CHOLESTROPHAN. 


99 


—  Choleratropfen  nach  Strogonoff:  Je  8  Tb.  Tinct.  Valerianae  aeth..  Intet. 
Htrychni  und  Spirit.  aetherma,  4  Th.  Tinct.  Amirae,  G  Th.  Tinct.  Opii  Mi'mpl., 
12  Th.  Tinct.  Aconiti,  2  Th.  Oleum  Menthae  pip.  —  Choleratropfen  nach 
Thielmann:  10  Th.  Tinct.  Valerianae  aeth. ,  2l  a  Th.  7Y/tc/.  Opii  crocata ,  je 
5  Th.  7Ync*.  Ipecacuanhae  und  0/«t/m  Menthae  pip.  —  Choleratropfen  nach 
Wunderlich:  20  Th.  Tinct.  Valerianae  aeth.,  1  Th.  Tinct.  Opii  simpl,  3  Th. 
Fmum  Ipecacuanfiae,  1  6  Th.  Menthae  pip.  g.  Hof  mann. 

Cholesterin,  Cj6  h48  o,  wurde  zuerst  in  der  Galle  aufgefunden  und  hiernach 
fälschlich  als  Gallenfett  bezeichnet.  Die  meisten  Gallensteine  bestehen  ihrer  Haupt- 
masse nach  aus  Cholesterin,  welches  übrigens  im  ganzen  Thierkörper  mehr  weniger 
reichlich  verbreitet  ist.  Es  kommt  vor  als  normaler  licstandtheil  der  Marksnbstanz 
de«  Gehirns  und  der  Nerven,  in  den  Face«  aller  Thiere,  in  vielen  Transsudaten 
und  Cysten  flüssigkeiten,  in  geringer  Menge  auch  im  Blute,  schliesslich  im  Wollfett 
(».  Lanolin).  In  grösserer  Menge  stellt  man  das  Cholesterin  aus  Gallensteinen 
dar,  welche  man  gepulvert  mit  siedendem  Alkohol  oder  mit  Alkohol  und  Aether 
extrahirt;  das  aus  der  Lösung  beim  Erkalten  des  Alkohols  oder  Verdunsten  dos 
Aethers  in  Krystallen  sich  abscheidende  Cholesterin  wird  durch  Kochen  mit  alko- 
holischer Kalilösung  gereinigt  und  schliesslich,  nach  dem  Waschen  mit  kaltem 
Alkohol  und  Wasser,  aus  heissem  Alkohol  urokrystallisirt.  Es  ist  unlöslich  in  Wasser, 
verdünnten  Säuren  und  concentrirten  Alkalilaugen ,  auch  in  kaltem  Alkohol,  hin- 
gegen leicht  löslich  in  siedendem  Alkohol,  in  Aether,  Chloroform,  Benzol,  flüchtigen 
und  fetten  Oelen,  weniger  löslich  in  den  Lösungen  gallensaurer  Salze  und  sehr 
wenig  löslich  in  den  wasserigen  Lösungen  von  Seifen.  Aug  Chloroform,  Benzol, 
wasserfreiem  Aether  krystallisirt  es  in  wasserfreien  Nadeln,  aus  wasserhaltigem 
Alkohol  in  Blättchen  oder  monokiinen  Tafeln,  welche  1  Mol.  Kry  stall  wasser  ent- 
halten. Wasserfreies  Cholesterin  ist  linksdrehend,  schmilzt  bei  145 — 146°  nud  do- 
stillirt  im  Vacuum  unzersetzt  oberhalb  360°. 

Zum  Nachweise  des  Cholesterins  dienen  die  folgenden  Reactionen :  1.  Durch 
concentrirte  Schwefelsäure  und  ein  wenig  Jod  wird  krystallisirtes  Cholesterin  bald 
violett,  blau,  grün  und  roth  gefärbt  (mikroskopisches  Erkennungsmittcl).  2.  Man 
löst  einige  Centigramm  Cholesterin  in  2  cem  Chloroform ,  fügt  2  cem  concentrirte 
Schwefelsäure  hinzu  und  schüttelt  um,  es  färbt  sich  die  Chloroformlösung  schnell 
blutroth,  dann  kirschroth  und  purpurfarbig.  Giesst  mau  die  Lösung  in  eine 
Schale  aus,  so  färbt  sie  sich  bald  blau,  grün,  endlich  gelb.  Die  unter  der  Chloro- 
formlösung befindliche  Schwefelsäure  zeigt  hierbei  grünliche  Fluorescenz,  verdünnt 
man  sie  mit  Eisessig,  so  wird  die  Lösung  erst  rosa  bis  purpurroth  und  behält  die 
grüne  Fluorescenz  (Salkowski). 

Ueber  die  functionelle  Bedeutung  dieser  im  thierischen  Körper  stellenweise  in 
grösserer  Menge  auftretenden  und  sehr  verbreiteten  Substanz  ist  man  noch  nicht 
im  Klaren ,  möglich,  dass  das  Cholesterin ,  welches  wir  durch  Extraction  mittelst 
Aether  erhalten,  das  Spaltungsproduct  einer  bis  nnn  unbekannten  organischen  Ver- 
bindung ist ,  dafür  spricht  zunächst  die  Cnlöslichkeit  des  Cholesterins  in  Wasser, 
verdünnten  Säuren  und  Alkalien ,  auch  der  Umstand ,  dass  es  im  thicrischen 
Körper  nur  unter  Umständen  fertig  gebildet  vorkommt,  wo  eine  regressive  Meta- 
morphose vor  sich  geht,  z.  B.  in  Geschwülsten,  Gallensteinen,  Exsudaten.  Im  Woll- 
fett nimmt  es  die  Stelle  des  Glycerins  ein,  so  zwar,  dass  das  Wollfett  kein  Fett- 
säureestcr  des  Glycerins,  sondern  ein  Ester  des  Cholesterins  ist. 

In  den  Pflanzen  wurde  ein  dorn  Cholesterin  ähnlicher  Körper  bis  jetzt  nur  im 
reifen  Samen,  und  zwar  in  den  Erbsen  ,  in  der  Calabarbohne  und  im  Colchicum- 
samen  aufgefunden.  —  8.  Phytosterin.  Loebiscb. 

CholeStrophatl,  Diniethylparabansüure,  C^NjCv  bildet  sich  beim  Kochen 
von  Coffein  mit  Salpetersäure,  oder  beim  Einleiten  von  Chlor  in  mit  Wasser  ange- 
rührtes Coffein,  oder  durch  Oxydation  des  Coffeins  mit  Chromsäure.  Es  bildet 
Blitttchen,  welche  bei  145°  schmelzen ,  bei  275°  unzersetzt  desrilliren.    Löst  sich 

7* 

Digitrzed  by  Google 


1 


N: 


100  CHOLESTROPHAN.  —  CHOLSÄURE. 

im  Wasser,  schwerer  in  Alkohol.  Zerfällt  mit  alkoholischem  Natron  schon  in 
der  Kälte  in  Oxalsäure  und  Dimethylharnstoff  und  geht  heim  Erwärmen  mit 
Wasser  und  Baryumcarbonat  in  Diniethyloxamid  Uber.  Beim  Erhitzen  mit  Salz- 
säure auf  200°  zerfallt  es  glatt  in  Kohlensäure,  Oxalsäure  und  Methylamin. 

Ganswindt. 

Choletelin.  Ein  Gallenfarbstoff.  Braunes  amorphes  Pulver,  löslich  in  Alkohol, 
Aether,  Chloroform,  sehr  leicht  in  ätzenden  kohlensauren  Alkalien.  Man  gewinnt 
es  durch  Behandeln  von  in  Alkohol  suspendirtem  Bilirubin  mit  salpetriger  Säure 
und  Fällen  der  Lösung  mit  Wasser.  Ganswindt. 

ChOÜn  (Sinkalin,  Bilineurin),  C5H15N02,  eine  kräftige  Ammoniumbase  nach 
ihrer  Constitution  Trimethylaethoxyliumhydrat 

<CH3), 
-C-,  Hft  0, 
I— OH 

wurde  zuerst  aus  der  Galle  dargestellt,  später  als  Spaltungsproduct  des  aus  der 
Gehirnmasse  isolirtcn  Protagons  gefunden;  jedoch  tritt  es  sowohl  im  Gehirn  als 
im  Eidotter  und  Caviar  als  Rest  des  in  diesen  Organen  sehr  verbreiteten  Leci- 
thins (s.  d.)  auf,  im  Fliegenschwamm  ist  es  neben  Muscarin,  in  dem  Samen  von 
Trigonella  Fornum  graccum  neben  Trigonellin  (Jahns)  enthalten  und  aus  dem 
Alkaloid  des  weissen  Senf  wird  es  durch  Kochen  mit  Barytwasser  abgespalten; 
synthetisch  wurde  es  von  Wurtz  aus  Trimctbylamin  und  Glycolchlorhy drin  durch 
Erhitzen  derselben  bei  100°  dargestellt.  Aethylenoxyd  verbindet  sich  mit  concentrirter 
Trimethylaminlösung  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  zu  Cholin.  In  grösserer 
Menge  gewinnt  man  es  am  besten  aus  Eidotter.  Diese  werden  mit  Aether  aus- 
geschüttet, dann  mit  wannein  Alkohol  (40 — 45°)  extrahirt.  Die  vereinigten  Auszüge 
werden  abdestillirt  und  der  Rückstand  mit  Barytwasser  gekocht.  Man  fällt  den  Baryt- 
Uberschuss  durch  Einleiten  von  Kohlensaure,  filtrirt  und  verdampft  die  klare  Lösung 
auf  dem  Wasserbad  zum  Syrup,  extrahirt  diesen  mit  absolutem  Alkohol  und  fällt 
den  alkoholischen  Auszug  nach  dem  Versetzen  mit  Salzsäure  mit  Platinchlorid. 
Das  Platiuchloriddoppelsalz  wird  in  Wasser  gelöst,  durch  Schwefelwasserstoff  von 
Platin  befreit,  filtrirt  und  die  Lösung  verdunstet,  es  bleibt  Balzsaures  Cholin  zurück, 
welches  dorch  Behandeln  mit  feuchtem  Silberoxyd  eine  wässerige  Lösung  von 
freiem  Cholin  gibt.  Das  Cholin  löst  Faserstotfmenibraneu  sehr  leicht  und  eine 
5proeeutige  Lösung  desselben  wurde  wegen  dieser  Eigenschaft  auf  Empfehlung  von 
E.  Ludwig  bei  Diphtheritis  örtlich  zur  Lösung  der  Membranen  angewendet  (s. 
auch  Neurin).  Loebisch. 

Cholsälire,  auch  Cholal säure,  CS1  H40  05.  ist  ein  Spaltuugsproduct  der 
beideu  in  der  Galle  des  Menschen,  Ochseu  und  Hundes  und  der  meisten  big  jetzt 
darauf  untersuchten  Thiere  vorkommenden  gepaarten  Gallensäuren,  deren  eine  die 
Glyeocholsäure,  C<6  H4S  NO0,  schwcfelfrei.  die  andere  Taurocholsäure,  C26  H,6  NS07, 
schwefelhaltig  ist.  Durch  mehrtägiges  Kochen  mit  Barytwasser  spaltet  sich  die 
erstere  unter  Wasseraufuahme  in  Glycoeoll-  uud  Cholsäure,  die  letztere  in  Taurin 
und  Cholsäure.  Man  versetzt  das  in  der  heissen  Flüssigkeit  gelöste  Bariumsalz  mit 
Salzsäure,  wobei  die  Cholalsäure  als  amorpher  Niederschlag  ausfällt.  Dieser  wird 
mit  Wasser  gewaschen,  in  wenig  Kalilauge  gelöst  und  die  Flüssigkeit  nach  Zusatz 
von  wenig  Aether  wieder  mit  Salzsäure  augesäuert.  Es  scheidet  sich  nun  die 
Säure  in  Tetraedern  ab.  Durch  Lösen  in  warmem  Alkohol  und  Versetzen  der 
Lösung  mit  Wasser  bis  zur  bleibenden  Trübung  wird  die  Säure  umkrystalüsirt. 
Man  erhält  entweder  leicht  verwitternde  Tetraeder  mit  2l  ,  Molekül  Krystall- 
wasser  oder  luft beständige  Prismen  mit  1  Molekül  Wasser.  Die  Cholsäure  ist  in 
Wasser  kaum,  in  Alkohol  und  Aether  leicht  löslich,  die  speeifisehe  Drehung  der 
L"  ,  ILO  enthaltenden  Säure  beträgt  ix)  D  =  +  35.  Von  den  Salzen  sind  die 
der  Alkalien  in  kaltem  Wasser  leicht,  die  des  Barium  schwer  löslich,  das  Bleisalz 


Digitized  by  Google 


CHOLSÄURE.  —  CHOP'S  GEHÖRÖL. 


101 


ist  in  Wasser  ganz  unlöslich,  löslich  in  heissem  Wasser.  Durch  Erhitzen  auf 
190 — 200°  oder  durch  Kochen  mit  Säuren  spaltet  die  Cholalsäure  2  Moleküle 
Wasser  ab  und  bildet  Dyslysin,  Cat  H?6  08  ,  welches  durch  Kochen  mit  alko- 
holischer Kalilösung  wieder  in  Cholalsäure  zurückgeführt  wird.  Beim  Schmelzen 
mit  Aetzkali  entwickeln  sich  sehr  angenehm  (nach  G  a  1  b  a  n  u  m)  riechende  Dämpfe, 
der  Rückstand  enthält  flüchtige  Fettsäuren.  Die  Cholsäure  und  ihre  Salze  geben 
die  PETTENKOFER'schc  Gallenprobe  (s.  Galle).  Spuren  der  Cholsäure  finden  sich 
im  Dünndarminhalt,  reichlicher  kommt  sie  im  Dickdarminhalte  und  in  den  Excre- 
menten  von  Rindern  und  Hunden  vor.  Neuere  Untersuchungen  deuten  darauf  hin, 
dass  die  Glycocholsäure  des  Menschen  eine  von  der  Rindsgalle  verschiedene  ist, 
deren  8paltungsproduct,  die  Cholsäure,  nicht  die  Eingangs  angegebene  Zusammen- 
setzung hat,  sondern  Cl8  H2S  04  +  2HäO  ist,  sie  wurde  vou  Bayer  Anthropo- 
cholalsänre  genannt.  Loebisch. 

* 

Chomel'S  Mixtura  purgativa  (gegen  Bleikolik)  ist  eine  Mischung  von  00  Th. 
Oleum  AmygdaL,  00  Th.  Syrupus  gummosns  und  1  io  Th.  Oleum  Crotoni*. 

ChondodendrOn,  Gattung  der  Menispermaceae ,  Unterfaniilie  Pachygonra*. 
Klimmende  Sträncher  mit  handnervigen  Blättern,  diöcischen  Blütben  und  gestielten 
Steinfrüchten,  deren  einziger  hufeisenförmig  gekrümmter  Samen  fleischige  Cotyledoncn, 
aber  kein  Endosperm  besitzt, 

Ch.  tomenlosum  R.  et  P.  (Cocculnx  Chondodendron  DC,  Botryopsts 
plntyphylla  Miers)  aus  Brasilien  und  Peru  ist  die  Stammpflanze  der  echten 
Pareira  (s.  d.). 

Chondrin,  Knorpelleim,  C  47.74,  H  0.76,  N  13.87,  0  31.04,  S  O.O  Procent. 
Der  reine  Knorpel  besteht  im  Wesentlichen  aus  einer  Substanz,  welche  durch 
Kochen  mit  Wasser  zu  einer  opalescirenden  Flüssigkeit  gelöst  wird ,  welche  heim 
Erkalten  gelatinirt.  Diese  Flüssigkeit  enthält  das  Chondrin,  welches  aus  der  Lösung 
bei  Abwesenheit  von  Alkalisalzen  durch  Essigsäure  (im  Ueberschuss  unlöslich) 
gefällt  wird.  Die  Substanz  aber,  welche  beim  Kochen  mit  Wasser  das  Chondrin 
liefert,  wird  Chondrogen  genannt.  Das  Chondrin  ist  auch  durch  sehr  verdünnte 
Mineralsäuren  fällbar,  jedoch  im  Ueberschuss  der  Säuren  wieder  löslieh,  auch  der 
Niederschlag,  den  Alaun  in  Chondrin  erzeugt,  ist  im  Ueberschuss  des  Fällungsmittels 
löslich.  In  Alkohol  und  Aether  ist  es  uulöslich.  Sowohl  die  wässerige,  als  die 
alkalische  Lösung  des  Chondrin  .zeigt  starke  Circumpolarisation.  Mit  concentrirter 
SalzBäure  und  mit  verdünnter  Schwefelsäure  erhitzt,  spaltet  es  sich  unter  Bildung 
stickstoffhaltiger  Körper,  welche  Kupferoxyd  in  alkalischer  Lösung  reduciren  und 
eines  eiweissähnlichen  Körpers.  Die  gleiche  Zerlegung  findet  bei  künstlicher  Ver- 
dauung des  Chondrins  und  beim  Faulen  des  Knorpels  statt.  Einige  Chemiker 
halten  das  Chondrin  für  ein  Gemenge  von  gewöhnlichem  Leim  und  Mucin. 

Loebisch. 

Chondritis  KnorP 

el),  die  Entzündung  der  Knorpel.  —  Chondrom, 

eine  Knorpelgeschwulst. 

ChondrUS,  Gattung  der  Florideen-Fanulic  Gigartine.ae  y  charakterisirt  durch 
wiederholt  flach-gabelig  getkeiltcu  Thallus  mit  eingesenkten  oder  nur  weuig 
prominenten  Cystocarpien  und  kreuzförmig  gelagerteu  und  als  kleine  Häufeheu 
hervorragenden  Tetrasporen. 

Gh.  crispus  Lyngb.  (Sphaerococcus  crispus  Ag.f  Fucust  crispus  L.) 
ist  nebst  Gigartina  mamillosa  Ag.  das  officinelle  Car ragern  (s.  Bd.  N, 
pag.  570). 

Choorie,  Chorea-Butter,  s.  Bassia  (Bd.  n,  pag.  ig5>. 

CtlOp'S  GehÖrÖl  ist  (nach  Schädiger)  eine  Mischung  aus  2  Tb.  Oleum  Cn/e- 
puti  und  10  Th.  Prournwöl. 

Digitized  by  Google 


102 


CHOPART  S  POTIO  BALSAMICA.  —  CHRIST'S  HAUSPFLASTER. 

J 


ChopartS  PotiO  balsamica  ist  eiue  Mischung  aus  je  30  Th.  Balsam* 
Copaivae  und  Syrupus  balsami  Tolut. ,  60  Th.  Aqua  Menthae  pip. ,  30  Th. 
Spiritus  und  4  Th.  Spiritus  nitrico-aethereus. 

Chorda  (/vfir^  die  Saite).  Dieses  Wort  wird  als  naheliegender  Vergleich  in 
verschiedenen  Gebieten  der  Medicin  mit  oder  ohne  erläuterndes  Beiwort  häufig 
gebraucht.  In  der  Entwicklungsgeschichte  bezeichnet  Chorda  (dorsalis)  einen 
Streifen  im  mittleren  Keimblatt,  welcher  sich  am  Aufbau  der  Wirbelsäule  betheiligt. 
Die  Auatoraeu  nennen  Chorda  (tympani)  jenen  Ast  des  mimischen  Gesichtsnerven 
(Nereus  facialis),  welcher  die  Unterkieferspeicheldrüse  zur  „Secretion  veranlasst. 
Die  Physiologen  unterscheiden  den  unter  dem  Einflüsse  dieses  Nerven  reichlich 
abgesonderten ,  aber  sehr  wässerigen  Speichel  als  Chordaspeichel  von  dem  zähen, 
aber  an  speeifischen  Bestandteilen  reichen  Sympathicusspeichel,  der,  wie  der  Name 
besagt,  unter  dem  Einflüsse  des  sympathischen  Nerven  secernirt  wird.  Die  Kliniker 
nennen  Chorda  (cenereaj  eine  Complication  des  Trippers,  welche  darin  besteht, 
das«  in  Folge  von  Febergreifeu  der  Entzündung  von  der  Harnröhre  auf  die  Schwell  - 
körper  die  Erectionen  schmerzhaft  werden  und  wobei  das  erigirte  Glied  geknickt 
oder  bogenförmig  gekrümmt  ist. 

Chorda6  CailSticae  hicssen  Darmsaiten ,  welche  behufs  Aetzung  schmaler 
Fistelgänge  mit  Silbernitratlösuug  getränkt  waren :  sie  sind  durch  die  sogenannten 
LiEUKKK  H'schen  Sonden  iSilberdraht  mit  geschmolzeuem  Argentum  nitricum  tiber- 
zogen) zweckmässig  ersetzt  worden. 

Chorea  (/opeta,  der  Tanz),  Veitstanz,  Ballismus,  besteht  iu  uuwillktir- 
liehen  Zuckungen  einzelner  Muskeln  und  im  coordiuationslosen  Spiele  der  bei  eom- 
binirten  Bewegungen  betkeiligtcu  Gruppeumuskeln. 

Als  Chorea  vwgna  bezeichnet  man  eine  Erkrankung,  die  sich  in  Anfällen  von 
lebhaften  choreatischen  Bewegungen  mit  Hallucinationen  uud  Bewusstseinsstoruugeu 
äussert. 

ChONOidea  (y/pwv,  Haut)  heisst  die  Netz-  oder  Aderhaut  im  Auge. 

Choripetalae  (inclusive  Apetalae),  Classc  der  Dicotyleae ,  charakterisirt 
durch  fehleude  oder,  wenn  vorhanden,  stets  unter  sieh  freie,  nicht  mit  einander 
verwachsene  Kronblätter. 

Hierzu  gehören  die  Amentaceae ,  L'rticinae ,  Centrospe rmae ,  Folycarpi'ce, 
Bhoeadinac,  Cistißorae ,  Columniferac }  Gruiua/es ,  Terebinthinae  ?  Aesculinae, 
Frangtdinae,  Tricoecae)  L'mbellifiorae,  Saxifraginae,  Opuntinae,  Passifiorinae} 
Myrtißorae}  Thymi! inue,  Iiosiftorae  und  Leguminosae.  Sydow. 

Chorise  (/wp£siv  =  trennen;  nennt  mau  das  Auftreten  eines  oder  mehrerer 
Blattorgane  an  einer  Stelle,  wo  normal  kein  Blatt  stehen  würde.  Es  tritt  dieser 
Fall  namentlich  oft  ciu  bei  den  Staubgefässkrciseu  der  Blüthen.  —  Vergl.  auch 
Diagramm.  C.  Mylius. 

ChOUlatVt'S  Abführmittel  besteht  aus  150  g  Decoct.  Torna rindo rum  (1  :  5), 
20  g  Syrup.  Mentha*  pip.  uud  30  g  Sal  Glauben.  —  Ch.'8  Asthmamixtur  ist 
ein  lnfusum  von  2  (f  Folio  Digitalis  uud  lg  Bad.  Jpecoeuanhae  zu  120  g 
mit  25  g  Syrup.  Althn* oc  uud  2.5  g  Liquor  Ammonii  anisatus.  —  Ch.'s  BrüSt- 
thee  ist  eine  Mischung  aus  45  Th.  Faha  Farfarae,  15  Th.  Bad  ix  Althaeae  und 
je  71  2  Th.  Früchts  Foeuicu/i  uud  Fr.  Anisi. 

ChreStien'S  PÜUlae  auHferae  bestehen  aus  0.5  g  Auro-Natrium  chloratum 
(Sal  Auri  Chrestien) .  2  g  Amylum,  5  g  Gummi  Arabicum  und  Aqua  q.  s.  zu 
120  rillen. 

ChriSma,  eine  Sorte  Vaselin. 

Christ's  Hauspflaster,  zu  diesem  in  einigen  Gegenden  Deutschlands  sehr, 
beliebten  Hausmittel  lautet  die  ursprüngliche  Vorschrift  so,  dass  man  Proveneertfl 

Digitized  by  Google 


1 

I 


CHRIST  S  HAUSPFLASTER.  —  CHROM.  103 

mit  rothen  Rosenblättern  den  Sommer  hindurch  der  Sonne  aussetzt,  das  so  ge- 
wonnene Rosenöl  im  Herbst  mit  dem  frisch  auBgepressten  Saft  weisser  Rüben  ver- 
mischt und  mit  Mennige  zu  einem  braunen  Pflaster  kocht,  dem  zuletzt  noch 
Kampfer  und  Perubabalsam  zugesetzt  werden.  —  Emplastrum  ftiscnm  carapho- 
ratum  mit  einem  Zusatz  von  2—3  Procent  Balsamum  Peruvianum  dürfte  das  ge- 
nannte Pflaster  zweckmässig  ersetzen. 

Chri3td0m  ist  Hex  Aquifolium  L.  —  ChriStholZ  ist  Liquidambar  orientalis 
MM.   —   ChristikreUZthee   ist  Herba  Ceniaurü  minoris.  —  Chri8twuTZ  ist 

Actaea  spicata  L.  oder  Adonis  vernalis  L.  oder  Helleborus. 

ChriStie'S  Ague  Mixture  ist  (nach  Churchill)  ein  schwach  spirituöser 
Chinarindenauszug  mit  Pulver  von  Fructus  Capsici. 

Christipalmöl  ist  oieum  Ridni. 

Chri8ti30n'8  Einreibung  bei  Hydrops  ist  eine  Mischung  aus  je  15  Th. 

Tinct.  Scillae,  Tinct.  Digitalis  und  Oleum  camphoratum. 

Christophoriana  eine  ßanunculaceen-G&ttxmg  Tourxefort's,  synonym  mit 
Actaea  L. ,  daher  Radix  Christophoriana«  für  die  Wurzel  von  Actaea 
(s.  Bd.  I,  pag.  120). 

Chrom.  Cr  =  52.45  (Meyer  und  Seubert).  Dieses  Element  wurde  im 
Jahre  1797  von  Vauquklin  aus  dem  in  Sibirien  vorkommenden  Rothbleierz 
(chromsaurem  Blei  =  PbCrO,)  isolirt  und  von  /p^*  Farbe  „Chrom"  genannt, 
weil  die  Satzverbindungen  der  Chroiiisäure  sich  durch  lebhafte  Färbung  charak- 
terisirten.  Am  reichlichsten  findet  sich  das  Chrom  im  R  o  t  h  b  1  e  i  e  r  z  oder  K  r  o  k  o  i  t, 
Pb  Cr  04 ,  und  im  C  h  r  o  m  e  i  8  e  n  s  t  e  i  n.  Cr2  04  Fe ;  in  geringeren  Mengen  ist  es 
enthalten  im  Serpentin,  Smaragd,  Beryll,  Chroinglimmer,  deren 
Färbung  auf  ihren  Chromgehalt  beruht. 

Das  metallische  (freie)  Chrom  kann  erhalten  werden  durch  Glühen  von  Chrora- 
oxyd  mit  Kohle  im  Knallgasgebläse  oder  durch  Reduetion  vou  Bleichromat  mit 
Kohle  und  Behandeln  des  erhaltenen  Rcgulus  mit  verdünnter  Salpetersäure.  Doch 
erhält  man  nach  beideu  Methoden  das  Chrom  nicht  in  geschmolzenem  Zustande. 
Durch  Elektrolyse  einer  Lösung  von  Chromochlorid  uud  Cbromichlorid  wurde  es 
in  spröden  glänzenden  Blättchen  erhalten  (Runsen).  Durch  Erhitzen  von  violettem 
Cbromichlorid  mit  Natrium  gewann  es  Wühler  in  Pulverform.  Fremy  erhielt 
dagegen  Chrom  in  glänzenden,  dem  regulären  System  angehörigen  Kry stallen,  als 
er  Chromichlorid  mit  dampfförmigem  Natrium  im  Wasserstoffstrome  erhitzte.  Nach 
Molssaü  erhält  man  Chrom,  wenn  man  eine  concentrirtc  Lösung  von  Chromchlorür 
mit  Natriumamalgam  schüttelt  und  das  resultirende  Chromamalgam  bis  zum  Ver- 
flüchtigen des  Quecksilbers  erhitzt. 

Das  Chrom  bildet  ein  hellgraues,  krystallinisches  glänzendes  Pulver;  in  ge- 
schmolzenem Zustande  ist  es  stahlgrau,  glänzend  und  spröde,  übrigens  so  hart, 
dass  es  selbst  Glas  ritzt.  Das  speeifische  Gewicht  des  geschmolzenen  Chroms  ist  =  G, 
dasjenige  des  krystallisirteu  =  G.H1.  —  Bei  gewöhnlicher  Temperatur  verändert 
es  sich  au  der  Luft  nicht,  bei  Rothgluth  oxydirt  es  an  der  Luft  zu  grünem 
Chromoxyd  Cr3  0Ä ,  im  Sanerstoffgebläse  verbrennt  es  mit  lebhaftem  Fuukensprühen 
(zu  Cr3  0,).  Es  zersetzt  das  Wasser  bei  gewöhnlicher  Temperatur  nicht,  wohl  aber 
bei  Rothglühhitze.  Von  Salpetersäure,  weder  von  verdünnter  noch  von  concen- 
trirter  heisser ,  wird  es  nicht  angegriffen ,  auch  kalte  concentrirtc  Schwefelsäure 
wirkt  kaum  ein :  kalte  verdünnte  Schwefelsäure  greift  es  langsam  au ,  beim  Er- 
wärmen aber  tritt  nnter  lebhafter  Wasserstoffentwickelung  Auflösung  ein.  In  con- 
centrirter  Salzsäure  löst  es  sich  relativ  leicht,  im  Chlorstrom  erhitzt,  verwandelt 
es  sich  in  violettes  Chromchlorid,  Cr.  C1IS,  durch  Schmelzen  mit  Alkalien  bei  Gegen- 
wart von  Oxydationsmitteln  (Salpeter,  chlorsaures  Kali;  wird  es  in  ehromsaure 
Salze  übergeführt. 


Digitized  by  Google 


104 


CHROM.  —  CHROM-NACHWEIS. 


Bezüglich  seiner  Stellang  im  System  wird  das  Chrom  zu  den  Metallen,  und 
zwar  zur  Eisengruppe  gerechnet.  Das  Chrom  atom  gilt  für  vi  er  werthig,  doch 
nimmt  man  an,  dass  in  der  Chromo-,  sowie  in  der  Chromireihe  4-  beziehungs- 
weise 6wertbige  „Doppelatoroe"  functioniren.  Die  zahlreichen  Verbindungen  des 
Chroms  lassen  sich  auf  drei  Sauerstoffverbindungen  desselben  zurückführen. 

1.  Chromo  Verbindungen,  Chromoxydul  Verbindungen  vom  Chromo- 
oxyd  Cr,  02  oder  Cbromoxydul.  Das  Chromatom  fungirt  hier  zweiwerthig  (das 
Doppelatom  vierwerthig).  Die  Verbindungen  sind  sehr  unbeständig. 

2.  Chromiverbindungen,  Chromoxydverbindungen  vom  Chromi- 
oxyd  Cr2  Os  oder  Chromoxyd.  Das  Chromatom  fungirt  hier  dreiwerthig  (das  Doppel- 
atom sechswertbig).  Die  Verbindungen  sind  beständig,  lassen  sich  aber  durch 
geeignete  Oxydationsprocesse  in  Verbindungen  der  höheren  Oxydstufe  (Säurereihe) 
überführen. 

3.  Chrom  Säureverbindungen,  Chromate  vom  Chromtrioxyd  Cr(V 
oder  Cbromsäurcanhydrid.  Die  Verbindungen  sind  beständig,  lassen  sich  aber  durch 
geeignete  Reductionsverfahren  in  die  Verbindungen  der  vorigen  (Chromoxyd-) 
Reihe  zurückführen.  B.  Fischer. 

Chrom-NachW6i$  Und  -Bestimmung.  Die  praktisch  wichtigen  Chromver- 
bindungen  gehören  lediglich  der  Reihe  des  Cbromoxydes  und  derjenigen  der  Chrom- 
säure an,  die  den  übrigen  Verbindungsstufen  zugehörigen  besitzen  nur  theoretisches 
Interesse.  Sowohl  die  Oxydreihe  wie  die  Säurereihe  besitzen  beide  durchaus  charakte- 
ristische Reaction,  bei  der  Leichtigkeit  indessen,  mit  welcher  die  Glieder  dieser 
beiden  Reihen  in  einander  übergeführt  werden  können,  pflegt  man  den  Nachweis 
einer  Chromverbindung  sowohl  im  Zustand  der  Oxyd-  als  der  Säurereihe  zu  führen. 

Die  löslichen  wie  die  unlöslichen  Chromoxydverbinduugen  charakterisiren  sich  durch 
lebhafte  Färbung,  welche  im  Allgemeinen  eine  grüne,  bisweilen  violette  ist. 
Chromoxydsalze  geben,  falls  sie  löslich  sind,  violette  oder  grün  gefärbte  Lösungen. 
Die  violetten  Lösungen  können  durch  Erhitzen  in  grüne  übergeführt  werden,  die 
grünen  wandeln  sich  bei  längerem  Stehen  in  der  Regel  in  violette  um.  Von 
charakteristischen  Reactionon  wären  für  Chromoxydsalze  die  nachstehenden 
anzuführen : 

Die  Phosphorsalz-,  sowie  die  Boraxperle  wird  durch  Chronioxydverbindungen 
tief  smaragdgrün  gefärbt;  die  Färbung  ist  in  der  Oxydation»-  wie  in  der  Reduc- 
tionsflamme  die  nämliche.  Sogenannte  Flammeufärbungen  geben  die  Chromverbin- 
dungen nicht. 

Ammoniak,  ebenso  Schwefelammonium  fällt  graublaues  Chromhydroxyd,  welches 
in  überschüssigem  Ammoniak  mit  röthlichcr  Farbe  ein  wenig  löslich  ist.  Die  Fäll- 
barkeit des  Chromoxydes  durch  Ammoniak  —  ebenso  durch  kohlensaures  Natron 
—  wird  durch  Anwesenheit  von  Weinsäure,  Citronensäure ,  Zucker,  auch  Oxal- 
säure beeinträchtigt,  nicht  selten  vollkommen  verhindert 

Kalihydrat  oder  Natronhydrat  erzeugen  sowohl  in  grünen  wie  in 
violetten  Lösungen  von  Chromoxydsalzen  einen  grünen  Niederschlag  von  Chrom- 
hydroxyd,  welcher  sich  bei  gewöhnlicher  Temperatur  in  einem  Uebcrschusse  der 
ätzenden  Alkalien  zu  einer  smaragdgrünen  Flüssigkeit  (s.  Chrom  ite)  löst.  Wird 
diese  Lösung  für  sich  oder  unter  Zusatz  von  Ammouiumchlorid  erhitzt,  so  erfolgt 
nahezu  quantitativ  die  Abscheidung  von  Chromhydroxyd. 

Kohlensaure  Alkalien  fällen  basisch-kohlensaures  Chromoxyd  als  grünen 
Niederschlag,  der  sich  im  Ucberschuss  der  Fällungsmittel  nur  schwierig  und 
langsam  löst. 

Natriumphosp"hat  erzeugt  in  violetten  Lösungen  einen  violetten,  in  grünen 
einen  nach  einiger  Zeit  entstehenden  voluminösen  grünen  Niederschlag. 

Baryumcarbonat  fällt  schon  in  der  Kälte  alles  Chromoxyd  als  grünes 
Chromhydroxyd,  welches  mit  basischem  Carbonat  gemischt  ist.  Die  Fällung  ist  erst 
nach  längerer  Digestion  eine  vollständige.  (Wichtig  für  die  Trennung  von  Mangau 


Digitized  by  Googl 


CHROM-NACHWEIS. 


105 


und  Zink,  deren  Salze  in  der  Külte  durch  Baryumcarbonat  nicht  gefallt  werden.) 
Alle  Chromoxydverbindungen  können  durch  geeignete  Oxydationsmittel  in  chrom- 
saure  Verbindungen  übergeführt  werden.  Alkalische  Lösungen  von  Chromoxyd 
können  durch  Bleisuperoxyd  ,  Kaliumpermanganat ,  saure  durch  Salpetersäure, 
Königswasser,  Chlor,  Brom  oxydirt  werden.  Am  schnellsten  und  sichersten  geschieht 
die  Ueberftthrung  durch  Schmelzen  der  Oxydverbindungen  mit  kohlensaurem 
Katronkali  unter  Zusatz  von  Salpeter  oder  chlorsaurem  Kali.  Die  Schmelze  enthält 
alsdann  Alkalichromat ,  welches  nach  dem  Ansäuern  mit  Essigsäure  alle  für  die 
Chromsäure  giltigen  Reactionen  gibt. 

Die  Salze  der  Chrorasäure  eharakterisiren  sich  durch  lebhafte  Färbung, 
welche  meist  gelb  bis  roth  ist.  Sie  sind  in  Wasser  zum  grösseren  Theil  unlöslich 
and  werden  beim  Glühen  zum  Theil  zersetzt.  Die  Salze  mit  alkalischen  Basen  sind  in 
Wasser  löslich.  Ihre  wässerigen  Lösungen  sind  gelb,  wenn  ein  Salz  der  normalen 
Chromsäure  vorliegt,  roth,  falls  sie  Di-,  Tri-  oder  Tetrachromsäure  enthalten.  Beim 
Ansäuern  der  Lösungen  normaler  Chromate  geht  die  gelbe  Farbe  der  Lösung  in 
Folge  von  Bildung  di-  etc.  chromsauren  Salzes  in  eine  rothe  über.  Lösungen  von 
Chromaten  geben  die  nachstehenden  Reactionen: 

Schwefelwasserstoff  bringt  in  der  angesäuerten  Lösung  eines  Chromates 
zunächst  eine  bräunliche,  dann  eine  grüne  Färbung  hervor,  welche  durch  Bildung 
von  Chromoxydsalz  veranlasst  wird;  gleichzeitig  wird  Schwefel  abgeschieden, 
wodurch  die  Flüssigkeit  ein  milchiges  Aussehen  erhält.  Erwärmen  begünstigt  die 
Reaetion,  ein  Theil  des  Schwefels  geht  alsdann  in  Schwefelsäure  über. 

Schwefelammonium  einer  angesäuerten  Chromatlösung  zugesetzt,  bewirkt 
sofort  einen  bräunlich-graugrünen  Niederschlag  von  wasserhaltigem  chrorosaurem 
Chromoxyd:  beim  Kochen  scheidet  sich  alles  Chrom  als  grünes  Chromoxyd- 
hydrat aus. 

Chlorbaryum  erzeugt  in  Lösungen  normaler  Chromate  einen  hellgelben 
Niederschlag  von  Baryumchroniat,  der  in  Wasser  und  Essigsäure  unlöslich ,  in 
mineralischen  Säuren  dagegen  löslich  ist.  Anwesenheit  von  freier  Essigsäure  ist 
nicht  hinderlich;  freie  mineralische  Säureu  müssen  durch  Natriumacetat  oder 
Amnion iumaectat  gebunden  werden. 

Silbernitrat  bewirkt  in  normalen  Chromatlösungen  eiuen  rothen  Nieder- 
schlag von  Silberchromat  Cr04Ag3,  das  sowohl  in  Salpetersäure  wie  in  Ammoniak 
leicht  löslich  ist. 

Bleiacetat  erzeugt  in  Chromatlösungen  eiuen  gelben  Niederschlag  von 
Bleichromat  Pb  Cr  0,  ,  der  in  Wasser ,  Alkohol ,  Essigsäure  und  verdünnter 
Salpetersäure  unlöslich,  dagegen  löslich  ist  in  concentrirter  Salpetersäure  und  in 
Natronlauge. 

Wasserstoffsuperoxyd.  Fügt  mau  zu  einer  (mit  verdünnter  Schwefel- 
säure) angesäuerten  Chromatlösung  etwas  Wasserstoffsuperoxyd  und  hierauf  Aether, 
so  färbt  sich  der  letztere  beim  Uraschütteln  prächtig  kornblumenblau. 

Die  Bestimmung  der  Chromoxydverbindungen  geschieht  stets  in  Form  von 
Chromoxyd ,  diejenige  der  ChrorasSureverbindungen  als  chromsaures  Blei  oder 
chromsaures  Baryura.  Da  beide  Reihen  leicht  in  einander  überzuführen  sind,  so 
kann  man  für  beide  Reihen  jede  dieser  Bestimmungen  anwenden.  Im  Allgemeinen 
bestimmt  man  das  Chrom  als  Chromoxyd  dann,  wenn  relativ  grosse  Mengen  vor- 
handen sind,  als  chromsaure«  Blei  oder  Baryum  dann,  wenn  die  Menge  des  Chroms 
nur  klein  ist. 

a)  Als  Chromoxyd.  Chromoxydsalze  werden  mit  Ammoniak  in  der  Hitze 
gefällt,  das  überschüssige  Ammoniak  durch  Erwärmen  verjagt,  alsdann  das  Chrom- 
hydroxyd mit  heissem  Wasser  gewaschen  ,  getrocknet  und  nach  dem  Glühen  als 
CraOj  gewogen.  —  Liegt  ein  lösliches  Chromat  vor,  so  wird  dessen  mit  HCl  oder 
H,  8  04  angesäuerte  Lösung  mit  Alkohol  zu  Chromoxydsalz  reducirt  und  aus  diesem 
nach  dem  Verjagen  des  Alkohols  durch  Ammoniak  das  Oxydhydrat  gefällt  und, 
wie  obeu  angeführt,  in  Chromoxyd   umgewandelt.    Enthalten   die  Lösungen  fixe 

Digitized  by  Google 


106 


(H  ROM-NACHWEIS.  —  CHROMALAUN. 


Alkalien,  bo  füllt  dag  Resultat  immer  ein  wenig  zu  hoch  aus,  da  das  Chromoxyd 
hartnäckig  Spuren  von  Alkali  zurückhält. 

b)  Als  chrorasaures  Blei  oder  Baryum.  Neutrale  Chromsalzlösungen  werden  mit 
Essigsäure  angesäuert  und  alsdann  mit  Bleiacetat  oder  Baryumacetat  versetzt.  Sind 
freie  mineralische  Säuren  in  der  Lösung  vorhanden ,  so  setzt  man  Natriumacetat 
oder  Ammoniumacctat  zu.  Der  entstandene  Niederschlag  wird  nach  6 — 12  Stunden 
abfiltrirt,  mit  verdünnter  Essigsäure  gewaschen,  getrocknet  und  schwach  geglüht. 
Das  Filter  wird  vor  dem  Trocknen  zweckmässig  mit  etwas  Ammouuitrat  befeuchtet. 
Auf  diese  Weise  können  natürlich  auch  kleine  Mengen  von  Chromoxyd  bestimmt 
werden,  nachdem  dasselbe  durch  Schmelzen  mit  Soda  und  Salpeter  in  chromsaures 
Alkali  verwandelt  wurde.  Die  mit  Essigsäure  angesäuerte  Lösung  der  Schmelze 
scheidet  dann  das  Chrom  auf  Zusatz  von  Blei-  oder  Baryumacetat  quantitativ  als 
Blei-  oder  Baryumchromat  ab.  B.  Fischer. 

Chromacichlorid,  chiorch  romsäure,  Chromvlchlorid,  chrom- 
saures Chromhexachlorid,  Cr02Cl2,  ist  als  Chromsäurehydrat  aufzufassen, 
in  welchem  zwei  Hydroxylgruppen  durch  Chlor  ersetzt  worden.  Bildet  sich  beim 
Erhitzen  von  violettem  Chromchlorid  mit  Chromsäureanhydrid,  beim  Erhitzen  von 
wasserfreiem  Eisenchlorid  mit  Cbromsäureauhydrid.  Darstellung:  Man  erhitzt  ein 
geschmolzenes  Gemenge  von  10  Th.  Kochsalz  und  1 2  Th.  Kaliumbiehromat 
sehr  vorsichtig  mit  3< >  Th.  concentrirter  Schwefelsäure  und  rectificirt 
das  Destillat,  um  freies  Chlor  zu  entferneu,  wiederholt  in  einem  .Strome  von 
trockenem  Kohle  n  sä  nregas.  Es  ist  eine  blutrothe,  bei  auffallendem  Lichte  schwarz 
erscheineude  sehr  bewegliche  Flüssigkeit,  die  an  der  Luft  stark  raucht.  Spec. 
Gew.  =  1.D13  bei  10°.  Siedepunkt  118°.  Mit  Wasser  zerlegt  es  sich  uuter  starker 
Wärmeentwicklung  in  Chromsäure  und  Salzsäure.  Feuchter  Phosphor  rcagirt  mit 
Chromacichlorid  unter  Feuererscheinung.  Schwefelblumen  mit  Chromacichlorid  be- 
feuchtet entzünden  sich.  Auch  mit  vielen  organischen  Verbindungen  reagirt  es 
ungemein  heftig,  wobei  es  häufig  zu  Entzündungen  und  Explosionen  kommt.  So 
entzündet  es  Weingeist,  Terpentinöl,  zersetzt  heftig  Holzgeist,  Kampfer,  Olivenöl, 
erzeugt  aus  Acthylen  Aethyleuchlorid  uud  entzündet  dieses  bei  Gegenwart  von 
Luft,  dagegen  wirkt  es  nicht  ein  auf  Kohle,  Indigo  und  Eisessig. 

Die  Bildung  des  Chromacichlorides  ist  namentlich  in  analytischer  Be- 
ziehung wichtig.  Es  gestattet  dieselbe,  Chloride  neben  Kromiden  und  Jodiden 
auf  das  unzweifelhafteste  nachzuweisen.  Mischt  man  ein  Gemeuge  von  Chloriden, 
Bromideu  und  Jodiden  mit  Kaliumdiehromat  und  dcstillirt  dasselbe  mit  concen- 
trirter Schwefelsäure,  sc»  bildet  sich  flüchtiges  Chromacichlorid,  während  Brom  und 
Jod  eine  analoge  Cbromverbindung  nicht  eingehen,  vielmehr  in  freiem  Zustande 
entweichen.  Fängt  man  die  flüchtigen  Destillationsproducte  iu  Ammoniak  auf,  so 
lösen  sich  Brom  und  Jod  farblos  auf,  während  übergegangenes  Chromacichlorid 
sich  zu  chromsaurem  Anunou  uud  Ammouiumchlorid  umsetzt.  Eine  Gelbfärbung 
des  vorgeschlagenen  Ammoniak  beweist  daher  die  Gegenwart  eines  Chlorides. 

B.  Fischer. 

ChrOmaCÖme,  ein  Pariser  Haarfärbemittel,  besteht  aus  zwei  Flüssigkeiten; 
die  eine  ist  eine  spirituöse  Pyrogallnssäurelösung,  die  andere  eine  ammoniakalische 
Silbernitratlösnng,  beide  Flüssigkeiten  sind  mit  einer  indifferenten  Farbe  bräunlich 
gefärbt. 

Chromalaun,  Kaii  ehr  omahu n.  Cr (SOj  ,u  K  -f  12  H2 0  oder  Cr2  (S04)4  K2  -f- 
-f  24  H2  0.  Das  schwefelsaure  Chromoxyd  vereinigt  sich  ebenso  wie  das  schwefel- 
saure Aluminium  mit  Alkalisulfaten  zu  gut  charakterisirten  Doppelvcrbindungen. 
Dieselben  sind  denjenigen  den  Aluminiumsulfates  ganz  analog  constituirt  (s.  Alaun  e), 
sind  ihnen  ferner  isomorph  und  krystallisiren  wie  diese  mit  12,  beziehungsweise 
24  Molekülen  Krystallwasser.  Ihre  allgemeine  Formel  ist  Cr(80,)3M+  12  ILO, 
wobei  für  M  einjreset/.t  werden  können  Kaliuni,  Natrium,  Lithium,  Rubidium, 
Caesium   und   der  Ammoniumrest  N  H,.    Im  die  Analogien,   welehe  sie   mit  den 


Digitized  by  Googl 


<H  ROM  ALAUN.  -  CHEOMCHLORÜB. 


107 


entsprechenden  Aluminiumverbindungen  zeigen,  zum  Ausdruck  zu  bringen,  werden 
sie  „Chromalanne"  genannt  und  man  bezeichnet  durch  Hinzufügung  des  betreffen- 
den Namens  dasjenige  Alkalimetall ,  welches  die  Stelle  von  M  in  obiger  Formel 
vertritt,  spricht  also  von  Chromkaliumalaun.  Chromnatriumalaun,  Cbxomammonium- 
alann  u.  s.  w.  Von  allen  diesen  Verbindungen  ist  die  wichtigste :  der  C  h  r  o  in- 
kaliumalaun  Cr (SOJj K  +  12  H2  0.  Man  erhält  diese  Verbindung,  wenn  man 
xu  einer  Lösung  von  Kaliumdiehromat  in  Wasser  eine  entsprechende  Menge 
Schwefelsaure  zusetzt  und  alsdann  schweflige  Säure  bis  zur  vollkommenen  Reduction 
einleitet.   K2  Cra  0,  +  H2  SO,  +  3  S02  =  H3  0  +  2  (Cr  [80J2  K). 

An  Stelle  von  Schwefligsäuregas  können  auch  andere  leicht  oxydirbare  Sub- 
stanzen, wie  Oxalsäure,  Alkohol,  treten.  Wie  die  Verhältnisse  heute  liegen,  wird 
der  Chromalann  ausschliesslich  als  wohlfeiles  Nebenproduct  der  chemischen  Techuik 
gewonnen.  Die  grössten  Quantitäten  liefern  die  Theerfarbenfabriken,  in  denen 
Chromalaun  stets  bei  Anwendung  des  bekannten  oxydirenden  Gemisches  von 
Kaliumbichronmt  und  Schwefelsäure  —  wie  es  beispielsweise  zur  Oxydation  von 
Anthracen  in  Anthraehinon  verwendet  wird  —  sich  bildet. 

Der  Chromalaun  krystallisirt  aus  »einer  wässerigen  Lösung  in  Form  dunkel- 
violetter  Octaöder,  die  sich  in  etwa  7  Th.  Wasser  von  15°  lösen.  Die  kalt  be- 
reitete Lösung  hat  eine  violette  Farbe,  beim  Erhitzen  wird  tue  grün,  nimmt  aber 
nach  längerem  Stehen  die  ursprüngliche  violette  Färbung  wieder  an. 

Chromalaun  dient  in  der  Färberei  und  Druckerei  als  Beize,  ferner  in  der  Ger- 
berei und  zur  Tintenfahrikation.  Bei  dieser  letzteren  benutzt  man  ihn  entweder 
io  bereits  fertigem  Zustande  oder  lässt  ihn  sich  —  indem  man  Kaliumbichromat 
anwendet  —  bei  der  Tintenbereitung  erst  bilden. 

C  h  r  o  m  n  a  t  r  i  u  m  a  1  a  u  n.  Cr  (S04  )s  Na  4-  12  IL  0  ist  in  Wasser  sehr  leicht 
löslich  uud  deshalb  schwer  in  krystallisirtem  Zustande  zu  erhalten.  Aus  diesem 
Grunde  kommt  seine  Verwerthung  in  der  Praxis  kaum  in  Betraeht. 

Chromammoniu  nialau  n  ,  A  in m o  n  i u  m c h  r o m s  u  lfa  t,  (^(SO^NHt  + 
-f  12  H2  0,  kann  durch  Zusammenkrystallisiren  äquivalenter  Mengen  von  Chrom- 
snlfat  und  Ammoniumsulfat  oder  durch  Reduction  von  Animouiurabichromat  wie 
der  Chromkaliumalaun  erhalten  werden.  Er  ist  in  Wasser  weniger  löslich  als  dieser 
und  krystallisirt  in  ausgezeichnet  schönen  dunkelrothen  Octaedern.       B.  Fischer 

Chromasie  (yz&p.x,  Farbe)  bezeichnet  die  durch  die  chromatische  Aberration 
(s.  Bd.  1,  pag.  10)  bedingte  Färbung  der  von  Linsen  entworfenen  Bilder. 

Pitgch. 

Chromate  werden  die  von  den  Chromsäuren  sich  ableitenden  Salze  genannt. 
Chromate  schlechthin  heissen  die  von  der  normalen  Chromsäure,  Cr04IL,  sieh  ab- 
leitenden Salze,  z.  B.  Kaliumchromat  Cr04Ks. 

Ausserdem  kennt  man  noch  Di-,  Tri-  und  Tctraohromate,  welche  von  der  Di-, 
Tri-  und  Tetrachromsäure  deriviren.  B.  Fischer. 

ChrOfTlbleierZ,  auch  Krokoit  genannt,  eines  der  seltensten  Chrom  ,  beziehungs- 
weise Bleierze,  wird  namentlich  im  Ural  gefunden.  Zusammensetzung  in  reinem 
Zustande  PbCrO«.  B.  Fischer. 

Chromchlorür,  Cr  Cl3  oder  Cr2  Clt  ,Chromochlorid,  salzsan  res  Chrom- 
oxydul, entsteht  durch  Auflösen  von  Chrom  iu  coucentrirtcr  Salzsäure,  durch 
Glühen  von  Chrom  im  Chlorwasserstoffgas,  durch  Ueberleiten  von  trockenem  sauer- 
stoßfreiem  Wasserstoffgas  über  schwach  erhitztes  violettes  Chromchlorid,  so  lange 
noch  Chlorwasserstoff  entweicht,  durch  Einwirkuug  von  Zink  und  anderen  Reductioos- 
nüttelti  auf  Chromchloridlösuug.  Iu  wasserfreiem  Zustande  weisse,  leicht  schmelz- 
bare Nadeln,  die  an  der  Luft  zerfliessen  und  sich  grün  färben.  Es  löst  sich  in 
Wasser  unter  starker  Wärmeentwicklung  zu  einer  blauen  Flüssigkeit ,  die  durch 
Aufnahme  von  Sauerstoff  aus  der  Luft  schnell  grlln  wird ,  wobei  sich  Chromoxy- 
chlorid,  Cr2  0,  Cl2,  bildet.  Das  Chromchlorür  ist  auf  Grund  seiner  leichten  Oxydir- 

Digitized  by  Google 


108 


CITROMCOLORÜR.  —  CHROM  I  HYDROXYDE. 


barkeit  ein  kräftiget!  Reductionsmittel,  die  wässerige  Lösung  absorbirt  —  ähnlich 
wie  das  Eisenchlorflr  —  reichlich  Stickoxydgas  und  färbt  sich  dabei  braun.  Aus 
Gold-  und  Silbersalzen  scheidet  es  die  Metalle  ab,  Kupferoxydsabte  reducirt  es  zu 
Kupferoxydulsalzen,  Quecksilberoxydsalze  zu  Quecksilberoxydulsalzen. 

Chromeisenstein,  Chro  meisenerz,  Chromerz,  Chromit,  Eisen- 
chrom ist  ein  in  grösseren  Massen  mit  Magneteisenstein,  sowie  mit  Magnesium- 
und  Thonerdeverbindungen  vorkommendes  Mineral.  Es  krystallisirt  in  der  Form 
des  Octaöders,  ist  aber  in  krystallinischem  Zustande  bisher  nur  in  Barehills  bei 
Baltimore  und  auf  kleinen  Inseln  um  St.  Domingo  angetroffen  worden.  Sonst 
kommt  es  in  der  Regel  derb  und  —  namentlich  im  Serpentin  —  eingesprengt  vor. 
Es  ist  dunkelschwarz,  von  halbmetallischem  Glänze,  unschmelzbar,  bisweilen  mag- 
netisch, Härte  =  5.5 — 6.0,  Dichte  =  4.5.  Die  chemische  Zusammensetzung  der 
reinen  Verbindung  entspricht  der  Formel  Cr«  04  Fe,  doch  ist  ein  Theil  des  Chroms 
zuweilen  durch  Aluminium,  ein  Theil  des  Eisens  durch  Magnesium  ersetzt.  Man 
kann  den  Chromeisenstein  seiner  empirischen  Zusammensetzung  nach  als  eine  Ver- 
bindung von  Chromoxyd  mit  Eisenoxydul  auffassen ,  ihn  systematisch  aber  auch 
zur  Classe  der  Spinellc  zählen  (s.  Aluminate,  Bd.  I,  pag.  272). 

Es  ist  dann  ein  Spinell,  in  welchem  das  dreiwerthige  Element  durch  Chrom, 
das  zweiwerthige  durch  Eisen  vertreten  ist. 

0  0 
AI  Cr 

0     „  0  „ 

M  Fe 
0  0 
AI  Cr 

0  0 
Allgemeine  Formel  der  Spinelle.  Chromeisenstein. 

Hauptfundorte  des  Chromeisensteines  sind :  Silberberg  und  Groehau  in  Schlesien, 
Hrubscbitz  in  Mähren,  Roeraas  in  Norwegen,  Schottland  auf  den  Inseln  Fetler  und 
linst,  am  Ural,  in  Kleinasien  und  in  Nordamerika.  B.  Fischer. 

Chromgelb,  s.  Chromsaures  Blei,  beziehungsweise  chromsaure  Salze. 

ChrOmihydrOXyde.  Dem  normalen  Chromihydroxyd  wurde  die  Formel  Cr(OH)s 
oder  Cra  (011%  zukommen.  Es  scheint  jedoch,  als  ob  mehrere  Modifikationen  des 
Chromhydroxydes  existirten. 

n)  Gewässertes,  beziehungsweise  gefälltes  Chromhydroxyd. 
Versetzt  man  die  Lösung  eines  von  fixem  Alkali  vollkommen  freien  Chromoxyd- 
salzes in  der  Siedehitze  mit  Ammoniak ,  so  erhält  man  einen  grünlich-blauen 
Niederschlag,  welcher  nach  dem  Trocknen  Uber  Schwefelsäure  die  Zusammen- 
setzung Cr,  (OH)„  +  4  H2  0  zeigt.  Derselbe  gibt  im  luftverdünnten  Räume 
oder  beim  Erhitzen  im  Wasserstoffstrome  auf  200°  3  Moleküle  Wasser 
ab  und  geht  in  die  Verbindung  Cr,  03  (OII)3  über ,  welches  bei  Rothgluth 
unter  Feuererscheinung  sich  iu  Chromoxyd  Cr2  Os  verwandelt,  lieber  200°  au 
der  Luft  erhitzt,  nimmt  es  Sauerstoff  auf  und  geht  in  ein  schwarzes  Pulver 
über,  welches  neben  Chromoxyd  auch  Chromsäure  enthält.  In  frischgefälltem  Zu- 
stande ist  das  Chromhydroxyd  in  Säuren  ziemlich  leicht  löslich,  in  dem  Grade 
aber,  wie  es  Wasser  verliert,  wird  es  in  Säuren  immer  unlöslicher.  Die  Verbindung 
Cra  02  (Olli,  löst  sich  beispielsweise  in  kochender  verdünnter  Salzsäure  schon  nicht 
mehr  auf.  Frisch  gefällt  löst  es  sich  ferner  in  Chromchlorid  (es  existiren  hier 
analoge  Verhältnisse  wie  beim  Eisenhydroxyd}  und  auch  in  kalter  Natronlauge 
auf.  Aus  der  letzteren  Lösung  wird  es  durch  Erhitzen  in  unlöslicher  Form  wieder 
abgeschieden. 

b)  Lösliches  Ch  romh  ydr  oxyd.  Durch  Auflösen  von  frisch  gefälltem 
Ghromhydroxyd  in  wässerigem  ChroniehWid  wird  eine  tiefgrüne  Lösung  erhalten, 

Digitized  by  Googl 


CHROMIHYDROXYDE.  -  CHROMITE.  109 

welche  nach  30tägiger  Dialyse  4.3  Th.  Salzsäure  auf  95.7  Chromoxyd  enthält 
(Graham).  Man  betrachtet  dieselbe  als  eine  wässerige  Chromhydroxydlösung,  in- 
dessen dürften  hier  ähnliche  Verhältnisse  wie  beim  Eiseuoxycblorid  statthaben. 

c)  Guignet's  Grün,  Cr20(0H)o  ebenfalls  ein  Hydroxyd  des  Chroms,  wird 
erhalten,  indem  man  1  Th.  Kaliumdichromat  und  3  Th.  krystallinische  Borsäure 
in  feingepulvertem  Zustande  langsam  und  vorsichtig  bis  zur  Rothgluth  erhitzt.  Die 
Masse  bläht  sich  auf  und  färbt  sich  dunkelgrün.  Sie  wird  mit  siedendem  Wasser 
ausgelaugt  uud  alsdann  der  unlösliche  grüne  Rückstand  fein  gemahlen.  Guignet's 
Grün  ist  ein  lebhaft  grünes  Pulver,  welches  als  Oelfarbe  und  als  Druckfarbe  im 
Kattundruck ,  ferner  zum  Färben  des  Papieres  ausgedehnte  Verwendung  findet. 
Mit  PicrinBäure  gemischt,  dient  es  als  ungiftiger  Ersatz  des  giftigen  Schweinfurter 
Grüns  (NaturgrUn). 

Wird  frisch  gefälltes  Chromh)rdroxyd  längere  Zeit  mit  starkem  Ammoniak  digerirt, 
so  bildet  sich  ein  dunkelblaues  Pulver  von  der  Zusammensetzung  Cra  02  (ONH4)2, 
das  sich  in  Salzsäure  mit  rubinrother  Farbe  löst.  Aus  einer  solchen  Lösung  kry- 
stallisirt  R  o  s  e  o  c h  r  o  m  c  h  1  o  r i  d ,  Cr2  Cl6  (XHj)<  +  2  Ha  0 ,  welches  sich  mit 
mehr  Ammoniak  zu  einem  in  Wasser  mit  violetter  Farbe  löslichen  Körper  ver- 
bindet. Auf  Grund  dieser  Thatsachen  wurde  früher  angenommen,  dass  eine  im 
Ammoniak  lösliche  Modifikation  des  Chromhydroxydes  existire.  eine  Ansicht,  welche 
zur  Zeit  in  der  oben  angegebenen  Weise  ihre  Aufklärung  gefunden  hat.    B.  Fischer. 

ChrOITlitS.  Das  Zinkhydroxyd  und  das  Aluminiumhydroxyd  verhalten  sich 
starken  Basen  gegenüber  wie  schwache  Säuren,  d.  h.  sie  lösen  sich  in  starken 
Basen,  z.  B.  in  Kalihydrat,  Natronhydrat  auf  und  gehen  dabei  salzartige  Verbin- 
dungen ein,  in  denen  Zinkhydroxyd  wie  Aluminiumhydroxyd  die  Rolle  von  Säuren 
spielen.  Die  entsprechenden  Verbindungen  des  Aluminiunis  werden  bekanntlich 
Aluminate  (s.  d.)  genannt. 

/O  H      HO  Na  /ONa 
AI— OH  +  HO  Na  =  3HsO  +  AI-  ONa 
N.IH    JIONa  ^ONa 

Aluminium-  Natron-  Natrium- 
hydroxyd hydrat  alumiuat 
Ein  ganz  ähnliches  Verhalten  zeigt  nun  das  Chromhydroxyd.  Versetzt  man  eine 
Chromoxyd-  (Chromi-j  Salzlösung  mit  Natronhydrat,  so  erhält  man  zunächst  einen 
grünen  Niederschlag  von  Chromhydroxyd,  welcher  sich  in  einem  Ueberschuss  von 
Natronlauge  zu  eiuem  Salze  verbindet,-  in  welchem  das  Chromhydroxyd  die  Rolle 
einer  Säure  spielt.  Solche  Verbindungen  heissen  Chromite. 

/  Cl     Na  OH  /OH 
Cr     Cl  +  Na;OH  =  3  Na  Cl  -f  Cr  OH 

^  Cl     Na  OH  "^OH 



Chromchlorid   Natronbydrat  Chromihydroxyd 

^OH      HO  Na  /ONa 
Cr    OH  +  HO  Na  =  3H.,0  +  Cr    0  Na 
^0  H      HO  Na  "~0  Na 

Chromihydroxyd  Natriumchromit 
Die  meisten  „Chromite"   leiten  sich  indessen  nicht  von  dem  uormalen  Chromi- 
hydroxyd her,  sondern  von  einer  wasserarmeren  Verbindung,  dem  Ch  ro  m  i  me  t  a- 
bydroxyd,  CrOaH. 

/OH  0 
Cr    qU  =  H.,0  +  Cr 

^0  H  OH. 
Dieses  verbindet  sich  mit  einer  gewissen  Vorliebe  besonders  mit  zwei  werthigen 
Metallen,   wobei  natürlich  2  Moleküle  CrOaH  in  Action  treten  müssen.    Es  ent- 

Digitized  by  Google 


110  CHBOMITE.  —  CHROMLEIM. 

stehen  alsdann  durch  Ersetzung  der  Wasserstoffatome  mit  zweiwerthigen  Metallen 
die  wichtigeren  Chromite: 

0  0  0 

Cr  Crf  Cr 


M  Zn 


OH  0  0 

Cr  Cr  Cr 

0  0  0 

Allgemeine  Chromit-  Zinkchromit 
formel 

Die  meisten  Chromitc  sind  unlösliche  Verbindungen;  dicselbeu  sind  deswegen 
wichtig,  weil  sie  sich  bisweilen  bei  der  qualitativen  Analyse  bilden  und  dann  das 
Arbeiten  sehr  erschweren.  Sie  entstehen  beim  Versetzen  der  Lösungen  von  Chrom- 
oxydsalzen und  Zink-,  Magnesium-,  Mangan-  und  Nickel-,  Kobalt-,  Eisensalzen  mit 
Kali-  oder  Natronhydrat  als  Niederschlage,  die  im  Ueberechuss  der  ätzenden  Alka- 
lien unlöslich  sind,  ferner  beim  Glühen  der  vermischten  Oxyde  mit  Borsaure. 

Natrium  chromit,  Cr3  0 »  Naa ,  entsteht  durch  Auflösen  von  Chromhydroxyd 
in  kalter  Natronlauge.  Die  klare  grüne  Lösung  scheidet  beim  Erhitzen  Chromhy- 
droxyd nahezu  quantitativ  ab. 

Magnesiumchromit,  Crs  04  Mg ,  wird  durch  Fällen  einer  Lösung  von 
Chromoxydsalz  und  Magncsiumsulfat  mit  Natriumhydrat  erhalten.  Unlöslicher  grün- 
licher Niederschlag. 

Zinkchromit,  Cr3  0,  Zn ,  entsteht  durch  Versetzen  einer  Chromoxyd-  und 
Zinksulfatlösung  mit  Natronlauge  als  unlöslicher  Niederschlag.  Auch  durch  Zu- 
sammenschmelzen von  Chromoxyd  mit  Zinkoxyd  bei  Gegenwart  vou  Borsäure. 

Ferro  chromit,  Cra04Fe,  ist  die  als  Chromeisenstein  natürlich  vorkom- 
mende Chromverbindung,  welche  somit  den  Chromiten  zuzuzählen  Ist. 

B.  Fischer. 

Chromkohlenstoff  (Cr4C3?)  bildet  sich  wahrscheinlich  bei  Darstellung  des 
Chroms,  falls  überschüssige  Kohle  angewendet  wird.  Wurde  glänzend  und  schön 
krystallisirt  bei  Reduclion  von  chromhaltigem  Rutheniumsesquioxydhydrat  im  Koble- 
tiegel  erhalten.  B.  Fischer. 

Chromleim.  Versetzt  man  eine  Leimlösung  mit  Kaliumdichromat  und  unter- 
wirft alsdann  diese  Mischung  der  Einwirkung  des  Sonnenlichtes,  so  wird  die 
Chromsäure  zu  Chromoxyd  redueirt  und  zugleich  die  Leimmasse  in  Wasser  unlös- 
lich und  unquellbar.  Man  beuutzt  daher  solche  als  „Chroraleim"  bezeichnete  Coni- 
positionen  als  Kitt  und  Klebeniaterial,  auch  für  Anstriche  überall  da,  wo  es  sich 
um  Undurehdringlichkoit  gegen  Feuchtigkeit  handelt  ;  also  zum  Kitten  von  Licht 
durchlassenden  Gegenständen,  zur  Herstellung  wasserdichter  Gewebe,  bei  denen 
eine  gewisse  Steifigkeit  nicht  hinderlich  ist  (z.  B.  zum  Ueberziehen  von  Gespinnsten 
für  Reisekoffer,  Stöcke,  Peitschen),  zum  Leimen  von  Pergamentpapier  (für  Düten, 
Beutel  und  dialytische  Membranen).  Die  letztere  Anwendung  hat  1870 — 1871  eine 
classische  Verwendung  gefunden,  indem  Chromleim  damals  zum  Kleben  der  für  die 
Erbswurst  bestimmten  Pergamenthülsen  von  Jacobsen  vorgeschlagen  wurde. 

Die  Vorschrift  zu  solchem  Chromleim  lautet:  10  Th.  Leim,  100  Th.  Wasser, 
2  Th.  K al i um bi Chromat.  An  Stelle  des  Leimes  kann  auch  Gelatine  angewendet 
werden.  Wichtig  für  den  guten  Ausfall  der  Klebeoperation  ist,  dass  die  Ijeira- 
lösung  frisch  bereitet,  erst  unmittelbar  vor  dem  Gebrauche  mit  dem  Chromsalz 
versetzt  wird  und  dass  alsdann  eine  genügende  Insolation  des  betreffenden  Gegen- 
standes stattfindet.  Eine  wichtige  und  ausgedehnte  Anweudung  findet  der  Chrom- 
leim ferner  bei  dem  Lichtdruck,  dem  Verfahren,  in  welchem  mit  Hilfe  der  Drucker- 
presse Photographien  vervielfältigt  werden.  B.  Fischer. 


Digitized  by  Google 


CHBOMOGENE.  -  CHBOMOXYCHLORIDE.  111 

Chrom Ogene  (/jh^x,  Farbe  und  ^vnxuij  ich  erzeuge)  nennt  man  sowohl  im 
Pflanzenreiche  als  im  Thierreiche  vorkommende  farblose  Substanzen,  welche 
beim  Kochen  mit  verdünnten  Mineralsauren,  auch  bei  Einwirkung  von  verdünnten 
Alkalien  oder  in  Folge  fermentativer  Zersetzungen ,  und  zwar  in  beiden  Fällen 
nur  bei  Zutritt  von  Sauerstoff*  oder  unter  Mitwirkung  eines  Oxydationsmittels, 
entweder  ein  farbiges  Spaltungsproduct  liefern  oder  als  Ganzes  in  einen  Farbstoff 
Obergehen. 

Von  den  im  Pflanzenreiche  vorkommenden  Chromogenen  seien  hier  das  Pflanzen- 
indican  und  das  Hämatoxylin  erwähnt.  Ersteres,  von  Schenk  aus  der  Isatis 
tinctort'a   dargestellt ,  ist  eine  glycosidartige  Substanz ,   ein   hellbrauner  Syrup, 
welcher  beim  Kochen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  in  Indigoblau   und  Indiglncin 
zerfällt.  Hingegen  wird  beim  Behandeln  des  Indicans  mit  Salzsäure  im  Vacuum 
kein  Indigblau  abgeschieden ,  fügt  man  aber  zur  Salzsäure  Eisenchlorid ,  so  geht 
die  Bildung  von  Indigblau  auch  im  Vacuum  vor  sich.  Zur  Gewinnung  des  Indigos 
im  Grossen  Uberlässt  man  die  Stengel  und  Blätter  der  verschiedenen  subtropischen 
und  tropischen  lndigofera  Arten  mit  Wasser  Übergossen  der  Gährung.  Während 
der  Bildung  des  Indigos  aus  dem  Indican  eine  Spaltung  des  Moleküls  vorangeht, 
findet  bei  der  Bildung  des  dunkelgrünen  Hämateius  aus  den  farblosen  Hämatoxylin- 
krystallen  nur  Austritt  von  2  Atomen  Wasserstoff  aus  dem  Molekül  statt.  Es 
zeigen  nämlich  die  aus  dem  Blauholzextract  leicht  darstellbaren  farblosen  Häma- 
toxvlinkrystalle  die  Zusammensetzung  C,„  Hn  0,,.   Die  farblose  wässerige  Lösung 
dieser  Krystalle  wird  durch  Spuren  von  Alkalien  bei  Zutritt  der  Luft  veilchen- 
blau, dann  pnrpurroth  und  braun,  hierbei  wird  Hämatcin  gebildet,  welches  ge- 
trocknet aus  metallglänzenden  dunkelgrünen  Blättcheu  von  der  Zusammensetzung 
Ci«  Hu  Oc  besteht.    Das  Chromogen  der  meisten  Orseillcfarbstoffe  nnd  auch  des 
au»  Lemnora   tartnrm  bereiteten  Lackmusfarbstoffes  bildet  Orcin  (s.  d.)  und 
Derivate  desselben. 

Viel  weniger  als  die  im  Pflanzenreich  vorkommenden  Chromogene  sind  die  im 
Tbierkörper  auftretenden  bekannt.  Aus  der  Beobachtung,  dass  der  normale  Harn 
bei  längerem  Stehen  an  der  Luft  eine  dunklere  Färbung  annimmt ,  wird  auf  das 
^  orkommen  eines  bisher  noch  nicht  isolirteu  Chromogens  in  demselben  geschlossen. 
Als  Chromogen  des  Harnindigos  wurde  von  E.  Baumann  die  Indoxylschwefel- 
**ure  erkannt.    Von  grosser  Wichtigkeit  ist  auch  da«  Auftreten  eines  Chromogens 
im  Harne  von  Kranken  mit  raelanotischem  Carcinoui.   Beim  Stehen  an  der  Luft 
oder  durch  oxydironde  Agentien  —  Salpetersäure,  wässerige  Lösung  von  Chrom- 
"<iure,  beziehungsweise  von  Kaliunibichromat  und  verdünnter  Schwefelsäure  geht 
dieses  Chromogen  in  einen  schwarzen  Farbstoff  —  Melanin  — über,  demgemäss 
wird  in  solchen  Fällen  der  mit   normaler  Färbung  entleerte  Harn   nach  kurzem 
Stehen  an  der  Luft  von  oben  her  schwarz  gefärbt  erscheinen.  Diese  Dunkelfärbung 
des  Harnes  ist  von  derjenigen  zu  unterscheiden,   welche  manchmal   nach  inner- 
licher oder  äusserlicher  Anwendung  von  Phenolen  —  namentlich  von  Carbolsäure 
nnd  Resorcin  —  auftritt.  Loe bisch. 

Chromograph,  s.  Copirapparate. 

Chromophore  sind  in  organischen  Verbindungen  die  Gruppen  N0lt  N2,  02 
genannt  worden,  weil  sie  es  häufig  sind ,  welche  die  Verbindungen,  in  denen  sie 
enthalten  sind,  zu  Chromogenen  machen,  die  durch  Einführung  von  OH  oder 
NHj  Farbstoffe  bilden. 

Chromorange  heissen  Gemenge  von  basisch-chromsaurera  Blei  mit  Bleichromat, 
welche  als  Malerfarbe  verwendet  werdeu.  —  S.  chromsaures  Blei. 

B.  Fischer. 

ChrOmOXVChlOride.  Beim  Erhitzen  von  gewässertem  grünem  Chromchlorid  auf 
120°  bleibt  ein  zerfliesslicher  blassrother  Rückstand,  der  sich  in  Wasser  völlig  löst 
nnd  nach  8chiff  die  Zusammensetzung  Cra  Cl5  (OH).  4  H20  besitzt.  —  Wurde  das 


Digitized 


112 


L'HROMOXYCHLORl  J>E.  —  CHROMOXYDSALZE. 


Chromchlorid  dagegen  auf  150°  erhitzt,  so  hinterbleibt  ein  graurothes  Pulver,  dessen 
wässerige  Lösung  beim  Abdunsten  einen  rothen,  der  Formel  Cr2  Clj  (0  H)2  .  2  H2  0 
entsprechenden  Rückstand  hinterlässt.  Durch  Erwärmen  vou  grüner  Chromchlorid- 
lösung mit  Chromhydroxyd  und  Eindampfen  der  Lösung  wird  eine  grüne  Ver- 
bindung Cr2Cla(OH)4  erhalten.  B.  Fischer. 

Chromoxyd,  Chromioxyd,  Cbromsesquioxyd,  Cra Os ,  bildet  sich  in 
wasserfreiem  Zustande  beim  Glühen  der  höheren  Oxyde  des  Chroms  an  der  Luft, 
beim  Glühen  der  dichromsauren  Alkalien  im  WassersttfFstrom ,  durch  Reduction 
der  Chromsflure,  durch  starkes  Glühen  von  Chromchlorid,  durch  Erhitzen  vou 
Chromoxydhydrat.  Je  nach  der  Bereitungsweise  kann  es  in  amorphem  oder  in 
krvstallisirtem  Zustande  erhalten  werden. 

a)  Amorphes  Chromoxyd.  Darstellung.  I.  Durch  Glühen  von  chroni- 
saurem  Quecksilberoxydul.  2.  Durch  Erhitzen  von  chromsaurem  oder  dichromsaurem 
Ammonium  Cr2  07  (N  H4)a  =  4  H2  0  -f  +  Cra03.  3.  Durch  Glühen  von  chrom- 
saurem Kali  mit  Schwefel  und  Auslaugen  des  Gltthproductes  mit  Wasser.  4.  Durch 
Glühen  von  Kaliumchromat  mit  Salmiak.  ö.  Durch  Glühen  von  Kaliumdicbromat 
mit  Stärke.  6.  Durch  Erhitzen  von  Chromihydroxyd.  Das  letztere  Verfahren  wird 
in  der  Technik  znr  Gewinnung  des  Chromoxydes  benutzt.  Dabei  hat  man  es  in 
der  Hand,  durch  Innehaltung  geeigneter  Temperaturen  verschiedene  Farbennuancen 
zu  erzielen.  —  Das  amorphe  Chromoxyd  bildet  ein  grünes  Pulver,  welches,  falls 
es  stark  geglüht  wurde,  in  Säuren  und  ätzenden  Alkalien  fast  unlöslich  ist.  Um 
es,  beispielsweise  zu  analytischen  Zwecken,  in  Lösung  zu  bringen,  muss  es  mit 
concentrirter  Schwefelsflure  längere  Zeit  erhitzt  oder  mit  saurem  Kaliumsulfat 
zusammengeschmolzen  werden.  Durch  Zusammenschmelzen  mit  Kaliumbisulfat  ent- 
steht lösliches  Cbromkaliumsulfat,  durch  Schmelzen  mit  Soda  nnd  Salpeter  lösliche 
Chromate  etc.  In  der  Glühhitze  ist  es  durchaus  beständig,  im  Knallgasgebläse  dagegen 
schmilzt  es  und  erstarrt  alsdann  zu  einer  fast  schwarzen  krystallmischen  Masse. 

Technische  Verwendung  findet  das  amorphe  Chromoxyd  als  ungiftige  grüne 
Farbe:  das  bei  niederer  Temperatur  geglühte  ist  dunkelgrün,  das  höheren  Hitze- 
graden ausgesetzt  gewesene  mehr  hellgrün.  Auf  Grund  seiner  Eigenschaft ,  Glas- 
flüssen eine  schöne  grüne  Färbung  zu  ertheilen ,  wird  es  in  der  Glasfabrikation, 
besonders  aber  in  der  Porzellanmalerei  verwendet. 

b)  Krystallisirtes  Chromoxyd  wird  erhalten  durch  Zersetzen  des  Chrom- 
oxychlorides,  Cr02Cl2,  in  starker  Glühhitze,  ferner  verwandelt  sich  das  amorphe 
Oxyd  in  das  krystallisirte  durch  Schmelzen  im  Gebläsefeuer ,  durch  Erhitzen  im 
Sauerstoftstrom  und  durch  anhaltendes  heftiges  Erhitzen  mit  kohlensaurem  Kalk 
und  geschmolzener  Borsäure.  —  Es  bildet  hexagonale  metallglflnzende  schwarze 
Krystalle,  welche  so  hart  sind,  dass  sie  Quarz  und  Topas  ritzen.  Ihr  speeifisches 
Gewicht  beträgt  5.21.  B.  Fischer. 

Chromoxydsalze,  Chromisalze,  sind  diejenigen  vom  Chromoxvd  derivirenden 

Verbindungen,  in  denen  das  Chromoxyd  die  Holle  einer  Base  spielt.  Dieselben 
krystallisiren  meist  gut ,  sind  in  Wasser  ziemlich  löslich  und  kommen  meist  in 
zwei  Modificationeu  vor,  welche  sich  nicht  chemisch,  wohl  aber  physikalisch 
von  einander  unterscheiden.  Coneentrirte  Lösungen  der  einen  Modification  sind  violett, 
die  der  anderen  Modification  grün  gefärbt.  Krystallisirte  Verbindungen  liefert  nur 
die.  violette  Modification.  Violette  Lösungen  werden  beim  Erwärmen  auf  100°  mehr 
oder  weniger  leicht  grün,  während  grüne  Lösungen  bei  längerem  Stehen  allmälig 
wieder  in  violette  übergehen.  Beim  Verdampfen  geben  die  Lösungen  der  grünen 
Modificationeu  amorphe  Massen. 

Von  den  Chromsänreverbindungen  unterscheiden  sich  die  Chromoxydverbindungen 
dadurch,  dass  sie  keine  oxydirenden  Eigenschaften  besitzen.  Die  wässerigen  Lösungen 
werden  durch  Zusatz  vou  Ammoniak  unter  Ausscheidung  von  graugrünem  Chrom- 
hydroxyd getrübt ,  welches  in  überschüssigein  Ammoniak  etwas  löslich  ist.  Zur 
quantitativen  Bestimmung  des  Cbromoxydes  fällt  man  daher  die  wässerige  Lösung  in 


Digitized  by  Googl 


CH  ROMOXYDSALZE. 


113 


der  Siedehitze  mit  Ammoniak,  verjagt  den  Ueberschuss  des  letzteren  durch  längeres 
Kochen,  sammelt  das  Chromoxyd  durch  Filtrirung,  wäscht  mit  heisseiu  Wasser 
aus  und  führt  es  nach  dem  Trocknen  durch  Glühen  in  Chromoxyd  über.  Sind  in 
der  Flüssigkeit  fixe  Alkalien  anwesend,  so  lassen  sieh  diese  durch  Auswaschen  nie 
ganx  beseitige^,  die  Resultate  fallen  alsdann  etwas  zu  hoch  ans. 

Durch  geeignete  Oxydationsmittel  kann  man  die  Verbindungen  des  Chromoxydes 
sowohl  in  wässeriger  Lösung  als  auch  auf  trockenem  Wege  (durch  Schmelzung) 
in  Verbindungen  der  Chrorasäurereihe  überführen.  In  wässeriger,  freies  Alkali 
enthaltender  Lösuug  wirken  oxydirend :  Uebermangansaures  Alkali,  Bleibyperoxyd, 
Manganhyperoxyd,  Chlorkalk,  besonders  aher  Brom ;  ein  Gemenge  von  chlorsaurem 
Kali  und  Salpetersäure  oxydirt  selbst  scharf  geglühtes  Chromoxyd  zu  Chromsäure. 
Salpetersaures  Chromoxyd  wird  durch  salpetersaures  Ceroxyd  sofort  in  Chromsäure 
verwandelt. 

Schmilzt  man  Chromoxyd  oder  Chromoxydsalzc  mit  ätzenden  oder  kohlensauren 
Alkalien,  auch  mit  Erdalkalien  an  der  Luft  .zusammen,  so  absorbirt  die  Schmelze 
Sauerstoff  aus  der  Luft,  daB  Chromoxyd  geht  in  Chromsäure  Uber,  welche  selbst- 
verständlich bei  dem  Ueberschuss  an  Alkali  als  chromsaures  Alkali  vorhanden  ist. 
Sehr  schnell  kann  man  diese  Ueberführung  bewerkstelligen,  wenn  man  der  Schmelze 
leicht  Sauerstoff  abgebende  Substanzen,  wie  Salpeter,  chlorsaures  Kali  zufügt. 

Chromisulfat,  Chromsulfat,  schwefelsaures  Chromoxyd,  Cr,(S04)8. 
a)  Blaues  oder  violettes.  Man  mischt  gleiche  Theile  conceutrirter  Schwefel- 
säure und  Chromhydroxyd,  welches  bei  100°  getrocknet  wurde  und  lttsst  die 
Mischung  einige  Zeit  stehen.  Die  anfänglich  grüne  Lösung  wird  allmälig  blau  und 
erstarrt  nach  einigen  Wochen  zu  einer  grünblauen  Krystallmasse ;  man  löst  diese 
in  Wasser  und  setzt  zur  concentrirteu  Lösung  Alkohol,  welcher  ein  blassviolettes 
Krystallpulver  ausfällt,  während  die  überschüssige  Säure  und  die  grüne  Modifi- 
cation  in  Lösung  bleiben.  Man  löst  nun  das  Krystallpulver  in  Wasser,  fügt  so 
viel  Alkohol  zu,  dass  die  Flüssigkeit  eben  noch  klar  bleibt  und  überlässt  sie  sich 
selbst  in  einem  mit  Blase  tectirten  Gefäss.  Indem  nun  die  Flüssigkeit  durch  Ver- 
dunstung von  Wasser  alkoholreicher  wird,  scheiden  sich  hübsche  rothviolette 
Oetaöder  der  Zusammensetzung  Cr3  (SO,)3  -f  15  Ha  0  ab.  Dieselben  lösen  sich 
etwa  im  gleichen  Gewichte  Wasser  auf. 

b)  Grünes  Chromisulfat  entsteht  durch  Auflösen  von  Chromihydroxyd  in  cou- 
centrirter  Schwefelsäure  unter  Erhitzen ;  ferner  durch  Erhitzen  der  violetten  Modifi- 
cation  auf  100°,  die  letztere  schmilzt  dabei  zu  einer  grünen  Flüssigkeit,  die  später 
ein  grünes  Gummi  bildet,  welches  5 — 6  Mol.  Wasser  enthält.  Die  Lösung  der 
grünen  Modifikation  liefert  weder  beim  Abdampfen,  noch  beim  Versetzen  mit  Alkohol 
Krystalle. 

c)  Rothes  unlösliches  Chromisulfat.  Erhitzt  man  Chromihydroxyd  mit 
Vitriolöl  bis  zum  anfangenden  Verdampfen  der  Schwefelsäure,  so  wird  es  auf  einmal 
blass  pfirsichblüthenroth.  Wird  leicht  durch  schmelzendes  oder  kochendes  Kali-  oder 
Natronhydrat  zerlegt,  sehr  langsam  und  unvollständig  von  kohlensaurem  Alkali. 
In  Wasser,  Salzsäure,  Salpetersäure,  Schwefelsäure,  Königswasser  ist  es  unlöslich. 

Das  Chromisulfat  bildet  mit  den  Sulfaten  der  Alkalien  Doppelverbindungen, 
welche  denen  des  Aluminiumsulfates  entsprechen  und  daher  Chromalaune  ge- 
nannt werden.  —  8.  Chromalaun. 

ChrominHrat,  salpetersaures  Chromoxyd,  Cr„(N03)Ä  +  18  H2  0.  Wird 
durch  Auflösen  von  Chromihydroxyd  iu  Salpetersäure  erhalten.  Die  Lösung  ist  im 
auffallenden  Lichte  blau ,  im  durchfallenden  roth  und  krystallisirt  bei  Zusatz  von 
viel  conceutrirter  Salpetersäure  bei  guter  Abkühlung  in  schief  rhombischen;  purpur- 
farbenen Prismen. 

Chromiphosphat ,  Chromphosphat,  phosphorsaures  Chromoxyd, 
Cr,  (POJj,  wird  durch  Zusatz  von  Dinatriumphospbat  zu  Chromchloridlösung  als 
grüner,  beim  Trocknen  dunkelblau  werdender  Niederschlag  erhalten.  Durch  Zusatz 
von  Dinatriumphoflphat  zu  einer  Chromalaunlösung  entsteht  ein  dunkel  violettes 


Real-Encyclopftdie  der  ge«.  Pharmacie.  III. 


s 


igitized  by  Google 


114  CHROMOXYDSALZE.  —  CHROMOXYDULHYDRAT. 

Phosphat,  Or,(P04)a  4-  12HsO,  durch  Auflösen  von  Chromihydroxyd  in  Phosphor- 
säure,  Eindampfen  und  Erhitzen  aut  Ober  300*»  grünes  unlösliches  Chromimeta- 
phosphat,  Cr2  (P  03  )6 . 

Chromfluorid,  Chroniifluorid,  And erthalbfluorchrom,  Cr2FL,,  wird 
in  wasserfreiem  Zustande  durch  Behandeln  von  trockenem,  nicht  geglühtem  Chrom- 
oxyd mit  überschüssiger  Fluorwasserstoffsäure  und  starkes  Erhitzen  der  getrock- 
neten Masse  erhalten.  —  Dunkelgrün,  sublimirt  nur  bei  den  höchsten  Temperaturen 
in  glänzenden  Octaedern.  Durch  Auflösung  von  Chromihydroxyd  in  wasseriger 
Fluorwasserstoffsäure  resultirt  eine  dunkelgrüne  Lösung  von  Chromfluorid. 

ChromichloHd ,  Chromchlorid,  Anderthalbchlorchrom,  Cr2Cl«; 
a)  Wasserfreies  bildet  sich  beim  Erhitzen  von  Chrom  im  Chloratrom,  auch 
beim  Ueberleiten  von  trockenem  Chlorgas  über  ein  erhitztes  inniges  Gemenge  von 
Chromoxyd  mit  Kohle.  Es  bildet  violette,  glänzende  Plättchen,  die  auf  der  Haut 
wie  Tale,  venet.  verreibbar  und  bei  heftiger  Glühhitze  im  Chlorstrom  flüchtig 
sind.  In  kaltem,  ebenso  in  heissero  Wasser  ist  es  unlöslich;  wird  es  dagegen  im 
geschlossenen  Rohr  mit  Wasser  auf  150 — 200°  erhitzt,  so  entsteht  eine  grüne 
Lösung.  In  verdünnten  Alkalien  ist  es  unlöslich,  coneentrirte  Alkalilösungen 
wirken  gleichfalls  nur  wenig  ein.  Rochende  Salzsäure,  Salpetersäure  oder  Salpeter- 
salzsäure (Königswasser)  sind  gleichfalls  ohne  Einwirkung.  Heisse  coneentrirte 
Schwefelsäure  bewirkt  Entwickelung  von  Chlorwasserstoff  und  hinterlässt  eine  grüne, 
mit  Wasser  mischbare  Flüssigkeit.  —  Bei  Gegenwart  von  Chromchlorür ,  dessen 
Menge  nur  1  40000  vom  Chlorid  zu  betragen  braucht,  löst  es  sich  iu  Wasser  zu 
einer  grünen  Flüssigkeit.  Aehnlich  wie  Chromchlorür  wirken  Zinnchlorür  und 
Kupferchlorür. 

b)  Gewässertes,  ac)  Violettes.  Ist  nur  in  wässeriger  Lösung  bekannt. 
Man  erhält  die  letztere  durch  Umsetzen  von  violettem  Chromsulfat  mit  Baryum- 
chlorid.  Durch  einfaches  Erhitzen  geht  die  violette  Lösung  in  grün  über. 

ß)  Grünes.  Entsteht  durch  Auflösen  von  Chromchlorid  iu  Wasser  bei  Gegen- 
wart von  Chromehlorür  (s.  vorher),  durch  Auflösen  des  Chromhydroxydes  in 
Salzsäure,  durch  Keduction  salzsaurer  Chromsäurelösungeu  mit  Alkohol,  durch 
Erhitzen  von  Chromsäureanhydrid  mit  Salzsäure  2  Cr03  4  12HC1  =  6H30  4 
6  Cl  4  Cr2CL,.  Die  grüne  Lösung  gibt  beim  vorsichtigen  Abdunsten  ein  in  grünen 
Nadeln  krystallisirendes,  hygroskopisches  Hydrat,  Cra  Cl«  4-  12H..O,  welches  beim 
Erwärmen  unterhalb  100°  in  das  gleichfalls  grüne  Hydrat  Cra  CIa  +  6H40  über- 
geht. Werden  die  grünen  Hydrate  im  Chlor-  oder  Salzsäurestrom  auf  über  250° 
erhitzt ,  so  spalten  sie  Wasser  ab  und  sublimiren  als  violettes  wasserfreies  Chrom- 
ehlorid.  Die  Losungen  des  grünen  Chromchlorides  sind  nur  in  auffallendem  Lichte 
grün,  in  durchfallendem  Lichte  erscheinen  sie  roth.  Wässerige  oder  salzsaure 
Lösungen  von  Chromchlorid  (Auflösungen  von  Chromhydroxyd  in  Salzsäure)  scheiden 
beim  Eindampfen  unlösliche  basische  Chloride  ab.  B.  Fischer. 

Chromoxydul,  Chrommonoxyd.  <> 

0  oder  Cr3  Oa,  ist  in  wasserfreiem  Zu- 
stande bisher  nicht  bekannt.  Nach  Mobeeo  soll  es  im  Chromeisenstein  enthalten  sein. 

Chromoxydulhydrat,  Chromohydroxyd, chromhydroxydui,cr (oh), 

oder  Cr«  (OH),,  wird  aus  einer  Lösung  von  Chromchlorür  in  luftfreiem  Wasser 
durch  frisch  ausgekochte  Kalilauge  als  gelber  Niederschlag  gefällt,  der  nach  dem 
Trocknen  im  Wasserstoff-  oder  Kohlensäurestrom  ein  dunkelbraunes  Pulver  dar- 
stellt. An  trockener  Luft  ist  es  beständig,  beim  Glühen  zerfällt  es  in  Wasser, 
Wasserstoff  und  Chromoxyd.  Cr,  (OH)»  =  H*  0  4  Hs  4-  Crs  03. 

In  verdünnten  Säuren  ist  es  fast  gar  nicht,  in  concentrirten  auch  nur  wenig  lös- 
lich. Die  Lösungen  sind  durch  beigemengtes  Chromoxydsalz  stets  grün  gefärbt. 

Die  Salze  des  Chromoxyduls,  welche  beiläufig  raeist  unlöslich  sind, 
werden  in  der  Weise  dargestellt,  dass  man  eiue  Lösung  von  Chromehlorür  mit  den 
Kali-  oder  Natronsalzen  der  entsprechenden  Säuren  versetzt  und  die  entstandenen 
Niederschläge  auswäscht;  alle  Operationen  haben,  um  einer  Oxydatiou  durch  den 


Digitized  by  Google 


CHROMOXYDULHYDRAT.  —  CHROMSÄURE.  115 

Luftsauerstoff  vorzubeugen,  unter  mißlichstem  Ausschluss  von  Luft  vor  sich  zu 
gehen.  Die  Salze  sind  meist  roth,  seltener  blau  gefärbt,  lösen  sich  mit  Ausnahme 
des  Chromchlorürs  wenig  in  kaltem  Wasser.  In  heissem  Wasser  sind  sie  entweder 
etwas  löslicher  oder  sie  werden  durch  dasselbe  zersetzt.  B.  Fischer. 

ChrOITlOXydulOXyd,  Cr3  0<  (dem  Magneteisenstein  und  dem  Hausmannit  ent- 
sprechend) wird  durch  Elektrolyse  einer  chromchlorid haltigen  Chromchlorlirlösung 
mittelst  eines  schwachen  Stromes  als  dunkelschwarzes,  amorphes  Pulver  erhalten, 
das  beim  Erhitzen  an  der  Luft  zu  grünem  Chromoxyd  verglimmt.  Ist  in  Säuren 
unlöslich. 

Das  Hydrat,  Cr3  04  .  H.2  0,  entsteht  als  tief  rostbrauner  Niederschlag,  wenn  man 
eine  Lösung  von  Chromchlorür  bei  unvollständigem  Luftabschluss  mit  Kalilauge 
versetzt.  Es  ist  in  Säuren  gleichfalls  nur  wenig  löslich.  B.  Fischer. 

ChromOXydulsalze.  Dieselben  sind  sehr  unbeständig  und  gehen  schon  durch 
Oxydation  an  der  Luft  in  Chromoxydsalze  Aber.  Unter  denselben  sind  als  die 
wichtigsten  folgende  anzusehen: 

Chromosulfit,  CrS03  oder  Cr3(SÜ3)3,  schwefligsaures  Chromoxydul, 
durch  Umsetzen  von  Chromchlorür  mit  schwefligsaurem  Kalium  zu  erhalten.  Ziegel- 
rother Niederschlag,  der  sich  an  der  Luft  bald  zu  bläulich-grünem  basisch-sehweflig- 
saurem  Chromoxyd  oxydirt. 

Cbromosulfat,  Cr  SO,  oder  Cra(SO,)  3,  schwefelsaures  Chromoxydul, 
ist  nur  in  Lösung  bekannt.  Man  erhält  dieselbe  durch  Auflösen  von  metallischem 
Chrom  in  verdünnter  Schwefelsäure.  Die  mit  Ammoniak  und  Salmiak  versetzte 
blaue  Lösung  absorbirt  nicht  blos  Sauerstoff  und  Stickoxyd,  sondern  auch  Acetylen. 
Bei  Absorption  des  letzteren  Gases  entfärbt  sie  sich;  nach  einiger  Zeit  färbt  sie 
sich  wieder  unter  Aethylenentwiokelung. 

Chromophosphat,  Cr8(P04)i,  phosphorsaures  Chromoxydul,  durch 
Wechselwirkung  von  Chrornchlorid  mit  Natriumphosphat  entstanden,  ist  ein  blauer 
Niederschlag  der  sich  an  der  Luft   —  unter  Sauerstoffaufnahme  —  grün  färbt. 

Chromocarbonat,  Cr  CO,,  kohlensauresChromoxydul,  wird  durch  Fällen 
einer  Cbromchlorürlösung  mit  Kaliumcarbonat  erhalten.  In  der  Kälte  erzeugt,  ist 
der  Niederschlag  gelb  bis  grünlich,  bei  höherer  Temperatur  fällt  es  rothbraun  aus. 

Chromor yanid,  Cr(CN)3  oder  Cra  (CN)M  eyanwasserstoffsaures  Chromoxydul,  durch 
Fällen  ans  ChromcblorUrlösung  mit  Cyankalium  erhalten.  Weisser  Niederschlag,  im 
Ueberschuss  von  Cyankalium  unlöslich,  oxydirt  sich  an  der  Luft  sehr  leicht  unter 
Grünfärbung. 

Chromoacetat,  Cr (CH3  C00)2  +  H3  0,  essigsauresChromoxydul,  scheidet 
sich  aus  Cbromchlorürlösung  auf  Zusatz  von  Natriumacetat  als  krystaUinischer 
rotber  Niederschlag  ab.  Dasselbe  absorbirt  Sauerstoff  so  rasch,  dass  oft  Entzün- 
dung eintritt.  3.  Finch  er. 

Chromphosphor,  Chrom  phosphid,  Cr3  P._.,  bildet  sich,  wenn  man  Phosphor- 
wasserstoffgas  über  erhitztes  Chromchlorid  leitet.  Cr2  CL,  +  2  PH3  =  Cr3  Pa  4-  6  HCl. 

Desgleichen,  wenn  man  über  glühendes  normales  (gelbes)  Kaliumchromat 
Phosphordämpfe  leitet  oder  phosphorsaures  Chromoxyd  im  Kohlentiegel  im  fie- 
bläsefeuer  erhitzt.  Ein  fein  krystallinisches,  metallgnänzcndes  Pulver,  welches  sehr 
schwer  schmelzbar  ist.  B.  Fischer. 

Chromroth,  s.  chromsaure  Salze,  beziehungsweise  chromsaures  Blei. 

Chromsäure,  Chromsäureanhydrid,  Chromtrioxyd,  Cr03.  Für  die 
Darstellung  dieser  Verbindung  existiren  eine  ganze  Reihe  von  Vorschriften.  So 
de*tillirte  Unverdorben  Bleichmmat  mit  Flunsspat  und  concentrirter  Schwefel- 
säure und  zersetzte  das  gebildete,  flüchtige  Chromfluorid,  CrFI^,  mit  Wasser.  Thomsrn 
erhielt  es  durch  Zersetzen  von  Silberchromat  mit  Salzsäure.  Die  praktische 
Darstellung  erfolgt  in  der  Weise,  das«  man  Kaliumbichromat  mit  concentrirter 
Schwefelsäure  oder  mit  Salpetersäure  zersetzt. 

^*     zeö  by  Google 


I 


115  CHROM  SÄURE.  —  CHROMSÄUREHYDRAT. 

I.  Man  löst  2Th.  Kaliunfbiehromicum  unter  Erwärmen  in  7  Th.  con- 
centrirter  Schwefelsäure  und  5  Th.  Wasser,  läset  die  Flüssigkeit  einen 
Tag  über  stehen  und  giesst  sie  alsdann  von  den  ausgeschiedenen  Kaliumbisulfat- 
krystalleu  ab.  Hierauf  setzt  man  zur  klaren  Flüssigkeit  nochmals  8  Th.  concen- 
trirter  Schwefelsäure  und  sammelt  nach  Verlauf  einiger  Stunden  die  ausgeschie- 
denen Krystalle  von  Chromsäureanhydrid.  Dies  geschieht  am  besten  auf  einer  mit 
der  Wassert uftpumpe  in  Verbindung  stehenden  Bimsteinplatte ,  auf  welcher  man 
die  von  der  Mutterlauge  durch  Absaugen  befreiten  Krystalle  mit  kleineu  Mengen 
farbloser  Salpetersäure  nach  und  nach  auswaschen  kann  bis  die  Schwefelsäure 
vollkommen  entfernt  ist.  Durch  Erwärmen  auf  70°  kann  man  später  die  Salpeter- 
säure beseitigen. 

II.  10  Th.  Baryumchroniat  werden  mit  10  Th.  Wasser  und  14  Th. 
Salpetersäure  von  1.3S  spee.  Gew.  angerieben  und  unter  Zusatz  von  20  Th. 
Wasser  zum  Sieden  erhitzt.  Während  des  Erkaltens  scheidet  sich  der  grösste 
Theil  des  gebildeten  Baryumnitrates  ab.  Die  abgegossene  Flüssigkeit  liefert  beim 
Eindampfen  zuerst  noch  etwas  Barynnmitrat ,  dann  mit  kleinen  Mengeu  Baryum- 
nitrat  verunreinigte  Cbromsäure. 

III.  Neuerdings  ist  empfohlen  worden,  die  Chromsäure  durch  Zerlegen  von 
Strontium  Chromat  mittelst  Schwefelsäure  darzustellen,  doch  fehlen  hier- 
über noch  praktische  Erfahrungen. 

Das  Chromsäureanhydrid  bildet  in  reinem  Zustande  schön  rothe  stahlglänzende 
rhombische  Prismen,  die  nur  weuig  hygroskopisch  sind.  Dunkelgefärbte  Präparate 
sind  meist  weniger  rein .  hygroskopische  Präparate  durch  Schwefelsäure  verun- 
reinigt. Es  löst  sich  in  weniger  als  dem  gleichen  Gewicht  kalten  Wassers  auf; 
auch  in  Eisessig  ist  es  leicht  löslich.  Die  meisten  anderen  organischen  Lösungsmittel 
dagegen,  wie  Alkohol,  Aether  u.  s.  w.,  kommen  für  Chromsäure  nicht  in  Betracht, 
da  dieselbe  ungemein  heftig  oxydirend  auf  dieselben  einwirkt.  Es  schmilzt  bei  190° 
und  erstarrt  beim  Erkalten  krystallinisch.  Bei  250°  zerfällt  es  in  grünes  Chrora- 
oxyd  und  Sauerstoff.  2  Cr  Os  =  Cr,  03  +  3  0. 

Von  concentrirter  Schwefelsäure  und  Salpetersäure  wird  es  reichlich  gelöst.  Die 
Lösungen  entwickeln  beim  Erwärmen  Sauerstoff,  indem  sie  zu  Chromoxydsalzen 
reducirt  werden.  Die  gleiche  Reduction  der  Chromsäure  zu  Verbindungen  der  Chrom- 
oxydreihe geschieht  in  wässeriger  Lösung  durch  Einwirkung  solcher  Verbindungen, 
welche  leicht  Sauerstoff  aufnehmen ,  z.  B.  Schwefelwasserstoff,  Eisenoxydulsalze, 
schweflige  Säure,  Alkohol,  Zucker,  Oxalsäure,  Papier  etc. 

Erfolgt  die  Reduction  bei  Gegenwart  von  Säuren,  so  verbinden  sich  diese  zu 
entsprechenden  Chromoxydsalzen. 

Bei  Abwesenheit  von  Säuren  scheiden  sich  sogenannte  Chromsuperoxyde  als 
dunkle  Niederschläge  ab. 

Die  wässerige  Auflösung  des  < 'hroinsäureanhydrides  enthält  wahrscheinlich  das 
Chromsflurehydrat,  CrC\  H2,  doch  ist  es  bisher  nicht  gelungen,  diese  Ver- 
bindung zu  isoliren.  Chromsäureanhydridlösungen  geben  beim  Eindampfen  wieder 
Chromsfl  ureanhy  drid . 

R  e  a  c  t  i  o  n  für  C  h  r  o  m  s  ii  u  r  e.  Versetzt  man  die  wässerige  Lösung  von 
Chromsäure  oder  eiues  löslichen  Chromates  mit  verdünnter  Schwefelsäure  und 
Wasserstoffsuperoxyd  und  schüttelt  die  Flüssigkeit  sofort  mit  Aether  aus,  so  färbt 
sich  der  letztere  schön  blau.  Die  Blaufärbung  wird  auf  Bildung  von  Ueber- 
chroinsflureanhydrid,  Cr,  07  oder  Cr  04,  zurückgeführt,  doch  ist  auch  diese 
Verbindung  noch  nicht  isoürt  worden.  Molssau  hält  den  blauen  Körper  für  eine 
Verbindung  von  Chromsflure  mit  Wasserstoffsuperoxyd,  Cr  Os  .  H,  02. 

B.  Fischer. 

Chromsäurehydrat,  cm,  Ha.  ist  als  soi  ches  noch  nicht  isolirt  worden. 

wahrscheinlich  aber  in  einer  wiisserigen  Auflösung  von  Chromsäureanhydrid  ent- 
halten. B.  Fischer. 


Digitized  by  Google 


CHROMSAURE  SALZE.  117 

ChrOmSaure  Salze.  Jene  krystallisirte  Verbindung,  welche  gemeiniglich 
Chrom  säure  genannt  wird,  ist  keine  Säure,  vielmehr  ihrer  Formel  OO^  ent- 
sprechend ein  Säureanhydrid,  nämlich  „Chrorasäureanbydrid". 

Das  diesem  letzteren  entsprechende  Chrom  sä  urehy  drat,  CrO,  H,.  ist  als 
Rolehes  nicht  bekannt,  da  es  bei  allen  Versuchen,  es  abzuscheiden,  in  da*  Anhydrid 
und  in  Wasser  zerfällt.  Dagegen  existiren  eine  Reihe  von  Salzen,  welche  sieh  von 
diesem  Hydrat  ableiten;  sie  werden  Chro  mate  schlechthin  oder  normale  oder 
neutrale  Chromate  genannt.  Ihre  allgemeine  Formel  ist.  wenn  M  ein  ein- 
wert h  ige  s  Metall  bedeutet,  CrO,  M3. 

Cr  04  Ha  (  r  0,  M, 

Hypothetische  Chronisäure  Chromsaures  Metall. 

Diese  Salze  wären  nach  unseren  heutigen  Anschauungen  als  secundäre 
oder  neutrale  zu  betrachten.  Sie  reagiren  in  wässeriger  Lösung  schwach 
alkalisch.  Hemerkenswerth  ist  jedoch.  dass  sieh  primäre  oder  saure  Salze 
von  der  normalen  Chromsäure,  Cr  0  ,  H, .  nicht  ableiten,  dass  die  secundäreu 
Chromate  dagegen  unter  günstigon  Hcdingungen  basische  Chromate  zu  bilden 
im  Staude  sind. 

Ausser  diesen  normalen  Chromaten  kennt  man  noch  chromsaure  Salz«',  welche 
früher  als  die  sauren  Salze  der  normalen  Chromsäurc  galten  und  demgemäß 
benannt  wurden,  welcho  indessen  nach  der  heutigen  Auflassung  als  die  neutralen 
Salze  mehrerer  Polychromsäuren  zu  betrachteu  sind ,  welche  Analogien  mit  der 
Schwefelsäure  und  den  Kieselsäuren  aufweisen.  Diese  Polychromsäuren  sind  in 
freiem  Zustande  gleichfalls  nicht  bekannt,  bilden  ausschliesslich  secundäre  (neu- 
trale) Salze,  welche  in  wässeriger  Lösuug  sauer  reagiren.  Die  Säuren  selbst  kauu 
man  sich  entstanden  denken  durch  Addition  von  Chromsäureanhydrid  zum  normaleu 
Chromsäurehydrat,  und  zwar  in  nachstehender  Weise: 


Cr  (^H,  Cr  0,  H2  Cr  04  II, 

4-  Cr  Os_  +  Cr  0,  Cr  03 

Cr,0;H,  CrCV  ^r0» 

Dichromsäure  oder  Pyro-  0,0,0^  0r  Oa 

ehromsäure  Trichromsäure  Cr4013  H2 


Die  Lösungen  sämmtlicher  polychromsaurer  Salze  verhalten  sich  praktisch  etwa 
wie  Mischungen  von  normalen  chromsaureu  Salzen  mit  mehr  oder  weniger  freier 
Chromaäure  ;  durch  Einwirkung  von  Alkalien  werden  sie  auch  leicht  in  normale 
Chromate  Ubergeführt.  ♦ 

Chrom8aures  Ammonium,  Ammoniumchromat  (normales),  Ammonium  chro- 
micmti.  CrO,  (XH4)3,  wird  durch  Verduusten  aus  mit  überschüssigem  Ammoniak  ver- 
setzter <  'hromsäurelösung  als  citronengelbe ,  alkalisch  reagirende ,  salzig-stechend 
schmeckende ,  luftbeständige ,  leicht  lösliche  Nadeln  erhalten,  gibt  an  der  Luft 
Ammoniak  ab  und  geht  an  der  Luft  raxch  erhitzt,  unter  Feuererscheinung  in 
grünes  Chromoxyd  über. 

Ammoniumdichromat ,  saures  chromsaures  Ammouium,  Ammonium  hichro- 
mtcum,  Cr,  07  (NH,)^,  bildet  sich  durch  Eindampfen  einer  Chromsäurelösung,  die  zur 
Hälfte  mit  Ammoniak  gesättigt  ist.  Morgeurothe  Krystalle  des  monoklinen  Systemes, 
zersetzen  sich  beim  raschen  Erhitzen  unter  Feuererscheinung  in  Stickstoff,  Wasser 
nnd  Chromoxyd ,  welches  letztere  unter  starkem  Aufblähen  das  Aussehen  von 
grünem  Thee  annimmt. 

Ammoniumtrichromat ,  Cr,  Ol0  NH,),,  kryrtallisirt  aus  einer  Lösung  des 
Ammoniumdichromates  in  Salpetersäure;  dunkelgrauatrothe  Säulen,  die  beim  Er- 
hitzen sehr  heftig  verpuffen. 

Chromsaures  Natrium ,  N  a  t  r  i  u  m  c  h  r  o  m  a  t  ,  Natrium  chromicum, 
CrO,  Na.  +  10  H,  0.  Zur  Darstellung  glüht  man  gepulverten  Chromeisenstein  mit 
Natriumnitrat  oder  neutralisirt  Chromsäurelösung  mit  Natriumcarbonat.  Citronen- 
gelbe —  dem  Glaubersalz  isomorphe  —  Prismen,  die  schon  bei  20 — "J 1 0  schmelzen. 

Digitized  by  Google 


118  CHROMSAURE  SALZE. 

Die  wslseerige  Lösung  reagirt  alkalisch  und  scheidet  schon  beim  Erhitzen  an 
30°  wasserfreies  Salz  ab.  , 

Natriumdi Chromat ,  saures  chromsaures  Natrium,  pyrochromsanres  Natrium, 
Natrium  bichromicum.  Cr«  07  Na2  +  2  H2  0,  wird  dargestellt  durch  Vermischen 
einer  Lösung  von  Natriumehromat  mit  viel  überschüssiger  Chromsäure  und  Ab- 
dunsteu  neben  Schwefelsäure.  Hyacinthrothe,  dünne,  zerfliessliehe  Säulen. 

Chromsaures  Kalium .  normales  oder  gelbes  Kaliumchroraat, 
Kalium  chromicitm  fflavum  oder  citrinum),  K2Cr04.  Man  neutralisirt  eine 
wässerige  Lösung  von  Kaliumbichromat  mit  Kaliumcarbonat  oder  Kalilauge  und 
dampft  zur  Trockne.  Es  bildet  citronengelbe,  rhombische  Krystalle,  die  denen  des 
Kaliumsulfates  isomorph  sind.  Beim  jedesmaligen  Erhitzen  färbt  es  sich  morgen- 
roth,  zeigt  bis  auf  204°  erhitzt  sonst  keine  Veränderung  und  schmilzt  erst  in  der 
Glühhitze  nach  heftigem  Verknistern.  100  Tb.  Wasser  lösen  bei 

0°     10°      20°      30«     40"      50°     60°      70"     80°      90°  100° 
58.0  60.92  62.94  64.96  66.9*  69.00  71.02  75.04  75.06  77.08  79.10  Th. 

K3CrOt. 

Die  wässerige  Lösung  ist  citronengelb  und  reagirt  schwach  alkalisch.  Das  Salz 
dient  in  der  Tintenfabrikation  und  als  Jndicator  bei  der  Titrirung  des  Chlors  und 
der  Oy  an  wasserstoffsäure  mittelst  Silbernitrat.  Für  technische  Zwecke  ist  es  durch- 
wegs durch  das  leichter  krystallisirende  und  mehr  Chromsäure  enthaltende  Kalium- 
bichromat ersetzt. 

Saur68  chrom8aures  Kall ,  saures  Kalium  Chromat,  Kalium- 
bichromat, Di  chrom  sau  res  Kali,  Pyrochromsaures  Kali,  K2Cr207, 
ist  den  modernen  Anschauungen  nach  als  das  neutrale  Salz  der  Dichromsäure  (»der 
Pyroehrorasäure,  Cr,  07  R,.  zu  betrachten,  welche  allerdings  in  freiem  Zustande 
nicht  btkannt  ist.  Zur  Darstellung  dieses  wichtigsten  unter  den  Chrom  sä  uresalzen 
wird  eine  innige  Mischung  von  7  Th.  frisch  gebranntem  Kalk  und  2.25  Tb.  Pot- 
asche  mit  4.5  Th.  gepulvertem  Chromeiscnstein  versetzt  und  dieses  Gemenge  im 
oxydirendeu  Feuer  eines  Flammeuofens  mehrere  Stunden  bei  beller  Rotbgluth  unter 
bisweiligem  Umkrüeken  erhitzt.  Die  resultirende  Masse  wird  dann  mit  Wasser  aus- 
gelaugt und  von  den  unlöslichen  Bestandteilen  durch  die  Filterpresse  befreit. 
Darauf  versetzt  man  die  Lösung,  welche  chromsauren  Kalk  enthält,  mit  einer 
heiss  gesättigten  Lösung  von  Kaliumsulfat,  lässt  den  Kalk  sieh  in  Form  von  Cal- 
ciumsulfat  abscheiden  und  versetzt  die  geklärte  Lösung  alsdann  mit  berechneten 
Mengen  von  Schwefelsäure,  welche  vorher  mit  dem  doppelten  Volumen  Wasser 
verdünnt  wurde.  Nach  dem  Erkalten  scheiden  sich  Krystalle  von  rothem  chrom- 
saurem  Kali  aus,  welche  durch  Umkrystallisiren  gereinigt  werden.  Es  bildet  grosse 
gelbrothe,  luftbeständige  Prismen  oder  Tafeln,  die  bei  heller  Rothgluth  ohne  Zer- 
setzung schmelzen :  die  Schmelze  ist  nach  dem  Erkalten  wieder  krystallinisch.  Bei 
Weissgluth  zersetzt  es  sich  in  Sauerstoff.  Chromoxyd  und  neutrales  Kaliumchromat. 
100  Theile  Wasser  lösen  bei 

Oo  I0y   20°    30°    40"  50°  60°  70°    80°    90«  100° 
4.6  7.4  12.4  18.4  25.9  35    45  56.7  68.6  81.1  1)4.1 

Die  wässerige  Lösung  reagirt  sauer  und  besitzt  ätzende  Eigenschaften.  Das 
Kaliumbichromat  gehört  zu  den  wichtigsten  Chroinverbindungen.  Da  os  leicht  iu 
reinem  Zustande  zu  erhalten  ist,  dient  es  als  Ausgangsmaterial  zur  Darstellung 
der  meisten  anderen  Chromverbinduugen.  Auf  Grund  seines  hohen  Gehaltes  au 
Chromsäure  benutzt  mau  es  in  Verbindung  mit  Schwefelsäure  oder  Eisessig  als 
kräftig  wirkendes  Oxydationsmittel  (ChromRäuregemisch)  in  der  Laboratoriums- 
praxis,  wie  in  der  chemischen  Technik  (Alizarinfabrikation).  Es  dient  ferner  zur 
Füllung  eoustanter  chemischer  Elemente  (Zink  +  Schwefelsäure  und  Kohle  -f  Kalium- 
bichromat -t  Schwefelsäure,  Element  nach  Bt'KF-Bi:x\SKX),  ferner  in  der  Tinteu- 
fabrikation, als  Reagens  in  der  Analyse,  zum  Anfertigen  mikroskopischer  Präparat© 
und  zu  anderen  Zwecken  mehr. 


Digitized  by  Google 


CHROMSAURE  SALZE. 


119 


Kaliumtrichromat .  CrsO,oKj,  scheidet  sich  beim  Erkalten  einer  bei  60 «  dar- 
gestellten Lösung  von  Kaliumdichromat  in  Salpetersäure  in  dunkelrothen,  glänzenden 
Prismen  aug. 

Kaliumletrachromat,  Cr<0lsK3,  entsteht  durch  andauerndes  Erwarmen 
des  vorhergehenden  Salzes  mit  concentrirter  Salpetersäure.  Dünne,  rothe  Blättchen. 

Chrom  saures  Calcium,  Calciumchromat,  chromsaurer  Kalk,  Cr  04  Ca  +  H3  0, 
wird  durch  Auflösen  von  Calciumcarbonat  in  wässeriger  Chromsäure  und  Ver- 
dunsten der  Losung  im  Vacuum  in  Form  undurchsichtiger  gelber  Säulen  erhalten, 
die  erst  bei  starkem  Glühen  alles  Wasser  verlieren  und  bei  jedesmaligem  Erhitzen 
zinnoberroth  werden.  1  Th.  löst  sieh  in  etwa  240  Th.  Wasser  von  15°;  es  unter- 
scheidet sich  hierdurch  das  Calciumchromat  sehr  charakteristisch  vom  unlöslichen 
Baryumchromat. 

Calciumdichromat,  Cr2  07  Ca,  krystallisirt  aus  einer  Auflösung  von  Calcium- 
chromat in  Chromsäure  in  Form  kleiner,  gelblich-brauner  Schuppen. 

Qhromsaures  Strontium,  Strontiumchromat ,  chromsaurer  Srrontian,  Cr  04  Sr, 
bildet  sich  durch  Versetzen  einer  coneentrirten  Strontiumchloridlösung  mit  Kaliuiu- 
chromat  als  gelber  pulverförmiger  Niederschlag,  der  in  Wasser,  Essigsäure,  Salz- 
säure, Salpetersäure  und  Chromsäure  leicht  löslich  ist  (Unterschied  vom  Baryum- 
chromat). Verdünnte  oder  angesäuerte  8trontiumsalzlösungeu  werden  nicht  gefällt. 

StrontiumdichrOlliat,  Cra  07  Sr  +  3  ITS  0 ,  bildet  sich  durch  Auflösen  von 
Strontiumchromat  in  Chromsäure.  Dunkle,  schief  rhombische  Krystalle. 

Chromsaurer  Baryt,  Baryumchromat,  BaCr04,  wird  durch  Fällen  von 
Chromsäuresalzlösung  mittelst  Baryurasalzlösungen  als  blassgelber  Niederschlag  er- 
halten. Neutrales  Kaliumchromat  mit  Barvumchlorid  oder  -iiitrat  versetzt,  gibt  quanti- 
tative Abscheidung  von  Baryumchromat,  auch  bei  Anwesenheit  freier  Essigsäure.  Ent- 
hält die  Flüssigkeit  aber  freie  Mineralsäure  (HCl  oder  HNO,)  oder  aber  Kalium- 
dichromat, beziehungsweise  freie  Chrorasäure,  so  muss  zur  quantitativen  Abschei- 
dung Natrium-  oder  Ammouiumacetat  zugesetzt  werden  oder  besser  noch  mit 
Baryumacetat  gefällt  werden.  Gelbes,  schweres  Pulver,  in  Wasser  unlöslich,  leicht 
löslich  in  Salpetersäure  oder  Salzsäure,  auch  in  wässeriger  Chromsäure ;  aus  letzterer 
Lösung  krystallisirt  Baryumdicln-omat.  Cr,  0,  Ba  +  2  Ha  0,  in  gelben  Nadeln. 

Die  Bildung  von  Baryumchromat  wird  in  der  Analyse  zur  Erkennung  und  Be- 
stimmung der  Verbindungen  der  Chromsäure  und  des  Baryunis  verwendet,  umso- 
mehr ,  als  es  bei  schwachem  Glühen  sich  nicht  verändert.  In  der  Technik  wird 
es  namentlich  in  der  Zündholzindustrie  als  sauerstofflieferndes  Material  für  Zünd- 
massen zu  Sehwedenhölzern  benützt.  Es  führt  im  Handel  den  Namen  „gelbes 
Ultramarin". 

Chromsaures  Magnesium,  Magnesinmchromat,  Magnesium  cliromicwn, 

Mg  Cr  04  +  7  Hs  0.  Krystallisirt  aus  einer  Auflösung  von  Magnesiunihydroxyd  in 
Chromsäure  in  Form  citronengelber,  leicht  löslicher  Säulen,  die  dem  Bittersalz  und 
Zinkvitriol  isomorph  sind.  Durch  Auflösen  äquivalenter  Mengen  von  Magnesium- 
ebromat  in  Ammoniumchromat  resultirt  A m  m on  i  u m  mag u esi  u  mc bro m a t, 
Mg  Cr  0,  +  (NH,),  Cr  0,  +  6  H3  O. 

Cnromsaures  Zink.  Durch  Versetzen  einer  Zinksulfntlosung  mit  neutralem 
Kaliumchromat  entsteht  das  basische  Zinkchronoat ,  Cr  04  Zu  .  Zn  fOH)2  -f  H_  0, 
als  poraeranzengelber  Niederschlag;  durch  Erhitzen  von  witsseriger  Chromsänre- 
l«»sun*r  mit  Zinkoxyd  die  der  vorigen  ähnliche  Verbindung,  Cr  O,  Zn  .  Zu  OH ;._,+ 
+  1  3  Hs  0.  Unlösliche  Zinkchromate  bilden  sich  häufig  im  Verfolg  des  qualitativen 
analytischen  GangeR  und  sind,  falls  verhältnismässig  viel  Chrom  anwesend  ist,  die 
Ursache,  dass  Zink  nicht  gefunden  wird. 

Chromsaures  Blei,  Bleichromat,  Pbf.'rO^  kommt  natttrlich  als  glänzende 
rothe  Prismen,  als  Rothbleierz  (Krokoitj  in  Ungar»,  Sibirien,  Brasilien  und  auf  den 
Philippinen  vor.  Dieselben  können  durch  Zusammenschmelzen  von  Kleichlorid  mit 
Kaliumdichromat  künstlich  nachgebildet  werden.  In  amorphem  Zustande  wird  es  als 
schön  gelb  gefärbter,  schwerer  Niederschlag  durch  Füllen  einer  Rleinitrat-  oder  Acctat- 

Digitized  by  Google 


120 


CHROMSAURE  SALZE. 


lösung  mit  neutralem  Kaliumchromat  erhalten.  Da«  gefällte  Rlciebromat  is*t  iu 
Wasser,  in  Alkohol  und  in  verdünnter  Essigsäure  so  gut  wie  unlöslich,  dagegen 
löst  es  sich  ziemlieh  leicht  in  Salpetersaure  und  in  Natron-  oder  Kalilauge  auf. 
Verdünnte  Schwefelsaure  verwandelt  es  in  Bleisulfat.  Salzsäure  in  Bleiehlorid.  Die 
Bildung  des  gelbeu  Bleiebromates  wird  analytisch  zum  Nachweis  und  zur  quanti- 
tativen Bestimmung  der  Bleisalze  sowohl  wie  der  Chrorasäure  benutzt.  Die  Fällung 
geschieht  in  sehwach  essigsaurer  Lösung;  sind  andere  Säuren,  z.  B.  Salpetersäure, 
in  freiem  Zustande  vorhandeu,  so  bindet  man  dieselben  durch  Zusatz  von  Natrium- 
acetat  oder  Ammoniumacetat.  Beim  vorsichtigen  Erhitzen  schmilzt  das  Bleichroinat 
fast  ohne  Zersetzung  zu  einer  braunen  Flüssigkeit ,  die  beim  Erkalten  zu  einer 
gelbrothen  strahlig-krystallinischen  Masse  erstarrt.  Beim  Glühen  mit  organischen 
Substanzen  gibt  dieselbe  Sauerstort'  ab  und  verbrennt  die  letzteren,  indem  es  selbst 
in  ein  Gemisch  von  Chronioxyd  und  basischem  Bleichroinat  übergeht.  Es  wird  da- 
her geschmolzenes  Bleichromat  in  der  Elementaranalyse,  besonders  zum  Verbrennen 
solcher  Substanzen  benutzt,  welche  Chlor.  Brom,  Jod  oder  Schwefel  enthalten. 

Das  amorphe  gelbe  Bleichromat  findet  ausgedehnte  Verwendung  als  Malerfarbe 
unter  den  Namen  Chromgel  b.  Neugelb,  Citrongelb,  österreichischer 
Zinnober,  Königsgelb,  Parisergelb  u.  s.  w. 

Basisches  Bleictiromat,  CrO.Pb.PbO,  eutstcht.  wenn  man  ueutrales 
Bleichromat  mit  kalter  Natronlauge  behandelt  oder  mit  einer  Lösung  von  neutralem 
Kaliumchromat  erhitzt.  Es  bildet  ein  lebhaft  roth  gefärbtes  Pulver ,  welches  als 
Chrom  zinnober  als  Malerfarbe  verwendet  wird.  Gemenge  von  Chromgelb  mit 
Chromzinnober  heissen  C  h  r  o  m  o  r  a  n  g  e. 

Ein  Bleidichromat  existirt  nicht,  vielmehr  bildet  sich  auch  bei  Einwirkung 
dichromsauren  Kalis  auf  Bleisalzlösungen  das  normale  Bleichromat,  PbCr04. 

Chromsaures  Kupfer.  Das  normale  Chromat.  (CrO,  Cu) .  ist  unbekannt. 
Ein  Kupferdichromat ,  Cr2  07  Cu  +  2H3  0,  entsteht  durch  Auflösen  thd  Kupfer- 
hydroxyd in  concontrirter  Chromsäurelösung.  Dunkle,  hygroskopische  Krystalle. 

Chromsaures  Silber,  Silber  Chromat,  Ag,  Cr<)4.  entsteht  durch  Um- 
setzen von  Silbersalzlösungen  mit  neutralem  Kaliumchromat  als  rotber  krystalli- 
nischer  Niederschlag,  der  sich  aus  heisseu  Lösungen  in  feinen  Krvstallnadeln  aus- 
scheidet. Ks  ist  in  Wasser  unlöslich,  dagegen  löslich  in  Ammoniak  sowohl,  wie 
auch  in  Salpetersäure  und  in  chromsauren  Alkalien.  Durch  Salzsäure  oder  lösliche 
Chloride  wird  es  in  Chlorsilber,  durch  Cyanide  in  Cyansilber  übergeführt.  Auf 
dieser  Thatsache  und  der  lebhaften  Färbung  des  Salzes  beruht  die  Anwendung 
des  Kaliumehromates  als  Indicator  bei  der  ti  tri  metrischen  Bestimmung  der  Chlor- 
wasserstoft'säurc  und  CvanwasserstofTsänre  mittelst  Silbernitrat  in  neutraler  Lösung. 
Aus  einer  Lösung  des  chromsauren  Silbers  in  Ammoniak  krystallisirt  beim  Ver 
dunsten  8  i  1  b  e  r  c  h  ro  m  a  t  a  in  m  o  n  i  a  k,  Ag._,  Cr  O,  -4-  NH;.  in  gelben  Krystallen- 

Dichromsaures  Silber,  Cr.>  0:  Ag, ,  bildet  sich  beim  Umsetzen  einer  Silber* 
Salzlösung  mit  Kaliumdichromat  als  dnnkelrother  Niederschlag,  der  in  Wasser  etwa, 
löslich  ist.  beim  Kochen  in  Chromsäure  und  normales  Silberchromat  zerlegt  wird. 

Chr«msaurcs  Queuksilberuxydul,  Mercurochroma  t.  Cr  0,11g,,  entsteht 
durch  Vermischen  vou  Kaliumdichromatlösung  mit  Mercuronitrntlösung  als  rother 
Niederschlag,  der  beim  Glühen  schön  grünes  Chromoxyd  hinterlässt. 

Chrorr.saure8  Quecksilberoxyd ,  Merenriehromat,  CrO,  Hg.  Neutrale-* 
chromsaures  Kali  gibt  mit  salpctersaurem  Quecksilberoxyd  oder  Quecksilberchlorid 
einen  gelben  Niederschlag:  die  Flüssigkeit  enthält  alsdann  Kaliumdichromat.  Der 
Niederschlag   ist    im  Ucberschuss  des  Quecksilbersalzes  mit  gelber  Farbe  löslich. 

Chromsaures  EiSdHOXyd,  Ferrichromat.  (Cr  0,)-  .  Fe2 ,  entsteht  durch 
Fällen  einer  neutralen  Eisenchloridlösung  mit  einer  heiss  gesättigten  Lösung  von 
Kaliumdichromat  als  feuritrgclber  Niederschlag,  der  als  Sideringelb  be- 
kannt ist. 

Chromsaures  Aluminium.  Die  Salze  der  Chromsäure  mit  der  Thonerde  sind 
nur   schlecht   eharakterisirte  Körper.    Basische   Verbindungen  bilden  sich  al* 


Digitized  by  Google 


<"H  ROMSAURE  SALZE.  —  CHRYSANILIN. 


121 


Niederschläge  beim  Versetzen  einer  concentrirten  Alaunlösung  mit  Kaliumdichromat- 
lösung,  »aure  Balze  als  harzartige  Massen  beim  Auflösen  von  Aluminiumhydroxyd 
in  Chromsäure  und  Eindampfeu  der  resultirenden  Flüssigkeit.  b.  Fischer. 

Chromschwefel.  eh  romsulfür,  Einfach  Schwefelchrom,  Cr 8 
oder  Cr2  Sa ,  ist  als  schwarzer  Daubrelit  in  einem  mexikanischen  Meteoreisen 
enthalten.  Chromchlorid  liefert  mit  Schwefelkalium  oder  Schwefelammouinm  einen 
schwarzen  Niederschlag,  der  wahrscheinlich  Chroinsulfttr  ist. 

b)  Chrom  sulfid,  Anderthalbfach  Schwefelchrom,  Cr.  S3.  eutstebt  beini  Ueber- 
leiten von  Schwefelkohlenstoffdampf  über  weissglühendes  Chromoxyd,  oder  beim 
Ueberleiten  von  trockenem  Schwefelwasserstoff  über  weissglühendes  Chromoxyd  oder 
erhitztes  Chromchlorid.  Lebhaft  metallglänzende,  grauschwarze,  biegsame  Blättchen 
von  3.77  spec.  Gew.  Verbrennen  beim  Erbitzeu  an  der  Luft  unter  Feuererschei- 
nung zu  Chromoxyd. 

c)  C  h  r  o  m  p  e  r  s  u  1  f  i  d  ,  Cr2  S7,  bildet  sich  beim  Einleiten  von  Schwefelwasser- 
stoff in  eine  aramoniakalische  Lösung  von  Kaliumdichromat  als  brauner  Nieder- 
schlag, dem  durch  Schwefelkohlenstoff  kein  Schwefel  eutzogeu  wird.  Die  Verbin- 
dung wird  durch  Wasser  langsamer,  schneller  durch  verdünnte  Säuren  zerlegt. 

B.  Fischer. 

Chromstahl.  Durch  Zusatz  einer  Legirung  von  Chromkohlenstoff  zu  geschmol- 
zenem Gassstahl  wird  ein  sehr  harter,  gut  zu  bearbeitender  Stahl  erhalten,  welcher 
durch  Behandeln  mit  verdünnter  Schwefelsäure  schöne  damascirte  Zeichnuugen  mit 
eilberweisseu  Adern  sichtbar  werden  lässt.  B.  Fischer. 

Chromstickstoflf.  <},,-..  mnitrid.  Cr,  N,.  Metallisches  Chrom  wird  anhal- 
tend und  unter  wiederholtem  Zerreiben  im  Stick stoffstrome  zu  Weissgluth  erhitzt. 
Das  erzeugte  Product  gibt  beim  Behandeln  mit  Salzsäure  Chrom  ab  und  hinter- 
läßt Chromstickstoff  als  schweres  schwarzes  Pulver.  Bildet  sich  auch  beim  Ein- 
leiten von  Ammoniak  in  Chromylchlorid  oder  beim  Ueberleiten  von  Ammoniak  über 
erhitztes  Chromchlorid.  B.  Fischer. 

Chromzinnober,  s.  chromsaure  Salze,  beziehungsweise  ehromsaures  Blei. 

ChronOSkop  (/j;6vg;,  Zeit.  <7xo7;eo>,  ich  sehe)  ist  ein  Apparat  zur  Messung 
ausserordentlich  kleiner  Zeiträume.  Am  verbreitesten  ist  das  von  Hipp  construirte 
Chronoskop,  bei  welchem  ein  Uhrwerk  zwei  Zeiger  in  Bewegung  setzt,  von  M'elchen 
der  eine  auf  einem  Zifferblatt  Tausendtel  und  Hundertel,  der  andere  Zehntel  von 
Secunden  angibt.  Mit  dem  Uhrwerk  steht  ein  Elektromagnet  derart  in  Verbindung, 
das«  die  Zeiger  gehemmt  werden,  wenn  ihn  ein  Strom  umfliegst,  dass  sie  sich  aber 
so  lange  bewegen,  als  der  Strom  unterbrochen  ist.  Der  Anfang  und  das  Ende  des 
zu  messenden  Zeitraumes  muss  also  durch  Oeffneu  und  Scbliesseu  eines  elektrischen 
Stromes  raarkirt  werde,  die  zwischen  beiden  Procedurcn  verflossene  Zeit  gibt  dann 
der  Stand  der  Zeiger  vor  und  nach  dem  Versuch.  Pitsch. 

ChrOOCOCCUS.  eine  Spaltpilzform  Xaegkli's  .  charakterisirt  durch  kugelige, 
freie  Zellen. 

ChrySaminSälire,  Tetrauitrochrysazin,  CX4  H^NU,),  0„  eine  kräftige,  zwei- 
basische Säure,  bildet  sich  bei  der  Oxydation  von  Aloe  mit  kochender  Salpeter- 
säure neben  Aloötinsäure,  welche  letztere  durch  erneutes  Erhitzen  mit  Salpetersäure 
definitiv  in  Chrysaminsäure  übergeführt  werden  kann.  Diese  bildet  grosse,  gold- 
jrlänzende  Blättchen,  schmeckt  bitter,  ist  löslich  in  Alkohol  und  Aether  und  fast 
unlöslich  in  Wasser.  Beim  Kochen  mit  rauchender  Salpetersäure  wird  sie  in 
Picrinsäure  übergeführt.  Ihre  Salze  haben  alle  mehr  oder  minder  gelben,  rothen 
•der  grfluen  Goldgjanz.  Ganswindt. 

Chrysanilin, 

^'i9  Hü  -^3  un,l  C3o  H17  N3 ,  heissen  die  in  dem  schön  orange- 
jrelben  Farbstoff  Phosphin  enthalteneu  Farbbasen.  Sie  bilden  eiu  Nebenproduct 
der  Fnchsinfabrikation.  —  S.  Fuchsin  und  Phosphiu. 


Digitized  by  Google 


122  CHRYSANTHEMUM. 

Chrysanthemum,  Gattung  der  Compositae,  Abtheilung  Anthemideae,  charak- 
terisirt  durch  meist  raittelgroase ,  vielblflthige  Köpfe  mit  dachziegelartig  »ich 
deckenden  Hüllblättern,  ohne  Spreublätter ;  Randblflthen  meist  weiblich,  in  der 
Regel  zungenförniig  (weiss,  roth  oder  gelb),  selten  fehlend;  Scheibenblüthen  meist 
gelb,  meist  zwittrig,  mit  meist  zusammengedrückter  Röhre;  Staubbeutel  unge- 
schwänzt, gelb ;  Pappus  kronenförmig ,  einseitig  oder  fehlend.  Meist  krautartige, 
selten  holzige,  in  der  Mehrzahl  ausdauernde  Gewächse  mit  meist  verschiedenartig 
einfach  oder  mehrfach  fiederförmig  eingeschnittenen  Blättern,  welche  vorzugsweise 
die  beiden  gemässigten  Zonen  bewohnen,  indess  auch  in  die  arktische  Zone  und  die 
alpine  Region  hineinreichen.  Folgende  Unterabtheilungen  enthalten  pharmakologisch 
bemerkenswertho  Arten : 

Tanacetum  (L.)  Schultz  Bip.  Meist  ausdauernd;  Köpfe  mit  halbkugelförmiger 
Axe;  Randblflthen  zungenförniig  (PyreÜira  Benth.  et  Hook.)  oder  röhrenförmig 
(Tanacetum  L.).  Früchte  ungeflügelt,  cyliudrisch,  gleichmässig  5-  oder  lOrippig. 

Matricaria  L.  Einjährig  oder  ausdauernd ;  Köpfe  mit  halbkugelförmiger  bis 
verlängert  -  kegelförmiger  Axe ;  Randblflthen  zungenförniig ,  röhrenförmig  oder 
fehlend ;  Früchte  uugeflflgelt ,  oft  gekrümmt,  auf  der  Innenseite  abgeflacht ,  3  bis 
örippig,  auf  der  Aussenseite  gewölbt. 

Aryyranthemum  (Webb)  Beruh,  et  Book.  Strauch-  oder  halbstrauchartig; 
Randblflthen  zungenfönnig;  randständige  Früchte  häufig  dreikantig,  2—3  Kanten 
geflügelt.  Nur  auf  den  nordatlantischen  Inseln. 

Goleostephus  (Cosa.)  Benth.  et  Hook.  Einjährig;  Randblüthen  meist  zungen- 
förniig; Früchte  stumpf-  oder  undeutlich  4  — lOrippig,  ungeflügelt  oder  zweige- 
flügelt. 

Pinardia  (Cats.)  Benth.  et  Hook.  Einjährig;  Randblflthen  meist  zungenförniig ; 
randständige  Früchte  häufig  dreikantig  oder  dreigeflügelt. 

I.  C.  (Tanarttum)  Leucanthemum  h.  (Leucanthemum  vulgare  Lam.f 
Tanacetum  Leuc.  Schultz  Bip.)  Grosse  Gänse- oder  Geissblume,  St.  Jo- 
hannisblume, Grande  Marguerite,  Ox-cye,  Crow's  foot.  Europa  und 
Nordasien.  Ausdauernd,  zerstreut  kurzhaarig  oder  kahl.  Stengel  aufrecht,  unter- 
wflrt8  beblättert,  einköpfig  oder  mit  einigen  langen  einköpfigen  Aesteu;  Stengel- 
blfitter  länglieh  lanzettlich,  entfernt  gesägt ;  Köpfe  gross,  strahlend ;  Früchte 
lOrippig,  meist  alle  ohne,  oder  mir  die  randständigen  mit  einseitigem  oder  schief- 
kronenförmigem  Pappus. 

Das  blühende  Kraut,  früher  als  Herba  et  Flore»  Bellidis  majori»  offieinell, 
jetzt  ungebräuchlich.    Die  jungen  Triebe  werden  in  Italien  als  Salat  benutzt. 

II.  C.  ('Tanacetum)  eine  rar  iifol  tum  (Trev.)  Vi».  (Pyrethrum  ein.  Trev., 
Chrysanthemum  Turreanum  Vis.,  'Tanacetum  ein.  Schultz  Bip.,  C.  WilU-motü 
Buche  itre.)  Oestliches  Küstengebiet  des  adriatisehen  Meeres  von  Süd-Kroatieu  bis 
Montenegro  und  von  der  dalmatinischen  Küste  bis  zur  Hercegovina ;  wird  dort  auch 
cultivirt.  Ausdauerd,  bis  auf  die  kahle  mit  sitzenden  Drüsen  bestreute  Blattoberseit«» 
seidig- filzig;  Stengel  aufrecht,  einköpfig,  zuweilen  mit  einzelneu  einköpfigeu  Aesteu, 
unterseits  entfernt  beblättert;  Blätter  meist  grundständig,  doppelt  liederig  getheilt, 
mit  länglich  linealcn  bis  linealen  spitzen  Zipfeln ,  die  Steugelblätter  albnälig  au 
Grösse,  Lauge  des  Stiels  und  Theilung  abnehmend;  Köpfe  lein  im  Durchmesser, 
strahlend,  mit  eirea  15  weissen  Zungenblüthen ;  Hüllblätter  am  Rande  bleich; 
Früchte  orippig ,  mit  kronenförmigom,  gezähuelteu  Pappus.  an  der  Bluinenkronen- 
röhre  mit  sitzenden,  vierzelligen  Drüsen  besetzt. 

Die  Köpfe  kommen  als  dalmatinische  Insectenblflthe .  häufig  in  gemahlenem 
Znstande  als  dalmatinisches  Inseetenpulver  in  den  Handel,  und  wird  diese  Droge 
der  kaukasischen  vorgezogen. 

III.  C.  (Tannt'fituin)  rose  um  Web.  et  Mohr.  (C.  coeeineum  !  und  C.  tanaeeti- 
Jolium    Willd.!    Pyrethrum    car neuin    M.  B.,    Tanucttum    c.  Schultz.  BijK) 
Hochgebirge  des  kaukasischen  Isthmus  und  Nord-Persiens :   neuerdings  in  Europa 
als  Zierpflanze  mit  „gefüllten"  Köpfen  verbreitet  („Frühlings- Aster14).  Ausdauernd, 


Digitized  by  Googl 


CHRYSANTHEMUM. 


123 


kahl;  Stengel  aufrecht  beblättert,  einköpfig  oder  mit  wenigen  einköpfigen  Aesten; 
Blatter  (vom  Ansehen  unseres  Chrys.  vulgare  !)  fiederig  getheilt  mit  länglich  lanzett- 
lichen ,  spitzen,  eingeschnitten-gesägten  Abschnitten;  Köpfe  gross,  strahlend,  mit 
'20—30  rosenrothen  Zungenblütheu ;  Hüllblätter  bräunlich  berandet;  Früchte 
lOrippig  mit  kurzkronenförmigero  gezähnelten  Pappus,  wie  die  Blumenkronenröhre 
mit  Drüsen  bestreut.  Benützung  wie  bei  der  vorigen  Art  als  kaukasische  Insecten- 
blflthe,  respcctivo  kaukasisches  oder  gewöhnlich  persisches  Insektenpulver. 

Das  nahe  verwandte,  in  denselben  Gebieten  vorkommende  C.  (Tanacetum) 
Mo  rschaüii  Aschers.  (Pyrethmm  roseum  M.  B.),  das  sich  durch  niedrigere  stete 
cinköpfigc,  nur  unterwärts  beblätterte  Stengel,  etwas  kleinere  Köpfe  und  tiefer 
getheilte  Blatter  mit  kleineren  Abschnitten  unterscheidet,  liefert  ebenfalls  kauka- 
sisches Insectenpulvcr. 

IV.  C.  (Tanacetum)  B  al samita  L.  var.  majus  (Desf.)  Aschers.  (Tana- 
cetum Ba's.  L.,  Bals.  major  Desf.,  Pyrethrum  Tanacetum  DG,  Chrysanthemum 
Tanacetum  Vis.  nec  Karsch,  0.  suaveolens  Karsch  nec  Aschers.,  (J.  majus  Aschers., 
P.  Balsamita  ti.  tanacetoides  Boiss.)  Frauenmünze,  Maricnblatt,  Morgen- 
blatt, römische  Mllnze,  Römische  oder  grosse  Salbei,  Pfannkuchenkraut,  Grand 
bäume,  Menthe  de  coq,  Ale-cost,  Cost-mary,  Sugar-sbell.  Die  pharma- 
kologisch nicht  in  Betracht  kommende  Hauptart  im  östlichen  Kleinasien,  den  süd- 
lichen Kaukasusländern  und  Persien  einheimisch ;  die  Varietät  in  denselben  Ländern 
wild ,  aber  wohl  seit  uralten  Zciteu  in  den  Gärten  Europas  angebaut ;  in  Mittel- 
europa in  Dorfgärten  seit  Karl's  des  Grossen  Capitularen  verbreitet,  nicht  selten  ver- 
wildert. Ausdauernd,  angedrückt-kurzhaarig,  Rhizora  kriechend;  Stengel  aufrecht, 
beblättert,  kräftig,  bis  1.3  m  hoch,  Öfter  doldenrispig-ästig ;  Blätter  elliptisch,  stumpf, 
kerbig  gesägt,  die  unteren  und  mittleren  gestielt  und  oft  geöhrt,  von  Oelbehältern 
eingestochen-punktirt ;  Köpfe  zahlreich,  doldenrispig,  ziemlich  klein  (bei  der  Haupt- 
art mit  weissen  Zungenblütheu) ,  mit  wenigen  röhrenförmigen,  weiblichen  Rand- 
blüthen  oder  ohne  solche;  Hüllblätter  stumpf,  die  inneren  länglich,  oberwärts  breit 

hautrandig;  Früchte  kreiseiförmig,  örippig,  mit  kurz 
kronenförmigem,  gezähnten  Pappus. 

Das  angenehm  aromatische  Kraut,  früher  als  Herha 
Balsamitae  s.  Menthae  hortensis ,   s.  Costi  hortorum 
l^A  [Y  "\M     officinell ,  ist  als  Hausmittel ,  sowie  auch  als  Gewürz 

t     und  als  Zuthat  zu  Speisen  (wie  die  wahren  Salbei- 
blätter von  Sahna  officinalis  L.)  gebräuchlich. 

V.  C.  (Tanacetum)  vulgare  (L.)  Beruh.  (Ta- 
nacetum v.  L. ,  Chrysanthemum  Tanacetum  Karsch 
nec  Vis.)  Rainfarn,  Kraftkraut,  Revierkraut, 
Wurmkraut,  Tan  ai sie,  Herbe  aux  vers,  Tansy. 
Europa  und  Nordasien:  in  Nordamerika  eingebürgert; 
in  einer  krausblättrigen  Varietät  {ß  crispum  HC.)  auch 
in  Gärten  gezogen.  Ausdauernd,  fast  kahl ;  Stengel  auf- 
reent,  beblättert,  bis  1.3m  hoch:  öfter  doldeurispig 
ästig ;  Blätter  von  Oelbehältern  eingestochen  punktirt, 
am  Grunde  geöhrt,  die  unteren  und  mittleren  gestielt, 
^Äyiuhe,,IÜth"-  ficdertbeilig    mit    oberwärts   verbreitertem,  gesägtem 

Mittelstreif  und  länglich  lanzettlichen ,  stumpflichen, 
fiederspaltigen  bis  eingeschnitten-gesägten  Abschnitten.  Blüthcnstand ,  Hüllblätter 
und  Früchte  wie  bei  der  vorigen :  weibliche  Randblüthen  (Fig.  9  a)  röhrenförmig, 
dreizähnig,  gelb. 

Die  unangenehm  kampferähnlich  riechenden  Köpfe,  früher  als  Flore*  Tanaceti 
officinell.  sind  auch  jetzt  noch  als  Wurmmittel  gebräuchlich. 

VI.  C.  (Tanacetum;  annuum  (L.)  Aschers.  (Tanacetum  a.  L.)  Südwest- 
europa und  westliches  Nordafrika.  Einjährig,  kurzhaarig:  Stengel  aufrecht,  be- 
blättert,   doldenrispig-ästig;    untere  Blätter  gestielt,   doppelt-,  die  oberen  sitzend 


Fig.  9. 


<  Hty$a*Armum  vulgare  it..)  Ilernh. 
iubcIi  Kerg  und  .Schmidt). 
«  Kohrenfbri 


Digitized  by  Google 


124 


C  II  R  YS  ANTHEMUM. 


geöhrt,  einfach  fiedertheilig.  alle  mit  linealen,  spitzen,  eingestochen-drüsig  punktirteu 
Zipfeln :  Köpfe  klein,  doldenrispig ;  Hüllblätter,  Blüthen  uud  Früchte  wie  vorige. 

Ersetzt  in  ihrer  Heimat  in  pharmakologischer  Hinsicht  die  vorige  Art;  die 
I>roge  wurde  auch  neuerdings  versuchsweise  in  Deutachland  eingeführt. 

VII.  C.  (Tanacetum)  Parthenium  (L.)  Beruh.  (Matricaria  P.  L.,  Pyre- 
thrum  P.  Sm.,  Tanacetum  P.  Schultz  Bip.)  Mutterkrant  ( fälschlich :  Römi- 
sche Kamille),  Matrieaire,  Espargoutte,  Feverfew.  In  Gebirgen 
Süd-Europas  uud  des  nördlichen  Oriente  einheimisch,  seit  alten  Zeiten  im  übrigen 
Europa  als  Arznei-  und  Zierpflanze  in  Gärten  (oft  mit  gefüllten  Köpfen)  cultivirt 
uud  verwildert;  neuerdings  besonders  eine  Zwergform  als  Blattpflanze  beliebt. 
Ausdauernd,  zerstreut  kurzhaarig;  Stengel  aufrecht,  doldenrispig  ästig :  Blätter 
zart ,  fiedertheilig,  von  Oelbehältern  eingestochen  -  punktirt ,  mit  länglichen  fiodor- 
spaltigen  stumpflichen  Abschnitten,  länglichen  stumpflichen,  meist  eingeschnitten- 
gesägten  Zipfeln  und  nach  oben  verbreitertem,  nicht  gesägtem  Mittelstreif;  Köpfe 
doldenrispig,  mittelgross,  strahlend;  Znngenblüthen  weiss,  wenig  länger  als  die 
Hülle;  Früchte  lOrippig,  harzig-puuktirt ,  mit  kurz  kronenförmigem ,  gezähntem 
Pappus. 

Das  unangenehm  aromatische,  0.04  Procent  eines  gelbgrüuen  ätherischen  Gels 
enthaltende  Kraut,  früher  als  Horba  Matricariae  officinell  und  auch  jetzt  noch 
beim  Volke  nicht  ungebräuchlich ;  die  Namen  Mutterkraut  und  Matricaria  (welche 
ursprünglich  nur  dieser  Pflauze  augehörten)  beziehen  sich  auf  Anwendung  in  Krank- 
heiten der  weiblichen  Geschlechtsorgane,  wie  Leucorrhoe ,  Amenorrhoe  etc.  Eine 
Verwechslung  der  Köpfe  mit  denen  der  ähnlich  riechenden  wahren  römischen 
Kamille  (vergl.  Anthemis,  Bd.  I,  pag.  403)  leicht  au  der  geringereu  Grösse  und  der 
halbkugelförmigen  (nicht  kegelförmigen)  Axe  derselbeu ,  sowie  am  Mangel  der 
Spreublätter  zu  erkennen. 

Das  gleichfalls  im  nördlicheren  Orient  vorkommende  G.  (Tanacetum)  praealtum 
Vent.  ( l'urethrum  parthenifoUum  Willd.)  .  durch  höheren  Wuchs,  doppeltfieder- 
theilige  Blätter  mit  schmäleren  Zipfeln,  lockeren  Blüthenstand  und  Zungenblüthen 
von  doppelter  Länge  der  Hülle  verschieden,  und  seine  stärker  behaarte  Abart 
niveum  (La;/.,  als  Art)  Aschers,  ebenso  wie  C.  Parthenium  benutzt. 

VIII.  C.  (Tanacetum)  in  die  um  L.  (  Fyrethrum  i.  Gass.,  Tanacetum  i.  Schultz 
Bip.)  Das  bekannte  „Chrysanthemum"  unserer  Gärten,  aus  Ostindien  und  China 
eingeführt,  wo  es  auch  nur  cultivirt  (in  der  Regel  mit  gefüllten  Köpfen)  vor- 
kommt; stammt  vielleicht  von  dem  nahe  verwandten  ebenfalls  viel  cultivirten.  in 
Ostasien  einheimischen  G.  sinense  Sabine  ab.  Strauchartig;  Blätter  gestielt, 
dünnhäutig,  eiförmig,  eingeschnitten  bis  fiedcrspaltig;  Hüllblätter  stumpf,  am  Rande 
breit  troekeubäutig ;  Zuugenblüthou  wenig  länger  als  die  Hülle  fgelb,  weiss,  rosa, 
braun  ete.i.  Pappus  krönen  förmig. 

Die  Köpfe  werden  in  China  wie  unsere  Kamille  angewendet. 

IX.  C.  (Matricaria)  Ghamomilla  (L.)  Beruh.  (Matricaria  G.L.,  Chamo- 
mdla  ofßcinalis  C.  Koch).  Europa,  Westsibirion .  Orient.  Canarische  Inseln,  ver- 
schleppt in  überseeischen  Ländern,  z.  B.  in  Nordamerika  :  in  Australien  lästiges  Un- 
kraut. Einjährig,  kahl ;  Stengel  ästig,  meist  aufrecht,  beblättert:  Blätter  doppelt  fieder- 
theilig mit  linealischen .  von  einander  entfernteu  Abschnitten  :  Köpfe  auf  ziemlich 
langen,  hohlen  Stielen,  mittelgross,  strahlend;  Hüllblätter  stumpf,  häutig  berandet; 
Köpfehenaxe  zuletzt  kegelförmig,  bis  f> mm  lang,  hohl;  Zunge  der  12 — 18  Rand- 
blilthen  weiss,  länger  als  die  Hülle,  ihre  Röhre,  besonders  die  der  Scheibcnblüthen, 
mit  mehrzelligen  Drüsen  bestreut :  Früchte  auf  der  Innenseite  mit  b  feinen  Rippen, 
meist  ohne  Pappus;  seltener  mit  halbseitigem  (Matricaria  Kochiana  Schultz 
Bip.)  oder  kronenförmigen  (M.  Coariuntiana  DG,  M.  coronata  Gay)  Pappus. 
M.  ttuaceoffiis  L.  ist  eine  besonders  im  Orient  verbreitete  (sehr  aromatische)  Form 
mit  kleineren  Köpfen. 

Die  echte  Kamille  is  Chamomilla.  II.  Bd. .  pag.  645)  unterscheidet  sich 
von  den  Ar.'hemis-  ArN  n  (die  *m  gewöhnlichen  Leben  ebenfalls  Kamillen  genannt 

Digitized  by  Googl 


CHRYSANTHEMUM. 


125 


Chrysanth* 


Cka 


a  b 

omüla  (LJ  Hemh.  (nach  Berg 


und  Schmidt) 
«  Zimeenförmige  Randbliithe,  *  Schcibenblüthe. 


werden),  durch  den  Mangel  der  Spreublätter  und  die  hohle  Köpfchenaxe;  letzteres 
Merkmal  trennt  sie  auch  von  den  übrigen«  fast  ganz  geruchlosen  Arten  Ö. 
(Matricaria)  inodorum  L.  (fast  gauz  Europa,  Kaukagnsländer)  und  C.  (Matri- 
cur in)  maritimum  (L.)  Per*,  (atlantische  Küsten  Europas,  wohl  nur  eine  robustere 

Abart  von  C.  tnodorum),  mit  denen  noch 
^  Flt'-  1W-  am  leichtesten  eine  Verwechslung  möglich 

wäre  :  bei  beiden  ist  überdies  die  mar- 
kige Köpfchenaxe  halbkugelförmig  und 
iler  Bau  der  Frucht  durchaus  abweichend ; 
dieselbe  zeigt  auf  der  Innenseite  drei 
starke  kork  artige  Rippen  (daher  Tri' 
pleurof>permum  Schultz  Bip.)  und  oben 
zwei  vertiefte  anfangs  gelbe,  zuletzt 
schwärzliche  Drüsen. 

X.  C.  (Matricaria)  capense  (L.) 
Asciiers.  (Cotula  und  Matricaria  ca- 
penais  L.,  M.  africana  Bergius.)  In 
der  Cap-Colouie.  Einjährig,  ausgebreitet 
ästig,  zerstreut  behaart  oder  kahl ;  untere 
Blätter  doppelt-  obere  einfach  fiederig 
getheilt,  Zipfel  lineal;  Blüthenstiele  lang; 
Köpfe  strahlend;  Pappus  gezähnt,  ein- 
seitig oder  ungleichseitig. 
Wird  in  Südafrika  wie  unsere  Kamille  als  krampfstillendes  Mittel  benuzt. 

XI.  C  /Matricaria )  fr  u  tic  »  sunt  (L.)  Aschers.  (Tanacrtum  f.  L.,  T.multi- 
ßorum  Thunb.,  Matricaria  m.  Fenzl.)  Im  westlichen  Theile  Südafrikas.  Tracht 
unserer  Achillea  Millefolium  !  Einjährig ,  spärlich  kurzhaarig,  oberwärts  dolden- 
rispig;  Blätter  doppelt  fiederig  getheilt,  mit  kurzen,  linealen  Zipfeln;  Köpfe  klein, 
nicht  strahlend ;  Pappus  ein  undeutlicher  Saum. 

Wie  vorige ;  gilt  für  wirksamer  als  die  europäische  Kamille. 

XII.  C.  ( Argyranthemum)  frutescensL.  (Argyranthemum  f.  Scliultz  Bip.) 
Canarische  Inseln;  im  Mittelmeergebiet,  seltener  in  Mitteleuropa  als  Zierpflanze 
enltivirt.  Strauchartig ,  meist  kahl ;  Blätter  ficdertheilig  mit  wenigen  entfernten, 
linealischen,  eingeschnitten  gezähnten  Abschnitten :  Köpfe  ziemlich  gross ,  lang 
gestielt;  randständige  Früchte  schmal  geflügelt. 

Die  Wurzeln  sollen  mituuter  statt  der  Bertramwurzel  (Anacyclus  Pyrethrum 
(L.)  DG.)  in  den  Handel  kommen. 

XIII.  C.  i Coleostephus)  Myconis  L.  (Pyrethrum  M.  Mnch.,  Coleostephus 
M.  Cass.)  Mittelmeergebiet.  Kahl,  grasgrün;  Stengel  ästig;  Blätter  länglich-ver- 
kehrt-eiförmig bis  lineal-lanzettlioh ,  stumpf,  gesägt;  Köpfe  ziemlich  gross;  Strahl- 
blflthen  gelb  (selten  weiss),  unfruchtbar;  Früchte  der  Scheibe  stielrund,  7 — lOrippig, 
mit  häutigem,  schief  gestutztem  Pappus. 

Die  Köpfe  waren  einst  als  Flores  Bellidis  luteae  officinell. 

XIV.  C.  (Coleostephus)  s  eye  tum  L.  ( Xanthophthalmum  ».  Schultz  Bip.) 
Wucherblume,  Quadeblume,  Corninarigold.  Europa ,  Nordafrika, 
Orient,  Nordasien,  in  manchen  Gegenden  gefürchtetes  Unkraut.  Kahl,  graugrün; 
Stengel  meist  etwas  ästig;  Blätter  nach  vorn  verbreitert,  länglich-verkehrt-eiförmig 
bis  lanoettlich,  entfernt  grob  gesägt,  die  unteren  fast  fiederspaltig ;  Köpfe  ziemlich 
gross,  Strahlblüthen  gelb,  fruchtbar ;  Früchte  ohne  Pappus,  die  randständigen  beider- 
seits mit  hornartigem  Flügel,  aussen  meist  3-,  innen  5rippig,  die  übrigen  stielrund, 
lOrippig. 

Die  Blüthen  werden  zum  Gelbfärben  benützt.  Das  Kraut  hat  getrocknet  einen 
aromatischen,  Kamillen  ähnlichen  Geruch. 

XV.  C.  (Pinardia)  coronarium  L.  (Pinardia  coronaria  Less.,  Matricaria 
oleracea  Hamilt.)  Goldblume.  Mittelmeergebiet;   ausserhalb  desselben  häufig 


Digitized  by  Google 


CHRYSANTBEMUM.  —  CHRYSIN. 


(schon  im  alten  Egypten !)  als  Zierpflanze  cultivirt  und  eingebürgert.  Kahl,  gras- 
grün ;  Stengel  aufrecht,  ästig ;  Blätter  doppelt  tiedortheilig  mit  lineal-lancettlichen 
Abschnitten;  Köpfe  gross;  Raudblflthen  gelb,  seltener  weiss;  Früchte  harzig 
punktirt,  ohne  Pappus ,  die  randständigen  dreikantig  mit  geflügelten  Kanten ,  die 
übrigen  zusammengedrückt  kreiseiförmig,  nach  innen  geflügelt. 

Die  Köpfe  werden  in  Südeuropa  gegen  Gelbsucht  etc.  angewendet;  die  junge 
Pflanze  wird  gegessen.  P.  Ascherson. 

ChrysarObifl  (Ph.  Genn.,  Un.  St.).  Hauptbestandteil  des  A  r  a  r  o  b  a  p  u  l  v  e  r  s 
(s.  Bd.  I,  pag.  555),  ursprünglich  von  Kemp  für  dieses  selbst  eingeführt,  hat  man 
später  den  zu  60  bis  80  Procent  in  der  Araroba  enthaltenen  Körper,  den  Attkikld 
für  Chrysophansäure  hielt,  der  aber  ein  Reductionsproduct  derselben  ist  (Lieber- 
hann und  Seidler),  mit  diesem  Namen  belegt.   Es  hat  die  Formel 

C(„Hi,0J  =  0(CH<^f;;(-c^OH)>CH.OHK 

und  wird  durch  Umkrystallisiren  der  Arnroba  depurata  i  s.  d.)  aus  Eisessig 
dargestellt.  Chrysarobin  bildet  gelbe  Nadeln  oder  Blättcheu  (Schmelzpunkt  170 
bis  178°;,  die  in  Benzol,  Chloroform,  Eisessig  löslich,  dagegen  iu  WasBer  und  ver- 
dünnter Kalilauge  fast  unlöslich  sind.  In  coneeotrirter  Kalilauge  löst  es  sich  mit 
gelber  Farbe.  Die  stark  grün  fluorescirende  Lösung  wird,  namentlich  in  der  Wärme, 
durch  Sauerstoffaufnahme  bald  roth  und  lässt.  mit  Salzsäure  übersättigt,  brauue 
Flocken  von  Chrysophan  fallen.  Von  Chrysophansäure  (s.d.)  unterscheidet 
es  sich  dadurch ,  dass  es  von  concentrirter  Schwefelsäure  mit  gelber  (  jene  mit 
rother)  Farbe  gelöst  wird  und  mit  Kali  eine  braune  fjeue  eine  blaue)  Schmelze 
gibt.  Chrysophansäure  löst  sich  auch  mit  rother  Farbe  in  verdüunter  Kalilauge. 
Es  geht  durch  Oxydation  leicht  in  Chrysophansäure  über  CA0  Hso  0-  4-  4  0  = 
2(Cl6H10  OJ  +  3Ha0.  Tschirch. 

Chrysen,  CIfiH,3,  findet  sich  uuter  den  Destillationsproducten  vieler  Substanzen 
organischen  Ursprunges,  so  auch  in  ziemlich  reichlicher  Menge  in  den  letzten 
Fractionen  des  Steinkoklentheers.  Da  es  noch  keinerlei  Auweudung  findet,  wird 
es  nicht  technisch  gewonneu.  Zu  seiner  Darstellung  kann  man  deu  bei  der  Sub- 
limation des  Rohanthracens  verbleibenden  ,  Pyren,  Carbazol ,  Chrysen  etc.  ent- 
haltenden Rückstand  der  Destillation  unterwerfen ,  die  letzte  Fraction  besteht  aus 
ziemlich  reinem  Chrysen.  Dasselbe  ist,  auch  nach  dem  Umkrystallisiren,  goldgelb 
gefärbt  (daher  der  Name).  Die  Farbe  rührt  von  einer  Verunreinigung  her,  welche 
durch  Schmelzen  mit  Aetzkali  eutfernt  werden  kann. 

Das  Chrysen  krystallisirt  in  rhombischen  Blättchen,  schmilzt  bei  '250°  und 
siedet  bei  436°. 

Von  seinen  Derivaten  sei  noch  das  Chrysochinon,  C,8  H, ,  0.,,  erwähnt,  welches 
bei  der  Oxydation  von  Chrysen  mit  Chromsäure  entsteht.  Es  bildet  rothe,  bei  235° 
schmelzende  Nadeln,  die  sich  in  concentrirter  Schwefelsäure  mit  blauer  Farbe  lösen. 

Benedikt. 

Chrysin.  Gelber  Farbstoff,  welcher  sich  in  den  Knospen  von  Populus  nigra, 
pyramidalis  und  halsamea  findet.  —  Zur  Darstellung  desselben  wird  der  wein- 
geistige Auszug  von  100  Gewichtstheilen  frischer  Knospen  mit  12  Th.  krystal- 
Usirtem  Bleizucker  in  weingeistiger  Lösung  von  70  Procent  versetzt,  am  anderen 
Tage  vom  gelblich  braunen,  schlammigen  Niederschlag  abliltrirt,  mit  Schwefel- 
wasserstoff vom  Blei  befreit  und  der  Alkohol  abdestillirt.  Nach  dem  Erkalten 
giesst  man  die  überstehende,  stark  essigsaure  Flüssigkeit  ab  und  löst  das  dick- 
flüssige Harz  in  wenig  heissem  Spiritus,  aus  dem  beim  Erkalten  das  rohe  Chrysin 
sich  abscheidet.  Zur  Reinigung  wird  das  rohe  Chrysin  am  besten  zuerst  mit 
wenig  absolutem  Alkohol,  dann  mit  Aether  und  Schwefelkohlenstoff  behandelt,  um 
wachsartige  Fette,  Harze  und  etwaigen  Schwefel  zu  entfernen.  Kochendes  Wasser 
entzieht  ihm  Salicin  und  Populin ;  kochendes  Benzin  nimmt  einen  Tectochrysin 
genannten  Körper   auf;   durch  Schmelzen   bei  275,J  werden  verschiedene  Verun- 

Digitized  by  Google 


CHRYSIN.  —  CHKYSOMELA. 


127 


reinigungen  verkohlt  und  zur  Entfärbung  endlich  kann  man  die  weiugeistige 
Lösung  mit  einigeu  Tropfen  basischen  Bleiessigs  versetzen  und  vom  flockigen 
Niederschlag  abfiltriren,  der  alle  fremden  Farbstoffe  niederreisst.  Nach  Entfernung 
des  Bleies  mit  Schwefelwasserstoff  und  zweimaliger  Krystallisation  aus  Weingeist 
irt  das  Chrysin  dann  vollkommen  rein.  Das  Chrysin  stellt  hellgelbe,  millimeter- 
lange, dünne,  glänzende  Kry  stall  tafeln  dar,  welche  bei  275°  ohne  Zersetzung 
schmelzen  und  weiter  erhitzt  snblimiren.  Es  löst  sich  in  50  Th.  siedenden ,  in 
180  Th.  kalten  Alkohols.  Leicht  löslich  in  kochendem  Eisessig,  wenig  in  Aether, 
kaum  in  Schwefelkohlenstoff,  Petroleum,  Chloroform,  sowie  in  Benzin,  unlöslich  in 
Wasser.  In  wässerigen  Alkalien  mit  gelber  Farbe  löslich,  wird  es  durch  Säuren 
unverändert  wieder  abgeschieden.  Längeres  Kochen  mit  fixen  Alkalien  zersetzt  es. 
Aus  einer  ammoniakalischen  Lösung  wird  es  durch  Baryum-  uud  Calciumchlorid 
in  Form  einer  schön  chromgelben,  krystallinischen  Verbindung  gefällt.  In  alko-  ^ 
bolischer  Lösung  wird  das  Chrysin'  durch  Bleizucker  oder  Bleiessig  theilweise 
gefällt,  löst  sich  aber  im  Ueberschuss  des  Fällungsraittels.  Eisenchlorid  erzeugt  in 
der  alkalischen  Lösung  eine  schmutzig  violette  Färbung.  Die  alkoholischen  Lösungen 
geben  mit  Chlor,  Brom  und  Jod  Verbindungen.  Salpetersäure  erzeugt  ein  Nitro- 
produet.  Das  Chrysin  hat  die  Formel  CJSHl0C%  und  ist  als  ein  Phenolderivat 
anzusehen ,  als  ein  Phloroglucin ,  in  welchem  1  Atom  Essigsäure  und  1  Atom 
Benzoesäure  eingetreten  und  3  Atome  H3  0  ausgetreten  sind.        v.  Schröder. 

Chrysobalaneae,  Unterfamilie  der  Iiosaceae ,  charakterisirt  durch  meist 
asymmetrische  Blflthen  mit  einem  einzigen  freien  Carpell ,  Steinfrüchte  und 
einfache,  ganzrandige  Blätter. 

Chrysoberyll  ist  ein  geschätzter  Edelstein ,  durchsichtig  smaragdgrün,  seiner 
Zusammensetzung  nach  eine  Doppel  Verbindung  von  Beryllerde  und  Thonerde. 
Be  O,  AL  03. 

ChrySOCal,  Ghrysokalk,  sind  bronzeähuliche  Legirungen,  bestehend  entweder 
aus  90.5  Th.  Kupfer.  7.!>  Th.  Zink  und  1.6  Th.  Blei  oder  aus  05  Th.  Kupfer 
und  5  Tb.  Zinn.  Dieselben  lassen  sich  leicht  vergolden  und  werden  daher  zu 
Bijouterie waaren  benutzt. 

dirySOidill,  Ca  H5  —  N  =  N  —  Cfl  Hs  (N  Ha)a  .  HCl,  ist  ein  Amidoazofarbstoff, 
welcher  entsteht,  wenn  man  eine  Lösung  von  m-Pbenylendiamin  in  eine  sehr  ver- 
dünnte Lösung  der  äquivalenten  Menge  Diazobenzolchlorid  eingiesst: 

C6H0.N  N.C1  +  Q.H^NH,),  =  C6H5.N   N  .  C„  H3  (N  Hä)ä  .  H  Cl 
Diazobenzolchlorid    Phenylendiamin  Chrvsoldin. 

Er  färbt  Seide  und  Wolle  aus  neutralen  Bädern  schön  orangegelb  und  kann  auf 
Baumwolle  mit  Tannin  fixirt  werden. 

Die  wässerige  Lösung  des  ChrysoTdins  zeigt  folgeude  Keactionen  : 

Ammoniak  und  Aetznatron  fällen  die  orangegelbe  Flüssigkeit,  der  Niederschlag 
i*t  hellgelb.  Salzsäure  färbt  die  Flüssigkeit  gelbroth,  in  düuuen  Schichten  earmowiu. 
Concentrirte  Schwefelsäure  löst  Chrvsoldin  mit  gelbbrauner  Farbe  auf.  Zinnchlorür 
entfärbt.  Bleiessig  gibt  einen  orangegelben  Niederschlag. 

Mit  ChrysoTdin  gefärbte  Fasern  werden  mit  Salzsäure  roth ,  mit  Ammoniak 
bellgelb ,  durch  Zinnchlorür  und  Salzsäure  entfärbt ,  von  Schwefelsäure  gelb 
abgezogen.  Benedikt. 

ChrySOYn,  8.  Azofarb Stoffe,  Bd.  II,  pag.  65. 

ChrVSOlin,  ist  das  Natronsalz  des  Bonzylfluorcscems,  C20  Hl0  03  (0  C,  H7)  0  H. 
F>s  findet  zum  Färben  von  Seide  und  zum  Schönen  der  Baumwolle  als  gelber 
Farbstoff  eine  beschränkte  Anwendung  (vergl.  Fluorescöin).  Benedikt. 

ChrySOmela.  Käfergattung,  aus  der  Gruppe  der  Btt  raten  fttssl  er  (Scopitarsin*), 
charakterisirt  durch  den  in  den  breiten  Halsschild  eingezogenen  Kopf  mit  einfachen, 
keulig  verdickten  Fühlern,  den  kahlen  Körper  und  die  mit  Bürsten  besetzten  Füsse. 

Digitized  by  Google 


128 


CHRYSOMELA.  -  CHULAMSKY. 


■ 


Dazu  gehört  der  Coloradokäfer,  Chr.  (Doryphora)  decemlineata  Say.  uud 
der  in  zerquetschtem  Zustande  als  Zahnwehmittel  benutzte  Pappelblattkäfer, 
Chr.  Populi  L.  (mit  ziegelrothen ,  an  den  äussersten  Spitzen  schwarzbraunen 
Flügeldecken),  dessen  Larven  Salieylaldehyd  enthalten.  Chrysomela  fantuoaa  ist 
zwischen  Canthariden  zu  16  Procent  vorgekommen.  Th.  Husemann. 

ChrySOphanin  findet  sich  fertig  gebildet  in  den  Sennesblättern  und  wird  aus 
dem  wasserigen  Decoct  derselben  erst  mit  Alkohol .  dann  mit  Bleizucker  gefällt. 
Es  ist  ein  indifferenter  weisser  Körper. 

ChrySOphaitSäure,  Cu  H&  (CH3)(OH)30„  findet  sich  in  der  Natur  vielfach 
fertig  gebildet;  so  in  gewissen  Flechten  (Parmeh'a  parietina,  Squamaria  rlegans), 
in  den  Wurzeln  verschiedener  Rheumarten,  in  der  Rinde  von  Rhamnus  Frangular 
der  Wurzel  xon  Rumex  oUusifolius  und  in  den  Sennesblättern.  Man  erhält  sie 
rein  durch  einfache  Oxydation  des  Chrysarobins .  indem  man  dieses  in  ziemlich 
verdünnter  Kalilauge  löst  uud  atmosphärische  Luft  so  lange  durchleitet,  bis  die 
Farbe  eine  gleichmässig  rothe  geworden  ist,  dann  fällt  man  mit  Salzsäure,  zieht 
mit  Benzol  aus  und  lässt  wiederholt  aus  Benzol  oder  Alkohol  umkrystallisiren.  So- 
dargestellt,  bildet  die  Chrysophansäure  schön  goldgelbe  Nadeln  oder  Tafeln;  sie 
ist  in  Waaser  kaum ,  in  224  Th.  siedendem  Alkohol  lÖRÜch ,  leichter  löslich  in 
Aether,  Benzol  und  Eisessig.  Sie  löst  sich  ferner  in  Schwefelsäure  ohne  Zersetzung  mit 
tiefrother  Farbe,  in  Kalilauge  sehr  leicht  mit  dunkelrother  Farbe ,  schwieriger  in 
Ammoniak.  Sie  schmilzt  bei  162°,  sublimirt  später  unter  theilweiser  Verkohlung 
in  Nadeln,  mit  Kali  geschmolzen  gibt  sie  eine  blaue  Masse.  Die  Chrysophansäure 
kann  auch  aus  dem  Rhabarber  dargestellt  werden.  Als  rohe  Chrysophan- 
säure wird  der  zur  Trockene  verdunstete  Benzolauazug  aus  der  Araroba  be- 
zeichnet. Die  Chrysophansäure  bildet  Salze,  welche  meist  schwer  löslich  sind;  das 
Baryt-  und  Bleisalz  sind  unlöslich;  sie  ist  eine  sehr  schwache  Säure  und  wird  aus 
ihren  Verbindungen  schon  durch  Kohlensäure  verdrängt.  Ganswind t. 

Chrysophyllum,  Gattung  der  Sapotaeeae,  charakterisirt  durch  nebenblattlose 
Blätter  und  kleine  Büthenbüschel  an  den  Knoten  vorjähriger  Zweige. 

Chrysophyllum  glycyphloeum  Casar.  (Ch.  Buranhem  Riedel),  ein  brasilia- 
nischer Baum,  ist  die  Stammpflanze  der  Monesia  (s.d.).  Die  Beere u fruchte 
anderer,  ebenfalls  im  tropischen  Amerika  heimischer  Arten  sind  geniessbar. 

ChrySOpraS  ist  apfelgrfln  gefärbter  Chalcedon. 

ChrySOrin,  Legirung  aus  100  Tb.  Kupfer  und  51  Th.  Zink,  goldähnlich,  fein- 
körnig, hält  sieh  gut  an  der  Luft,  lässt  sich  gut  vergolden  und  dient  zu  Luxus- 
artikeln. 

ChrySOSpleniUm,  Gattung  der  Saxifragaceae,  charakterisirt  durch  kleine, 
blumenblattlose  Blttthen.  —  Ch.  alternifolium  L.  und  Ch.  oppositifolium  L.,  an  der 
in  den  Namen  ausgedrückten  Blattstellung  leicht  unterscheidbar,  lieferten  die  einst 
als  geliude  Abführmittel  gebräuchliche  Herba  Chrysosplenii  s.  Nasturtii  petraei 
8.  Saxifragae  aureae. 

Chrysotoluidin  wurde  eine  beim  Erhitzen  vou  arsensaurem  Toluidin  ent- 
stehende Base  genannt,  welche  wabrBebeinlich  mit  dem  Chrysanilin  identisch  ist. 

Benedikt. 

Chthonoblastus,  eine  Spaltpilzforra.  charakterisirt  durch  cylindrisehe,  phyco- 
chromhaltige,  unverzweigte,  zu  Schleimfamilien  vereinigte  Fäden. 

Chuchu  ist  der  brasilianische  Volksname  für  Nierenher gia  hippomanica  Mrs. 
(Solanaceae)  und  einer  durch  diese  Pflanze  bei  Pferden  hervorgerufenen  fieber- 
haften Erkrankung. 

ChulamSky  ist  eine  Sorte  Kefyr  (s.  d.). 

Digitized  by  Googl 


CHÜR.  —  CHYLURIE. 


Chlir  in  Graubündten  besitzt  drei  Quellen,  welche  versendet  werden:  Nou- 
Belvedraquelle  (I),  Ulricusquelle  (II),  Theophilsquelle  (III),  von  folgender  Zusammen- 
setzung: 


i  <r  2) 

n  (8°  i) 

III  <u") 

( 'liloinatrium 

0  29 

8.37 

2.22 

Chlorlithium  

O.06 

005 

Triilnatrinm 

o.oi 

Spur 

Kalisulfat  

.  0.24 

1.57 

1.34 

.  0.35 

0.86 

1.97 

0.07 

Aramoniuin-Büarbonat  .  . 

.  0.14 

0.21 

0.01 

Natrinm-Bicarbonat    .  ,  . 

.  3.02 

53.70! 

19.12 

5.77 

4  33 

Kalk-Bicarbonat  

.  20.87 ! 

10.26 

10.16 

Eisenoxydul-Bicarbonat  .  . 

.  0.30 

Cll 

0.14 

Mangan  oxydul-Bicarbonat 

.  0.02 

0.01 

.  0.23 

0.19 

0.11 

Phosphors.  Thonerde  .  .  . 

0.07 

Feste  Theile  .  . 

.  27.70 

81.34! 

39.42 

incl.  2.  Atom  CO, 

0.954  Vol. 

1.118  Vol. 

bei  Quell  temperatur. 

ChurChill'S  HypOphOSphitepräparate  sind  Mischungen  (meist  in  Form  von 
Syrupen)  mit  den  Hypophogphiten  des  Kalkes,  Natrons,  Eisens  u.  s.  w. ;  sie  werden 
vom  Erfinder  unter  viel  Reclame  als  „chemische  Nahrung"  angepriesen. 

Chylari086  ist  eine  Art  Schleimzucker  und  gleichbedeutend  mit  Levulose, 
Fruchtzucker,  eine  flüssige,  nicht  krystallisirbare  Zuckerart. — S.  auch  Lev  u  lose. 

Chyllirie,  auch  (lalacturie  neunt  man  im  Allgemeinen  das  Entleeren  eines 
milchigen  Harnes ,  dessen  chylusilhnliches  Aussehen  durch  Beimengung  von  Fett 
bedingt  ist.  Im  engeren  Sinne  des  Wortes  bezeichnet  man  mit  Chylurie  nur  jene 
Falle,  in  denen  der  Harn  neben  Fett  auch  Eiweiss  enthält,  bei  Abwesenheit  von 
Formelementen,  welche  auf  das  Vorhandensein  eines  Nierenleidens  schliessen  lassen, 
in  denen  man  also  annehmen  kann ,  dass  das  milchige  Aussehen  des  Harnes  von 
einer  Beimengung  von  wirklichem  Chylus  (s.  d.)  herrührt.  Alle  übrigen  Arten 
fetthaltigen  Urins  fasst  man  besser  als  Fülle  von  Lipurie  zusammen.  Der  frisch 
entleerte  Harn  gleicht  bei  der  Chylurie  einer  Emulsion  von  milchweisser ,  gelb- 
licher, auch  durch  beigemengtes  Blut  schwach  -  rüthlicher  Farbe,  oder  er  zeigt 
ein  mehr  molkiges  Ausehen*;  nach  längerem  Stehen  scheiden  sich  häufig  lockere 
Fibringerinnsel  ab,  manchmal  auch  eine  rahmartige  Fettschicht  au  der  Oberfläche 
des  Harnes.  Wie  schon  oben  angedeutet,  enthält  der  chylöse  Harn  neben  Fett 
auch  stets  Eiweissköper ,  auch  Cholesterin  und  Lecithin  wurden  darin  gefunden, 
jedoch  kein  Zucker. 

Das  Fett  kann  man  dem  Harn  durch  Schütteln  mit  Aether  direct  oder  nach 
vorherigem  Zusatz  von  Kalilauge  entziehen.  Man  unterscheidet  eine  parasitäre 
Form  der  Chylurie,  welche  in  gewissen  tropischen  Gegenden  —  Brasilien,  auf 
den  Antillen,  in  Indien,  Aegypten,  an  der  Küste  von  Zanzibar  —  endemisch  ist 
und  eine  nicht  parasitäre  Form,  die  bei  Individuen  beobachtet  wurde,  welche 
Europa  nie  verlassen  haben.  Die  entere  Form  wird  durch  die  Filaria  sanguinis 
hominis  (einem  zur  Classe  der  Nematoden  gehörenden  Parasiten  in  der  Länge 
von  0.3  mm  und  der  Breite  von  0.0.14  mm)  bedingt,  welcher  bei  der  mikroskopi- 
schen Untersuchung  des  chylösen  Harnes  gewöhnlich  in  Fibringerinnsol  einge- 
schlossen als  charakteristischer  Bestandteil  gefunden  wird.  Diese  Filaria  sanguinis 
hominis  ist  jedoch  nur  der  Embryo  des  reifen  Parasiten,  welcher  eine  Länge  von 
8— 10  cm  und  eine  Breite  von  0.3  mm  hat  und  identisch  mit  der  beim  Hunde  vor- 
kommenden Filaria  sanguinolenta  sein  soll- 

Real-Encyclopädie  der  *ea.  Pharmacie.  III.  %igitized  by  Google 


130 


CHYLUKIE.  -  CHYMUS. 


Ueber  die  Ursache  der  nicht  parasitären  Chylurie  ist  man  noch  ganz  im  Unklaren, 
man  weiss  nur,  dass  eine  tiefere  Erkrankung  der  Niere  derselben  nicht  zu 
Grunde  liegt.  Loebisch. 

ChyllJS  oder  Milchsaft  nennt  man  die  weissliche,  undurchsichtige,  milch- 
artige Flüssigkeit,  welche  auf  der  Höhe  der  Verdauungszeit  —  2  bis  4  Stunden  nach 
genommener  Mahlzeit  —  die  Lymphgefässo  der  DarmschleimUaut  erfüllt.  Während 
der  Inhalt  der  übrigen  Lymphgcfässe  des  Körpers  —  die  Lymphe  —  aus  einer 
leicht  gelblichen,  fast  durchsichtigen  Flüssigkeit  besteht,  sind  die  Lymphgefässe  der 
Darmschleinihaut  wahrend  der  Vcrdauuugszeit  mit  dem  Milchsafte  gefüllt  und 
werden  demgemSss  auch  Chylnsgcfässe  genannt. 

Von  den  zahlreichen  Stoffen,  welche  den  Inhalt  des  Speisebreics  im  Dünndarm 
bilden  (s.  C  h  y  m  u  s)  können  wohl  die  in  Wasser  leicht  löslichen  Salze  und  Zucker- 
arten  durch  Aufsaugung  direet  in  dio  Blutbahn  gelangen,  nicht  aber  die  Eiwciss- 
stoffe,  beziehungsweise  deren  Verdauungsproducte,  die  Peptone,  und  auch  nicht  die 
Fette.  Man  nahm  daher  an,  dass  die  Resorption  dieser  erst  auf  dem  Wege  durch 
die  Chylusgefässe  vermittelt  werde,  ohne  dass  man  über  die  Art  des  Vorganges 
eine  klare  Vorstellung  gehabt  hätte.  Nach  neueren  Untersuchungen  sind  es  jedoch 
die  im  Bindegewebe  der  Darmsehleimhaut  reichlich  vorhandenen  Lymphzellen, 
welche  auf  der  Höhe  der  Verdauuug  auswandern ,  auf  die  Oberfläche  der  Darm- 
schleimhaut gelangen,  sich  dort  mit  Peptonen  und  Fett  sättigen  und  dann  in  die 
Schleimhaut  und  in  die  Anfänge  der  Chylusgefässe  wieder  zurückgelangen.  Dem- 
nach unterscheidet  sich  die  Zusammensetzung  des  Chylus  von  der  der  Lymphe 
( '«.  d.)  nur  in  Bezog  auf  den  Gehalt  an  Fett  und  Eiwcisa ,  welche  beide  in 
erstereni  in  grösserer  Menge  enthalten  sind.  Wahrend  die  Lymphe  4 — 7  Procent 
feste  Stoffe  tnthält  ,  enthält  der  Chylus  deren  7 — 10  Procent,  wobei  das  Plus 
hauptsächlich  auf  Rechnung  des  Fettgehaltes  kommt.  Der  Chylus  reagirt  alkalisch, 
zeigt  salzigen  Geschmack  und  hat  ein  spec.  Gewicht  von  1.018 — 1.027;  kurze 
Zeit  nach  seiner  Entfernung  aus  dem  Körper  gerinnt  er  ähnlich  wie  Blut,  wobei 
das  Fibringerinnsel  nach  2 — 4  Stunden  ein  mehr  weniger  milchweisses  Serum  aus- 
presst.  An  Formelcmenten  enthält  der  Chylus  reichlich  Lymphkörperchen.  Ucberdies 
enthält  er  sehr  reichlich  Fett  in  feinster  Vertheilung,  durch  dieses  lässt  sich  Chylus 
von  der  Lymphe  schon  mikroskopisch  unterscheiden.  Schüttelt  man  das  Chylus- 
Kerum  mit  Aether,  so  wird  es  vollkommen  klar,  es  sind  also  die  Fettkörper 
des  Chylus  durch  Aether  vollständig  extrahirbar.  Der  Actherextract  enthält 
ausser  Neutralfett  noch  geringe  Mengen  von  Cholesterin  und  Lecithin. 

Loebisch. 

Chymus  nennt  man  den  nach  beendeter  Magenverdauung  vorhandenen  Speise- 
brei, welcher  aus  dem  Magen  zunächst  in  den  Zwölffingerdarm  übertritt.  Er  stellt 
eiu  schwach  sauer  reagirendes,  dickflüssiges,  hellgraues  Gemenge  von  verdauten, 
halbverdauten  und  im  Mageu  unverdaulichen  Stoffen  dar,  dessen  Zusammensetzung 
je  nach  der  Qualität  der  Nahrung  eine  sehr  verschiedene  ist.  Durch  die  Magenver- 
dauung werden  nämlich  nur  die  Eiweiss-  und  Leimstoffe  gelöst  und  in  Pepton 
übergeführt,  während  der  saure  Magensaft  auf  Amylaeeen,  Cellulose,  Fette.  Horn- 
gewebe  (Nägel ,  Haare) ,  stärkere  elastische  Membranen  keiuer  Wirkung  fähig 
ist,  daher  findet  man  bei  gemischter  Nahrung  im  Chymus  Muskelfasern ,  Sehuen- 
stückchen,  Fetttropfen,  Knochen-  und  Knorpelreste,  Pflanzengewebe  und  elastisches 
Gewebe  aufgeschwemmt. 

Schon  beim  Eintritt  in  den  Zwölffingerdarm  trifft  die  alkalisch  reagirende  Galle  mit 
dem  sauren  Chymus  zusammen,  im  ersten  Momente  (Iberwiegt  namentlich  bei  Fleisch- 
kost die  Acidität  des  Gemisches  und  es  werden  zunächst  aus  der  Galle  die  Gallen- 
säuren,  der  Sehleimstoff.  Cholesterin,  ausgefüllt.  Diese  bilden  einen  dicken, 
harzigen  Niederschlag  auf  der  Schleimhaut.  Zugleich  wird  das  Magenferment  Pepsin 
mechanisch  präpicitirt,  wodurch  die  Wirkung  desselben  aufhört,  hingegen  tritt  das 
Ferment  der  Bauchspeicheldrüse,  welches  in  den  Zwölffingerdarm  ergossen  wird, 

Digitized  by  Googl 


CHYMUS.  —  CIBOTIÜM. 


131 


in  Wirksamkeit.  Auf  dem  Wege  vom  Zwölffingerdarm  zum  Dünndarm  geht  allmälig 
in  Folge  Sättigung  der  freien  Säure  durch  die  Alkalien  der  Galle  und  des  Bauch- 
speichels, die  Reaction  des  Speisehreies  in  die  neutrale  und  weiterhin  in  die 
alkalische  Ober. 

Im  untersten  Stück  des  Dünndarmes  und  im  Dickdarm  kann  jedoch  die  Reaction 
de*  Speisebreies,  insbesondere  bei  stärkercicher  Kost,  in  Folge  auftretender  Milch- 
säure und  Buttersäuregährung  wieder  sauer  werden.  Im  Darme  wirkt  nun  die 
Galle  theils  als  Fett  emulgirend,  theils  die  Resorption  desselben  durch  die  Darm- 
zotten erleichternd.  Die  Fermente  der  Bauchspeicheldrüse  wirken  in  dreifacher 
Weise,  die  Amylaceen  in  Dextrin  und  Zucker  umwandelnd,  die  Eiweisskörper 
peptonisirend  und  die  Fette  zum  Theil  in  Fettsäure  und  Glycerin  spaltend,  zum 
Theil  emulgirend.  Es  werden  daher  die  verdaulichen  Bestandtheilc  des  Speisebreies 
im  Darmcanale  immer  mehr  verflüssigt,  die  gelösten  Stoffe  treten  aus  dem  Darm- 
rohr in  das  Blut  und  in  die  Lymphgefässe  der  Darmschleimhaut  Uber,  so  dass 
die  Menge  des  Speisebreies  in  Folge  Aufsaugung  des  löslichen  Antheils  von  dem- 
selben beim  Hinabrücken  nach  dem  Dickdarm  immer  geringer,  die  Consistenz  zu- 
nehmend fester  wird.  Der  unlösliche  Rückstand  des  Speisebreies  im  Dickdarm 
bildet  den  Koth  (Fäces).  Der  Chymus  des  Magens  und  Dünndarmes  enthält  auch 
Gase  absorbirt,  u.  zw.  reichlich  Stickstoff  von  mit  der  Nahrung  verschluckter  Luft, 
Kohlensäure  und  Wasserstoff,  von  den  im  Darmchymus  vor  sich  gehenden  Gährungs- 
proeessen,  überdies  Schwefelwasserstoff  von  der  Zersetzung  der  Eiweisskörper 
herrührend.  Loe  bisch. 

Ci,  früher  gebrauchtes  chemisches  Zeichen  für  Citronensäure. 

CL  früher  gebrauchtes  chemisches  Zeichen  für  Cinchonin. 

Cibotium.  Gattung  der  Famfamilie  Cyatheaceae.  Der  Stamm  nicht  eigentlich 
,  baumartig,  meistens  wurzelstockartig  und  nur  in  einigen  Fälleu  aufrecht.  Sori  am 

Fig.  n. 


Typische  Ciboh um- Formen ;  a,  d,  t  Schuppen;  e,  h,  /  echte  Haare.  Stark  vergr. 


Blattrande,  Indusium  unterständig,  muschel  förmig,  mit  2  derben,  lederigen  Klappen 
sich  öffnend.  Die  Sporangien  sitzend  «der  kurz  gestielt,  mit  einem  vollständigen 
schiefen  Ringe,  durch  Qnerriss  sich  öffnend. 

1.  Cibotium  Barometz  J.  Sm.  Kein  eigentlicher  Baumfarn,  wie  meist 
angegeben.  Stamm  nur  30  cm  lang,  5  cm  dick,  niederliegend  rhizomartig,  mit  fast 
3  m  langen,  1.3  m  breiten,  doppelt  gefiederten  Blättern,  deren  letzte  Segmente  zu 

9  * 

Digitized  by  Google 


132 


CIBOTIÜM.  —  CICEB. 


beiden  Seiten  der  Mittelrippe  die  Sori  tragen,  einheimisch  in  Anam  auf  den 
Philippinen,  Marianen,  Formosa  und  den  Sundainseln,  besonders  auf  Borneo. 

Liefert  in  den  Haaren  des  Stammes  und  der  Wedelbasen  die  Hauptmasse  der 
als  Palette  Cibotii ,  Paleae  stypticae,  oder  Penghawar  Djambe  (Heilmittel 
von  Djambe)  in  den  Handel  kommenden  Droge.  Die  goldbraunen  5 — 6cm  langen, 
O.lmm  breiten  Haargebilde  bestehen  aus  einfachen  Zellen,  welche  durch  faltige, 
etwas  verdickte  Wände  getrennt  und  oft  an  den  Querwänden  um  die  Aie  ge- 
dreht sind.  Es  sind  somit  echte  Haare,  keine  Schuppen,  Squamae,  Lapides  oder 
Paleae ,  denn  diese  sind  immer  flächenhaft  entwickelte  Trichome.  Der  Name  der 
Droge  würde  daher  richtiger  sein  FUi  Cibotii. 

Im  Mittelalter  war  der  Stamm  mit  den  Haaren  als  FnUex  tartaricus ,  oder 
mit  einigen  Blattstielen  versehen  und  so  die  Form  eines  Thieres  annehmend  als 
Agnus  scyticus  bekannt. 

2.  Ci  bot  tum  g  laue  um  Hook,  et  Arn.,  G.  Chamüsoi  Kaulf.  und  C.  Men- 
ziesii  Hook,  auf  den  Sandwichinseln,  C.  Schiedet  Schlecht,  in  Mexico  liefern  auch 
das  unter  dem  Namen  Pulu  zum  Stopfen  von  Kissen  bekannte  Material. 

Statt  der  arzneilich  angewandten  Cibotiumhaare  (Ph.  Kubs.]  sind  oft  die  Haare 
anderer  Species  der  Cyatheaceae  im  Handel,  speciell  die  einiger  javanischer  Arten, 
Alsophila  lurida  Hook,  und  Dicksonia  Blumei  Moore  (Balanthium  chryso- 
trichum  Hassk.),  welche  als  Pakoe\  Palkoe"  oder  Paku  Kidang  bezeichnet 
werden  (Kidang,  das  javanische  Reh). 

Auch  Pakoe*  Kidang  kann  als  Stypticum  verwendet  werden,  so  lange  die  Waare 
aus  wirklichen  Haaren  besteht :  denn  es  ist  wohl  anzunehmen ,  dass  diejenigen 
Trichome,  welche  als  Zellflächen  auftreten,  also  die  eigentlichen  Schuppen,  weniger 
geeignet  sind,  sich  Wunden  dicht  anzulegen  und  das  Blut  aufzusaugen,  als  eigent- 
liche Haare.  Jedenfalls  ist  aber  eine  Waare  zu  verwerfen,  welche,  wie  z.  B.  die 
Schuppen  von  Cyathea  insignü  Hook.,  mit  Stacheln  versehen  sind  (Fig.  11,  a). 
Diese  Stacheln  sind  in  vielen  Fällen  so  hart,  dass  man  ihre  Schärfe  schon  mit  dem 
Finger  fühlt.  Die  mikroskopische  Untersuchung  hat  also  ihr  Augenmerk  hierauf 
zu  richten.  ProMi  us. 

CicatriX  (lat.),  die  aus  Bindegewebe  bestehende  Narbe,  welche  einen  Substanz- 
verlust ersetzt. 

Cicer,  Gattung  der  Papüionaceae ,  Unterfamilie  Vicieae.  Drüsig  -  haarige 
Kräuter  des  Mittelmeergcbietes  mit  paarig  oder  unpaarig  gefiederten  Blattern  und 

Fig.  12.  Fig.  18. 


Querschnitt  durch  die  Samenschale  der  Richer ;  p  Paliaaadenzellen,       Paliasadenzellen  der  Richer 
t  Träger/eilen,  m  Parenchym.  Vergr.  160.  in  der  Flächenannicht. 

kleinen,  in  den  Achseln  stehenden  Blüthen.    Hülse  bauchig  aufgetrieben  ein-  bis 
vielsamig. 

Cicer  arietinum  L.,  die  Kichererbsc,  ein  0  Kraut  mit  unpaar  ge- 
fiederten, 13- bis  17jochigen  Blättern,  ovalen,  gesägten  Blättchen,  einzelnständigen 

Digitized  by  Google 


CICER.  -  CICHORIENKAFFEE. 


133 


rothen  Blüthen,  deren  Kelchzipfel  so  lang  sind  wie  die  Fitigel,  und  zweisaraigen 
Hfllsen.    Wird  in  wärmeren  Gegenden  als  Hülsenfrucht  gebaut. 

Die  Samen ,  deren  rundlich  -  höckerige  Form  angeblich  an  einen  Widderkopf 
erinnert  (daher  arietinum)y  werden  auch  als  Kaffeesurrogat  verarbeitet.  Sie 
sind  mikroskopisch  ausgezeichnet  charakterisirt  durch  die  ungleiche  Länge 
der  in  ihrem  mittleren  Abschnitte  dünnhäutigen  Palissaden- 
zellen  (Fig.  12).  j.  Moeller. 

ClChOrienblÜthe,  volksth.  Bez.  für  Flores  Malvae  silvestris.  —  Cichorien- 
saft  für  Syrupus  Rhet. 

Cichorienkaffee.  Das  älteste  im  Grossen  dargestellte  Kaffeesurrogat  ist  die 
Wurzel  des  Cichorium  Intyfms  L.  (Compoaitae) }  deshalb  nennt  man  häufig 
Kaffeesurrogate  überhaupt,  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Bestandteile ,  Cichorien- 
kaffee. Wodurch  das  gemeine,  an  Wegrändern  tiberall  wachsende  Unkraut  zur 
Auszeichnung  gekommen  ist,  als  Ersatz  des  edlen  Kaffees  zu  dienen,  lässt  sich 
nicht  sagen.  Major  v.  Heine  und  0.  G.  Fürsteu  führten  1703  den  Cichorien- 
kaffee ein  und  nahmen  1770  ein  Privilegium  für  den  Anbau  der  Pflanze  und  den 
Vertrieb  ihrer  Wurzel  in  Preussen.  Um  dieselbe  Zeit  tauchte  dieses  Surrogat  auch 
in  Frankreich  auf.  Vennuthlich  gab  der  bittere  Geschmack  der  als  Volksheilmittel 
bekannten  Wurzel  den  Anlass  zu  einem  Versuche,  und  als  dieser  Beifall  fand, 
entwickelte  sich  bald  eine  schwunghafte  Industrie.  Obwohl  in  neuerer  Zeit  die 
Cichorie  von  anderen  Surrogaten  vielfach  verdrängt  wurde ,  behauptet  sie  doch 
noch  ihren  Rang,  und  der  Bedarf  ist  so  gross,  dass  er  durch  die  wild  wachsende 
Pflanze  nicht  gedeckt  werden  kann.  Die  Cichorie  ist  eine  Culturpflanze  geworden, 
welche  für  manche  Gegenden,  wie  z.  B.  für  Mitteldeutschland  (Magdeburg),  von 
wirthschaftlicher  Bedeutung  ist.  Sie  ist  ausdauernd,  ihre  spindelige,  wenig  verästigte, 
in  frischem  Zustande  derbfleischige  und  milchende  Wurzel  schrumpft  beim  Trocknen 
sehr  stark  und  wird  hart,  hornartig. 

Die  Oberfläche  der  Wurzel  ist  braun  ,  oft  spiralig-runzelig.  Am  Querschnitte 
unterscheidet  man  mit  freiem  Auge  unter  dem  dJinnen,  braunen  Korke  die  schmal  e 
weisse  Rinde  und  den  eitronengelben  Holzkörper  mit  einem  eckigen  Mark. 
Unter  der  Lupe  sieht  man  in  der  Rinde  an  der  Grenze  des  Holzes  die  dunklere 

Cambialzone ,   von  welcher  schwänzchenartig 
F5ß  u-  die  Markstrahlen  ausgehen.   Im  Holze  erkennt  man 

die  Gefässporen  und  zarte  helle  Markstrahlen 
in  grosser  Zahl  als  feine  Radialstreifuug. 

Zum  Zwecke  der  Surrogatfabrikatiou  wird  die 
Wurzel  in  Streifen  geschnitten  und  getrocknet,  so- 
dann eingefettet,  geröstet  und  gemahlen.  In  diesem 
Zustande  ist  sie  nur  durch  die  mikroskopische  Unter- 
suchung erkennbar. 

Die  K  o  r  k  s  c  h  i  c  h  t  besteht  aus  wenigen  Reihen 
mässig  flacher,  zarthäutiger,  braun  gefärbter  Zellen, 
Kork  der  et chor i eii        welche  in  der  Flächenansieht  (Fig.  14)  ein  ziem- 

w  n  r  z  e  1  in  der  Flachenansicht.     ...  ,         .        2;     ,      _   \.x  .  „ 

Vorgr.  itto.  licn  unregelmässiges  Gewirr  darbieten.  Die  primäre 

Rinde  sowohl  wie  der  Bast  entbehrt  der  scleroti- 
schen  Elemente  vollständig.  Beide  sind  reichlich  von  0.006 — 0.01  mm  weiten 
Milchsaft  Schläue  hen  durchzogen,  welche  untereinander  mittelst  spitz-  oder 
rechtwinkelig  abzweigender  Aeste  in  Verbindung  stehen  (Fig.  lö).  Man  er- 
kennt sie  ohne  weiters  bei  aufmerksamem  Suchen  an  ihrem  körnigen  Inhalt, 
erleichtert  wird  ihre  Auftindung  durch  Färbung  des  Präparates.  Nur  darf  man 
sie  nicht  mit  den  Siebröhren  verwechseln,  welche  Farbstoffe  ebenfalls  stärker 
speichern,  als  das  Parcnchym.  Die  Siebröhren  kommen  immer  bündelweise  vor, 
sind  nicht  verzweigt,  sondern  aus  etwa  0.12  mm  laugen  Gliedern  zusammengesetzt. 


Digitized  by  Google 


134  CICHORIENKAFFEE. 

deren  Enden  callös  verdickt  sind  (Fig.  16,  •);  ihr  Inhalt  erscheint  nicht 
granulirt. 

Charakteristischer,  weil  augenfälliger  als  dio  beiden  genannten  Elemente,  die 
doch  nur  von  geübteren  Beobachtern  aufgefunden  zu  werden  pflegen,  sind  die 
Elemente  des  Holzes,  welche  auch  quantitativ  überwiegen.  Namentlich  dieGefässe 
sind  nicht  zu  tibersehen.  Sie  sind  aus  kurzen  (am  häufigsten  gegen  0.2  nun  . 
massig  weiten  (am  häufigsten  0.02 — 0.05  mm)  Gliedern  aufgebaut ,  deren  schief 
gestellte  Querwände  nicht  oder  vollkommen  perforirt  sind  (Fig.  15).  Die  Seiten- 
wände sind  dicht  mit  quergestreckten,  bei  stärkeren  Vergrößerungen  als  beböft 
erkennbaren  Tupfein  besetzt.  Die  Gefässe  sind  oft  radial  gereiht  oder  doch  zu 
Bündeln  vereinigt,  selten  isolirt.  Sie  werden  durch  Fuchsin  am  ersten  und  am 
intensivsten  roth  gefärbt. 


Fl*.  15.  Fig.  16. 


Von  geringerem  diagnostischen  Werthe  sind  die  beiden  anderen  Formelemente 
des  Holzes.  Die  Parencbym zollen  sind  dicht  porös,  die  wenig  derbwandigeren 
Holzfasern  von  spärlichen  schiefen  Spalten  durchsetzt  (Fig.  15,  /).  Ein  bei 
Tangentialansichten,  wie  sie  in  Fragmenten  oft  sieh  darbieten,  Rehr  brauchbares 
Merkmal  ist  die  geringe  Breite  der  Markstrahlen;  sie  sind  meist  ein-  oder  zwei-, 
selten  dreireihig. 

Der  wichtigste  chemische  Bestandteil  der  Oichorienwurzel  ist  Zucker,  ausser- 
dem enthält  sie  einen  dem  Taraxacin  ähnlichen  Bitterstoff  und  Inulin. 
welch  letzteres  im  Laufe  der  Vegetationsperiode  au  Menge  bedeutend  zunimmt  und 
im  Herbste  gegen  50  Procent  betragen  kann.  Bei  dem  Mangel  an  speeifischen  In- 
haltsstoffen ist  der  chemische  Nachweis  der  Cichorie  schwierig,  wenn  nicht  gar 
unmöglich. 

Die  nachstehenden  Tabellen  geben  die  Resultate  der  neuesten  Untersuchungen 
von  Beckurts  und  Kaudeb  (Pharm.  Centralh.  1885): 


Digitized  by  Google 


C I C  II  0  R I K  N  K  A  F  F  E  E . 


135 


I.  Tabelle. 

Berechnet  auf  100  Theile  des  lufttrockenen  Pulvera. 


In  Wasser  lösliche  Substanzen 
In  Wasser  unlösliche  Substanzen 


68.54 

19.1 

12.38 
4.01 
2.2 
5.65 
»5.84 


Asche  

Fett  

Stickstoffhaltige  Substanzen  .  .  . 

Traubenzucker   

Traubenzucker  nach  der  Inversion 
der  in  Wasser  löslichen  Sub- 
stanzen   

Traubenzucker  nach  der  Inversion 
der  ursprünglichen  Substanz 

Holzfaser  


Zu  beachten  ist,  dass  den  Handelspräparate 
der  Röstung  absichtlich  Feuchtigkeit  zugeführt 


Käufliche 
Cichorie. 
Nr.  II. 


68.37 

21.57 
10.06 
4.55 
3.09 
4.57 
7.49 


I 


Käufliche 
Cichorie. 
Nr.  III. 


45.84 
47.0 
7.16 
6.25 
1.2 
4.7 
9.5 


Gerottete 
Cichorien- 

wurzel. 

Nr.  IV. 


58.85 
40.25 
0.95 
4.62 
0.7* 
7.05 
4.31 


J.  Konig's 

Durch- 
|  Bchütta- 
zahlen 
1  ireröBteter 
|  Cichorien- 
i  wurzel. 
Nr.  V. 

63.05 
24.79 
12.16 
6.12 
2.05 
6.09 
15.87 


15.15 

12.91 

ll.l 

9.59 

> 

27.26 

15.52 

36.7 

i  12.3 

y 

7.01 

7.53 

9.65 

25.98 

11.0 

n  durch  längeres  Liegenlassen  in  Kellern  nach 
wird. 


II.  Tabelle. 

Berechnet  auf  100  Theile  bei  107°  getrockneter  Substanz. 


Xr.  I. 


I 


: 


In  Wasser  lösliche  Substanzen     .  '  78.3 

In  Wasser  unlösliche  Substanzen  i  21.7 

Asche  !  4.5 

Fett  !  2.51 

Stickstoffhaltige  Substanzen  ...  1  H.4 

Tranbenzucker    7.8 

Traubenzucker  nach  der  Inversion 
der  in  Wasser  löslichen  Sub- 
stanzen   

Traubenzucker  nach  der  Inversion  I 

des  ursprünglichen  Präparates  .  i  31.1 

■i-'—    8.00 


,1 


17.3 


Xr.  II. 

76.01 
23.99 
5.06 
3.42 
5.08 
8.33 


14.24 

17.25 

8.38 


Xr.  III.    ,    Xr.  IV. 


Xr.  V. 


47.22 
50.6 
6.73 
1.29 
5.06 
10.2 


11.9 

39.5 
10.4 


57.4 
41.9 
4.66 
0.73 
7.12 
4.35 


9.68 

12.4 
26.*3 


71.78 
28  22 
6.97 
2.33 
6.93 
18.07 


y 

12.5 


III.  Tabelle. 

Analyse  der  Asche. 


Xr.  I. 


Xr.  II.       Xr.  III.       Xr.  IV. 


Xr.  V. 


Kali  (K,  O)  

Natron  (Na,  O)  .  .  . 
Phosphoreanre  (Pa  O.) 


28.25 
14.60 
13.25 


i 


22.75 
16.76 
10.85 


18.5 
6.53 
6.19 


38.48 
8.93 
16.7 


38.3 

15.63 

12.49 


IV.  Tabelle. 

In  100  Theilen  des  lufttrockenen  Pulvers  sind  enthalten: 


Xr.  I. 

Xr.  II. 

Xr.  nr. 

Xr.  IV. 

12.38 

10.06 

7.16 

0.95 

4.01 

4.55 

6.25 

4.62 

2.2 

3.09 

1.2 

0.72 

Stickstoffhaltige  Substanzen  .  .  . 

5.65 

4.57 

4.7 

7.05 

Traubenzucker   

6.84 

7.49 

9.5 

4.31 

8.31 

5.32 

1.6 

5.28 

Starke   

10.89 

2.44 

23.04 

2.44 

Sonstige  N-freie  Substanzen  .  .  . 

42.71 

54.95 

36.9U 

48.65 

7.01 

•7.53 

9.65 

*5.9S 

Xr.  V. 


12.16 
6.12 

2.05 
6.09 


15.87 

46.71 
11.00 

Digitized  by  Google 


136 


CICH  ORIENK  AFFEE.  —  CICHORIUM. 


V.  TabeUe. 

In  100  Theilen  bei  107°  getrockneter  Substanz. 


Nr.  I.     I    Xr.  II. 


Asche  

Fett  

Stickstoffhaltige  Substanzen  . 

Tniubenxacker  

Rohrzucker,  Dextrin  etc.   .  . 

Stärke   

Sonstige  N-freie  Substanzen  . 


4.5 
2.51 
6.4 
7.8 
9.5 
12.42 
48.87 
8.00 


I 


5.06 
3.42 
5.08 
8.33 
5.91 
2.71 
61.11 
8.38 


Nr.  III. 

6.73 
1.29 
5.06 

10.2 
1.7 

24.81 

39.78 

10.4 


Nr.  IV. 

4.66 
0.73 
7.12 
4.35 
5.33 
2.45 
49.13 
26.53 


Nr.  V. 


6.97 
2.33 
6.93 

|  18.07 

|  53.20 
12.5 


Fälschungen  des  sogenannten  Cichorienkaffees  sind  sehr  gewöhnlich.  Man 
benutzt  dazu  andere  leicht  erhältliche  fleischige  Wurzeln,  wie  die  des  Löwen- 
zahns (Lrcmtcdon  Taraxacum  L.)  und  der  verschiedenen  Rübenarten 
(l)ancus  Carota  L.,  Brauste  t  Iiapa  L.y  Beta  vulgaris  L.),  am  häufigsten  wohl 
die  bei  der  Zuckerfabrikation  abfallenden  „Rnbeuscbnitzel".  Der  mikroskopische 
Nachweis  dieser  und  anderer  Verfälschungen  wird  sich  darauf  stützen  müssen,  die 
Merkmale  der  Cichorien  wurzel  aufzufinden  und  fremdartige  als  solche  zu  erkennen. 
Die  leitenden  Kennzeichen  sind  die  Gefässe.  Beim  Löwenzahn  sind  sie  schmal 
und  breit  (spaltenfönnig)  getüpfelt,  bei  den  Rübenarten  sind  sie  gleich  den  Parcnchym- 
zellen  bedeutend  grösser  und  viel  spärlicher;  die  Rübeu  ermangeln  überdies  der 
Milchsaftgefässe. 

Wie  wenig  diesbezüglich  von  der  chemischen  Analyse  zu  erwarten  ist,  geht 
aus  der  folgenden ,  nach  Künii;  (Nahrungsmittel ,  II.  Aufl.)  zusammengestellten 
Tabelle  hervor: 


In  Ii 


Th 


1 

Stick- 
!'  ^off- 
Wasser  haltis* 
SiUr 
stanzen 

Fett 

Son- 
ptige 

Zurkvr  X  freit 
1  Sub 
1  stanzei 

Hol* 

>  

Asche 

In  1 
Wasser 
löf»lioho  i 
Stoffe  ; 

Cichorie  (geröstet)  .  . 

.   .  .    12.16  Ü.09 

2.05 

15.87  46.71 

.  n.o 

6.12 

63.05 

Cichorie  (frisch)  75.09 

Zuckerrübe  S3.91 


Futterrunkel  87.71 

Möhren   87.05 

I. 


1.01 

2.08 

1.09 
1.04 


049 
0.11 

0.11 
0.2  L 


I 


?  3.44 
9.31  - 

?  6.53 
2.51  4.23 


17.62  ;  0.97 
2.41 


2.73 


1.14 

0.98 


2.60  1.40 


0.78 
1.04 

0.95 
0.90 


J.  Moellor. 


Cichorium.  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Compositae.  Sparrig- 
ästige  Kriluter  mit  fiederspaltigen  oder  grobgezähnten  Blättern  und  blauen  Blnthen- 
köpfen  ,  deren  Hüllkelch  zweireihig  (die  5  äusseren  kurz ,  die  5  inneren  länger, 
aufrecht  und  am  Grunde  verwachsen;,  Blütbeu  zungenförnüg,  mehrreihig  sind.  »Sie 
sitzen  auf  einem  fast  bieneuzelligen  Fruchtboden,  besitzen  kreiseiförmige,  unge- 
schnäbelte  Acbänien  mit  kronenförniigem ,  aus  vielen  Spreublättchen  gebildetem 
Pappus. 

1.  Cichorium  Intybus  L. }  Wegwart,  Cichorie,  Chicoree, 
Chicory,  Succory,  ist  ein  ausdauerndes  Kraut  mit  spindelförmiger  Wurzel 
uud  vielköpfigem  Stengel,  der  unten  mit  schrotsägefönnigen,  gestielten ,  obeu  mit 
lanzettlichen,  sitzenden  Blättern  besetzt  ist.  Die  Wurzel  schmeckt  bitter  und  milcht 
im  frischen  Zustande. 

llerba  und  Itailix  Cicharii  sind  bei  uns  als  Heilmittel  nicht  mehr  oder  höchstens 
noch  hie  und  da  zu  Frühlingscurcn  in  Verwendung;  der  Cod.  med.  bedient  sich 
der  Wurzel  zur  Bereitung  eines  Es  trautes  und  der  Blätter  als  Tisane  und  Bestand- 
teil des  Sirup  de  Rhubarbe  conqtoHe. 

Digitized  by  Google 


CICHORIUM.  —  CIGARETTES  ANTIASTHMATIQUES.  137 

Um  so  ausgedehnter  ist  die  Anwendung  der  durch  Cultur  stark  vergrösserten 
Wurzel  als  Kaffeesurrogat  (vergl.  den  vorausgehenden  Artikel). 

2.  Cichorium  Endivia  L.,  ein  zweijähriges  Kraut  mit  buchtig  gezähnten, 
oben  stengelunifassenden  Blättern,  ist  eine  beliebte  Salatpflanze  und  wird  in  mehreren 
Spielarten  cultivirt.  j.  Mo  eller. 

CiCllta,  Gattung  der  Umbelliferae ,  Unterfamilie  Ammieae.  Ausdauernde, 
hohe,  kahle  Kräuter  mit  gefiederten  Blättern,  zusammengesetzten  Dolden  ohne  Hülle, 
aber  mit  vielblätterigen  Hüllchen  und  weissen  Blüthen  mit  fünfzähnigem  Kelch.  Die 
Früchte  sind  fast  kugelig,  zweiknöpfig,  die  Früchtchen  an  dem  zweitheiligen  Träger 
haben  5  stumpfe,  ungeflügelte  Rippen,  einstriemige  Thälchen  und  auf 
der  Fugenfläche  zwei  genäherte  Striemen. 

Cicuta  virosa  L  (Cicutaria  aquatica  Lam.J,  Wasserschierling, 
Oiftwütherich,  die  einzige  bei  uns  heimische  Art,  ist  ausgezeichnet  durch 
einen  weissen,  von  Querwänden  gefächerten,  milchendeu  Wurzelstock,  dreifach 
gefiederte  Blätter  mit  schmalen,  spitzen,  scharf  gesagten  Blättchen. 
Das  frische  Kraut  hat  ein  schwaches  Aroma,  trocken  riecht  es  gar  nicht  mehr, 
schmeckt  aber  gleich  dem  Rhizom  nach  Petersilie. 

In  allen  Theilen  der  Pflanze,  besonders  aber  in  dem  Wurzolstock,  ist  das  höchst 
giftige  Cicutoxin  (s.  d.)  enthalten,  und  es  sind  durch  Verwechslung  mit  anderen, 
genieasbareu  Rhizomen  schon  Todesfälle  eingetreten. 

Früher  wurde  Herba  CictUae  aquaticae  auch  als  Arzneipflanze  (Jiusserlich)  ver- 
wendet. Die 

Herba  Cicuta  e  der  gegenwärtigen  Pharmakopoen  ist  Conium  (s.d.). 

Cicutaöl.  Das  ätherische  Oel  der  Samen  von  Cicuta  virosa  (nicht  zu  ver- 
wechseln mit  dem  der  Wurzel)  besteht  vorwiegend  aus  Cymol  Cl0Hn  und  Cunün- 
aldehyd  C10  H13  0. 

Cl'CUtaria,  UmbelUfercn -Gattung  Toikxefokts,  synonym  mit  Cicuta  L. 

CiCUtSD,  C10  Hi(j,  ist  das  Terpcu  des  ätherischen  Oclcs  aus  der  Wurzel  von 
Cicuta  virosa.  Es  siedet  bei  166°  und  ist  rechtsdrehend.  Wie  alle  Terpene  liefert  es 
mit  H  CI  ein  einfaches  Additionsproduct,  Cl0  Hlü  .  H  Cl,  als  flüssige,  in  eiuem  Kälte- 
gemisch erstarrende  Verbindung.  Mit  Chlor  entsteht  ein  dickflüssiges  Product, 
Cl0  H,2  Cl4.  Ganswindt. 

CiCUtifl.  Mit  obigem  Namen  ist  ein  flüchtiges  Alkaloid  benannt  worden, 
welches  bei  der  Destillation  des  Wasserschierlings,  Cicuta  virosa,  gewonnen  werden 
soll,  dessen  Existenz  aber  sehr  fraglich  ist.  —  Das  durch  Destillation  der  Wurzeln 
des  Wasserschierlings  mit  Wasserdampf  erhaltene  ätherische  Oel  ist  neutral  und 
enthält  ein  Terpen,  C10II1C,  welches  auch  Cicutin  genannt  wird.  Es  ist  reebts- 
drehend,  hat  das  spec.  Gew.  0.87,  den  Siedepunkt  1(50°  und  gibt  mit  Chlor- 
wasserstoff feste  Verbindungen.  v.  Schroeder. 

CiCUtOXin  ist  von  Böhm  das  active  P  rineip  des  Wasserschierlings  genannt 
worden  ;  es  ist  von  ihm  dargestellt  worden  als  zähflüssige,  amorphe,  nicht  trocknende, 
sauer  reagirende,  wenig  riechende,  aber  widrig  schmeckende  Substanz,  durch  Be- 
handeln des  ätherischen  Extractes  mit  Petroleumather ,  in  welchem  sich  dieselbe 
nicht  löst.  Die  trockene  Wurzel  gibt  etwa  3.5,  die  frische  0.2  Procent  Cicutoxiu. 

Ganswindt. 

CiechOCinek  in  Russisch-Polen,  nahe  der  preußischen  Grenze,  besitzt  Soolen, 
welche  im  Liter  bis  zu  50  Salz  enthalten ,  ausser  Na  CI  hauptsächlich  Mg  Cl3 
CaC'lj,  MgBr,  Ca  SO,,  Mg  CO,,  Ca  C03. 

Cigarettes  antiasthmatiques,  indiennes,  pectorales  d'Espic  etc., 

8.  unter  A  sthma  mittel,  I,  pag.  690. 

Digitized  by  Google 


138  CILIÄTA.  —  CINA. 

C  Hielt  3,  Wimperinfusorien ,  nennt  man  jene  grosse  Abtheilung  von  Aufguss- 
thierchen,  welche  ohne  Geigsein  und  nur  mit  Flimmer-  oder  anderen  Bewegungs- 
haaren  versehen  sind.  Sie  haben  fast  stets  einen  Mund. 


Cilieil  heiasen  die  W  imperhaare  und  die  verschiedenartigsten ,  ihnen 
liehen  Gebilde ,  wie  z.  B.  die  haarfeinen  Protoplasmafaden  gewisser  Fortpflanzungs- 
zellen, die  Wimpern  des  Blattrandes  u.  A.  m. 

CimeX  leCtlllariUS  (homöopathisch),  alkoholische  Tinctur  aus  der  Bett- 
wanze (Acanthia  lectularia  L.). 

Cimicifuga,  LiNXE'sche  Gattung  der  Ranunculaceae ,  Paeonieae ,  welche  in 
neuerer  Zeit  mit  Actaea  L.  vereinigt  wird.  —  Radix  Cimicifugae,  Black  Snake 
root  der  Amerikaner,  s.  bei  Actaea,  Bd.  I,  120. 

Cimicifligin  (Hacrotin)  ist  eine  Concentration  nach  amerikanischer  Art  aus 
Cimicifuga  racemosa  Bart.  Das  Cimicifugin  wird  in  Dosen  von  0.06—0.25  g  als 
Tonicum,  Antispasmodicum,  Nervinum  gegeben.  —  S.  Concentrationen. 

Cina,  Artname  einer  zur  Abtheilung  Seriphidium  Hess,  gehörigen  Ar le- 
rntsia  (s.  Bd.  I,  pag.  619),  die  Berg  für  die  Stamrapflanze  des  Wurmsamens 
hielt  —  er  gründete  die  Diagnose  auf  die  in  der  Droge  enthaltenen  morphologischen 
Elemente  —  und  die  jedenfalls  sehr  nahe  verwandt,  wenn  nicht  identisch,  mit 
der  Artemisia  maritima  L.  oder  der  Var.  Stechmann iana  ist ,  welche  die 
neueren  Autoren  (Flückjoer,  Hanbury  nnd  Besser)  für  die  Stammpflanze  der 
Cina  halten.  Den  Namen  Art.  Cina  Berg  hat  auch  Willkomm  für  die  aus 
Turkestan  ihm  mitgebrachte  Wurmsamenpflanze  beibehalten ,  die  bis  auf  die 
Anzahl  der  Hüllkelch blätter  (hier  12,  in  der  Droge  bis  18)  mit  der  A.  maritima 
L.  übereinstimmt. 

Artemisia  Cina  Berg  (von  der  Pb.  Gall.,  Hisp.,  Russ.  als  Stammpflanzo 
der  Flor.  Cinae  angegeben),  in  Turkestan  einheimischer  Halbstrauch  mit  ge- 
wundenem Rhizom,  zahlreichen  30 — 50  cm  hohen  Stengeln.  Hauptinflorescenz  eine 
in  Folge  der  fast  anliegenden  Axen  besenförmige  Rispe.  Partialinflorescenzen 
(Köpfchen,  Körbchen)  an  den  Axen  in  lockeren  Aehren  angeordnet.  Basale  Blätter 
zur  Blüthezeit  bereits  abgestorben,  Stengelblätter  ziemlich  nahe  bei  einander,  die 
unteren  graugrün,  mit  einzelnen  Haaren  besetzt,  sonst  vollständig  kahl,  einschliess- 
lich des  langen  dünnen  Stieles  4— 6  cm  lang,  im  Umriss  länglich,  doppelt-fieder- 
schnittig. Abschnitte  lineal,  stumpfspitzig,  ziemlich  lang,  bis  0.5  mm  breit,  dicklich 
mit  umgerollten  Räudern  und  starken  Mittelnerven;  mitt 
lere  und  obere  Stengelblätter  allmälig  kürzer  gestielt  bis 
sitzend,  weniger  getheilt  bis  einfach  fiederschnittig,  dann 
drcithcilig  und  zuletzt  (die  Hochblätter)  lineal.  Letztere 
sehr  stumpf  uud  kürzer  als  ihre  achselständigen  Köpfchen. 
Blätter  in  den  Achseln  mit  Büscheln  von  in  der  Jugend 
grauweissfilzigen ,  zuletzt  kahlen  Blättern  (Kurztrieben). 
Die  unentfaltcten  Blüthenkörbchen  gegen  die  Blüthezeit 
3mm  lang,  länglich.  Hüllkelchblättchen  12,  locker 
zusaramenschliessend,  dachzicgelig  sich  deckend,  sehr  stumpf, 
concav,  mit  breitem,  durchsichtig  trockenhäutigem  Räude  Cinn.  geschlossen  und  lon 
und  grünem  Mittelstreifen,  sonst  grau  oder  gelblichbrauu,  Ptudi™1  >'«lb^- v^gr.  so. 
die  untersten  eiförmig-elliptisch,  die  obersten,  etwa  dreimal  längeren,  lineallänglich 
und  am  oberen  Rande  mit  einigen  Wimperhaaren  besetzt ,  im  Uebrigen  alle  Blätt- 
chen kahl,  glänzend  und  auf  dem  Mittelstreifen  sowohl  aussen  wie  innen  mit  zahl- 
reichen, goldgelben,  harzftihrenden  Papillen  dicht  besetzt.  Die  obersten  Hüllkelch- 
blätter schliessen  3 — 6  Blüthen  ein,  die  zur  Zeit  des  Aufblühens  1 — 2.4  mm  lang 
sind  (Fig.  17).    Die  Blüthen  sind  hermaphrodit.  Das  Receptaculum  ist  flach  und 


Digitized  by  Googl 


CINA. 


1:J9 


nackt.  Der  Fruchtknoten  verkehrt  eiförmig  und  kaum  ein  Viertel  so  lang,  als  die 
umgekehrt-kegelförmige  gamojx»tale  Corolle,  deren  stumpfdreieckige  Abschnitte, 
Bowie  die  Kronenröhre  zahlreiche  kleinere,  gelbe  Papillen  tragen. 

Artemisia  maritima  L.  var.  StecJtmanniana  Besser  (A.  Lercheann 
Karel  et  Kiril,  A.  maritima  var.  a  paueißora  Weber,  von  der  Ph.  Brit.,  Un.  8t. 
und  Gall.  als  Stammpflanze  der  Flor.  Cinae  angegeben),  weicht  von  der  vorigen, 
wie  es  scheint,  nur  dadurch  ab,  dass  sie  (nicht  12,  sondern)  18  Hüllkelchblätter 
besitzt.  Doch  wechselt  diese  Zahl  uud  kann  hierauf  wohl  kaum  eine  Unterscheidung 
gegründet  werden.  In  der  Droge  finden  sich  meistens  mehr  wie  12  Hüllkelchblätter, 
doch  sind  auch  12  nicht  gerade  selten  anzutreffen.  Jedenfalls  stimmt  die  Droge, 
wie  zuerst  Besser  zeigte,  am  meisten  mit  den  Körbchen  der  A.  maritima  L.  var. 
Stechmanniana  überein. 

Die  Hauptart  maritima  L.  ist  stellenweise  verbreitet  über  den  grössten  Theil 
der  gemässigten  Gegenden  Nordeuropas  und  Nord-  und  Mittelasiens,  besonders  an 
den  Küsten  (daher  maritima)  und  an  salzreichen  Stellen  des  Binnenlandes  in  West- 
europa, Südengland,  der  baltischen  Küste,  in  Südrussland,  der  Mongolei  etc.  Die 
var.  Stechmanniana  scheint  aber  eine  viel  beschränktere  Verbreitung  zu  haben, 
wenn  anders  sie  die  Stammpflanze  des  Wurmsamens  ist,  denn  letzterer  kommt  und 
kam  nur  aus  der  Kirgisensteppe,  aus  dem  Gebiete  des  Don,  der  unteren  Wolga 
(8arepta)  und  Turkestan,  besonders  dem  Flussgebiete  des  Arys-su,  stets  in  gleicher 
Beschaffenheit  zu  uns,  nirgends  sonst  her.  In  ungeheurer  Menge  wächst  sie 
in  der  verbältnissmässig  feuchten  Umgegend  von  Tschenken  t.  Diese  Varietät  unter- 
scheidet sich  von  der  reinen  maritima  durch  niedrigeren  Wuchs  und  wenig  be- 
blätterte, kahle  Blüthenstände.    Ledeboür  hält  sie  für  eine  eigene  Art. 

Bextley  and  Trimex  geben  von  dar  A.  mar  itima  var.  Stech- 
manniana, die  sie  als  synonym  mit  A.  paueißora  Weber,  A.  marit.  var. 
paueißora  Ledeb.  A.  Lercheana  Kar.  u.  Kir.  (non  Weber)  bezeichnen,  unter 
Voranstellung  des  Namens  A.  paueißora  Weber  (non  Willd.  nec  Bieb.)  folgende 
(von  einer  Abbildung  begleitete)  Beschreibung: 

Eine  kleine,  halb  strauchartige  perennirende  Pflanze  mit  einem  geknoteten,  faserigen  Wurzel- 
stock, der  sich  nach  oben  verzweigt  und  ans  welchem  zahlreiche  kurze  blätterige  Schösslinge 
nnd  viele  aufrechte  Stengel,  ungefähr  1  Fuss  hoch,  entstehen.  Die  Stengel  sind  schlank,  zart, 
cylindrisch  ,  zuerst  gleichmässig  mit  einem  feinen  weissen  Filz  bedeckt,  später  kahl  und  nur 
stellenweise  wollig,  zuerst  am  unteren  Theile  beblättert,  später  kahl,  oben  reich  verzweigt; 
die  Zweige  sind  anfrecht.  Die  Blätter  klein,  die  grössten  bis  zu  1  Zoll  lang,  alternirend,  die 
der  blätterigen  Schösslinge  lang  gestielt,  tief  doppelt flederspaltig,  die  Segmente  stumpf  linear; 
manchmal  wieder  dreitheilig,  eingerollt  und  sehr  wollig,  wenn  sie  jung  sind,  nachher  grau; 
die  Stengelblätter  an  kürzeren  Stielen  und  mit  engeren  Segmenten,  bald  abwelkend,  die  obersten 
einfach.  Die  Köpfe  klein,  ungefähr  '/,„  Zoll  lang,  oval-oblong,  stumpf,  sitzend  oder  kurz  ge- 
stielt, in  den  Achseln  von  kürzeren,  linearen  Blättern,  anfrecht,  etwas  dicht  um  den  oberen 
Theil  der  schlanken  ruthenfönnigen  Zweige  gereiht,  unterbrochene,  verlängerte,  spitze  Rispen 
bildend;  das  Ganze  zeigt  eine  ziemlich  dichte,  aufrechte,  besenartigo  Inflorescenz;  die  Reihen 
der  Hüllkelchblätter  lü — 18,  ziegelig  übereinander  gelegt,  die  äusseren  die  kürzesten,  die 
innersten  die  längsten,  oblong,  stumpf,  concav,  die  inneren  an  der  Spitze  eingekerbt,  alle  mit 
einer  breiten,  dicken,  gelblichgrünen  Mittelrippe,  gewöhnlich  mit  kurzer,  grauer  Wolle  bedeckt 
nnd  (die  änssersten  ausgenommen)  mit  einem  durchscheinenden,  trockenen,  kahlen  Rande  ver- 
sehen (am  breitesten  in  der  inneren  Reihe),  an  welchem  zahlreiche,  zerstreute  Drüsen  sitzen. 
Blüthen  3  bis  5  in  jedem  Kopfe;  Kelch  ein  blosser  Kand;  Blumenkrone  röhrenförmig,  alhnälig 
an  der  Basis  verengt,  mit  5  kurzen  dreieckigen  Segmenten ,  die  Röhre  änsserlich  mit  Drüsen 
bedeckt ;  Stamina  mit  einem  terminalen  Spitzchen ;  der  Griffel  mit  'i  kurzen  dicken  Schenkeln, 
oberwärts  breiter  mit  büschligen  Enden. 

Sollte  sich  die  Identität  der  A.  Cina  mit  der  A.  maritima  L.  var.  Stech- 
manniana herausstellen,  so  müsste  der  letztere  Name  aus  Prioritätsgründeu  voran- 
gestellt werden. 

Auch  A.  pauciflora  Weber  wird  von  Einigen  (Bextley  and  Trimex)  als 
identisch  mit  A.  maritima  L.,  und  A.  Lercheana  als  eine  Varietät  der  A.  mari- 
tima betrachtet  (Boisseer). 

FLtCKlGEK  fand,  dass  Willkmom's  A.  Cina  Berg  mit  der  Artnnisia  paueißora 
bei  Bextley  and  Trimex  (aus  der  Dsungurei),  ferner  mit  den  ihm  aus  Sarepta 


Digitized  by  Google 


140 


CINA. 


und  Zaritzin  (an  der  unteren  Wolga)  gesandten,  als  wurmsamenliefernd  bezeichneten 
Pflanzen,  sowie  mit  der  Droge  des  deutschen  und  russischen  Marktes  übereinstimmt. 
Ihm  folgend  gibt  die  Ph.  Genn.  11.  als  Stammpflanze  der  Flor.  Cinae  Artemisia 
maritima  vor. ,  die  Ph.  Brit. ,  Un.  St.  und  Gall.  A.  maritima  var.  Stech- 
manniana  an. 

Sicher  ist,  dass  der  Wurmsamen  des  deutschen  und  russischen  Handels,  wie 
schon  Berg  nachwies,  weder  von  Artemisia  Vahliana  Kosteletzky  (A. 
Contra  Vahl) ,  wie  Treviraxus  und  Nees  glaubten  und  die  Ph.  Austr.,  Hung. 
und  Rom.  noch  jetzt  irrthtlmlich  angehen ,  noch  von  Art.  Sieberi  Betts,  oder  Art. 
inculta  Delile  (Berg),  noch  \on  Artemisia  Contra  L.f  wie  die  Ph.  Belg,  und 
Graec.  meinen,  stammt  (Tschircb).  Reine  der  beiden  Pflanzen  liefert  irgend 
welchen  Wurmsamen.  Die  Ph.  Dan.,  Fenn.,  Helv.,  Ncerl.,  Norv.,  Suec.  lassen  es 
unbestimmt,  welches  die  Stammpflanzc  ist  und  bezeichnen  nur  verschiedene  Species 
der  Gattung  Artemisia  als  Cina  liefernd.  Bei  der  Unsicherheit,  die  zur  Zeit  über 
die  Stammpflanze  noch  herrscht ,  dürfte  es  das  Richtigste  sein,  dieselbe  in  folgen- 
der Weise  zu  bezeichnen:  Artemisia  -Arten  der  Abtheilung  Seriphi- 
dium  (A.  maritima  var.  Stee/tmatniiana?). 

Floren  Cinae  oder  Striae  (von  dem  italienischen  Hcmenza  [Samen],  senien- 
zina.  Sementina  [Diminutiv  davon]  abzuleiten,  also  Samen  **t'  icfiyr^),  Cina 
anthodia ,  Capitule  Cina ,  Semen  Cinae ,  Semen  Contra ,  Semen  Santontei, 
Semen  sonetum,  Santonica,  Simiente  de  Alejandria,  Semcncinc  ou 
Barbotine,  Cina,  Sem.  Zedoariae,  Zittwersamen,  Wurms  amen,  Worm- 
seed.  Scmi  da  vermi,  Semente  da  vertni.  In  allen  Pharmakopoen. 

1.  Die  levantische  Cina  (richtiger  russische  Cina),  alleppische  oder 
alexandrinische  Cina,  igt  der  jetzt  al  lein  in  Gebrauch  gezogene  Wurm- 
samen. Er  kommt  in  Sacken  zur  Ztit  vornehmlich  aus  der  Kirgisensteppe,  be- 
sonders dem  Bezirke  Semipolatinsk,  über  Orenburg  n*eh  Nischni-Nowgorod  f während 
der  grossen  Messe,  15.  Juli  bis  27.  August,  der  Hauptstapelplatz  für  Cina)  und 
von  dort  uaeh  Moskau,  Reval,  St.  Petersburg  und  Stettin,  aber  auch  aus  dem 
eigentlichen  Turkestan,  wo  die  Wnrmsamenpflanze  im  Thaie  des  in  den  Syr- 
Darja  mündenden  Gebirgsflusses  Arys-su  (Arissi)  im  Tschenkent'sehen  Kreise  (dort 
heisst  die  Pflanze  Darmena  >  sogar  cultivirt  wird,  in  den  Handel.  Um  die  theuren 
Transportkosten  zu  sparen  (U8  Procent  der  Droge  sind  Ballast,  da  sie  nur  2  Procent 
Santonin  liefert),  wurden  vor  einiger  Zeit  Santouinfabrikcu  in  Orenburg  (188G  ein- 
gegangen) und  in  Taschkent  und  Tschenkeut  (Ivaxoff  &  Ssawinkoff)  im  Sir  Darja- 
gebiete  eingerichtet,  die  den  grössten  Theil  der  Ernte  sofort  verarbeiten.  In  der 
Gegend  von  Sarepta  wird  zur  Zeit  koiu  Wurmsamen  mehr  gesammelt  (Flückiger). 
Auch  in  Südamerika  soll  jetzt  Cina  cultivirt  werden.  Auf  der  südamerikanischen 
Ausstellung  in  Berlin  1886  sah  ich  keine  Proben  davon.  Auf  Santonin  wird  die 
Cina  ausser  in  Deutschland  (Boehr  1  x < j kr)  wenig,  angeblich  nur  in  New- York  und 
Edinburgh  (und  den  oben  genannten  Orteu)  verarbeitet.  Eine  gute  Methode  zur 
Santoninbestimmuug  in  der  Cina  gab  Ehlinger  (1886). 

Die  Droge  des  heutigen  Handels  ist  sehr  gleichförmig  und  rein,  in  den  besseren 
Sorten  sogar  noch  von  schön  grüner  Farbe.  Sie  wird  fast  ausschliesslich  von  den 
(in  verschiedenen  Stadien  der  Entwicklung  befindlichen)  unaufgeblüthen,  daher  noch 
geschlossenen,  länglich  prismatischen  Blüthenkörbchen  gebildet,  nur  wenige  dünne, 
kable,  2 — 3  mm  lange  Blüthenstielehen  oder  Stengelreste  und  lineale,  drüsige,  kahle, 
rinnige  Blattzipfel  oder  Blattreste  finden  sich  hier  und  da  darunter  (nach  der  I*h. 
Germ,  dürfen  sie  nicht  darin  sein).  Niemals  fand  ich  darin  die  Körbchen  anderer 
Artemisieu.  Die  (einzeln  oder  seltener  zu  zweien  an  kurzen  Stielen  sitzenden)  Blüthen- 
körbchen  sind  2 — 4  mm  lang  (2  mm  Ph.  Austr.,  Dann.,  Hung.,  Neerl.,  Un.  .St., 
2.5  mm  Ph.  Brit.,  3  mm  Ph.  Hisp.),  0.5  — 1.5  mm  breit,  fast  kahl,  etwas  glänzend, 
grün,  graugrün,  die  schlechteren  und  Alteren  Sorten  braungrtin  (die  Droge  dunkelt 
nach),  beiderseits  verschmälert.  Der  dachziegelige  Hüllkelch  umschiiesst  3 — 5  Bltitheu, 
die  noch  unentwickelt  sind :  ihre  Narben  sind  noch  nicht  getrennt.  Die  Blüthen  sind 


Digitized  by  Google 


CINTA. 


vollständig  in  dem  Hüllkelch  verborgen  und  oft  so  klein,  dass  man  sie  kaum 
wahrnimmt.  Sie  besitzen  einen  glockenförmigen,  bräunlichen  Saum.  Die  12 — 20 
(12 — 18  Ph.  Germ.)  Hüllkelchblätter  sind  anliegend,  die  unteren  kleiner  (daher 
ist  das  ganze  Köpfchen  nach  unten  verschmälert) «  entfernter  und  eiförmig,  die 
oberen  dichter  gedrängt,  mehr  länglich  und  spitzlich,  auf  dem  Rücken  stark  ge- 
kielt und  dort  an  dem  zarten ,  bis  dicht  an  die  stumpfe  Blattspitze  verlaufenden 
Mittelnerven  mit  (besonders  bei  den  jüngsten  Körbchen  sehr  zahlreichen)  kleinen, 
glänzenden  Oeldrüschen  besetzt,  am  Rande  farblos  durchscheinend,  häutig,  drüsen- 
los,  feingestreift,  hier  und  da  an  der  Spitze  etwas  ansgebissen.  In  Folge  der 
Kielung  der  Hüllkelchblätter  erhält  das  Köpfchen  ein  unregoltuässiges  höckeriges 
and  gerundet-kantiges  Aussehen. 

Die  Anatomie  der  Deckblätter  ist  einfach.  Der  Kiel  besteht  aus  einem  kleinen 
Bündel,  um  welches  sich  grünes  Palissadenparenohym  lagert.  Die  Flügel  sind  ein- 
zellig. Wo  diese  dem  Mitteitheile  ansitzen,  sind  besonders  auf  der  Aussenseite  die 
kleinen  Oeldrüsen  der  Epidermis  eingefügt.  Sie  besitzen  den  Bau  der  Labiateu- 
drüsen,  haben  aber  nur  zwei  Secernirungszellen.  Die  bei  Artemisia-Arten  sonst  so 
verbreiteten  T-förmigen  Haare  fehlen  der  Abtheilung  Seriphidium. 

Die  Droge  besitzt  eine  körnige  Beschaffenheit,  d.  h.  die  einzelnen  Blüthen- 
körbchen  hängen,  da  sie  kahl  sind,  nicht  durch  Filzhaare  zusammen.  Nur  sehr 
selten  ist  ein  schwach  behaartes  Köpfchen  beigemengt.  100  Köpfeben  wiegen  nur 
0.08  g  (FlCckigbb). 

Sic  besitzt  einen  eigentümlichen ,  durchdringenden ,  kräftig  widerlich  aroma- 
tischen Genich  und  einen  bitteren,  ekelerregenden,  etwas  kühlend  gewürzhaften 
(Ph.  Germ.)  Geschmack. 

Die  Cina  aus  Sarepta  und  Zaritzin,  die  Fllckigrr  von  dort  erhielt  und  die 
wohl  mit  der  früher  einmal  von  dort  in  den  Handel  gebrachten  übereinstimmt, 
zeigt  schön  rothe,  aus  dem  Fruchtkelche  hervorragende  aufgeblühte  Corollen.  Einer 
anderen  thut  Bbbg  Erwähnung  mit  dem  Vermerk ,  dass  dieselbe  als  levantische 
Cina  über  Petersburg  in  den  Handel  kam  und  angeblich  von  Kalmücken  nach 
lüscbni-Nowgorod  gebracht  worden  war.  Sie  hatte  ein  matteres,  verstäubtes,  nicht 
lebhaft  grünes  Aussehen  und  schien  unter  der  Lupe  etwas  behaart.  Bebg  glaubt, 
dass  sie  von  der  gleichen  Stammpflanze  abzuleiten  sei. 

Die  indischen  Bazare  führen  eine  Cina,  die  von  der  levantischen  nicht  wesent- 
lich abweicht  (  Fi.Cckiger-Hanbuby).  Sie  heisst  in  Bombay  Kinnänee  owa  und 
wird  aus  Afghanistan,  Persien  und  Cabul  nach  Bombay  gebracht  (Dymockj. 

Die  levantische  Cina,  deren  beste,  gesiebte  und  vom  Staub  befreite 
Sorte  wohl  als  FLores  Cinae  in  granis  s.  depurati  geführt  wird,  ist  die  einzige, 
die  für  uns  in  Betracht  kommt.  Die  anderen  Sorten  sind,  seitdem  das  Santonin 
in  Fabriken  dargestellt  wird,  aus  dem  Handel  verschwunden  oder  doch  sehr  selten 
geworden.    Es  sind  dies: 

2.  Floren  Cinae  rossici  a.  indici,  indische  Cina  (verboten  von  der  Ph.  Austr.,  Dan., 
Uung.,  Runs  ).  Dieselben  wurden  in  den  Steppen  an  den  Ufern  der  Wolga  bei  Sarepta  und 
Saratow  gesammelt.  Sie  besitzen  eine  mehr  odor  minder  entwickelte,  spinnwebige  Haarbekleidung, 
die  Droge  ist  daher  nicht  voji  körniger  Beschaffenheit.  Die  indische  Cina  ist  breiter  und  grösser 
als  die  levantische,  oft  schon  anfgeblüht  und  mit  grösseren  Drüsen  besetzt.  Die  mir  vorliegende 
Droge  ist  sehr  unrein. 

Berg  unterschied  davon  2  Sorten: 

a)  Florea  Arteminiae  pauciflorae  s.  Cinae  Indici  s.  Semen  Cinae  Indicttm  von 
Artemütia  patteiflora  Stechm.  und  Art.  monogyna  Waldst.  <£  Kit.  microeephala  DC.  Die 
Bluthenkörbchen  sind  theils  geschlossen  und  länglich,  theils  geöffnet  und  dann  becherförmig, 
braun,  3  —  4  mm  lang,  1 — 2  mm  breit,  mit  zarten,  weisslichen,  längeren  oder  kürzeren,  spinn- 
webigen Wollhaaren  locker  besetzt,  so  dass  sie  auch  erst  nnter  der  Lupe  sichtbar  werden. 
Die  inneren  Hüllkclchschuppen  sind  schmal  lanzettlich,  glänzend,  mit  starkem,  fast  auslaufen- 
dem Kiel ,  an  diesem  mit  grösseren ,  gewöhnlich  orangerothen  Oeldrüsen  besetzt ,  am  Ende 
häutig,  durchscheinend,  die  aufgeblütheu  BlUthen  haben  eine  schön  rothe  Farbe.  Diese  Sorte 
ist  nie  so  rein,  wie  die  vorige  und  enthält  noch  reichlich  spinnwebig  wollige  Aestcheu  und 
auch  fremde  Beimengungen;  in  Masse  gesehen  hat  sie  eine  gelbbräunliche  Farbe. 

b)  Flor  es  Artetnisiae  Lercheanae  von  Artemisia  Lercheana  Stechm.,  Gmelittiana 
DC.  Sie  unterscheiden  sich  von  der  vorhergehenden  Art  durch  den  dichten  grauweissen  Ueberzug. 

Digitized  by  Google 


CINA. 


3.  Flores  Cinae  barbarici,  Sem.  Cin.  barbaric.  e.  a/riean.,  afrikanische  oder 
berberische  Cina  (verboten  von  der  Ph.  Belg.,  Austr..  Dan.,  Hang.,  Rns8.),  von  Artemisia 
ramosa  Smith  (?J.  Diese  Sorte  kommt  jetzt  gar  nicht  oder  nur  noch  äusserst  selten  ans  Nordwest- 
Afrika  in  ovalen,  umflochtenen  Ballen  über  Livorno  in  den  Handel.  »Sie  bildet  ein  bräunlich- 
weissgraues,  durch  reichliche  Behaarung  locker  zusammenhängendes  und  leichtes  Gemenge  von 
zerbrochenen  Aestchen,  Blättern  und  sehr  unentwickelten,  gehäuft  sitzenden  Blüthenküpfchen. 
Die  älteren  Köpfchen  sind  rundlicheiförmig,  graubräunlich,  durch  starke  Behaarung  fast  weiss- 
lieh  grau ,  mit  stumpfen  Hüllkelchblättern ,  deren  untere  rundlich ,  deren  obere  eiförmig  sind 
und  1—3  sehr  kleine  Blüthenknospen  einschliessen  (Berg).  Rosenthal  leitet  den  afrika- 
nischen Zittwersaincn  von  A  Sieberi  Hess.  (A.  ylomerata  Sieb.,  A.  contra  Lj,  Schleiden 
von  A.  inculta  Del.  ab.  Die  berberische  Cina  ist  durch  Granfilzigkeit  uharakterisirt  (Ph. 
Austr..  Dan.,  Hang.).  Bichl  i  fand  (1885)  Sem.  Cin.  burbur.  santoninfrei. 

4.  Flor,  Cinae  ostitidici,  jetzt  nicht  mehr  im  Handel,  auch  früher  sehr  selten,  von 
dunkelgraubrauner  Farbe.  Die  Köpfchen  gleichen  in  Grösse  und  Umriss  fast  den  lovantischen, 
die  Hüllkelchblätter  sind  aber  ohne  Röckenleiste,  glänzend,  mit  wenigen,  aber  etwas  grösseren 
Drüsen  als  bei  der  levantischen  Sorte,  mit  geringem  Haarüberzug,  die  innersten  vollständig 
durchscheinend-häutig.  Die  Blütheu  sind  aufgeblüht  und  fast  2.5  mm  lang  (Schleiden). 

Die  Blüthenkörbchen  der  Artem.  gallica  JU.,  in  denen  Santouin  enthalten  ist, 
werden  seit  altershcr  in  Frankreich  als  Wurmmittel  benutzt  (Flockiger),  ebenso 
andere  Arten  in  anderen  Ländern  (Rosenthal).  Unter  dem  Namen  Sem.  Ginac 
hungaricae  besitze  ich  eine  Droge  fraglichen  Ursprungs,  die  fast  nur  aus  ent- 
wickelten Blflthen  untermischt  mit  Hüllkelchblattern  besteht. 

Ausdrücklich  lovautische  Cina  verlangen  die  Ph.  Austr.,  Dan.,  Fenn.,  Norv., 
Russ.,  Neerl.,  Suec.  letztere  beide  noch  ausdrücklich  die  über  Russland  eingeführte 
Waare  (Hirsch^.  Nach  dem  Wortlaut  des  Textes  ist  auch  nur  diese  von  der 
Ph.  Germ.  II.  erlaubt.  Verboten  werden  von  der  Ph.  Belg,  die  berberische,  von 
der  Ph.  Austr.,  Dan.,  Hung.,  Russ.  diese  und  die  indische  Cina. 

Die  jetzt  im  Handel  befindliche  levantische  Cina  ist  sehr  rein.  Verfälschungen 
kommen  kaum  vor,  man  hat  nur  darauf  zu  sehen,  dass  die  Farbe  der  Droge  mög- 
lichst grün  ist,  ein  sicheres  Kennzeichen  frischer  Waare. 

Von  möglichen  Verfälschungen  seien  genannt:  Flor.  Tanäceti,  Santolinae, 
Artemisiae  camjtestris  (wohl  am  ehesten  %  möglich),  Fruct.  At/jotcanae  und  Petro- 
selini.  Alle  diese  Verfälschungen  sind  'leicht  zu  erkennen,  mir  aber  noch  nie 
begegnet. 

Zu  verwerfen  ist  eine  dumpfig  riechende,  bleiche  oder  braune  oder  mit  zu  vielen 
Stengeln,  Blättern  i  Ph.  Germ.,  Russ.)  oder  Sand  vermischte  Waare.  Letztere  Ob- 
jecte  sind  eventuell  auszulesen  (Ph.  Belg..  Rom.). 

Die  Hauptmenge  der  Droge  geht  nach  Deutschland,  besonders  wohl  zur  Santonin- 
fabrikation.    Die  Sendungeu  waren  1885  schon  spärlicher  geworden  (Gehe). 

Aufbewahrt  wird  die  Droge  in  Blech-  oder  Glasgefässen  vor  Licht  geschützt. 
Behufs  Pnlverung  trocknet  man  zuvor  bei  30°.  Bei  50 — tiO°  getrocknete  wird  er- 
fahrungsgemäss  von  Kindern  besser  vertragen.  Flor.  Cinae  ejaticeatt\  heiss  prä- 
parirte  Zittwersamen ,  ausgetrocknete  Cinablütheu ,  bereitet  man  in  der  Weise, 
dass  man  2—3  Tage  im  Trockenschrank,  hierauf  12  Stunden  im  Wasserbade 
trocknet  und  daun  pulvert ,  auch  diese  Cina  wird  besser  vertragen.  Durch  die 
Manipulation  wird  das  ätherische  Oel  zum  Theil  entfernt. 

Die  levantische  Cina  enthält  1 — 3  Pr*»eent  ätherisches  Oel  <  0.910 — 0.915  spee. 
Gew.,  Flückigkri .  vornehmlich  wohl  aus  C10  II10  0  besteheud.  von  demselben 
Gerüche  wie  die  Droge,  und  zu  1.5— 2  Procent  das  (von  Apotheker  Kahler  1830 
entdeckte)  die  wurmtreibende  Wirkung  der  Droge  bedingende  Santouin,  ClfV  Hia  03? 
einen  Körper,  der  ausser  iu  der  Abtheilung  Seriphidium  der  Gattung  Artemixia 
(A.  gallica  gehört  in  dieselbe j  in  keiuor  anderon  Pflanze  bisher  gefunden  wurde. 
Es  fiudet  sich  schon  in  der  Droge  selbst  krystallisirt  vor  und  kann  durch  Auf- 
weichen derselben  in  einem  Tropfen  Wasser  und  Auseinanderlegen  der  Hüllkelch  - 
blätter  leicht  mit  dein  Polarisationsmikroskop  erkannt  werden.  Die  levantische  Cina 
enthält  nach  Fr.f  <  kk;kr  und  Ehlixger):  im  Mai  0.151  Procent.  Jnni  0.470  Pro- 
cent,  Anfang  Juli  l.OOii  Procent,  Ende  Juli  1.315  Pr«>cent,  August  1.141  Procent, 
September  nichts  (russischen  Kalenders;.    Santouin  ist  nur   in  den  oberirdischen 


Digitized  by  Google 


CINA.  —  CINCHONA. 


143 


Theilen  vorhanden,  nicht  in  der  Wurzel.  Ferner  enthält  die  levantische  Cina  Cinen, 
C'inaben,  Harz,  Malatc,  Schleim,  Bitterstoff,  Cerin  ,  Zucker  (Wackenkodkb).  Die 
Droge  enthält  etwa  10  Procent  Wasser  (Flückiger)  und  6.5  Procent  Asche,  darin 
18  Procent  Kieselerde  (Jahns). 

Man  verwendet  Cina  als  Wurmmittel  vorzüglich  gegen  Nematoden  (Ascan's 
Unnbricoide*),  doch  wird  die  Droge  selbst  oder  die  daraus  bereiteten  Oonfectio 
Cinae,  Extractum  Cinae  aethereum,  Syrupus  Cinae  immer  mehr  durch  das  Santonin 
selbst  ersetzt,  welche«  eine  sichere,  gleichmäesigere  und  reinere  Wirkung  übt. 

Dem  letzteren  sind  auch  die  wiederholt  vorgekommenen  Vergiftungen  zuzu- 
schreiben. Einzelgaben  von  Flores  Cinae  sind  0.5 — 2.0,  nach  10.0  hat  man 
schon  tödtlicbe  Vergiftung  beobachtet.  Als  Gegenmittel  ist  vor  Allem  die  Ent- 
leerung des  Magens  vorzunehmen ,  dann  können  Analeptica  gereicht  werden. 
Eine  gewöhnliche,  noch  nicht  als  toxisches  Symptom  zu  deutende,  aber  immerhin 
zur  Vorsieht  mahnende  Erscheinung  beim  Gebrauche  der  Cina  ist  das  Gelbsehen. 
Auch  ist  der  Harn  (bei  saurer  Reaction)  oft  gelb  gefärbt  und  wird  bei  Zusatz  von 
Alkalien  purpnrroth. 

Literatur:  Bentley  and  Trimen,  Medic.  plant*.  Nr.  157.  —  Besser,  Ball.  Soc. 
imp.  d.  Mose.  VII.  1834.  —  Boissier,  Flor,  orientalig.  III.  —  Berg-Schmidt,  Atlas. 
Tat".  XXIX  c.  —  Will  komm,  Ueber  die  Stammpflanse  der  Flor.  Cinae  leianticae.  Botan. 
Zeit   1872.  —  Faust  o.  Horn  ev  er,  Ber.  ehem.  Ges.  1874.  —  Jehn,  Arch.  d.  Pharm.  32. 

—  Kahler,  ebenda  34.  —  R.  Mayer,  über  das  Santonin,  Inaug.-Wssert.  Tübingen  1838. 

—  Vogl.  Commentar  zur  Österr.  Pharm.  —  Schleiden,  Handb.  d.  medic.-pharjj.  Bot.  18 >2. 

—  Flockiger,  Pharmacognosie  und  Arch.  Pharm.  1886.  —  Flückiger-Hanbury, 
Pharmacograpbia.  —  Dymock,  Veget.  mat.  med.  of  West.  Ind.  —  Die  chemische  Literatur  in 
Hasemana-Hilger,  Pflauzeostoffe.  Tschircb. 

Cinchamidin,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  695. 
Cinchen,  s.  ch  i  n  a  a  I  k  a  1  o  i  d  e,  Bd.  II,  pag.  688. 
CinchOCerOtl'n,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  695. 
CinChOÜn,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  695. 

Cinchomeron säure.  8.  chinaalkaloide,  Bd.  n,  pag.  673. 

• 

CinChOna,  Gattung  der  Rubiaceae,  Cnterfamilie  Cinchoneae,  Section  Eucin- 
choneae.  Die  Schreibweise  Cinchona  ist  aus  Rücksichten  des  Wohllautes  jetzt 
allgemein  eingebürgert,  obwohl  sie,  da  die  Pflanze  zur  Erinnerung  an  Anna  von 
Osorio,  Gräfin  von  Chinchon,  Vicekönigin  von  Peru  (1629 — 1 639 ),  benannt  wurde, 
richtiger  Chinchona  (Tschin Schöna)  heissen  müsste,  welche  Schreibweise  Makkham 
''1*74;  in  einer  besonderen  Streitschrift  warm  verfocht. 

Die  Cinchonen  sind  in  der  Andenkette  des  westlichen  Südamerika  einheimisch, 
die  gute  Chinarinden  liefernden  jedoch  auf  einen  t>estimniten  Höhenbezirk  be- 
schrankt und  an  eigenartige  klimatische  Verhältnisse  gebunden  i's.  Chinarinden;. 
Durch  Cultur  sind  sie  nach  Java,  Ostindien,  Ceylon .  .lamaica  und  andere  Orte 
verpflanzt. 

Die  Cinchonen  sind  hübsche  (habituell  unserer  Syringe  ähnliche),  immergrüne 
Gewächse  von  Strauch-  oder  (meistens;  baumartigem  Wuchs  und  bitterer  Rinde,  die 
gegenstandigen  Zweige  sind  cylindrisch  und  stumpf-4kantig.  Der  Habitus  der 
südamerikanischen  Cinchonen  ist  vortrefflich  ö<-'i  Wei>dkll,  der  der  Culturbiiume  in 
Java  sehr  charakteristisch  bei  Mokxs  ( photographisch )  wiedergegeben.  Die  selbst  am 
gleichen  Baume  bisweilen  in  Gestalt  und  Grosse  veränderlichen  Blätter  sind  entweder 
krautig  oder  etwa^  lederig,  glänzend,  gegenständig,  gestielt,  eiförmig,  verkehrt-eiförmig 
elliptisch,  lanzettlich,  selten  herzförmig,  stets  ganzrandig,  glatt  oder  höchstens  am 
Rande  etwas  zurflekgebogen,  feingeadert  und  in  den  Winkeln  der  Nerven  der  l'nter- 
seite  oftmals  mit  je  einem,  oberseits  beulenartig  hervortretenden,  mit  einem  Haar- 
büschel versehenen  und  durch  diese*  verhüllten  Grübchen  i  Ki  xtzk's  Blattscropheln, 
Folia  scrobiculata  der  Autoren;  ausgestattet.  Die  grübchenblüttrigeu  Cinchonen 
sind  im  Allgemeinen  die  chininreichsten.    Den  chtninarmeu  pflegen  dieselben  zu 

Digitized  by  Google 


144 


CINCHONA. 


fehlen.  Jugendliche  Blätter  sind  bisweilen  Unterseite  purpurn ,  bei  einigen  Arten 
färben  sich  die  Blätter  vor  dem  Abfallen  purpurfarben.  Die  hinfälligen  Nebenblätter 
sind  innen  am  Grunde  drüsig.  Der  kräftige,  oft  schön  purpurfarbene  Blattstiel 
erreicht  im  Maximum  ein  Drittel  der  Länge  des  Blattes,  meist  ist  er  kürzer. 

Die  Blüthen  stehen  in  reichblüthigen ,  endständigen,  ansehnlichen,  oft  etwas 
sparrigen  Rispen,  die  in  der  unteren  Hälfte  meist  Hochblätter  tragen.  Die  Blüthen 
selbst  sind  weiss,  rosa-,  violett-  oder  purpurfarben,  schwach  riechend,  meist  özählig, 
hermaphrodit ,  actinomorph ,  heterostyl-diuiorph  (selten  triniorphj.  Blüthenformel 
K  (5)  C  (5)  A  5  G  j.    Der  Kelch  ist  kurzglockig,  meistens  özähnig  uud  stete  bleibend. 


Fig.  18. 


Cinehona  Üali$aya  ß  Joirpkima  Waid.  A  Stück  des  blühenden  Zweiges  in  natürl.  Grösse  ; 
H  Hlüthe  '  Krone  aufgeschlitzt;  O  reife  Kapseln  natürl.  Grosse;  £  eine  Kapsel  mit  zur 
Hälfte  abgetragener  Schale,  um  die  Lage  der  Samen  zu  zeigen;  t'  Kapsel  quer  durchschnitten; 

9  Same  im  Längsschnitte  (Lach  Lueraseio.i 


Die  Corollc  ist  BtMtellerförmig,  oftmals  weichbehaart,  mit  langer,  gerader,  cylindrischer 
oder  in  der  Mitte  oder  am  Grunde  etwas  bauchiger,  runder  oder  stumpft'ünfkantiger 
Röhre  und  kahlem  oder  behaartem  Schlünde.  Die  5  kurzen,  zarten  Corollenlappen 
sind  in  der  Knospe  klappig  (für  die  Eucinchonen  charakteristisch),  bei  der  aufge- 
blühten Blllthe  stehen  sie  horizontal  ab.  Sie  sind  am  Rande  lang  gewimpert.  Das 
Androeceum  besteht  aus  5,  der  Corollenröhre  ziemlich  tief  inserirten  Staubfäden. 
Dieselben  besitzen  bei  der  langgrifHigen  Form  kurze  Filamente  und  sind  alsdann 
in  der  Kronröhre  eingeschlos-eu,  bei  der  kurzgriffligen  Form  dagegen  lange  Fila- 
mente und  ragen  alsdann  aus  der  Kronröhre  hervor.    Bei  der,  übrigens  nur  bei 


Digitized  by  Google 


CINCHONA. 


145 


zwei  Exemplaren  beobachteten,  Mittelform  sind  die  Narben  fast  sitzend  und  die 
Stamina  mittellang  (Kuntze).  Die  Antheren  sind  länglich  oder  lineal,  am  Racken 
angeheftet.  Der  epigyne  Discns  ist  polsterförmig,  der  behaarte  Fmchtknoten  kreisel- 
formig-ellipsoid.  Er  ist  zweifächerig  und  enthält  zahlreiche  Ovula,  die  einer  linealen 
Pbcenta  aufsitzen.  Der  Griffel  ist  fadenförmig;  er  ist  bei  der  knrzgriffligen  Form 
in  der  Kronröhre  eingeschlossen,  bei  der  langgriffligen  Form  dagegen  ragt  er  eben 
aus  der  Corollenröhre  hervor.  Die  zweifächerige,  aus  2  Carpellen  entstandene 
Frucht  ist  eine  trockene  Kapsel,  sie  ist  eiförmig  bis  cylindrisch,  vom  bleibenden 
Kelche  bekrönt,  beiderseits  mit  je  einer  Längsfurche  versehen,  im  Uebrigen  glatt 
cxler  mit  4 — 6  (meist  6)  Längsfurchen  auf  jedem  Carpell.  Die  Kapsel  springt  von 
unten  nach  oben  wandspaltig  (Unterschied  von  Ladenbergia)  auf,  oben  werden  die 
Fächer  durch  den  Kelch  zusammengehalten.  Die  zahlreichen  Samen  sind  dachziegelig 
auf  der  kantig-fltlgcligen  Placenta  (für  die  Eucinchonen  charakteristisch)  angeheftet. 
Sie  sind  schildförmig  und  ringsum  mit  einem  eiförmigen,  länglich  elliptischen, 
netzigen,  am  Rande  etwas  unregelmässig  zerschlitzten  Flügel  versehen.  Endosperm 
reichlich  vorhanden,  fleischig,  Embryo  gerade,  axil,  Cotyledonen  eiförmig.  Radicula 
cylindrisch,  abwärts  gekehrt. 

Bei  der  Diagnose  der  Cinchonen  kommt  es  an  auf  Grösse,  Form  und  Farbe 
der  Blatter,  Vorhandensein  oder  Fehlen,  sowie  Vertheilong  der  Blattgrübchen,  Form 
der  Nebenblätter ,  Farbe  der  Rinde,  Form.,  Grösse  und  Farbe  der  Corollenröhre, 
Querschnitt  derselben,  Form  und  Grösse  der  Kapsel,  Vorhandeuseiu  oder  Fehlen 
Ton  Rippen  an  der  Kapeel.  Form  und  Anordnung  der  Kelchzähne,  —  wie  man 
siebt,  fast  Alles  nebensächliche  Unterscheidungsmerkmale. 

Die  Cinchonen  haben  heterostyle  Blüthen ,  d.  h.  es  finden  sich  bei  jeder  Art 
oder  Hybride  Biluine.  deren  Blüthen  nur  lange  Griffel  und  kurze  Staubgefässe 
haben  (makrostvle  Form)  und  zugleich  Bäume,  deren  Blüthen  nur  kurze  Griffel 
und  lange,  beziehungsweise  höherstehende  Staubgefässe  besitzen  (mikrostyle  Form). 
Eine  dritte  Form  kommt  als  sehr  selten  nicht  in  Betracht.  Die  heterostylen  Blüthen 
Kind  nun  in  der  Regel  auf  wechselseitige  Befruchtung  angewiesen,  um  guten,  reich- 
liehen Samen  (in  manchen  Fallen,  wie  bei  anderen  Pflanzen  nachgewiesen,  um 
Oberhaupt  Samen)  hervorzubringen.  Daraus  folgt,  dass  man  umgekehrt  die  Unregel- 
mässigkeit der  Hybridation  steigern  kann,  wenn  man  mit  laugen  Staubgefässen 
der  mikrostylen  Form  eines  Bastardes  die  kurzen  Griffel  derselben  Blüthenform 
einer  echten  Art  befruchtet,  beziehungsweise  im  anderen  Falle,  mit  dem  Pollen  der 
luakrostylen  Form  eines  Bastardes  die  Griffel  der  mikrostylen  Form  einer  echten 
Art.  Die  künstliche  Befruchtung  selbst  geht  leicht  vor  sich,  wenn  mau  die  Corollen 
der  zu  befruchtenden  Sorte  halbentwickelt,  also  mit  noch  nicht  stäubenden  Pollen, 
etwa  im  Zustande  der  Blüthenknospeuentfaltung,  abzieht  und  dafür  die  entwickeltere 
Corolle  mit  stäubenden  Pollen  der  anderen  Sorte  über  den  frei  gewordenen  Griffel 
schiebt.  Dieses  Verfahren  hat  Kuntzk  vorgeschlagen,  um  durch  Züchtung  irregu- 
lärer Hybriden  den  Chiningehalt  der  Rinden,  der  nach  Kiwtze's  Erfahrungen 
durch  Hybridation,  besonders  irreguläre,  wachst,  zu  steigern.  Andererseits  ist 
Kuntzk  zu  dem  merkwürdigen  Resultat  gekommen,  dass  die  Cinchonen  trotz  der 
Heterostylie  nicht  auf  Insectenbefruchtung  angewiesen  sind:  sie  haben  nämlich 
keinen  cohärenten,  grossen  oder  klebrigen  Pollen,  sondern  winzig  kleinen,  losen, 
staubenden  Pollen,  der  auf  Windbestäubung  folgern  lässt;  ausserdem  besitzen 
die  Cinchonen  keinen  auffallenden  Geruch,  wie  auch  De  Vrij  bestätigte,  und  keine 
prellen  Blüthenfarben ;  aber  eiue  der  letzteren  Eigenschaften  pflegen  auf  Insecten- 
befruchtung angewiesene  Blüthen  stets  zu  besitzen.  Dann  ist  die  Fruchtbarkeit  der  Cin- 
chonen mit  wenigen  Ausnahmen  (C.  Ledijeriana)  eine  so  ausserordentliche,  wie  man 
sie  bei  Insectenbefruchtung  kaum  erklären  kann;  liefert  doch  ein  einziger  müssig  grosser 
Baum  in  den  Culturen  15—20  Pfund  Samen  und  rechnet  man  doch  80000—250000 
Samen  auf  1  Pfund.  Grosse  wilde  Bäume  dürften  das  Vierfache  produciren. 

Der  Samen  ist  geflügelt,  klein,  sehr  leicht  und  demgemflss  zur  Verbreitung  durch 
den  Wind  ausschliesslich  angepasst;  trotz  der  ungeheuren  Samenverbreitung  durch  den 

B-Ü-Kncyelopädi*  der  ge«,  Püunuucie.  HI.  ■  10Digitized  by  GoQgle 


146 


CINCHONA. 


Wind  ist  die  freiwillige  Samenkeimung  dennoch  eine  recht  beschränkte;  man  fand 
die  Samen  auf  Java  freiwillig  nur  in  vermoderten  Baumstfimmen  keimend,  im  Glas- 
kasten des  Gewächshauses  keimen  sie  dagegen  massenhaft. 

Die  Cinchonen  blühen  fast  das  ganze  Jahr  hindurch,  so  dass  Blüthen  und  Früchte 
neben  einander  am  gleichen  Baume  vorkommen. 

80  ausgeprägt  die  Gattungscharaktere  der  Cinchona  anderen  verwandten 
Gattungen  gegenüber  sind,  so  wenig  scharf  sind  die  Charaktere  der  einzelnen  Arten 
festzustellen.  Selbst  die  WEDDELL'schen  Reihen  (s.  unten)  kann  man  im  günstigsten 
Falle  als  Abkömmlinge  mehrerer  dicht  nebeneinander  herlaufender  Reihen  be- 
trachten. Allerorten  finden  sich  Uebergänge  und  trotz  der  zahlreichsten  Bemühungen 
ist  es  bisher  noch  nicht  gelungen,  in  völlig  befriedigender  Weise  die  Systematik 
der  Cinchonen  ihres  Wirrwarrs  zu  berauben. 

In  de  Candolle's  Prodromus  finden  wir  16  Arten,  bei  Howard  38,  bei 

Triana  35,  bei  Wbddell  33  und  18  Subspecies,  bei  Baillon  20  und  Kuntze 

kennt  nur  4.  Am  weitesten  fasst  Karsten,  an  den  Eintheilungsprincipien  Linne's 

und  Endlicher's  festhaltend,  die  Gattung  Cinchona.  8eine  Eintheilung  ist: 

Cinchona  L.    \.  Kapsel  öffnet  sich  vom  Grunde  an,  die  Klappen  bleiben  mittelst  des 
Kelchsauines  lange  vereinigt.  Blume  ögliederig.  Quinquina  Cond. 

a)  Kinakina  Adanson.  Blume  klein,  Kronsaum  bartig,  Blätter  meist  kleiner,  oft  drüsen- 
grubig,  Kapsel  klein. 

Cinchona  Calisaya,  Trianae ,  lancifolia ,  pubescens ,  cordi/olia,  tucujensis ,  succirubra, 
coccinea,  officinalis,  macrocalyx,  glandulifera,  nitida,  pur  pur  ea,  corymbosa. 

b)  Muzonia  Weddell.  Blume  gross,  Kronensaum  bartlos,  Blätter  und  Kapseln  gros»,  erstere 
krautig,  ohne  Drüsengruben. 

Cinchona  Muzonensis,  Hookeriana,  Hettleana. 

2.  Kapsel  öffnet  sich  bald  vom  Grunde,  bald  von  der  Spitze  an.  Heterasca  Erst. 
Cinchona  micrantha,  lucumaefolia,  heterocarpa,  pedunculata,  Moritziana, 

3.  Kapsel  öffnet  sich  von  der  Spitze  an;  Blätter  gross,  drüsengrubenlos ,  Kronensaum 
bartlos.  Ladenbergia  Kl.  em. 

a)  Buena  Pohl.  Blume  gross,  5 — Ögliederig,  Blüthen  meist  endständig,  Bäume. 
Cinchona  macrocarpa,  hexandra,  bogotensis. 

b)  Cascarilla  Endl.  Blume  gross,  ögliederig,  lederig.  orangeblfithenartig  duftend,  Blüthen 
endständig,  Bäume. 

Cinchona  magnifolia,  oblongifolia,  prismatostylis. 

c)  liemijia  DC.  Blume  klein,  ögliederig,  in  gedrungenen  Trugdolden  achselständig  lang- 
gestielte, kurzäatige,  unterbrochene  Rispen  bildend.  Sträucher  und  Bäumchen. 

Cinchona  Purdieana,  ferruginea,  macrophylla. 

Alle  anderen  Autoren  fassen  die  Gattung  enger,  unter  Ausscheidung  von 
Hemijia,  Cascarilla,  Buena. 

Weddell  führt  alle  echten  Cinchonen  auf  5  neben  einander  liegende  Grund- 
formen oder  Stämme  fStirpsy  nouche)  zurück.  Seine  Stirpes  sind: 

1.  Stirps  Cinchonae  officinalis  (nach  Kuntze  Hybriden  von  C.  Weddelliana 
[Calisaya]  mit  C.  Pavoniana  [micrantha]  und  Howardiana):  \.  Cinchona  officinalis  Hook., 
2.  C.  macrocalyx  Pav.,  3.  C.  lucumaefolia  Pav.,  4.  C.  lanceolata  R.  et  Pav.  (?),  ö.  C.  lanci- 
folia Mutis,  6.  G  amygdalifoliu  Wedd. 

2.  Stirps  Cinchonae  rugosae  (nach  Kuntze  C.  Pahudiana  [carabayensis]  und 
verwandte  Bastarde):  7.  C.  pitayensis  Wedd.,  8.  C.  rugosa  Pav.,  9.  C.  Mutisii  Lamb., 
JO.  C.  hirsuta  R.  et.  Pav.,  11.  C.  carabayensis  Wedd.,  12.  G  Pahudiana  How.,  13.  C. 
asperifolia  Wedd.,  14.  C.  umbellifera  Pav.,  lö.  C  glandulifera  R.  et.  Pav..  16.  G  Hum- 
boldtiana  Lamb. 

3.  Stirps  Cinchonae  tnicranthae  (nach  Kuntze  C.  Pavoniana  [micrantha]  und 
Abkömmlinge) :  17.  C.  amtralis  Wedd.,  18.  C.  scrobiculata  H.  et  B.,  19.  C  peruviana  How., 
20.  C.  nitida  R.  et  Pav.,  21.  G  micrantha  R.  et  Pav. 

4.  Stirps   Cinchonae   Calisayae  (nach  Kuntze  C.  Weddelliana  [Calisaya]  und 
Bastarde):  22.  G  Calisaya    Wedd.,  23.  G  eUiptica  Wedd. 

ö.  Stirps  Cinchonae  ovatae  (nach  Kuntze  C.  Howardiana  [succirubra]  nnd  Ba- 
starde): 24  G  purpurea  R.  et  Pav.,  25.  G  rufinervis  Wedd.,  26.  G  »uccirubra  Pav.t 
27.  G  ovata  R.  et  Pav.,  28.  C.  cordifolia  Mutis,  G  tucujensis  Karst.,  30.  G  pubescens 
Vahl,  31.  G  purpurascens  Wedd. 

Doch  selbst  Weddell  und  Howard  sind  schliesslich  an  der  Systematik  der 
Cinchona- Arten  fast  verzweifelt.  Weddell  sagt :  „Ich  stimme  völlig  mit  Mr.  Howard 
tlber  die  grosse  Veränderlichkeit  der  Arten  dieses  sehr  natürlichen  Genus  Überein, 

Digitized  by  Google 


C1NCH0NA. 


147 


so  dass  man  mit  etwas  Uebertreibung  sagen  könnte,  alle  beschriebenen  Arten  seien 
blos  Varietäten  oder  Rassen,  die  einer  tropischen  Form  entspringen.  In  der  That, 
nicht  eine  einzige  Art  kann  von  ihrem  Nachbar  dnroh  ein  absolutes  Merkmal 
unterschieden  werden;  es  ist  dies  blos  durch  ein  Ensemble  möglich,  welches  das 
Auge  nicht  aus  einem  Herbariumexemplar  ersehen  kann."  Howard  erhoffte  schliess- 
lich Aufklarung  durch  die  Cultur.  Kuxtzb  war  der  erste  Botaniker,  welcher  Ge- 
legenheit hatte,  die  Cinohonenculturen  auf  Java  und  in  Sikkim-Himalaya  vergleichend 
zu  studiren,  seitdem  diese  prosperiren;  er  hat  seine  Untersuchungen  an  frischem 
Material  angestellt  und,  soweit  es  möglich  war,  dort  ausgearbeitet.  Das  ist  insofern 
wichtig ,  als  an  getrockneten  Herbarienexemplaren  manche  Charaktere  verschwinden 
oder  sich  verändern,  nämlich:  1.  die  Farbe  der  Blatter  und  2.  die  Farbe  der 
Blüthen,  da  alle  Cinchonen  subnigricante  Pflanzen  sind;  3.  die  Rantenlosigkeit  der 
Corollenröhre  und  4.  die  Rippenlosigkeit  der  fast  reifen  Kapseln  einiger  Arten; 
5.  die  Winkelabwesenheit  zwischen  Fruchtkelch  und  halbreifer  Kapsel;  6.  die 
bauchige  Gestalt  der  Corollenröhre;  7.  dunkeln  die  Kelchzipfel  manchmal  ausser- 
gewöhnlioh  nach,  was  zur  falschen  Angabe  gefärbter  Kelchzipfel  führte. 

Kdntzk  will  nur  vier  gute  Arten  anerkennen  und  vertritt  die  Ansicht,  dass 
alle  Übrigen  Bastarde  sind. 

Er  unterscheidet: 

1.  Cinchona  Weddelliaha  Ktze.,  jetzt  von  ihm  G.  Calisaya  Wedd.  em. 

2.  C  Pavoniana  Ktze.  „     „     „    C.  micrantha  Prv.  em. 

3.  G.  Hownrdiana  Ktze.  n     „     „    C.  succirubra  Pav.  em. 

4.  G.  PaJiudiana  Ktze.  „  „  „  G.  carabayensis  Wedd.  em. 
genannt  (Briefl.  Mittheil.  Dec.  1880). 

Die  Merkmale  sind : 

A.  Cinchonen  mit  dunklem,  fönt  lederigem,  kleinem  Blatte,  gerippten  regulären  Kapseln 
nnd  trichterförmigem  Frachtkelche;  beide  Arten  haben  proportionale  Blattstiele. 

1.  C  Calisaya ,  völlig  kahl  mit  dunkelgrünem,  eiförmigem  Blatte,  mit  Grübchen  in  den 
Nervenwinkeln  besetzt,  mit  fast  stielrunder,  in  der  Mitte  etwas  bauchiger,  kantenbser 
Corollenröhre.  mit  fast  kugeliger  Kapsel  und  kleinem,  d.  h.  ein  Viertel  de*  Fruchtdurchmessers 
breitem  Frnchtkelch. 

2.  C.  carabayensis,  überall  schwachfilzig  mit  graugrünem,  verkehrt  eiförmigem  Blatte, 
cylindriseher,  kantig  gefurchter  Corollenröhre,  mit  länglicher  Kapsel  und  grossem  Frnchtkelch, 
der  so  breit  als  die  Frucht  ist. 

B.  Cinchonen  mit  hellfarbigen,  dünnen ,  mehrfach  grösseren  Blättern  (an  der  Basis  der 
Blutbenzweige)  nnd  bauchigen  geschnäbelten,  rippenlosen  Kapseln,  welche  halbreif  (frisch)  ohne 
Winkel  oder  Einschnürung  in  den  kleinen ,  cylindrischen ,  aufrechten  Fruchtkelch  übergehen ; 
beide  Arten  sind  kahl  nnd  haben  keine  kantige  Corollenröhre. 

3.  C.  succirubra  mit  proportionalen  Blattstielen  und  gelbgrünen,  auch  im  Blüthenstande 
grossen  Blättern .  die  ohne  Grübchen  in  den  Aderwinkeln  sind ,  mit  normal  grossen  Corollen 
nnd  stielrnnder,  in  der  Mitte  schwachbauchiger  Corollenröhre  nnJ  bleichen,  grossen  .Samen* 
Angeln.  —  Die  anderen  drei  Arten  haben  kleine,  ockerfarbige  Samenilügel. 

4.  C  micrantha  mit  unproportionalen  Blattstielen ,  d.  h.  die  sehr  grossen  Blätter  an  der 
Basis  des  Blüthenzweiges  haben  fast  gar  keine  Blattstiele,  nnd  je  kleiner  die  Blätter  bis  zur 
Spitze  des  Blüthenstandes  bin  werden,  desto  länger  wird  der  Blattstiel.  Diese  Art  hat  gras- 
grüne Blätter  mit  Grübchen  in  den  Aderwinkeln,  halb  no  lange  Corollenröhre  als  die  anderen 
drei  Arten,  welche  an  der  Basis  bauchig  ist  nnd  gelblichweisse  Blüthenfarbo  hat.  Die  anderen 
Arten  haben  schmutzig  blassrothe  Bluthen  nnd  keine  an  der  Basis  bauchige  Corollenröhre. 

Folgende  Hybriden  dieser  vier  Arten  hat  Knntze  beobachtet  (die  ältesten  Synonyme, 
bezw.  die  Namen  der  von  anderen  Autoren  als  Arten  betrachteten  Cinchonen  sind  beigesetzt) : 

C.  Calisaya  X  carabayensis  =  C.  Humboldtiuna  Lambert, 

C.  Calisaya  x  micrantha  —  ('.  ofßcinalis  L.  als  regelmässige  und  <\  L*d/eriana  als  unregeN 

massige  Hybride, 
C.  Calisana  X  succirubra^  C.  laneifolia  Mut  in, 
C.  carabayensis  X  micrantha  =  C.  ocata  Wedd., 
C.  carabayensis  X  succirubra  =  C.  pubescens  Vtthl, 
C.  micrantha  x  succirubra  —  C.  heterophylla  Fav., 
C.  Calisaya  X  carabayensis  x  micrantha  =  C.  Coccinea  Pav., 
C.  Calisaya  X  carabayensis  X  succirubra, 

C.  Calisaya  X  micrantha  X  succirubra  =  C.  Mac  Iroriana  0.  Ktze  , 
C.  carabayensis  X  micrantha  X  succirubra, 

C.  Calisaya  X  carabayensis  X  micrantha  X  succirubra  —  C.  mirtissima  O.  Ktze. 


Digitized  by  Google 


148 


CINCnONA. 


Er  waren  vor  Erscheinen  von  Knntzo's  Werk  bereite  folgende  künstliche  Hybriden  er- 
zeugt worden:  C.  Calisaya  X  carabayensis  (welche  die  Holländer  C.  Hasskarliana  nennen) 
durch  de  Vrij;  C.  Calisaya  X  carabayensis  x  succirubra  dnrch  Ph.  Anderson  und 
Iloveling  an«  C.  Calisaya  und  C.  caloptera  =  carabayensis  X  succirubra;  die  hollandischen 
«Diviellen  Berichte  führen  als  rindenliefernd  C.  ofßcinalis  x  Pahudiana  auf  =  C.  Calisaya 
X  carabayensis  X  micrantha;  Mac-Ivor  züchtete  C.  succirubra  X  officinalis  =  C.  Calisaya 
X  micrantha  X  succirubra. 

Bei  Küxtze's  Ansicht  spielt  die  Möglichkeit  leichter  Bastard  irung  eine  grosse 
Rolle.  Dass  dieselbe  wirklich  vorliegt,  ist  ausser  Zweifel.  Gesetzt  den  Fall, 
Kuntzk  habe  Recht  —  bis  jetzt  hat  er  mehrfach  Widerspruch  erfahren  —  und  die 
von  ihm  auf  Java  und  in  Britisch-Sikkim  beobachteten  Cinchonen  seien  wirklich 
nur  die  Bastarde  jener  vier  Arten,  respective  diese  selbst,  so  ist  damit  noch  nicht 
erwiesen,  und  darin  schliesse  ich  mich  Flückiger  an,  dass  das  nun  auch  für  alle 
südamerikanischen  Cinchonen,  die  Weddell  an  Ort  und  Stelle  beobachtete,  gelte, 
wenngleich  nicht  zu  leugnen  ist,  dass  die  Wahrscheinlichkeit  eine  sehr  grosse  nicht 
ist.  dass  sich  diese  so  ganzlich  anders  verhalten  werden.  Beide  müssen  noch  einmal 
von  demselben  Forscher  an  Ort  und  8telle  beobachtet  und  mit  einander  verglichen 
werden. 

Jedenfalls  erschwert  die  Leichtigkeit  der  Bastardbildung  die  Systematik  der 
Cinchonen  ganz  ausserordentlich.  Darüber  ist  man  aber  jetzt  wohl  allgemein  einig, 
dass  C.  Calisaya  Wf>dd.,  C.  succirubra  Pav.  und  C.  micrantha  Pav.  gute 
Arten  sind. 

Kuntze  gibt  für  die  eigentümliche  Verbreitung  der  südamerikanischen  Arten 
im  Süden  und  der  Hybriden  namentlich  im  Norden  vom  Acquator  folgende  Er- 
klärung: „Für  die  erfolgreiche  Verbreitung  der  Samen  kommen  nur  solche  Winde 
in  Betracht,  die  weder  nach  heissen  Zonen  führen  ,  noch  zu  hoch  gehen  und  ab- 
gelenkt werden.  Da  nun  längs  der  Cinchonaregion  im  Süden  mit  22°  durchschnitt- 
licher Wärme  in  Bolivien  bis  nach  Nordcolumbien  mit  26 — 27°  jährlicher  Wärme 
eine  von  Süd  nach  Nord  gehende  Temperatursteigeruug  stattfindet,  so  werden  zur 
A Ungleichung  der  Temperatur  auch  von  Columbien  nach  Bolivien  hochgehende 
leichte  wanne  Winde  wehen,  die  für  die  Verbreitung  der  ohnehin  schwer  keimenden 
Cinchonen  als  hochgehende  Winde  wirkungslos  sind.  Dagegen  die  zum  Temperatur- 
ausgleich von  Bolivien  nach  Columbien  gerichteten  kühleren  schweren  Winde,  die  als 
tietergehend  für  die  Cinchonenverbreitung  geeignet  erscheinen,  werden  die  im 
Süden  gebildeten  Samen  der  zur  Kreuzung  geneigten  Elternarten  allmälig  nach 
Norden  verbreiten,  so  dass  in  Nordcolumbien  das  ausschliessliche  Vorkommen  der 
buntest  gemischten  Hybriden  nicht  unerwartet  sein  kann." 

Die  wichtigsten  CYnc/<o«a-Arten  (beziehungsweise  Hybriden)  sind: 

1.  Cinchona  C alit»a  ya  Weddell  (C.  Calisaya  r.  vera  Wedd.J,  hoher, 
alle  anderen  Bäume  der  Urwälder  überragender  Baum  mit  aufrechtem  Stamme  und 
dicht  belaubter  Krone,  in  Bolivia  (Provinz  Enquisivi ,  Yungas,  Larecaja  Cau- 
polican;  aber  auf  die  zwischen  1500 — 1800  m  über  dem  Meer  gelegenen  Hoch- 
thiiler  bis  zum  17.°  sfldl.  Breite  beschränkt  vin  der  höheren  Region  strauchig).  In 
Peru  in  der  Provinz  Carabaya.  Verbreitungsgebiet:  Cordilleren  zwischen  13  und 
17°  südl.  Breite  und  68 — 72°  westl.  Länge. 

Blätter  auf  circa  1  cm  langem,  bisweilen  röthliehem  Stiel.  8 — 15  cm  lang  und 
y, — 6  cm  breit,  verkehrt  ei-lanzettförmig  länglich,  stumpf,  am  Grunde  verschmälert, 
hart,  kahl,  selten  behaart,  oberseits  sanimtglänzend-dunkelgrün  mit  blasseren 
Adern,  unterseits  blass  smaragdgrün,  mit  deutlich  entwickelten  bärtigen 
Grübchen  in  den  Winkeln  der  Nerven.  Nebenblätter  so  lang  oder  länger 
als  der  Blattstiel,  länglich,  stumpf,  am  Gruude  der  Innenseite  spärlich  drüsig, 
sonst  kahl.  Inflorescenzen  eiförmig  oder  doldentraubig,  nicht  sehr  reichblüthig.  Inflores- 
t  enzaxen  weichhaarig.  Kelch  weich  behaart.  Kelchzühne  kurz,  dreieckig.  Corolle 
;i — 10  mm  lang,  Röhre  am  Grunde  fast  fünfkantig,  Abschnitte  (Saumlappen)  lanzett- 
liib.  oberseits  rosenroth,  weiss  gewimpert.  Narben  lineal.  Fruchtknoten  behaart, 
Kapsel  8 — 12  mm  lang  und  5— 6  mm  breit,  kurz  eiförmig  oder  elliptisch-eiförmig, 

Digitized  by  Google 


C1NCH0NA. 


U9 


fast  kahl,  rippenlos,  reif  rostfarben,  Fruchtkelchzähne  aufrecht.  Samenflügel 
elliptisch,  am  Rande  gefranst  gezähnt,  nicht  durchbohrt  (siehe  auch  oben  Küntze's 
Diagnose). 

Abarten  Weddkll's  (Hybriden  Küntze)  : 

a)  Var.  microcarpa  Wedd.  Blätter  länglich-eiförmig  oder  e'liptiach,  stumpf,  beider- 
seits grtn,  Unterseite  weichhaarig,  nicht  selten  purpurn,  Blattgrühchen  fehlend  oder  klein. 
Kapseln  8— 10  mm. 

b)  Var.  y>  hol  i via  na  Wedd.  Blätter  meist  grösser  als  bei  a  vera.  verkehrt-eiformig- 
länglich  oder  elliptisch,  beiderseits  kahl,  unterseits  purpurn,  Blattgräbchen  vereinzelt  oder 
fehlend,  Kapseln  grosser  als  bei  a)  und  at  vera,  I vi— 15  mm  lang,  lanzettlich-eiförmig,  nach 
oben  verschmälert,  mit  Untervarietät:  pubescert»  Wedd. 

e)  Var.  8.  oblong  if  olia  Wedd.  Blätter  kleiner  als  bei  a  vera,  schmallänglich,  stumpf, 
beiderseits  grün,  Unterseite  weichbaarig,  fast  grübchenlos,  Kapseln  wie  bei  ?  Boliviana. 

d)  Var.  e.  pal  Ii  da  Wedd.    Blätter  mehr  elliptisch  als  bei  «  vera,   sehr  stumpf,  zarter, 
bleicher  grün,  grnbchcnlos.  Die  Blüthen  kleiner  nnd  in  schlafferer  Rispe  (Luerssen). 

Subspecies : 

C.  Josephiana  Wedd.  (auch  als  C.  Calisaya  var.  Josephiana),  Strauch 
von  2 — 3  m  Höhe  mit  schlankem,  3 — 5  cm  dickem ,  wie  die  aufrechten  Aeste 
ziemlich  glatt-berindeten  Stammchen.  Blätter  länglich  oder  eiförmig-lanzettlich, 
zugespitzt  oder  stumpf,  beiderseits  kahl,  ziemlich  steif,  mit  oder  ohne  Grübchen. 
Kapsel  grösser  und  oberwärta  meist  verschmälert  (Fig.  1 8).  Diese  Cinchone  liefert 
die  Cort.  Calisayae  Schuhkraft  Javas. 

Mit  Snbvarietät  pubescens  Wedd.  und  ducolor  Wedd. 

Calisaya  neigt  sehr,  wenn  auch  nicht  in  dem  gleichen  Maasse  wie  meciruhro, 
zur  Bastardirung.  C.  ffasskarliana  =  G.  Calisaga  x  carabayemis  ist  ein  solcher 
durch  DE  Vrij  erzeugter,  viel  cultivirter  Bastard ,  ebenso  soll  C.  ofßcinalis  L. 
nach  Küntze  C.  Calisaya  x  micrantha  und  C.  laneifolia  Mutis  ein  Bastard  C. 
Calisaya  X  succirubra  sein. 

Die  werthvollste  Cinchone ,  ausser  C.  Mac  Tvoriana  (s.  unten),  ist  zur  Zeit 
(1886) 

Cinchona  Ledgeriana  Moens  mansept.  How.,  als  Art  sehr  fraglich, 
daher  richtiger  als  C.  Calisaya  var.  Ledgeriana  Howard  (oder  als  irregulärer 
Bastard  von  C.  Calisaya  x  micrantha  [Kuntze]  aufzufassen).  Ausgewachsene 
Blätter  lanzettlich-oval  (lineal-lanzettlich  oder  länglich-oval) ,  nach  beiden  Enden 
verschmälert,  spitzlich  oder  fast  stumpf,  am  Grunde  stark  in  den  kurzen  Stiel 
verschmälert,  mit  oft  welligem  Rande,  beiderseits  kahl,  fast  lederig,  oberseits  tief 
grün  und  schwach  glänzend,  unterseits  blasser,  der  Stiel  oft  orangefarben,  Blatt- 
gräbchen raeist  nur  in  den  oberen  Aderachseln.  Nebenblätter  sehr  hinfällig,  lanzett- 
lich länglich,  fast  spitz,  gekielt. 

Blüthen  klein,  wohlriechend ,  an  den  Enden  der  Rispenzweige  gedrängt, 
auf  kurzen,  gekrümmten  Stielen  und  daher  nickend.  Cor  olle  mit  kurzer, 
weiter,  grünlicher  Röhre  und  weissen  oder  rahm  f  arbenen,  dicht 
und  lang  gewimperten  Saum  läppen.  Kapsel  eiförmig-länglich,  meist  9  mm,  nie  aber 
12  mm,  Kelchzähne  aufrecht  (Trimex,  Morns,  Luek^skx). 

Viel  auf  Java,  aber  auch  in  Ostindien  u.  And.  cultivirt.  1884  war  die  Led- 
geriana auf  Java  noch  nicht  in  vorherrschender  Zahl  vorhanden ,  aber  man  be- 
strebte sich  dies  Ziel  zu  erreichen.  Neuerdings  sind  auch  die  indischen  Ver- 
waltungen mit  einer  Vermehrung  der  Ledgerianabestände  vorgegangen. 

Ein  anderer  Calisaya- Bastard,  die  C.  Hasskarliana  (C.  Calisaya  x  cara- 
bayensis),  der  früher  in  grosser  Menge  auf  Java  cultivirt  wurde,  ist  dort  jetzt, 
weil  chininarm,  aufgegeben  worden. 

Die  Samen  der  Ledgeriana  brachte  Ledger  vom  Rio  Mamore  (Bolivien)  nach 
London.  Von  dort  kamen  sie  nach  Java,  von  dort  nach  Cevlon  und  in  die 
Nilagiris. 

Kuntze  hält  die  C.  Ledgeriana  für  eine  unregelmäßige  Hybride.  C.  Culisaya 
X  micranüia,  und  sagt:  „Sie  ist  in  den  Culturcii  Sikkims  nachweislich  aus  Samen 

Digitized  by  Google 


150 


CINCHONA. 


Btraucbiger  C.  Calisaya  entstanden  und  hocbstrauchig,  wahrend  die  aus  Südamerika 
nach  Java  iniportirte  C.  Ledgeriana  Bäume  lieferte.  Sonst  ist  aber  die  Ueber- 
einstimraung  vollständig.  Sie  ist  bei  reiner  Zucht  sanienarm,  während  sonst  alle 
Cinchoneu  sehr  fruchtbar  sind ;  sie  ist  ebenso  chininreich  und  vereinigt  in  sich  die 
elterlichen  Eigenschaften  nicht  intermediär  verschmolzen,  sondern  wechselseitig  aus- 
getauscht, namentlich  hat  sie  die  kleinen,  blassen,  eigenartig  gestalteten  BlUthen 
der  C.  micrantha  und  die  Fruchtform  der  Calisaya.  Solchen  Austausch  der  elter- 
lichen Eigenschaften  findet  man  bei  irregulären  Hybriden,  das  sind  solche,  die 
durch  Befruchtung  der  elterlichen  Pflanze  durch  Bastardpollen  entstanden  sind. 
Deshalb  halte  ich  C.  Ledgerxana  für  eine  irreguläre  Hybride.  Auf  Veranlassung 
von  Bernelot  Moens  möchte  zwar  der  Botaniker  Trimex  C.  Ledgenana  für  eine 
Art  nehmen,  aber  die  zweifellose  geringe  Beständigkeit  und  seltene  Fruchtbarkeit, 
ihre  notorische  Bevorzugung  fremdartigen  Pollens  lässt  diese  Annahme  unrichtig 
erscheinen  5  die  anderen  Kenner  nehmen  mehrere  Sorten  von  Ledgeriana  an,  die 
Varietäten  oder  Hybriden  seien  und  bald  der  Calisaya,  bald  der  micrantha  näher 
stehen  oder,  wie  nach  Holme**,  zum  Theil  Bastarde  von  Calisaya  und  officinalis 
sein  sollen ;  letzteres  würde  aber,  da  C.  officinalis  meiner  Ansicht  nach  zweifellos 
eine  C.  Calisaya  X  micrantha  ist,  auch  nur  auf  C.  Calisaya  und  C.  micrantha 
als  Eltern  hinführen." 

Die  auf  Java  cultivirte  werthvolle  C.  Schuh  Jcraftiana  ist.  ebenso  wie  C.  ITass- 
knrliana ,  ebenfalls  eine  Varietät  (beziehungsweise  Hybride)  der  C.  Calisaya. 
Die  sogenannte  C.  Calisaya  anglica  ist  wahrscheinlich  ein  Bastard  von  C.  Calisaya 
und  t>uccirnbra. 

Abbildungen  der  C.  Calisaya,  beziehungsweise  ihrer  Varietäten  (Hybriden):  Berg- 
Schmidt.  Atlas.  Taf.  XIV  d.  —  Howard,  Quinologv  of  the  East  Indiau  Plantations. 
P.  III,  Taf.  IV- VI.  —  Weddel I,  Tab.  III.  —  Bentley  and  Trimen.  1U.  —  Baillon, 
Hittüre  d.  plantes.  338.  —  Flückiger,  Chinarinden.  Taf.  II  u.  III.  —  Luerssen,  Medic. 
pharm.  Bot.  II,  Fig  217.  —  Karsten  und  And.  Kuntzo,  Cinchona-Artcn  etc.  Phototypie 
Nr  1.—  Die  neueste  Publication  Moens':  Kinacultuur  in  Azie,  bildet  C.  Ledgeriana  Moens, 
C.  Calisaya  Wtdd ,  ('.  Joseph ia na  Wedd.,  C.  Hasskarliana  Miq.  ab. 

2.  Cinchona  succirubra  Pav.  (C  ovata  y.  erythroderma  Wedd.), 
Ecuador  im  Gebirgsstock  des  Chimborazo,  besonders  600 — 1500  m  über  dein 
Meer.  Steigt  vom  westlichen  Abfalle  des  Chimborazo  durch  Riobamba  Ouenca  bis 
Nordperu  tief  in  die  Thäler  hinab.  Ist  wetterhart  (vertragt  noch  +  3°C.)  und 
wächst  sehr  schnell.  Jetzt  vielfach,  besonders  in  Ostindien  f  Nilgeris  5000 — 7500  Fuss) 
und  Ceylon  (2000 — 5000  Fussi,  aber  auch  auf  Java  u.  A.  cultivirter  Baum  von 
15 — 25  m  Höhe,  mit  dicker,  rothbrauner,  borkebedeckter  Rinde  und  reichbelaubter 
Krone.  Jüngere  Zweige  stumpfkantig  weichhaarig.  Blätter  dünn,  krautig, 
sehr  gross,  iuclusive  des  2  cm  langen  Stiels  18.5cm  (bis  50  crai  lang  und  11.5  cm 
(bis  85  cm)  breit,  eiförmig  (bisweilen  fast  rundlich  ),  am  Rande  etwas  umgebogen, 
beiderseits  sehr  kurz  verschmälert ,  stumpflich,  oberseits  sattgrün,  kahl  und  fast 
glänzend ,  unterseits  bleicher ,  schwach  flaumhaarig ,  auf  deu  Nerven  weich- 
haarig. D  r  ti  8  e  u  g  r  n  b  e  11  fehlen.  Die  alten  Blatter  blntroth  überlaufen  ; 
Nebenblätter  läugliehntumpf ,  schwach  behaart.  Rispe  pyramidal,  ziemlich  reich- 
blüthig.  Infloresccnzaxen  weichhaarig.  Die  Tragblätter  der  unteren  Rispenästc  der- 
selben den  Laubblättern  ähnlich,  aber  kleiner,  die  der  oberen  länglieh-lineal ,  die 
Deckblätter  lanzettlich-pfriemlich.  Kelch  becherförmig,  dicht- weichhaarig ,  purpurn, 
mit  kurzen,  dreieckigen,  spitzen,  gekielten  Zähnen,  Corolle  circa  14  mm  lang,  pur- 
purn, kurzhaarig,  mit  eiförmigen  spitzen  Saumlappen.  Kapsel  länglich,  circa  34  mm 
lang  und  1 1  mm  breit,  unreif  hochroth,  rippcnlos  i'Lukrsskx).  Samenflügelsaura 
zerschlitzt.  Sie  ist  sehr  geeignet  zur  Veredelung  durch  Pfropfung  oder  Kreuzung. 
Eine  solche  Hybride  ist  die  sehr  chininreiche  C.  officinalis  x  succirulrra  der 
Cultivatcure  =  C.  Calisaya  X  micrantha  x  succirubra  Ktze.  —  C.Mac  Jvoriana 
Kfz  .,  von  Tkimex  nachmals  C.  robusta  benannt,  welche  in  FlüCKIGEr's  „China- 
riuden",  Taf.  I  und  V.  unter  dem  Namen  der  Elternpflanzen  ,  aus  denen  sie  ent- 
stand, abgebildet  ist   Ki  xtzfj. 

Digitized  by  Googl 


CINCHONA. 


151 


Der  beim  Anschneiden  der  Rinde  von  C.  succirubra  austretende  weisse  Milch- 
saft wird  (durch  Oxydation  der  Chinagerbsäure)  sofort  roth. 

C.  succirubra  ist  die  zur  Zeit  wichtigste  Cinchone,  sie  allein  wird  auch 
von  der  Ph.  Germ.  IL  als  Stammpflanze  der  Chinarinden  namentlich  aufgeführt. 
Sie  herrscht  in  den  ostindischen  Culturen,  besonders  auf  Ceylon,  bei  weitem  vor. 

Abbildungen:  Bentley  and  Trimen,  Media  Plauts.  142.  —  Howard,  Nueva 
Quinologia.  Taf.  VIII.  —  Baillon,  Hiatoire  des  plant.  342.  —  Moens,  Kinacultnur,  Taf.  VIII. 
—  Knntze,  Cinchona-  Arten  etc.  Phototypie  Nr.  3.  —  Lue  rasen,  Die  Pflanzen  der  Pharm. 
Germ.  Fig.  322. 

3.  Ci  nchona  micr antha  R.  et  Pav.,  von  Karsten  zur  Section  Heterasca 
gestellt,  in  Bolivia  (Larecaja  und  Caupolican)  und  Peru  (Carabaya).  Baum  von 
6— 20m  Höhe,  Rinde  ziemlich  dick,  mehr  oder  weniger  glatt,  braun,  Krone 
ziemlich  belaubt,  Blätter  krautig,  bis  23  cm  lang  und  15  cm  breit,  breit-eiförmig 
oval,  ziemlich  stumpf,  am  Grunde  mehr  oder  weniger  keilförmig  in  den  2 — 3  cm 
langen  oft  röthlichen  Blattstiel  verschmälert,  oberseits  kahl,  etwas  glänzend,  unterseits 
matt,  auf  den  Nerven  kurz  und  dicht  behaart,  sonst  sehr  zerstreut  kurzhaarig,  in 
den  Aderachseln  grtlbchenlos,  aber  mit  etwas  stärkerem  Haar- 
büschel (unterseits  an  den  Nerven  flaumig).  Nebenblätter  eiförmig-länglich, 
ziemlich  stumpf,  aussen  weichhaarig,  sehr  hinfällig.  Rispe  gross  pyramidal,  reich- 
blflthig.  Kelch  kurzglockig,  mit  dreieckigen  spitzen  Zähnen.  Corolle  5 — 7  mm  lang, 
weiss,  mit  cylindrischer,  in  der  Mitte  etwas  erweiterter  Röhre  und  länglich-lanzett- 
liehen  Saumlappen.  KapBel  länglich- lanzettlich  oder  lanzettlich,  25 — 30mm  lang 
und  5 — 7  mm  breit,  an  beiden  Enden  verschmälert,  kahl,  glatt. 

Variirt  als  oblong ifolia  Wedd.,  rotundifolia  Wedd.  und  roseifiora  Wedd. 

ßastardirt  leicht  und  gibt  besonders  mit  C.  Calisaya,  succirubra  und  cara- 
boyensis  werthvolle  Bastarde  (s.  oben;. 

Abbildungen:  Berg-Schmidt,  Taf.  XIV/.  —  Bentley  and  Trimen.  —  Moens. 
Kinacultnur  in  A«ie.  Taf.  IX.  —  Howard,  Quiuologia.  Taf.  V.  —  Weddel],  Taf.  XIV.  — 
Knntze,  Cinchona- Arten  etc.  Phototypie  Nr.  2. 

Die  vorstehenden  drei  Arten  sind  als  solche  relativ  gut  erkannt  und  von  den 
Chinologen  anerkannt.  Zweifelhafter  schon  sind: 

4.  C.  Trianae  Krst.,  in  der  Gegend  von  Popayan  bei  Pitayo.  der  Calisaya 
sehr  nahe  verwandt,  durch  lanzettförmige  Blätter  und  eine  innen  behaarte 
Corolle  von  ihr  verschieden  (Karsten). 

5.  C.  lanetfolia  Mutis  (nach  KuXTZK  Bastard  zwischen  Calisaya  X  succi- 
rubra), Tuna.  Tunita  der  Bogotenser.  Auf  Columbia  beschränkt,  besonders  im 
Soden,  von  Bogota  bis  Popayan  2500 — 3000  m  über  dem  Meer,  aber  auch  nörd- 
lich in  den  Gebirgen  des  Magdalenas.  Wird  jetzt  versuchsweise  cultivirt.  Ueber 
24  m  hoher  Baum,  von  den  vorigen  durch  schmäler  spitzlanzettliche  (ledcrige,  meist 
12  cm  bis  36  cm  lange,  variable)  Blätter,  innen  kahle  Krone  und  längliche  Samen, 
deren  Flügelsaum  an  beiden  Enden  zerschlitzt,  gezähnelt  und  porös  durchlöchert 
ist  unterschieden  (Karsten). 

Variirt  sehr  (besonders  in  den  Blättern),  z.  B.  var.  discolor. 

Abbildungen:  Karsten,  Flor.  Columb.  Tab.  XI  u.  XII.  —  Flückiger,  Chinarinden. 
Taf.  IV.  —  Moens,  Kinacultnur.  Taf.  VII. 

G.  Cinchona  officinalis  L.  cm.  Hoch:  fil.  (nach  Kuntzk  Bastard  C. 
Calisaya  x  micrantha),  in  Ecuador,  Provinz  Loxa  und  Peru,  1600 — 2400  m  Uber 
dem  Meer.  Wird  viel  auf  Java,  aber  auch  in  Ostindien  cultivirt.  10 — 15  m  hoher 
Baum.  Rinde  dick,  braunschwarz,  Krone  dicht  laubig,  fast  eiförmig.  Blätter  5  bis 
12  cm  lang  und  3 — 5  cm  breit,  eilanzettlich  oder  lanzettlich,  spitzlich,  am  Grunde 
etwas  verschmälert,  beiderseits  kahl,  nur  die  jüngeren  zart  flaumhaarig.  Grübchen 
vorhanden.  Blattstiel  6 — 15  mm  lang,  purpurn.  Nebenblätter  länglich  oder  eiförmig, 
stumpf  oder  fast  spitz,  kahl.  Blüthenrispe  fast  doldentraubig  mit  weichhaarigen 
Zweigen  und  Blüthenstielen.  Blüthen  schmutzig-carminroth.  Kelch  schwach  weich- 
baarig,  fast  glockig.  Corolle  10 — 12  mm  lang,  fleischfarben  mit  cylindrischer  oder 
ökantiger  Röhre  und  lanzettlichen,  oberseits  rosenrotben,  weiws  gewimperten  Saum- 


Digitized  by  Google 


152  CINCHONA.  —  CINCHONIDINÜM  SULFURICUM. 

Uppen.  Kapsel  12 — 25  mm  lang,  länglich,  gestreift:,  gerippt,  mit  gewöhnlich  ab- 
stehenden Kelchzähnen. 

Sehr  veränderlich,  als  Varietäten  sind  zu  nennen:  Var.  x  Uritusinga  Wedd. 
(C.  Uritusinga  Pav.,  G.  macrocalyx  $  Un'tu»inga  DC.)  und  Var.  ß  Conda- 
minea  How.  (C.  Gondaminea  H.  et  B.  ex  parte,  G.  Condammen  var.  Ghahuar- 
guera  DC. ,  C.  Chahuarguera  Pav.J.  Weddell  vereinigt  damit  auch  G.  Bon- 
plandiana und  C.  crispa.  Auch  mit  C.  lancifolia  ist  C.  ofßcinalis  sehr  nahe 
verwandt. 

Abbildungen:  Fl  fiele  ig  er,  Chinarinden.  Taf.  V.  —  Hooker,  Bot.  Mag.  5364.  — 
Howard,  N.  Qninologia.  I,  19.  —  Howard,  Ea«t  Ind.  Plant.,  Taf.  IX.  —  Bentley  and 
Trimen,  140.  —  Baillon,  Hist.  des  plant.  340,  341.  —  Luerssen,  Die  Pflanzen  der 
Pharm.  Germ.  Fig.  323  und  324.  —  Moens,  Kinacultunr.  Taf.  VI. 

Nahe  verwandt  mit  C.  ofßcinalis  ist  ferner  C.  lucumaefolia  Pav.,  G.  glan- 
dulifera  R.  et  Pav.,  G.  nitida  R.  et  Pav.,  C.  purpurea  R.  et  Pav.,  C.  corym- 
boaa  Kr  st.,  alle  in  den  Hochcordilleren  des  mittleren  Cinchonengebietes ,  dessen 
Centrum  Loxa  ist,  circa  2000  m  über  dem  Meer  einheimisch  (Kaesten). 

7.  Cinchona  pub esc ens  Vahl  (C.  lutea  Pav.),  8.  Cinchona  cordi- 
folia  MuH»,  9.  C.Tucuj ensi s  Krst.  Diese  drei  Arten  haben  (nach  Karstex) 
grosse,  krautige,  behaarte  Blätter  ohne  Drüsengruben.  Die  der  bolivianischen 
pubescens  sind  oval ,  an  dem  Stiel  berablaufend ,  oberseits  kahl ,  die  der  neu- 
granadischen  cordifolia  herzförmig,  deren  kahle  Kapseln  kürzer  als  bei  pubescenn, 
wo  sie  behaart  sind ;  die  gleichfalls  beiderseits  behaarten  Blätter  der  venezuelanischen 
tueujensis  sind  elliptisch  oder  eiförmig-elliptisch,  ihre  Kapseln  von  der  Länge 
derjenigen  der  pubescens,  aber  kahl:  der  längliche  Samenflügelsaum  dieser  drei 
Arten  ist  zum  Theil  gezähnt  und  unterwärts  gespalten. 

10.  Cinchona  Pahudiana  war  diejenige  Cinchone,  die  wohl  als  erste  in  Java 
angepflanzt  wurde,  jetzt  aber  (ebenso  wie  Hasskarliana),  weil  chininarm,  auf- 
gegeben ist.  Immerhin  sind  jetzt  noch  tausende  von  Bäumen  in  den  javanischen 
Gebirgen  vorhanden  (abgebildet  bei  Moexs). 

Die  anderen  Arten  sind  weniger  wichtig. 

In  Java  wurden  seither  cultivirt:  C.  Galisaya  Wedd.,  C.  Ledger  in  na, 
C.  Josephiana  Wedd..  C.  Pahudiana  How.,  C.  Hasskarliana  Miq.,  G.  ofßcinalis 
L.,  G.  lancifolia  Mutis,  C.  succirubra  Pav.,  C.  micratitha  Ruiz  et  Pav.,  G.  calop- 
tera  Miq.,  C.  cordifolia  Mutis.  In  Indien  und  Ceylon  besonders:  0.  succirubra, 
C.  Ledgeriana,  C.  officinalis. 

Vergl.  auch  die  Artikel  Chinarinden,  Remijia.  Tschirch. 

Cinchona  febrifuga,  ein  an  Stelle  der  reinen  Chinabasen  in  den  Handel 
gebrachtes  Gemenge  der  gesammten  ausgefällten  Alkaloide  von  Cinchona 
»ucci rubra. 

CinChOnamin,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  695. 

CiriChOnicin,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  687. 

CinChOnidin,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  689. 

CinChOllidinum  SUlfiiriCUm  (Ph.  Gall..Un.  St.  u.  A.),  Cinehonidinsulfat, 
Schwefelsaures  Cinohonidin.  Weisse,  seidengläuzende,  an  der  Luft  ver- 
witternde Nadeln  (Ph.  Gall.)  oder  harte,  quadratische  Säulen  (Ph.  Un.  St.)  von 
bitterem  Geschmacke,  ohne  Gerueh.  Sie  verkohlen  beim  Erhitzen  und  verbrennen 
beim  Glflben  ohne  Rückstand.  Sie  lösen  sieh  mit  neutraler  Reaction  in  etwa 
100  Th.  kaltem,  in  4  Tb.  siedendem  Wasser,  in  70  Th.  kaltem,  in  12  Th.  sieden- 
dem Weingeist,  leicht  in  angesäuertem  Wasser  oder  Weingeist.  In  reinem  Chloro- 
form löst  sieh  das  Salz  sehr  schwierig,  damit  gallertartig  aufquellend;  dagegen 
wird  es  leicht  aufgenommen  von  einer  Mischung  aus  2  Volumen  Chloroform  und 
1  Volum  wasserfreiem  Weingeist.  Die  Lösungen  drehen  das  polarisirte  Licht  nach 


Digitized  by  Googl 


CINCHONTDINUM  SULFURICUM.  —  CINCHONINUM. 


153 


links.  —  Identitätsreactionen :  Die  mit  etwas  verdünnter  Schwefelsäure  be- 
wirkte wässerige  Lösung  zeigt  keine  Fluoresoenz  und  färbt  sich  auf  Zusatz  von 
Chlorwasser  und  Ammoniak  nicht  grün  (Unterschied  von  Chinin  und  Chinidin). 
Die  rein  wässerige  Lösung  trübt  sich  mit  Natriumkaliumtartrat,  weisses,  schwer- 
lösliches Tartrat  abscheidend  (Unterschied  von  Cinchonin  und  Chinidin).  Baryum- 
nitrat  fällt  sie  weiss,  pulverig.  — Zusammensetzung:  Das  Salz  in  verwittern- 
den, feinen  Nadeln,  aus  verdünnter  wässeriger  Lösung  krystallisirt,  mit  6  Molekül 
(13.6  Procent)  Krystallwasser  =  (C19  H38  N,  0),  H3  S04  t  ßH,0.  Das  Salz  in 
harten  Prismen,  aus  oonoentrirter  wässeriger  Lösung  krystallisirt,  mit  S  Molekül 
(7.3  Procent)  Krystallwasser  =  (C19  H?a  Ns  0)a  Ha  S04  +  3  Ha  0.  Aus  weingei- 
stiger Lösung  krystallisirt  das  Salz  mit  2  Molekül  (4.8  Procent)  Wasser.  — 
Darstellung:  Das  Cinchonidin  begleitet  zwar  das  Chinin  in  den  meisten  China- 
rinden, findet  sich  jedoch  vorzugsweise  in  der  Bogota-China  (der  Rinde  von  CVn- 
chona  laneifolia).  Da  sein  Sulfat  viel  leichter  löslich  ist,  als  das  Chininsulfat, 
ist  es  grösstenteils  nach  Abscheidung  des  letzteren  in  der  Mutterlauge  enthalten, 
aus  der  es  durch  Seignettesalz  als  schwerlösliches  Tartrat  abgeschieden  wird.  Man 
löst  dasselbe  in  verdünnter  Salzsäure,  fällt  das  Cinchonidin  mit  Ammoniak  aus, 
wäscht  es  mit  Aether  (zur  völligen  Entfernung  des  Chinins),  neutralisirt  es  darauf 
mit  Schwefelsäure  und  krystallisirt  das  Sulfat  aus  heisser  Lösung.  —  Prüfung: 
In  concentrirter  Schwefelsäure  löse  sich  das  Präparat  farblos  oder  nur  mit  schwach 
gelblicher  Farbe  auf  (Röthung :  Salicin,  Bräunung  oder  Schwärzung :  fremde  orga- 
nische Stoffe);  einige  Tropfen  Salpetersäure  dürfen  diese  Lösung  nicht  verändern 
(Röthung:  Morphin).  Die  mässig  verdünnte  wässerige  Lösung  soll  bei  Zusatz  ver- 
dünnter Schwefelsäure  nicht  oder  nur  schwach  blau  schillern  (nur  Spuren  von  Chinin 
oder  Chinidin).  Wird  0.5  g  des  Salzes  mit  20ccm  Wasser  erhitzt  und  nach  Zu- 
gabe von  1.5  g  gepulvertem  Kaliumnatriumtartrat  eine  Stunde  lang  kalt  gestellt, 
so  darf  das  Filtrat  durch  1 — 2  Tropfen  Ammoniak  nicht  oder  nur  ganz  schwach 
getrübt  werden  (Ausscheidung :  Chinidin,  Cinchonin ;  eine  schwache  Trübung  ge- 
stattet bis  1  3  Procent  Chinidinsulfat,  respective  xl%  Procent  Cinchoninsnlfat).  1  g 
des  Salzes  löse  sich  leicht  und  vollständig  in  8  com  (10  g)  eines  mit  dem  halben 
Volum  absoluten  Weingeistes  vermischten  Chloroforms  (Prüfung  auf  fremdartige 
Substanzen).  —  Aufbewahrung:  In  wohl  verschlossenen  Gefässen.  Das  wasser- 
reichere, in  feinen  Nadeln  krystallisirende  Salz  verwittert  an  der  Luft.  —  Ge- 
brauch: Aehnlich  dem  Chininsulfat,  dem  es  aber  in  der  Wirkung  nachsteht 
(6  Th.  Cinchonidin  =  4  Th.  Chinin).  Schliekum. 

CillChOmn,  s.  Chinaalkaloidej,  Bd.  11,  pag.  686. 
CinchOninsäure,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  687. 

Cinchoninum  (Ph.  Germ.  i.  u.  a.),  c  i  n  c  h  o  n  i  n.  Weisse,  glänzende  Krystall- 
nadeln  oder  ziemlich  dicke  rhombische  Säulen,  luftbeständig,  geruchlos,  anfangs 
von  wenig  wahrnehmbarem,  später  eigentümlich  bitterem  Geschmacke  und  alka- 
lischer Reaction.  Beim  Erhitzen  an  der  Luft  verkohlen  sie  und  verbrennen  in  der 
Glühhitze  ohne  Rückstand.  Sie  lösen  sich  kaum  sowohl  in  kaltem  wie  in  beissem 
Wasser,  in  110  Th.  kaltem,  in  28  Tb.  siedendem  Weingeist,  wenig  in  Aether  oder 
Chloroform.  Angesäuertes  Wasser  nimmt  das  Cinchonin  leicht  auf ;  diese  Losungen 
drehen  das  polarisirte  Licht  nach  rechts.  —  Identitätsreactionen:  Die 
mittelst  verdünnter  Schwefelsäure  bewirkte  wässerige  Lösung  schillert  nicht,  färbt  sich 
auch  nicht  grün  nach  Zusatz  von  Chlorwasser  und  Ammoniak.  Gibt  man  zur  Lösung 
Ammoniak  im  Ueberschnss  und  schüttelt  die  Mischung  mit  Aether,  so  erfolgt  keiue 
Auflösung  des  ausgeschiedenen  Alkaloids.  —  Zusammensetzung:  CClft H2I N2 O) 
ohne  Krystallwasser.  —  Darstellung:  Aus  der  mit  Hilfe  verdünnter  Schwefel- 
säure bewirkten,  nicht  zu  verdünnten  wässerigen  Lösung  des  Cinehoninsulf'ates 
(1  :  50)  wird  durch  überschüssiges  Ammoniak  oder  Natronlauge  das  Cinchonin  aus- 
geschieden, der  Niederschlag  wohl  ausgewaschen,  getrocknet  und  dann  aus  sieden- 


Digitized  by  Google 


154 


CIlICHONIiJUM.  —  CINIS. 


der  alkoholischer  Lösung  (1:30)  umkrystallisirt.  —  Prüfung:  Die  mit  ver- 
dünnter Schwefelsäure  bewirkte  verdünnte  wässerige  Lösung  schillere  nicht  oder 
nur  sehr  wenig  (Spuren  von  Chinin,  respective  Chinidin);  der  daraus  mittelst 
Ammoniak  hervorgerufene  Niederschlag  löse  sich  nicht  wahrnehmbar  in  Aether 
oder  überschüssigem  Ammoniak.  Concentrirte  Schwefelsäure  löse  das  Präparat  ohne 
oder  mit  nur  schwach  gelblicher  Färbung  auf  (Röthung:  Salicin,  Bräunung  oder 
Schwärzung :  Zucker  u.  a.  organische  Materien) ;  auch  auf  Zusatz  einiger  Tropfen 
Salpetersäure  darf  keine  Färbung  eintreten  (Röthung :  Morphin).  —  Gebrauch: 
Zur  Darstellung  von  Cinchoninsalzen ;  wegen  seiner  ünlöslichkeit  kaum  zur  directen 
medicinischen  Anwendung.  Schliekum. 

CillChOninUm  SUlfuHCUm  (Ph.  Germ.  I.  u.  A.),  Cinchoninsulfat, 
Schwefelsaures  Cinchonin.  Weisse,  glänzende,  harte,  schiefe  rhombische 
Säulen  von  bitterem  Geschmack,  ohne  Geruch,  luftbeständig.  Beim  Erhitzen  ver- 
kohlen sie  und  verbrennen  in  der  Glühhitze  ohne  Rückstand.  Sie  lösen  sich  mit 
neutraler  Reaction  in  etwa  70  Th.  kaltem,  14  Th.  siedendem  Wasser,  in  6  Th. 
Weingeist,  schwierig  in  Chloroform,  nicht  in  Aether.  Angesäuertes  Wasser  nimmt 
das  Salz  leicht  auf.  Die  Salzlösungen  drehen  das  polarisirte  Licht  nach  rechts. 
—  Identitätsreactionen:  Die  wässerige  Lösung  schillert  auf  Zusatz  ver- 
dünnter Schwefelsäure  nicht ;  mit  Chlorwasser  und  darauf  mit  Ammoniak  ver- 
setzt, färbt  sie  sich  nicht  grün  (Unterschiede  vom  Chinin-  und  Chiuidinsulfate). 
Ammoniak  scheidet  aus  der  wässerigen  Salzlösung  einen  weissen  Niederschlag, 
der  sich  weder  in  überschüssigem  Ammoniak,  noch  iu  Aether  auflöst.  Kalium- 
natriumtartrat,  sowie  Jodkalium  trüben  die  wässerige  Salzlösung  nicht;  Barynin- 
nitrat  fällt  sie  weiss,  pulverig.  —  Zusammensetzung:  (C19  H23  N,  0)2  Ha  SO<  -4- 
+  2H20  (4.90  Procent  Krystallwasser).  —  Darstelluug:  Bei  der  Chinin- 
bereitung aus  den  braunen  Chinarinden,  welche  gewöhnlich  reich  an  Cinchonin 
sind,  bleibt  dasselbe  vermöge  der  grösseren  Löslichkeit  des  Sulfates  in  der  Mutter- 
lauge, aus  denen  das  Chininsulfat  auskrystallisirt.  Auch  scheidet  sich  aus  der  wein- 
geistigen Lösung  des  Rohchinins,  nach  Abdcstillirung  von  zwei  Drittel  des  Wein- 
geistes, der  grösste  Theil  des  begleitenden  Cinchonins  krystallinisch  ab,  während 
das  Chinin  in  dem  verdünnten  Weingeiste  gelöst  bleibt.  Etwa  vorhandenes  Cin- 
chonidin  wird  durch  Seignettesalz  entfernt.  Schliesslich  Ifisst  man  das  Cinchonin- 
sulfat  aus  der  genau  neutralisirten,  heiss  gesättigten  schwefelsauren  Lösung  kry- 
stallisiren.  —  Prüfung:  In  concentrirter  Schwefelsäure  löse  sich  das  Salz  ohne 
Färbung  auf  (Röthung:  Salicin,  Bräunung  oder  Schwärzung:  fremde  organische 
Stoffe) :  einige  Tropfen  Salpetersäure  dürfen  diese  Lösung  nicht  verändern  (Röthung  : 
Morphin).  Bei  100°  getrocknet,  rnugs  0.1g  Salz  von  7  g  Chloroform  klar  gelftst 
werden  (ein  Rückstand,  der  auf  Zusatz  von  etwas  Weingeist  zur  Lösung  gelangt, 
verräth  Chinin-  und  Cinchouidinsulfat).  —  Gebrauch:  Weniger  als  das  Chinin- 
sulfat, weil  es  trotz  grösserer  Gaben  langsamer  und  weniger  sicher  wirkt. 

Schliekum. 

Cinchoquinine,  ».  ch  inaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  672. 
Cinchotenicin,  s.  Chi  naalkaloide,  Bd.  II,  pag.  087. 
CinChotenidin,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  6 HO. 
CinChOtenill,  s.  Chinaalkaloide.  Bd.  II,  pag.  687. 
CinChotifl,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  695. 

Cincinnus  (lat.),  ein  cymöscr  Blllthenstand.  —  S.  Bd.  II,  Fig.  68,  pag,  321. 
CiniflUm  =  Santoninum. 

Cinis  (Cineres)  Antimonii,  Antimonaschc ,  nennt  man  den  bebufs  Dar- 
stellung von  Antimonglas  so  lange  gerösteten  Spiessglanz,  bis  derselbe  eine  graue 
Farbe   angenommen   hat   und  dann   wesentlich  aus  antimonsaurem  Antimonoxyd 

Digitized  by  Googl 


CINIS.  —  CINNAMOMUM.  155 

besteht.  —  Cinerea  Clavellati  ist  ein  nicht  mehr  gebräuchlicher  Name  für  (aus 
Holzasche  dargestelltes)  rohes  Kalium  carbonicum.  —  Cinis  Jovis  oder  Stanni  ist 
Stannum  oxydatum. 

Cinnabari8,  Zinnober,  s.  Hydra  ryyrum  sulfuratum  rubrum. 

Cinnabaris  Antimonii  wird  erhalten  durch  Erhitzen  von  Antimonsulfid  mit 
Quecksilberchlorid,  wobei  Zinnober  zurückbleibt  und  Antimonchlorür  abdestillirt. 
Antimonzinnober  ist  etwas  Anderes,  s.  d. 

Cinnamein,  PerubalBamöl,  ist  Zimmtsäurebenzyläthcr  (s.  Perubai  Barn). 

CinnamOdendrOtl,  Gattung  der  Canellac«ae.  Tropische  Bäume  mit  un- 
geteilten ,    ganzrandigen ,  drüsig  punktirten  Blättern ,   achselständigen  I  n  Horns - 

eenzen ,  deren  zwitterige  Blüthen  ausgezeichnet  sind 
durch  einen  Kranz  blumenblattartigor  .Schuppen  in  der 
Corolle. 

Cinnamodendron  corticosum  Mteri  auf  Jamaika 
liefert  eine  der  als  Cortex  Winteranus  8 pur  im  im  Han- 
del vorkommenden  aromatischen  Rinden.  Sie  bildet 
harte,  schwere,  bis  6  mm  dicke,  ledergelbe  ,  aussen  mit 
rostbraunen  Narben  bedeckte  Stücke.  Ihr  Periderm  be- 
steht aus  kubischen,  an  der  Innenseitc  stark  verdickten 
Zellen  (vergl.  Fig.  101  in  Bd.  II  bei  Canella),  im 
Rindenparenchym  finden  sich  erweiterte  Oel  räume  und 
zahlreiche  Krystalldrusen.  Der  Bast  enthält  zerstreut 
sclerotische  Fasern  (Fig.  19),  durch  welche,  sowie  durch 
die  mehrreihigen  markstrahligeu  die  Rinde  leicht 
Badialachnitt  durch  den  Baat    und  sicher  von  der  ihr  äusserlich  ähnlichen  Canella-Kmde 

von  Citmamoätndrvn  eortteotam      ^   fgg^ggffj^f^f/^  [g{ 

Mit  der  echten,  von  Drimyx  stammenden  Winters- 
rinde (s.  Wintera)  hat  sie  keine  äussere,  noch  weniger  eine  anatomische 
Aehnlichkeit. 

Cinnamol.  syn.  Cinnamen.  Gerhard  bezeichnete  früher  den  Zimmtsäurealdehyd 
als  Cinnaiuol. 

Cinnamomum.  Gattung  der  Lattraccae,  Unterfamilie  Laurineai',  Gruppe 
Perseaceae.  Holzgewächse  mit  gegen-  oder  wechselständigen,  immergrünen,  aroma- 
tischen Blättern  ohne  Nebenblätter,  meist  handnervig,  selten  liedernervig  (Cam- 
phora).  Blüthen  in  nackten  Rispen  mit  dreigliederigen  Quirlen,  klein,  grünlich, 
weiss  oder  gelb,  zwittrig  oder  polygam.  Perigon  trichterig, .  meist  (itheilig,  seine 
Abschnitte  nach  dem  Verblühen  ganz  (Camphora)  oder  unter  Hinterlassung  ge- 
stutzter Zähne  (Untergattung  Malabathrum)  abfallend  und  die  Frucht  sonach  mit 
einem  ganzrandigen  oder  gezähnten  Becherchen  stützend.  Von  den  12  Staub- 
grefässen  sind  die  3  äusseren  steril,  die  0  fruchtbaren  stehen  in  :\  Wirtein ;  die 
innersten  haben  extrorse ,  vierkämmerige  Antheren  und  Drüsen  an  der  Basis  der 
Filamente.  Der  oberständige  Fruchtknoten  wird  zu  einer  dünnhäutigen  ein- 
samigen Beere.  Der  Same  ist  eiweisslos,  die  Keimblätter  des  Embryo  sind 
planconvex. 

1.  Cinnamom  um  Cassia  Bl.  (C.  aromaticum  F.  Nrrs,  Laurm  Cassia 
C.  O.  Nte$,  Perttca  Cassia  S)>r.)  ist  ein  Baum  mit  ganzrandigen .  zweifarbig 
grünen,  unterseits  weichhaarigen ,  dreinervigen  Blättern  und  gelblich-weissen 
Inflorescenzen.  Perigon  gegen  4  mm  (kleiner  als  bei  C.  cey/anicum) ,  seiden- 
haarig, nach  dem  Abfallen  der  Segmente  ein  Beeherchen  mit  sechsk erbigem 
Rande  bildend.  Seine  Heimat  ist  das  südliche  China,  doch  wird  er  auf  Ceylon, 
den  Sunda-Inseln  und  der  Küste  von  Malabar  cultivirt. 

• 

Digitized  by  Google 


156 


CINNAMOMÜM. 


Die  Cultur  und  Ernte  dieser  minderwerthigen  Zimratsorte  (vergl.  die  nächste 
Art)  wird  weniger  sorgfältig  betrieben.  Sie  liefert  die  officinelle  Rinde  und  in  den 
vor  der  Fruchtreife  gesammelten  abgeblühten  Perigonen  die  Flores  Cassia« 
(8.  Bd.  II,  pag.  588). 

Gortex  Cinnamomi  chinensis  s.  Cassia  cinnamomea ,  Cassia  vera, 
Cassia  lignea  der  Drogisten,  Zimmtcassia,  Caneel,  Chinesischer 
Zimmt,  Canelle  de  Chine,  Cassia  bar k.  Die  Rinde  kommt  in  meist 
einfachen,  einseitig  gerollten,  1 — 3mm  dicken,  stellenweise  von  Kork 
bedeckten,  matt  rothbraunen  Stücken  vor,  welche  korkig  eben  brechen. 
Sie  riecht  und  schmeckt  gewürzhaft,  zugleich  aber  adstringirend  und  schleimig. 

Der  Querschnitt  wird  durch  eine 
belle  Zone  in  einen  äusseren  und  in 
einen  inneren,  häufig  breiteren  Theil 
geschieden. 

Der  erstere  besteht  aus  dem  pri- 
mären Rindenparenchym,  bedeckt  von 
geschichtetem  Periderm.  Die  Kork- 
zellen sind  massig  abgeflacht,  gegen 
0.03  mm  breit,  von  der  Fläche  gesehen 
(Fig.  22,  P)  ziemlich  regelmässig  poly- 
gonal,  die  sclerotischen  Zellen  sind 
von  dunkel-rothbrauner  Masse  erfüllt. 
Einige  Reihen  zartwandiger  Korkzellen 
vermitteln  den  Uebergang  zur  primä- 
ren Rinde  (Fig.  21).  deren  Parenchyni 
dickwandig,  mässig  tangential  gestreckt, 
von  kleinen  Steinzellengroppcn  mehr 
oder  weniger  reichlich  durchsetzt  ist. 
Diese  Steiuzellen  sind  nur  schwach 
(0.008  mm),  häufig  nur  an  der  Innen- 
seite, also  hufeisenförmig  verdickt.  Ein 
Stein  zellenring  trennt  sie  von 
dem  Baste ,  dessen  Dicke  nach  dem 
Alter  der  Rinde  sehwankt,  in  der  Regel 
aber  nicht  über  1.5  mm  beträgt.  Der 
8teinzellenring  ist  zusammengesetzt  aus 
den  primären  Bastfaserbündeln 
(Fig.  21,  pb)  und  den  zwischen  ihnen 
sich  entwickelnden  Steiuzellen.  Ist  der 
Abstand  zwischen  den  ersteren  gross, 
so  bleibt  eine  Lücke  im  Steiuzellen- 
riug.  Die  Bastfasern  in  den  primären 
Bündeln  sind  von  denen  des  secundären  Bastes  verschieden;  sie  sind  länger, 
geschmeidiger  und  deutlicher  geschichtet.  Die  Steinzelleu  im  Ringe  sind  im 
Allgemeinen  grösser  und  stärker  verdickt  als  jene  der  primären  Rinde.  Ihre 
Membranen  sind  farblos,  zart  geschichtet  und  von  ästigen  Porencanälen  durch- 
setzt. Die  Markstrahlen  sind  nach  aussen  verbreitert,  im  Baste  höchstens  drei- 
reihig. Das  Bastpareuchy m  ist  etwas  kleinzelliger  und  dünnwandiger  als  das 
Parcnchym  der  primären  Rinde,  axial  gestreckt  und  radial  gereiht.  Die  Verschieden- 
heit ist  auf  Längsschnitten  besonders  klar  (Fig.  20),  weil  hier  die  tangential  ge- 
streckten Hindenzellen  (pr)  mit  rundlichem  Querschnitt,  die  Bastzelleu  (bp)  da- 
gegen in  ihrer  größten  Dimension  erscheinen.  —  im  Bastparenchym  sind  spär- 
lich und  regellos,  meist  isolirt,  die  Bastfasern  eingesprengt.  Sie  sind  etwa 
0.6  mm  lang,  in  der  Mitte  0.035  mm  breit,  spindelförmig,  stumpf- 
spitzig,   selten   abgestutzt  oder  gegabelt.    Ihr  Querschnitt  ist    breit  gerundet 


sch 


Rmlialschnitt  durch  chinesische  Zimmt- 
r  i  nd  c. 

bp  Parenchyni  des  Baste»,  6  Bastfasern,  **  Stein- 
der  Mittelrinde,  «<*  Schleimzellen,  «Sieb- 
röhrrn,  m  Mark  strahl.   Vergr.  i«0. 


Digitized  by  Google 


CINNAMOMÜM. 


157 


Fig.  U, 


rechteckig,  das  Lumen  Rehr  enge,  höchst  selten  ein  Drittel  der  Faser- 
breite betragend  (Fig.  22,  bf) ,  die  Verdickung  merklich  geschichtet  mit  deut- 
lich abgegrenzter  Primär- 
membran, porenfrei.  — 
Die  Siebröhren  kommen 
bündelweise  vor,  in  Quer- 
schnitten erkennt  man  sie  an 
den  weichen ,  geschlängelten, 
oft  zusammengefallenen  Mem- 
branen (Fig.  21,  s),  in  Längs- 
schnitten an  den  callösen  Quer- 
platten (Fig.  20,  s).  — Gering 
an  Zahl ,  aber  durch  ihre 
Grösse  auffallend  sind  die 
r(i'l\F)  „7,  Schleimzell  e  n ,  oft  zu 
mehreren  senkrecht  überein- 
ander stehend.  Ihr  klumpiger 
Inhalt  scheint  den  Löslich 
keitsverhältnissen  zu  Folge 
ein  Gemenge  von  Schleim  und 
ätherischem  Gel  zu  sein.  Alle 
parenchymatösen  Zellen  sind 
mit  Stärke  erfüllt.  Die 
Körner  sind  meist  zusammen- 
gesetzt (  Fig.  22),  ihre  Theile 
am  häufigsten  0.008  mm,  nicht 
selten  0.02  mm,  sogar  darüber 
gross .  mit  deutlichem  Kern. 
Neben  Stärke  enthalten  die 
Zellen  Gerbstoff.  Nach  der  Ver- 
kleisterung der  Stärke  (durch 
Kalilauge)  sieht  man  auch 
reichlich  winzige  Krystall- 
n ad  ein  aus  Kalkoxalat. 

Der  wichtigste  Bestand- 
teil der  Zimmtrinde  ist  das 
ätherische  Gel,  das  ofticinelle 
Oleum  Ci nnamomi  (s. 
d.),  dessen  Menge  um  1  Pro- 
cent  seh  wankt. 

Der  Chinesische  Zimmt  ist 
von  der  neuen  deutschen 
Keichspharmakopöe  an  die 
Stelle  des  früher  officinellen 
Ceylon-Zinimtes  gesetzt  wor- 
den. Ausserdem  schreiben  ihn 
ausschliesslich  vor  Ph.  Austr.. 
Ph.  Hung.,  Ph.  Rom. 

Die  von  mehreren  Pharma- 
kopoen gestellte  Forderung, 
dass  sie  ohne  sehleimigen  Bei- 
geschmack sei,  ist  unerfüllbar. 
Specifische  Heilwirkungen 
besitzt  der  Zimmt  nicht,  obwohl  er  häufig  als  Stomachicum  verwendet  wird.  Man 
benützt  ihn  hauptsächlich  als  Corrigens  für  Geschmack  und  Geruch. 


Querschnitt  durch  chinesischen  Zimmt. 
^  Steinkork,  vT  Rindenpatenchym,  «  unterbrochener  Stein- 
?-fU---:; r;ns  mit  dem  IlH»t fns«Tbünd«-l  /•'• ,  "*|l<  S.  hlchn/.Hlen,  * 

*  Markstrahlen.   Vergr.  160. 

Fig.  ii. 


Hostandtlipilfl  des  7.  i  m  m  ♦  p  •■  I  \  e  rs. 
rn,  *i  Steinzellen,  pr  Parenchym  der  Mittclrinde, 
nehym,  f  Steinkork.   Zerstreut  S  " 
und  Krystallnadeln.   Vergr.  160. 


Digitized  by  Google 


158 


CINNAMOMUM. 


Präparate:  Aqua  Cinnamomi,  Decoct.  Sarsaparillae  comp,  mit.,  Elixir 
Aurantii  comp.,  Mixt,  oleoso-baham. ,  Ol.  Cinnamomt,  Spir.  Melüsae  comp., 
Syr.  Cinnamomt,  Syr.  Rhei,  Tinct.  aromatica,  Tinct.  Cinnamomt,  Tinct.  Chinae 
comp.,  Tinct.  Opii  crocata,  Tinct.  Rhei  aquosa.  Pulvis  aromaticue  u.  v.  a. 

2.  Cinnamomum  ceylantcum  Breyne  (Laurun  Cinnamomum  L., 
Persea  Cinnamomum  Spr.J  ist  ein  kleiner  Baum,  in  der  Cultur  meist  ein  Strauch 
mit  ganzrandigen,  in  der  Jugend  rothen,  später  ergrünenden,  3 — 7nervigen,  lede- 
rigen Blättern  und  reichen ,  weissblflthigen  Inüorescenzen ,  die  nicht  gerade  ange- 
nehm riechen  sollen.  Auf  Ceylon*  ihrer  Heimat,  und  fast  überall  in  den  Tropen 
wird  diese  vielfach  variirende  Art  cultivirt ,  doch  gedeiht  ihr  Aroma  nirgends  so 
gut  wie  auf  der  südwestlichen  Küste  Ceylons. 

Zweimal  im  Jahre  finden  Ernten  statt,  im  Mai  und  Juni  die  Haupternte,  im 
November  bis  Jänner  die  Nachlese.  Man  entlaubt  die  abgeschnittenen  Schösslinge, 
schneidet  ihre  Rinde  in  Entfernungen  von  etwa  30  cm  durch,  schlitzt  sie  der  Länge 
nach  auf  und  zieht  sie  in  einem  Stücke  ab.  Dann  erst  schabt  man  die  äusseren, 
adstringirend  schmeckenden  Rindenschichten  ab,  schiebt  8 — 10  Röhren  in  einander, 
schneidet  sie  gleich  und  trocknet  sie  langsam  im  Schatten.  Dabei  wird  die  nach 
dem  Schälen  fast  weisse  Rinde  braun  und  rollt  sich  von  beiden  Seiten  ein.  End- 
lich werden  die  Röhren  sortirt,  gebündelt  und  in  Ballen,  „Fardelen",  verpackt. 
Ein  Theil  des  Abfalles  wird  in  der  Mitte  der  Bündel  versorgt,  was  übrig  bleibt, 
bildet  als  „Bruch"  oder  „Chips"  einen  selbstständigen  Handelsartikel. 

C  ort  ex  Cinnamomi  ceylanici,  Cinnamomum  acutum,  Ceylon- 
Zimmt,  Cannel,  Cannelle  de  Ceylon,  Cinnamon  wird  von  Ph.  Brit., 
Gall.,  Germ.  I.,  Neerl.,  Norv.  et  Suec.  ausschliesslich,  von  Ph.  Belg.,  Dan.,  Fenn., 
Graee.,  Helv.,  Hisp.,  Russ.  et  ün.  St.  neben  der  vorigen  vorgeschrieben. 

Die  Rinde  ist  leicht,  brüchig,  kaum  über  0.5mm  dick,  aussen  glatt,  gelb- 
lichbraun, längsstreifig,  innen  etwas  dunkler,  matt,  mitunter  warzig.  Der 
Bruch  ist  kurzfaserig,  am  Querschnitte  unterscheidet  man  eine  äussere  helle 
und  eine  innere  dunklere  Hälfte  in  scharfer  Abgrenzung. 

Unter  dem  Mikroskope  zeigt  sie  zu  äusserst  einen  in  der  Regel  geschlossenen, 
den  primären  Markstrahlen  gegenüber  jedoch  merklich  schwächeren  Solerenchym- 
ring,  an  dessen  Aussenseite  die  primären  Bastfaserbündel  ueben  spärlichen 
Parenchymresten  liegen.  Die  Steinzelleu  sind  gross  (tangential  bis  0.2  mm  gestreckt), 
stark  und  ziemlich  gleicbmässig  verdickt,  obwohl  auch  an  ihnen  die  vorherrschende 
Verdickung  der  Innenseite  bemerkbar  ist.  Die  Grösse  der  Zellen  ist  um  so  auf- 
fallender, als  die  übrigen  Elemente  des  Ceylon-Zimmts  zarter  sind  als  im  Chine- 
sischen Zimmt,  was  ohne  Messung  auf  den  ersten  Blick  erkennbar  ist.  Innerhalb 
des  Sclerenchyraringes,  aber  nur  im  äusseren  Theile  des  Bastes,  kommen  vereinzelt 
ebenfalls  Steinzellen  zur  Entwicklung  (Fig.  21).  Die  Innenrinde  oder  der  Bast 
wird  durch  ein-,  zwei-,  höchstens  dreireihige  Markstrahlen  in  schmale  radiale 
Streifen  abgetheilt.  Die  breiten  primären  Markstrahlen  sind  gegen  den  Steinzeiten  - 
ring  zu  ein  wenig  verbreitert.  Auf  Querschnitten  treten  sie  nicht  sehr  deutlich 
hervor,  weil  ihre  Zellen  dem  Bastparenchym  sehr  ähnlich  sind,  nur  um  weniges 
grösser,  zartwandiger  und  radial  gestreckt. 

Bastfasern  linden  sich  in  Menge,  besonders  in  den  inneren  Schichten,  sowohl 
in  tangentialen  wie  in  radialen  Reihen.  Sie  sind  kaum  0.02mm  breit. 
Die  Siebröhren  bilden  tangentiale  Stränge  oft  durch  die  ganze  Breite  der 
Baststrahlen.  In  den  äusseren  Lagen  sind  sie  gewöhnlich  zusammengefallen  und 
braun ,  im  jüngeren  (inneren^  sind  ihre  Lumina  offen ,  ihre  Wände  farblos. 
Schleim zellen  von  bedeutender  Grösse  (ganz  gewöhnlich  0.2 mm  lang  und 
0.05mm  breit)  kommen  in  allen  Theilen  des  Bastes  reichlich  vor,  oft  6 — !> 
auf  einer  Fläche  von  0.5  qrani.  Der  Inhalt  ist  ein  schwach  gelblich  gefärbter, 
in  Wasser  und  Alkohol  unvollkommen  löslicher  Klumpen  oder  ein  farbloser,  die 
Zellen  vollkommen  ausfüllender  Schleim,  in  welchem  oft  winzige  Krystallnadeln 
von  oxalsaurem  Kalk  eingebettet  liegen,  die  übrigens  auch  im  Bastparenchym 

Digitized  by  Google  ! 


CINNAMOMUM.  —  CIRCASSIA  WASSER. 


159 


und  in  den  Markstrahlen  vorkommen.  Spezifische  Oelz eilen,  welche  überall  an- 
gegeben, aber  nirgends  beschrieben  werden ,  kommen  nieht  vor ;  es  scheint  viel- 
mehr das  ätherische  Oel  ein  allgemeiner  Zellinhalt  zu  sein,  wie  auch  Oude- 
maxs  (Pharmakognosie,  pag.  213)  meint.  Die  blassgelben  Klumpen,  welche  man  in 
den  Sehleimzellen  antrifft,  dürften  ein  balsamischer  Schleim  oder  eine  Art  von 
Gummiharz  sein. 

Die  Parenchymzellen  und  Markstrahlen,  mitunter  auch  die  Steinzellen  sind  mit 
Stärke  erfüllt.  Die  Stärkekörnchen  sind  meist  zusammengesetzt,  zu  dreien, 
zweien  oder  vieren  (Fig.  22).  Sie  sind  zumeist  nur  0.06  mm  gross  und  solche 
von  doppelter  Grosse  gehören  zu  den  Seltenheiten. 

Der  Ceylon-Zimmt  ist  der  feinste  von  allen.  Das  ätherische  Oel,  von  dem  es 
bis  1.5  Procent  enthält,  gleicht  in  seinen  Eigenschaften  und  in  der  Zusammen- 
setzung dem  Cassia-Oel  (s.  Oleum  Cinnam  omi). 

Er  dient  gleich  dem  Chinesischen  Zimmt  vorzüglich  zu  pharmaceutischem  Ge- 
brauch, seltener  als  Gewürz  im  Haushalt. 

Das  eigentliche  Küchengewflrz,  Cassia  schlechtweg,  auch  Cassia  lignea, 
Xylocassia,  Holzzimmt,  Malabar-Zimmt,  Holzcassia,  im  continentalen 
Droguenhandel  Cassia  vera  genannt,  umfasst  verschiedene  geringwertige 
Sorten,  die  einerseits  von  den  ostindisohen  Varietäten  des  Ceylon  -  Zimmtes, 
andererseits  von  dem  nach  den  Sunda-Inseln  und  den  Philippinen  verpflanzten 
chinesischen  Zimmtbaume,  endlich  wohl  auch  von  anderen  Zimmtbäumen 
(Cinnamomum  Burmani  Bl.,  C.  obtusifolium  Nees ,  C.  pauciflorum  Nees, 
C.  Tamal  i  Nees  et  Eb.)  stammen. 

Im  Aussehen  und  im  Baue  schwankt  diese  Sorte,,  ihrer  Abstammung  ent- 
sprechend, zwischen  Ceylon-  und  Chinesischem  Zimmt,  nähert  sich  aber  in  der 
gegenwärtig  häufigsten  Waare  mehr  dem  ersteren.  Sie  ist  es,  welche  als  die  wohl- 
feilste Sorte  den  gestossenen  Zimmt  des  Kleinhandels  bildet  Ueber  den  Nachweis 
von  Verfälschungen  s.  Zimmt. 

3.  Cinnamomum  G ulilawan  Bl.  auf  den  Molukken  liefert  die  Culi- 
/awmn-Rinde  (s.  d.).  Ein  hoher  Baum  mit  kahlen,  dreinervigen,  unterseits  see- 
grünen Blättern,  armblütbigen ,  achselständigen  Inflorescenzen ,  aus  denen  sich 
grüne,  kleinen  Eicheln  ähnliche  Früchte  entwickeln. 

4.  Cinnamomum  in  er 8  Reinw.  (C.  Malabathrum  Botka,  C.  nitidum 
Nees,  Laurus  Malabathrum  Wall.)  und  wahrscheinlich  einige  andere  indische 
Arten  (Cinnamomum  eucalyptoides  Nees,  C.  nitidum  Hook,  C.  obtusifolium 
Nees,  C.  Tamala  Nees)  gelten  als  die  Stammpflanzen  der  Malabathrum* 
Blätter  (s.  d.). 

5.  Cinnamomum  Camphora  Nees  (Laurus  Camphora  L.,  Persea 
Camphora  Spr.,  Camphora  officinarum  Bauh.)  ist  ein  kleiner  Baum  mit  lang- 
stieligen, drei-  bis  fünfnervigen,  kahlen,  unterseits  bläulichen,  häutigen  bis  lederigen 
JUättern  und  achselständigen,  schwach  verzweigten,  gelben  Inflorescenzen.  Das 
Perigon  ist  innen  sammt  den  Staubgefässen  flaumig  behaart,  die  Zipfel  sind 
stumpf.  Die  kugeligen,  in  der  flachen,  ganzrandigen  Perigonbasis  sitzenden 
Beeren  sind  erbsengross,  glänzend  schwarzroth.  Seine  Heimat  ist  die  Insel  Formosa, 
China  und  das  südliche  Japan.  Er  ist  die  Mutterpflanze  des  K  a  m  p  f  e  rs  (s.  Bd.  DI, 
pag.  510).  J.  Moeller. 

CinnamylaJkohol,  *.  zi  m  m  t  a  1  k  o  h  o  1. 
Cinnamylsäure,  s.  Zimmtsänre. 
CinnamylVVaSSerStoff,  s.  Zimmtsäurealdehyd. 

CirCaSSian  Hair-RejUVenatOr  ist  ein  amerikanisches,  Bleizucker  ent- 
haltendes Haarfärbemittel. 

CirCaSSiawaSSer,  RllOfTS,  ein  Cosmeticum,  ähnlich  der  Mixtur«  oleoso- 
balsamica  zusammengesetzt. 


Digitized  by  Google 


160 


CIRCULARPOLARISATION.  -  CIS3AMPELOS. 


CirCUlarpolarisatiOII  nennt  man  die  Erscheinung  der  Drehung  der  Polarisa- 
tionscbene  linear  polarisirten  Lichtes  beim  Durchgang  durch  gewisse  Substanzen, 
wie  Zuckerlösungen,  Terpentinöl  u.  a.  Je  nachdem  diese  Drehung  für  einen  den 
Lichtstrahlen  entgegen  blickenden  Beobachter  im  Bewegungssinne  der  Uhr- 
zeiger oder  demselben  entgegen  stattfindet,  heisst  die  Substanz  rechts-  oder  links- 
drehend. 

Lichtstrahlen  bezeichnet  man  als  circular  polarisirt ,  wenn  bei  ihrer  Er- 
zeugung die  schwingenden  Aetherthcilehen  kreisförmige  Bahnen  beschreiben.  Man 
unterscheidet  rechts  und  links  gedrehte,  circularpolarisirte  Strahlen,  je  nachdem 
die  Theilchen  für  einen  dem  Strahl  entgegenblickenden  Beobachter  ihre  Bahn  im 
Sinne  der  Bewegung  eines  Uhrzeigers  durchlaufen  oder  nicht.  —  S.  auch  Polari- 
sation und  Sacc  harimetrie.  Pitsch. 

CirCUlatlOn,  s.  Kreislauf. 

Circumcision,  Beschneidung.  Die  operative  Entfernung  der  Vorhaut  des 
männlichen  Gliedes  ist  entweder  eine  chirurgische  Massnahme  gegen  Erkrankungen 
diese«  Organes  oder  sie  ist  ein  ritueller  Act.  Als  solcher  wird  die  Circumcision 
bei  den  Juden  am  achten  Tage  nach  der  Geburt,  bei  den  Mohamedanern  gewöhn- 
lich im  dreizehnten  Lebensjahre  ausgeführt.  Auch  bei  vielen  uncultivirten  Völker- 
schaften wird  die  Circumcision  geübt ,  so  bei  den  meisten  afrikanischen  Stammen, 
bei  den  Eingeborenen  Australiens,  sowie  bei  einzelnen  amerikanischen  Volksstammen, 
im  Ganzen  wohl  an  200  Millionen  Menschen.  Reisende  berichten  auch  von  Ver- 
stümmlungen an  den  weiblichen  Genitalien.  Ueber  die  Art  und  den  Zweck  der 
Ausführung  ist  jedoch  nichts  Zuverlässige«  bekannt. 

Cirrhose  fciüfe,  gelb)  ist  eine  entzündliche  Wucheruug  des  Bindegewebes 
zwischen  den  Leberläppchen,  in  deren  Folge  die  Leber  bedeutend  anschwillt.  Im 
spateren  Stadium  des  Krankheitsprocesses  schrumpft  das  gewucherte  Bindegewebe 
und  bringt  die  Leberläppchen  durch  Druck  zum  8chwunde,  die  Leber  wird  ver- 
kleinert und  erhält  eine  feinhöckerige  Oberfläche  („granulirte"  Leber).  Die  Leber- 
cirrhose  ist  eine  chronische  Erkrankung,  deren  Ursache  häufig  Alkoholmissbrauch 
ist  („Gin  drinkers  liver").  Cirrhosen  kommen  auch  in  anderen  Organen,  sogar  im 
Gehirne  vor:  die  progressive  Paralyse  soll  auf  einer  derartigen  Erkrankung  des 
Gehirnes  beruhen. 

CirsiUlTl.  Gattung  der  Composüae,  Unterfamilie  Cardueae,  charakterisirt  durch 
deu  borstlich-spreuigen  Fruchtooden  und  den  federigen  Pappus. 

In  den  Blüthenköpfen  von  Cirsium  arvense  Scop.,  einer  durch  Diöcie  aus- 
gezeichneten Art,  will  neuerlich  Schüttleworth  ein  Alkaloid,  C  i  r  s  i  u ,  gefunden 
haben. 

ClSSarnpslOS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Menisper- 
maceae.  Diöcische  Sträucher:  $  Bltithen  in  sehr  verzweigten  Trugdolden,  aus  einem 
kurz  becherförmigen  Pcrigon  und  einer  oben  schildförmig  verbreiterten  Antheren- 
saule  bestehend:  9  Blflthen  in  Trauben,  ausser  dem  Fruchtknoteu  aus  je  einem 
einzigen  Kelch-  und  Blumenblatt  gebildet  und  zu  einer  kugeligen  cinsamigen  Stein- 
frucht sich  entwickelnd. 

1.  C i ssampelos  Pareira  L.  aus  dem  tropischen  Amerika  besitzt 
dicke  holzige  Wurzeln  und  windende  stielrunde  Stengel  mit  fast  kreisrunden, 
am  Grunde  nierenförmigen ,  langstieligen ,  haarigen  Blättern.  Die  kleinerbsen- 
grossen  Früchte  sind  scbarlachroth,  dicht  mit  langen,  weissen  Haaren  besetzt  — 
Diese  Art  -galt  früher  als  die  Stammpflanze  der  Pareira -Wurzel  (s.  d.).  Die 
echte  Part  ira  hrava  stammt  jedoch  von  Chondodeiidron  tomentosum  R.  et  P. 
(s.  pag.  101). 

2.  Cis  sampelos  Caapeba  L.  aus  Westindien  besitzt  eine  nur  federkiel- 
dicke Wurzel,  streitige  Stengel  und  ebenfalls  schildförmige,  unterseits  weichhaarige 

Digitized  by  Google 


CISSAMPELOS.  —  CITKONENKRAUT. 


161 


Blatter.    Die  Früchte  sind  viel  kleiner,  nierenförraig.    Die  Wurzel  dient  gleich 
der  Pareira  in  der  Heimat  als  Heilmittel,  besonders  als  Dinreticum. 

3.  C  ias  ampelos  ovalifolia  VC,  das  Unzenohr,  in  Brasilien  heimisch, 
schlingt  kaum,  die  Blatter  sind  oval,  lederig,  unterseits  weisshaarig,  die  Ö  In- 
floreacenzen  sind  mehrmals  länger  als  der  Blattstiel.  Die  Wurzel  dieser  und 
anderer  Arten  (C.  mauritiana  Dup.  Th.,  C.  glaberrima  St.  Hü.,  C.  ebracteata 
tk.  Hü.,  C.  capensis  Thbg.)  gilt  ebenfaUs  als  heilkräftig. 

ClSt.,   auf  Recepten  vorkommende  Abkürzung  für  cista  oder  cistula,  Schachtel. 

CistaCeae,  Familie  der  Gistiflorae,  zumeist  in  den  Mediterranländern.  Cha- 
rakter :  Blätter  gegenständig,  quirlig  oder  spiralig,  ungetheilt,  zuweilen  mit  Neben- 
blättern. Blüthen  zwitterig,  regelmässig,  oft  in  Wickeln.  Kelch  öblättrig,  bleibend, 
in  der  Knospenlage  zusammengedreht ;  äussere  zwei  Blätter  meist  kleiner  oder  auch 
fehlend.  Krone  öblättrig,  abfallend,  in  der  Knospeulage  in  einer  den  Kelchblättern 
entgegengesetzten  Richtung  zusammengedreht.  Staubgefässe  zahlreich,  frei.  Griffel 
verwachsen,  mir  oberwarts  3 — ötheilig.  Kapsel  durch  Mitteltheilung  aufspringend, 
entweder  lfflcherig  oder  durch  halbirtc  Scheidewände  3-,  selten  6— lOfficherig, 
vielsamig.  Sydow. 

CiSÜfloräe,  Abtheilung  der  Chortpetalae,  umfassend  die  Familien  der  Reseda- 
ceae,  Violaceae,  Ihoseraceae,  Sarraceniaceae,  Nepmthaceae,  Cistaceae,  Bixa- 
ceae,  Hypericaceae,  Frankeniacear,  Elatinaceae,  Tamaricaceae,  Temstroemia- 
etat,  Dilleniaceae,  Cluaiaceae,  Ochnaceae,   Chlaenaceae  und  Dipterocarpaccae. 

Sydow. 

CiStUS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie.  Sträucher  oder  Halbst räucher 
mit  gegenständigen  Blättern  ohne  Nebenblätter.  Blüthen  endständig,  einzeln  oder 
zu  mehreren,  zu  5 — 10- fächerigen  Kapseln  sich  entwickelnd.  Mehrere  im  Mittel- 
meergebiete heimische  Arten  (C.creticus  L.,  C.  cyprhis  Lam.,  C.  ladan  iferus  L.) 
sind  Mutterpflanzen  des  Ladanum  (s.  d.j. 

Citraconsäure  ist  ein  Zersetzungsproduct  der  trockenen  Destillation  der 
Citr onensäure  (s.  d.). 

Citras,  Citrate  (franz.,  engl.),  ist  ein  eitronensaures  Salz  (Citrat). 

Citratlöslich  nennt  man  diejenige  Phosphorsäure,  welche  in  Superphosphaten 
nicht  mehr  im  freien  Zustande  vorhanden,  sondern  zum  Theil  in  neutrales  Calcium- 
phosphat  übergegangen  („zurückgegangen")  ist.  Dieselbe  ist  immerhin  noch  als 
assimilirbar  zu  betrachten,  da  das  neutrale  Calciumphosphat  von  der  Kohlensäure 
der  Liift  allmälig  zersetzt  wird.  Um  die  „citratlösliche"  Phosphorsäure  zu  bestimmen, 
extrahirt  man  zuerst  die  wasserlösliche  und  hierauf  mit  einer  Lösung  von 
Ammoniumeitrat  die  citratlösliche  Phosphorssure.  Die  als  Tricalciumphosphat  und 
Ferriphosphat  vorhandene  Phosphorsäure,  die  nur  in  Mineralsäuren  löslich  ist, 
wird  „Säurelösliche"  genannt.  —  8.  Phosphorsäurebestimmung. 

Cftrüen,  s.  unter  Cit  ronenöl. 
Citrinamentum.  s.  Tinten. 

Citronellaöl.  Aethorisches,  wohlriechendes  Oel,  welches  aus  einigen  indischen 
Arten  Andropogon  dargestellt  wird.  Es  hat  bei  20°  das  spec.  Gew.  0.874  und 
siedet  bei  etwa  200°.  Es  besteht  hauptsächlich  aus  einem  bei  200°  siedenden 
Oel  Cl0  H1S  0.  Bei  Behandlung  des  Citronellaöles  mit  Chlorzink  wird  ein  ibei 
170 — 180°  siedender  Kohlenwasserstoff  erhalten.  Brom  gibt  neben  harzigen  Producten 
ein  Additionsproduct  C10Hl8Br2O,  welches  beim  Erhitzen  in  Wasser,  Bromwasser- 
stoff und  Cymol  C10  Hu  zerfällt.  v.  Schröder. 

CitrOnen-Mell'SSenÖl,  das  ätherische  Gel  von  Melissa  officinalis,  s.  Melissen  öl. 

CftrOnenkrailt  ist  Herba  Melisme. 

Keal-Encyolopädle  der  gea.  Pharaade.  III.  «Digitized  by  Google 


162 


CITEONENÖL.  -  CITEONENSiUEE. 


CitrOnenÖl,  Oleum  Citri  s.  de  Öedro,  Oleum  Ianumis,  Esselice  de  Citron. 
Es  findet  sich  in  den  Citronenschalen,  den  Fruchtschalen  von  Citrus  Linwnumy 
und  wird  durch  Zerreissen  und  Auspressen  der  Schalen,  seltener  durch  Destillation, 
gewonnen.  Es  wird  hauptsächlich  in  Calabrien,  Nizza,  Sioilien  etc.  im  November 
und  December  gewonnen.  100  Fruchte  geben  60— 100g  Oel.  Das  Oel  ist  dünn- 
flüssig, gewöhnlich  grünlich  oder  gelb,  nach  Rectification  mit  Wasser  farblos. 
Nach  längerem  Stehen  wird  es  dunkelgelb ,  dickflüssig  und  hat  dann  das  spec. 
Gew.  0.88,  während  es  fast  eine  Dichte  von  0.84  bis  0.86  besitzt.  Riecht  ange- 
nehm. Wenig  löslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Schwefelkohlenstoff  und  absolutem 
Alkohol.  Mischt  sich  mit  ätherischen  und  fetten  Oelen,  löst  Fette,  Harze,  auch 
Schwefel  und  Phosphor.  Beim  Stehen  an  der  Luft  bildet  sich  ein  Absatz  von 
Citropten  (Citronenkampfer)  und  verharzt  es  allmälig.  Chlorgas  zersetzt  es  unter 
Wärmeentwickclung ;  Baumwolle  oder  Papier  mit  Citronenöl  getränkt,  erhitzt  sich,  in 
Chlorgas  gebracht,  bis  zur  Verkohlung,  selbst  bis  zur  Entzündung.  Wässeriges 
Brom  verbindet  sich  mit  dem  Oel;  bei  Zusatz  von  hinreichend  viel  Brom  bildet 
sich  ein  farbloses  Dibromid  Cl0H,öBr,,  welches  mit  Anilin  erhitzt  Cymol  C10HU 
gibt.  Beim  Behandeln  mit  Wasser  und  Salpetersäure  entsteht  ein  farbloses  Hydrat, 
C,0HaoOa  4-  H,0.  Es  bildet  Verbindungen  mit  Salzsäure,  von  denen  das  Bihydro- 
chlorat,  C,0H,0  2C1H,  theils  in  weissen,  gewürzhaft  riechenden  Blättchen  und  Säulen 
krystallisirt,  theils  als  farbloses  Oel  erhalten  wird.  Die  erstere  Form  liefert  beim  Er- 
hitzen mit  Kali  oder  Kalk  das  optisch  indifferente,  bei  165°  siedende  Camphen, 
Citren  oder  Citronyl,  die  letztere  bei  gleicher  Behandlung  das  ebenfalls  inactive 
Camphen,  Citrilen  oder  Citryl,  das  bei  168°  siedet.  Das  Citronenöl  ist  rechtsdrehend 
(a)  D  =  +  109.32°  und  hat  den  Siedepunkt  177°.  Nach  Blanchet  und  Sell 
ist  das  Citronenöl  ein  Gemenge  von  zwei  Camphenen,  dem  Citren  oder  Citronyl 
und  dem  Citrilen  oder  Citryl.  Wenn  man  Citronenöl,  welches  Citronenkampfer 
enthält,  destillirt,  so  schiesst  letzterer  aus  dem  Rückstände  in  farblosen,  glänzenden 
Säulen  an,  welche  bei  45°  schmelzen,  unzersetzt  sublimiren,  sich  reichlich  in 
kochendem  Wasser  lösen  und  die  Zusammensetzung  Cl0Hll}Oö  haben. 

v.  Schröder. 

CftronenpflaSter,  volksth.  Bezeichnung  für  Ceratum  citrinnra,  Citronensalbe 

für  Unguentum  Hydrargyri  citrinum  (auch  für  üngt.  flavuin). 

Citronensälire,  C,  H^  0,  *  H,  0.  Die  Oitronensäure  gehört  zu  denjenigen 
organischen  Säuren,  welche  im  Pflanzenkörper  theils  allein,  theils  in  Begleitung 
anderer  Säuren  (Aepfelsäure,  Weinsäure,  Oxalsäure),  theils  in  Form  von  Salzen, 
an  Kali,  Kalk  und  Magnesia  gebunden,  vielfach  verbreitet  vorkommen. 

Am  reichlichsten  findet  sie  sich  in  den  Früchten  von  Citrus  medica  L.  und 
Citrus  Aurantium  L.  Der  frisch  gepresste  Citroneusaft  ist,  abgesehen  von  etwas 
Pectin ,  eine  ziemlich  reine  Auflösung  von  Citronensäure.  Im  Citroneusaft  hat 
Scheele  die  Säure  im  Jahre  1784  entdeckt  und  ihr  in  Folge  ihres  Ursprunges 
den  Namen  gegeben.  Seitdem  ist  sie  als  weitverbreitet  nachgewiesen  worden,  und 
zwar  rein  in  den  Früchten  von  Vaccinium  vitis  Idnea  und  Vaccinium  Oxycoccos 
(Preisseibeere  und  Moosbeere);  neben  Aepfelsäure  in  den  Früchten  von  Ribes 
Grossularin  (Stachelbeere),  Ribes  rubrum  (Johannisbeere),  Vaccinium  Myrtillus 
(Heidelbeere),  Ritbus  Idaeus  (Himbeere),  Rubus  ckamnemorus;  neben  Aepfel-  und 
Weinsäure  in  dem  Mark  von  Tamarindus  indica  und  in  den  Früchten  von  Sorbus 
Aucujtaria  (Vogelbeere),  Prunus  Cerasus  (Kirsche),  Prunus  Padus  (Vogelkirsche), 
Fragaria  vesca  (Erdbeere),  Sambucus  nigra  (Hollunderbeere) ,  Cerasus  acidn 
(Sauerkirsche),  Rosa  canina  (Hagebutten).  In  kleineren  Mengen  findet  sie  sich 
noch  in  einer  grossen  Anzahl  von  Pflanzen,  entweder  in  den  Früchten,  Wurzeln, 
Blättern,  Rinden,  im  Milchsaft  u.  8.  w. ;  z.  B.  in  Drosera  intermedia,  Solanum 
Dulcamara,  Nicotin  na  Tabacum  und  vielen  anderen ,  deren  Aufzählung  hier  zu 
weit  führen  würde. 


Digitized  by  Google 


CITRONENSÄ  URE. 


163 


Zur  Darstellung  und  Gewinnung  eignen  sieb  unter  den  genannten 
Frachten  hauptsächlich  die  Ottronen,  deren  Saft  im  Durchschnitt  10  Procent  reine 
Citronensäure  enthält;  von  einheimischen  Früchten  eignen  sich  die  rothen 
Johannisbeeren,  Stachelbeeren  und  Preisselbeeren,  welche  im  Durchschnitte  1  Pro- 
cent Ausbeute  an  Säure  geben.  Die  Bereitung  geschieht  in  der  Weise,  dass  man 
die  meistens  etwas  beschädigten  oder  angefaulten  Citronen,  Bergamotten  oder 
Limonen  presst  und  den  trüben  Saft  zum  Zweck  der  Klärung  und  Filtration 
jrähren  lässt.  Dann  filtrirt  man  und  sättigt  ihn  kochend  heisa  mit  Calcium- 
carbonat und  zuletzt,  um  vollständige  Sättigung  zu  bewirken,  mit  Kalkmilch.  Die 
freie  Citronensäure  bindet  sich  dabei  an  den  Kalk  zu  Calciumcitrat ,  welches  die 
merkwürdige  Eigenschaft  besitzt,  in  siedendem  Wasser  fast  unlöslich,  in  kaltem 
jedoch  wesentlich  löslicher  zu  sein.  Dieses  Calciumcitrat  wird  noch  siedend  auf  ein  Seih- 
tuch gebracht  und  mit  siedendem  Wasser  so  lange  ausgewaschen,  bis  das  Wasser 
nicht  mehr  trübe  abläuft.  Dann  wird  das  gewasehene  rohe  Citrat  mit  verdünnter 
Schwefelsäure  im  geringen  Ueberschuss  unter  gelindem  Erwärmen  und  beständigem 
Umrühren  zersetzt;  man  nimmt  auf  je  4  Th.  der  verwendeten  Kreide  5  Th. 
Schwefelsäure,  welche  man  mit  25  Th.  Wasser  verdünnt  und  vor  dem  Zusatz 
erkalten  lässt.  Das  Calcium  scheidet  sich  als  Sulfat  ab  und  die  Citronensäure 
geht  in  Lösung.  Man  filtrirt  ab,  wäscht  das  Sulfat  fleissig  aus  und  dampft  das 
Filtrat  und  die  Waschwässer  zuerst  über  freiem  Feuer  in  Bleipfannen  bis  zum 
apec  Gew.  1.13,  dann  weiter  im  Wasserbade  bis  zur  Bildung  der  Krystallhaut 
ein.  Die  von  den  Krystallen  abgegossene  Mutterlauge  wird  nach  dem  Verdünnen  mit 
Wasser  wieder  wie  Citronensaft  behandelt.  Die  gewonnenen  rohen  Krystalle  siud 
meistens  gelt)  gd'iirbt  und  werden  durch  Behandeln  mit  Thierkohle  und  Umkry- 
stalliairen  gereinigt.  Bei  der  Gewinnung  aus  Johannisbeeren,  Stachel- 
beeren und  Preissei  beer  e  n  sammelt  man  die  Früchte  kurz  vor  ihrer  Reife, 
presst  den  Saft  aus  und  lässt  denselben  zur  Zerstörung  des  Zuckers  gähren  (der 
gebildete  Alkohol  kann  durch  Destillation  gewonnen  werden).  Den  gegohrenen 
alkoholfreien  Saft  sättigt  man  noch  heiss  mit  Kreide.  Der  Niederschlag  ist  ein 
Gemenge  von  Citrat  und  Malat.  Die  Zersetzung  mit  Schwefelsäure  ist  dann  die 
gleiche,  wie  oben  bei  der  Darstellung  aus  Citronen  angegeben;  nur  wiederholt 
man  die  Operation  der  Sättigung  öfter,  um  den  in  siedendem  Wasser  leichter  lös- 
lichen äpfelsauren  Kalk  thunlichst  vom  Citrat  zu  trennen. .  Die  Ausbeute  an 
Citronensäure  beträgt  aus  Citronen  5.5  Procent,  aus  Johannisbeeren  und  Preissel- 
beeren 1 — 1.2  Procent. 

Synthese:  Die  Citronensäure  lässt  sich  auch  synthetisch  herstellen.  Vom 
Dichlorhydrin  gelangt  man  durch  Oxydation  zum  entsprechenden  Diehloraeeton, 
C  j  H4  Cl,  0.  Dieses  wird  durch  concentrirte  Blausäure  in  Dichloracetoncyanhydrin 

CH,C1.C0H<™C1 

und  dieses  durch  Behandeln  mit  Chlorwasserstoff  in  Dichloracetonsäure  umgewandelt : 

CH,C,.COH<™™ 

Das  Natronsalz  dieser  Säure  gibt  beim  Erhitzen  mit  2  Vol.  Cyankalium  in  eon- 
eentrirter  Lösung  ein  Dicyanid,  ans  dem  sich  mit  Salzsäure  Citronensäure  bildet. 

Eigenschaften:  Die  Citronensäure  krystallisirt  aus  heiss  gesättigter  wässeriger 
Lösung  wasserfrei,  aus  kalter  wässeriger  Lösung  mit  1  Atom  Krystallwasaer 
in  Form  von  grossen ,  wasserhellen ,  orthorhombischen  Säulen  oder  Prismen  von 
1.55  spec.  Gew.  Letztere  Modification  ist  die  Handelswaare.  Die  Krystalle  sind 
geruchlos,  von  angenehmem,  stark  saurem  Geschmack,  in  3  ,  Th.  kaltem,  in  1  a  Th. 
heissem  Wasser  zu  einer  syrupdicken  Flüssigkeit  löajjch.  Sie  lösen  sieh  ferner 
ungemein  leicht  in  80procentigem  Alkohol ,  in  Aether  und  in  weniger  als  dem 
gleichen  Gewichte  Kreosot. 

Die  speeifischen  Gewichte  wässeriger  Citronensäurelösungen  stellen  sich  bei  15° 
nach  Gerlach: 


11* 


Digitized  by  Google 


164 


CITRONENSÄURE. 


bei  10  Procent  Gehalt   1.0392 


20 

r> 

n 

30 

n 

.    .    .  1.1244 

40 

» 

n 

60 

n 

.    .    .  1.2204 

n 

60 

66.1 

.    .    .  1.3076. 

Prüfung:  Die  Citronensäure  kann  Verunreinigungen  enthalten,  welche 
von  der  Darstellung  herrühren,  und  zwar:  Kalk,  Schwefelsäure,  Blei  und  Eisen 
(event.  Kupfer).  Schwefelsäure  ist  leicht  durch  BaCl2,  Kalk  mit  Ammoninm- 
oxalat,  Blei,  Kupfer  und  Zinn  mit  H2  8,  Eisen  mit  gelbem  Blutlaugensalz  nach- 
zuweisen. 

Als  absichtliche  Verfälschung  wird  nicht  selten  Weinsäure  in  geringeren  oder 
grösseren  Mengen  zugesetzt ;  der  Nachweis  der  Weinsäure  beruht  auf  der  geringeren 
Löslicbkeit  des  Kalisalzes :  man  mischt  gleiche  Volumina  einer  Citronensäurelösnng 
(1:3)  und  einer  alkoholischen  Kaliumacetatlösung ;  es  darf  kein  krystallinischer 
Niederschlag  entstehen.  Noch  schärfer  wird  die  Reaction  bei  Verwendung  von 
Magnesiuniacctat :  man  erhitzt  2  g  der  zu  prüfenden  Säure  mit  1  g  Magnesium- 
carbonat  und  20  g  Wasser  zum  Sieden :  entsteht  schon  dabei  eine  Abscheidung, 
so  ist  viel  Weinsäure  vorhanden ;  bleibt  die  Lösung  klar ,  so  vermischt  man  sie 
nach  dem  vollständigen  Erkalten  mit  60  g  90procentigem  Alkohol  und  schüttelt 
tüchtig;  erfolgt  auch  jetzt  keine  Trübung,  so  war  die  Säure  frei  von  Weinsäure, 
da  schon  geringfügige  Spuren  eine  Trübung  durch  abgeschiedenes  Magnesi uni- 
tartrat bewirken  würden.  Auch  die  Lösung  der  Citronensäure  in  concentrirter 
Schwefelsäure  kann  zum  Nachweis  von  Weinsäure  dienen ;  reine  Säure  löst 
sich  farblos  und  wird,  1  Stunde  im  Wasserbade  erhitzt,  höchstens  gelblich; 
bei  Anwesenheit  von  Weinsäure  färbt  sich  die  Lösung  jedoch  bald  mehr  oder 
minder  braun. 

Reactionen:  Die  Citronensäure  ist  durch  ihre  grossen ,  harten ,  farblosen 
Kry stalle ,  die  leichte  Löslichkeit  und  den  angenehm  sauren  Geschmack  wohl 
charakterisirt ;  die  Weinsäure  zeigt  in  ihren  physikalischen  Eigenschaften  Aehnlicb> 
keit  und  gibt  zu  Verwechslungen  Anlass.  Die  Citronensäure  und  ihre  Lösungen 
sind  zum  Unterschiede  von  der  Weinsäure  optisch  inactiv;  sie  bildet  mit  Kali, 
Ammoniak  und  Magnesia  keine  schwerlöslichen  Salze.  Selbst  Alkoholzusatz  fällt 
dieselben  nicht.  Kalkwasser  bewirkt  in  wässeriger  Citronensäurelösung  erst  beim 
Kochen  einen  Niederschlag,  der  sich  beim  Erkalten  wieder 
löst.  Die  Lösungen  citronensaurer  Alkalien  geben  mit  Chlorcalcium  erst  beim 
Erhitzen  eine  Fällung  von  Calciumcitrat,  welches  in  Kali-  und  Natronlauge 
unlöslich,  löslich  dagegen  in  Salmiak  ist.  Erhitzt  mau  diese  Lösuug  in  Salmiak 
zum  Kochen,  so  fällt  das  Calciumcitrat  wieder  aus  und  löst  sich  nicht  wieder  in 
Salmiak.  Bleizucker  gibt  einen  weissen  Niederschlag  von  Bleicitrat,  welches  nach 
dem  Auswascheu  sich  in  Ammoniak  löst.  Silbernitrat  gibt  einen  weissen  flockigen 
Niederschlag,  der  sieh  in  kochendem  Wasser  ohne  Schwärzung  löst.  Charak- 
teristisch für  die  Citronensäure  ist  dasßaryumsalz.  Die  Citronen- 
säure wird  durch  Baryumacotat  sowohl  in  wässeriger,  wie  alkoholischer  Lösung 
gefällt  als  amorpher  Niederschlag  von  der  Zusammensetzung  Bas  (C6  H-  07)3  +  7  H2  0. 

Erhitzt  man  dieses  länger  mit  Baryumacetat  im  Wasserbade,  so  verliert  es  die 
Hälfte  des  Hydratwassers  und  geht  in  ein  Salz  von  der  Formel  Ba3  (C6  H&07)2  + 
3.5  Hj  0  Uber,  welches  mikrochemische  Kryställehen  bildet. 

Bestimmung  und  Trennung.  Wo  keine  Trennung  erforderlich  ist,  fällt 
man  die  citronensauren  Alkalien  mit  Baryumacetat  und  mit  dem  doppelten  Volum 
Alkohol  von  95  Proeent.  Nach  24  Stunden  wird  filtrirt,  das  Baryumcitrat  mit 
Alkohol  von  65  Procent  ausgewaschen,  mit  S  04  H3  zersetzt  und  als  Sulfat  ge- 
wogen. Ist  eine  Trennung  von  Weinsäure  erforderlich,  so  versetzt  man  mit  Kalium- 
acetat  und  dann  mit  dem  doppelten  Volum  Alkohol  von  95  Procent.  Nach  einer 

Digitized  by  Googl 


CITRONENSÄURE. 


Stuude  filtrirt  man  das  gebildete  Bitartrat  ab,  wascht  mit  einem  Gemenge  von 
1  Vol.  Wasser  und  2  Vol.  Alkohol;  das  Filtrat  fallt  man  mit  Bleizacker,  wäscht 
den  Niederschlag  mit  Weingeist  von  50  Procent,  zerlegt  ihn  mit  Ha  S  und  titrirt 
die  in  Freiheit  gesetzte  Citronensäure  mit  1  3  Normalammoniak. 

Constitution:  Die  Citronensäure  ist  eine  dreiatomige  Säure  von  der  Formel 

/COOH 
Cj  H4  .  OH  /  COOH. 

M300H 

Je  nachdem  das  Wasserstoffatom  in  einer,  zwei  oder  allen  drei  Carboxylgruppen 
durch  Metalle  vertreten  wird,  entstehen  drei  Reihen  citronensaurer  Salze.  Die 
Salze  der  Alkalien  sind  sämmtlich  leicht  löslich;  die  der  übrigen  Metalle  mehr 
oder  minder  schwer  löslich,  aber  moist  löslich  in  verdünnter  Saure,  oft  schon  in 
Citronensäure  selbst.  Die  Citronensäure  bildet  mit  Vorliebe  Doppelsalze,  welche 
sich  in  Alkalien  und  Ammoniak  leicht  lösen.  Die  Gegenwart  von  Citronensäure 
verhindert  daher  die  Fällung  der  Salze  vieler  schwerer  Metalle  durch  Alkalien  oder 
kohlensaure  Alkalien.  Von  den  Salzen  ist  eine  grosse  Anzahl  bekannt ;  dieselben 
finden  indessen  fast  nirgends  Verwendung  in  der  Technik,  sondern  raeist  die  Säure 
selbst.  Von  pharmaceutischem  Interesse  sind  besonders  das  Magnesiumsalz,  das 
Eisensabc  und  das  Eisenammoniumdoppelsalz.  Näheres  über  diese  siehe  unter 
Ferro- Ammonium  citricum,  Ferrum  citricum  und  Mag  neu  in 
citrica. 

Derivate:  Erhitzt  man  Citronensäure  an  der  Luft ,  so  entzündet  sie  sich 
leicht  und  verbrennt  vollständig  zu  Kohlensäure  und  Wasser.  Beim  Erhitzen  in 
einer  Retorte  schmilzt  sie ,  und  zwar  die  krystallisirte  bei  100° ,  die  wasserfreie 
bei  153 — 154°;  wird  die  Erhitzung  bis  auf  175°  gesteigert,  so  tritt  Zersetzung 
ein  und  unter  Abspaltung  von  Wasser  resultirt  Aconitsäure  (C6  H,,  0,  = 

H«  Oa  +  H3  0) ,  welche  aus  dem  erkalteten  Rückstände  durch  Extrahireu  mit 
Aetber  und  weitere  Behandlung  von  der  unzersetzt  gebliebeneu  Citronensäure 
getrennt  werden  kann.  Wird  dagegen  die  Erhitzung  bis  auf  200°  fortgesetzt,  so 
entweichen  zunächst  C0S  und  Aceton,  dann  tritt  Kochen  ein  und  es  destillirt  eine 
farblose,  schwere  Flüssigkeit,  die  in  der  Vorlage  zu  einem  Krystallbrei  erstarrt, 
welcher  aus  zwei  isomeren  Säuren :  Itaconsäure  und  Ci  t  r  a  c  o  n  8  ä  u  r  e  C4  H4  04 
besteht.  C8  H„  0,  =  C4  H6  O,  +  C0a. 

Die  Itaconsäure  krystallisirt  in  farblosen  Rhombenoctaedern ,  die  sich  in 
17  Th.  Wasser  von  10°,  reichlicher  in  heissem  Wasser,  sowie  auch  in  Alkohol 
und  Aether  lösen  und  bei  161°  schmelzen. 

DieCitraconsäure  bildet  hygroskopische  vierseitige  Säulen,  welche  in  Wasser 
und  Alkohol  leicht  löslich  sind,  bei  80°  schmelzen  und  sich  bei  anhaltendem  Er- 
hitzen auf  100°  in  Itaconsäure  umwandeln.  Beide  Säuren  zerfallen,  der  trockenen 
Destillation  unterworfen ,  unter  Abscheidung  von  Wasser  in  Citracousäure- 
anhydrid,  C4  H6  04  —  H,  0  =  C4  H,  Os,  ein  farbloses  Gel  von  1.24  epec.  Gew. 
und  212°  8iedepunkt.  Wird  die  trockene  Destillation  noch  weiter  fortgesetzt,  so 
zerfällt  das  Anhydrid  schliesslich  in  CO,  C()a  und  brenzliche  Producte  unter  Ab- 
scheidung von  Kohle.  Die  Brenzproducte  liefern  mit  Natriumamalgam  Brenz- 
weinsäure. 

Bei  der  Oxydation  durch  concentrirte  Salpetersäure  wird  die  Citronensäure 
in  Oxalsäure  übergeführt;  mit  einem  Gemisch  von  Salpeter- und  Schwefelsaure 
hingegen  bildet  sich  Nitrocitronensäure.  Kaliumpermanganat  in  saurer 
Lösung  oxydirt  zu  Kohlensäure  und  Aceton :  dasselbe  in  neutraler  Lösung  oxydirt 
zu  Oxalsäure  ohne  Acetonbildung.  Ein  Gemenge  von  Braunstein  und  Schwefelsäure 
oxydirt  zu  Kohlensäure  und  Aceton.  Ozon  oxydirt  bei  Gegenwart  eines  freien 
Alkalis  zunächst  zu  Oxalsäure,  dann  zu  Kohlensäure  und  Wasser.  Beim  Erhitzen 
der  Citronensäure  mit  syrupdicker  Phosphorsäure  oder  Schwefelsäure  entweicht  ein 
Gasgemenge,  bestehend  aus  1  Vol.  Kohlenoxyd  und  2  Vol.  Kohlensilure.  Chlor  in 
eine  wässerige  Citronensäurelösung  geleitet,   zersetzt  dieselbe   und  erzeugt  eiu 


Digitized  by  Google 


CITRONENSÄURE.  —  CITRUS. 


Aceton ,  in  dem  sämmtliche  H- Atome  durch  Cl  substituirt  sind ,  Pereblor- 
a  c  e  t  o  n ,  C,  CL,  0.  Wirkt  Chlor  dagegen  auf  eine  Lösung  von  Natriumeitrat ,  so 
entstehen  Pentachloracetoo,  G,  HCI6  0,  Chloroform,  CHC13  und  Kohlensäure. 
Brom  wirkt  auf  Citronensäure  auch  bei  Siedetemperatur  und  im  directen  Sonnenlicht 
nicht  ein ;  in  einer  Lösung  von  Calciumcitrat  wird  dagegen  Pentabromaceton 
gebildet.  Bei  Behandlung  mit  Phosphorpentachlorid  bildet  sich  C Uro nensflu re- 
ch lorid.  C0  H8  0«  .Cl,,  als  weisse,  seideglänzende  Nadeln.  Mit  Kalihydrat  ge- 
schmolzen zerfällt  sie  in  Oxalsäure  und  Essigsäure. 

Die  concentrirte  wässerige  Lösung  der  Citronensäure  hält  sich  unverändert ; 
verdünnte  Lösungen  dagegen  zersetzen  sich  unter  Schimmelbildung  selbst  in 
verschlossenen  Gefässen. 

Anwendung:  Die  Citronensäure  wird  hauptsächlich  in  der  Kattundruckerei 
verwendet.  In  der  Medicin  und  bei  Bereitung  von  Limonaden  und  ähnlichen 
erfrischenden  Getränken  benutzt  man  häufiger  den  Citronensaft.  Ganswindt. 

Citronensaft,  frischer.  Der  ausgepreiste  Saft  des  Fleisches  der  Citronen, 
Limonen  und  Bergamotten  ist  in  der  Hauptsache  eine  wässerige  Lösung  von 
Citronensäure  mit  etwas  Pectin  und  Eiweiss ;  ein  guter  echter  Citronensaft  hat  ein 
spec.  Gew.  von  1.045  und  einen  Durchscbnittsgehalt  von  93,4  Procent  krystallisirter 
Säure.  Eine  gute  Citrone  liefert  im  Durchschnitt  25  g  Satt  und  2.5  g  Säure.  Nach 
VYarrixgtox  enthalten  die  Citronensäfte  des  Handels  verschiedene  Säuremengen ; 
nach  ihm  enthält  eine  Gallone  im  Gewichte  von  durchschnittlich  3190g  Saft  373  g 
bis  herab  zu  186  g  Citronensäure  neben  2.5  Proceut  fremden  Säuren ;  der  Berga- 
mottensaft enthält  durchschnittlich  450  g,  der  Limonensaft  360  g  Säure  per  Gallone, 
ersterer  mit  12—13,  letzterer  mit  7— 8  Procent  fremden  Säuren.  Nach  Stoddart 
sollen  alte  Citronen  keine  Citronensäure,  sondern  nur  noch  Essigsäure  enthalten. 

Citronensaft  gilt  als  das  wirksamste  Mittel  gegen  Scorbut,  weshalb  sich  in 
England  und  Amerika  Schiffe  für  längere  Fahrten  vorschriftsmässig  mit  demselben 
verproviantiren  müssen.  Citronensäure  ist  erfahrungsgeiuäss  viel  weniger  wirksam. 
Für  den  Großhandel  wird  Citronensaft  namentlich  von  Italien  von  Citrus  Limonum 
Jtisso  und  von  der  westindischen  Insel  Montserrat  geliefert,  wo  C.  Limetta  lüsso 
cultivirt  wird.  Ganswindt. 

Citmllin  ist  eine  aus  den  Coloquinthen,  den  Früchten  von  Citrullus  Colocyntfiis 
von  Merck  dargestellte  harzartige  Substanz,  die  in  Wasser  unlöslich  ist.  Innerlich 
genommen,  wirkt  es  zu  0.005 — O.Ol  abführend,  desgleichen  auch,  wenn  es  sub- 
cutan (in  gleichen  Theilen  Alkohol,  Glycerin  und  WaHscr  gelöst)  eingeführt  wird. 

Ganswindt. 

CitmllUS,  Gattung  der  Cucurbitaccae ,  Unterfamilie  Cucumerineae .  Nieder- 
liegende oder  kletternde  Kräuter  mit  Ranken  und  lappigen  Blättern  von  eigen- 
thümlichem  Gerüche;  Blüthen  gelb,  monöcisch,  einzeln  in  den  Achseln.  Die  Ö  mit 
3  Staubgeffissen,  darunter  2  gepaart,  das  Connectiv  nicht  verlängert;  die  (y  mit 
dreifächerigem,  vielsamigem  Fruchtknoteu,  welcher  sich  zu  einer  meist  kugeligen 
Beere  entwickelt. 

Citrullus  C olocynthxs  Schrad.  (Cucumis  Colocynthis  L. ,  Colocyn- 
this officinarum  Schrad.),  Koloquinthe,  ist  4,  mit  kantig  gefurchtem,  von 
brüchigen  Haaren  rauhem,  warzigem  Stengel ,  gestielten ,  haarigen ,  bandförmig 
gelappten  Blättern,  in  deren  Achseln  die  kurzgeatielten  Blüthen  sitzen.  Die  Früchte 
sind  die  officiuelle  Colocynthis  (s.  d.). 

Citrullus  vulgaris  Schrad.  (Cucumis  Citrullus  <SVr. ,  Cucurbita 
Citrullus  L.),  die  Wassermelone  oder  Pasteke,  ist  0,  wird  wegen  ihrer 
grossen,  süsstleischigen  Früchte  gezogen.  Ihre  Samen  sind  die  ehemals  als  Wurm- 
mittel gebräuchlichen  Sem.  Amjuriae  s.  Cucunuris  aquaticae. 

CitrUS,  Gattung  der  Aurantieae,  welche  in  neuerer  Zeit  als  Unterfamilic  der 

Hutaceae  aufgefaßt  werden. 

Digitized  by  Googl 


CITBÜS.  167 

Holzgewächse,  oft  dornig,  mit  alternirenden,  immergrünen,  lederigen  Blattern, 
deren  Spreite  von  dem  häufig  geflügelten  Blattstiele  abgegliedert  ist,  dadurch 
verrathend ,  dass  die  Blätter  der  Anlage  nach  dreizählig  sind  und  durch  Abort 
der  Seitenblätter  einfach  erscheinen.  Inflorescenzen  achselständig ,  aus  weissen, 
wohlriechenden,  meist  fünfzähligen  Blütben,  deren  Kelch  verwachsenblätterig, 
die  Krone  4— 8blätterig ,  die  zahlreichen  (20—60)  Staubgefässe  zu  Bündeln 
verwachsen  sind.  Der  oberständige,  aus  zahlreichen  Carpellen  verwachsene 
Fruchtknoten  entwickelt  sich  zu  den  bekannten  grossen,  vielfächerigen  Beeren 
t„Aepfel  der  Hesperiden"),  deren  Fächer  durch  häutige  Scheidewände  getrennt 
und  mit  saftiger  Pulpa  erfüllt  sind.  Im  Fruchtknoten  birgt  jedes  Fach  zahl- 
reiche Samenknospen  in  zwei  Reihen,  in  der  reifen  Frucht  liegen  in  jedem  Fache 
nur  wenige,  bei  manchen  Culturformen  („Mandarinen")  gar  keine  Samen.  Die  Samen 
besitzen  kein  Endosperm,  oft  mehrere  Embryonen. 

Die  Gattung  ist  formenreich  und  durch  Cultur  veränderlich.  Lixnk  Hess  für 
die  Formen  der  Citrone  und  Orange  nur  2  Arten  gelten:  C.  ntedien ,  Blattstiel 
ungeflflgelt,  Staubgefflsse  30  oder  mehr,  Früchte  oval;  C.  Aurantium,  Blattstiel 
fcetitlgelt,  Staubgefflsse  20 — 25.  Früchte  rundlieh,  ungenabelt.  Man  unterscheidet 
jetzt  folgende  wichtigere  Arten,  die  sflmmtlich  in  Asien  beimisch  sind: 

1.  Citrus  Lim  ort  um  Iiisso  (C.  medica  var.  ß  L.),  die  Limone  oder 
Citrone  des  Handels,  ist  ein  höchstens  5  m  hohes  Bäuinchen  mit  kerbig  ge- 
sägten Blättern,  deren  Blattstiel  kaum  merklich  geflügelt  ist.  Die  Blüthen  sind 
aussen  rüthlich  und  zählen  meist  35  Staubgefflsse.  Die  Früchte  sind  oblong, 
kaum  über  8  cm  lang,  eitronengelb,  dünnschalig,  am  Scheitel,  oft  auch  an  beiden 
Polen  gebuckelt,   10 — 12fächerig,  mit  2 — 3  Samen  in  jedem  Fache,  sehr  sauer. 

fr  u  et- us  Citri  sind  von  Ph.  Belg.,  Dan.,  (lall.,  Graec. ,  Hisp. ,  Korn., 
Russ.  aufgenommen. 

Die  frischen  Citronen  dienen  im  grossen  Massstabe  zur  Gewinnung  des  C  i  t  r  o  n  e  n- 
Baftes  (8.  d.)  und  des  Citronenöles  (s.  pag.  102),  ferner  bilden  sie  für  den 
Kflchengebrauch  einen  wichtigen  Handelsartikel.  Zu  pharmaeeutischen  Zwecken 
dient  Succus  recens  selten  fSi/r.  acetositatis  Citri  Ph.  Austr.),  häutiger 

Cor t ex  Fructus  Citri  (Ph.  Austr.,  Germ.,  Helv.,  Belg.,  Brit.,  Fenn., 
Hung.,  Xeerl.,  Russ.,  Suec.,  Un.  St.),  die  in  höchstens  2  mm  dicken  Spiralbändern 
abgeschälte  Rinde,  welche  beim  Trocknen  sieh  an  den  Rändern  stark  umbiegt  und  die 
Oelräume  deutlich  hervortreten  lägst.  Dir  Inhalt  aber  geht  zum  grossen  Theil  verloren, 
sie  riechen  und  schmecken  weniger  aromatisch  als  im  frischen  Zustande.  Im  Baue 
stimmen  sie  mit  den  Pomeranzenschalen  überein  (s.  Auranti  um,  Bd.  II,  pag.  30). 
Ihr  wichtigster  Bestandteil  ist  das  C  i  t  r  o  n  e  n  ö  1 ,  auch  enthalten  sie  H  e  s  p  e  r  i  d  i  n. 
Ph.  Germ.  II.  verwendet  die  Citronenschalen  nur  zum  Deeoetum  Sarsaparülae 
comp,  mitius,  Ph.  Austr.  bedient  sich  ihrer  ausserdem  zur  Bereitung  der  Aqua 
carmiuativa  und  des  Spiritus  aromaticus. 

Die  Samen  der  Citronen  werden  angeblich  (Hager)  hier  und  da  als  fieber- 
und  wurmwidriges  Mittel  angewendet.  Sie  enthalten  das  stark  bitter  schmeckende, 
neutrale,  mikrokrystallinische  Limonin. 

2.  Citrus  vulgaris  Risso  (C.  Bigaradia  Duh.,  C.  Aurantium  var.  y.  L.), 
die  Pomeranze,  ist  ein  kleiner  Baum  mit  elliptischen  Blättern,  deren  Spreite 
von  dem  breit  geflügelten  Blattstiel  deutlich  abgegliedert  ist.  Die  Blüthen  haben 
20  Staubgefflsse ;  die  Früchte  sind  kugelig,  rauh-  und  dünnschalig,  meist  8fflcherig, 
ihr  Fleisch  ist  bitter.  Ceber  die  von  dieser  Art  stammenden  Drogen  (Folia,  Flores, 
Fructus)  s.  Aurantium,  Bd.  II,  pag.  30. 

3;  Citrus  Aurantium  Risso  (C.  Aurantium  var.  ß  L.) ,  die  Apfel- 
sine, unterscheidet  sich  von  der  Pomeranze  wesentlich  nur  durch  die  fast  un- 
geflügelten  Blattstiele  (2 — 3.5  mm)  und  durch  die  süssen  Früchte.  Liefert  Cortex 
Aurantii  dulcis  der  Ph.  Belg.,  Gall.,  Graec,  Hisp.,  Un.  St. 

4.  Citrus  Berg  am  ia  Risso  ( ('.  Aurantium  var.  v  L.) ,  die  B  e  r  g  a  m  o  1 1  c, 
besitzt  schmal  geflügelte  Blätter,  birnförmige  oder  von  oben  her  abgeflachte,  wulstige 


Digitized  by  Google 


168 


CITRUS.  —  CLAIRET  DES  S1X  GR  AINES. 


Früchte  mit  glatter  dünner  Schale  und  grünlichem,  säuerlich-bitterem  Fleische. 
Durch  Auspressen  der  Fruchtschalen,  seltener  durch  Destillation  wird  das 
Bergarootteöl  (s.  Bd.  IL,  pag.  220)  gewonnen. 

5.  Citrus  medica  Risso  (G.  medica  var.  a  L.),  die  echte  Citrone,  hat 
zugespitzt  oblonge  Blätter  mit  ungeflügelten  Stielen,  aussen  rüthliche  Blüthen  mit 
etwa  40  Staubgefassen,  den  Limonen  ähnliche  Früchte,  aber  viel  grösser  und  dick- 
schaliger. Diese  Art  dient  vorzüglich  zur  Bereitung  des  Citronat.  Sie  ist  nur 
von  Ph.  Hisp.  aufgenommen,  welche  als  Stammpflanze  Citrus  Cedra  OaUesio 
angibt. 

6.  Citrus  Limetta  Risso  (G.  medica  var.  y  L.)  besitzt  eirunde,  gesägte 
Blätter  mit  ungeflügelten  Stielen,  weisse  Blüthen  mit  etwa  30  Staubgefassen  ind 
ellipsoide,  blassgelbe ,  dickschalige ,  süsse  Früchte.  Diese  in  Ostindien  heimische 
Art  wird  im  Grossen  nicht  cultivirt.    Ihre  Fruchtschalen  enthalten  das  Limettöl. 

7.  Citrus  decumana  L.,  Pompelmus,  ist  der  Pomeranze  ähnlich,  aus- 
gezeichnet durch  die  grossen ,  grünlichgelben,  dickschaligen ,  bis  6  kg  schweren, 
angenehm  schmeckenden  Früchte.  J.  Mo  eil  er. 

Cl,  chemisches  Symbol  für  Chlor. 

Cladodien  sind  blattähnliche  Zweige  mit  begrenztem  Längen  wach  sthum ,  die 
sich  aus  den  Achseln  meist  schuppenförmiger  Blatter  entwickeln  und  von  Ungeübten 
leicht  mit  echten  Blattern  verwechselt  werden  können  (z.  B.  Ruscus,  Phyllocladus). 

Cladonia,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Flechtenfamilie.  Die  bekannteste, 
durch  strauchartig  sich  erhebenden  Thallus  ausgezeichnete  Art  ist  Cl.  rangiferina 
Hoffm.,  dieKenthicrflechte.  Zu  der  Formengruppe  mit  schuppig-blattartigem 
Thallus  und  becherförmigen  Aesten  (Podetien)  gehören  CL  pyxidata  Fr.  uud 
Cl.  coccifera  Flk.  Erstere  (mit  derbhäutigem,  gelapptem  Thallus,  körnig-schuppigen 
Podetien  und  braunen  Apothecien)  war  als  Liehen  pyxidatus  oder  Herba  Musei 
pyxidati  in  arzneilicher  Verwendung  gleich  der  zweiten  (durch  kleinblättrigen 
Thallus  und  scharlachrothe  Apothecien  charakterisirt),  die  als  Liehen  s.  Muscus 
coeeiferus  oder  Herba  ignis  in  den  Apotheken  gehalten  wurde. 

CladOphora,  zu  den  Confervaceae  gehörige  Algengattung,  charakterisirt  durch 
den  wiederholt  fiederästigen  Thallus,  dessen  Gliederzellcu  mehrmals  länger  als  breit 
sind.  Während  manche  Autoren  (Kützing)  eine  grosse  Zahl  von  Arten  (über  200) 
annehmen,  werden  von  anderen  dieselben  auf  nur  wenige  reducirt.  Sie  bilden  fest- 
gewachsene, gestreckte,  fluthende  Rasen  oder  schwimmende,  verworrene  Massen,  selten 
polsterförmige  Räschen  in  süssem  und  salzigem  Wasser. 

Cladophora  prolifera  Ktz.,  braune,  buschige  Rasen  bildend,  kommt  häufig  im 
mittelländischen  Meere  vor  und  ist  eiu  Bestandteil  des  Wurmmooses. 

C.  fracta  Ktz.  (Conferva fracta  Dillw.)  findet  sich  in  stehenden  Gewässern 
und  bildet  beim  Austrocknen  derselben  das  sogenannte  Meteorpapier. 

Sydow. 

Cladothrix  gehört  sowie  Crenothrix  und  Beggiatoa  zu  jenen  pleomorphen  und 
arthrosporeu  Bacterien ,  welche  als  Saprophyten  in  an  unorganischen  Substanzen 
reiebeu  Gewässern  vegetiren;  besonders  in  Schmutzwäasern ,  in  Fabriksabflüssen, 
aber  auch  in  Bächen  bildet  Cladothrix  am  Ufer  reichliche,  grauweisse,  flottirende 
Flocken.  Ihre  Fäden  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  sie  verzweigt  sind  und  eine 
Scheide  besitzeu ,  welche  durch  eingelagertes  Eisenoxyd  hell-  bis  dunkelbraun  ge- 
färbt erscheint.  Die  in  eisenhaltigen  Wässern  vorkommenden  ockerfarbigen  Schlamm- 
massen werden  gewöhnlich  von  Cladot/irix  gebildet.  —  S.  Bacterien. 

Weichsel  bäum. 

Clairet  des  SiX  graineS  ist  (nach  Dorvaui.Ti  ein  Liqueur,  gewonnen  durch 
Maceration  von  Angelicasamen ,  Anis ,  Coriauder  und  Fenchel  mit  Alkohol  und 
nachherigem  Zusatz  von  Zucker.  In  manchen  Gegenden  Deutschlands  heisst  Clairet 


Digitized  by  Go 


C LAIRET  DES  SIX  GR A INES.  —  CLAVELLI  CASSIAE. 


160 


oder  Ciaret  ein  nach  Art  des  „Bischof"  (s.  d.)  aromatisirter  und  versttsster 
Rothwein. 

Claon'S  Brillantine  ist  ein,  hauptsächlich  Trippel  enthaltendes,  Polirmittel 
für  Metalle. 

Claridat  von  G.  Behrendt,  eine  „Naturhaarfarbe",  ist  eine  Lösung  von  Blei- 
zucker, in  welcher  Schwefelmilch  suspendirt  igt. 

ClariSSima  von  Walberer,  ein  Zahnschmerzmittel,  ist  eine  Tinctur  von  Herba 
Spilanthis  oleraceae. 

Clark'S  BlOOd  MixtUre,  eine  amerikanische  Specialität,  ist  (nach  Ph.  Centralh.) 
eine  Mischung  von  4g  Jodkalium,  15g  Alkohol,  lg  Chloroform,  2g  Liquor 
Kali  caust.  (spec.  Gew.  1.06)  und  225  g  Wasser,  durch  Zuckercouleur  braun 
gefärbt. 

Clark'8  Distilled  Restorative  for  the  hair  ist  eines  von  den  vielen 

sur  Amerika  oder  England  kommenden,  Bleizucker  enthaltenden  Haarfärbemitteln. 

Clark'S  PÜUlae  Rhei  bestehen  aus  4.0  g  Radix  Rhei,  3.0  g  Aloe,  2.0  g 
Myrrha ,  0.5  g  Sapo  medicatus  und  0.2  g  Oleum  Carvi  zu  100  Pillen,  die  mit 
Lycopodium  conspergirt  werden. 

Clathrocystis  roseo-persicina  ist  die  von  Zopf  so  genannte  Zoogloea  von 

Beggiatoa  roseo-persicina.  —  S. B e g g i a t o e n  Bd.  II, pag.  183.  Weichselbaum. 

Clauder's  Elixir  aperitivum,  früher  sehr  beliebt,  wird  bereitet  durch  Diges- 
tion von  5  Th.  Myrrha,  5  Th.  Aloe,  21/,  Th.  Crocux  und  10  Th.  Kalium  carbon. 

mit  70  Th.  Aqua  Sambuci  und  io  Th.  Spiritus.  —  Clauder's  Tinctura  Fuliginis 

wird  bereitet  durch  Digestion  von   50  Th.  Fnligo  splendens,    150  Th.  Kalium 
carbon.  und  25  Th.  Amuionium  chloratum  mit  900  Th.  Aqua  destillata. 

Clavaethyl,  ein  Hühneraugenvertilgungsmittel  von  Koxcz  Andräs,  ist  (nach 
Pharm.  Centralh.)  Collodium  elasticum  mit  einem  Zusatz  von  etwa  2  Procent 
Acidum  salicylicum. 

Ciavaria,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Hymenomycetes. 
Fruchtkörper  von  fleischiger  Consistenz,  cylindrisch  oder  keulenförmig,  einfach 
oder  strauchartig  verzweigt,  ohne  deutlichen  Stiel.  Basidien  mit  4  gipfelstän- 
digen Aesten. 

Als  Speiseschwämme  sind  beliebt: 

C.  Botrytes  Pers.,  rother  Hirschschwamm,  Bärentatze,  kenntlich  an  den  kurzen, 
stumpfen,  ungleichen,  an  der  Spitze  röthlichen  Aesten  und  weissen  Sporen.  Der 
Pilz  wird  bis  8  cm  hoch  bei  einem  Durchmesser  bis  IC  cm. 

C.  flava  Pers.,  gelber  Hirschschwamm,  Ziegenbart ;  Fruchtkörper  bis  11  cm  hoch 
und  16  cm  im  Durchmesser,  gelb  oder  gelbröthlich ,  mit  nach  unten  verjüngtem 
Stamme  und  aufrechten,  stielrunden,  büsoheligen,  gelben  Aestchen.  Sporen  weiss. 

C.  coralloides  L.,  Korallenschwainm ;  Fruchtkörper  weiss,  innen  hohl,  mit  wieder- 
holt und  unrcgelmässig  verästeltem  Stamm,  ungleichen,  nach  oben  erweiterten  Aesten, 
mit  zahlreichen,  dichtstehenden  Aestchen.  Sporen  weiss. 

C.  aurea  Scliaeß.,  goldgelber  Keulenschwamm ,  8 — 12  ein  hoch,  mit  dickem, 
elastischem,  blassem  Stamm  und  dichotom  vieltheiligen ,  cylindrischeu ,  stumpfeu, 
schwach  gezähnten,  gelben  Aesten.  Sporen  gefärbt. 

C.  formosa  Pers.,  schöner  Keulenschwamm,  mit  dickem,  fast  bauchigem,  sehr 
istigem ,  weisslichem  Stamm  und  verlängerten ,  orange-rosenfarbigen  Aesten  und 
stumpfen,  gelblichen  Aesteheu.    Sporen  gelb  oder  braun.  Sydow. 

Clavelti  CaSSiae   (Zimmtnägelchen),  ein  nicht  mehr  gebräuchlicher  Name  für 
Flores  Cassiae. 

Digitized  by  Google 


170  CLAVICEPS.  —  CLA  VIERSAITENDRAHT. 

ClaviCepS.  Gattung  der  Pyrenomyceten-Fsmüie  Nectrieae,  eharakterisirt  durch 
ein  fleischiges  freies  Stroma. 

Claviceps  purpurea  Tulasne  (Cordyceps  purpurea  Fr.,  Sphaeria  purpurea 
Fr,,  Kentroftporium  mitratum  Watlr.,  Sphaeropus  fungorum  Ouib.)  besitzt 
fadenförmige  Sporen,  welche  auf  den  Blüthen  verschiedener  Gräser  keimen  und  ein  den 
Fruchtknoten  umhüllendes  Mycelium  entwickeln.  Aus  diesem  schimmelartigen  Mycelium 
(Fig.  23)  entstehen  einerseits  Sporen,  durch  welche  der  Pilz  auf  andere  Blüthen 


Fig.  23. 


übertragen  wird  und  auf  diesen  die  früher  als  selbstständige  Pilzform  anfgefasste 
Spltacelia  bildet ;  anderseits  verdichtet  sich  das  Mycelium  zu  einem  harten  Körper, 
dem  sogenannten  Seiet  otium,  welches  überwintert  und  unter  günstigen  Bedingungen 
Fruchtkörper  in  Gestalt  gestielter  Köpfchen  (Fig.  24)  entwickelt.  In  den  Köpfchen 
entstehen  jene  fadenförmigen  Sporen .  aus  denen  wieder  die  Sphvcel  in -Form  des 
Pilzes  hervorgeht.  Von  pharmaceutischem  Interesse  ist  das  in  den  Blüthen  des 
Roggens  sich  bildende  Sclerotium,  denn  dieses  ist  das  Seeale  cornutum  (s.  d.% 
Claviceps  purpurea  nennen  die  Homöopathen  eine  aus  dem  Mutterkorn  dar- 
gestellte Tinctur. 

Claviersaitendraflt  wird  benutzt  als  Material  zur  Titerstellung  der  Per- 
mauganatlösungen.  Man  bevorzugt  diesen  Draht,  da  er  ein  sehr  reines  Material 
darstellt  und  in  sich  sehr  gleichmässig  ist,  ferner  auch,  weil  es  leicht  ist,  beliebige 
Stücke  abzubrechen,  die  sich  ihrer  grossen  Fläche  wegen  leicht  auflösen.  Immerhin 
ist  es  nöthig,  seinen  Vorrath  an  Claviersaitendraht  auf  den  Gehalt  an  wirklichem 
Eisen  zu  untersuchen  und  den  Befund  zu  notiren.  Der  Gehalt  an  Kohlenstoff 
schwankt  in  den  Grenzen  von  0.1  — 1.5  Procent. 

« 

Digitized  by  Google 


CLAVUS.  —  CLINOPODIUM. 


171 


ClavUS  (lat.),  Leichdorn  oder  Hühnerauge.  —  ClavUS  86CalinU8  ist  gleich- 
bedeutend mit  Seeale  cornutum. 

Clay'8  PÜUlae  aperienteS  bestehen  aus  10g  Fei  Tauri  inspiss.  und 
12  Tropfen  Oleum  Carvi  mit  so  viel  als  nöthig  Magnesia  carbon.  zu  50  Pillen  bereitet. 

Clearing  nuts  heissen  in  Ostindien  die  Samen  von  Strychnos  potatorum  L., 
welche  angeblich  kein  Strychnin  enthalten,  aber  zur  Klärung  schlammigen  Wassere, 
auch  als  Heilmittel  verwendet  werden. 

ClematiS.  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Jtanunculacea^, 
eharakterisirt  durch  blumenblattartigen  Kelch,  fehlende  Blumenkrone,  zahlreiche 
ein  Kam  ige  Nüsschen  auf  einem  gewölbten  Fruchtboden. 

Clematis  recta  L.,  eine  krautige,  weissblüthige  Art,  lieferte  Herba  Glematidis 
s.  Flamulae  Jörns :  —  OL  Vitalba  L.,  ein  klimmender  Strauch  mit  einfach  gefiederten 
Blättern,  ebenfalls  weissen  Rlüthen  und  bärtig  geschwänzten  Früchten  war  als 
H*rba  Clematidis  Vitalbae  8.  sylvestris  in  Gebrauch ;  —  Cl.  Flammula  L.,  von  der 
Torigen  durch  doppelt  gefiederte  Blätter  verschieden,  wurde  als  Herba  Flammulae 
geführt.  Jetzt  sind  alle  drei  obsolet. 

Clematiskampfer  wird  aus  Clematis-Arten  durch  Destillation  mit  Wasser- 
dämpfen erhalteu. 

Clemens'  Liquor  Arsenici  bromati,  Liquor  arseuicalis  (lemeus.  1  g 
Acidum  arsenicosum  und  lg  Kalium  carbonicum  werden  in  3  g  Aqua  in  der 
Warme  gelöst,  dann  mit  so  viel  Aqua  gemischt,  dass  das  Ganze  100g  beträgt. 
Mau  fügt  2  g  Brom  hinzu  und  stellt  in  einem  verschlossenen  GefUsse  so  lange  bei 
Seite,  bis  die  Flüssigkeit  wieder  farblos  erscheint.  —  Clemexs  glaubte  auf  diese 
Weise  eine  wirkliche  Verbindung  von  Brom  mit  arsenigsaurem  Kali  zu  erhalten 
and  hielt  die  Verbindung  für  perfect,  sobald  die  durch  das  freie  Brom  braun 
gefärbte  Flüssigkeit  wieder  farblos  geworden  war;  thatsächlich  bildet  sich  aber 
nur  etwas  Bromkalium,  falls  nämlich  noch  freies  kohlensaures  Alkali  vorhanden 
war.  und  die  Flüssigkeit  wird  um  so  länger  gefärbt  erscheinen ,  je  fester  dag 
Gefäss  verschlossen  bleibt,  aber  in  Folge  der  Verflüchtigung  des  Broms  bald  ent- 
färbt sein,  wenn  das  Gefäss  öfter  geöffuet  wird.  G.  Hof  mann. 

Clerambourg's  Grains  (Pilules)  de  vie  sind  verdauungsbefördemde  Piiicu 

mit  Aloe,  Chinaextract,  Zimmt  u.  s.  w. 

Clerk'S  InjeCtiO  BalSami  Copaivae    ist  eine  Emulsion  aus  1  g  Balsam. 
Cupaivae,  10g  Viteilum  Ovi  und  120  g  Aqua. 

Clermont-Ferrand   im  Departement    Tuy-de  Dome    besitzt  Eisensäuerlinge 
von  19 — 24°. 

CÜfF'S  Antiseptl'SChe  Flüssigkeit  ist  (nach  Hagebj  eine  mit  CarboMure 
versetzte  spirituöse  Lösung  von  grüner  8eife. 

Clifton    in  der  Grafschaft  Glocestorshire  besitzt  Thermen  von  23°  mit  nur 
0.7  pro  Liter  Salzgehalt. 

ClimaCterium  (xAiaa;,  Stufej ,  die  Wechselpause,  d.  i.  die  Zeit,  in  welcher 
die  Frauen  regelmässig  zu  menstruiren  aufhören. 

CliflOpodium,  Gattung  der  Labiatae ,  Unterfamilie  Satureineae,  auch  mit 
Calamintha  Riv.  vereinigt,  von  welcher  Bie  sich  wesentlich  nur  durch  den  nackten 
Schlund  der  Kelchröhre  und  durch  die  von  borstlichen  Hüllblättern  umgebenen 
Blüthenquirle  unterscheidet. 

Clinopodium  vulgare  L.  Wirbelborste,  ein  4,  rauhhaariges  Kraut  mit 
purpurrotb.cn,  selten  weissen  Blüthen ,  war  früher  unter  der  Bezeichnung  Herba 
Clinopodii  majoris  s.  Ocimi  aiteestris  als  „Brustthee"  in  Verwendung. 

Digitized  by  Google 


172 


CL1N0PODIUM.  -  CLIIPEA. 


Unter  Herba  Clinopodii  minoris  verstand  man  Calamintha  Acinos  Claim. y 
charakterisirt  durch  die  an  der  Spitze  zusammengezogenen  und  die  durch  auf- 
einanderlicgende  Zähne  geschlossenen  Fruchtkelche. 

Unter  Herba  Clinopodii  montani ,  Alpenthymian,  verstand  man  Cala- 
mintha alpina  Lam.,  charakterisirt  durch  offene  Fruehtkelche  mit  aufrecht  ab- 
stehenden Zähnen. 

ClOSetS  sind  Vorrichtungen,  die  es  verhindern,  dass  aus  den  Abtritten  übel- 
riechende Stoffe  in  unsere  Wohnungen  gelangen;  sie  erfüllen  diesen  Zweck  auf 
zweifache  Weise.  Entweder  dadurch,  dass  sie  einen  Verschluss  repräsentiren,  der 
die  Gase  nicht  entweichen  lägst,  oder  aber,  dass  sie  den  Excrementen  Stoffe  bei- 
mischen, die  im  Stande  sind,  die  Excremente  zu  desodorisiren. 

Zu  der  ersten  Art  gehören  die  sogenannten  Waterclosets.  Das  Wasser  vermittelt 
hier  den  Verschluss  und  ist  also  zur  Application  derselben  eine  Wasserspülung 
unerlässlich.  Der  Verschluss  wird  dadurch  bewirkt,  dass  die  Verbindung  zwischen 
Abfallrohr  und  Sitzrohr  durch  ein  S-förmig  gekrümmtes  Zwischenstück  von  Eisen 
oder  Steingut  etc.,  einen  Syphon,  hergestellt  wird.  Hierbei  ist  hervorzuheben,  dass  der 
Verschfuss  umso  sicherer  ist  gegenüber  etwaigen  Drucksteigerungen  im  Canalnetz, 
wenn  der  zum  Fallrohr  abgehende  Schenkel  des  Syphons  weiter  ist,  als  der  vom 
Abtritteitz  einmündende.  Störungen ,  insbesondere  Leersaugen  des  Syphons  oder 
Durchbrechen  vermeidet  man,  indem  man  das  Abfallrohr  über  Dach  offen  münden 
lässt  und  ausserdem  von  jedem  Syphon  an  der  höchsten  8telle,  an  der  Uebergangs- 
stelle  zum  abführenden  Rohr,  ein  Ventilationsrohr  abzweigt,  oder  aber  an  irgend 
einer  Stelle  des  Syphons  eine  Verengerung  anbringt.  Meist  wird  die  Wirkung 
des  Wasserverschlusses  auch  noch  durch  eine  Klappe  verstärkt.  Dort,  wo  kein 
Wasser  zur  Spülung  verwendet  wird,  etablirt  sich  ein  Kothverschluss,  der  natürlich 
den  eigentlichen  Zweck  des  Closets  illusorisch  macht. 

Bei  der  zweiten  Methode  werden  die  Excremente  in  einem  unterhalb  des  Sitzes 
befindlichen  Behälter  sofort  nach  ihrer  Entleerung  mit  einem  Material  vermischt, 
welches  Flüssigkeit  stark  absorbirt  und  gleichzeitig  desodorisirt.  Die  Vermischung 
erfolgt  jetzt  meist  automatisch,  indem  aus  einem  seitlich  befindlichen  Reservoir 
durch  Lüften  einer  Klappe  stets  eine  bestimmte  Menge  des  Materials  hereiufällt. 

Zuerst  hat  Moüle  ein  sogenanntes  Erdcloset  construirt ,  er  bediente  sich  der 
Erde,  besonders  einer  an  wasserhaltigen  Doppelsilicaten  reichen,  thonhaltigen,  sorg- 
fältig getrockneten  Ackererde,  und  setzt  die  Menge  für  eine  gewöhnliche  Defacation 
von  125— 150g  Koth,  250 — 300g  Urin  auf  circa  lk  fest.  Das  MüLLEit-ScHüR'scbe 
Closet,  das  die  Trennung  der  festen  von  den  flüssigen  Excrementen  postulirt, 
wendet  Torfgrus  an,  welcher  mit  dem  Abgange  aus  Sodafabriken  oder  mit  einer 
schwefelsauren  Magnesia  gemischt  ist;  auch  Asche,  Kalk,  Sägespäne  und  Sand 
werden  verwendet. 

In  neuester  Zeit  wird  in  den  Torfclosets  der  Torf  als  Torfmull  mit  grossem 
Erfolge  verwendet. 

Literatur:  Blasius,  Die  Verwendung  der  Torfstreu.  Monatsb).  f.  off.  Gesundheitspflege. 
Braunschweig  1884.  —  Kassie,  Healthy  and  unhoalthy  Ho'ises.  International  Health  Exhi- 
bition,  Handbook.  1SKI.  —  Erisman,  Entfernung  der  Abfallstofle.  Pettenkofer-Ziemssen's 
Handbuch  der  Hygiene.  —  Gerhard,  Anlaue  von  Hausentwässerungen.  —  Pettenkofer, 
Vortrag  über  Canalisation  und  Abfuhr.  —  Henk.  Die  Canalgase.  München  188Ü.  —  Soyka, 
Die  Verwendung  des  Torfes  zu  Zwecken  der  Absorption  und  Desinfection.  Prager  medicin. 
Wochenschritt.  188b'.  —  P.  Teale,  Dangers  to  Health,  London  188.1  Soyka. 

Clostridium  butyriCUm  «.  Bacillus  butifricu»  s.  B.  amylobacier  gehört  zu 
den  Anaerobien  und  ist  das  Ferment  jener  (Jährungen  der  Zuckerarten,  bei  denen 
Buttersäure  als  Hauptproduct  gebildet  wird.  —  S.  Bactorien,  Bd.  II,  pag.  82. 

Weichselbaum. 

Cllipea.  Fischgattung  aus  der  Abtheilung  der  Edelfische  (Physostomi)  und 
aus  der  Familie  der  Häringe  (Clnpeidae) ,  mit  seitlich  zusammengedrücktem  Körper 
und  gesagter  Bancbkante,  massig  weiter  Mundspalte  mit  verkümmerten  Zähnen,  massig 


Digitized  by  Googl 


CLUPEA. 


173 


langer,  aus  weniger  als  30  Strahlen  gebildeter  Afterflosse,  den  Bauchflossen  gegen- 
überstehender Rückenflosse  und  gegabelter  Schwanzflosse.  Unter  den  60  Arten  be- 
finden sieh  viele  ab)  Nahrungsmittel  wichtige,  in  erster  Linie 

Clupea  Harengus  L.,  der  Hit  ring,  der  früher  durch  die  Testes  Harengi, 
gewöhnlich  Milch  genannt,  welche  als  Specificum  der  Schwindsucht  galten,  direct 
Interesse  für  die  Pharmacie  hatte.  Die  Häringe,  welche  bei  Lebzeiten  schön  blau- 
jrrüne ,  an  Seiten  und  Bauch  in  allen  Regenbogenfarben  schildernde,  20 — 35  cm 
lange  Fische  sind,  leben  den  grössten  Theil  des  Jahres,  zu  grösseren  oder  kleineren 
Stämmen  vereinigt,  im  nordatlantischen  Ocean,  in  der  Nord  und  Ostsee,  in  der  Tiefe 
des  Meeres,  theils,  und  zwar  die  grössten  und  für  die  Fischerei  wichtigsten,  in  einer 
Entfernung  von  400—600  Seemeilen  von  der  Küste  (sogenannte  Hochsee- 
stämme),  theils  stets  in  der  Nahe  des  Strandes  (sogenannte  Küstenstämme), 
was  besonders  in  der  Ostsee  der  Fall  ist,  in  deren  östlichem  Theile  auch  eine  sehr 
kleine  Häringsvarietät,  Strömlinge  genannt,  vorkommt.  Zur  Laichzeit ,  welche 
übrigens  zweimal  im  Jahre  stattfindet,  oder  auch  schon  einige  Wochen  vor  dem 
Beginne  derselben,  während  der  Entwicklung  von  Rogen  und  Sperma,  ziehen  auch 
die  üdchseestämme  in  grossen  Schwärmen  auf  dem  Meere  und  längs  den  Küsten 
hin,  und  zwar  in  der  Zeit  und  dem  Orte  nach  regelmässigen  Bahnen,  so  dass  sie  zu- 
erst an  den  Shetlandsinseln  erscheinen ,  dann  Wochen  oder  Monate  später  der 
Reihe  nach  an  den  schottischen,  englischen,  norwegischen  Küsten  u.  s.  w.  auftreten. 
Die  Grenze  ihrer  Bahnen  bilden  nach  Süden  die  holländische  und  nordfranzösische 
Koste,  wo  die  Qualität  meist  eine  schlechtere  ist  und  viele  Hohlhäringe 
(lhlen  oder  Schotten,  von  engl,  »hotten,  d.i.  entlaicht)  enthält,  so  genannt  im 
Gegensätze  zu  den  Vollhäringeu  (mit  Rogen  gefüllten  Häringen)  und  den  noch 
nicht  mit  Rogen  oder  Milch  gefüllten,  noch  in  der  Entwicklung  begriffenen 
Matjeshäringen.  Der  früher  von  den  Holländern  fast  ausschliesslich  besorgte 
Häriugsfang  bildet  jetzt  eine  wesentliche  Einnahmsquelle  der  gesammten  Küsten- 
gebiete, welche  die  Häringszüge  passiren;  doch  wird  Hochseefischerei  noch  jetzt 
vorzugsweise  von  den  Holländern  (neuerdings  auch  von  Deutschen  von  Emden 
aus)  betrieben.  Für  die  Ausdehnung  der  Häringstischerei  spricht  der  Umstand, 
dass  an  der  englischen  Ostküste  in  der  Hauptfangzeit  mindestens  1000  Millionen 
Stück  gefangen  werden  und  dass  Londou  jährlich  etwa  900000  Fässer  a  700  Stück 
frische  oder  grüne  Häringe  consumirt.  Der  grösste  Theil  der  Häringe  wird  indess 
in  den  bekannten  verschiedenen  Formen  der  Aufbewahrung,  theils  eingesalzen 
Salz-  oder  Pöckelhäringe),  theils  nach  vorherigem  Ausweiden  geräuchert 
(B ü c k i n g e) ,  theils  mit  Essig  und  Gewürzen  conservirt  (marinirte  Häringe 
oder  nordische  G  ewürzhä  ringe)  verbraucht. 

Clupea  ( Harengula)  Sp  rattus ,  Sprott,  Breitling,  eine  kleinere,  nur 
10 — 15cm  lange  Art.  im  Canal,  in  der  Nordsee  bis  zu  den  Lofoden  nnd  in 
der  westlichen  Ostsee  verbreitet ,  bildet  in  geräuchertem  Zustande  die  als 
Delicatesse  geschätzten  Sprotten,  gewöhnlich  nach  der  besten  Sorte  Kieler 
Sprotten  genannt,  unter  denen  sich  übrigens  nicht  selten  auch  junge  Häringe 
finden.  Mit  diesen  zusammen  bilden  sie  aueh  die  russischen  und  deutschen 
Sardinen  des  Handels,  während  die  echte  Sardine,  ein  ebenfalls  dem  Häring 
verwandter  und  diesem  ähnlieh  gefärbter,  zuweilen  mit  schwarzen  Flecken  längs 
der  Seitenlinie  gezeichneter,  15 — 25cm  langer  Fisch  aus  der  durch  zahnlosen 
Gaumen  eharakterisirten  Untergattung  Atom,  Clupea  (Alma)  Pilchardus  Wallt., 
der  sogenannte  Pilchard  ist,  der  in  der  Ostsee  fehlt,  in  der  Nordsee  selten 
vorkommt,  dagegen  für  die  Mittelmeer-  und  Südwestkttsten  Euroj>as,  zu  denen  sich 
die  Pilcharde  zur  Leichzeit  in  grossen  Sehaaren  drangen,  eine  ähnliche  Bedeutung 
wie  Häring  und  Sprott  hat.  und  theils  gesalzen ,  theils  marinirt ,  theils  in  zuge- 
sebmolzenen  Büchsen  in  Oel  (Sardines  ä  l'huile)  in  den  Handel  kommt.  Ver- 
schieden von  dieser  ist  die  in  denselben  Meereegebietcn  vorkommende,  von  CrmKR 
ebenfalls  der  Gattung  Clupea  als  G.  Sart/ma  zugerechnete  Sardelle,  Engraulü 
encrasicholua  L.  (mit  vorspringendem  Oberkiefer)  grünlichem,  Rücken ,  der  durch 

Digitized  by  Google 


174 


CLUPEA.  —  CLVSMA. 


einen  schwärzlichen  Streif  von  den  silberglänzenden  Seiten  getrennt  wird,  silber- 
glänzendein Bauche,  und  sonst  von  azurblauer  Farbe.  Man  nennt  die  eingesalzenen 
Fische  dieser  Art  Sardellen,  die  marinirten  Anchovis  (früher  oft  für  eine  eigene 
Fischart  gehalten),  doch  kommen  unter  beiden  Bezeichnungen  auch  junge  Pilcharde 
und  Sprotten  vor,  und  die  sogenannten  Christiania-Anchovis  sind  sehr  fein  marinirte 
Sprotten. 

In  den  Tropenmeeren  leben  auch  den  Sardinen  verwandte  giftige  Arten,  so 
Clupea  Thristta  Bloch.  (Meletta  Thrissa  Cirv.  et  Vol.),  die  für  die  allergiftigste 
Fischart  gehaltene  Goldsardelle  (Sardine  doree)  der  Antillen  (s.  Fise hgif  t). 

Th.  Husemann. 

ClUSiaceae,  Familie  der  Gistiftorae.  Meist  schön  blühende,  ausschliesslich  der 
tropischen  Flora  angehörende  Holzgewächse ,  die  zumeist  balsamischen  Saft  ent- 
halten. Charakter:  Blätter  lederartig.  Blüthen  meist  einzelstehend,  zwitterig  oder 
polygam.  Kelch  und  Krone  4 — Sblätterig.  Staubgefässe  zahlreich.  Griffel  1. 
Kapsel  mehrfächerig,  aufspringend.  Samen  zahlreich,  klein,  schleimig.  Sydow. 

Clirtfe,  Gattung  der  Euphorbia ceae,  Unterfamilie  Grotoneae.  —  Clutia  Elutert'a 
L.,  ist  synonym  mit  Groton  Elutert'a  Bennett. 

Clysma,  Glyster,  Kly stier  (von  xAu^w,  bespülen,  waschen,  ursprünglich 
identisch  mit  Lotio  oder  Lavanwntum,  Waschung,  aber  auch  bei  den  Griechen 
bereits  in  dem  heutigen  beschränkten  Sinne  gebraucht,  welche  den  französischen 
Ausdruck  Lavement  charaktcrisirt)  oder  Enetna  nennen  wir  diejenige  Arzneiform, 
"oei  welcher  tropfbar  und  elastisch  flüssige  Substanzen  durch  den  Mastdarm  in  die 
dicken  Gedärme  eingeführt  werden. 

Die  Klystiere  aus  tropfbaren  Flüssigkeiten  bilden  eine  Unterabtheilung  der  Iu- 
jectionen,  insofern  dieselben  mit  einer  Spritze  oder  analogen  Apparaten  unter  höhcrem 
Drucke  eingetrieben  werden.  Man  trennt  davon  in  der  Regel  die  Darminfusionen 
(s.  d.),  bei  denen  grössere  Mengen  Flüssigkeit  unter  keinem  höheren  Drucke  als 
ihrem  eigenen  Gewichte  in  den  Dickdarm  oder  selbst  in  die  untere  Partie  des, 
Dünndarms  eingeführt  werden.  Die  gewöhnlichen  Klystiere  au»  tropfbaren  Flüssig- 
keiten zerfallen  nach  dem  Zwecke,  den  man  bei  ihrer  Application  vor  Auge  hat, 
in  zwei  Hauptabtheilungen.  Man  beabsichtigt  entweder  durch  dieselben  Stuhlentleeniug 
herbeizuführen,  wobei  dann  die  in  den  Mastdarm  eingeführte  Flüssigkeit  wieder 
mit  abgeht,  oder  man  bezweckt  die  Erzielung  örtlicher  oder  entfernter  Wirkungen 
in  dein  Klystier  enthaltener  wirksamer  Stoffe,  wozu  eine  längere  Berührung  mit 
der  Dickdarraschleimhaut  nothwendig  ist  und  frühzeitiges  Abgehen  verhütet 
werden  rauss. 

Klystiere  der  ersten  Art  stellen  die  ausleerenden  Klystiere,  Glysmata 
evacuantia  s.  eecoprotica  dar,  deren  Wirkung  theils  auf  Erweichung  angesammelter 
Kothmassen,  theils  auf  Anregung  der  Peristaltik  durch  Reizung  des  Mastdarms  beruht 
und  welche  sich  von  den  zur  Erzielung  anderer  Effecte  benutzten  Klystieren  sehr 
wesentlich  durch  die  dabei  verwendete  Flüssigkeitsmenge  unterscheidet.  Diese  beträgt 
das  Doppelte  der  bei  letzteren  verwendeten,  nämlich  für  Erwachsene  200 — 300  g,  für 
grössere  Kinder  100 — 150  g,  für  Säuglinge  50  — 100  g.  Zu  ausleerenden  Klystieren 
kann  gewöhnliches  lauwarmes  Wasser  benutzt  werden,  doch  wird  der  Effect  auf 
den  Stuhlgang  wesentlich  durch  Erniedrigung  der  Temperatnr  (Kaltwasser- 
klystiere),  aber  auch  durch  Erhöhung  auf  43 — 44° (Heiss  wasserkly  stiere) 
erhöht  und  beschleunigt.  Fast  noch  häufiger,  besonders,  wo  es  sich  um  ein- 
malige Entleerung  handelt,  wendet  man  jedoch  lauwarme  aromatische  Aufgüsse 
(lnfusum  Chamomillae  oder  Inf.  Valerianae)  mit  Zusatz  von  Oel  (Baumöl,  Rüböl, 
Leinöl,  Mohnöl),  um  die  Passage  harter  Kothballen  zu  erleichtern,  an.  Auch  ver- 
stärkt man  die  Reizung  auf  die  Mastdarmschleimhaut  durch  Zusatz  von  Kochsalz, 
Honig,  Zucker,  von  Essig  (Essigklyßtiere)  oder  von  Abführmitteln  (RicinusÖl, 
Magnesiumsulfat,  Seife,  Alog)  oder  mau  applicirt  geradezu  wässerige  Aufgüsse  von 
Sennesblättern,  in  denen  man,  wie  im  Lavement  purgafif  des  Cod.  Fr.,  auch 


Digitized  by  Google 


CLYSMA. 


175 


Glaubersalz  oder  Bittersalz  auflösen  kann.  Auch  die  durch  Emulsion  von  Terpentinöl 
Weiteten  Terpentinölklystiere  und  die  ans  Tabaksaufguss  bereiteten 
Tahaksklystiere  gehören  zu  den  Clysmata  evaeuantia',  desgleichen  die  jetzt 
obsoleten,  aber  historisch  interessanten,  aus  bitteren,  aromatischen  und  schleimigen 
Krautern  bereiteten  Visceralklystierevon  Kämpf,  die  im  vorigen  Jahrhundert 
selbst  zu  Hunderten  gegen  chronische  Unterleibsleiden  und  Verstopfung  gebraucht 
wurden. 

Den  zu  längerem  Aufenthalte  im  Darme  bestimmten  Klystieren,  zweckmässig 
Dauerklystiere,  Clysmata  remanentia  genannt,  gibt  man  gewöhnlich  den 
Namen  der  medicinischen  Klystiere,  Clysmata  medicata,  doch  ist  dieser 
Ausdruck  unzweckmässig,  da  einerseits  Arzneimittel  auch  zu  den  eröffnenden 
Klystieren  benutzt  werden,  andererseits  auch  bleibende  Kaltwasserklystiere  zur 
Krzielung  entfernter  Wirkungen  in  Anwendung  kommen.  Richtiger  ist  die  Be- 
nennung Halbklystiere,  Hemiclysmata ,  da  ihr  Volumen  die  Hälfte  des  als 
Oanzklystier  benutzten  Clysma  eecoproticum  oder  noch  weniger  (60 — 90  g) 
beträgt  Diese  Massenverringerung  ist  für  die  Retention  des  Klystiers  unumgäng- 
lich nothwendig;  gewöhnlich  wird  aber  ausserdem  der  auf  die  Schleimhaut  des 
Mastdarms  ausgeübte  Reiz  dadurch  verringert,  dass  man  dem  Klystier  schleimige 
Substanzen  (Gummi,  Traganth,  Salep  oder  dünnen  Stärkekleister)  zusetzt  oder 
Abkochungen  solcher  (Weizenkleie,  Hafergrütze,  Reis)  als  Vehikel  benutzt,  was 
bei  an  und  für  sich  reizenden  Stoffen  (Chloralhydrat,  Chloroform,  Phenol  u.  A.) 
unumgänglich  nöthig  ist.  Manche  dieser  Substanzen  werden  auch  zweckmässig 
emulgirt  angewendet  und  nicht  selten  wird  zur  Hemmung  der  Darmbewegung 
ein  Zusatz  von  Opium,  gewöhnlich  in  Tinctur,  gemacht.  Eine  vollständige  Trennung 
der  entleerenden  und  medicamentösen  Klystiere  ist  übrigens  auch  deshalb  nicht 
möglich,  weil  die  aus  Arzneistoffen  bereiteten  Clysmata  ecc>protici  nicht  selten 
zu  anderen  therapeutischen  Zwecken  dienen.  So  dienen  Wasserklystiere  von 
sehr  niederer  Temperatur  (Eisklystiore),  Essigkly  stiere,  Seifen  klystiere  und 
das  Lavement  purgatif  auch  als  sogenannte  ableitende  Klystiere,  Clys- 
mata revulsiva,  Terpentin  klystiere  (analog  wie  Abkochungen^  oder  Aufgüsse 
ton  Knoblauch,  Wurmmoos,  Wermut,  Wurmsamen,  Calomel-  und"  Benzinklystiere, 
Höllensteinklystiere)  zur  Tödtung  von  Helminthen  (Clysmata  anthelmintkica) . 
Ausser  diesen  beiden  Unterabtheilungen  der  medicinischen  Klystiere  hat  man  noch 
eine  grössere  Anzahl  anderer  unterschieden,  von  denen  die  adstringirenden 
Klystiere,  Clysmata  adstrtngentia ,  zu  welchen  Tannin  oder  gerbsäurehaltige 
Pflanzenstoffe,  diverse  Metallsalze,  insbesondere  Alaun,  Eisenchlorid ,  auch  Wismut- 
nitrat und  Zinkoxyd,  endlich  Mutterkorn  dienen,  locale,  die  übrigen  vorwaltend 
entfernte  Wirkung  haben.  Doch  dienen  auch  die  beruhigenden  Klystiere, 
Clysmata  Sedativa,  aus  narcotischen  (Opium,  Morphium,  Belladonna,  Hyoscyamus, 
Atropin ,  Chloroform ,  Chloralhydrat)  oder  antispasmodischen  Stoffen  (Kamillen, 
Baldrian,  Asa  foetida,  Castoreum)  bereitet,  oft  zur  Beseitigung  von  Schmerzen  oder 
Krämpfen  im  Mastdarm  oder  den  benachbarten  Geschlechtsorganen.  Andere  Arznei- 
klystiere  Rind  die  erregenden  Klystiere,  Clysmata  analeptica,  aus  Kampfer, 
Moschus,  Fleischbrühe  oder  am  zweckmässigsten  aus  alkoholreichem  Wein,  die 
a n ti septischen  und  antipyretischen  Klystiere,  wozu  namentlich 
Carbolsäure  viel  verwendet  ist  und  die  ernährenden  Klystiere,  Clysmata 
nutrumtia,  die  jedoch  mehr  Diätetica  als  eigentliche  Medicamente  enthalten.  Diese 
letzteren,  welche  bei  erschwerter  oder  aufgehobener  Ernährung  durch  den  Magen 
da*  Leben  wesentlich  zu  verlängern  im  Stande  sind,  sind  seit  dem  Aufkommen 
der  aus  fein  zerhacktem  Rindfleisch  mit  der  Hälfte  Pancreas  vom  Rinde  oder 
Schweine  bereiteten  Pancreasklystiere  von  L EURE  und  der  analog  bereiteten 
Poptonklystiere  von  L allier  die  wichtigsten  unter  allen  geworden.  Die  früher 
.  Üblichen  nährenden  Klystiere  aus  Milch  und  Eiern ,  aus  Fleischextract  oder  mit 
Aniylum  und  Gelbei  abgerührter  Bouillon ,  aus  flüssiger  Gallerte  mit  Eiweiss  oder 
Milch  (ebenso  wie  die  ueuestens  empfohlenen  Blutklystiere)  werden  im  Dickdarme, 

Digitized  by  Google 


176 


CLYSMA.  -  CLY80P0MP. 


dessen  Secret  weder  auf  Eiweiss  noch  auf  Fette  und  Amylaceen  verdauend  wirkt, 
nur  zum  kleinen  Theil  resorbirt  und  sind  durch  jene  beiden  fast  ganz  verdrängt. 

Die  Cli/smata  medicata  müssen  mit  Ausnahme  der  Gl.  revulsiva  stete  lauwarm 
applicirt  werden;  jeder  Reiz  der  Schleimhaut  ist  hier  zu  vermeiden.  Bei  der  Be- 
reitung der  Pancreasklystiere  kann  schon  ein  geringes  Ueberschreiten  der  Kochsalzgrenze 
zu  Darmentleerung  fahren  und  den  Zweck  des  Klystiers  vereitern.  Die  Aerzte  sind 
daher  auch  hierbei  von  der  Bereitung  im  Hanse  abgekommen ,  die  früher  für  die 
meisten  Klystiere  flblieh  war,  welche  aber  selbstverständlich  für  jedes  Klystier  mit 
starkwirkenden  »Stoffen  ausgeschlossen  ist.  Letztere  dürfen  übrigens  in  keiner,  die 
maximale  Einzelgabe  überschreitenden  Menge  dem  Klystiere  beigefügt  werden,  da 
die  Resorption  im  Mastdarme  derjenigen  im  Magen  nicht  nachsteht,  wie  verschiedene 
durch  Nichtbeobachtung  dieser  Vorschrift  vorgekommene  Vergiftungsfalle  beweisen. 
Ks  dürfte  angemessen  sein,  dass  der  Apotheker,  obschon  hierzu  nicht  verpflichtet, 
bei  erheblicher  Ueberschreitung  der  Dose  den  Arzt  darauf  aufmerksam  macht. 
Mehrere  Intoxicationen ,  selbst  Todesfälle ,  sind  durch  domestike  Bereitung  von 
Tabaksklystieren  entstanden. 

Die  Application  der  Klystiere  gesehah  im  Alterthum  mittelst  eines  an  ein  Rohr 
befestigten  Schlauches,  später  meist  mittelst  der  in  der  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts 
von  Gatenabia  erfundenen  Klystierspritze  (Syrinx,  seringue),  deren 
Handhabung  im  16.  und  17.  Jahrhunderte  in  Frankreich  Sache  der  Apotheker 
war .  und  diesen  bei  der  damals  herrschenden  Vorliebe  für  diese  Arzueiform ,  die 
man  als  Verjungungsmittcl  betrachtete,  zwar  viel  Geld,  aber  auch  viel  Spott  ein- 
brachte. Den  Gefahren ,  welche  Verletzungen  des  Mastdarms  dureh  unvorsichtige 
Manipulation  der  Klystierspritzo  mit  sich  bringen,  entgeht  man  dadurch,  dass  man 
zwischen  dem  Schraubengewinde  der  Ausflussmündung  und  dem  knöchernen  Afterrohr 
der  Spritze  einen  circa  a  3  m  langen  Kautschukschlauch  anbringt ,  wodurch  auch 
die  Selbstbenutzung  des  Instruments  ermöglicht  wird.  Bequemer  wird  letztere  indess 
durch  verschiedene  andere  Apparate,  wie  die  dem  Clyster  des  Alterthums  nach- 
gebildete Ballonspritze  aus  Kautschuk  mit  Afterrohr,  die  verschiedenen  Arten 
des  Clysopompe  (s.d.)  oder  den  Irrigateur  von  1<!guisirr,  bewerkstelligt. 
Zur  Einführung  medicamentöser  Klystiere  benutzt  man,  um  dieselben  in  die  höher 
gelegenen  Partien  des  Dickdarms  gelangen  zu  lassen,  ein  etwa  \'2  m  langes,  elastisches 
Rohr  (Darmrohr),  das  man  mit  einem  geeigneten  Clysopompe  in  Verbindung  setzt. 
Ernährende  Klystiere  erfordern  wegen  ihrer  breiartigen  Oonsistenz  ein  ausreichend 
weites  Dannrohr  und,  was  auch  bei  den  meisten  anderen  medieamentösen  Klystieren 
zweckmässig  ist ,  vorherige  Entleerung  des  Mastdarms  durch  lauwarme  Wasser- 
klystierc. 

Gas-  und  Darapfklystiere  kommen  im  Ganzen  selten  in  Verwendung; 
namentlich  sind  die  früher  üblichen  Tabaksrauchklysticre  oder  die  Ein- 
blasungen von  Luft  bei  Darraverschliessungen ,  wozu  man  sich  eines  Doppelblase- 
balges bedient,  durch  dio  Danninfiision  ersetzt.  Die  Einleitung  von  Aetherdampf 
oder  Chloroformdampf  zur  allgemeinen  und  behufs  localer  Anästhesie  von  Kohlen- 
saure in  den  Mastdarm  sind  von  geringer  Bedeutung. 

Von  allzuhäufiger  Anwendung  von  Klystieren ,  auch  von  Kaltwasserklystieren, 
wie  solche  bei  habitueller  Verstopfung  oft  vorkommt ,  ist  zu  warnen ,  da  sie  mit- 
unter zu  Erschlaffung  des  Mastdarmscblicssmuskels  führt.  Th.  Husemann. 

ClySOpOmp.  Ursprünglich  französische  Benennung  (Cly»opomp*>)  für  ver- 
schiedenartige, aus  einer  Druckpumpe  und  einem  langen  beweglichen  Schlauche 
zusammengesetzte  Apparate  zur  Selbstapplicatiou  von  Flüssigkeiten  in  den  Mast- 
darm, als  Ersatz  der  Klystierspritze  (s.  Clysma),  von  dieser  durch  das  stoss- 
weise  Eintreiben  der  Flüssigkeit  und  den  dadurch  bedingten  länger  anhaltenden 
Reiz  der  Mastdarmschleimhaut  verschieden.  Sie  dienen  vorzugsweise  für  Kalt- 
wasserklystierc ,  sind  aber  auch  unter  Beseitigung  des  Schlauches  zum  Einleiten 
von  Wasser  zur  Ausspülung  höher  gelegener  Darmpartien  benutzt, "wo  man  sie 
jedoch  neuerdings  durch  den  Heg  Ansehen  Trichter  und  ähnliche  zur  Darminfusion 

Digitized  by  Google 


CLYSÜPOMP. 


—  COAGULATJOX. 


177 


geeignete  Apparate  ersetzt  hat.  Die  besteh  sind  die  ans  einer  einfachen  Säug- 
pumpe ohne  besondere  Reservoirs  bestehenden,  die  man  einfach  in  ein  gefülltes 
Waschbecken  stellt.  Th.  Husemann. 

Cly8ter  antiCOÜCUS  Vogler.  4  Tropfen  Oleum  Cajeputi  mit  2.5  g  Spiritus 
nitrieo-aetkereus  gemischt  werden  einem  Klystier  aus  300  g  Kamillenihee  zugesetzt. 

Olli,  Abkürzung  für  Ceotimeter. 

CfliCill,  C49  HftS  0,s.  In  den  Blättern  von  Cnicus  benedictus  und  Centaurea 
Calcitrapa.  Seidenglänzende  Nadeln  von  neutraler  Reaction  und  sehr  bitterem 
Geschmack.  Schwer  löslich  in  Wasser  nnd  Aether,  leicht  in  Alkohol.  Rechtsdrehend. 
Kalte  concentrirte  Schwefelsflure  färbt  Cnicin  roth  unter  Lösung,  Wasserzusatz  be- 
wirkt violette,  Ammoniak  gelbe  Färbung.  Concentrirte  Salzsfture  löst  es  mit  grüner 
Farbe.  v.  Schröder. 

Cni&IS,  Gattung  der  Compositaey  Unterfamilie  Centaureae.  Kräuter  mit 
alternirenden  Blättern  und  einzelnen  endständigen  Blflthenköpfen.  Randblüthen 
steril  mit  dreispaltigem  Saume,  Scheibenblüthen  zwitterig  mit  fttnfspaltigem  Saume 
auf  flachem,  borstigen  Boden.  Acbflnen  rippig,  Pappus  zweireihig,  zu  einem 
zehukerbigen  Kranze  verwachsen.   Die  einzige  Art 

Cnicus  b  enedictus  L.  (Centaurea  benedicta  L.)  ist  als  Herba  Cardui 
Unedicti  in  die  meisten  Pharmakopöen  aufgenommen.  —  S.  Carduus,  Bd.  II, 
pag.  557. 

Cnidium.  Gattung  der  Umbelliferae ,  Unterfamilie  Seselineae.  —  Cnidium 
Silaus  Spr.  ist  synonym  mit  Silaus  pratensis  Bess. 

CO,  chemisches  Symbol  für  Kobalt  (Cobaltum). 

CoagulatiOIl,  Gerinnung,  nennt  man  den  Uebergang  einer  Flüssigkeit  in 
eine  feste,  nicht  krystallinisehe  Form ,  häufig  unter  Bildung  von  Klumpen ,  ohne 
dass  das  Lösungsmittel  eine  Verminderung  erfahren  hätte.  Die  Ursachen ,  welche 
die  Gerinnung  herbeiführen,  sind  je  nach  der  Natur  des  gelösten  Stoffes  sehr  ver- 
schieden. In  der  Hitze  zu  coaguliren  ist  eiue  Eigentümlichkeit  der  Albuminkörper. 
Das  Casein  der  Milch  ist  ein  Alkalialbuminat  und  fällt  in  der  Hitze  nicht  aus, 
wohl  aber  wenn  der  Milch  Laab  zugesetzt  wird;  oder  wenn  ihre  Reaction  eine 
sauere  geworden  ist,  sei  es  durch  Säurezusatz  oder  durch  die  von  Mikroorganismen 
vermittelte  Umwandlung  des  Milchzuckers  in  Milchsäure. 

Blut  gerinnt  sehr  bald,  nachdem  es  die  Blutgefässe  verlassen ,  ohne  weiteres 
Hinzuthun,  unter  Abscheidung  von  Fibrin.  Man  glaubte  früher,  dass  das  Fibrin 
als  gelöster  Eiweisskörper  im  Bluto  vorhanden  sei,  jedoch  nur  so  lange  flüssig 
bleibe,  als  das  Blut  im  geschlossenen  Gefilsssysteme  circulirt.  Seit  den  Untersuchungen 
von  A.  Schmidt  weiss  man,  dass  sich  im  Blute  zwei  Eiweisskörper,  die  fibrinogene 
und  die  fibrinoplastische  Substanz,  getrennt  nebeneinander  befinden;  unter  dem 
Einflüsse  eines  Fermentes,  welches  erst  beim  Absterben  des  Blutes  zur  Wirkung 
kommt,  entsteht  aus  der  Verbindung  jener  zwei  Fibringeneratoren  das  Fibrin. 
Die  Fibringeneratoren  oder  einer  derselben  sind  auch  in  anderen  normalen  und 
pathologischen  Flüssigkeiten  entbalton.  Lymphe  und  Chylus  coaguliren  spontan, 
wenn  auch  langsamer  als  Blut;  sie  bilden  also  auch  das  nöthige  Ferment.  Die 
Herzbeutel-  und  die  Hydroceleflüssigkeit  u.  A.  euthalten  nur  die  fibrinogene  Substanz 
nnd  kein  Ferment;  sie  gerinnen  auf  Zusatz  von  Blut. 

Die  Frage,  warum  das  Blut  während  des  Lebens  innerhalb  der  Gefässe  nicht 
gerinnt,  hat  die  Physiologen  vielfach  beschäftigt.  Brücke  hat  durch  Bchlagende 
Experimente  nachgewiesen ,  dass  ausschliesslich  die  Berührung  mit  der  lebenden 
Gefässwand  das  Blut  vor  Gerinnung  schützt ,  während  'Berührung  mit  fremden 
Körpern  das  Blut  zur  Gerinnung  bringt.  Im  Sinne  der  SCHMlDT'schen  Theorie 
würde  der  Einfluss  der  lebenden  Gefässwand  die  Bildung  des  Fermentes  überhaupt 
verhindern,   oder  die  Wirkung  vorhandenen  Fermentes  hintanhalten.  —  Neuere 

Real-EncyclopAdie  der  gea.  Pbaraacie.  III.  12 

Digitized  by 


Google 


178 


COAGCLATJON.  —  COCA. 


Untersuchungen  haben  gelehrt,  dass  jener  Einfluss  der  lebenden  Gefasswand  kein 
vitaler,  sondern  ein  mechanischer  ist.  Schon  Grüenhagen  hat  gezeigt,  daas  in 
Glycerin  aufgefangenes  Blut  nicht  gerinnt,  so  lange  es  sich  mit  dem  Glycerin 
nicht  mischt.  Nach  Ernst  Fkbcnd's  Versuchen  (Wiener  medic.  Blätter,  1886  und 
Wiener  medic.  Jahrb.)  wirken  fremde  Körper  nur  dann  coagulirend ,  wenn  das 
Blut  an  ihnen  adhärirt ;  in  einem  mit  Vaselin  sorgfältig  ausgegossenen  Glasgefässe 
bleibt  das  Blut  tagelang  flüssig,  wenn  die  oberste  Blutschicht  vor  Austrocknung 
geschützt  und  jede  Verunreinigung  mit  Staub  hintangehalten  wird;  auch  darf  an 
den  Wanden  des  Glasgefässes  nirgends  eine  Adhäsion  ausübende  Stelle  vorkommen. 
An  den  Wänden  eines  entleerten  Blutgefässes  adharirt  das  Blut  in  der  That  nicht, 
man  nimmt  nirgends  eine  Spur  von  Blut  wahr. 

Zu  unterscheiden  von  der  Gerinnung  ist  das  G  e  1  a  t  i  n  i  r  e  n  (s.  d.) ,  welches 
beim  Abkühlen  mancher  Flüssigkeiten  oder  bei  grösserer  Ooncentrirung  der- 
selben eintritt. 

Coak,  Coke  oder  Koks  ist  der  bei  der  trockenen  Destillation  von  Stein- 
kohlen in  den  Retorten  zurückbleibende  amorphe,  poröse,  harte,  klingende,  bleigrau 
bis  schwarzgrau  aussehende  Körper,  welcher  bei  der  Leuchtgasfabrikation  in  grossen 
Mengen  als  Nebenproduct  gewonnen  wird.  Koke  steht  zur  Steinkohle  genau  in  dem 
gleichen  Verbältniss,  wie  die  Holzkohle  zum  Holz.  Koke  reprflsentirt  somit  eine  ge- 
wissermaßen concentrirte  Kohle,  eine  Kohle,  die  ihrer  den  Wärmewerth  verringernden 
Beimischungen  beraubt,  somit  als  Heizmaterial  werthvoller  geworden  ist.  Koks 
enthalten  91 — 05  Procent  reinen  Kohleoston",  je  nach  der  Beschaffenheit  der  ver- 
wendeten Steinkohle ;  der  Rest  entfällt  fast  durchweg  auf  die  Aschenbestandtheile. 
Die  Flammbarkeit  ist  bei  dem  Koks  auf  ein  Minimum  reducirt,  der  Heizeffect  da- 
gegen ist  ein  weit  höherer.  Bei  richtig  geleiteter  Luftzufuhr  verbrennen  die  Koks 
ohne  Flamme  und  ohne  Rauch  vollständig  zu  Kohlensäure  und  Asche.  Der 
Brennwerth  beträgt  je  nach  Höhe  des  Gehalts  an  reinem  Kohlenstoff  und  je  nach 
der  mehr  oder  minder  vollständigen  Verbrennung  zu  C03  7000—7500  Wärme- 
einheiten. Ganswindt. 

Coaltar,  richtiger  Coaltar,  ist  eine  aus  dem  Englischen  stammende  Bezeichnung 
des  Steinkohlentheers. 

Coaltar  Saponatum,  Coaltar  saponine,  eine  von  französischen  Aerzten  als 
Desinficiens  empfohlene  Mischung  von  gleichen  Theilen  Coaltar,  Sapo  und  Spiritus 
oder  von  10  Th.  Coaltar  mit  25  Th.  Tinctura  Quillajae  hat  in  Deutschland  keinen 
Eingang  gefunden. 

Cobalti-  und  Cobaltoverbindungen,  s.  unter  Kobalt. 

Cobaltum,  Co  =  Kobalt;   mit  demselben  Namen  wird  auch  metallisches 
Arsen  belegt.  —  S.  unter  Arsen,  Bd.  1,  pag.  580. 

Cobaltum  chloratum  =  Kobaitchiorür. 
Cobaltum  nitricum  =  Kobai  t  n  i  t  r  a  t. 

Coca  (spanisch),  Cuca  (peruanisch),  Ypadu  (brasilianisch),  Peru  vi  an 
tobaeco  (englisch)  sind  Bezeichnungen  für  die  Blatter  des  im  westlichen  Süd- 
Amerika  einheimischen  und  cultivirten  Erythroxylon  Coca  Lam.  Die  Pflanze 
folgt  dem  Zug  der  Anden  bis  zu  1800  m  Höhe,  geht  im  Norden  etwa  bis  zum 
11°  nördlicher  Breite,  östlich  bis  zum  64°  westlicher  Länge  und  im  8llden  etwa 
bis  zum  24°  südlicher  Breite.  Der  Centraipunkt  der  Cultur  liegt  in  Peru  (Provinz : 
Carabaya,  Convenciam,  Huanucti),  dann  folgt  Bolivien  (Provinz :  Yungas,  Larecaja). 
Weniger  in's  Gewicht  fallen  Ecuador ,  Columbien ,  Brasilien.  Gegenwärtig  unter- 
scheidet man  im  Handel  die  Sorten  von  Bolivia ,  Peru  und  Truxillo  und  schätzt 
die  Bolivia-Coca  am  höchsten.  Seit  einigen  Jahren  hat  man  auch,  besonders  von 
Kew  aus,  versucht,  den  Cocastraueh  in  anderen  Gegenden  zu  cultiviren,  nämlich 

Digitized  by  Googl 


COCA. 


179 


Fig.  28. 


Westindien  (Jamaica),  Ceylon,  Sansibar,  Australien  (Brisbane).  Aus  Venezuela  im- 
portirte  Blatter  erwiesen  sich  als  ungeeignet  für  die  Coc*Tndarstellung  (Gehe  1886). 

Die  Coea  ist  ein  bis  1.6  ra  hoher  Strauch  mit  hellrothbrauner  Rinde.  Die  kleinen 
gestielten  Bluthen  Bind  einzeln  oder  in  Büscheln  blattwinkelständig ,  mit  zwei 
Vorblattern.  Der  Kelch  ist  bleibend,  fünftheilig.  Dio  Corolle  ist  gelblichweiss, 
mit  4  mm  langen  Kronblättern,  die  den  Kelchzipfeln  alterniren  und  mit  einer  auf- 
rechten, Uber  dem  kurzen  Nagel  befindlichen  doppeltspreitigen  Ligula  versehen 

sind.  Staubgefässe  zehn,  langer  als  die  Corolle,  am  Grunde 
zu  einer  Röhre  verwachsen.  Fruchtknoten  oberständig, 
dreifächrig,  mit  zwei  fruchtbaren  Fachern,  jedes  mit  einer 
anatrop-epitropen  Samenknospe.  Griffel  drei.  Narben  kopf- 
förmig.  Frucht  eine  kleine,  einsamige,  rothe  Steinfrucht 
mit  dünnem  Endocarp.  Samen  mit  knorpligem  Endosperm. 
Embryo  mit  planconvexen  Cotyledonen  und  kurzer,  nach 
oben  gerichteter  Radicula. 

Die  Blätter  sind  wechselständig,  sie  sitzen  an  5— 7  mm 
langen  Stielen,  mit  kleinen  Nebenblättern,  die  später  braun 
und  hornartig  werden.  Sie  sind  eiförmig  bis  elliptisch, 
kahl,  4 — 8  cm  lang,  2 — 4  cm  breit,  an  der  Spitze  stumpf 
oder  ausgerandet  mit  einem  kleinen  Stachelspitzchen  (wel- 
ches in  der  getrockneten  Droge  oft  abgebrochen  ist),  ganz- 
randig,  der  Rand  etwas  nach  unten  umgerollt,  oberseits 
olivengrün,  unterseits  gelblich  graugrün.  Von  dem  be- 
sonders unterseits  stark  hervortretenden  Primärnerven 
gehen  schwächere  und  stärkere  Seitennerven  ab,  die  sehr 
Coca-Blatt  in  nat.  Grosse,   reichlich  anastomosiren  und  Schlingen  bilden.  Neben  den 

Priraämerven  verlaufen  auf  der  Unterseite  in  einem  Hachen 
Bogen  bei  den  meisten  Blättern  zwei  feine  Streifen  (Fig.  26),  die  leicht  ebenfalls 
für  Nerven  gehalten  werden  können.  Sie  cntHtehen  dadurch ,  dass  die  Ränder 
des  Matte*  in  der  Knospenlage  an  diesen  Stellen  nach  oben  umgeknickt  sind. 

Die  Epidermis  der  Oberseite  besteht  aus  unregclmässig  polygonalen ,  schwach 
«nticnlarisirten  Zellen.    An  sie  sehliesst  sich  ein  Palissadcnparenchym  aus  mässig 


Fi*.  «. 


Fig.  28. 


Epidermis  der  Oberseite  de«  Cocablattes. 


mm, 


Epidermis  der  I'nterseite  des  Cocablattes. 
*P  Spaltöffnung  (nach  Mo  eil  er). 
Vergr.  1«). 


gestreckten  Zellen  und  lockeres  Schwammparenchym.  Die  Zollen  der  Epidermis  der 
Unterseite  sind  etwas  stärker  gewellt,  wie  die  der  Oberseite,  jede  Zelle  hat  einen 
Kreil»,  der  sich  auf  dem  Querschnitt  des  Blattes  als  papillöse  Erhöhung  zeigt.  Die 
Stomatien  sind  klein  (0.02 — 0.03  mm),  von  zwei  Neben/eilen  eingeschlossen.  Die 
Nerven  enthalten  Spiral-  und  Treppengefilsne  und  Krystallkammerfasern.  Kalk- 
oxalat  findet  sich  auch  sonst  im  Mesophyll  in  monoklinischen  Krystallen. 

12*  gitized  by  Google 


180 


COCA.  —  COCAIN. 


Die  ein/ein  abgepflückten  Blatter  werden  mit  grosser  Vorsicht  getrocknet  und 
in  wollene  Säcke  gepackt,  oder  mit  Pressen  in  Ziegelform  gebracht.  Sie  sind  dem 
Verderben  durch  Feuchtigkeit  sehr  ausgesetzt.  Die  jährliche  Production  von  Peru 
und  Bolivien  beträgt  ungefähr  zehn  Millionen  Kilo ,  wovon  gegenwärtig  etwa 
000000  Kilo  ausgeführt  werden. 

Die  Blütter  dienten  in  Peru  schon  bei  Ankunft  der  Spanier  als  ein  ganz  allge- 
mein benutztes  Genussmittel,  welches  die  Eingebornen  besonders  befilh igte ,  auch  bei 
unzureichender  Nahrung  grosse  Strapazen  zu  ertragen.  Sie  kauen  eine  Anzahl 
der  Blätter  unter  Zusatz  von  Llipta  oder  Yucta  (Asche  von  Ghenopodium  Quinoa  L. 
und  anderen  Pflanzen).  Seltener,  besonders  von  den  Weissen,  wird  ein  Infusum 
der  Blfitter  benutzt.  Der  Geruch  ist  schwach  aromatisch,  der  Geschmack  bitter 
aromatisch  und  etwas  adstringirend. 

1855  entdeckte  Gaedicke  in  den  Blättern  ein  Alkaloid,  Erythros y Ii n, 
1860  stellte  Niemann  es  rein  dar  und  nannte  es  Cocain,  1882  Lossen  ein 
zweites,  Hygrin,  1885  will  Bender  noch  ein  drittes,  Cocairin,  aufgefunden 
haben.  Von  diesen  ist  das  Cocain  is.  d.)  seiner  local  anästhesirenden  Wirkung 
wcgon  in  neuester  Zeit  von  grosser  Bedeutung  geworden.  Ausserdem  enthalten  sie 
Cocagerbsänre,  Wachs  und  Spuren  ätherischen  Oeles. 

Die  Blätter  dienen  in  der  Pharmacie  zur  Herstellung  des  Cocain,  ferner  bereitet 
man  daraus  ein  Extractum  Erythroxyli  (Ph.  Un.  St.),  verwendet  sie  auch 
in  Form  von  Infusen,  Deeocten  und  als  Tinctur. 

Ueber  die  Cocablfttter  von  verwandten  Arten  s.  Erythroxylon. 

Literatur:  Nevinny,  Das  Cocablatt.  1886  —  Moeller,  Mikroskopie  der  Nahrangs- 
und Genussmittel.  1886.  —  Hoffmann,  Pharm.  Zeitung.  1884.  Hartwich. 

Cocäthylin.  C,8  Has  N04,  ein  von  W.  Merck  dargestellter  Körper,  der  ent- 
steht, wenn  in  Benzoylecgonin  vermittelst  Jodäthyl  die  Aethylgruppe  eingeführt 
wird.  Es  unterscheidet  sich  daher  vom  Cocain,  dass  es  an  Stelle  des  Methyls  (im 
Cocain)  Aethyl  (im  Cocäthyün)  enthält.  Die  Base  löst  sich  leicht  in  Alkohol  und 
Aether,  ist  fast  unlöslich  in  Wasser  und  schmilzt  bei  109°.  Die  physiologische 
Wirkung  des  Cocäthylins  ist  qualitativ  gleich  der  des  Cocains,  quantitativ  jedoch 
verschieden,  da  das  Cocäthylin  schwächer  und  ungiftiger  als  Cocain  wirkt  und 
nach  Falk  daher  bei  besonders  nervösen  Personen  empfehlenswerth  erscheint. 

COCclin.  In  den  Fünfziger-Jahren  dieses  Jahrhunderts  wurde  von  verschiedenen, 
unabhängig  von  einander  arbeitenden  Forschern  die  Isolirung  des  wirksamen 
Principe  der  Cocablätter  (s.  d.  und  Erythroxylon)  angestrebt  und  1860  von 
Niemaxn  erreicht,  welcher  aus  diesem  Materiale  ein  Alkaloid,  das  Cocain,  Cl7  H„  N04, 
zuerst  rein  darstellte.  Dasselbe  ist  in  den  Cocablättern  noch  von  wechselnden 
Mengen  zweier  anderer  basischer  Körper,  Hygrin  und  Benzoylecgonin,  begleitet, 
welche  jedoch  nach  Ansicht  verschiedener  Autoren  keineswegs  gleich  von  Anfang 
an  in  den  Blättern  enthalten,  sondern  als  Spaltungsproducte  oder  sonstige  Derivate 
des  sehr  leicht  zersetzbaren  Cocains  zu  betrachten  sein  sollen. 

Die  Menge,  in  welcher  sich  das  Cocain  selbst  in  frischen  und  besterhaltenen 
trockenen  Blättern  findet,  ist  eine  sehr  geringe  und  scheint  0.75  Procent  fast 
nie  zu  übersteigen,  wohl  aber  häufig  auf  0.2  Procent,  in  schlecht  behandelter 
und  nachlässig  verpackter,  braun  gewordener  Waare  aber  auf  Null  herab- 
zusinken. 

Zur  Werthbestimmung  der  Cocablätter  wird  folgendes  Verfahren  angegeben. 
Man  befeuchtet  50  g  ihres  Pulvers  mit  einer  Mischung  von  0.8  g  Schwefelsäure, 
1.6  g  Salzsäure  und  40  g  Weingeist,  percolirt  nach  zwölfstündigem  Stehen  mittelst 
nicht  angesäuerten  Alkohols,  verjagt  letzteren ,  schüttelt  den  extractartigen  Rück- 
stand mit  einer  Mischung  von  1 — 2  cem  einer  zehnprocentigen  Säure,  25  cem 
Wasser  und  ebensoviel  Aether,  die  abgenommene  Aetherschicht  nochmals  mit  10  com 
angesäuertem  Wasser,  die  vereinigten  wässerigen  Auszüge  aber  mehrmals  mit  Aether 
auH.  Nun  wird  zu  dem  auf  diese  Weise  von  anderen  Stoffen  befreiten  wässerigen 


Digitized  by  Google 


COCAIN.  181 

Auszöge  Natriumcarbonat  nebst  lOccm  Aether  gebracht  und  mit  einer  mehrmals 
erneuten  gleichen  Aethermenge  ausgeschüttelt,  welche  ätherischen  Auszüge  dann 
beim  Verdunsten  in  einem  tarirten  Becherglase  das  Cocain  in  der  Regel  krystallinisch 
hinterlassen,  so  dass  nnr  noch  das  Gewicht  zu  bestimmen  bleibt.  Selbstredend  wird 
man  zur  Werthbestimmung  der  Cocablätter  auch  alle  anderen  nachfolgend  er- 
wähnten BereituiifTHinethoden  verwenden  können. 

Die  in  Fabriken,  und  zwar  neuerdings  in  den  Productionsländern  selbst  betriebene 
Herstellung  des  Cocains  erfolgte  bisher,  so  weit  bekannt,  nach  vier  verschiedenen 
Methoden,  welche  hier  in  thunlichster  Kflrze  beschrieben  werden  sollen  und  von 
denen  die  beiden  ersten  zu  Gunsten  der  beiden  letzteren  allmälig  verlassen  worden 
zn  sein  scheinen. 

Nach  dem  Verfahren  von  Squibb  wird  der  extractartige  Verdunstungsrttckstand 
des  durch  Peroolation  mit  schwefelsäurehaltigem  Alkohol  gewonnenen  Blätteraus- 
zuges  mit  Wasser  gemischt,  die  beim  Stehen  sich  sondernde  untere  Schicht  nach 
der  Filtration  mit  Natriumcarbonat  alkalisch  gemacht,  das  Alkaloid  in  Aether  auf- 
genommen ,  dann  wieder  aus  diesem  in  saures  Wasser  übergeführt ,  nach  dem 
Alkalischmachen  mit  Natriumcarbonat  wieder  in  Aether  aufgenommen  und  diese 
wechselseitige  AusschUttelung  einigemal  wiederholt.  Durch  partielle  Fällung 
mit  Natriumcarbonat  beseitigt  man  nunmehr  das  Hygrin  und  fällt,  nachdem 
dieses  durch  Aether  weggenommen,  dann  weiterhin  erst  das  Cocain  aus.  Filtration 
seiner  Losung  durch  Thierkohle  thut  vor  der  definitiven  Krystallisation  das 
üebrige. 

Einen  anderen  Weg  schlägt  Castaino  ein.  Er  percolirt  die  mit  8  Th.  kochen- 
dem Wasser  ttbergossenen  gepulverten  Blätter  nach  halbstündigem  Maoeriren  und 
Abtropfen  der  Flüssigkeit  mit  8  Th.  Alkohol ,  fällt  die  vereinigten  Auszüge  mit 
Bleiacetat,  das  überschüssige  Blei  mit  Natrinmsulfat,  das  ziemlich  eingeengte  Filtrat 
aber  mit  Natriumcarbonat  und  zieht  nun  letzteren  Niederschlag  mit  Aether  aus, 
welcher  beim  Verdunsten  das  noch  durch  Waschen  mit  wenig  Alkohol  zn  reinigende 
Cocain  hinterlässt. 

Wesentlich  verschieden  ist  das  Verfahren  von  Truphkme,  welcher  die  gepul- 
verten Cocablätter  direct  mit  Aether  auszieht,  wobei  das  Hygrin  zurückbleibt, 
während  man  vom  Auszug  den  Aether  abdestillirt,  den  Rückstand  mit  kochendem 
Wasser  erschöpft,  diesen  Auszug  mit  Magnesia  gemischt  zur  Trockne  verdampft 
und  nun  dem  Rückstand  durch  Amylalkohol  das  Cocain  entzieht,  welches  man  beim 
Verdunsten  gelblich  und  durch  Umkrystallisiren  farblos  erhält. 

Noch  anders  geht  Bignon  zu  Werke.  Er  macerirt  die  Blätter  24  Stunden  in 
20procentiger  Sodalösung  und  erschöpft  sie  nach  dem  Trocknen  in  besonderen 
Apparaten  mit  Petroläther,  welcher  Auszug  dann  mit  salzsäurehaltigem  Wasser 
geschüttelt  wird,  wobei  Verunreinigungen  im  Petroläther  zurückbleiben,  während 
Cocainhydrochlorat  in  die  wässerige  Lösung  geht  und,  hier  mit  Natriurabicarbonat 
zersetzt,  direct  ein  90procentiges  Cocain  liefern  soll. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  diejenige  Methode  das  beste  und  meiste 
Cocain  liefern  wird,  bei  welcher  wässerige  Lösungen,  chemische  Agentien  und 
Wärme  möglichst  vermieden  sind,  zu  einer  Zersetzung  des  Cocains  also  die  mindeste 
Gelegenheit  geboten  ist. 

Neuerdings  hat  Merck  auch  die  künstliche  Synthese  des  Cocains  ausgeführt, 
und  zwar  auf  zwei  verschiedenen  Wegen.  Das  neben  Cocain  und  Hygrin  in  den  Coca- 
blättern  enthaltene  Benzoylecgonin  liefert  nämlich  in  Methylalkohol  gelöst  und  im 
geschlossenen  Rohre  mit  Jodmethyl  und  Kaliumhydroxyd  auf  höhere  Temperatur 
gebracht  ein  mit  dem  natürlichen  vollkommen  identisches  Cocain.  Und  ferner  wird 
ein  solches  erhalten ,  wenn  man  ein  Spaltungsproduct  des  Cocains ,  das  Ecgonin, 
mit  Benzoesäureanhydrid  und  Jodmethyl  zehn  Stunden  laug  im  geschlossenen  Hohr 
auf  100°  erhitzt. 

Bei  Verwendung  von  Jodäthyl  statt  Jodmethyl  erhült  man  durch  diese  Procedur 
ein  Homologon  des  Cocains,  das  Cocäthylin. 


Digitized  by  Google 


]S2 


COCAIN. 


Es  führt  dieses  zur  Frage  nach  der  Constitution  des  Cocains.  Auf  Grund  seines 
soeben  beschriebenen  synthetischen  Aufbaues  einerseits  und  im  Hinblick  auf  die 
spater  zu  erwähnenden  Spaltungsproducte  andererseits  wird  dasselbe  als  Benzoyl- 
methylecgonin,  noch  weiter  zergliedernd  aber  als  Methylbenzometholäthyltetrahydro- 
pyridincarbonat  aufzufassen  sein. 

Das  reine  Cocain  krystallisirt  ans  Weingeist  und  Aether  in  ansehnlichen,  farb- 
losen vier-  und  sechsseitigen  Prismen,  ist  vielleicht  im  reinsten  Zustand  geruchlos, 
besitzt  aber  in  der  Regel  einen  mehr  oder  minder  starken,  durchaus  eigentüm- 
lichen Geruch,  hat  einen  bitterlichen  Geschmack,  welchem  rasch  Empfindungslosig- 
keit des  berührten  Zungcntheües  folgt,  schmilzt  bei  »8°  zu  einer  klaren,  beim 
Abkühlen  krystallinisch  erstarrenden  Flüssigkeit  und  beginnt  schon  bei  113°  sich 
zu  zersetzen/ Es  bedarf  zur  Lösung  bei  0*900,  bei  12°  700  Tb.  Wasser,  löst  sich 
dagegen  leicht  in  Weingeist,  Aether,  Vaselin,  Oelen  und  Oelsäure:  Die  wässerige 
Lösung  reagirt  nicht  nur  auf  Lackmus  stark  alkalisch,  sondern  röthet  auch 
Phenolphtalein. 

Die  Lösungen  des  Cocains  uud  seiner  8alze  werden  durch  die  bekannten  all- 
gemeinen Alkaloidreagentien  gefällt,  dagegen  fehlt  es  an  ausgesprochenen  speciellen 
Identitätsreactionen  zur  Zeit  noch  sehr,  so  dass  man  zu  solchen  zweiten  Ranges  zu 
greifen  genöthigt  ist.  Hierher  gehört  die  reducirende  Wirkung  auf  Ferricyankalium. 

Wenn  man  nämlich  weisses  Filtrirpapier,  welches  mit  einer  Lösung  von  reinem 
Ferricyankalium  und  Ferrichlorid  befeuchtet  wurde,  mit  Cocainlösung  betupft,  so 
entsteht,  noch  bevor  zwei  Minuten  verflossen,  ein  deutlicher  blauer  Fleck.  Wenn 
man  ferner  0.5  g  Cocain  mit  1  ccm  Schwefelsäure  zwei  Minuten  lang  in 's  siedende 
Wasserbad  taucht  und  die  bei  reinem  Cocain  farblose  Lösung  nach  dem  Erkalten 
mit  3  ccm  Wasser  verdünnt,  so  scheiden  sieh  nach  halbstündigem  Stehen  Krystalle 
von  Benzoesäure  aus,  welche  beim  Erwärmen  verschwinden,  um  nach  dem  Erkalten 
wieder  zu  erscheinen.  Endlich  geben  nicht  zu  verdünnte  Cocainlösungen  mit  Kalium- 
permanganat einen  violettrothen  Niederschlag,  welcher  aus  Krystallcn  vou  Cocaiu- 
permanganat  besteht ,  aber  nicht  sehr  persistent  ist ,  sondern  bald  einer  tiefer 
eingreifenden  Oxydation  unter  Bräunung  anheimfällt. 

Als  besonders  bemerkenswert!!  darf  die  leichte  Zersetzbarkeit  des  Cocains  an- 
gesehen werden,  welche  sogar  in  der  weingeistigen  Lösung  der  reinen  Basis  nach 
längerer  Zeit  Platz  greift  und  deren  Alkalinität,  sowie  anästhesirende  Wirkung 
herabmindert.  In  der  wässerigen  Lösung  wird  eine  theilweise  Zersetzung  des 
Cocains  durch  die  Thätigkeit  von  Mikroorganismen  bald  herbeigeführt,  desgleichen 
durch  Wärme  und  iu  noch  höherem  Grade  und  rascherem  Tempo  durch  Einwirkung 
von  Säuren  und  Alkalien. 

In  allen  diesen  Fällen  findet  unter  Wasseraufnahme  eine  Spaltung  des  Cocains 
Btatt,  wobei  Eegonin,  Benzoesäure  und  Methvlalkohol  entstehen  nach  der  Gleichung 
Cl7  H2l  NO,  +  2  H,  0  =  Ca  H16  N03  -f  CHt  0  +  C;  H0  02. 

Das  Cocain  liefert  mit  einer  Reihe  von  Säuren  meist  gut  krystallisirbare,  in 
Wasser  und  Weingeist  leicht,  in  Aether  wenig  oder  gar  nicht  lösliche  Sake.  Das 
Sulfat  bildet  eine  gummiartige  Masse.  Abgesehen  von  dem  eingehender  zu  be- 
sprechenden Hydrochlorat  und  den  analytisch  wichtigen  Doppelsalzen  desselben  mit 
Goldchlorid  und  Platinchlorid  sind  als  therapeutisch  versucht  oder  im  Handel  be- 
findlich zu  erwähnen:  Cocoinum  benzoicuui,  boracicum,  ettricum,  hydrobromicum> 
nitrirum ,  soUcylicuvi,  sulfuricum  .  tartaricum  und  oletnicum ,  letzteres  in  drei 
verschiedenen  Sorten  erhältlich,  nämlich  mit  einem  Gehalt  von  5,  10  und  50  Pro- 
cent, reinem  Alkaloid. 

Die  nicht  zu  verdünnten  Lösungen  der  Cocainsalze  geben  mit  reiuen  und  kohlen- 
sauren fixen  Alkalien ,  mit  Ammoniak  nnd  Ammoncarbonat  weisse  ,  im  Ueber- 
schusse  der  beiden  letzteren  lösliche  Fällungen,  mit  Platinchlorid  und  Goldchlorid 
einen  gelben,  mit  Quecksilberchlorid,  ebenso  mit  Ziunchlorür  einen  weissen,  mit 
Pierinsäure  einen  gelben,  mit  Phosphormolybdänsäure  einen  weissen,  mit  Jodwasser 
oder  Jodjodkalium  einen  braunen  Niederschlag. 


Digitized  by  Google 


COCAIN. 


183 


Dae  medicinisch  weitaus  wichtigste  Salz  ist  bis  heute  das  Hydrochlorat, 
Cocainum  hydrochloricnm,  C17  Hai  N04 .  HCl,  welches  man  durch  Neutralisation  des 
Cocains  mit  Salzsäure  gewinnt  und  durch  KryBtallisation  aus  Weingeist  in  Säulen,  aus 
Wasser  in  gruppirten  Nadeln  erhält,  während  weniger  reine  Sorten  durch  einfaches 
Abdampfen  der  Lösungen  zur  Trockene  dargestellt  werden.  Krystallisirtes  reines 
Cocainhydrochlorat  ist  völlig  farblos.  Es  besitzt  in  der  Regel  einen  eigenartigen 
leichten  Blflthenduft ,  welcher  jedoch  nur  bei  grosseren  Mengen  wahrnehmbar  ist, 
bei  den  nicht  krystallisirten  pulverförmigen  Handelssorten  dagegen  viel  stärker 
hervortritt  und  keineswegs  dem  Cocain  als  solchem  eigen  zu  sein,  vielmehr  von 
einem  begleitenden  und  schwer  zu  trennenden  Riechstoffe  der  Cocablätter  herzu- 
rühren scheint. 

Der  Geschmack  ist  bitterlich,  bald  von  Empfindungslosigkeit  der  Geschmacks- 
organe gefolgt. 

Das  Salz  löst  sich  schon  in  der  Hälfte  seines  Gewichtes  Wasser  und  auch  sehr 
leicht  in  Weingeist  auf,  nicht  in  Aether,  ohne  Färbung  in  8alzsäure,  wie  in  Sal- 
petersäure und  unter  Äufschänmeu  in  concentrirter  Schwefelsäure. 

Im  (Tebrigen  zeigt  seine  Lösung  die  oben  angegebenen  Reaotionen  der  Cocain- 
salze  und,  wenn  absolut  rein  und  unzersetzt,  neutrale  Reaction. 

Diese  letztere  spielt  auch  bei  der  Prüfung  den  Präparates ,  welches  aus  deut- 
lichen Krystallen  bestehen  soll  und  selbstverständlich  beim  Erhitzen  auf  Platinblech 
keinen  unverbrennlicben  Rückstand  hinterlassen  darf,  eine  Hauptrolle,  doch  zeigen 
schön  krystallisirte  farblose  Sorten  mitunter  eine  sehr  geringe  saure  Reaction,  wenn 
man  das  Salz  auf  befeuchtetes  blaues  Lackmuspapier  bringt ,  was  eben  mit  der 
ausserordentlich  leicht  eintretenden  Zersetzung  kleiner  Antheile  unter  Abspaltung 
von  Benzoesäure  zusammenzuhängen  scheint.  Unter  keinen  Umständen  aber  soll 
die  saure  Reaction  einen  sehr  deutlich  ausgesprochenen  Charakter  haben,  sich  viel 
mehr  auf  der  Grenze  der  Wahrnehmbarkeit  halten. 

Man  darf  ferner  verlangen ,  dasB  0.01  g  des  Salzes  auf  0.5  cem  coneentrirte 
Schwefelsäure  geworfen  zu  keinerlei  Färbung  Veranlassung  gibt,  sowie  dass  in 
einer  Lösung  von  0.01  g  Cocainhydrochlorat  in  0.5  cem  Wasser  durch  3  Tropfeu 
Kaliumpermanganatlösung  (1  :  1000)  innerhalb  einer  Minute  keine  bräunliche  Aus- 
scheidung, sondern  nur  Rothfärbuug,  diese  aber  in  ausgesprochener  Weise  ent- 
steht, während  in  etwas  coueentrirterer  Lösung  durch  eine  grössere  Menge  des 
genannten  Rcageus  ein  violettrotber  krystallinischer  Niederschlag  hervorgerufen 
wird.  Endlich  darf  sich  nach  dem  Kochen  der  letzteren  Mischung  in  einem  lo-«e 
mit  Baumwolle  verschlosseueu  Reagircylinder  nach  dem  Erkalten  beim  Oeffneu  kein 
Bittermandelölgeruch  bemerklich  macheu. 

Ist  so  die  Reinheit  des  Salzes  ermittelt,  so  kann  man  eine  eigentliche  Gchalts- 
bestimmung  desselben  in  der  Weise  ausfuhren,  dass  man  0.1  g  des  Cocainhydro 
chlorates  in  1  cem  Wasser  löst ,  5  cera  Petrolbenzin  und  5  Tropfen  Ammoniak- 
flüssigkeit  zugibt,  schüttelt,  nach  der  Trennung  die  obere  Schicht  abbebt,  die  Aus- 
schUttelung  mit  gleichen  Benzinmengen  noch  zweimal  wiederholt  und  die  vereinigten 
Auszüge  im  tarirten  Becherglase  verdunsten  lüsst,  wo  dann  der  aus  reinem  Cocain 
bestehende  Rückstand  nicht  unter  0.080  g  betragen  soll. 

Die  viel  verwendeten  wässerigen  Lösungen  des  Cocainhydrochlorates  neigen 
stark  zur  Zersetzung,  welche  man  durch  geringe  Zusätze  von  Kampferwasser, 
Aether,  Borsäure,  am  besten  aber  von  8alicylsäure  verhindert. 

Auch  zur  Sterilisirung  der  Lösung  mittelst  zweistündigen  Erhitzens  auf  100° 
und  nachherige  Unterbringung  in  sterilisirten  und  entweder  loso  mit  .Baumwolle 
verstopften  oder  nachträglich  zugeschmolzenen  Gläschen  hat  man  gegriffen.  Während 
zur  Anwendung  des  Cocains  in  Salben-  oder  Suppositorienform  das  Ölsäure  Salz, 
<L  h.  seine  Lösung  in  Oelsäure  benützt  zu  werden  pflegt,  dient  zur  sonstigen  innerlichen, 
äusserlichen  oder  subcutanen  Application  die  wässerige  Lösung  des  Hydrochlorates. 

Innerlieh  wird  das  Cocain  bei  verschiedenen  Formen  nervöser  Erregtheit  als  herab- 
stimmendes, beruhigendes  Mittel  in  selten  0.1  g  überschreitenden  Dosen  verwendet. 


184 


COCAIN.  —  COCCI  KELLA. 


Es  vermag  in  einen  angenehmen  Empfindungszustand  zn  versetzen,  das  Schlaf- 
bcdttrfniss  für  eine  bestimmte  Zeit  aufzuheben  und  für  eine  gewisse  Zeitdauer  zu 
ausserordentlichen  körperlichen  Leistungen,  sowie  zum  Ertragen  von  Hunger  und 
Durst  zu  befähigen. 

Bei  der  auf  Entwöhnung  basirten  Behandlung  der  Morphiomanie  und  ihrer 
Folgen  hat  es  sehr  gute  Dienste  geleistet,  doch  ist  leider  auch  umgekehrt  der 
Gebrauch  des  Cocains  vielfach  zur  schildlichen  Gewohnheit,  neben  dem  Morphinis- 
mus ein  Cocainismus  häufig  geworden.  Als  Antidot  gegen  Zufälle  durch  über- 
mässigen Cocaingebrauch  wird  Einathmung  von  3  bis  4  Tropfen  Amylnitrit  an- 
gewendet. 

Seine  höchste  Bedeutung  und  einen  gar  nicht  hoch  genug  anzuschlagenden 
Werth  aber  hat  das  Cocainhydrochlorat  als  local  wirkendes  Anästheticum  gewonnen 
und  hier  wieder  ganz  besonders  bei  Operationen  am  Auge,  in  Nase  und  Kehlkopf, 
sowie  am  Zahnfleische,  da  es  in  meist  2 — 4procentiger,  doch  auch  bis  zu  10  und 
20  Procent  verstärkter  wässeriger  Lösung  eingeträufelt  oder  mit  dem  Pinsel  auf 
die  betreffenden  Schleimhäute  aufgetragen,  die  behandelte  Stelle  für  die  Dauer  von 
5  bis  10  Minuten  völlig  unempfindlich  macht  und  hierdurch  die  Vornahme  einzelner 
chirurgischer  Operationen  ohne  Zuhilfenahme  der  Chloroformnarcose  ermöglicht.  Auf 
der  intacten  Epidermis,  sowie  in  die  Tiofe  der  Gewebe  hinein  vermag  jedoch  das 
Cocain  nicht  anästhesirend  zu  wirken.  Sein  Effect  als  locales  Anästheticum  soll 
auf  eine  durch  das  Cocain  bewirkte  Contraction  der  Capillaren,  dadurch  hervor- 
gerufene Blutleere  und  daraus  resultircnde  Unempfindlichkeit,  ähnlich  derjenigen  bei 
hoher  Kälte,  zurückzuführen  sein,  woraus  sich  denn  auch  seine  Unwirksamkeit  in 
jenen  Fällen  erklärt,  wo,  wie  in  den  tiefer  liegenden  Geweben,  grössere  Blutgefässe 
in's  Spiel  kommen. 

Schliesslich  mag  noch  die  statistische  Notiz  eine  Stelle  finden,  dass  der  Preis 
eines  Grammes  Cocainhydrochlorat  in  den  ersten  Zeiten  seiner  Einführung  in  die 
ärztliche  Praxis,  also  im  Winter  1884 — 85,  durch  Monopol isirung  des  wenigen  vor- 
handenen, brauchbaren  Rohmateriales  bis  zu  28  Mark  gestiegen  war,  im  Lanfe 
eines  Jahres  aber  auf  1.25  Mark,  später  sogar  bis  auf  0*85  Mark  zurückging. 

V  n  1  p  i  u  s. 

Cocapräparate.  Sampson's,  als  Geheimmittel  von  Dr.  Strauss  in  Mainz 
vertrieben ,  bestehen  in  Cocaspiritus ,  Cocawein  und  3  Sorten  Cocapillen ;  letztere, 
angeblich  nur  aus  Coeapulver  und  Cocaextract  bestehend,  enthalten  daneben  noch 
Morphium,  Opium  und  Goldschwefel. 

COCawein,  ein  gegenwärtig  sehr  beliebtes  Präparat,  erhält  man  in  sehr  guter 
Qualität  nach  folgender  Vorschrift :  2  Th.  Folia  Cocae  gro#«o  pulv.,  1  Th.  Gly- 
cerin,  8  Th.  Vitium  Xereme  und  7  Th.  Spiritus  dilutus  (1 : 2)  werden  percolirt 
und  das  PercoUt  mit  Xereswein  auf  16  Th.  gebracht. 

COCCBIl.  Man  versteht  darunter  jene  Wuehsform  dor  Bacterien,  bei  welcher  die 
Zellen  eine  runde  oder  ovale  Gestalt  besitzen.  Es  bezeichnet  also  der  Ausdruck 
Coccen  nicht  etwa  eine  naturhistorische  Species  der  Bacterien,  sondern  Mos  eine 
Vegetationsfonn  derselben.  Früher  spranh  man  auch,  je  nach  der  Grösse  der  Cocceu, 
von  Mikro-,  Meso-  und  Megacoccen.  Die  Coccenform  kommt  sowohl  bei  den  arthro- 
sporen  als  endosporen  Bacterien  vor.  Sind  die  Coccen  paarweise  angeordnet,  so  nennt 
man  sie  Diploeocceu.  —  S.  Bacterien,  Bd.  II,  pag.  75.      Weich  sei  bäum. 

COCCldien,  s.  G  regarinose. 

CoCCineamentUm  =  Rothe  Carrain-Tiute,  s.  Tinte. 

Coccinella.  Der  unter  dem  Namen  Marienkäfer.  G  ot  t  esl  ä  m mc h  e  n, 

8  o  n  n  e  n  k  ä  f  c  r .  S  o  n  n  e  n  k  it  1  h  c  h  e  n  bekannte ,  zn  den  Blattlausfressern  ge- 
hörende kleine  Küfer.  Coccinella  septempunetata  L.,  welcher  l>ei  Berührung  einen 
gelblichen,  unangenehm  wie  Opium  riechenden,  reizenden  Satt,  der  in  sehr  reich- 


Digitized  by  Google 


COCCINELLA.  —  COCCIONELLA. 


185 


lieber  Menge  im  Abdomen  vorhanden  ist ,  durch  die  Bauchringe  entleert ,  diente 
früher  als  solcher,  zerquetscht  und  in  Form  einer  Tinctur,  Tinctura  Coccinellae, 
als  Süsseres  Mittel  bei  Zahn-  und  Gesichtsschmerz.  Das  durch  fast  ganz  Europa 
häutige  Insect  ist  durch  seine  fast  halbkugelige  Form  und  seine  grossen,  sehr  ge- 
wölbten, fast  kreisrunden,  den  Hinterleib  völlig  bedeckenden,  blutrothen,  an  jeder 
8eite  des  Schildehens  weissen  Flügeldecken,  welche  jederseits  drei  schwarze  Punkte 
und  ausserdem  einen  auf  dem  Berührungsrande  unter  dem  Schildchen  liegenden 
zeigen,  leicht  zu  erkennen.  Kopf,  HalsKehild,  Schildchen  und  die  platte  Unterseite, 
sowie  die  einziehbaren ,  mit  3  Tarsengliedern  versehenen  Fttsse  sind  schwarz ; 
die  vor  den  Augen  eingelenkten,  unter  den  Kopf  zurückziehbaren,  llgliederigen 
Fühler  sind  bis  auf  das  schwarze  Basalglied  und  die  dunkelbraunen  Endglieder 
rostroth.  Die  Käfer  lassen  sich  in  mit  Erde  gefüllten,  durchlöcherten  Schachteln 
über  Vj  Jahr  lebend  erhalten  und  selbst  überwintern.  Horngkg  und  Bley  wollen 
aus  Coccinella  mehrere  Harze,  Fette  und  Farbstoffe,  ausserdem  Ameisensäure,  er- 
halten haben ;  ob  letztere  als  das  scharfe  Princip  anzusehen  ist,  bleibt  indess  sehr 
fraglich.  Das  Volk  benutzt  übrigens  von  den  zahlreichen  Species  der  Gattung 
Coccinella  auch  G.  quinquepunctata,  C.  bi punctata ,  C.  ocellata,  C.  conglobata 
u.a.m.  ohne  Unterschied.  Th.  Husemann. 

Coccinella  septempunctata  (h  omöopathisch) ;  alkoholische  Tinctur  aus 
dem  Thier  gleichen  Namens  (Marienkäfer).  Nicht  zu  verwechseln  mit  Coccus 
Cacti  =  Coccionella,  Cochenille. 

Coccionella  (Cochenille).  Die  getrockneten  Weibchen  der  ursprünglich  in 
Mexico  und  dem  nördlichen  Theile  von  Südamerika  einheimischen,  auf  verschiedenen 
Cacteen,  besonders  Opuntia  coccinellifera  MM.,  0.  Tuna  MM.,  0.  elatior  MM., 
0.  decumana  ffow.  lebenden  Cochenillelaus  oder  Nopalschi  Idlaus, 
Coccus  Cacti  L.  (Hemiptera,  Fam.  Goccidae).  Dieselben  sind  ungeflügelt, 
Manroth,  reifartig  mit  einer  wachsartigen  Substanz  überzogen,  vor  der  Befruchtung 
2  mm  lang,  eirund ;  ihr  mit  kurzem  Säugrüssel ,  sehr  kleinen  Augen  und  kurzen, 
dicken,  8gliederigen,  seitwärts  gerichteten  Fühlern  versehener  Kopf  schliesst  sich 
unmittelbar  an  die  drei  Fusspaare  tragenden  Körpersegmente;  der  Hinterleib  ist 
6— 8gliederig.  Die  nicht  officinellen  Männchen  sind  nur  1.5  mm  lang,  von  etwas 
hellerer  Farbe  und  haben  1 1  gliederige  Fühler,  zwei  milchweisse  Flügel  und  zwei 
sehr  lauge  weisse  Schwanzborsten.  Nach  der  Befruchtung  schwellen  die  Weibchen 
um  mehr  als  das  Doppelte  ihres  Volumens  an ,  wobei  der  Kopf  nach  unten  ge- 
drängt wird. 

Die  Cochenille  wurde  in  Mexico  ihres  Farbstoffes  wegen  schon  vor  der  Ent- 
deckung von  Amerika  künstlich  gezüchtet,  wie  dies  auch  jetzt  noch  in  den  soge- 
nannten Nopalerien  (nach  der  als  Nopal  bezeichneten  Opuntia)  in  den  Provinzen 
Tascala  und  Oaxaca  geschieht.  Analoge  Culturen  bestehen  in  Guatemala  und 
Honduras,  sowie  auf  den  Canarischen  Inseln,  besonders  Teneriffa,  wohin  das  Insect 
aus  Amerika  gebracht  worden  ist.  In  anderen  Ländern  (Ostindien,  Java,  Spanien, 
Sfldfrankreich)  sind  diese  Culturen  jetzt  ganz  eingegangen  oder  doch  für  den  Handel 
ohne  Bedeutung.  In  den  Nopalerien  besetzt  man  nach  Ablauf  der  Regenzeit  die 
Cactuspnanzen  mit  trächtigen  Weibchen,  welche  man  auf  abgebrochenen  Nopal- 
zweigen  sorgsam  durch  Ueberdaehung  während  der  Regenzeit  aufbewahrt  hat  und 
deren  zahlreiche  Brut  nach  dem  Auskriechen  aus  den  Eiern  die  Pflanze  rasch 
Uberzieht.  Die  ausgeschlüpften  Weibchen  bohren  sich  nach  der  Befruchtung  durch 
die  der  Zahl  nach  weit  geringeren  (1  :  300)  und  bald  nach  der  Begattung  absterbenden 
Männchen  mit  ihrem  Säugrüssel  fest  und  schwellen  unter  Bildung  zahlreicher  Jungen 
an,  die  in  Mexico  und  Centralauierika  in  sechs  Wochen  ihre  Reife  erlangen.  Kurz 
vor  dem  Absetzen  der  Brut  findet  das  Einsammeln  der  Cochenille  statt,  wobei  man 
mit  Pinseln  von  Rosshaaren,  Feder  oder  Messer  die  Thiere  unter  Schonung  so  vieler, 
wie  zur  folgenden  Zucht  erforderlich  sind,  von  den  Pflanzen  entfernt  und  auf 
untergelegten  Tüchern   oder  in  irdenen  Schalen  zusammenkehrt   oder  in  Körben 


Digitized  by  Google 


186 


COCCIONELLA. 


sammelt,  dieselben  tödtet  und  trocknet.  Bei  der  öwöchentlicben  Daner  der  Gene- 
rationszeit können  in  tropischen  Ländern  5  Ernten  stattfinden,  doch  beschränkt 
sich  die  Zahl  der  Ernten  in  Mexico  in  der  Kegel  anf  drei ,  in  Teneriffa 
auf  zwei  und  im  nördlichen  Theile  dieser  Insel  selbst  nur  auf  eine.  Das  Prodnct 
der  ersten  Ernte,  die  im  Januar  oder  Februar  stattfindet  und  ausschliesslich  aus 
lebenden  neuen  Cochenillemüttern  besteht,  ist  die  am  höchsten  in  Werth  stehende 
Z  a  c  c  a  t  i  1 1  a.  Die  zweite  Ernte,  bei  der  auch  unbefruchtete  M  (Itter  mitgesämmelt 
werden,  und  namentlich  die  dritte,  wobei  auch  Häute  mitgesammelt  werden,  scheinen 
die  weniger  geschätzte  G  r  a  n  i  1 1  a  zu  liefern.  Man  tödtet  die  Thiere  entweder  durch 
Eintauchen  der  in  Körbe  gebrachten  Thiere  in  heisses  Wasser  oder  durch  Ein- 
wirkung heisser  Wasserdämpfe  oder  in  besonderen  Oefen.  Die  Art  des  Trocknens 
zeigt  grosse  Verschiedenheiten ,  wodurch ,  wie  aus  der  verschiedenen  Manier  der 
Tödtung,  Differenzen  des  Products  sich  ergeben,  die  auch  eigene  Benennungen  ver- 
anlassten, z.  ß.  Ponegridn  für  braunrothe,  an  der  Sonne  und  Luft  auf  Matten 
getrocknete  Thiere,  Jaspeada  für  die  in  eigens  dazu  erbauten  Oefen  (Tamas- 
eales)  bei  bestimmten  Hitzegraden  getrocknete,  Nigra  oder  Negrilla  für  die 
anf  Metallplatten  getrocknete  und  dadurch  schwärzlich  gewordene  Cochenille.  Im 
Handel  entspricht  die  Grana  Jaspeada  der  silbergrauen  Cochenille,  die  man 
gewöhnlich  als  das  durch  die  Prflparation  nicht  ihres  natürlichen  reifähnlichen  l'eber- 
zuges  beraubte  Inject  betrachtet.  Dieser  Ueberzug,  der  in  allen  Vertiefungen  des 
Körpers  sich  deutlich  manifestirt  und  aus  eigentümlichem  Wachs  besteht,  wird  bei 
Anwendung  grösserer  Hitze  aufgelöst,  worauf  dann  die  eigentliche  rothe  oder  bei 
Einwirkung  stärkerer  Temperatur  in's  Schwarzliehe  übergegangene  Farbe  des  Thieres 
hervortritt.  Ob  indess  die.  Farbenvarietäten  so  zu  erklären  sind,  steht  keineswegs 
vollkommen  fest;  nach  Aitken*  sind  die  silbergrauen  die  befruchteten  Weibchen,  die 
schwarzen  die  Coccusweibchen  naeh  der  Ablage  der  Eier,  während  Grauilla  die  unbe- 
fruchteten Weibchen  seien.  Die  von  den  eultivirteru  Coccus  Cactt  abstammende  Coche- 
nille wird  als  Grana  tina  motica,  Mestequ e-Coc h en  il  le,  iu  Gegensatz  zu  einer 
schlechteren  Sorte  auf  einer  anderen  Cactnsspecies  lebender  wilder  Schildläuse,  so- 
genannter Gratia  süvestre  oder  capeciane,  gesetzt,  die  jedoch  kaum  im  europäischen 
Handel  vorkommt  und  vermuthlich  von  einer  von  Cuecm  Cacti  verschiedenen,  nicht 
cultivirten  Schildlaus  abstammt.  Die  meiste  und  geschätzteste  Cochenille  ist  die 
Zaccatilla  von  Honduras,  und  zwar  die  schwarze  Sorte.  Trotz  der  Concurrenz  der 
Thonfarben  hat  die  Cochenille  noch  ein  sehr  bedeutendes  Absatzgebiet,  besonder« 
in  England,  wohin  z.  B.  von  den  Canarischen  Inseln  jährlich  2 — 'S,  oft  mehr  als 
3  Millionen  Pfund  gehen  ,  wahrend  der  ganze  Export  sich  auf  5  Millionen  und 
darüber  belauft.  Der  Export  aus  Mexico  (Veracruz)  und  Honduras,  von  wo  die 
Cochenille  in  Tonnen  von  140  Pfund  versandt  werden,  erreicht  zusammen  dieselbe 
Höbe  oder  geht  noch  darüber  hinaus ,  so  dass  die  Zahl  der  alljährlich  getödteten 
Cochenilleweibchen,  70000  auf  1  «Pfund  gerechnet,  eine  enorme  ist.  Der  Gesanimt- 
werth  der  in  Deutschland  eingeführten  Cochenille  belief  sich  1880  auf  15111000  Mark. 

Die  fast  in  allen  Pharmakopöen,  nicht  in  Germ,  und  Austr.,  officinelle  Coccio- 
nella  entspricht  den  besten  Sorten  der  Cochenille  des  Handels  (schwarze  und 
silborweisse  Zaccatilla)  und  stellt  fast  eiförmige ,  meist  gegen  5  mm  lange ,  ober- 
halb convexe ,  unterhalb  flache  oder  coneave ,  mit  vielen  parallelen  Querfurchen 
versehene,  schwarz-purpurrothe  oder  graue,  meist  mit  weisslichem  Pulver  bestreute 
Körner  dar,  die  im  Innern  mit  einer  dunkelrothen  körnigen  Masse  ganz  angefüllt 
sind  und  beim  Zerreiben  im  Porzellanmörser  ein  schön  dunkelrothes  Pulver  geben. 
Die  Coccionella  hat  einen  ganz  unbedeutenden  Geruch  und  eiuen  etwas  bitterlichen 
Geschmack  und  schwillt  beim  Maceriren  im  Wasser,  dem  sie  dabei  hochrothe  Farbe 
ertheilt,  zu  einem  kugelig-eiförmigen  Körper  an,  dessen  animalische  Xatur  schon 
durch  das  Hervortreten  der  Ringeln  und  der  drei  Fusspaare  an  der  I.'nterfläche 
sich  zu  erkennen  gibt.  Die  Zugehörigkeit  der  bei  ihrer  Einführung  in  Europa 
für  Samenkörner  gehaltenen  Droge  zum  Thierreiche  wurde  schon  1530  durch 
Acosta  dargethau. 


COOCIONELLA 


187 


Der  wesentlichste  Bestandteil  der  Cochenille  ist  der  als  Coccusroth  oder  als 
Carminsäure  bezeichnete  rothe  Farbstoff,  der  von  Wasser,  Weingeist,  Am- 
moniak ,  in  geringer  Menge  von  Aether ,  nicht  von  fetten  und  ätherischen  Oelen 
aufgenommen  wird,  nach  Hlasiwetz  ein  krystallisirbares  Glycosid,  das  beim 
Kochen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  sich  in  Zucker  und  Carminroth  spaltet. 
(Nach  ScbOtzenberger  ist  Coccusroth  ein  Gemenge  von  4  verschiedenen 
Körpern  von  differentem  O-Gehalte.)  Die  Menge  des  Farbstoffes  variirt  in  den  ein- 
zelnen  Sorten ;  die  Angabe  von  Mene,  dass  dieser  in  den  besten  Sorten  49,  in  anderen 
nur  26 — 33  Procent  ausmacht,  bezieht  sich  jedenfalls  auf  ein  sehr  unreines  Pro- 
dnet ;  Liebermann  konnte  aus  guter  Silbercochenille  nur  etwa  10  Procent  extra- 
hiren.  Ausserdem  enthält  die  Cochenille  viel  Fett,  aus  welchem  Liebekmann  (1885) 
ein  (in  der  Granilla  zu  4.2  Procent,  in  besseren  Sorten  nur  zu  0.5 — 1.5  Procent 
vorhandenes)  eigentümliches  Wachs ,  C  o  c  c  e  r  i  n ,  isolirte ,  das  beim  Verseifen 
sich  in  zwei  eigentümliche  Körper  (Coccerylsäure  und  Coecerylalkohol)  spaltet. 
Mexe  fand  bei  4  Sorten  den  Wassergehalt  4.1—8.0  und  den  Aschengehalt 
3.3—6.2.  Die  Asche  enthält  Kali,  Kalk,  Phosphorsäure  und  Chlor.  Warkkv  de 
la  Rük  will  auch  Tyrosin  in  Cochenille  gefunden  habeu. 

Abgesehen  von  der  technischen  Verwerthung  als  Farbmittel  (Carmin ,  rothe 
Tinte)  rindet  Cochenille  medicinisehe  Benutzung  als  Farbe  für  Zahnpulver  und 
Mundwasser,  selten  bei  uns  als  Specificum  gegen  Keuchhusten.  Da«  Pulvern  muss 
im  Porzellanmörser  (nach  Absieben  und  Trocknen  bei  gelinder  Wärme)  geschehen ; 
sehr  feine  Pulver  sind  wegen  des  Fettgehalte«  schwer  herstellbar. 

Die  Cochenille  ist  ihres  hohen  Preises  wegen  mannigfacher  Verfälschung  aus- 
gesetzt. Völlig  unverfälschte  Cochenille  existirt  im  englischen  Handel  nicht  f  Aitken). 
Mat  hat  selbst  künstliche  Cochenille  aus  Thon,  Fernambukabkochuug  und  Tragauth 
fabricirt,  die  beim  Eintauchen  in  heisses  Wasser  leicht  an  den  fehlenden  Ringeln 
und  Füsseu  erkannt  wird.  Noch  häufiger  hat  mau  den  Keif  auf  der  silbergrauen 
Cochenille,  den  man  früher  für  ein  Kriteriuni  der  Echtheit  ansah,  während  er  den 
besten  Honduras  fehlt,  nachgeahmt  oder  zur  Vermehrung  des  Gewichts  mit  vege- 
tabilischen oder  mineralischen  Pulvern  (Amylum,  Bleiweiss,  Bleimetall,  Zinkoxyd, 
Schwerspat  und  Graphit)  versetzt.  Man  erkeunt  diese  Verfälschungen,  die  zum  Theil 
bei  der  medieinischen  Verwendung  und  beim  Gebrauche  zum  Färben  von  Backwerk 
sehr  gesundheitsgefäbrlieh  sind,  ebenfalls  bei  Maceration  im  Wasser,  indem  sich  die-' 
selben  als  Pulver  absondern,  oder  durch  Durchschütteln  mit  Chloroform,  auf  welchem 
echte  Cochenille  schwimmt,  wührmd  verfälschte  untersinkt;  die  mineralischen  auch 
durch  Schütteln  mit  Aether,  der  den  natürlichen  Cochenilleüberzug  auflöst,  oder 
Bestimmung  des  Aschengehaltes,  der  nicht  über  6  Procent  hinausgehen  darf.  Mau 
hat  den  Grad  des  Blei-  oder  Schwerspatgehalteft  von  Cochenille  zu  12— 2o  Pro- 
cent in  einzelnen  Füllen  gefunden.  Das  alte  Verfahren  der  Fälscher,  die  Pulver 
mit  Gummilösung  zu  befestigeu,  ist  langst  aufgegeben,  man  bringt  die  durch  heisse 
Wa.«iserdämpfe  aufgequollenen  Thierc  in  eine  Trommel  mit  dem  Besehwerungs- 
mittel  und  dreht  bis  zur  völligen  Bindung  des  letzteren,  worauf  man  sie  wieder  in 
einem  warmen  Luftstrome  auf  das  ursprüngli  he  Volumen  eintrocknen  lässt,  wobei 
das  Heschwerungsmittel  in  allen  Falten  und  Knoten  Platz  findet.  Mässige  Er- 
schwerung kann  auch  durch  blosse  Einwirkung  von  Feuchtigkeit  geschehen,  was 
durch  Austrocknen  im  Wasserbade  festgestellt  werdeu  kann,  wodurch  nicht  mehr 
als  8  Procent  verloren  gehen  dürfen.  Im  Handel  scheint  auch  ihres  Farbstoffes 
theil  weise  '  durch  vorherige  Extraction  beraubte  Cochenille  vorzukommen,  welche 
ein  niedriges  speeifisches  Gewicht  besitzt  und  durch  die  Chloroformprobe  nicht  er- 
kannt werden  kann.  Man  wendet  hier  am  besten  die  Methode  von  Penny  (Oxy- 
dation des  Farbstoffes  in  alkalischer  Lösung  mit  Ferridcyankaliuni)  zur  Bestimmung 
der  Farbekraft  an ,  welche  übrigens  Controle  mit  guter  Cochenille  voraussetzt. 
Zu  derselben  digerirt  man  1.0  Üoccionella  trita  mit  5.0— 0.0  in  20  cem  destillirtem 
Wassers  gelösten  Aetzkali  1  Stunde  lang,  verdünnt  mit  Wasser  auf  lOOccm  und 
versetzt  so   lange  mit   1  Procent  wässeriger  Ferridcyankaliumlösung ,   bis  die 


188 


COCCIONELLA.  —  COCCOLOBA. 


Purpurfarbe  in  Gelbbraun  übergegangen  ist.  Branchbar,  aber  umständlicher,  ist 
das  1877  von  Löwenstein  angegebene  Verfahren  des  Titrirens  mit  Kalium- 
permanganat. 

Die  Bezeichnungen  Coocionella  und  Cochenille  werden  noch  auf  zwei  Arten 
Schildläuge  angewendet,  welche  den  gleichen  rothen  Farbstoff  einschliessen  und 
früher  ebenfalls  zu  Farbenzwecken  dienten.  Es  sind  dies  die  deutsche  oder 
polnische  Cochenille,  Goccionella  germanica  s.  polonica,  auch  Johannis- 
blut genannt,  und  die  armenische  oder  Wurzelcochenille,  auch  Coche- 
nille vom  Ararat  genannt.  Beide  gehören  der  Gattung  Porphyrophora 
an ;  die  erstere,  P.  polonica  Br.,  lebt  an  der  Wurzel  von  8cleranthus,  Herniaria, 
Hieracium  u.  A.  in  Deutschland,  Polen  und  Russland,  die  zweite,  P.  Duhamelii  Br. 
in  Armenien  auf  Poa  pungens.  Sie  sind  weit  grösser  als  Coccus  Cacti  (3  mm 
lang),  aber  von  geringerem  Handelswerthe  und  pharmaoeutisch  irrelevant. 

Tb.  Eusemann. 

CoCCObacteria  Septica  ist  eine  von  Billroth  gebrauchte  Collectivbezeichnung 
für  alle  Formen  von  Bacterien ,  die  er  bei  den  Wundinfectionakrankheiten  und 
der  Fäulniss  fand.  Billroth  hielt  nämlich  alle  die  von  ihm  untersuchten 
und  sehr  mannigfaltigen  Formen  von  Bacterien  nicht  für  verschiedene  Arten, 
sondern  blos  für  Vegetationsformen  einer  und  derselben  Species,  welcher 
er  den  Namen  Coccobacteria  septica  gab.  Weichselbau  na. 

COCCOgnidÜ  baCCa.  Ursprünglicher  Name  der  spitzei  formigen,  rothen  Beeren 
der  im  südlichen  Europa  heimischen  Daphne  Gnidium  L.  (Cocca  Gnidii).  Der 
Name  ging  später  auch  auf  die  Früchte  anderer  Daphne-Arten,  besonders  Daphne 
Mezereum  L.,  über.  Es  sind  frisch  scharlachrothe,  trocken  netzig-runzelige,  grau- 
braune oder  gelbliche  Steinfrüchte  von  Pfeffergrösse.  Nach  Th.  Haxausrk 
(Dammer's  Lex.  d.  Verfälschungen,  pag.  719)  unterscheidet  man  an  denselben  eine 
Fruchthaut ;  ein  dünnes  gelbes  Häufchen,  das  die  schwarze,  sehr  harte  Steinschale 
überzieht;  ferner  ein  ausserordentlich  zartes  Samenhäntohen,  welches  den  aus  den 
beiden  Cotyledonen  gebildeten  8amenkern  überzieht.  Das  Parenchym  der  Frncht- 
haut  besteht  aus  stark  porösen  Zellen,  die  vollständig  mit  Fett,  Aleuron,  Farbstoff 
und  je  eioem  grossen  Stärkeklumpen  erfüllt  sind.  Die  Steinschale  besteht  aus 
innig  verschmolzenen  sclerotischen  Zellen,  deren  Contouren  an  Tangentialschnitteu 
erst  nach  Aufhellung  in  Form  kreisrunder  Wülste  in  der  scheinbar  homogenen 
Grundmasse  sichtbar  werden.  Als  das  best  charakterisirende  Gewebe  bezeichnet 
Hanausek  die  Samenhaut,  deren  rundlich-polygonale,  etwas  emporgewölbte  Zellen 
eine  zarte  Netzverdickung  zeigen.  Das  Gewebe  der  Keimlappen  ist  dicht  mit 
Fett  erfüllt. 

Die  Seidelbast  fr  flehte,  auch  Kellerhalsbeereu,  deutscher  oder  Berg- 
pfeffer genannt,  enthalten  Coccognin,  das  vielleicht  mit  Daphnin  identisch  ist. 
Medicinisch  werden  sie  nicht  mehr  angewendet,  auch  nicht  zur  Fälschung  des 
Pfeffers,  wie  vielfach  angegeben  wird. 

COCCOgnill.  Casselmann  erhielt  aus  den  Früchten  von  Daphne  Mezereum  ein 
fettes  Oel,  dem  eine  scharfe  Substanz  durch  Digestion  mit  Alkohol  entzogen  wurde. 
Nach  Verseifen  des  Oeles  wurde  durch  Aether  aus  dem  Presskuchen  ein  Harz, 
durch  9.r>procentigen  Alkohol  ein  harzartiger  Körper  ausgezogen,  der  nach  Be- 
handlung mit  7 Oproeen tigern  Alkohol  aus  heissem  Alkohol  in  sternförmigen  Gruppen 
krystallisirte.  Beim  Erhitzen  schmelzen  die  KrystaHe  und  verflüchtigen  sich  bei 
vorsichtigem  Erhitzen  unzersetzt.  Diese  vom  Daphnin  verschiedene  Substanz  nennt 
Casselmann  Coccognin.  Aus  100  Th.  getrockneten  Seidelbast früchten  erhielt  er 
0.38  Th.  Coccognin.  v.  Schröder. 

COCCOloba,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Polygonaceae. 
Tropische  Holzgewächse  mit  Zwitterblüthen,  deren  Perigon  fleischig  auswichst  und 
bei  der  Reife  die  Nuss  bcerenartig  einschliesst. 


Digitized  by  Google 


COCCOLOBA.  —  COCCUM  BAPHICUM. 


189 


Coccoloba  uvifera  Jqu.,  ein  im  tropischen  Amerika  wachsender  Banm  mit 
grossen  lederigen  Blättern,  ist  die  Mutterpflanze  des  gegenwärtig  im  Handel  nicht 
wehr  vorkommenden  westindischen  oder  Jamaika-Kino. 

CoCCIllin.  E.  Schmidt  und  Lövenhardt  haben  aus  den  Kokkelskörnern  einen 
nicht  bitter  schmeckenden  Körper  isolirt,  welcher  in  feinen,  weissen  Nadeln  kry- 
stallisirt,  die  in  heissem  Wasser  nur  schwer,  in  kaltem  Wasser,  Alkohol  und  Aether 
nahezu  unlöslich  sind.  Diesem  Körper  geben  sie  den  Namen  Cocculin ,  eine  Be- 
zeichnung, die  früher  auch  für  das  Pikrotoxin  benützt  wurde.  Die  Analysen  führten 
zur  vorläufigen  Formel  C„  H26  O10.  Concentrirte  Schwefelsäure  färbt  das  Cocculin 
nur  schwach  gelb,  beim  Reiben  mit  einem  Glasstabe  verschwindet  die  Färbung. 
Die  Las gley' sehe  Salpeterreaction ,  welche  das  Pikrotoxin  und  besonders  das 
Pikrotoxinin,  scharf  kennzeichnen,  liefert  das  Cocculin  gar  nicht.  Ob  das  Cocculin 
mit  dem  Anamertin  von  Bakth  identisch  ist,  ist  noch  nicht  entschieden. 

v.  Schröder. 

COCClllUS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Menispemia- 
ceae,  deren  pharmaceutisch  wichtige  Arten  jetzt  zu  anderen  Gattungen  gezogen 
werden. 

Fructus  Cocculi  s.  Coccult  indici  s.  levantici  8.  piscatorii,  Coque  du 
Levant  (Ph.  Gall.),  Coca  de  Levante  (Ph.  Hisp.),  sind  die  als  Kockeiskörner 
bekannten  Früchte  von  Anamirta  paniculata  Colebr.  (A.  Cocculus  W.  et  A.} 
Menifipermum  Cocculus  L.),  einem  schlingenden,  grossblätterigen  Strauche,  welcher 
in  Ost-  und  Hinterindien,  auf  Ceylon  und  den  malayischen  Inseln  verbreitet  ist. 
Die  Blätter  sind  lederig,  eirund,  mit  gestutzter  oder  herzförmiger  Basis,  in  der 
Jugend  flaumig.  Von  den  älteren  Zweigen  hängen  die  grossen,  aus  vielen  kleinen 
dreizühligen,  kronenlosen  Blüthen  zusammengesetzten  diöcischen  Rispen  herab.  Der 
oberständige,  dreifächerige  Fruchtknoten  der  9  Blüthen  entwickelt  sich  zu  ge- 
stielten Steinfrüchten. 

Diese  sind  ei-  oder  niorenförmig,  10  mm  gross,  durch  den  Griffelrest  seitlich  von 
der  Stielnarbe  kurz  bespitzt,  graubraun  bis  schwarz  (frisch  purpurn),  grobrunzlig, 
dünnschalig.  Ueber  den  Rücken  zieht  die  kaum  sichtbare  Raphe.  Die  Steinschale 
stülpt  sich  an  der  Bauchseite  bis  in  die  Mitte  der  Frucht  zu  einem  Doppel- 
leisten  ein ,  an  welchem  der  einzige  Same  kuppelartig  und  kaum  ablösbar 
angewachsen  ist.  Dieser  erscheint  auf  Verticalschnitten  halbmondförmig,  an  Quer- 
schnitten ringförmig.  In  seinem  ölig-fleischigen  Endosperm  sind  die  zwei  häutigen 
Cotyledonen  des  Embryo  ausgebreitet. 

Die  Frucbtschale  ist  geruch-  und  geschmacklos,  die  Samen  schmecken  bitter 
nnd  sind  giftig. 

Erstere  enthält  die  Alkaloide  Menispermin  und  Paramenispermin, 
beide  nicht  giftig.  Der  Samenkern  enthält  neben  dem  nicht  giftigen  A na mirt in 
{%.  Bd.  I,  pag.  363)  das  stark  giftige  Picrotoxin,  früher  Cocculin  genannt, 
wflhrend  man  jetzt  unter  Cocculin  (r.  d.)  einen  anderen,  nicht  bitteren  Körper 
versteht.  Die  8amen  bestehen  zur  Hälfte  aus  Fett,  dessen  Säuren  als  KryBtall- 
gruppen  schon  unter  der  Loupe  erkennbar  sind. 

Die  Kockeiskörner  kommen  zumeist  Uber  Calcutta  und  Bombay  in  den  Handel. 
Sie  werden  zur  Darstellung  des  Picrotoxin  gebraucht  und  als  Hopfensnrrogat  und 
zum  Fischfange  missbraucht.  In  der  Medicin  werden  sie  gar  nicht  mehr  ange- 
wendet, einst  dienten  sie  oder  die  aus  ihnen  dargestellte  Tinctnr  gegen  Kopf- 
läuse und  Hautkrankheiten. 

Man  hat  schon  Vergiftuugserscheinungen  nach  2  Körnern  und  den  Tod  nach 
etwa  2.4  g  des  Pulvers  eintreten  gesehen. 

Die  antidotarische  Behandlung  erfordert  zunächst  Entfernung  des  Giftes,  so- 
dann Morphin  oder  Chloralhydrat  gegen  die  Krämpfe,  endlich  Analeptica. 


COCClim  baphiCUm,  eine  wenig  gebräuchliche  Bezeichnung  für  Kermes. 


190 


COCCUS.  —  CUCHENILLETINCTUR. 


COCCUS  (Sch  ildlaus).  Insectengattung ,  zur  Abtheilung  der  Schnabelkerfe 
(Rhynchota  s.  Hemiptera)  gehörig,  aus  der  Unterordnung  der  Pflanzenläuse  (Phy- 
tophthires)  und  der  Familie  der  Schildläuse  (Coccidae),  von  welcher  verschiedene 
Arten  durch  den  in  ihrem  Leibe  erzeugten  Farbstoff,  durch  Ausschwitzungen, 
welche  ihr  Stich  an  gewissen  Pflanzen  hervorruft,  und  durch  von  ihnen  producirte 
wachsähnliche  Substanzen  pharmaceutisches  Interesse  besitzen.  Vorzugsweise  von 
Bedeutung  sind  die  ungeflflgelten  weiblichen  Insecten,  auffällig  durch  ihre  beeren- 
artig aufgeschwollene,  randliche,  halbkugelförmige  Gestalt,  und  ihre  eigentümliche 
Lebensweise,  indem  sie  nach  der  Befruchtung  sich  mit  ihrem  Rüssel  in  das  Parenchym 
der  Pflanzen  einsenken,  auf  denen  sie  leben,  dort  ihre  Eier  unter  sich  legen  und 
auch  noch  nach  dem  Tode  wie  ein  Schutzdach  bedecken.  Die  Männchen,  die  im 
ausgebildeten  Zustande  grosso  Vorderflügel  und  verkümmerte  Hinterflügel  besitzen, 
dagegen  des  Rüssels  entbehren,  und  die  eine  vollkommene  Metamorphose  durch- 
machen ,  sind  weit  kleiner  als  die  Weibchen ,  deren  Eier  sich  bei  einigen  Schild- 
lausarten partbenogenetisch  entwickeln.  Die  neueren  Entomologen  haben  die 
LiNNK'sche  Gattung  Coccus  in  mehrere  zerlegt  und  den  Namen  nur  für  diejenigen 
Schildläuse  beibehalten,  deren  Weibchen  bestäubt  oder  bereift  sind  und  deren 
Männchen  mit  zwei  langen  Schwanzborsten  versehen  sind.  Hierher  gehört  vor 
Allem  die  wichtigste Coccusart,  die  als  Coccionella(s.  pag.  1 85)  officinelle  Coche- 
nillelaus; ausserdem  zählt  man  dahin  als  C.  manniparus  Ehrbg.  die  in  der  Um- 
gegend des  Sinai  auf  Tamarix  mnnnifera  vorkommende  und  durch  ihren  Stich 
die  Tamariskenmanna  erzeugende  Mannaschildlaus ,  ferner  als  Coccus  Lacca  Kerr. 
die  in  Ostindien  auf  verschiedenen  Pflanzen  lebende  und  das  Gummilack  (s.  Lacca) 
producirende  Gummilacksehildlaus,  als  Coccus  Ptla  Westw.  die  in  China  lebende 
Wachsschildlaus  (s.  Pela)  und  als  Coccus  Axtn  eine  ein  ähnliches  Product 
liefernde  ( s.  Axin,  Bd.  II,  pag.  64)  mexikanische  Species.  Die  Kermesschildlaus, 
Coccus  Ilicis  L.  (s.  Kermes),  wird  jetzt  zur  Gattung  Lecanium  (mit  zwei 
Schwanzborsten  und  parthenogenetischer  Entwicklung  der  Eier)  gezogen,  wovon 
auch  eine  Art  in  Australien  bei  der  Production  gewisser  Sorten  von  Eucalyptus- 
manna  betheiligt  scheint,  ebenso  die  polnische  Schildlaus  oder  deutsche  Cochenille, 
Coccus  polonicus,  während  man  die  armenische  Cochenille  zur  Gattung 
Porphyropfiora  rechnet,  zu  welchen  Gattungen  vermuthlich  auch  einzelne  der  ge- 
nannten asiatischen  und  amerikanischen  Schildläuse  gehören,  welche  bisher  nur  sehr 
nngeuau  bekannt  sind. 

In  England  ist  Coccus  die  officinelle  Benennung  für  Cochenille. 

Tl>.  Husemann. 

COCCUS  CaCtl"  (homöopathisch);  alkoholische  Tinctur  aus  CoccioneHü,  Co- 
chenille. 

CfJChenilletinCtUr  (Tinctura  Coccionellae),  wird  nach  Ph.  Germ.  ed.  alt., 
folgendermassen  bereitet :  3.0  g  gepulverter  Cochenille  werden  mit  50  cem  Spiritus 
90»  und  200  cem  Wasser  macerirt  und  filtrirt.  Die  fertige  Tinctur  ist  rothgelb 
und  wird  als  Indicator  bei  volumetrischen  Bestimmungen  benützt.  Saure  oder  neu- 
trale Flüssigkeiten  färbt  die  Cochenilletinctur  gelbroth,  alkalische  violett;  sie 
besitzt  den  Vorzug  vor  andereu  Indicatoren,  dass  die  violette  Färbung  sowohl 
durch  Aetzalkalien  als  auch  durch  Alkalicarbonate  hervorgerufen  und  ferner  durch 
freie  Kohlensäure  kaum  verändert  wird.  Sie  findet  deshalb  besonders  dann  vor- 
theilhafte  Anwendung,  wenn  Alkalicarbonate  titrirt  werden  sollen,  ebenso  stört  ein 
geringer  Gehalt  der  Nonnalkalilauge  an  Carbonat  auch  nicht.  Nicht  verwendbar 
hingegen  ist  die  Cochenilletinctur  bei  Gegenwart  von  Acetaten  und  Metallsalzen 
^besonders  Eisen-  und  Thonerdeverbindungeu),  denn  diese  wirken  störend  auf  die 
violette  Färbung  ein.  Da  durch  Einwirkung  von  SauerstofF  die  Cochenilletinctur 
allmalig  zersetzt  wird,  so  muss  dieselbe  in  gut  verschlossenen  Gefässen  aufbe- 
wahrt werden,  und  da  in  alkalischer  Flüssigkeit  die  Zersetzung  ebenfalls  stattfindet, 
die  Titration  ohne  unnöthigen  Aufenthalt  ausgeführt  werden.  —  S.  Indicatoren. 


Digitized  by  Google 


( '  OC  H  E  N'l  I  i  L  ETI  NCT  ö  K.  —  COCHLEARIA. 


191 


Cochenilletinctur  wird  in  der  Mikroskopie  als  Tinctionsmittel  bentttzt, 
vorzüglich  zum  Färben  von  Protoplasma  und  Gellnlose.  Die  wässerige  Lösung  wird 
jedoch  durch  Sehimmelvegetationen  rasch  zersetzt,  weshalb  man  ihr  zweckmässig 
etwas  Carbolsäure  zusetzt  Eine  längere  Zeit  haltbare  Lösung  bereitet  Csokor  fol- 
gendermassen :  1  g  Cochenille  wird  mit  1  g  gebranntem  Alaun  zu  einem  feinem 
Pulver  zerrieben,  mit  100  cm  destill.  Wasser  gekocht  und  auf  etwa  60  cm  eingeengt. 
Die  abgekühlte  Lösung  erhält  einen  ganz  kleinen  Zusatz  von  Carbolsäure  und  wird 
mehrmals  filtrirt.  Wenn  nach  mehreren  Monaten  die  Lösung  sich  trübt,  kann  sie 
durch  Zusatz  von  Carbolsäure  und  Filtration  wieder  geklärt  und  brauchbar  ge- 
macht werden. 

COCheilX'S  GichttinCtlir  ist  eine  verdünnte  Tinctura  teminü  Colchici. 

COChl.,  eine  auf  Recepten  vorkommende  Abkürzung  von  cochlear,  Löffel.  Ein 
Esslöffel  wird  gleich  15g,  ein  Kinderlöffel  =  10g  und  ein  Theelöffel  =  5g 
Flüssigkeit  gerechnet. 

COChlearia.  Gattung  der  Cruciferae,  Unterfamilie  Alyssineae.  Kahle  Kräuter 
mit  ganzen  oder  fiedertheiligen  Blättern.  Blüthcn  weiss,  gelb  oder  violett,  in  meist 
traubigen  Bltttbenständen ,  selten  einzeln.  Kronblätter  kurz  genagelt,  mit  ganzer 
Platte.  Filamente  gerade  oder  gekniet,  zahnlos,  zu  beiden  Seiten  der  kürzeren 
Stauhgefässe  je  eine  Drüse.  Schötchen  gedunsen ,  zuweilen  kurz  gestielt ,  Narbe 
einfach  kopiig. 

1.  Cochlear  ia  o  fficinalis  L.,  Löffelkraut,  Scharbockskraut, 
Herbe  aux  cuillers,  Scurvy  grass),  0,  mit  kantig  gestreiftem,  wenig 
beblättertem  Stengel.  Wurzelblätter  gestielt,  breit  herzförmig  oder  rundlich  nieren- 
fönnig,  am  Rande  ganz  oder  ausgeschweift,  etwas  fleischig.  Stengelblätter  sitzend, 
rundlich  oder  eiförmig,  etwas  gezähnt,  mit  herz-  oder  herzpfeilförmigem  0 runde 
stengelumfassend.  Blüthen  weiss.  Schötchen  fast  kugelig ,  5  mm  Diameter ,  auf 
1 — 2  cm  langen,  dünnen  Stielen.  Samen  oval,  rothbraun,  feinwarzig,  1 — 4  in  jedem 
Fache.  An  feuchten ,  besonders  salzhaltigen  Orten  durch  ganz  Europa  bis  zum 
höchsten  Norden  wild,  oft  in  Gärten  zum  arzneilichen  Gebrauch  cultivirt. 

Verwendung  findet  das  frische  und  das  getrocknete  blühende  Kraut  (Ph.  Austr., 
Belg.,  Gall.,  Germ.,  Graec.,  Hisp.,  Neerl.,  Russ.).  Frisch  ist  es,  besonders  ge- 
quetscht, von  schwach  senfartigem  Geruch  und  etwas  scharfem ,  salzigbitterliehem 
Gesch  mack.  Heim  Trocknen  verliert  es  den  Geruch.  10  Th.  frisches  Kraut  geben 
1  Th.  trockenes. 

Es  enthält  0.25—0.5  pro  Mille  ätherisches  Oel,  dessen  Siedepunkt  bei  159 — 160° 
liegt,  spec  Gew.  0.942.  Es  besteht  hauptsächlich  aus  dem  Isosulfocyanat  des 
secundären  Butylalkohols. 

Man  stellt  aus  dem  frischen  Kraute  den  Spirtt.  Cochleariae  dar,  ferner  dient 
es  bei  der  Herstellung  der  Syrup.  Cochleariae,  Syrup.  antiscorbutic,  dmaerva 
Cocitleariae.  • 

Wird  zuweilen  mit  der  an  denselben  Standorten  wachsenden  (nach  Ph.  Neerl. 
zulässigen),  weniger  scharfen  Coclilearia  anglica  L.  verwechselt,  die  eiförmige 
Wurzel-  und  länglich-lanzettliche  bis  herzförmige  Stengelblätter  hat.  Da  Oochlearia 
blühend  gesammelt  werden  soll ,  kann  sie  nicht  verwechselt  werden  mit  der  die- 
selben Volksnamen  führenden  Ficaria  ranuneuloides  L.,  deren  Blätter  langgestielt 
herzförmig  und  deren  Blüthen  gelb  sind. 

Die  von  Ph.  Hisp.  bevorzugte  Cocklearia  Draba  L.  wird  jetzt  zu  Lepidium 
gezogen.  Sie  ist  grösser,  stärker  behaart,  besitzt  länglich  eiförmige  Blätter,  von 
denen  die  grundständigen  ausgebuchtet,  die  stengelständigen  gezähnt  sind.  Die 
Schötchen  sind  gestielt ,  herzförmig ,  mit  fadenförmigem ,  stehenbleibendem  Griffel. 

2.  Co chlearia  Armoracia  L.  ( Nasturtium  Armoracia  Fr.),  Meer- 
rettich, Mährrettich,  Kren,  Pfefferwurzel,  franz.  Raifort,  engl. 
Horse-radish.  Wurzel  und  unterirdische  Axen  oft  Im  tief  senkrecht  hinab- 


Digitized  by  Google 


192  COCHLEARIA.  —  COCOS. 

steigend,  cylindrisch,  bis  6  cm  dick.  Stengel  Im  hoch,  ästig.  Grundständige  Blätter 
gross,  oblong,  am  Rande  gekerbt,  ho^gestielt.  Untere  Steogelblätter  fiederspaltig, 
obere  lanzettlich,  gekerbt  gesägt,  mit  verschmälertem  Grunde  sitzend.  In  fast 
ganz  Europa  an  feuchten  Orten,  doch  oft  nur  verwildert;  in  Gärten  der  Wurzel 
wegen  angebaut. 

Letztere  (Radix  Armoraciae  seu  Raphani  rusticanij  enthält  ein  ätherisches 
Oel.  welches  nach  Hubatka  mit  dem  Senföl  fast  identisch  ist.  Sie  findet  für  euli- 
narische  Zwecke  hin  und  wieder  auch  Verwendung  wie  CochUaria.      Hart  wich. 

CochlOSpermUm.  Gattung  der  Bixaceae.  Holzgewächse  oder  Halbsträucher 
mit  alternirenden,  lappigen  Blättern ,  hinfälligen  Nebenblättern  und  ansehnlichen 
Inflorescenzen  aus  fünfzähligen  Blüthen  mit  zahlreichen  freien  Staubgefässen  und 
einem  oberständigen  Fruchtknoten ,  der  sich  zu  3 — 5fächerigen ,  fachspaltigen 
Kapseln  entwickelt. 

Mehrere  Arten  gelten  in  ihrer  tropischen  Heimat  als  heilkräftig.  Von  Cochlo- 
spermum  Oossypium  DC,  einem  Baume  Ostindiens,  wird  das  K atera -Gummi, 
ein  bassorinreiches  Product,  abgeleitet. 

C0Ckl68'  antiblliOUS  PHI8  enthalten  in  der  Hauptsache  Coloquinthen,  Aloe 
und  Rhabarber. 

COCO  ist  gepulverter,  mit  Anisöl  oder  dergleichen  parfümirter  Lakritzensaft 
und  dient  als  Zusatz  zum  Trinkwasser,  welches  dann  ebenfalls  „Coco"  genannt 
wird  und  ein  im  Süden  Frankreichs  viel  consumirtes  Getränk  bildet 

COCOna,  ein  dem  Ejlerui  ähnliches,  mit  Caranna  identisches  Burseraceen- 
Harz. 

COCOS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Abtheilung  der  Palmae,  mit  mittel- 
hohem bis  sehr  hohem  Stamme,  der  mit  Blattstielresten  besetzt,  inwendig  weich 
und  schwammig  ist.  Blfithen  monöcisch.  Aeusseres  Perigon  der  männlichen  Blflthen 
dreiblätterig ,  an  der  Basis  oft  verwachsen ,  Blätter  lanzettlich ;  inneres  Perigon 
dreiblätterig,  die  Blätter  aufrecht  oder  zusammenneigend,  ebenfalls  lanzettlich. 
Sechs  Staubblätter  mit  pfriemen förmigen  Filamenten  und  fast  pfeilförmigen  Antheren. 
Perigon  der  weiblichen  Blüthe  ebenfalls  aus  2  dreiblätterigen  Kreisen  bestehend, 
die  Blätter  fast  kreisförmig.  Fruchtknoten  eiförmig  oder  abgeflacht  kugelig.  Griffel 
kurz  oder  fehlend.  Narben  3.  Steinfrucht  elliptisch  bis  stumpf  dreikantig,  mit 
dickem  faserigen  Mesocarp  und  knochenhartem ,  an  der  Basis  dreiporigem  Steine. 
Endosperni  hohl. 

Co  cos  nucifera  L.,  Cocospalme.  Stamm  bis  26  m  hoch,  etwas  gebogen, 
an  der  Basis  schwach  verdickt.  Blätter  gefiedert,  4 — 5  m  lang,  die  Fiedern  schmal 
lanzettlich,  zuge*pitzt.  Kolben  bis  2  m  lang ,  in  viele  Aeste  getheilt ,  mit  tief  ge- 
falteten Scheiden.  Steinfrucht  (C'ocosnuss)  mit  glattem  Rxocarp,  zähfaserigem  Meso- 
carp und  eiförmigem,  im  oberen  Theile  liegenden  Steine  mit  3  Längsrippen.  Endo- 
derm fleischig,  weiss,  radial  gefasert,  Embryo  klein,  am  Grunde  des  Endosperms. 

Vielleicht  in  Südost-Asien  heimisch,  jetzt  in  allen  Tropen,  doch  auf  die  Küsten, 
wo  sie  Wälder  bildet,  beschränkt.  Bringt  vom  8.  Jahre  ab,  fast  das  ganze  Jahr 
hindurch,  Früchte. 

Wohl  die  dem  Menschen  nützlichste  Pflanze,  die  in  allen  ihren  Theilen  technische 
Verwendung  findet. 

Der  Stamm  dient  in  seinen  äusseren,  sehr  dichten  Theilen  zu  Bauholz,  die 
äussersten,  rindenartigen  Partien  zum  Gerben,  die  Blätter  zum  Bedecken  der 
Hütten,  zu  Flechtarbeiten  etc.,  ihre  Mittelrippe  liefert  eine  grobe  Faser,  aus  der 
man  Besen  macht.  Das  viele  Gefässbündel  enthaltende  Mesocarp  der  Varietäten : 
Rutila,  cupuliformis,  stupposa  liefert  in  denselben  die  Cocosfaser  (s.  CoTrj. 
Die  Steinschale  des  Samens  dient  in  ihrer  Heimat  zu  Gefässen,  in  Europa 
wird  sie  zu  kleinen  Drechplerarbeiten  verwendet. 


Digitized  by  Google 


COCOS.  —  COCOSNUSSÖL. 


193 


Das  wichtigste  Product  der  Cocospalme  ist  das  Cocosnuasöl,  welches  man 
ans  dem  Endosperni  gewinnt,  indem  man  dasselbe  gleich  an  Ort  und  Stelle  ans 
den  gekochten  und  zerkleinerten  Kernen  auspresst  oder  dieselben  unter  dem 
Namen  Copra  nach  Europa  bringt,  um  sie  hier  einer  rationelleren  Bearbeitung  zu 
unterwerfen. 

Der  Cocosgummi  („Haari  tapan"  und  Taluti)  soll  von  der  Rinde  ausge- 
schieden werden.  Er  bildet  stalactitenartige  Massen  von  rothbrauner  Farbe,  welche 
70 — 90  Procent  Bassorin  enthalten. 

Aus  dem  Saft  der  Cocospalme,  wie  aus  dem  mancher  anderen  Palmen,  gewinnt 
man  Zucker  (Jaggery)  oder  bereitet  daraus  durch  Gährenlassen  ein  weiuartiges 
Getränk  (Toddy),  das,  der  Destillation  unterworfen,  Arrac  liefert;  aus  dem  unreif 
milchigen  Eudosperm,  das  frisch  kühlend  schmeckt ,  gewinnt  man  ebenfalls  durch 
Gährenlassen  etc.  einen  Branntwein.  Die  jungen  Schosse  liefern  Palmkohl. 

Cocospflaume  ist  die  essbare,  wegen  der  mandelartigen  Samen  besonders 
geschätzte  Frucht  von  Chryaobalanw  Icaco  L.  (Rosaceae,  Unterfamilie  Gkri/so- 
öalaneae),  die  in  Westindien  und  Südamerika  wild  und  cultivirt  vorkommt. 

Hartwich. 

COCOSmatlthUS,  Gattung  der  Sapotaceae.  —  öoeosmanthus  tnacropkyllus 
Eassk.  ist  ein  Guttapercha  liefernder  Baum  auf  Java. 

C0C08nU88Öl,  COCOSÖI,  COCOSblltter,  Oleum  Cocois,  Huile,  Beurre  de  coco, 
Cocoa-nut  oil,  Coco-nut  oil,  wird  aus  den  Samen  der  Cocospalme  gewonnen.  Die 
Samenkernc,  welche  den  Namen  Copra  führen,  enthalten  60 — 70  Procent  Fett, 
welches  durch  Auspressen  gewonnen  wird.  8pec.  Gew.  bei  18°:  0.9250  (Stilurell), 
bei  98—99°  (Wasser  von  15.5°  =  1),  0.868—0.874  (Allen).  Schmelzpunkt 
20—28°.  Erstarrungspunkt  15—20°.  Schmelzpunkt  der  Fettsäuren  24.6°.  Er- 
starrungspunkt der  Fettsäuren  19—22°.  Verseifungszabl  261.3  (Valenta),  250.3 
(Moore).  Reich KRT'sche  Zahl  3.70.  Jodzahl  des  Fettes:  8.9,  der  freien  Fettsäuren 
8.4 — 8.8.  Die  Cocosbutter  zeigt  uuter  dem  Mikroskop  lange,  sehr  feine  Krystall- 
nadeln  und  Büscheln  solcher. 

Cocosöl  hat  die  Consistenz  von  Butter.  Es  lässt  sich  durch  hydraulische  Pressen 
in  zwei  Antheilc,  in  bei  gewöhnlicher  Temperatur  flüssiges  Cocosnuss-OleYn  und  in 
bei  28.5°  schmelzendes  Cocosnuss-Stearin  trennen.  Es  ist  weiss  oder  gelblich,  hat 
im  frischen  Zustande  einen  charakteristischen  Geschmack  und  Geruch  nach  Cocos- 
oÜHsen  und  wird  rasch  ranzig. 

In  seiner  chemischen  Zusammensetzung  unterscheidet  sich  das  Cocosöl  von  fast 
allen  anderen  Fetten  durch  seinen  sehr  grossen  Gehalt,  an  Glyceriden  von  Fett- 
säuren von  mittlerem  Molekulargewichte,  insbesondere  an  Laurin.  Auch  sein  Ge- 
halt an  Glyceriden  der  flüchtigen  Fettsäuren  (Capronsäure,  Caprylsäure  und  Caprin- 
eäure)  wird  nur  von  dem  der  Kuhbutter  übertroffen.  Daraus  erklären  sich  die 
ungewöhnlich  hoben  Verseifungs-  und  RRJCHEBT'schen  Zahlen,  deren  Ermittlung 
somit  zur  sicheren  Erkennung  des  Cocosöles  und  zur  Prüfung  auf  seine  Reinheit 
dienen  kann.  Ausserdem  sind  im  Cocosöl  noch  Myristin,  Palmitin  und  Stearin  ent- 
halten. Die  sehr  niedrige  Jodzahl  deutet  auf  einen  nur  geringen  Olefngehalt. 

Cocosöl  besitzt  ein  ungewöhnlich  hohes  spec.  Gew.,  so  dass  Zusätze  von  anderen 
Fetten  auch  an  dem  erniedrigten  spec.  Gew.,  welches  am  besten  bei  100°  ermittelt 
wird,  erkannt  werden  könnten. 

Nur  für  den  Nachweis  einer  Beimengung  von  Palmkernöl,  welches  ganz  ähn- 
liche Eigenschaften  wie  das  Cocosöl  hat,  fehlen  bisher  die  Anhaltspunkte. 

Von  den  Anwendungen  des  Cocosöles  seien  die  Verarbeitung  des  Cocosnuss- 
Stearins  zu  Kerzen  und  der  in  Amerika  gebräuchliche  Zusatz  von  Cocosöl  zu 
Kunstbutter  erwähnt,  seine  Hauptanwendung  findet  es  aber  zur  Fabrikation  sehr 
stark  wasserhaltiger,  „gefüllter"  Seifen.  Die  Cocosölseifo  lässt  sich  nämUch  nicht 
aussalzen,  sondern  erstarrt  mit  der  ganzen  Wassermenge,  in  welcher  das  Aetznatron 
gelöst  war,  zu  einer  weissen,  harten  Masse,  welche  ausserdem  noch  das  bei  der  Ver- 

Keal-Encyclopädie  der  ges.  Pharmacie.  III.  13 


194 


COCO.SNUSSÖL.  -  CODEIN. 


seiluug  gebildete  Glyeerin  (circa  14  Procent  vom  Gewichte  des  Fettes)  onthfilt.  Zur 
Verarbeitung  des  Cocosöles  auf  Seife  bedient  man  sich  am  besten  der  sogenannten 
„kalten  Verscifung",  welche  schon  bei  70  bis  80  eintritt. 

Ein  grosser  Theil  der  Toiletteseifen  besteht  aus  parfilinirtcr  und  gefärbter 
Cocosölseife.  Ebenso  eignet  sich  diese  Seile  in  Folge  ihrer  Löslichkeit  in  Seewasser 
zu  Schiffseifen  (Marine  soap).  —  S.  Seifen. 

Cocosölseife,  Cocosseife,  s.  seifen. 

CoCOSpflaiime  ist  die  Frucht  des  im  tropischen  Amerika  heimischen  und  dort 
auch  eultivirten  CUryxobalanuii  leaco  L.f  Ronaceaej ,  eines  den  Pruneae  zunächst 
verwandten  Raumes,  ausgezeichnet  durch  ganzrandige  Mütter  und  asymmetrische 
Blüthen.  Sowohl  das  Fruchtfleisch  wie  die  mandelartigen  Samen  der  Cocospflaume 
werden  gegesseu. 

Codamin,  c^h^no,.  Eine  von  Hkssu  im  Jahre  1870  gleichzeitig  mit  dem 
Laudauin,  Lauthopiu  und  Meconidiu  im  Opium  in  sehr  geringer  Menge  (in  einem 
Falle  zu  0.0003  Procent  bestimmt)  aufgefundene  Base. 

Darstellung.  Man  fällt  den  wässerigen  Opiumauszug  durch  einen  l'eber- 
sch\iss  von  Soda  oder  Kalk,  zieht  das  Filtrat  mit  Aether  aus,  schüttelt  den  Aether 
mit  vcrdtl unter  Essigsäure  und  trügt  die  saure  Flüssigkeit  in  verdünnte  Natron- 
lauge ein.  Der  entstehende  Niederschlag  enthalt  Narcotin,  Thcbam  und  Papavcrin. 
Da»  Filtrat  von  diesem  wird  angesäuert,  mit  überschüssigem  Ammoniak  versetzt 
und  mit  Chloroform  ausgeschüttelt.  Das  Chloroform  behandelt  man  nun  mit  Essig- 
säure enthaltendem  Wasser  und  neutralisirt  genau  mit  Ammoniak,  wodurch  all 
mälig  das  Lauthopin  ausgeschieden  wird.  Das  Filtrat  wird  in  eine  möglichst 
geringe,  aber  zur  Zersetzung  des  Ammoniaksalzes  ausreichende  Menge  Kalilauge 
eingetragen.  Der  alkalischen  Flüssigkeit  wird  das  Codeiu  durch  Aether  entzogen 
und  darauf  die  übrigen  Basen  durch  Zusatz  von  Salmiak  freigemacht  und  mit 
Aether  extrahirt.  Au«  der  ätherischen  Lösung  krystnllisirt  zuerst  das  Laudauin 
und  aus  der  mit  Aether  verdünnten  und  mit  einer  Losung  vou  etwas  doppelt 
kohlensaurem  Natrium  gewaschenen  Mutterlauge  das  Codamin,  während  in  den 
nicht  mehr  krystnllisireudeu  Mutterlaugen  von  diesem  das  Meconidiu  enthalten  ist. 

Eigenschaften.  Das  <  'otlamin  bildet  grosse,  farblose  sechsseitige  Prismen, 
ist  leicht  in  Alkohol,  Aether.  Chloroform  und  Henzin  löslich. 

Von  Wasser,  Ammouiak  und  saurem  kohlensauren  Natrium  wird  es  wonig 
gelost,  Kalilauge  und  Natronlauge  lösen  es  leicht,  wenn  kein  zu  grosser  L'eber- 
schuss  angewandt  wird.  Schmelzpunkt  liegt  bei  12t»°. 

Salpetersäure  löst   es  mit  dunkelgrüner  Farbe,   Eisenehlorid  färbt  es  dunkel 
grün,  eisenoxydhaltige  Schwefelsäure  ruft  bei  20°   eine  grünlichblauc ,    bei  150'' 
eine  dunkel  violette  Färbung  hervor.  Die  Salze  siud  amorph.        h.  Beck  tut.«. 

Codein,  C,8H2lNOa  +  ILO.  Das  sich  zu  0.2—0.5,  nach  einigen  Angaben 
sogar  bis  0.75  Procent  im  Opium  rindende  Alkaloid  wurde  im  Jahre  1832  von 
Koiuqukt  entdeckt  und  nach  x<üo*:iz  (Mohnkopf)  benannt. 

Darstellung.  Das  Codein  wird  als  Nebenproduct  bei  der  Darstellung  des 
Morphins  gewonnen.  Aus  dem  nach  Guegouy's  Methode  (s.  unter  Morphin 
erhaltenen  Gemisch  von  salzsaurem  Morphin  und  salzsaurem  Codein  wird  das 
Morphin  durch  Ammouiak  gefällt.  Das  sich  aus  dem  Filtrat e  beim  Eindampfen 
ausscheidende,  mit  wenig  salzsaurem  Morphin  verunreinigte  Codeineblorhydrat  wird 
durch  Umkrystallisiren  aus  Wasser  vom  anhaftenden  Salmiak  befreit  und  sodann 
in  wässeriger  Lösung  mit  überschüssiger  concentrirter  Kalilauge  zerlegt  und  da* 
sich  Anfangs  als  zflhe  Masse  abscheidende,  später  pulverig  werdende  Alkaloid 
durch  Auflösen  in  Aether  und  Krystaltisircn  aus  demselben  gereinigt.  Grimaux 
lehrte  die  künstliche  Darstellung  des  Codeins  aus  Morphin  durch  Erhitzen  mit 
Methyl jodid  und  Natriumhydroxyd,  wonach  das  Codein  als  ein  Monomcthyläthcr 
des  Morphins  (CIT  H18  [C  H3]N  0.,)  zu  betrachten  ist. 


Digitized  by  Google 


CODEIN. 


195 


Eigenschaften.  Da«  Codein  scheidet  sich  aiiR  Aether  und  Benzol  in  kleinen 
wasserfreien  stark  glänzenden  Krystallen  ans,  aus  Wasser  und  wässerigem  Wcin- 
{rcist  krystallisirt  es  in  farblosen  durchsichtigen  Prismen  des  rhombischen  Systems, 
aus  wasserhaltigem  Aether  in  durchsichtigen  rhombischen  Oetaedern  von  oft  be- 
trächtlicher Grösse  und  dem  spec.  Gew.  1.300,  welche  ein  Molekül  Krystallwasser 
enthalten.  Die  Krystalle  verwittern  etwas  an  der  Luft,  werden  dabei  mattglänzend 
und  undurchsichtig,  verlieren  bei  120°  das  Krystallwasser  vollständig  und  schmelzen 
in  wasserfreiem  Zustande  bei  155°.  Auch  unter  kochendem  Wasser  schmelzen  sie 
unter  Verlust  ihres  Krystallwasser*  zu  farblosen  Oeltropfen ,  die  beim  Erkalten 
krystiillinisch  erstarren. 

Das  Codein  ist  geruchlos,  schmeckt  schwach  bitter,  ist  leicht  löslich  in  Wein- 
geist, Aether,  Chloroform  und  Amylalkohol,  fast  unlöslich  in  Petroleumäther. 
100  Th.  Amylalkohol  lösen  bei  gewöhnlicher  Temperatur  15.68  Tb. ,  100  Th. 
Henzol  9.6  Tb.  Codein.  In  verdünnten  .Säuren  löst  sich  da«  Codein  leicht,  in 
Ammoniak  ebenso  leicht,  wie  in  Wasser,  in  eoncentrirten  Alkalilaugen  ist  es 
unlöslich.  Es  lenkt  in  seinen  Lösungen  die  Ebene  des  polarisirten  Lichtes  nach 
links  ab,  und  zwar  beträgt  bei  15°  in  97piocentigem  Alkohol  («)  D  =  —  136.8°, 
in  80procentigem  Alkohol  (a)  D  m  —  137.75°,  in  Chloroform  bei  2  p  (a)  D  = 
—  111.5°. 

Die.  Lösungen  des  Codeins  und  seiner  Salze  werden  durch  die  allgemeinen 
Alkaloidreagentien  ,  wie  Phosphormolybdänsäure ,  Phosphorwolframsäure ,  Jod jod- 
kalium.  Kaliumwismutjodid  selbst  noch  in  sehr  verdünntem  Zustande  gefällt. 

Das  Codein  ist  stark  giftig,  in  kleinen  Dosen  wirkt  e*  ähnlich  dem  Morphin 
achlal'erregend,  nur  weit  milder.  Es  soll  einen  ruhigen  Schlaf  verursachen ,  keine 
Schwere  des  Kopfes  hinterlassen  und  die  dem  Morphin  anhaftende  verstopfende 
Wirkung  nicht  besitzen. 

In  coocentrirter  Schwefelsäure  löst  sich  das  Codein  in  der  Kälte  farblos,  beim 
Erwärmen  grün.  Erwärmt  man  das  Codein  mit  Schwefelsäure,  welche  eine  Spur 
Eisenchlorid,  Salpetersäure  oder  arsensaures  Natrium  enthält,  so  nimmt  die  Lösung 
eine  tief  blaue  Färbung  an.  Die  auf  etwa  150°  erhitzte  Lösung  des  Alkaloids  in 
Schwefelsäure  färbt  sich  nach  dein  Erkalten  auf  Znsatz  eines  Tropfens  Salpeter- 
saure  blutroth.  In  Fröhdk's  Reagens  löst  sich  das  Codein  Anfangs  mit  gelblicher, 
alsbald  in  tiefes  Grün  und  endlich  in  Königsblau  übergehender  Färbung.  Bei  ge- 
lindem Erwärmen  treten  die  gleichen  Erscheinungen,  nur  in  rascher  Aufeinander- 
folge ein.  Conceutrirte  Salpetersäure  löst  das  Codein  mit  braunrother  Farbe.  Chlor- 
was«;r  löst  farblos,  die  Lösung  färbt  sich  mit  Ammoniak  schön  braunroth. 

Salze.  Das  Codein  ist  eine  starke  Base,  welche  alkalisch  reagirt,  Ammoniak 
aus  dessen  Salzen  austreibt  und  deshalb  aus  seinen  Salzlösungen  durch  Ammoniak  nur 
nehr  schwierig  und  unvollständig  gefällt  wird.   Die  Salze  sind  meist  krystalfisirbar. 

Das  salzsaure  Codein,  CJ8H21  N0S  HCl  +  2  H2  O,  bildet  neutral  reagirende 
und  bitter  schmeckende,  sternförmig  gruppirte  Nadeln,  welche  bei  15°  in  20  Th., 
bei  l»K)°  in  weniger  als  einem  Theilc  Wasser  löslich  sind.  Die  wässerige  Lösung 
wird  durch  Alkalilange,  nicht  durch  Ammoniak  gefällt. 

Jodwasserstoffsaures  Codein,  Cl8 H„  N03  HJ  -f  H, 0 ,  bildet  lange, 
in  60  Th.  kaltem  Wasser  lösliche  Nadeln. 

Salpetersauros  Codoi  u  ,  CJ8  H9l  N()3  .  N03  H ,  entsteht  bei  Zusatz  von 
^alpetersänre  vom  spec.  Gew.  1,06  unter  Vermeidung  eines  Ueberschusses  zu  ge- 
pulvertem Codein  und  bildet  kleine,  prismatische,  in  kochendem  Wasser  leicht 
lösliche  Krystalle. 

Das  aus  seidenglänzonden,  büschelförmigen  Krystallen  bestehende  Uberchlor- 
saure  Codein  ist  in  Wasser  und  Alkohol  leicht  löslich  und  beim  Erhitzen 
explodirend. 

SehwefelsanresCodein,  (C,8  HS1  N03)2  Hs  S04  -f  5  Hs  SO.  Strahlig  gruppirte 
lange  Prismen  des  rhombischen  Systems.  In  30  Th.  kaltem  Wasser,  viel  leichter 
in  beissem  Wasser  löslich. 

*3*  3 igitiz ed  by  Google 


196 


CODE  IN. 


UnterBchwefligsaures  Codein,  (C18  H21  N03)2  Ha  Sa  Os  +  5  Ha  0,  ent- 
steht bei  der  Oxydation  einer  mit  Schwefelammonium  versetzten  alkoholischen 
Codeinlösung  an  der  Luft. 

Oxalsaures  Codein,  (C18  H21  N03)a  Ca  Ha04  +  3H,0,  bildet  kurze  Prismen 
oder  Schuppen. 

Weinsaures  Codein  bildet  meist  eine  syrupartige  Masse,  zuweilen  auch 
grosse  Krystalle. 

Pikrinsäure s  Codoin  ist  ein  schwefelgelbes  Pulver. 

Das  Platindoppelsalz,  2  (C18H21  NO,  HCl)PtCl4  +  4  Ha  0  ,  bildet  ein 
blassgelbes,  allmälig  dunkler  werdendes,  krystallinisches  Pulver  und  ist  in  siedendem 
Wasser  unter  Zersetzung  löslich. 

Das  Golddoppelsalz  bildet  einen  röfhlichbraunen,  in  Salzsäure  löslichen 
Niederschlag. 

Beim  Erhitzen  des  Codeins  mit  Aetzkali  oder  Behr  concentrirter  Kalilauge  ent- 
steht Methylamin,  Trimethylamin  und  eine  wie  Benzoesäure  sublimirende,  an  der 
Luft  sich  braun  färbende,  nicht  näher  studirte  Base.  Beim  Kochen  mit  Übermangan- 
saurem Kalium  in  alkalischer  Lösung  gibt  Codein  die  Hälfte  seines  Stickstoffes 
als  Ammouiak  aus.  Beim  Erhitzen  mit  concentrirter  Salzsäure  Über  140°  spaltet 
sich  das  Codein  in  Methylchlorid,  Wasser  und  Apomorphin,  eventuell  entsteht  als 
Zwisehenproduct  durch  blosse  Wasserabspaltung  eine  alsChlorocodid  bezeichnete 
Base  C18H,0ClNOa. 

Von  den  bislang  dargestellten  Derivaten  des  Codeins  sind  die  wichtigsten  das 
Chlorocodein  Cl8 lH20  Cl NOs ,  erhalten  aus  einer  salzsauren  Lösung  des  Codeins 
und  chlorsaurem  Kalium  ;MonobromcodeinC18  H20  Br  N08,  aus  Codein  und  Brom- 
wasser :  T  r  i  b  r  o  m  c  o  d  e  i  n  C,8  Hi8  Br3  N03  aus  bromwasserstoffsaurem  Monobrom- 
codein  und  Brom  in  wässeriger  Lösung ;  Nitrocodein  C,8  H30  (N02)  N0S  durch 
Eintragen  von  gepulvertem  Codein  in  erwärmte  Salpetersäure  dargestellt.  Beim  Erhitzen 
von  Codein  mit  Aethy^jodid  und  Alkohol  auf  100°  entsteht  Aethylcodeinjodid 
C,8  H7,  N03  .  C2  Hr,  Jt  seidenglänzende,  leicht  lösliche  Nadeln,  beim  Erhitzen  mit 
Methyl jodid  Methylcodeinjodid  Cl8  H3,  N03  .  CH3  J ,  welche  Verbindungen 
durch  Silberoxyd  nicht  in  Methylcodeinhydroxyd  und  Aethylcodeinhydroxyd,  sondern 
in  um  ein  H20  ärmere  tertiäre  Basen  in  Methocodeiu  C18HaoCH8NOs  und 
in  Aethocodein  C18  H20  (C^  H(,)N0S  umgewandelt  werden. 

Durch  Behandeln  von  Codein  mit  einem  Oemenge  von  Phosphorpentachlorid 
und  Phosphoroxychlorid  wurde  Codeylchlorid,  C^HjoClNO*,  in  farblosen, 
perlmutterglänzenden  Blättern,  welche  bei  147 — 148°  schmelzen,  erhalten,  woraus 
man  schliessen  kann,  dass  in  dem  Codein  nur  eine  Hydroxylgruppe  enthalten  ist. 
Bei  intensiver  Einwirkung  von  Phosphorpentachlorid,  nämlich,  wenn  man  dieses 
gemengt  mit  Codein  rasch  in  Phosphoroxychlorid  einträgt  und  die  Körper  unter 
Vermeidung  einer  höheren  Temperatur  bei  60 — 70°  einwirken  lässt,  erhält  man 
Chlorocodeylchlorid,  C18 H19  Cl2 NO,,,  diamautglänzeude  Prismen,  welche  bei 
196— 197<»  schmelzen.  Bro mcodeylchlorid,  Cl8  H19  Br C1N02,  entsteht  aus 
Broracodein  und  einem  Gemenge  von  Phosphorpentachlorid  und  Phosphoroxychlorid. 
Es  bildet  derbe  farblose  Prismen,  welche  bei  131°  schmelzen.  Aus  Codein  und 
Essigsäure ,  Buttersäure  etc.  sind  Acetylcodein  Cl8  H20 (C2 H8  0) NOs ,  B u t y- 
rylcodein  CI8 H20 (C4 H7  0) N08 ,  Benzoy leodein ,  Succinylcodein  etc. 
dargestellt  worden.  Während  beim  Erhitzen  mit  Salzsäure  Chlorocodid  (s.  oben), 
später  Apomorphin  entsteht,  bewirkt  das  Erhitzen  des  Codeins  mit  Bromwasser- 
stoff Bildung  von  Bromocodid  CJ8H20BrNO2,  Desoxycodein  C,8  H2l  NOa 
und  Bromtetracodein  (CM4  H166  Br2 N8 024)  (Wright)  ,  und  Einwirkung  von 
mässig  concentrirter  Schwefelsäure  Bildung  von  Codenin  C18  H21 N0S  (nach 
Wright  „Di codein"  =  C72H81N40|2)  und  bei  fortgesetzter  Einwirkung  von 
Schwefelsäure  auf  Codein  Bildung  von  Coden  icin  C18H3tN03  (nach  Wright 
Tricodein  C10HHiaoN0  OJ. 

Digitized  by  Googl 


CODEIN.  —  COENURUS. 


197 


Prüfung.  Das  Codein  muss  verglühen  ohne  eine  Spur  Asche  zu  hinterlassen 
und  frei  von  mehr  als  Spuren  Morphin  sein. 

Die  Aufbewahrung  des  Codeins  geschieht  unter  den  stark  wirkenden 
Arzneimitteln. 

Maximaleinzelgabe  =  0.05,  Maximaltagesgabe  =  0.2.  H.  Becknrts. 

Codeinum  hydrochloricum,  .  unter  Codein. 

Codi 3.  =  Captta  Papaverts. 

CodÖl  ist  eine  bestimmte  Sorte  Harzöl,  Cod-oil  (richtiger  Cod-Liver-oil) 
dagegen  ist  Leberthran. 

Coefficient  heisst  in  mathematischen  Ausdrücken  jede  unveränderliche  oder 
gegebene  Grösse,  welche  mit  anderen,  die  einer  Veränderung  fähig  oder  unbe- 
kannt aind,  als  Factor  (durch  Multiplication)  verbunden  ist.  Genau  in  diesem 
8inne  bezeichnet  man  auch  in  manchen  physikalischen  Formeln,  die  nur  eine 
solche  nicht  willkürlich  veränderliche  Grösse  enthalten,  diese  Grösse  als  Coefficient 
der  Formel,  wobei  man  noch  durch  HinzufUgung  eines  Wortes  die  Formel  näher 
bezeichnet,  auf  die  er  sich  bezieht. 

Die  am  häufigsten  gebrauchten  Ausdrücke  dieser  Art  sind:  Ausdehnungs-, 
Brechungs-,  Elasticitäts-,  Reibungs-Coöfficient.  Pitsch. 

CÖlestin  ist  der  natürlich  vorkommende  schwefelsaure  Strontian.  Er  kommt 
entweder  in  säulenförmigen  oder  tafelförmigen  Krystallen  des  rhombischen  Systemes 
vor,  oder  faserig,  feinkörnig  bis  dicht.  Seine  Farbe  ist  meist  blau  {coelestis,  himmel- 
blau) oder  woiss.  Er  findet  sich  sehr  schön  in  Deutschland,  z.  B.  in  der  Nähe  von 
Ratibor  und  in  faserigen  Zwischenlagern  von  blauer  Färbung  im  Muschelkalk  von 
Dornburg.  Er  wird  als  Hauptmaterial  zur  Bereitung  der  Strontianpräparate  ver- 
wendet. 

Colin,  s.  Coeruleum,  pag.  199. 

CoelOSphaerium,  eine  Spaltpilzf  onn  aus  cylindrisch  keilförmigen  Zellen, 
welche  zu  einschichtigen  Schleimgruppen  vereinigt  sind. 

Coenurinum  ovium  (isopathisch) ;  der  Drehwurm  der  Schafe  (Coenti- 
rus  cerebralia  R.)  in  Verreibung  mit  Milchzucker. 

CoenurUS  ist  eine  früher  als  Gattung  der  Blasenwürmer  (CysticaJ  aufgefasste, 

jetzt  als  eine  Entwicklungsform 
im  Generationswechsel  der  Üesto- 
den  erkannte  Bildung,  welche  da- 
durch charakterisirt  ist,  dass  auf 
einer  oft  bis  htihnereigrossen 
Blase  mehrere  Bandwurmköpfe 
sitzen. 

Coeiiurus  cerebralisR., 
Dr eh  wurm,   Quese,  lebt  im 
.  Gehirn    und    Rückenmark  des 
Schafes  und  erzeugt  bei  diesen 


Fig.  2.1. 


£.  30. 


Hin  Stückchen  der  Blase 
des    Cotnurut  eerebrolit 

vergr.  (nach  Schmarda). 

Jüngere  nnd  ältere  Knospe.  Thieren  die  Drehkrankheit.  Der 

zugehörige  Bandwurm  ist  Taenin 
coejiurua  Küchenm. ,  welcher  im  Darmcanal  des  Hundes 
und  des  Wolfes  lebt.    Das  Gehirn   drehkranker  Schafe 
wird  aus  Unkenntniss  oft  den  Hunden  vorgeworfen;  diese  BchmltiS 'mt.  GrSsS 
inficiren   sich    mit  Toenia    coenurvs ,    und    wenn    die  Die  einzelnen  Knospen  als 
Excremente  solcher  Hunde  und  mit  ihnen  die  Eier  ihres 


kleine  Körner. 


Bandwurmes  auf  Schafweiden  gelangen,  inficiren  die  Schafe  sich  wieder  mit  Dreh- 


Digitized  by  Google 


198  COERCIBEL.  -  COERULEINSCHWEFELSÄURE. 

CoerCibel  nannte  man  diejenigen  Gase,  im  Gegensatz  zu  den  permanenten 
(nicht  verdiehtbaren),  welche  sich  verdichten  Hessen.  Bis  vor  einigen  Jahren  zahlten 
zu  den  permanenten  Gasen  noch  Wasserstoff,  Hauerstoff,  Stickstoff.  Mittlerweile  ist 
auch  die  Verdichtung  jener  geuannten  durch  hohen  Druck  und  Kälte  gelungen. 

Coeruleamentum,  8.  Tinten. 

Coenileill,  C20  Hfl  Os.  Das  Material  zur  Darstellung  des  Coeruleins  bildet  ein 
zu  den  Phtaleinen  gehöriger  Farbstoff,  das  G  a  1 1  e  i  u. 

Man  erhält  das  letztere  durch  Erhitzen  von  Phtalsäureanhydrid  mit  Pyrogallol 
auf  100 — 200°.  Die  erkaltete  Masse  wird  mit  Wasser  ausgekocht,  der  Rückstand 
in  Soda  gelöst,  abfiltrirt  und  mit  einer  Säure  ausgefällt.  Die  Bildung  des  Gallems 
geht  unter  Wasseraustritt  und  gleichzeitiger  Oxydation  nach  folgender  Gleichung 
vor  sich: 


JOH 


Co  H,  J*L>0  +  2  V,  H,  |OH  +  0  =  C 

-tu  lOH 
Phtalsäure-  Pyrogallol 
anhydrid 


C  H  l°H 


o/  +  3H30 
OH 


C*H4.CO 

! 

0 


Galleiu 

Reines  G  a  1 1  e  i  n  besteht  aus  grünglänzenden  Kystallcn,  welche  sich  sehr  schwer 
in  Wasser,  leicht  in  Alkohol  lösen.  Es  löst  sich  in  Alkalien  mit  blauer,  in  Am- 
moniak mit  violetter  Farbe  und  gibt  violette  Farblacke. 

Es  hat  in  der  Kattundruckerei  vorübergehende  Anwendung  gefunden. 

Erhitzt  man  1  Th.  Gallein  mit  20  Th.  englischer  Schwefelsäure,  so  bildet  sich 
eine  grüne  Lösung,  die,  nach  dem  Erkalten  iu  Wasser  eingegossen,  einen  schwarzen 
Niederschlag  gibt: 

<m  H10O7—  H20  =  Cs„  H80, 
Galleui  Coerulein 

Das  Coerulein  kommt  ebenso  wie  das  Gallein  iu  Pastenform  iu  den  Handel. 
Es  Inst  sich  in  Alkalien  mit  grüner  Farbe  und  gibt  mit  Metalloxydeu  sehr  be- 
ständige Lacke.  Mit  Natriumbisulfit  (H  Na  SU,)  vereinigt  sich  reines  Coerulein  zu 
einer  in  Wasser  löslichen  farblosen  Doppelverbindung,  welche  in  unreiner  Form  unter 
dem  Namen  Coerulein  S.  in  den  Handel  kommt. 

Dieser  Farbstoff  wird  fast  ausschliesslich  zum  Bedrucken  von  Baumwolle  ver- 
wendet, wobei  man  ihn  mit  essigsaurem  Chrom  aufdruckt  und  durch  Dämpfen 
fixirt.  In  der  Hitze  des  Dampfraumes  zersetzt  sich  das  Coeruleinsufit ;  der  in  sehr 
fein  vertheiltem  Zustande  ausgeschiedene  Farbstoff  wirkt  auf  das  Chromacetat  ein, 
indem  er  sich  mit  dem  C'hromoxyd  zu  einem  grünen  Lack  verbindet  und  Essig- 
säure austreibt.  Die  auf  diese  Weise  erzielte  Färbung  ist  angenehm  olivengrün 
und  sehr  echt. 

Pas  Coerulein  hat  somit  in  seinem  Verhalten  gegeu  Beizen  grosse  Aehnlichkeit 
mit  den  Autbraeeufarbstoffeu,  denen  es  auch  nach  Buchka,  welcher  seine  Formel 
vom  Phenylanthracen  ableitet,  zugezählt  werden  soll. 

Zur  Erkeuuung  von  Coerulein  auf  Baumwolleugeweben  erwärmt  man  eine  Zeug- 
probe mit  saurer  Zinnchlorürlösung,  wodurch  die  Färbung  in  Braunroth  übergeht. 
Beim  anhaltendem  Waschen  mit  Wasser  oder  Eintauchen  in  verdünnte  Chlor  kalk- 
lösung  stellt  sich  die  ursprüngliche  grüne  Farbe  wieder  her. 

Coerulein  wird  auch  der  blaugefärbte  Bestandteil  einiger  ätherischer  Oele 
genannt,  s.  Azuleu,  Bd.  II,  pag.  72.  Benedikt. 

CoeruleinSChwefelsäure  =  Indigoschwefelsäure,  s.  Indigo. 


Digitized  by  Googl 


COERULEUM.  —  COFFKIDIN. 


199 


Coeruleum  (tun in),  eine  blaue  Mineralfarbe,  im  Wesentlichen  aus  zinnsaurem 
Kobaltoxydul  und  Gyps  bestehend. 

Coemlignon,  (\ü  Uu.  <>,. ,  ist  der  Tetrametbyläther  eines  Phenols  von  der 
Formel  Ci2  H10  06.  Es  bildet  sich  beim  Behandeln  einer  essigsauren  Losung  von 
Pyrogalloldimctbyläther  mit  Kaliumdichromat.  Man  stellt  es  dar  durch  Versetzen  von 
roher  Holzepsigsflure  mit  Kaliumdichromat.  Das  nach  einigeu  Tagen  ausgeschiedene 
Coemlignon  löst  man  in  nicht  über  30°  warmem  Benzol  und  fallt  die  filtrirte 
Losung  mit  Alkohol.  Ks  bildet  dunkel  stahlblaue  Nadeln,  welche  in  den  meisteu 
Lösungsmitteln  unlöslich  sind;  im  Phenol  ist  es  löslich,  in  Schwefelsflure  löst  es 
sich  mit  intensiv  kornblumenblauer  Farbe.  Oanswindt. 

Coerulinschwefel säure,  i n d i g od i  s  u  l  f  o  n  sä  u  r  e,  Cie  Hs  Na  Oa  (S0.{  H)3, 

bildet  als  Natriumsalz  den  sogenannten  Indigoearmin,  der  in  Teigform  im  Handel 
vorkommt.  Zur  Darstellung  der  Coerulinschwefelsäure  wird  Indigo  in  rauchender 
Schwefelsaure  gelöst,  durch  Zusatz  von  Wasser  die  Indigomonosulfonsäure  ausge- 
füllt und  die  Indigodisulf'onsäure  auf  eingelegter  Wolle  niedergeschlagen,  aus  der 
sie  durch  Ammoniumcarbonat  extrahirt  wird.  —  S.  Indigo. 

Coflfea,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Lnterfamilic  der  Rttbiaceae.  Holz- 
gewflchse  mit  ganzrandigen  Blattern  und  Nebenblättern,  weissen  Zwitterblüthen,  die 
sich  zu  zweisamigen  Steinfrüchten  entwickeln.  Von  den  ungefähr  25  im  tropischen 
Afrika,  zum  geringeren  Theile  in  Asieu  (C.  bengalmsix  Rxb.)  und  in  Südamerika 
(C.  racemosd  Lour.)  heimischen  Arten  behauptet  blos  Coffea  arnbica  L.  als  Mutter- 
pflanze eines  internationalen  Genussinittels  einen  hervorragenden  Plate;  ihr  zu- 
nächst, aber  doch  durch  eine  breite  Kluft  von  ihr  getrennt,  steht  Coffea  liberica 
lliem.,  welche  erst  seit  1871  eine  <  'ulturpflanze  geworden  ist,  und  dieser  schliesat 
sich  in  neuester  Zeit  ('offen  stenophylla  Don.  an. 

('offen  arabica  L.  ist  ein  kleiner  Baum  mit  grussen,  lederigeu ,  kahlen,  zu- 
gespitzten, kurzgestielten  Blattern  und  ei  deltaförmigen ,  pfriemlich  zugespitzten 
Nebenblättern.  Die  fünfzähligen  Blüthen  stehen  in  den  Blattachseln  zu  3—7  ge- 
büscbclt.  Die  Anfangs  grünen ,  dann  durch  roth  in  violett  übergehenden  Stein- 
früchte mit  süssem  Fruchtfleische  sind  oval,  bis  15  mm  lang  und  etwa  halb  so 
breit ,  bekrönt ,  trocken  der  Länge  nach  gofurcht.  Eine  pergamentartige  Stein- 
schale  umgibt  die  dünnhäutigen  Samen,  welche  mit  ihren  beiden  Rändern  derart 
eingerollt  sind,  dass  der  eine  Rand  den  anderen  Überdeckt.  In  der  so  outstehendeu 
Forche  sitzt  der  im  Verhältniss  zum  Endogperm  kleine  Embryo. 

Die  Heimat  dieser  Art  ist  Afrika  (Abessinien,  der  Sudan,  die  Küste  von  Guinea 
und  Mozambique).  In  sagenhafter  Zeit  wurde  sie  nach  Arabien  verpflanzt  und 
von  hier  verbreitete  sich  ihr  Anbau  Über  den  ganzen  tropischen  und  subtropischen 
Gürtel  der  Erde.  Die  gegenwärtigen  Grenzen  ihrer  Oultur  sind  in  Afrika  der 
12.  (in  Senegambieu  der  17.),  in  Asien  und  Amerika  der  26.  nördliche  Parallel- 
kreis Die  südlichen  Grenzen  sind  in  Westafrika  der  13.,  au  der  Ostküste  von 
Afrika  der  30.,  an  der  Ostküste  von  Amerika  der  25.,  an  der  Westküste  der 
5.  Parallel,  in  der  Südsee  die  Fidschi-Samoa-Hawai-Inaeln  und  Neu-Caledonien. 

Coffea  liben'ca  Hiern.  hat  6 — Ozählige,  karg  bebüschelte  Bltithen  und  kugelige 
Früchte  mit  faserigem  Fleische,  welche  bei  der  Reife  nicht  abfallen.  C.  steno- 
phylla  Don.  ist  ihr  ähnlich,  aber  reichblütbiger  und  grossfrüchtiger. 

Die  Kaffeebohnen  haben  nur  soweit  pbarmaceutisches  Interesse,  als  sie  der 
wichtigste  Rohstoff  der  C  off  eTn  -  Fabrikation  sind.  Der  Cod.  med.  und  die  Un. 
8t.  Ph.  haben  Seinen  Coffeae  aufgenommen,  während  sonst  nur  das  CoffeYu 
(s.  d.)  offieinell  ist.  —  S.  auch  Kaffee.  J.  Moellor. 

CotTeidill,  C7H,,N40.  Entsteht  beim  längeren  Kochen  von  Coffein  mit  Baryt- 
wasscr  unter  Abspaltung  von  C0S  nach  der  Gleichung: 

Cö  H,o  N,  0,  +  H2  0  =  C7  H1S  N4  0  +  COa 
Coffein  Coffeidin 


COFFEIDIN.  —  COFFEIN. 


Zur  Darstellung  des  Coffeidins  kocht  man  1  Tb.  Coffein  mit  10  Th.  krystalli- 
sirtcm  Barythydrat  bis  zur  starken  Ammoniak-  und  Methylaminentwicklung.  Nach 
Abscheidung  des  überschüssigen  Barythydrates  mit  verdünnter  Schwefelsäure  und 
Eindampfen  der  schwach  sauren  Lösung  zum  dünnen  Syrup  scheidet  sich  das 
schwefelsaure  Coffeidin  allmälig  in  dicken  Krystallnadeln  aus,  die  durch  Umkry- 
stallisiren  ans  verdünntem  Alkohol  zu  reinigen  sind.  Das  schwefelsaure  Coffeidin 
bildet  farblose  lange  Nadeln,  ist  in  Wasser  leicht  löslich  und  von  saurer  Reaction. 
Mit  Ammoniak  oder  Kalilauge  gibt  es  keinen  Niederschlag.  Setzt  man  aber  ein 
Stückchen  festes  Aetzkali  zu  der  wässerigen  Lösung  des  Salzes,  so  scheidet  sich 
das  Coffeidin  in  ölartigen  Tropfen  auf  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  aus.  Das 
Coffeidin  ist  in  Wasser,  Alkohol  und  Chloroform  sehr  leicht,  in  Aether  nur  wenig 
löslich  und  reagirt  stark  alkalisch.  Es  ist  nicht  unzersetzt  destillirbar.  Das  salz- 
saure Coffeidin,  C7  H1S  N4  0  .  Cl  H,  krystallisirt  in  farblosen,  leichtlöslichen  nadei- 
förmigen Kry stallen.  Das  Platinchloridcoffeidin  bildet  grosse,  orangegelbe,  nadei- 
förmige Krystalle,  die  2  oder  4  Mol.  Krystallwasser  enthalten.  Das  freie  Coffeidin 
vereinigt  sich  schon  in  der  Kälte  mit  Jodäthyl  zu  jodwasserstoffaaurem  Aethyl- 
coffeidin.  v.  Schröder. 

Coffein,  C8  Hl0  N,  0,  4-  H,  0.  Synonym:  Caffein,  Thein,  Guaranin.  Vor- 
kommen. In  der  Frucht  und  den  Blättern  des  Kaffeebaumes  (Goffea  arabica), 
im  Tbee  (Blätter  und  Blüthen  von  Thea  chinensix),  im  Paraguaythee  (den 
Blättern  und  Zweigen  von  7/«r  paraguayemis) ,  in  der  Guarana  (dem  getrock- 
neten Fruchtmus  von  l'aulinia  horbilis) ,  ferner  in  den  Kola-  oder  Gorunflssen 
(den  im  westlichen  Centraiafrika  im  frischen  Zustande  als  Nahrung»-  und  Arznei- 
mittel verwendeten  Samen  von  Cola  acuminata).  —  Nach  Stenhousk  enthielten 
verschiedene  Proben  von  Kaffeebohnen  0.5 — 1  Procent  Coffein,  Kaffeeblätter  von 
Sumatra  1.15 — 1.25  Procent,  Theeblätter  2 — 2.1  Procent,  Paraguaytheo  1.1  bis 
1.2  Procent,  Guarana  5.07  Procent.  Durch  das  Rösten  der  Kaffeebohnen  geht 
nur  ein  Theil  des  Coffeins  verloren.  So  wurden  z.  B.  aus  den  rohen  Bohnen 
0.75  Procent,  nach  deren  Röstung  0.4  Procent  Coffein  erhalten.  Die  schlechteren 
Theesorten  enthalten  oft  mehr  Coffein,  wie  die  theureren,  wohlriechenden. 

Darstellung.  1.  Aus  Kaffeebohnen.  Nach  Robiqukt  digerirt  man  den  kalten, 
wässerigen  Anszug  der  rohen  Kaffeebohnen  mit  Magnesia,  dampft  das  Filtrat  ab 
und  reinigt  das  herauskrystallisirende  Coffein  durch  Umkrystallisiren  aus  Wasser 
oder  Alkohol.  —  Pelletier  zog  das  alkoholische  Extract  der  rohen  Bohnen  mit 
Wasser  aus,  erhitzte  die  vom  Fett  getrennte  wässerige  Lösung  mit  Magnesia, 
brachte  das  Filtrat  zur  Trockne,  erschöpfte  den  Rückstand  mit  Alkohol,  aus  welchem 
nach  Behandeln  mit  Thierkohle  und  hinreichender  Concentration  das  Coffein  beim 
Erkalten  auskrystalUsirt.  —  Rünge  fällt  den  kalten  wässerigen  Auszug  der  Bohnen 
mit  Bleizucker  und  Bleiessig,  entfernt  aus  dem  Filtrat  das  Blei  durch  Schwefel- 
wasserstoff, dampft  zur  Trockne  und  extrahirt  das  Coffein  aus  dem  Rückstand  mit 
Alkohol.  —  Verswann  verwandelt  2  Pfund  Aetzkalk  durch  Besprengen  mit  Wasser 
in  Kalkhydrat  und  mengt  dasselbe  mit  10  Pfund  gepulvertem  Kaffee.  Das  Gemenge 
wird  im  Verdrängungsapparat  mit  Weingeist  von  *0°  (Richter)  bis  zur  Coffein- 
freiheit  extrahirt.  Die  alkoholischen  Auszüge  unterwirft  er  der  Destillation,  spült 
den  Rückstand  in  der  Destillirblasc  mit  warmem  Wasser  gut  aus  und  trennt  das 
ausgeschiedene  Oel  von  der  daruuterstehenden  Flüssigkeit.  Diese  dampft  er  ab, 
bis  sie  in  der  Kälte  zu  einer  krystallinisehen  Masse  erstarrt,  welche  er  von  der 
Flüssigkeit,  die  noch  etwas  rohes  Coffein  beim  Concentriren  liefert,  trennt.  Alle« 
rohe  Coffein  wird  durch  Pressen  zwischen  Fliesspapier  von  anhängendem  Oel  mog 
liehst  befreit  und  aus  Wasser  unter  Anwendung  von  Thierkohle  umkrystallisirt.  — 
Nach  Vogel  werden  gepulverte  Kaffeebohnen  mit  käuflichem  Benzol  erschöpft.  Die 
Benzollösung  wird  abgedampft  und  (1er  Rtlckstaud  mit  heissem  Wasser  geschüttelt, 
worin  sich  das  Coffein  unter  Zurücklassung  des  Oeles  löst.  Die  wässerige  Coffein- 
lösung  wird  durch  Einengen  zur  Krystallisation  gebracht.  2.  Ans  Theeblättern  lässt 
sich  Coffein  nach  den  nämlichen  Methoden  gewinnen,  ebenso  aus  Guarana. 


COFFEIN. 


Eigenschaften.  Coffein  krystallisirt  in  schneeweissen ,  langen  seidenartigen 
Nadeln  von  1.23  spec.  Gew.;  es  ist  geruchlos,  schmeckt  wenig  bitter;  krystalli- 
sirtes  Coffein  löst  sich  wenig  in  kaltem  (1  Th.  in  circa  95  Th.),  reichlich  aber  in 
kochendem  Wasser,  so  dass  die  heiss  gesättigte  Lösung  beim  Erkalten  zu  einem 
Krystallbrei  erstarrt.  Es  löst  sich  wenig  in  kaltem  (1  Th.  in  160  Th.),  leichter  in 
kochendem  Alkohol ;  weniger  als  in  Wasser  und  Alkohol  ist  es  in  Aether  löslich ; 
in  Schwefelkohlenstoff,  Benzol  und  Chloroform  ist  es  leicht  löslich.  Das  aus  Wasser 
krystallisirte  Coffein  enthalt  1  Atom  H20,  welches  erst  Aber  120°  vollständig 
entweicht ,  wobei  die  Krystalle  matt  und  leicht  zerreiblieh  werden ;  sie  schmelzen 
dann  bei  178°  zu  einer  farblosen  Flüssigkeit  und  sablimiren,  wenn  sie  rein  sind, 
bei  vorsichtigem  Erhitzen  vollständig  bei  184°  in  feinen  Nadeln;  es  siedet  bei 
384 '  unter  theilweiser  Zersetzung.  Seine  Reaction  ist  neutral.  Bei  der  Einwirkung 
von  Chlor  auf  in  Wasser  suspendirtes  Coffein  entsteht  zuerst  Chlorcoffein ,  dann 
erfolgt  Spaltung  in  Dimetbylalloxan  und  Methylharnstoff.  Das  Dimethylalloxan  zer- 
fallt dann  weiter  in  Chlorcyan,  Methylamin,  Anialinsäure  und  Cholestrophan. 

Aehnlich  wirkt  Salpetersäure.  Erhitzt  man  Coffein  mit  Brom  auf  100°,  so  ent- 
stehen Bromcoffein,  Amalinsäure  und  Cholestrophan,  während  Brom  in  der  Kälte 
nur  ein  unbeständiges  Additionsproduct  liefert.  Beim  Kochen  mit  Baryt  oder 
alkoholischem  Kali  zerfällt  Coffein  zunächst  in  CO,  und  Coffeidin  und  dann  in 
CO* ,  NH3 ,  Methylamin ,  Ameisensäure  und  Sarkosia.  Conoentrirte  Salzsäure  ist 
bei  200°  ohne  Wirkung,  bei  240—250'  entstehen  COa ,  Ammoniak,  Methyl- 
amin etc. 

Salze.  Nach  E.  Schmidt  und  Biedermann  erhält  man  einheitliche  Coffeinsalze 
nur  dann ,  wenn  man  mit  concentrirten  Säuren  arbeitet;  schon  durch  Wasser, 
Alkohol  und  Aether  werden  diese  Salze  zersetzt.  —  Salzsaures  Coffein,  Cö  H10  N4  Oa, 
Cl  H  +  2  H2  0,  besteht  aus  farblosen  prismatischen  Krystallen,  die  einen  Theil  der 
iSäure  schon  beim  Liegen  an  der  Luft  verlieren.  —  Das  bromwasserstoffsaure  Salz 
bildet  farblose  Krystalle,  C8  Hl0  N,  0,  Br  H  +  2  H,  0.  —  C„  Hl0  N4  0,,  HNOs  •+  H3  0, 
gelbliche,  dicke,  nadeiförmige  Krystalle.  —  CA  Hl0  Nt  0„  H,S04  besteht  aus  glän- 
zenden Nadeln,  die  manchmal  ein  Mol.  H,  0  enthalten.  —  Auch  Verbindungen  des 
Coffeins  mit  organischen  Säuren  sind  dargestellt,  so  das  essigsaure,  norraalbutter- 
saure  und  isovaleriansaure  Coffein.  Das  citronensaure  Coffein  lässt  sich  nicht  dar- 
stellen ;  das  als  solches  noch  in  manchen  Preiscouranten  aufgeführte  ist  ein  Gemenge 
von  Citronensäure  und  Coffein.  —  (C^  HI0  N4  02,  C1H),  -f  PtClt,  kleine  pomeranzen- 
gelbe Krystalle,  die  sieh  in  20  Th.  kaltem  Wasser  und  50  Th.  Weingeist  lösen. 
—  C8  Hl0  N4  04  Cl  II,  Au  CI8 ,  schön  citronengelber  Krystallbrei,  welcher  nach 
Lösung  in  Weingeist  in  langen  gelben  Nadeln  anschienst,  aber  in  warmer  wässeriger 
Lösung  allmälig  Gold  abscheidet.  —  Sowohl  aus  wässeriger  und  weingeistiger, 
wie  auch  salzsaurer  Lösung  des  Coffeins  scheiden  sieh  auf  Zusatz  von  Quecksilber- 
chlorid kleine ,  weisse ,  setdeuglftnzende ,  durch  Umkrystallisiren  aus  Wasser  oder 
Weingeist  zu  reinigende,  in  Aether  fast  unlösliche  Nadeln  aus  von  Coffeinqueck- 
«Iberchlorid. 

Paykx's  ehlorogensaures  Coffeinkali,  welches  zu  3.5 — 5  I*rocent  in  der  Kaffee- 
bohne präformirt  vorkommen  soll  und  von  seinem  Entdecker  in  weissen  kugelig 
gruppirten  Nadeln  erhalten  wurde,  ist  in  Bezug  auf  seine  Zusammensetzung  un- 
sicher. Eine  grosse  Bedeutung  für  die  medicinische  Praxis  bat  die  Entdeckung 
von  Tanket  ,  dass  Coffein  mit  den  Natronsalzen  einer  ganzen  Reihe  von  Säuren 
leicht  lösliche  Doppelsalze  bildet,  gewonnen.  In  Gegenwart  von  benzoesaurem, 
zimmtsaurem  oder  salicylsaurem  Natron  löst  sich  Coffein  in  einer  sehr  geringen 
Menge  Wasser,  indem  es  Doppelverbindungen  bildet,  welche  sehr  reich  au  Coffein  sind. 
Coffcinbenzoesaures  Natron  besteht  aus  zwei  Aequivalenten  des  Natrousalzes 
und  einem  Aequivalent  Coffein;  es  enthält  48.5  Procent  Coffein.  Das  an  Coffein 
reichste  Doppelsalz  (61  Proceut)  erhält  man  aus  gleichen  Aequfvaleuteu  Coffein 
und  salicylsaurem  Natron.  Die  Löslichkeit  dieser  Doppelsalze  ist  so  gross,  dass 
man  mit  Leichtigkeit  Lösungen  erhalten  kann,   die  20  eg  (von  der  Zimmtsfiure- 


Digitized  by  Google 


202 


COFFEIN.  -  COGNAC. 


und  Benzoesäureverbindung)  und  30  cg  (von  der  Salieylsäureverbindung)  im  Cnbik- 
ccnlimetcr  enthalten. 

Nachweis  und  Bestimmung.  Coffein  mit  Chlorwasser  (oder 'einem  Ge- 
misch von  Salzsäure  und  chlorsaurem  Kali)  erwärmt  ,  so  das»  die  Flüssigkeit  all- 
mälig  verdunstet,  hinterlässt  eine  rothbraune  Masse,  welche  mit  Ammoniak  eine 
prachtvolle  purpurviolette  Farbe  annimmt.  Am  besten  verdunstet  man,  wenn  kleine 
Mengen  vorhanden  sind,  die  mit  Chlorwasser  erhaltene  Flüssigkeit  in  einem  Uhr- 
gläschen und  deckt  dieses,  wenn  der  Rückstand  erkaltet  und  dann  etwas  befeuchtet 
ist,  über  eine  Glasplatte,  auf  welcher  man  einen  Tropfen  starken  Aetzammoniaks 
verdunsten  lässt.  Uebersebuss  von  Ammoniak  hebt  die  Ileaction  wieder  auf  <  Dragex- 
dorkf). 

Wird  Coffein  mit  rauchender  Salpetersäure  erwärmt  und  dann  die  Flüssigkeit 
langsam  verdunstet,  so  hinterbleibt  ein  rothgelber  Rückstand,  der  sich  mit  Ammoniak 
purpurviolett  färbt.  Aus  concentrirten  Lösungen  von  Coffein  fällt  salpetersaures 
Silber  einen  weissen,  kugelig  krystallinischeu  Niederschlag. 

Chlorpalladium  fällt  einen  gelben,  schuppigen  Niederschlag.  Alkoholische  Lösung 
von  Coffein  gibt  mit  Quecksilberjodid  einen  krystallinischeu  Niederschlag. 

Zur  quantitativen  Bestimmung  des  Coffeins  kocht  man  die  zu  analysirende 
Substanz  mit  Wasser  wiederholentlich  aus,  dampft  die  Auszüge  bis  zur  Syrup- 
consistenz  ein,  fügt  Magnesia  hinzu  und  extrahirt  mit  Chloroform.  Letztere 
Extraction  kann  auch  mit  Benzol  gemacht  werden.  Das  Coffein  wird  bei  1<>0° 
getrocknet  und  gewogen.  v.  Schröder. 

Coffeinum  CitriCUm,  C  o  f  f  e  i  n  c  i  t  r  a  t,  C  i  t  r  o  u  e  n  *  a  u  r  e  s  C  o  f  f  e  i ;  n.  Eine 
Ful Vermischung  aus  7.5  Th.  Coffein  und  2.5  Th.  Citroucnsäure.  Würde  man  das 
Cofl'eni  in  einer  heissen  Lösung  der  Citronen.*äure  lösen,  um  das  Salz  durch  Ab- 
kühluug  zur  Krystallisation  zu  bringen  (wie  dies  Ph.  Hisp.  vorschreibt),  so  erhielte 
man  ein  mit  wechselnden  Mengen  der  Säure  vermischtes  CoffeYn.  Letztere  Salzbase 
bildet  mit  den  schwächeren  Säuren  koine  krystallisirbaren  Verbindungen,  so  dass 
sie  weh  aus  verdünnter  citroneusaurer  Lösung  beim  Abdampfen  als  reines  Coffein 
wieder  ausscheidet.  Wasser,  wie  Weingeist,  trennen  das  Coffemeitrat  in  Base  und 
'Säure.  Schlick  um. 

Coffeon,  Kaffeon.  So  bezeichneten  Boutron  und  Fremy  die  ölige  Substanz, 
welche  sie  erhielten,  wenn  sie  die  flüchtigen  Röstproducte  der  gebrannten  Kaffee- 
bohne mit  Aether  extrahirten.  Es  ist  offenbar  ein  Gemenge  verschiedener  Substanzen. 

v.  Schröder. 

CognaC.  Der  Cognac  ist  eiu  Destillat  des  Weines  und  wird  vorzugsweise  in 
Frankreich  (Cognac,  Charente,  Bordeaux,  Angouleme,  Languedoc,  La  Rochelle), 
weniger  in  Spanien  und  Portugal ,  neuerdings  auch  iu  Deutschland  uud  Ungarn 
erzeugt.  Die  Güte  des  Coguacs  ist  durchaus  abhängig  von  der  Beschaffenheit  des 
Weines,  aus  welcheui  er  hervorgegangen  und  von  dem  Grade  der  Sorgfalt,  mit 
welcher  er  bereitet  wurde.  Einzig  hierdurch  wird  auch  der  Preis  bediugt.  Cuter 
Cognac  wird  eiu  aus  den  besten  französischen  Weinen  in  Frankreich  bereitetes 
Destillat  verstanden,  niiuderwerthige  Sorten  werden  als  Franzbranntwein  be- 
zeichnet. Armagnac  ist  der  iu  der  gleichlautenden  Provinz  bereitete  Cognac. 
Ausser  diesen  echten  Sorten  laufen  im  Handel  mehr  oder  weniger  gut  imitirte 
Producte  um,  die  als  Fa^on cognac  bezeichnet  werden.  Die  besteu  dieser  Gattung 
werden  durch  Verschneiden  von  gutem  Cognac  mit  gewassertem  Alkohol  uud  längere« 
Lagern  bereitet.  Minderwertige  sind  Lösungen  von  Cognacöl  oder  -ICsseuz  iu  Korn- 
brauntweiu  unter  Zusatz  von  Galläpfeltiuctur  und  Zuckercouleur.  Die  ganz  ordinären 
Sorten  sind  vollständige  Kunstproducte,  zu  dessen  Herstellung  Johannesbrot-  und 
Veilchenwurzeltinctur,  Essig-  und  Salpeteräther ,  aromatische  und  Galläpfeltinitur, 
Spiritus  und  Wasser  Verwenduug  finden.  Echter  Cognac  ist  fast  farblos;  er  erhält 
erst  durch  Fasslager  eine  schwach  gelbliche  Färbung  uud  gibt  dann  mit  Eiseu- 
chloridlösung  eine  grünliche   bis  schwarze   Färbung.    Er  reagirt  sehr  schwach 


Digitized  by  Googl 


COGNAC.  -  COHÄSION. 


203 


sauer,  entwickelt  ein  Uberaus  augenchmes ,  wcinartiges  Bouquet ,  schmeekt  trotz 
hohen  Alkoholgehalte«  milde,  nicht  kratzend  und  hinterlässt  beim  Abdampfen  kaum 
Spuren  eines  herb  schmeckenden  Rückstandes.  Bei  nochmaliger  Destillatiou  aus 
dein  Wasserbade  wird  das  Bouquet  in  verfeinerter  Form  und  ohne  ätherische 
Nebengertiehe  erhalten.  Ausser  den  Destillationsproducten  des  Weines  kommen  auch 
solche  in  den  Handel,  die  aus  Weiurückstäuden  bereitet  worden  sind.  So  liefern 
io  Gährung  versetzte  Weintreber  einen  an  Cognac  erinnernden  Branntwein  von 
schlechtem  kratzendem  Geschmack.  Auch  aus  Weinhefe  wird  ein  Branntwein  ge- 
wonnen, indessen  findet  dieselbe  mehr  zur  Herstellung  de»  Cognacöles  Verwendung. 
Die  Prüfung  des  Aroms  ist  von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Beurtheilung  der  Güte 
eines  Cognacs.  Mau  führt  sie  am  besten  dadurch  aus,  dass  man  den  Cognac  auf 
warnies  Wasser  zu  schichten  sucht ,  zunächst  die  sich  entwickelnden  Dämpfe  auf- 
riecht und  dann  das  Gemisch ,  für  sich  und  mit  Zucker  versetzt ,  kostet.  Um 
mehrere  Sorten  mit  einander  zu  vergleichen ,  gitsst  man  von  jeder  soviel  in  ein 
Wunglas,  dass  die  Innenwand  benässt  ist  und  riecht  von  halber  zu  halber  Stunde 
in  die  signirten  Gläser  hinein.  Man  wird  hierdurch  nicht  allein  feststellen  können, 
welche  Sorte  den  feinsten  Geruch  habe,  sondern  auch,  wie  lange  das  Aroma  an- 
hält, was  bei  feinen  Sorten  24 — 30  Stunden  dauert.  Für  den  zum  arzneilichen 
Gehrauch  bestimmten  Cognac  fordert  die  deutsche  Reichspbarmakopöe  einen  Ge- 
halt von  50  Procent  Alkohol ;  dieser  Gehalt  ist  aber  in  feinen  und  reinen  Cognacs 
oftmals  erheblich  überschritten.  E  lau  er. 

CognaCÖl,  Cognac  äther,  Cog nac essen z  ,  Wein  öl,  Drusen  öl.  Das 
Cognaeöl  kann  durch  Dampfdestillation  der  mit  Wasser  angerührten  Weiuhefe, 
welche  den  Namen  Druse  führt,  erhalten  werden ,  und  zwar  bildet  es,  nachdem 
eine  Quantität  cognacähnlichen  Branntweins  übergegangen  ist,  das  letzte  Destilla- 
tionsproduet  in  Form  einer  tiefdunklen  öligen  Flüssigkeit.  Ergiebiger  ist  die  Destil- 
latiou der  Druse  unter  Zusatz  vou  1  Procent  Schwefelsäure,  wodurch  aus  2500  kg 
Druse  1  kg  CognacÖl  gewonnen  werden  soll.  Auch  hier  wird  dasselbe  zunächst  als 
ein  dunkles,  auf  dem  Destillat  schwimmendes  Oel  erhalten,  welches  erst  durch 
Keetifieation  entfärbt  werden  muss.  Das  CognacÖl  ist  eine  farblose  Flüssigkeit,  iu 
reinem  Zustande  von  stark  weinartigem ,  betäubendem  Gerüche  und  scharfem, 
widerlichem  Gescbmacke,  mit  Alkohol  stark  verdünnt,  demselben  ein  angenehmes, 
weiuartiges  Bouquet  ertheileud. 

Es  ist  klar  mischbar  mit  Aether,  absolutem  Alkohol,  fetten  und  ätherischen 
Oeleu.  Eine  Verfälschung  mit  Alkohol  ist  durch  Mischen  mit  Olivenöl  zu  ent- 
decken; eine  derartige  Mischung  wird  durch  Ausscheidung  von  Alkohol  getrübt. 
Der  Siedepunkt  liegt  bei  225°,  indessen  ist  es  mit  Wasser- oder  Weingeistdümpfeu 
tei  viel  geringerer  Temperatur  flüchtig.  Spec.  Gew.  0.860.  Seiner  chemischen 
Zusammensetzung  nach  scheint  es  identisch  zu  sein  mit  dem  Oenanthäther  des 
Weines,  der  wiederum  als  nahe  verwandt  mit  dem  Pelargonsäureäthyl- 
C  H  0 

Äther,  9         >0,  angesehen  wird.    Derselbe  Aether  ist  auch  auf  künstlichem 

Wege  herzustellen,  und  zwar  durch  anhaltende  Behandlung  von  Oenanthsäure  mit 
Itherschwefelsaurem  Kalium,  Abstumpfung  der  überschüssigen  Säure  mit  Sodalauge 
und  Rectification ;  oder,  nach  Wagner,  durch  Behandlung  des  Rautenöls  mit  sehr 
verdünnter  Salpetersäure  und  Digcstiou  der  hierbei  entstehenden  unteren  Schicht 
mit  Alkohol.  Nachdem  schon  von  Wagnkk  darauf  hingewiesen  worden,  dass 
niöglieherweise  auch  statt  des  Rautenöls  von  der  Oelsäure  ausgegangen  werden 
k<innc,  ist  es  neuerdings  gelungen,  eine  dem  CognacÖl  ähnliche,  aber  auch  nur 
entfernt  ähnliche,  Flüssigkeit  aus  Cocosöl  herzustellen.  Man  destillirt  alkoholische 
Cocdsseifelösung  unter  Zufuhr  von  Salzsäuregas  in  die  Lösung  und  rectificirt  das 
mit  Sodalösnng  entsäuerte  Destillat.  Elsner. 

CohäsiOll  (ioLaertre,  zusammenhängen)  nennt  man  die  Kraft,  mit  welcher 
die  kleinsten  Theilehen  eines  Körpers  anziehend  auf  einander  eiu wirken  und  den 


Digitized  by  Google 


i>04 


conAsiON, 


Zusammenhang  desselben  erhalten.  Zwischen  Cohäsion  und  Adhäsion  wird  nicht 
immer  genau  unterschieden ,  doch  ist  es  jetzt  üblich  geworden ,  die  Wechsel- 
wirkung der  Thoilchen  eines  und  desselben  Körpers  als  Cohäsion,  jene  der  Theil- 
chen  verschiedener  Körper  als  Adhäsion  au  bezeichnen. 

Der  Ausdruck  Cohäsion  wird  auch  im  Sinne  von  Festigkeit  gebraucht  und 
bezeichnet  dann  den  Widerstand,  den  ein  Körper  der  Aufhebung  seines  Zusammen- 
hanges durch  Zerreissen,  Zerdrücken,  Zerbrechen  oder  Zerdrehen  entgegensetzt. 

Die  Cohäsionskräfte  gehören  in  die  Kategorie  der  Molekularkräfte,  die  nur  auf 
unmessbar  kloine  Distanzen  wirken.  Getrennte  Theile  eines  festen  Körpers  können 
daher  nur  in  seltenen  Fällen  durch  Aufeinanderdrücken  wieder  vereinigt  werden, 
da  es  eben  in  den  meisten  Fällen  unmöglich  ist,  sie  so  nahe  aneinander  zu 
bringen,  dass  die  Molekulark  rillte  wieder  in  grösserer  Ausdehnung  zu  wirken  be- 
ginnen. Doch  gelingt  dies  zuweilen  bei  Bleiplatten,  die  unter  starkem  Druck  auf- 
einandergepresst  werden. 

Im  Verein  mit  jener  Kraft,  welche  die  kleinsten  Theilchen  eines  Körpers  zu 
trennen  strebt  und  deren  letzte  Ursache  wahrscheinlich  in  der  Wärme  liegt, 
bedingt  die  Cohäsion  den  Aggregatzustand  (s.  Bd.  1,  pag.  181)  der  Körper. 

In  ähnlicher  Weise  wie  bei  flüssigen  (s.  Capillaritätserscheinungen, 
Bd.  11,  pag.  532)  bewirken  die  Cohäsionskräfte  auch  bei  festen  Körpern  eine 
Oberflächenspannung,  nur  entzieht  sich  dieselbe,  eben  wegen  der  Starrheit  des 
Körpers,  gewöhnlich  der  Beobachtung.  Ist  die  Cohäsion  in  einem  Körper  nach 
gewissen  Richtungen  merklich  geringer  als  nach  anderen,  wie  beispielsweise  bei 
Glimmer  und  Holz,  so  schreibt  man  dem  Körper  die  Eigenschaft  der  Spalt- 
barkeit zu. 

Flüssigkeiten  besitzen  nur  eine  geringe  Cohäsion.  Die  Existenz  einer  solchen 
wird  aber  durch  das  Vorkommen  der  Flüssigkeiten  in  Tropfenform,  ferner  durch 
die  Capillaritätserscheinungen  bewiesen ,  welche  eben  in  der  Cohäsion  und  ihrer 
Wechselwirkung  mit  der  Adhäsion  ihre  Erklärung  finden.  Da  die  Oberflächen- 
spannung einer  Flüssigkeit  von  den  Cohäsionskräften  derselben  herrührt,  bezeichnet 
man  die  von  dieser  Spannung  abhängige  Capillaritätsconstante  x  (s.  C  a  p  i  1 1  a  r  i  t  ä  t  s- 
erscheinungen)  auch  als  absoluteCohäsion  der  betreffenden  Flüssigkeit, 
während  die  mit  a?  bezeichnete  Constante  auch  den  Namen  speeifische  Cohäsion 
führt. 

Gasförmige  Körper  zeigen  keine  Cohäsion. 

Ueber  die  Aufhebung  der  Cohäsion  durch  Einwirkung  von  Adhäsionskräften 
siehe  Lösung  und  Diffusion  (von  Flüssigkeiten). 

Vergleiche  auch  Elasticität.  Pitsch. 

Die  Cohäsion  organischer  Verbindungen  ist  das  Product  von  spe- 
eifischem  Gewicht  und  Capillaritätscoöfficicnt.  Man  könnte  beide  füglich  mit 
„speeifischer  Cohäsion"  bezeichnen,  zum  Unterschiede  von  dem  Prodnct  aus 
dem  Melekulargewicht  und  dem  Capillaritätscoefficienten,  welche  von  Mkndklej  eff 
als  Molekularcohäsion  bezeichnet  wird.  Der  Capillaritätscofifficieut  wird  aus 
der  Höhe  abgeleitet,  bis  zu  welcher  der  unterste  Menisci»  in  einer  Capillarröhre  vom 
Radius  gehoben  wird.  Die  Zahl,  welche  die  Molekularcohäsion  einer  Verbindung 
ausdrückt,  ist  indessen  nicht  gleich  der  Summe  der  Molekularcohäsionen  der  Elemente. 
Die  Molekularcohäsion  wächst  bei  homologen  Substanzen  proportional  der  Zunahme 
des  Molekulargewichts.  Die  Grösseneinheit,  um  welche  die  Molekularcohäsion  wächst, 
ist  für  die  verschiedenen  homologen  Reinen  auch  eine  verschiedene. 

Bei  Flüssigkeiten  ist  die  Molekularcohäsion  im  Allgemeinen  eine  geringe,  während 
die  Adhfision  überwiegt.  Wird  z.  B.  ein  starrer  Körper  in  eine  Flüssigkeit  ge- 
taucht ,  so  bleibt  entweder  ein  Theil  der  Flüssigkeit  an  dem  starren  Körper 
haften  oder  er  wird  überhaupt  nicht  benetzt.  Im  ersteren  Falle  war  somit  die 
Molekularcohäsion  uiebt  stark  genug,  um  der  Adhäsion  an  dem  starren  Körper  zu 
widerstehen;  im  letzteren  Falle  war  die  Cohäsion  der  flüssigen  Theilchen  unter 
einander  grösser  als  die  Adhäsion  zwischen  dem  flüssigen  und  dem  starren  Körper. 


Digitized  by  Google 


C0HÄS10N.  -  COLA. 


^5 


Es  würde  jedoch  falsch  sein,  daraus  zn  schliessen ,  daas  in  solchen  Fällen  eine 
Adhäsion  überhaupt  nicht  stattfinde.  Lässt  man  z.  B.  eine  an  einem  Waage- 
balken hängende  horizontale  Glasplatte  ein  Quecksilberniveau  berühren,  so  bedarf 
es  eines  starken  Uebergewichts  am  anderen  Arm  des  Balkens,  um  die  Adhäsion 
zu  überwinden.  Ob  bei  Flüssigkeiten  die  Cohäsion  sich  mächtiger  erweist,  als  die 
Adhäsion,  hängt  sowohl  von  der  Natur  der  Flüssigkeit  selber,  als  auch  von  der 
des  starren  Körpers  ab.  Ganswindt. 

Cohn'8  StyptlCUm,  ein  Geheimmittel,  ist  (nach  Schädleh)  eine  Lösung  von 
1  g  Zinksulfat  und  5  Th.  Gummi  arabicum  in  120  Th.  Wasser. 

CotlObiren.  Mit  Cohobiren  oder  Cohobation  bezeichnet  man  das  Anreichern 
eines  Wassers  mit  ätherischem  Oel  behufs  nochmaliger  Destillation.  Es  handelt  sich 
dabei  stets  um  solche  Wasser,  welche  ein  verbältnisamässig  leicht  lösliches  äthe- 
risches Oel  in  geringer  Menge  gelöst  enthalten.  Der  eigentliche  Zweck  des  Coho- 
birens  ist  die  Abscheiduug  des  Oeles  ans  seiner  wässerigen  Lösung ;  diesen  Zweck 
erreicht  man  bei  sehr  leicht  löslichen  Oelen  (z.  B.  Lindenblüthenöl,  Hollunderöl) 
durch  wiederholtes  Destilliren  desselben  Wassers  über  neue  Mengen  von  Vege- 
tabilien,  oder,  bei  minder  leicht  löslichen,  durch  vorsichtiges  Abdestilliren  des 
fragUchen  Wassers  über  leicht  lösliche  Salze. 

CoVr,  Cocosnussfaser,  besteht  aus  den  Gefiissliündoln  der  Mittollruchtsehichto 
der  Cocosnuss  (Cocua  nucifera  L. ,  Palmae)  und  wird  in  grossen  Mengen  von 
Ceylon,  Ostindien  und  dem  südasiatischen  Archipel  nach  Ruropa  (London)  gebracht. 
Die  faserige  Fruchtrinde,  Roya  genannt,  wird  nach  längerem  Aufweichen  in 
Wasser  gewaschen  und  getrocknet  und  schliesslich  so  lange  geklopft,  bis  sie  in 
die  Fasern  zerfällt;  zugleich  wird  durch  diese  Behandlung  der  grösste  Thcil  des 
braunen  parenchymatischen  Füllgewebes  entfernt.  Die  rohe  Cocosfaser  wird  gegen 
3  dm  lang,  ist  röthlichbraun ,  sehr  fest ,  elastisch ,  aber  auch  etwas  spröde ,  in 
hohem  Grade  widerstandsfähig  im  Wasser,  sehr  leicht,  ziemlich  raub  und  grob, 
zu  feinen  Gespinnsten  untauglich.  Sie  setzt  sich  aus  kleinen,  vcrkieaelten  Paren- 
ehymzellen,  Spiralgefässcn ,  porösen  Leitzellen  und  Bastfaserzellen  zusammen. 
Letztere  sind  farblos  oder  gelblich,  ziemlich  dünnwandig,  0.01 — 0.016  mm  breit, 
stark  verbolzt  (sie  werden  durch  schwefelsaures  Anilin  gelb  gefärbt),  mit  kurzen 
spitzen  Enden  versehen  und  durch  eine  schief  -  spiralige  Streifuug  (Verdickung?) 
ausgezeichnet.  Mit  Jod  und  Schwefelsaure  behandelt,  färben  sich  die  meisten 
Bastzellen  goldgelb;  doch  findet  man  auch  solche,  deren  Iunenschicht  blau  oder 
blaugrün  erscheint.  Colr  ist  schon  an  seiner  Farbe  und  seinem  sonstigen  Aus- 
sehen auf  den  ersten  Blick  zu  erkennen.  Verwendung  findet  es  zu  Matten,  Tep- 
pichen ,  Bürsten ,  zu  Schiffstauen ,  Seilen ,  zu  Netzschnüren  und  Maschincntreib- 
rienien.  T.  F.  Hanansek. 

Coise  Oder  CoeZO,  kalte  Quelle  in  Savoyen  mit  Natronbioarbonat-  und 
etwas  Jodgehalt. 

CoiX,  Gattung  der  Granrineae,  Cnterfamilie  Phalarideae,  charakterisirt  durch 
zweiblüthige  Aehrchen,  grannenlose  Spelzen,  griffeltragende  Fruchtknoten  und  fast 
kugelige  beinharte  Früchte. 

Coix  Lacryma  L.  besitzt  mehlreiche  Früchte,  welche  früher  unter  dem  Namen 
Sem.  Lacrymae  Jobi,  Hiobsthränen  (s.  d.),  als  Diureticum  benützt  wurden 
und  neuerdings  wieder  als  Emolliens  empfohlen  werden. 

COl.,  auf  Recepten  vorkommende  Abkürzung  für  cola  oder  colatura. 

Cola,  eine  Sterculiaceen-Gattvmg  Baühin's,  die  jetzt  mit  Sterculia  L.  ver- 
einigt wird.  Von  Cola  acuminata  Schott  efe  Endl.  (Sterculia  acuminata  Beauv.) 
stammt  die  echte,  coffeYnhaltige  Kola  (s.  d.),  während  die  gleichnamigen,  von 
Oarcinia  Kola  (Clusiaceae)  stammenden  Samen  kein  Alkaloid,  sondern  nur 
einen  Bitterstoff,  Harze  und  Tannin  enthalten. 


*06 


COLATOTUEN.  —  COLCHICIN. 


Colatorien  sind  viereckige  Durchseihtflcher ,  welche  ciu  möglichst  schnelle* 
Trennen  einer  Flüssigkeit  von  darin  suspendirten  grobkörnigen ,  flockigen,  schlei- 
migen Substanzen,  oft  auch  nur  eine  rein  mechanische  Trennung  von  den  mittelst 
der  Flüssigkeit  extrahirten  Vegetabilieu  oder  nur  von  Verunreinigungen  bezwecken. 
Je  nach  dem  Zweck,  den  die  Colatorien  erfüllen  sollen,  wendet  man  die  verschieden- 
sten Gewebe  dazu  au,  vornehmlieh  Nessel,  Krepp,  Leinen  und  Flanell,  und  fertigt 
sie  in  verschiedenen  Grössen  au. 

ColatUr  heisst  die  beim  f'oliren  gewonnene  Flüssigkeit. 

Colchicin.  Das  Colchicin  findet  sich  in  allen  Theilen  der  Herbstzeitlose,  Col- 
chicum a  ut  iimnale  L. .  nach  Rochettk  auch  in  anderen  Colehieumarten 
(C.  nenpolitanum,  C.  montan  um,  C.  arenarium,  C.  aipinumj.  Am  reichlichsten 
kommt  es  in  den  reifen  Samen  (0.2 — 0.4  Procent)  und  in  den  Zwiebelknollen 
(Ü.Otf — 0.2  Procent)  vor,  während  die  frischen  Blüthen  und  BiAtter  geringere 
Mengen  (O.Ol — 0.02,  resp.  0.03  Procent)  enthalten. 

Ks  wurde  zuerst  von  Pelletjb*  und  Caventou  im  Jahre  1820  beobachtet, 
aber  für  identisch  mit  Veratrin  gehalten,  Gkigkr  und  Hesse  erkannten  es  erst 
im  Jahre  1H88  als  eigentümliches  Alkaloid. 

Nach  Hühl  Ell  wird  die  Zusammensetzung  des  Colchicins  durch  die  Formel 
Cl7  H,„  NO-, ,  nach  Hertel  durch  die  Formel»  C,7  H2,  NO,,  ausgedrückt,  welche 
Formel  auch  Bender  aeeeptirt  hat.  Zbiskl  stellte  dagegen  die  Formel  zu 
C^IK.N  ),  fest. 

Zur  Darstellung  des  Colchicins  werden  nach  Hkktel  und  Bender  die 
zerkleinerten  Samen  mit  85proeentigeni  Weingeist  wiederholt,  am  besten  in  einem 
Verdrängungsapparate  ausgezogen,  die  vereinigten  Auszüge  mit  Magnesia  versetzt 
und  nach  der  Filtration  in  massiger  Wärme  bis  zur  Syrnpconsistenz  verdunstet. 
Der  Rückstand  wird  zur  Abscheidung  von  fettem  Oel  mit  Wasser  reichlich  verdünnt, 
die  wässerige  Lösung  vom  Oelc  getrenut  und  mehrmals  mit  Chloroform  aus 
geschüttelt.  Die  so  erhaltenen  Lösungen  des  Colchicins  in  Chloroform  werden 
durch  Abdestilliren  vom  Chloroform  befreit .  und  der  Rückstand  bei  mässurer 
Wärme  ausgetrocknet,  hierauf  von  Neuem  in  Wasser  gelöst  und  die  filtrirte  Lösung 
abermals  mit  Chloroform  geschüttelt.  Diese  Operationen  werden  st»  oft  wiederholt, 
bis  der  nach  dem  Verdunsten  des  Chloroforms  bleibeude  Rückstand  sich  vollständig 
klar  in  Wasser  löst.  Auch  die  Fällbarkeit  des  Colchicins  durch  Gerbsäure  wird 
zur  Reinigung  desselben  benutzt;  mau  scheidet  das  Colchicin  aus  wässeriger  Lösung 
durch  fractionirte  Fälluug  mit  Gerbsäure  ab,  wobei  die  ersten  und  letzten  An- 
theile  des  Niederschlages  als  weniger  rein  gesondert  werden,  zerlegt  den  gut  aus 
gewaschenen  Niederschlag  mit  geschlämmtem  Bleioxyd  und  txtrahirt  die  Masse  mit 
Alkohol. 

Eigenschaften.  Amorphes  gelblich  weisses,  am  Lichte  sich  dunkler  färben- 
des Pulver,  welches  in  Wasser,  Alkohol,  Chloroform  und  Benzol,  je  na?h  seiner 
Reinheit,  mit  mehr  oder  weniger  gelber  Farbe  leicht,  in  Aether  nur  wenig  löslich, 
in  Petroleumäther  fast  unlöslich  ist,  bei  145°  sehniilzt,  in  höherar  Teuperatur  sieh 
zersetzt ,  optisch  inactiv  ist ,  beim  Reiben  elektrisch  wird ,  und  nur  sehr  schwach 
basische  Eigenschaften  besitzt,  so  dass  es  mit  Säuren  nur  sehr  unbeständige  Salze 
bildet,  welche  sich  in  fester  Form  nicht  dantellea  lasseu.  Nur  das  gerbsaure 
Coleb iein  (s.  oben)  ist  ein  weisses  amorphes,  in  Wasser  wenig  lödiches  Pulver, 
besitzt  aber  nach  Bender  keine  constante  Zusammensetzung.  Mit  Chloroform 
gibt  das  Colchicin  eine  in  gelben  Nadeln  krystallisirende  Verbindung  der  Formel 
C.J2  H25  NO^  .  2  C  HC13.  Der  Geschmack  des  C  dchicins  ist  anhaltend  bitter,  ssine 
Wirkung  entschieden  drastisch  giftig.  Nach  eingehenden  Untersuchungen  von  Hertel 
sind  die  käuflichen  Colchieinpräparate  häutig-  sehr  unrein  und  enthalten  oft  nur 
10 — 20  Procent  der  reinen  Bnse. 

Reactionen.  Die  Lösung  des  Colchicins  in  coneentrirter  Schwefelsäure  ist 
intensiv  gelb  und  wird  auf  Zusatz  eines  Tropfens  Salpetersäure  blauviolett.  Con- 


Digitized  by  Google 


COLCHICIN. 


¥07 


ccntrirte  Salpetersäure  vom  specifischen  Gewichte  1.4 — 1.5  gibt  eine  blauvioljtte, 
Hpäter  in  braun  und  braungelb  übergebende  Färbung.  Durch  Verdünnen  mit  Wasser 
geht  diese  rasch  in  gelb  und  dann  durch  Zusatz  von  Natronlauge  in  ziegelrot!) 
ilber.  Chlorwasser  verursacht  in  Colehieinlösungen  einen  gelblichen  Niederschlag, 
welcher  sich  in  Ammoniak  mit  gclbrother  Farbe  löst.  Phenol wasscr  gibt  eine  stark 
weisse  Fallung,  welche  auf  Zusatz  von  Sauren  verschwindet.  Colchicinlösungen 
werden  ausserdem  gefallt  durch  Phosphormolybdänsäure,  Gerbsäure,  Jodjodkalium, 
Kalimnwismutjodid .  nur  schwach  und  langsam  durch  Gold-  und  Platineblorid, 
nicht  durch  Quecksilberchlorid,  nur  bei  Gegenwart  von  Mineralsituren  durch  Pikrin- 
säure, Kalium-,  Cadmium-  und  Kaliumquccksilberjodid. 

1  >ic  quantitative  Bestimmung  des  Colchicins  geschieht  am  besten 
auf  gewiehtsanalytischem  Wege.  Colchicumsamen  werden  im  Extractionsapparate 
mit  'JOprocen  tigern  Alkohol  erschöpft.  Der  Alkohol  wird  nach  Znsatz  von  etwas 
Walser  verdunstet,  der  Rückstand  filtrirt  und  dabei  drei-  bis  viermal  mit  Chloro 
form  ausgeschüttelt.  Das  Chloroform  wird  verdunstet,  der  Rückstand  in  Wasser 
aufgenommen,  die  Lösung  abermals  mit  Wasser  aufgenommen  und  mit  Chloroform 
ausgeschüttelt.  Der  Rückstand  von  den  unter  Zusatz  von  Waaser  (zur  Zerstörung 
gebildeter  Chloroformverbindung)  eingedampften  Chloroformnuszflgen  wird  über 
Schwefelsaure  getrocknet  und  gewogen.  Um  in  der  Thictttra  Colchici  den  Gehalt 
an  Colchiciu  zu  bestimmen ,  wird  ein  abgewogener  Theil  derselben  cingedunstet, 
der  wässerige  Rückstand  nach  dem  Filtrireu  mit  Chloroform  aufgeschüttelt  und 
wie  eben  geschildert  weiter  behandelt. 

I>ie  Titration  mit  Kaliumquccksilberjodid  ist  von  Dragkxdokff  ausgeführt;  sie 
ist  mir  bei  Anwesenheit  eiues  Uebersekusses  an  .Saure  ausführbar.  Uebrigens  ändert 
sich  der  Wirkungswerth  des  Quecksilberreagens  mit  der  Coneentration  der  Colchicin- 
Iptingen. 

I*  ms  et  z  u  n  ge  u.  Durch  Einwirkung  verdünnter  Mineralsaurcn ,  sowie  durch 
Kochen  mit  Barytwasser  geht  das  Colchicin  unter  Abgabe  von  Wasser  in  C  o  1  c  h  i  c  e  i  n 
über  H.rNO«  =  Ci;  HSI  NO„  +  U2  0).  Nach  Zkiskj.  entsteht  das  Colchicein 
nach  der  Gleichung  C2J  H,"ö  NO0  +  H,  0  —  C^H^NO,;  +  CH,  OH  unter  Bildung 
von  Methylalkohol.  Gleicherzeit  entsteht  bei  Luftzutritt  eine  amorphe,  iu  W.-tsser 
unlösliche,  bei  !H)°  schmelzende  Substanz,  das  [i-Colchieoresiu  (Ci4  1L0  N()l0). 
Hei  langerein  Aufbewahren  an  der  Luft  oder  beim  Erhitzen  im  feuchten  Zustande 
verwandelt  sich  das  Colchicin  unter  Verlust  von  Ammoniak  und  Wasser  in  einen 
hurtigen  brauneu  Körper,  das  Colehicoresin  (3[Cl7 1I„  NO„]  —  OiX  H,t0  V  (>,,. 
r  NH,  4-  5  H,  0),  welches  auch  in  den  getrockneten  Zwiebel knollen  und  in  de:» 
raien  Samen  das  Colchicin  begleitet. 

Für  den  forensisch-chemischen  Nachweis  des  Colchicins  ist  es  wichtig, 
<Uss  dasselbe  schon  der  sauren  Lösung  durch  Schütteln  mit  Aether,  Chloroform 
oder  Amylalkohol ,  nicht  aber  mit  Pctroleumäther  entzogen  wird.  Die  Reinigung 
des  beim  Verdunsten  dieser  Lösungsmittel  bleibenden  Rückstandes  geschieht  iu  der 
Weise,  dass  man  denselben  in  Wasser  auflöst,  das  Colchicin  durch  GerbsHurc  fallt, 
deu  Niederschlag  uach  dem  Abfiltriren  und  Auswasehen  mit  feuchtem  Bleioxyd 
zerlegt  und  die  Masse  mit  Alkohol,  Aether  oder  Chloroform  von  Neuem  aus  „ich t. 
Mit  dem  jetzt  beim  Vordonsten  dieser  Lösungsmittel  verbleibenden  Rückstände 
werden  die  charakteristischen  Reactionen  für  Colchicin  angestellt.  Gegen  Fäulnis* 
tliierischer  Substanzen,  wie  auch  gegen  saure  GRhrung  ist  das  Colchicin  wenigstens 
bis  zu  drei  Monaten,  nach  Versuchen  von  Daxnenbehg,  widerstandsfähig. 

Angewandt  wird  das  Colchicin  nicht  selten  bei  Gicht,  sowohl  prophylactHeh 
als  auch  zur  Bekämpfung  der  Anfälle,  auch  bei  ehronischem  Gelenksrheumatismus 
und  rheumatischen  Neuralgien  werden  subcutane  Einspritzungen  von  Colchicin 
empfohlen.  Jedenfalls  hat  man  bislang  nur  selten  das  Colchicin  in  Dosen  zu 
1—3  mg  p.  d.  in  Lösung  oder  Pillenform  gegebon,  resp.  auf  subcutanem  Wege 
»pplictrt;  die  Anwendung  desselben  wird  auch  dann  erst  rathsam  sein,  wenn  nur 


Digitized  by  Google 


20S 


COLCHICIN.  -  COLCHICUM. 


zuverlässige  Präparate  in  den  Handel  gebracht  werden,  was  zur  Zeit  nicht  der  Fall 
sein  soll  (s.  oben). 

Ma  ximal-Einzel-  und  Tagesgabe  werden  von  der  Ph.  Helv. ,  Hung. 
und  Russ.  zu  0.002—0.003,  bezw.  0.00Ü— 0.01  angegeben. 
Aufbewahrung:  Sehr  vorsichtig. 

Col  chic  ein,  C17  H21  NO>.  +  2  H2  0  [(C21  H38  N06),  +  Ha  0],  wird  aus  Col- 
chicin durch  Erhitzen  mit  30  Theilen  Wasser  und  2  Theilen  25procentiger  Salzsäure 
auf  100°  erhalten.  Die  vom  Harz  abfiltrirte  Flüssigkeit  liefert  nach  dem  Eindampfen 
Krystalle  von  Colchicein.  Farblose,  perlmutterglänzende  Blättchen  oder  zu  Warzen 
vereinigte  Nadeln,  welche  weniger  bitter  schmecken,  als  das  Colchicin,  sich  schwer 
in  kaltem  Wasser  und  in  Aether,  leicht  in  kochendem  Wasser,  Alkohol  und  Chloro- 
form lösen.  Schmelzpunkt  155°.  Linksdrehend  (a)$= — 31.6.  Es  besitzt  nach 
Hektel  schwach  alkalischen  Charakter  und  bildet  amorphe  Salze.  Zeisef.  stellte 
eine  Doppel  Verbindung  mit  Goldchlorid  Cit  Hss  NO„  .  HCl .  AuCls  dar,  während 
Oberlin  neutrale  und  Hübleu  saure  Reaction  der  Base  zuschrieben. 

Gegen  Reagentien  verhält  es  sich  dem  Colchicin  ähnlich.         h.  Becknrts. 

Colchicum,  Gattung  der  Lilinceae,  Unterfamilie  Melanthnceae,  ausgezeichnet 
durch  Knollen,  verwachsenblättriges  Perigon,  reif  zweifäcberige,  lineale  oder  oblonge 
extrorse  Anthcren,  freie  Griffel  und  an  der  Xahttheilung  scheidewandspaltig 
aufspringende,  dreifächerige  Kapseln. 

Colchicum  (i  u  t  u  m  h  n  l  ?  L ,  Zeitlose,  Herbstzeitlose,  Wiesensafran. 
Meadow,  Saffron,  auf  fruchtbaren  und  feuchten  Wiesen  durch  ganz  Europa 
mit  Ausschluss  des  Nordens  und  im  Mittelmeergebiete. 
Krautige  Pflanze  mit  sehr  verkürztem  Stengel  und  einem 
tief  im  Boden  verborgenen,  mit  einer  braunen,  häutigen 
Schale  (Laubblattacheide)  umgebenen  Knollen  (Bulbotuber), 
der  bis  35  mm  lang  und  25  mm  dick  wird,  schief  eiförmig, 
auf  dem  Rücken  stark  gewölbt,  auf  der  Vorderseite  flach 
oder  schwach  gewölbt  ist  und  von  einer  flachen  mittleren 
Längsfurche  durchzogen  wird,  in  welcher  der  kurze 
Stengel  ganz  und  die  lange  BlüthenrÖhre  wenigstens  in 
ihrem  untereu,  den  Fruchtknoten  umschliessenden  Theile 
halb  eingeschlossen  ruht.  Der  Knollen  steht  mit  dem 
blüthentragenden  Stengel  nur  in  einer  kleinen,  basalen 
Region  in  Verbindung.  Die  Basis  des  Stengels  ist  zur 
Blüthezeit  im  Herbst  kaum  verdickt.  Sie  trägt  an  der 
nnteren  Seite  ein  Büschel  weisser  Wurzeln  und  wird  von 
einem  etwas  über  der  Insertionsstelle  der  obersten  Wur- 
zeln eingefügten ,  kürzeren ,  äusseren  und  einem  etwas 
höher  inserirten,  verlängerten,  inneren  Scheideublatte  um- 
geben, die  beide  auch  noch  einen  grossen  Theil  der 
Perigonröhre  umgeben.  Auf  diese  basalen  Niederblätter 
folgen  die  im  Herbste  noch  nicht  entwickelten ,  sondern 
scheidenartig  Fruchtknoten  und  basale  Perigonröhre  um- 
gebenden Laubblätter.  Sie  sind  spiralig  an  der  kurzen 
Axe  angeordnet.  Das  unterste  derselben  trägt  in  seiner 
Achsel  die  Knospe  für  den  nächstjährigen  blüthentragen- 
den Stengel,  das  oberste  die  (oder  bei  mehrblüthigen 
Exemplaren  die  2 — 3  obersten  je  eine)  kurzgestielte  BlUthe. 
Die  BlUthe  verwelkt  im  Herbst  nach  vollzogener  Be- 
fruchtung, ohne  dasB  die  Ausbildung  der  Frucht  schon 
in  diesem  Jahre  erfolgt.  Erst  im  darauffolgenden  Früh- 
jahr entwickeln  sich  die  Laubblätter  und  wachsen  über  den  Boden  empor.  Das 
zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Blatte  liegende  Stengelglied  (bei  mehreren 

Digitized  by  Google 


Flg.  31. 


Colchicum  autumnalt,  Läntra- 
Rchnitt  durch  den  harnlen 
Theil.  *  Knollon,  i  Xieder- 
blatt  (beide  zusammen  dio 
Knollzwiebel  bildend) .  «? 
Wurzeln ,  /  Fruchtknoteu, 
b  Blätter,  t  Griffel. 


COLCHICUM. 


200 


Fruchtknoten  ein  entsprechend  tiefer  liegendes)  streckt  sich  stark  in  die  Länge 
und  hebt  die  Frucht  weit  über  den  Boden.  Oer  zwischen  dem  ersten  und  zweiten 
Laubblatte  liegende  Stengeltheil  wird  im  Frühjahr  zum  neuen  Knollen,  welcher 
tm  Grunde  die  Hauptknospe  und  oberwärts  die  Knospe  des  zweiten  Laubblattes 
tragt,  welche  sich  erst  spater  oder  gar  nicht  entwickelt.  Die  Scheide  des  ersten 
untersten  Laubblattes  wird  zu  einer  derben ,  trockenen ,  dunkelbraunen ,  oben 
röhrig  verlängerten  und  zerschlitzten,  den  Knollen  mit  der  nächstjährigen  blühenden 
Pflauze  einschließenden  Hülle,  welche  oft  mehrere  Jahre  bleibt  und  innerhalb  welcher 
noch  ein  paar  trockene,  braune,  von  den  Scheidenblättern  herrührende  Häute  liegen. 

Während  der  Entwicklung  der  Blätter  und  Frucht  wird,  da  hierzu  die  vor- 
handenen im  (alten)  Knollen  aufgespeicherten  Reservestoffe  verbraucht  werden,  der 
von  den  Resten  des  vertrockneten  Stengels  des  zweitvorhergehenden  Jahres  auf 
dem  Scheitel  bekrönte  Knollen  allmälig  entleert  und  stirbt  ab.  Die  Assimilations- 
thätigkeit  der  Blätter  sorgt  dafür,  dass  der  neue  Knollen  sich  allmälig  mit  Reserve- 
rtoffen  ÖlUt. 

So  trifft  man  also  im  ersten  Jahre  einen  prall  mit  Reservestoffen  gefüllten, 
die  kurzgestielte  Blüthe,  aber  keine  Blätter  seitlich  tragenden  Knollen  an,  im 
zweiten  dagegen  auf  einem  allmälig  sich  entleerenden  Knollen  neben  der  neuen,  all- 
mälig erstarkenden  Knollenanlage  den  langen  Stengel  und  die  zwischen  den  Blättern 
liegende  Frucht  der  vorjährigen  Blüthe.  Der  fruchttragende  Spross  liegt  also  auf 
der  Spitze  der  Knollen,  während  die  Blüthe  ans  der  seitlichen  Rinne  hervortritt. 

Die  Lanbblätter  sind  nieist  in  der  Zahl  3 — 4  (selten  bis  6)  vorhanden,  fast 
aufrecht,  oblong-lanzettlich,  stumpf- verschmälert,  glänzend  grün.  Die  Blüthen,  meist 
1 — 4  (selten  5 — 6),  besitzen  ein  gamophylles  Perigon.  Die  besonders  an  der  Basis 
bleiche,  bis  25  cm  lange  Perigonröhre  ist  im  unteren  Theile  noch  im  Boden  versteckt  . 
Der  Perigonsaum  ist  glockig,  hell-lila-rosafarben,  selten  weiss  und  kaum  Über  4  cm 
lang.  Die  Segmente  sind  elliptisch-lanzettlich,  die  inneren  etwas  kleiner,  alle  15 — 20- 
nervig  mit  hervortretenden  Mittelnerven.  Sie  sind  in  der  Zahl  6  vorhanden  und 
entsprechen  2  trimeren,  alternirenden  Blattkreisen.  (!  Staubfäden  sind  in  2  alter- 
nirenden,  trimeren  Kreisen  angeordnet.  Die  Stamina  des  innereu  Wirteis  sind 
etwas  länger  und  höher  inserirt  als  die  des  äusseren.  Alle  tragen  am  Grunde  ein 
kleines  Nectarium,  sind  dem  Schlünde  des  Perigons  eingefügt  und  in  dieses  ein- 
geschlossen. Sie  "sind  V'2— 1  3  so  lang  als  die  Perigonabschnitte  und  werden  oft 
von  den  Narben  überragt.  Die  zwei  fächerigen,  lineal-oblongen  Antheren  sind  über 
der  Basis  der  Innenseite  den  fadenförmigen ,  freien  Filamenten  angeheftet  und 
daher  schaukelnd.  Sie  springen  am  Rande  auf.  Das  Gynaeceum  besteht  aus  drei 
«Verständigen  Carpellen  und  ist  dreifächerig.  In  jedem  Fache  liegen  zahlreiche 
aaatrope  Ovula.  Der  Fruchtknoten  liegt  an  der  Spitze  des^  Stengelehens  neben 
der  Knollenbasis  tief  in  der  Erde.  Sind  mehrere  vorhanden,  so  krönen  dieselben 
in  einen  Kreis  gestellt  den  kurzen  Stengel.  Die  drei  sehr  langen ,  freien,  faden- 
förmigen Griffel  ragen  aus  der  Perigonröhre  hervor,  bleiben  aber  in  der  Glocke 
eingeschlossen.  Die  Narben  sind  schwach  nach  Aussen  gekrümmt.  Die  im  Juni 
reifenden,  noch  mit  den  Griffelresten  bekrönten  Kapseln  sind  oblong,  weit  auf- 
geblasen, bis  65  mm  lang,  hellbraun,  aussen  unregelmässig  querrunzelig,  au  der 
oberen  Seite  von  oben  nach  unten  scheidewandspaltig  (septicid)  aufspringend,  die 
zahlreichen,  an  der  Innenseite  der  Carpelle  angehefteten  8amen  sind  rundlich  und 
besitzen  eine  Caruncnla. 

Die  Herbstzeitlose  blüht  bei  uns  Ende  August  bis  November,  sehr  selten  und 
dann  meist  mit  kleineren  Blüthen  im  Frühling  (V.  Vernum  Sc/trk. ,  C.  veniale 
Hoffm.,  G.  praecox  Spenn.).  Eine  in  Transsylvanien  und  Croatien  einheimische 
robustere  Varietät  (C.  pannonicum  Griseh.  et  Hehle.)  besitzt  grössere  Knollen, 
breitere  Blätter  und  zahlreichere  Blüthen. 

In  arzneilicher  Anwendung  sind  der  Knollen  und  der  Same. 

1.  Tubera  Golchici  (Ph.  Belg.,  Brit,  Galt,  Graec,  Hisp.,  Neerl.,  Un.  St.) 
«nd  eiförmig,  3— 5  cm  lang,   3— 4cm  dick,  auf  der  einen  Seite  flach,  auf  der 

R-al-Encyclopädie  der  ge«.  fctaarmacie.  III.  .  14 

Digitized  by  Google 


210 


COLCHICUM. 


anderen  convex  und  von  einer  braunen  häutigen  Sehale  umkleidet,  die  nach  oben 
in  eine  Seheide  ausläuft.  Im  Herbst  sind  sie  auf  der  ilachen  Seite  mit  einer  nicht 
gauz  herabreichenden  Längsrinne  versehen,  an  deren  Basis  sich  der  kurze  Steugel 
findet  (s.  oben).  Bis  zum  Mai  des  der  Blüthe  folgenden  Jahres  ist  der  alte  Knollen 
entleert.  Der  dann  in  der  Bildung  begriffene  Knollen  zeigt  im  Frühjahr  noch  keiue 
Läugsrinne,  sondern  an  der  Stelle,  wo  dieselbe  später  entstehen  soll,  eine  kleine 
Knospe,  die  bis  zum  Herbst  zur  Blüthe  wird.  Beim  Trocknen  collabirt  auch 
die  junge  Frühjahrszwiebel  an  dieser  Stelle  und  zeigt  alsdann  ebenfalls  die  Längs 
rinne  deutlich  angedeutet. 

Neben  diesen  regelmässig  gestalteten  finden  sich  bisweileu  auch  mehr  oder 
weniger  unregelmässige.  Vollkommen  ausgebildet  sind  die  Kuollcn  oft  fast  rund 
oder  birnförmig  und  der  Querschnitt  ist  dann  fast  kreisförmig.  In  Entleerung  be- 
griffene Knollen  haben  einen  unregelmässigen  Querschnitt  und  sind  durch  Sehrum- 
pfuug  mehr  oder  weniger  collabirt.  Oft  sitzen  2  Knollen  beisammen,  von  denen 
der  eine  (der  vorjährige)  geschrumpft  und  stark  runzlig,  der  andere  (der  diesjährige) 
prall,  fest,  innen  weiss,  dicht  und  fleischig  ist.  Dieser  allein  ist  in  Anwendung  zu 
ziehen,  der  andere  ist  zu  verwerfen. 

Frisch  riecht  der  Zeitlosenknollen  stark  unangenehm  widerlich,  rettigartig,  beim 
Trocknen  verschwindet  aber  dieser  Geruch  bald.  Der  Geschmack  ist  süsslieh, 
bitterlich,  scharf  kratzend.  Beim  Trocknen  schrumpft  der  Knollen,  wird  aussen 
braun  und  runzlich  —  der  alte  Kuollen  fällt  fast  ganz  zusammen  —  innen  bleibt 
er  vlicht  und  weiss  und  behält  auch  den  ursprünglichen  Geschmack. 

Das  Lupenbild  des  Querschnittes  zeigt  besonders  gegen  das  Centruin  zahlreiche 
Punkte.  Anatomisch  erweisen  sich  dieselben  als  Gcfässbündel,  die  aus  neben  einander 
liegendem  Gefäss-  und  Siebtheil  bestehen  und  zerstreut  zwischen  düuuwandigem, 
isodiametrischem  Parenchym  liegen.  Letzteres  ist  dicht  mit  Stärke  erfüllt,  dessen 
meist  zu  2  ,  3  und  4  zusammengesetzte  Körner  einen  ceutralen ,  strahligen  Spalt 
zeigen. 

Man  sammelt  die  Knollzwiebel  zu  der  Zeit,  die  dem  Höhepunkt  ihrer  Entwick- 
lung entspricht,  also  im  Spätsommer  (Ende  Juli  bis  Anfangs  August)  oder  Früh- 
herbst  von  der  blühenden  Pflanze  oder  kurz  bevor  die  Blüthe  aufbricht.  Nach  dein 
Verblühen  und  im  Frühjahr  ist  der  Kuollen  unwirksam,  der  ältere  ist  entleert 
und  der  jüngere  noch  nicht  ausgebildet. 

Man  bringt  den  Zeitlosenknollen  jetzt  oft  in  nierenförmigen  oder  mehr  weniger 
rundlichen,  nicht  sehr  dicken,  harten,  zerbrechliehen,  mehligen  Querscheiben  in  den 
Handel.  Man  bewahrt  sie  unter  Tabula  C  vorsichtig  und  nicht  über  ein  Jahr  lang 
(Ph.  Belg.)  auf. 

Die  Wirksamkeit  ist  am  grössten  kurz  vor  der  Blüthezeit  im  Frühherbst  oder  im 
Frühjahr  vor  Entwicklung  des  fruchttragenden  Stengels.  Daher  schreiben  als  Ein- 
sammlungszeit  vor  Ph.  Brit.  Ende  Juni ,  Ph.  Neerl.  Juli  und  August ,  Ph.  Belg. 
Ende  des  Frühlings  oder  Anfang  des  Sommers ,  wenn  die  Blätter  welk  sind  oder 
im  Herbst  bei  beginnender  Blüthe.  Die  Ph.  Boruss.  ed.  VI.  gibt  als  Einsammlung«- 
zeit  den  Herbst  (zur  Blüthezeit)  oder  den  Anfang  des  Frühlings  (beim  Erseheinen 
von  Stengel  und  Blättern!  an.  Um  Verwechslungen  vorzubeugen,  wählt  man  am 
besten  erstere  Zeit. 

Frisch  soll  der  Knollen  nach  Ph.  Brit.  und  Boruss.  VI.,  getrocknet  nach  Ph. 
Neerl.  und  Un.  St.  verwendet  werden.  Die  anderen  Pharmakopoen  enthalten 
darüber  keine  Bestimmungen.  Zu  den  officinellen  Präparaten  sehreiben  nur  frische 
Zwiebeln  vor  die  Ph.  Boruss.  VI.  und  Gall.,  nnr  trockene  die  Ph.  Belg.,  Graec., 
Neerl.  und  Un.  St.,  theils  frische,  theils  trockene  die  Ph.  Brit.  und  Hisp.  (IIiksch  >. 

Vor  dem  Gebrauch  ist  sie  von  der  braunen  Hülle  und  den  Wurzeln  zu  befreien. 

Als  freilich  bei  näherer  Betrachtung  kaum  mögliche  Verwechslungen 
werden  die  echten  Zwiebeln  der  Tulpe  und  anderer  Liliaceen  genannt 

Anwendung  findet  der  Knollen  in  Deutsehland  und  Oesterreich  kaum  noch, 
häufiger  verwendet  man  ihn  in  Frankreich  und  Belgien,  aber  auch  dort  wohl  meist 


Digitized  by  Google 


COLCHICUM.     :  / 


211 


nur  als  Acetum  ,  Oxymcl ,  Mellitum  ,.  Tjüctur:  und  ',  Vimiüi ',  den  hauptsächlichsten 
Knollenpräparaten.  Zu  10.0  wirkt  der!  frische  .Knüllen  schon  tödthch.  , 

Der  Knollen  enthält  frisch  nicht 'u«eVhe4jtiche:Mengere  jColehiein  (im  Juli  und 
August  das  meiste),  0.066 — 0.0t»5  Pröeent  >('1.4.-r- K&8  Procent,  Johansox),  trocken 
weniger,  viel  Stärke  (  20  Procent  ra  dem  frischen.,' 30:  Procent  in  dem  trockenen 
Knollen),  Zucker,  Harz,  Fett.  •/»••... 

2.  Semen  Col eh  i c  i  (Phi  Gerni J,  Austr.,i  iüing..  Russ.,  HcJv.,  Gall.,  Belg., 
Neerl.,  Brit.,  Dan.,  Suec.,  Un.JStj).  •  lAie  im  Mai  und  Juni  völlig  reifen  Samen  der 
Zeitlose  sind  rundlich  verkebrteiförmig ,.  fast  rund,,  oft  im  unteren  Theile  durch 
gegenseitigen  Druck  etwas  kantig,  .1— 3mra  gross,  frisch. weisslich,  trocken  dunkel- 
braun, sehr  fein  und  dicht  körnig-höckerig  und  .dadurch  grubig  punktirt,  weuig 
runzlig,   matt  i   wenn  nicht  i zu  alt ,:  aiisßen   üi  Folge  Ausschwitzens  von  Zucker 

schmierig,  mit  einer  helleren 
!  !       *».  'iOaruncula  (in  den  Beschrei- 

bungen raeist  Xabelwulst  oder 
Samenschwiele  genannt)  ver- 
sehen ,  die  hn  frischen  Zu- 
stande weiss,  fleischig  und 
sehr  gross  ist,  beim  Trocknen 
aber  sehr  stark  schrumpft. 
Im  Innern  sind  sie  weiss, 
homartig  hart,  zähe. 

Der  kleine,  ungetheilte, 
blattlose  Embryo  liegt  in  dem, 
die  Hauptmasse  des  Samens 
ausmachenden  grauen,  horni- 
gen Endosperm  schief  exeen- 
trisch ,  der  Samenschale  ge- 
nähert, an  dem  der  Caruncula 
abgekehrten  Ende. 

Die  Samenhaut  besteht  aus 
dllnnwandigeu ,  im  trockenen 
Samen  stark  collabirten,  bräun- 
lichen Zellen,  von  denen  eine 
der  äusseren  Reihen  meist  er- 
heblich grösser  als  die  der 
anderen  ist  und  deren  innere 
Reihen  tangential  gestreckt 
erscheinen.  An  der  Caruncula 
wird  dies  Gewebe  erheblich 
mächtiger,  auch  wird  dassclbo 
dort  von  einem  Gefässbündel 
durchzogen  und  enthält  (wie 
auch  an  den  übrigen  Stellen) 
Stärkemehl  von  der  Form  des 
in  den  Knollen  vorkommenden.  Die  Pigmentschicht  besteht  aus  2 — 3  Reihen 
tangential  gestreckter,  mit  braunem  Inhalt  versehener  Zellen,  die  innere  Samenhaut 
ist  derb,  zusammenhängend  und  mit  dem  Endosperm  verwachsen.  Das  Endosperm 
zeigt  einen  deutlich  strahligen  Bau.  Die  Zellen  des  Endosperms  sind  dickwandig 
und  grob  getüpfelt.  Sie  enthalten  neben  fettem  Oel  schön  ausgebildete  Aleuron- 
körner.  Die  Zellen  des  Embryos  sind  klein,  dünnwandig  und  enthalten  kleine 
Aleuronkörnchen. 

Die  Colchicumsamen  sind  auch  im  frischen  Zustande  geruchlos,  schmecken  aber 
Mhr  bitter  und  widerlich  kratzend.  Sie  enthalten  reif  und  unreif  Colchicin, 
0.2—0.4  Procent  (1.27  Procent,  Johanson),  dessen  Spaltuugsprodncte  (Jolehieein, 

Digitized  by  Google 


'olcMemm  autumnale 


Querschnitt  durch  die  Kand]>Arttt  . 
Samen*.  «  AeiiKnere  Sumenhsut.  p  Pijfineut»chicht.  «Endo- 
»penn  mit  a  Aleuronkörneru. 


212 


COLCHICUM.  —  COLD-CREAM. 


Colchicoresin ,  Apocolchicein  in  den  Präparaten ,  dem  Vitium  Colchici  beispiels- 
weise, ebenfalls  enthalten  sind.  Ausser  Colehicin  findet  sich  im  Samen  5  Procent 
nicht  polarisirender  Zucker  (Flückiger),  6 — 8  Prooent  fettes  Oel,  7 — 20  Procent 
Eiweisssubstanzen  (Bley),  in  der  Samenschale  Gerbstoff  und  Stärke. 

Neben  der  anatomischen  Analyse  bietet  der  Nachweis  des  Colchicins  den  besten 
Anhalt  zur  Beurtbeilung  der  Identität.  Behufs  Ausführung  dieses  Nachweises  kocht 
man  einige  Samen  mit  verdünntem  Alkohol  aus,  dampft  zur  Syrupsdicke,  nimmt 
mit  absolutem  Alkohol  auf,  dampft  wieder  ein  und  nimmt  mit  wenig  Wasser  auf. 
Diese  Lösung  wird  mit  Salpetersäure  gelb.  Lässt  man  einen  Tropfen  Schwefelsäure 
auf  die  gelbe  Lösung  fliessen,  so  umgibt  er  sieh  mit  blauvioletten  Kreisen. 

Mikrochemischer  Nachweis:  Mit  Salzsäure  und  unterchlorigsaurein 
Natron  färben  sich  Schnitte  aus  Knollen  und  Samen  rosenroth ,  darauf  körniger 
Niederschlag  (Paschkis). 

Da  sich  das  Colehicin  in  den  Samen  länger  unzersetzt  hält  als  in  den  Knolleu, 
so  zieht  man  erstere  (seit  1820)  der  letzteren  vor.  Auch  die  Blüthen  und  Blätter 
enthalten  Colehicin  (Geiger,  Hesse,  Bley,  Reithned),  schmecken  daher  ebenfalls 
kratzend  bitter;  erstere  sind  sogar  von  der  Ph.  Gall.  reeipirt  worden.  Am  meisten 
ist  davon  aber  in  den  Samen  enthalten,  die  denn  auch  zur  Zeit  fast  allein  in  An- 
wendung sind.  Der  Hauptsitz  des  Colchicins  soll  die  Samenhaut  sein  (HChler, 
Morris).  Auch  andere  Colchicnmarten  enthalten  es  (Rochette). 

Die  Zeitlosensaraen  sollen  alljährlich  erneuert  werden  und  müssen  mit  der  Hand 
zusammengeballt  an  einander  kleben.  Man  sammelt  sie  im  Juni,  trocknet  unter 
Ausschluss  des  Lichtes  an  einem  lauwarmen  Orte  und  bewahrt  sie  in  gut  ver- 
schlossenen Blech-  oder  Glasbüchsen  auf.  Unreife  und  blasse  Samen  sind  zu  ver- 
werfen. Cm  das  Pulver  daraus  (meist  nur  ex  tempore)  darzustellen,  schrotet  mau 
sie  zuvor  auf  einer  Mühle.  8ie  pulvern  sich  sehr  schlecht. 

Sie  gehören  zu  den  scharfnarcotischen  Giften  und  erzeugen  in  grösseren  Dogen 
Würgen,  Erbrechen  und  Abführen,  brennenden  Durst,  häufig  die  Symptome  der 
Cholera.  Sie  sind  in  der  Form  ihrer  Präparate  —  Tinct.  Colchici  (1.0 !  Ph.  Austr., 
2.0 !  Ph.  Germ.),  Vitium  Colchici  in  derselben  Dosirung  —  gegenwärtig  fast  nur 
noch  gegen  Gicht  und  Rheumatismus  in  Anwendung. 

Vergiftungen  durch  den  Genuss  der  Früchte,  Samen  und  Blätter  (als  Salat), 
sowie  medicinale  Vergiftungen  sind  nicht  gerade  selten.  Als  tödtliche  Dosi.s  der 
Samen  können  3 — 5  g,  der  Blätter  60  g,  der  Tinctur  30  g,  des  Weines  14 — 60  g 
angesehen  werden.  Das  Extract  tödtete  in  einem  Falle  schon  zu  1.5  g. 

Das  Colehicin  wird  langsam  resorbirt,  die  Vergiftungserscheinungen  pflegen  des- 
halb erst  nach  mehreren  Stunden  aufzutreten.  Bei  medicinalen  Dosen  ist  auf  die 
cumulative  Wirkung  zu  achten. 

Die  antidotarische  Behandlung  hat  vor  Allem  die  Entleerung  des  Magens  zu 
bewerkstelligen,  dann  sind  Gerbstoffe,  Opium ,  Analeptica  angezeigt ,  endlich  wird 
der  Arzt  die  Symptome  bekämpfen.  Tschirch. 

ColCOthar  (VitriOli)  =  Caput  mortuum;  s.  d.  pag.  541. 

Cold-Cream  der  Ph.  g  erm.  s.  Uuguentum  leniens,  der  Ph.  Austr. 
s.  Unguentum  emolliens.  Andere  gute  Vorschriften  zu  Cold-Cream,  Creme 
Celeste,  sind:  8  Th.  Cera  alba,  8  Th.  Cetaceum  und  50  Th.  Oleum  Amygda- 
larum  schmilzt  man,  lässt  nahezu  erkalten,  rührt  nun,  bis  die  Masse  schön  schaumig 
und  weiss  ist,  setzt  dann  unter  fortgesetztem  Agitiren  25  Th.  Wasser,  in  welchem 
1  a  Th.  Borax  gelöst  ist ,  nach  und  nach  zu  und  parfümirt  zuletzt  beliebig.  — 
Oder  (mit  Glycerin):  8  Th.  Wachs,  8  Th.  Cetaceum,  50  Th.  Mandelöl, 
1213Th.  Glyzerin,  121  3  Th.  Wasser  und  1  a  Th.  Borax.  —  Oder  (ohne 
Wasser):  25  Th.  Wachs,  50  Th.  Cetaceum,  160  Th.  Mandelöl  werden  ge- 
schmolzen und  erkalten  gelassen,  tüchtig  agitirt  und  nun  unter  fortgesetztem 
Rühren  noch  50  Th.  Mandelöl  beigemischt.  —  Oder  (mit  Vaseline):  8  Th. 
Wachs,  8  Th.  Cetaceum,  50  Th.  Mandelöl,  20  Th.  Vaseline  (gelbe  oder  weiss«), 

Digitized  by  Googl 


COLÜ-CREAM.  —  COLLECTIVLINSE. 


213 


20  Th.  Wasser  und  1  Th.  Borax.  —  Einen  einfachen,  aber  sehr  guten  Cold- 
Cream  stellt  Oleum  Cocos  opt.  mit  Oleum  Rosae  parfümirt  dar. 

G  Ho  f  Di  a  d  n. 

Coler's  Kampfermilch,  ein  Gebeimmittel ,  besteht  (nach  Schädler)  aus 
10  g  Zinkoxyd  in  180  g  Rosenwasser  suspendirt  mit  5  g  Kampferspiritus. 

ColiC  RoOt,  das  Rhizom  von  Alletris  fart'nosa  L.  (Haemodoraceae) ,  ein 
in  Amerika  gebräuchliches  Bittermittel.  Ebenso  beisst  das  Rhizom  von  Liatris 
spicata  Willd.  (Compositae)  und  von  Apocynum  androsaemifolium  L. 

Colignon's  Kropfbalsam.   iog  Kai  htm  bromatum  werden  in  je  20  g 

Spiritus  dilutus  und  Aqua,  anderseits  20  g  Sapo  medicatus  in  40  g  Spiritus 
ailutus  gelöst :  die  Lösungen  werden  gemischt  und  daun  noch  20  g  Tinctura 
Conii  hinzugegeben. 

ColirSn  nennt  man  die  Operation  des  Trennens  einer  Flüssigkeit  von  einem 
festen  Körper  durch  Abseihen  der  Flüssigkeit  durch  ein  Seihtuch  oder  Colirtueh, 
Colatorium,  so  dass  der  feste  (meist  extrahirte  oder  infundirte)  Körper  auf  dem 
Colatorium  zurückbleibt.  Das  Coliren  ist  mithin  ein  primitives  Filtriren. 

Colla  (xoAAaj,  Leim.  —  G.  animalis,  s.  Gelatina;  C.  piscium,  s.  lchthyo- 
colla.  Th.  Hnsemann. 

Collagen,  leimgebendes  Gewebe,  welches  beim  Kochen  mit  Wasser  eine  Leim- 
lösung gibt,  die  genügend  concentrirt,  nach  dem  Erkalten  erstarrt.  Collagen  tritt 
bei  sämmtlichen  Wirbelthieren,  mit  Ausnahme  des  Ampkioxus  lanceolatus  (Hoppb- 
Sbyleb),  in  den  verschiedensten ,  mikroskopisch  wenig  charakterisirten  Formen 
auf.  Sehnen,  Fascien,  Bänder,  Haut,  Drüsen  gehören  dazu.  Von  den  wirbellosen 
Thieren  sind  es  nur  die  Cephalopoden ,  deren  Fleisch  beim  Kochen  Leim  liefert. 

CollapS  (lat.),  eine  plötzliche  Herabsetzung  der  Lebensthätigkeit  in  Folge 
verminderter  Herzthätigkeit. 

C0lla8'  Fer  reduit,  Fer-Collas,  ein  angeblich  durch  Elektricitat  reducirtes 
Eisen,  kommt  von  Paris  aus  in  kleinen  Gelatinekapseln  von  der  Form  der 
Aetherperlen  in  deu  Handel ;  jede  Kapsel  enthält  0.1  g  Eisen.  —  Collas'  Pilllles 
Alegres  contre  les  hämorrhoides  sind  mit  Silber  überzogene  Pillen,  welche  (nach 
Hager)  Extractum  Capsici  enthalten. 

Collectivtinse  ist  eine  planconvexe  Sammellinse  am  unteren  Ende  des  Oculars 
des  neueren  Mikroskope«  und  des  Teleskopes,  durch  welche  dieselben  ihre  jetzige 
Vollkommenheit  erst  erreichen  konnten.  Das  alte  Mikroskop  bestand  aus  einer 
kleinen  biconvexen  Objectivlinse  mit  kurzer  Brennweite,  welche  im  oberen  Theile 
des  Tubus  ein  vergrössertes,  umgekehrtes,  reelles  (wirkliches)  Bild  lieferte.  Das- 
selbe wurde  durch  ein  biconvexes ,  als  Lupe  dienendes  Ocular  zum  zweiten  Male 
vergrößert  und  bot  sich  dann  dem  Auge  mit  stark  gewölbter  Bildfläche  dar.  Das 
Objectirbild  konnte  nur  durch  einen  kleinen  Theil  der  durch  das  Objectiv  füllen- 
den Strahlen,  durch  die  mittleren  derselben,  gebildet  werden,  wenn  es  das  Gesichts- 
feld des  Oculars  nicht  überschreiten  sollte,  und  blieb  daher  so  lichtsebwach,  dass 
starke  Vergrösserungen  aufgeschlossen  waren.  Das  Collectivglas  der  neueren  In- 
strumente liegt  unterhalb  der  Brennweite  des  Objectives  im  Tubus  und  nöthigt 
sämmtliche  durch  das  letztere  gehende  Strahlen  durch  Sammlung  zu  einem  im 
Gesichtsfelde  des  Oculares  liegenden  Bilde  zusammenzutreten ,  welches  nach  der 
zweiten  Yergrösserung  durch  das  planconvexe  Augen/rlas  des  Oculars  ein  möglichst 
ebenes  und  lichtstarkes  Bild  des  Objectes  liefert. 

Der  verfügbare  Raum  gestattet  nicht,  näher  hierauf  einzugehen.  Jedoch  dürfen 
wir  nicht  unterlassen  hervorzuheben ,  dass  dieses  von  Huyghen  erfundene  und 
von  Campaxi  am  Mikroskop  eingeführte  Ocular  nicht  einmal  achromatischer  Linsen 
bedarf,  ausser  zum  Photographiren  mikroskopischer  Bilder  mit  sogenannten  ortho- 


214 


COLLECTIVLINSE.  —  COLLODIUM; 


skopischen  Ocnlaren.  Denn  die  Krümmungshalbmesser  und  der  Abstand  des  Augen- 
glases von  der  Collectivlinse  (die  Hälfte  der  Summe  ihrer  Brennweiten)  sind  so 
gewählt  worden,  dass  die  chromatische  Aberration  den  letzteren  durch  die  sphärische 
Aberration  des  ersteren  nahezu  aufgehoben  wird.  Die  stärker  durch  das  Collectiv- 
glas  gebrochenen,  violotten  Strahlen  treffen  das  Augenglas  mehr  central  und 
werden  dort  weniger  gebrochen ;  die  schwächer  in  jenem  gebrochenen ,  rothen 
Strahlen  treffen  letzteres  mehr  am  Rande  und  werden  dort  stärker  gebrochen,  so 
dass  sämmtliche  von  jedem  einzelnen  Objectpunkte  ausgegangenen  Strahlen  nach 
ihrer  mannigfachen  Ablenkung  in  den  verschiedenen  brechenden  Medien  sich  in 
je  einem  Bildpunkte  wieder  vereinigen  und  dass  die  sämmtlichen  Bildpunkte  in 
derselben  symmetrischen  Anordnung,  wie  diejenige  der  Objectpunkte,  sich  auf  der 
Netzhaut  des  Auges  projiciren,  worauf  die  Correctheit  des  Bildes  beruht. 

Gänge. 

Collenchym  (xö).Xz,  Leim  und  cy/  jax,  das  Gegossene)  ist  das  mechanische  Ge- 
webe wachsender  Pflanzeuorgane,  Collenchynizellen  sind  gestreckt  cylindrisch,  besitzen 
horizontale  Querwände  und  führen  fast  stets  noch  Inhalt  (Chlorophyllkörner,  Zell- 
saft, selbst  Zellkern).  Sie  sind  ausgezeichnet  durch  starke  Verdickung  der 
Ecken,  bei  verhältnissniässig  geringer  Verdickung  der  Berührungsflächen.  Die 
Membran  besteht  (auch  in  den  Verdickungen)  stets  aus  reiner  Cellulose.  Sie  ist 
zart  geschichtet ,  stark  lichtbrechend ,  aber  wenig  quellbar  und  das  Collenchym 
trägt  daher  seinen  Namen :  Gallertgewebe  mit  Unrecht  (Ambronn).  Die  Zellen  ver- 
einigen vielmehr  grosse  Festigkeit  mit  leichter  Dehnbarkeit,  sind  daher  ihrer 
Function,  wachsenden  Organen  die  nöthige  Festigkeit  zu  verleihen,  sehr  vortheil- 
haft  angepasst.  Die  ältere  Anatomie  rechnete  das  Collenchym  seiner  topographischen 
Anordnung  unter  der  Epidermis  wegen  zu  dem  Hypoderra.  Man  findet  Collenchym 
in  den  Stengeln  krautiger  Pflanzen ,  den  Rinden  der  üolzpflanzen  (in  der  Mittel- 
rinde), Blattstieleu  und  Blattrippen,  überall  nach  mechanischen  Grundsätzen  ange- 
ordnet. Von  Drogen  zeigen  junge  Chinarinden  (Loxa),  Stipites  Dulcamare,  die 
Axen  der  Kräuter  und  die  Mittelrippen  der  Blätter  (Mentha,  Digitalis  u.  a.)  wohl 
ausgebildetes  Collenchym.  Das  mechanische  Gewebe  älterer  Organe  ist  das  Stereom 
(Stereiden,  Bastzcllcn).  Tschirch. 

Colleteren  (*o  "jüujto;,  zusammengekittet)  heissen  die  Drttsenhaare ,  weil  sie 
oft  untereinander  verklebt  sind. 

ColHdin,  Trimethylpyridin,  (C  H3)3  .  C5  H3  N ,  ist  eine  der  sogenannten 
Pyridinbascn  (s.d.).  Verschiedene  Collidiue  (x-  und  £-)  sind  in  den  Producten 
der  trockenen  Destillation  von  Knochen,  Schiefer,  Torf,  sowie  durch  Destillation 
von  Cinchonin  und  anderen  Alkaloiden  mit  Aetzkali  erhalten  worden.  Aldehyd- 
c  o  1 1  i  d  i  n  (A  l  d  e  h  y  d  i  n)  findet  sich  an  Essigsäure  gebunden  im  Vorlauf  des  Fuselöls 
vom  Ilobspiritus  und  bildet  sich  durch  Erhitzen  von  Aethylidenchlorid  öder  -Bromid  mit 
alkoholischem  Ammoniak  auf  160°  (4  C,,  H4  Cl .  Cl  4-  NH3  =  C*  Hn  N  +  8  H  Ol), 
ferner  auch  durch  Erhitzen  einer  alkoholischen  Lösung  von  Aldehydammoniak  auf 
ILM»"  neben  Paracollidi  n.  Paracollidin  siedet  bei  200 — 2-'0°,  die  anderen 
Collidiue  bei  179°. 

CollinSOnia,  Gattung  der  Labiatae ,  Unterfamilie  Satnre/eae.  Ausdauernde, 
dem  Salbei  ähnliche,  aromatische  Kräuter  mit  drüsigen  Blättern  und  gipfelständigen 
Inflorescenzen.  Die  Unterlippe  der  Corollenröhre  ist  dreilappig,  zerschlitzt. 

Die  Wurzel  von  <'oUin*onia  canadensis  L.  ist  in  Nord-Amerika  als  Store- 
root  ein  Volksmittel  gegen  Blasenleiden,  besonders  gegen  Harnsteine. 

Collodium  (Ph.  omnes  t,  Collodium.  Eine  farblose  oder  nur  schwach  gelblich 
gefärbte,  säurefreie,  leicht  entzündliche  Flüssigkeit  von  Syrupdicke,  in  dünnen 
Schichten  rasch  eintrocknend  zu  einer  farblosen,  fest  zusammenhängenden  Maut, 
welche  sich  weder  in  Wasser,  noch  in  Weingeist  auflöst.  —  Zusammensetzung: 


Digitized  by  Google 


COLLODIUil. 


215 


Das  Oollodium  ist  eine  Lösung  der  Collodiumwolle  (Colloxylin ,  Pyroxylin)  iu 
weingeisthaltigem  Aether.  Die  Collodiumwolle  wird  von  den  Einen  als  Trinitro- 
cellulose ,  von  den  Anderen  als  Dinitrocellulose  betrachtet :  ersterer  kommt  die 
Formel  Cu  H7  (NO,)s  0M  letzterer  die  Formel  C(t  H„  fXOa)3  05  zu.  Die  viel  explo- 
sivere eigentliche  „Schiessbaumwolle"  (Pyroxylin  im  engeren  Sinne)  wird  hiernach 
bald  ala  Trinitro-.  bald  als  Pentanitrocellulose  angesehen.  Ebenso  verschieden 
wird  die  Constitution  dieser  Verbindungen  beurtheilt.  Während  man  sie  bisher  als 
einen  Nitrokörper  ansah,  d.  i.  als  Oellulose,  in  welcher  mehrere  Atome  Wasser- 
stoö'  durch  ebeu  so  viele  Moleküle  der  Atomgrnppe  NO,  (Untersalpetersilure)  sub- 
stituirt  sind ,  neigt  eine  neuere  Anschauung  dahin ,  die  Nitrocellulose  als  einen 
Aether  der  Salpetersäure  anzusprechen.  Letztere  Ansicht  wird  durch  das  Verhalten 
der  Nitrocellulose  gegen  concentrirte  Schwefelsäure,  Aetzalkalien  und  reducirende 
Mittel,  z.  B.  Eisenoxydulsalze,  begründet.  Sowohl  concentrirte  Schwefelsäure,  wie 
Aetzalkalien  entziehen  nSmlich  der  Nitrocellulose  Salpetersäure,  Eisenoxydulsalze 
oxydiren  sich  unter  Entwicklung  von  Stickoxyd;  iu  allen  diesen  Fällen  wird 
Oellulose.  regenerirt.  Auch  charakterisiren  sich  die  eigentlichen  Nitroverbindungen 
(bei  denen  die  NOj-Gruppe  durch  das  Stickstoffatom  an  ein  Kohleatom  gebunden 
ist)  durch  gelbe  Färbung ,  wie  wir  sie  beim  Nitrobenzol  (Mirbauöl) ,  dem  Trini- 
trophenol  (Pikrinsäure)  sehen ;  diese  zerlegen  sieh  mit  Alkalien  nicht  in  Nitrate 
derselben,  unter  Regeueration  des  Körpers,  aus  dem  sie  sich  gebildet  haben.  Bei 
der  Nitrocellulose  ist  dagegen,  wie  auch  beim  Nitroglycerin,  die  NO,-Gruppe  durch 
ein  Sauerstoffatom  mit  dem  Kohleatom  verbunden,  wie  dies  iu  den  Nitraten  allent- 
halben der  Fall  ist. 

Die  Bildung  der  Nitrocellulose  aus  der  Cellulose  geschieht  durch  die  Einwirkung 
starker  Salpetersäure  und  unter  gleichzeitiger  Bildung  und  Austritt  von  Wasser. 
Nämlich 

I.  CttH10O5  +  2  HNO.,  =  C„  H8  (N03),  05  +  2  H,  0 
(Cellulose)  (Salpetersäure)  (Dinitrocellulose)  (Wasser) 

II.  C0  Hi0  0,  +  3  HNO.,  =  Ce  H7  (NO,),  06  +  3  H,  0 

(Tri  n  itrocel  1  u  lo  se) 

Die  Bereitungsweise  des  Collodiums  wird  von  den  verschiedenen  Pharma- 
kopoen nicht  ganz  gleich  angegebeu.  Nach  Ph.  Germ,  löst  man  2  Th.  Collodium- 
wolle in  einer  Mipchung  aus  42  Th.  Aether  (spec.  Gew.  0.724)  und  6  Th.  Wein- 
geist (spec.  Gew.  0.832) ,  nach  Ph.  Gail.  in  einer  Mischung  aus  30  Th.  Aether 
und  8  Th.  Weingeist  (von  05°),  nach  Ph.  Un.  St.  in  einer  Mischung  aus  35  Th. 
Aether  und  1 3  Th.  Weingeist  (spec.  Gew.  0.820).  Da  die  Collodiumwolle  selten 
klar  und  vollständig  vou  dem  weingeisthaltigen  Aether  aufgenommen  wird ,  ist 
die  Mischung  einige  Zeit  bei  Seite  zu  stellen  und  die  geklärte  Lösung  von  dem 
abgeschiedenen  Bodensatze  zu  decantiren.  Auch  empfiehlt  es  sich,  die  Collodium- 
wolle zuvor  mit  der  anzuwendenden  Menge  des  Weingeistes  anzufeuchten ,  bevor 
man  den  Aether  zufügt.  Es  kommen  auch  Fälle  vor,  wo  eine  grössere  Menge 
Weingeist  nöthig  ist ,  um  eine  vollkommene  Lösung  zu  erzielen.  —  Die  Dar- 
stellung der  Collodiumwolle  kann  in  verschiedener  Weise  geschohon.  Zu- 
nächst gibt  es  zwei  Hauptwege:  1.  Die  Anwendung  eines  Gemisches  von  Salpeter- 
säure und  Schwefelsäure;  2.  die  Anwendung  einer  Mischung  zerstossenen  Kalisalpeters 
mit  concentrirter  Schwefelsäure.  Im  letzteren  Falle  wird  die  Salpetersäure  erst  er- 
zeugt, welche  auf  die  Cellulose  wirken  soll.  Als  Material  benutzt  man  reine, 
entfettete  (resp.  mit  verdünnter  Sodalösung  gewaschene,  dann  ausgewaschene 
und  bei  100°  getrocknete)  Baumwolle.  Dieselbe  wird  zerzupft  und  in  die  voll- 
zogene und  bis  auf  15 — 20°  abgekühlte  Säuremischung  eingetragen.  Ph.  Germ.  II. 
gibt  55  Th.  Baumwolle  in  eine  Mischung  aus  400  Th.  roher  Salpetersäure  vom 
spec.  Gew.  1.380  (sogenanntes  doppeltes  Scheidewasser  des  Handels)  und  1000  Th. 
roher  Schwefelsäure  vom  spec.  Gew.  1.830.  Ph.  Gall.  verwendet  bei  sonst  gleichen 
Verhältnissen  500  Th.  rohe  Salpetersäure  vom  spec.  Gew.  1.3!>0.  In  dieses  Säure- 
gemisch  (bei  dessen  Darstellung  der  Zusatz  dor  Schwefelsäure,  die  den  Zweck  hat, 


Digitized  by  Google 


- 


216  COLLODIUM. 

die  Salpetersäure  zu  concentriren,  portionenweise  zu  derselben  geschehen  rauss,  um 
eine  stärkere  Erhitzung  zu  vermeiden)  taucht  man  nach  dem  Abkühlen  die  Baum- 
wolle mittelst  eines  Glasstabes  oder  Porzellanpistills  gleichmässig  ein  und  lässt 
24  Stunden  (Ph.  Germ.)  bei  mittlerer  Temperatur  (15— 20»)  stehen.  Nicht  immer 
ist  alsdann  die  Nitrirung  so  weit  vorgeschritten,  dass  das  Product  sich  in  dem 
weingeisthaltigen  Aetber  vollständig  löst.  Man  hat  also,  bevor  die  Behandlung  der 
Baumwolle  mit  der  Säuremischung  zu  beenden  ist,  ein  kleines  Pröbchen  der  ge- 
bildeten Nitrocellulose  herauszunehmen ,  mit  Wasser  wohl  auszuwaschen ,  dann 
kräftig  auszudrücken,  mit  etwas  Weingeist  anzufeuchten,  nochmals  auszudrucken 
und  in  eine  Mischung  aus  1  Aether  und  V«  Weingeist  zu  bringen.  Tritt  in  kurzer 
Zeit  Lösung  ein.  so  ist  die  Behandlung  mit  der  Säure  zu  beenden  ;  anderenfalls  setze 
man  sie  noch  weiter  fort,  bis  bei  einer  neueu  Probe  Lösung  erzielt  wird.  Ph.  Gall. 
schreibt  bei  35°  eine  24stündige,  bei  25°  eine  36stttndige,  bei  15°  eine  48stündige 
Maceration  der  Baumwolle  mit  der  Säuremischung  vor.  Bei  der  oben  angegebenen 
Stärke  der  zur  Verwendung  kommenden  Säuren  liegt  die  Gefahr  einer  höheren 
Nitrirung,  das  ist  der  theilweisen  oder  gänzlichen  Ueberführung  in  „Schiessbaum- 
wolle" (Tri-,  respeetive  Pentanitrocellulose),  welche  in  weingeisthaltigem  Aether  sich 
nicht  aufzulösen  vermag,  nicht  nahe.  Würde  man  aber,  nach  Vorschrift  der  Ph. 
Germ.  I.,  eine  stärkere  Salpetersäure  anwenden ,  nämlich  auf  1  Th.  Baumwolle 
eine  Mischung  aus  7  Th.  Salpetersäure  vom  spec.  Gew.  1.420  und  8  Th.  englischer 
Schwefelsäure,  so  läuft  man,  selbst  bei  nur  12stündiger  Maceration,  viel  mehr 
Gefahr,  eine  schwerer  lösliche  Collodiumwolle  zu  erzielen.  Auch  Ph.  Brit.  lässt  eine 
llhnliche  Mischung  der  stärkeren  Salpetersäure  in  Anwendung  ziehen ,  aber  auch 
nur  3  Minuten  lang  auf  die  Baumwolle  einwirken.  Sowie  uun  die  Bildung  der 
Collodiumwolle  beendigt  ist,  bringt  man  dieselbe  aus  der  Säuremischung  mittelst 
eines  Glasstabes  auf  einen  Trichter ,  lässt  sie  kurze  Zeit  (nicht  24  Stunden ,  wie 
Ph.  Germ,  angibt  i  abtropfen,  taucht  sie  alsdann  in  ein  Gefäss  mit  vielem  Wasser 
und  wäscht  sie  darin  aufs  Sorgfältigste  aus ,  zuui&r  "darauf  Rücksicht  nehmend, 
dass  keine  Knöllchen  in  der  Collodiumwolle  bleiben.  Das  Wasch wasser  wird  öfters 
erneuert,  bis  es  nicht  mehr  sauren  Geschmack  annimmt;  dann  setzt  man  das  Aus- 
waschen mit  heissem  Wasser  so  lange  fort,  bis  blaues  Lackmuspapier  durch  die 
Nitrocellulose  nicht  mehr  geröthet  wird.  Man  drückt  darauf  die  letztere  aus  und 
trocknet  sie  bei  25°  (nach  Ph.  Un.  St.  und  Ph.*  Brit.  im  Wasserbade).  Das  Aua- 
trocknen lässt  sich  sehr  beschleunigen,  wenn  man  die  ausgedrückte  Collodiumwolle 
mit  Weingeist  befeuchtet  und  nochmals  auspresst.  —  Die  Darstellung  der  Nitrocellu- 
lose mittelst  einer  Mischung  aus  zerstossenem  Salpeter  und  englischer  Schwefel- 
säure vollzieht  sich  in  kürzerer  Zeit,  nämlich  in  einer  halben  bis  ganzen  Stunde, 
selten  erfordert  sie  eine  längere  Behandlung.  Man  läuft  daher  mehr  Gefahr,  die 
unlösliche  „Schiessbaumwolle"  zu  erhalten  .  weun  mau  nicht  sorgsam  achtet  und 
zeitig  prüft,  ob  ,ein  herausgenommenes  Portiönchen  nach  dem  Auswaschen  von  wein- 
geisthaltigem Aether  aufgenommen  wird.  Auf  1  Th.  gereinigte  Baumwolle  schreiben 
mehrere  Pharmakopoen  eine  Mischung  aus  20  Th.  Kalisalpeter  und  30  Th.  eng- 
lischer Schwefelsäure  vor.  Besser  verfährt  man,  etwas  mehr  Schwefelsäure  (34  bis 
36  Th.)  anzuwenden  ;  auch  kann  man  mehr  Baumwolle  auf  diese  Portion  nehmen, 
nämlich  so  viel ,  als  sich  vollkommen  durchtränken  lässt.  Nach  Verlauf  einer 
halben  Stuude  prüft  man  die  Baumwolle  auf  ihre  Löslichkeit  in  weingeisthaltigem 
Aether :  bei  negativem  Ausfall  der  Prüfuug  wird  dieselbe  nach  Verlauf  einer  Stunde 
wiederholt,  nöthigeufalls  nochmals  nach  einer  etwas  längeren  Frist.  Darauf  folgt 
das  Auswaschen,  was  in  diesem  Falle  mit  erhöhter  Sorgfalt  zu  geschehen  hat.  dann 
das  Ausdrücken  uud  Trockneu  in  der  vorher  angegebenen  Weise.  —  Die  gewonnene 
Collodiumwolle  (Pyroxylin)  lilsst  sich  in  nicht  zu  grosse*  Partien  und  lockerer 
Verpackung,  in  wohl  verschlossenen  Glasgelässen  au  einem  kühlen,  trockenen 
Orte,  vor  Licht  geschützt,  aufbewahren.  Sobald  sich  in  ihr  gelbe  Stellen  zeigen, 
von  einer  beginnendeu  Zersetzung  herrührend,  sind  dieselben  sofort  herauszu- 
nehmen. 


Digitized  by  Google  | 

j 


COLLODIÜM.  —  COLLODIUM  ELASTICUM. 


217 


Prüfung  des  Collodiums :  Die  Flüssigkeit  darf  weder  trübe,  noch  gefärbt,  auch 
nicht  zu  dünn,  dazu  muss  sie  von  Säure  völlig  frei  sein. 

Aufbewahrung:  In  sorgfältig  verschlossenen  Flaschen  an  einem  kflhlen 
Orte.  Wegen  des  hohen  Aethergehaltes  ist  jede  Annäherung  von  Feuer  ängstlich 
zu  meiden.  Zu  dick  gewordenes  Collodium  ist  mit  einer  Mischung  aus  7  Th.  Aether 
und  1  Th.  Weingeist  aufzudttnnen. 

Anwendung:  Medicinisch  zur  Bedeckung  wunder  Hautstellen ;  zugleich  mit 
der  Bildung  einer  zusammenhängenden  Haut  findet  eine  Contraction  statt,  daher 
sich  das  Collodium  besonders  zum  Verkleben  kleinerer  Schnittwunden  eignet.  Ebenso 
dient  es  zu  Compressivverbänden,  gegen  Frostbeulen,  bei  Verbrennungen.  Weil 
die  Collodiumhaut  etwas  spröde  ist,  setzt  man  dem  Collodium  etwas  Oel  oder 
Balsam  zu  (s.  Collodium  elasticum).  Die  spätere  Beseitigung  der  Collodium- 
haut gelingt  am  besten  durch  Essigäther.  Ferner  dient  das  Collodium  vielfach 
als  Lösungsmittel  verschiedener,  auf  die  Haut  oder  Wunden  zu  applicirender 
Arzneimittel,  zumal  von  Jodoform,  von  Quecksilberchlorid,  Tannin  u.  a.  Pbarma- 
ceutisch  benutzt  man  es  zum  Ueberziehen  von  Pillen,  die  man  an  Nadeln  be- 
festigt mit  dem  Mittel  bepinselt,  um  sie  geschmacklos  zu  macheu.  Technische 
Verwendung  findet  es  vorzugsweise  in  der  Photographie  zum  Ueberziehen  der 
präparirten  Platten;  man  verfertigt  aus  ihm  kleine  Ballons,  überzieht  mit  ihm 
Papier,  um  es  vor  Wasser  zu  schützen  u.  dergl.  Da  es  einen  auch  von  Säuren 
wenig  angreifbaren  Ueberzug  erzeugt,  kann  man  zweckmässiger  Weise  Papier- 
schilder für  Säuregefässe  durch  recht  häufig  wiederholtes  Ueberpinseln  (bis  ein 
glänzeuder  Ueberzug  geschaffen  ist)  mit  einer  Collodiumschicht  bedecken. 

Schliekum. 

Collodium  antephelidicum  Hager.  1  Th.  zineum  mifocarhoUcum  wird 

in  40  Th.  Collodium  und  10  Th.  Spiritus  gelöst  und  dann  1  Th.  Oleum  Citri 
hinzugegeben  (gegen  Sommersprossen). 

Collodium  amicatUm.  Eine  Mischung  aus  1  Th.  Tinctura  Arnicae  mit 
2  Th.  Collodium. 

Collodium  Cantharidini  Dieterich.  (An  steile  von  Collodium  canthan- 

datumi.  0.1b  g  Cantharidin  werden  mit  4  g  Oleum  Rapae  fein  abgerieben,  dann 
in  96  g  Collodium  eingetragen  und  durch  Schütteln  gelöst. 

Collodium  Carbolisatum,  Collodium  odontalgicum ,  Zahncollodium.  1  Th. 
Acidum  carbolicum  wird  mit  19  Th.  Collodium  elasticum  gemischt. 

Collodium  ChrySarObinatUm.  2  Th.  Chrysarobinum  werden  mit  15  Th. 
Collodium  gemischt. 

Collodium  Cinereum  Richter.  1  Tb.  Hydrargyrum  oxydulatum  nigrum 
wird  mit  30  Th.  Collodium  sorgfältig  gemischt   (anstatt  des  Mercurialpflasters). 

Collodium  COrrOSiVUm.  C.  causticum,  C.  escharoticum.  1  Th.  Hydrargyrum 
bichloratum  wird  in  10  bis  15  bis  20  Th.  Collodium  gelöst. 

Collodium  CrOtOnatUm.  l  Th.  Oleum  Crotonis  wird  mit  9  Th.  Collodium 
gemischt. 

Collodium  diachylOSUm  Richter,  C.  clatnieo  •  plumbicum ,  Bleieollodium. 
Emplnstrum  Lithnrgyri  wird  bis  zur  Sättigung  in  Aether  digerirt  und  in  diesem 
dann  Collodiumirolle  gelöst;  oder  man  mischt  die  Aetherlösung  mit  der  doppelten 
Menge  Collodium  duplex. 

C0ll0diUm  elaStiCUm,  C.  flexile,  <\  ricinatum.  Eine  Mischuug  von  98  Th. 
Collodium  mit  2  Th.  Oleum  Ricini  —  Oder:  !»7  Th.  Collodium,  2  Th.  Tere- 
hinthinn  veneta  und  1  Th.  Oleum  Ricini.  —  Oder:  92l  8  Th.  Collodium,  5  Th. 
Balsamnm  Canadenae  und  21  a  Th.  Oleum  Ricini. 


Digitized  by  Google 


218  COLLODIUM  FERRATUM.  —  COLLOXYLIN. 


Collodium  ferratlim,  C.  haemostatieum ,  C.  martiaturo,  C.  stypticum.  1  Th. 
Ferrum  sesquichloratum  wird  in  6  bis  1)  Th.  Collodium  gelöst. 

Collodium  jodatum.  1  Th.  Jod  wird  in  9  Th.  Collodium  gelöst. 

Collodium  jodoformatum.    1  Th.  Jodoform   wird   in    10  Th.  Colhdium 
gelöst. 

Collodium  mercuriale  =  Coiiodium  corrosivum. 

Collodium  mOrphinatUm.    l  Th.  Morphinum  hifdrocJdoratum  und  30  Tb. 
Collodium. 

Collodium  odontalgicum,  s.  c.  carboü«  a  t  u  m. 

Collodium  plumbicum  s.  saturninum  m  eine  Mischung  von  1  Th.  Acer 

tum  Flximhi  mit  20  bis  25  Th.  Collodium.  Man  versteht  darunter  aber  auch  das 
Collodium  diachylosum,  s.d. 

Collodium  SaÜCylatUm.  10  Th.  Acidum  mliculicum  (und  1  Th.  Extractum 
Cannnbis)  werden  in  90  Th.  Collodium  elagticum  gelöst  nnd  noch  2  Th.  Acidum 
aceticum  glnciale  hinzugegeben.  Ist  ein  sehr  gutes  Hühneraugenmittel. 

Collodium  StyptiCUm,  C.  tannatura.  Man  löst  5  Tb.  Tannin  in  15  Th. 
Alkohol,  vermischt  die  Lösung  mit  ?0  Th.  Collodium  duplex  uud  parfürairt  mit 
einigen  Tropfen  Tinct.  Benzoes.  —  Oder  (nach  einer  amerikanischen  Vorschrift  i : 
5  Th.  Tannin,  5  Th.  Benzoesäure  und  10  Th.  Carhohäure  werden  mitlOOTh. 
Collodium  gemischt.  —  Vergl.  auch  Collodium  f  errat  um.     G  Hofmann. 

Collograph,  s.  Copirap parate. 

Colloide  sind  diejenigen  Snbstauzen,   welche  thierische  Membranen  nicht  zu 
durchdringen  vermögen.  —  8.  Dialyse. 

CollOidOntartung  nennt  man  im  Allgemeinen  eine  pathologische  Veränderung 
der  Gewebe,  sowohl  in  Organen  des  Körpers  als  in  Geschwülsten  vorkommend, 
wobei  diese  eine  gallertig  weiche  oder  mehr  zähe,  klebrige  und  selbst  feste  Con- 
sistenz  bei  durchscheinender  Beschaffenheit  oder  in  dickeren  Schichten  mit  weisslich- 
gelber  Farbe  annehmen.  Ob  dieses  Aussehen  der  Organe  uud  Geschwülste  durch 
einen  bestimmten  chemischen  Körper  bewirkt  wird,  oder  ob  es  blos  als  Ausdruck 
der  anatomischen  Veränderungen  der  Gewebe  erscheint,  ist  bis  jetzt  noch  uicht 
entschieden.  Man  hat  jedoch  im  Laufe  der  Zeit  mehrere  Substanzen  von  dem 
Begriffe  „Colloid"  ausgeschieden,  welche  charakteristische  Eigenschaften  haben  und 
nur  unter  gewissen  Bedingungen  vorkommen  —  wie  z.  B.  das  Amyloid ,  das 
Paralbumin  —  nnd  das  Gebiet  desselben  immer  mehr  eingeschränkt.  Morphologisch 
tritt  diejenige  Substanz,  welche  noch  auf  die  Bezeichnung  „Colloid"  Anspruch 
machen  kann,  entweder  in  Form  tropfen-  oder  körnerartiger  hyaliner  Gebilde  frei 
in  den  Geweben  oder  in  Gestalt  kugeliger  und  uuregelmässiger  Klumpen  Al9 
Inhalt  cystischer  Räume  auf.  Loebisch. 

Colloidin  nennen  Gactier,  Cazeneuve  nnd  Daremberg  eine  au«  dem  faden- 
ziehenden gallertigen  Inhalt  einer  Colloidcyste  durch  Contact  desselben  mit 
destillirtem  Wasser  während  24  Stunden  gewonnene  Substanz ,  welche  aus  der 
wässerigen  Lösung  durch  Alkohol  in  weissen  Flocken  fällbar  ist  und  nach  ihren 
Reactionen  zu  den  Albuminoiden  (s.  Bd.  I,  pag.  202)  zu  zählen  wäre.  Diese 
Substanz  soll  die  gallertartige  Consistenz  der  sogenannten  Colloidsubstanzen  bewirken. 
Uie  Formel,  welche  die  obgenannten  Autoren  für  dieselbe  angeben,  C9  H16  NO,, 
unterscheidet  sich  von  der  des  Tyrosins  merkwürdiger  Weise  nur  durch  ein  Mehr 
von  Ha  0  +  0.  Loebisch. 

Colloidsubstanzen,  8.  Dialyse. 

CollOXylin,  Collodiumwolle ;  s.  Collodium. 

Digitized  by  Google 


COLLUTORIUM.  —  COLOCYNTHIN. 


219 


CollutOrium  (colluo,  ausspülen),  Mundwasser,  Mundspfllvasser,  heisst 
jede  zum  Ausspülen  des  Munde«  bei  Entzündungen  und  Geschwüren  verordnete 
Flüssigkeit.  Als  solche  dienen  concentrirte  wässerige  Aufgüsse  oder  Abkochungen 
aromatischer ,  adstringirender  und  erweichender  Pflanzenthcile  oder  Lösungen 
adstringirender  und  antiseptischer  Stoffe  (Phenol ,  Kaliumpermanganat ,  Kalium 
chloricum,  Borax),  meist  zweckmässig  mit  Zusatz  eines  Gesehraackcorrigens  (Pfeffer- 
minzöl,  aromatische  Tincturen,  Cognac,  Rosenhonig).  Das  Verschlucken  von  Mund- 
wässern aus  stark  wirkenden  Substanzen  kann  üble  Folgen  haben,  besonders  bei 
Kindern,  zumal  da  die  Dosis  raeist  doppelt  so  hoch  wie  bei  interner  Anwendung 
genommen  wird  oder  wenn  der  Ersparniss  wegen  concentrirtere  Mundwässer  behufs 
Verdünnung  im  Hause  verschrieben  werden.  Die  zum  jedesmaligen  Mundausspülen 
angewendete  Menge  beträgt  15.0—25.0. 

Coli utoi res  nennt  die  französische  Pharmakopöe  gewisse  Arzneiformen, 
welche  dem  unter  Collutorium  angegebenen  Zwecke  durchaus  entsprechen. 

Th.  Hasemann. 

Collyrium.  Die  griechische  Benennung  xoXX-jptov  wird  jetzt  bei  uns  aus- 
schliesslich auf  Augenwässer,  d.h.  Lösungen  und  Mischungen,  welche  theils 
zur  Waschung,  theils  zu  feuchten  Ueberschlägen  am  Auge  dienen,  bezogen.  In 
weiterem  Sinne  begreift  man  darunter  auch  Augentropfen,  Quttae  ophthalmicae, 
Augensalben,  Unguenia  ophthalmica  und  Augenstreupulver,  Pulvere«  adspersurii 
Ophthalmia'  und  überhaupt  alle  zur  Application  auf  das  Auge  bestimmten  Arznei- 
fonnen,  die  man  in  älterer  Zeit  als  feuchte  Collyrien,  Hygrocollyria,  und  trockene 
Collyrien,  Xerocollyria  unterschied.  In  Frankreich  ist  noch  jetzt  die  Bezeichnung 
Collyre  sec  für  Calomel  a  vapeur  üblich.  Die  Ableitung  des  Wortes  ist  fraglich, 
ursprünglich  scheint  es  mit  co-'lyra,  klebriger  Teig  groben  Brotes,  zusammenzu- 
hängen und  medicinisch  zur  Bezeichnung  von  Arzneicylindern  gedient  zu  haben, 
die  man  in  Mastdarm,  Scheide,  Ohren  und  Nase  einführte. 

Das  Collyrium  adstringens  luteum  der  Ph.  Austr.  besteht  aus  12.5  Th. 
Ammonium  chloratum  und  25  Th.  Zincum  sulfuricum  in  2000  Th.  Aqua, 
andererseits  7.5  Th.  Gamphora  in  400  Th.  70procentigem  Spirüus  gelöst;  die 
Lösungen  werden  gemischt,  mit  2  Th.  Grocus  einen  Tag  digerirt,  dann  filtrirt. 

Th.  Hasemann. 

Coloboma  (xoXo^ow,  verstümmeln)  beisst  eine  angeborene,  verticale  Spalte  im 
8ehorgan  (Augenlider,  Regenbogenhaut  oder  Aderhaut).  Ebenso  bezeichnet  man 
jedoch  auch  eine  durch  Iridectomie,  also  auf  operativem  Wege,  erzeugte  Spalte 
in  der  Regenbogenhaut.  Die  Colobome  verursachen  keine  so  grossen  Sehstörungen, 
wie  man  sie  nach  diesem  anatomischen  Defect  des  Auges  erwarten  könnte. 

Colocynthidin.  Findet  sich  nach  Walz  im  alkoholischen  Extraet  der  Colo- 
quinthen  und  bleibt  beim  Ausziehen  derselben  mit  kaltem  Wasser  zurück.  Wird 
der  Rückstand  mit  Aether  ausgezogen,  die  Lösung  mit  Thierkohle  behandelt,  ab- 
gedampft und  der  Rückstand  mit  heissem  absoluten  Alkohol  ausgezogen,  so  scheidet 
sich  beim  Erkalten  Colocynthidiu  in  weissen  mikroskopischen  Krystallen  ab.  Es 
löst  sich  in  Aether,  wie  in  heissem  Alkohol  und  scheidet  sich  beim  Erkalten  der 
Losung  theils  krystalliuisch,  theils  als  Gallerte  ab,  welche  letztere  allmälig  in  den 
krystalUnischen  Zustand  übergeht.  v.  Schröder. 

ColOCynthifl,  Glucosid  der  Coloquinthen,  welche  dasselbe  reichlicher  im  Mark 
als  in  den  Kernen  enthalten. 

Nach  Walz  zieht  man  das  alkoholische  Extraet  der  Früchte  mit  Wasser  aus, 
fällt  die  Lösung  mit  Bleiessig  und  das  entbleite  Filtrat  mit  Gerbsäure.  Der  naeh 
dem  Erwärmen  harzig  zusammenballende  Niederschlag  wird  in  Alkohol  gelöst,  mit 
Bleioxyd  zerlegt.  Die  abfiltrirte  Flüssigkeit  wird  mit  Schwefelwasserstoff  von  Blei 
befreit  und  nach  Behandlung  mit  Thierkohle  der  freiwilligen  Verdunstung  über- 
lassen.   Das  zurückbleibende  Colocynthin  wird  mit  Aether  gewaschen.    Auch  aus 


220  COLOCYNTHIN.  —  COLOCYNTHIS. 

dem  im  Wasser  unlöslichen  Rückstände  des  alkoholischen  Extractes  kann  durch 
Ausziehen  mit  Aether,  Abdampfen  der  Lösung  und  Ausziehen  mit  absolutem 
Alkohol  noch  Colocynthin  erhalten  werden.  Nach  Walz  besteht  es  aus  weissen, 
feinen  mikroskopischen  Krystallen,  welche  sehr  bitter  schmecken,  in  8  Th.  kaltem, 
6  Th.  heissem  Wasser  löslich  sind.  Es  löst  sich  ferner  in  10  Th.  absolutem  Alkohol, 
leichter  in  Aether.  Die  wässerige  Lösung  wird  nicht  durch  Metallsalze,  wohl  aber 
durch  Gerbsäure  gefällt.  Nach  Henke  ist  das  Colocynthin  ein  amorphes,  gelbes 
Pulver,  löslich  in  20  Th.  kaltem  Wasser,  leicht  in  Alkohol  und  Ammoniak,  nicht 
in  Aether,  Benzol,  Chloroform  und  Schwefelkohlenstoff.  Concentrirte  Schwefelsäure 
löst  das  Colocynthin  mit  rother  Farbe,  die  bald  in's  Braune  übergeht.  Beim 
Kochen  mit  verdünnten  Mineralsäurtn  spaltet  es  sich  in  Zucker  und  eine  harzartige, 
Colocynthein  genannte  Substanz.  Goldchlorid  wird  langsam  von  Colocynthin 
reducirt.  Es  ist  giftig  und  ein  energisches  Abführmittel.  v.  Schröder. 

ColOCynttliS,  von  Tourxefort  aufgestellte,  jetzt  mit  Citrullus  Fmk.  ver- 
einigte Gattung  der  Cucurbitaceae. 

Fr  uctus,  B  accae  s.  Po  ma  Colocy  n  th  id  is,  C  0 1  o  q  u  i  n  t  h  e  n,  Bitter 
apples  (Ph.  oiniics,  sind  die  Früchte  von  Citrullus  Colocynthin  Schrat/. 
(Cucumis  Colocynthis  L.),  besonders  in  Afrika,  Südwestasien,  Ostindien,  Ceylon 
einheimisch  und  über  ein  grosses  Gebiet  verbreitet,  dessen  Grenzen  die  Coromandel- 
küste,  Ceylon,  Caspisee,  Syrien.  Cap  Verde,  Senegambien,  Somali  und  Südarabien 
sind.  In  grosser  Menge  kommt  diese  gesellig  wachsende  Wüstenpflanze  in  der 
Bajudahsteppe  in  Nubien ,  bei  Korosko  am  Nil  und  am  rothen  Meer  bei  Kosseir 
vor  (FlÜCKIGER).  Sie  fehlt  in  Kleinasien.    Ob  sie  im  südlichen  Mittelmeergebiet, 


Fig.  SS.  Fig.  »4. 


wo  sie  vielfach  (Cypern,  Südspanien)  cultivirt  wird,  einheimisch  ist,  erscheint  frag- 
lich. Möglicherweise  ist  sie  dorthin  vor  langer  Zeit  eingeführt.  Jetzt  hat  sie  sich 
auch  dort  heimisch  gemacht. 

Der  dreifücherige ,  unterständige  Fruchtknoten  der  weiblichen  Blüthc  wird  zu 
einer  kugeligen  (nicht  aufspringenden)  Beere  von  der  Grösse  einer  Apfelsine.  Die- 
selbe besitzt  einen  Durchmesser  von  5 — 10  cm  (meist  etwa  5 — 8 ,  nach  mehreren 
Pharmakopoen  von  der  Grösse  eines  Apfels,  nach  Ph.  Brit.  2  Zoll,  nach  Ph,  Un.  St. 
5 — 10  cm)  und  ist  bedeckt  von  einer  0.5—1  mm  dicken,  anfangs  grünen  und  frelb- 
gefleckten,  spater  glcichmässig  gold-  oder  lichtgelben,  glatten,  sehr  fein  einjrestor hen- 
punktirten,  lederigen,  pergamentartigen,  spröden  Schale,  die  fest  an  dem  Innern 
anhaftet,  in  der  Jugend  behaart,  im  Alter  kahl  ist.  Das  Fruchtfleisch  igt 
blas»,  weiss,  gelblichweiss ,  schwammig  oder  blätterig,  trocken.  Der  Fruchtknoten 
ist,  entsprechend  der  Dreizahl  der  Carpelle.  dreifächerig.  Die  eingeschlagenen,  die 
Scheidewände  bildenden  Seitentheilc  der  Carpelle  sind  sehr  vollständig  miteinander 


Digitized  by  Google 


COLOCYNTHIS.  -  221 

verschmolzen,  so  dass  ihre  Nähte  bei  der  fertigen  Frucht  kaum  oder  nicht  mehr 
erkennbar  sind.  Die  axilen  (nicht  wandständigen  ^  Placenten  sind  zweiachenkelig, 
ihre  Schenkel  liegen  aber  in  dem  Fruchtknoten  dicht  aneinander  (Fig.  33).  Erst 
zur  Reifezeit  klaffen  sie  von  einander  (Fig.  34)  und  bewirken  die  unten  erwähnte 
Spaltung  der  Frucht  in  3  Längstheile.  Diese  Placenten  bilden  die  „falschen  Scheide- 
wände" ,  durch  welche  der  Fruchtknoten  falsch  6fächerig  wird.  An  der  Spitze 
gabeln  sie  sich  auseinander  und  die  Schenkel  krümmen  sich  nach  Innen  bogen- 
förmig zurück.  An  den  gegen  die  echten  Scheidewände  hin  gerichteten  Endigungen 
sitzen  in  mehreren  Verticalreihen  die  zahlreichen  (200 — 300)  Samen,  bisweilen 
in  ein  lockeres  Mus  gebettet.  Es  ist  daher  nicht  richtig,  dass  man  die  Placenten 
als  parietal  und  im  Centrum  des  Ovars  zusammenfassend  betrachtet.  Die  Scheide- 
winde und  das  Fruchtgehäuse  sind  anfangs  fleischig,  trocknen  aber  zur  Reifezeit 
tu  einem  lockeren ,  schwammig  porösen ,  elastisch-zähen,  leichten  Marke  aus.  In 
diesem  Stadium  trennen  sich  auch  die  die  falschen  Scheidewände  bildenden  beiden 
Placentarschenkel  von  einander. 

Es  ist  Handelsbrauch,  die  Droge  zu  schälen.  Man  entfernt  hierbei  die  frische 
Frucht  von  der  gelben  Schale  und  schneidet  dabei  oft  so  tief,  dass  die  8amen  in 
den  Fächern  zu  Tage  treten.  Die  geschälte  Frucht  spaltet  sich  leicht  in  drei  nach 
Innen  scharfkantige  oder  flache  Längstheile,  da  das  locker  markige  Gewebe  der 
3  Placenten  durch  eine  bis  zur  Mitte  reichende  dreistrahlige  oder  dreieckige,  oft 
bedentend  erweiterte  Kluft  frühzeitig  sich  theilt.  Diese  Längstheile  spalten  sich  aber 
erst  dann,  wenn  die  sie  zusammenhaltende  innere  Schicht  der  Fruchtscbale  entfernt 
wird.  Jeder  der  Längstheile  wird  durch  die  echte  Scheidewand  (die  Carpellränder^ 
in  zwei  Abtheilungen  halbirt. 

Die  aus  anatropen  Ovulis  entstehenden  Samen  sind  verkehrt-eiförmig,  ziemlich 
flaeb,  mit  abgerundetem .  ungerandetem ,  weder  verdicktem,  noch  scharfem  Rande 
vergehen  ,  6  —  7  mm  lang  und  2  mm  dick,  am  spitzen  Ende,  etwas  unterhalb  des 
Scheitels,  durch  den  weissen,  2  mm  langen  Funiculns  mit  der  Placenta  verbunden. 
Auf  jeder  Fläche  ist  die  Samenschale  in  zwei  kurzen,  ziemlich  tief  eingestochenen 
Gruben  aufgerisseu ,  welche  gegen  die  Spitze  zusammenlaufen  (Flückigkr).  Die 
Schale  ist  spröde,  hart,  steinschalenartig ,  blassbräunlich,  grünlichbräunlich  oder 
gelblich.  Sie  umschliesst  den  endospermlosen ,  weissen ,  ölig-fleischigen  Embryo. 
Letzterer  ist  gerade  und  kehrt  sein  Radicularende  dem  Hilum  (der  Mikropylarseite 
de«  Ovulums)  zu.  Die  dickblätterigen  Cotyledonen  machen  die  Hauptmasse  des  Samens 
auu.  Die  Samen  betragen  gegen  drei  Viertel  des  Gewichtes  der  geschälten  Droge 

(ftfiCKUiER). 

Die  Epidermis  der  Fruchtschale  (Epiearp)  ist  einreihig.  Die  Zellen  sind  radial 
gestreckt  und  aussen  erheblich  stärker  als  Innen  verdickt,  da  und  dort  rinden  sich 
Spaltöffnungen.  Die  unter  der  Epidermis  liegende  Schicht  (Mittelschicht,  Mesocarp) 
besteht  aus  dünnwandigem,  tangential-gestrecktem  Parenchym;  das  Endocarp 
dagegen  wird  von  zahlreichen,  kurzen ,  isodiametrischen  Steinzellen  gebildet ,  die 
Mark  verdickte  nnd  poröse  Wandungen  besitzen.  Je  weiter  die  Zellen  dieser,  in 
ihrer  Mächtigkeit  etwa  dem  Mesocarp  gleichkommenden  Schicht  nach  Innen  liegen, 
um  so  weiter  wird  ihr  Lumen  und  um  so  dünner  ihre  Membran.  Endlich  gehen 
sie  allmälig  in  das  Placentargewebe  über.  An  der  Grenze  des  Endocarps  und  der  Pla- 
centen. aber  noch  innerhalb  des  letzteren,  liegt  ein  Kreis  zarter  Gefässbündel.  Die  an 
Weite  nach  Innen  hin  zunehmenden  ovalen  oder  isodiametrischen  Zellen  des  Placentar- 
gewebes  und  der  Carpelle  sind  oft  durch  weite  luftführende  Jntercellularen  von  ein- 
ander getrennt,  daher  ist  das  Gewebe  locker  und  schwammig  und  lässt  sich  leicht 
zusammendrücken  (ist  aber  nicht  elastisch).  Sie  sind  dünnwandig,  aber  selbst  bei 
der  Droge  nicht  zusammengefallen ,  an  den  Berührungsstellen  zweier  mit  einer 
Tflpfelplatte  versehen.  Sie  führen  Luft,  daher  erscheint  das  Gewebe  weiss.  Zahl- 
reiche gelbliche  Gefässbündel  durchziehen  dies  Parenchym,  dieselben  führen  zu 
den  Funiculis.  An  den  Rändern  der  drei  Radialspalten  der  Frucht  besitzt  das 
Parenchym  ein  dichteres  Gefüge. 


Digitized  by  Google 


222 


„COLOCYNTHIS. 


Die  Samenschale  besitzt  (nach  Haetwich)  im  Wesentlichen  folgende  Schichten.  Zu 
äusserst  ein  aus  der  inneren  Auskleidung  der  Carpelle  hervorgegangenes  Häutchen, 
dann  eine  einreihige  Epidermis,  eine  Schicht  unregelmässiger,  B^ark  verdickter 
Steinzellen,  der  eine  Schicht  eigentümlich  verzweigter,  ebenfalls  stark  verdickter 
Steinzellen  folgt ;  hierauf  eine  dünne  Schicht  von  Zellen  mit  netzförmig  verdickten 
Wanden,  die  da  und  dort  aufgedunsen  erscheinen.  Endosperm  fehlt. 

In  den  Zellen  des  Samens  sind  neben  fettem  Ocl  Aleuronkörner  vorhanden. 

Die  Goloquinthen  sind  geruchlos  und  schmecken  ausserordentlich  und  anhaltend 
bitter.  Sie  sind  ein  drastisches  Purgans.        ,  . 

Die  cbemischenBestaudtbeile  der  Coloquinthen  bedürfen  erneuter  Unter- 
suchung. Gut  bekannt  ist  der  die  Wirkung  bedingende  Bitterstoff,  das  Colo- 
cynthjn,  C68 H81  Oas,  welches  aber  Flückioer  nicht  krystallisirt  erhalten  konnte. 
Das  Gewebe  der  Frucht  ist  besonders  reich  daran,  doch  auch  die  (ebenfalls,  aber 
schwächer  bitteren;  Samen  euthalten  dasselbe,  .  Walz  will  noch  einen  zweiten 
Körper  in  den  Coloquinthen  gefunden  haben,  den  er  Colocynthidi  n  nennt. 

Das  samenfreie  Fruchtgewebe  bei*  100°  getrocknet  gab  11  Procent,  die  Samen 
2.4 — 2.7  Procent  Asche.  (Flückigeb). 

Die  Samen  enthalten  16.9  Procent  fettes  Oel  (als  Oleum  de  (Jolocynthide 
e.epres8uvi  ehedem  verwendet)  und  gegen  6  Procent  Eiweiss  (FlCckiger).  Sie 
dienen  geröstet  oder  gekocht  in  der  Sahara  als  armseliges  Genussmittel. 

Das  bittere  Harz  der  Coloquinthen  ist  durchsichtig,  gelbbraun,  sehr  bitter,  un- 
löslich in  Aether,  leicht  löslich  bereits  in  70procentigem  Alkohol. 

Von  Handelssorten  unterschied  Berg: 

1.  Aegyptische  Coloquinthen.  Gross,  weniger  weiss,  leicht,  armsamig 
und  im  Innern  mit  grossen  Höhlungen  verschen ,  geschält  (von  der  Ph.  Belg., 
Dan.,  Hung.,  Neerl.,  Russ.  bevorzugt).  Jetzt  kommen  keine  Coloquinthen  mehr  aus 
Alexandrien.  Ehedem  Wessen  die  Coloquinthen  geradezu  Alexandriaäpfel,  Cucurbita 
alexnndria.  t  ' 

2.  Cyprische  Coloquinthen,  klein,  4cm  im  Durchmesser,  meist  sehr  zer- 
drückt, schwer,  reichsamig,  im  Innern  fast  weiss,  geschält  (nach  Ph.  Russ.  zu  verwerfen). 

3.  Syrische  Coloquinthen,  ebenso  gross  als  die  cyprischen,  ungeschält, 
reichsamig,  im  lunern  schwammig,  weiss  (nach  Ph.  Russ.  zu  verwerfen). 

Jetzt,  kommen  Coloquinthen  aus  M  a  r  o  c  c  o  (Ausfuhrhafen :  Mogador) ,  aus 
Spanien  und  Syrien  (die  letzteren  sind  meistens  klein).  Man  unterscheidet 
daher  wohl  auch  maroccanische,  spanische  und  syrische,  ohne  die 
Handelssorten  jedoch  scharf  zu  trennen.  In  neuerer  Zeit  kommen  auch  comprimirte 
Coloquinthen  aus  Persien.  Die  Ph.  Germ.  II.  schreibt  keine  bestimmte  8orte 
vor,  doch  wird  man  gut  thun,  die  kleinen  (etwa  4cm  grossen)  ungeschälten 
Früchte  nicht  in  Anwendung  zu  ziehen.  Die  Ph.  Gall.  und  Hisp.  ordnen  die  Ent- 
fernung der  äusseren  gelben  Schale  nicht  an. 

Die  Entfernung  der  Samen,  die  nach  der  Ph.  Russ.  60 — 75  Procent  der  Droge  aus 
machen  und  die  eine  weit  geringere  Wirkung  als  das  Fruchtfleisch  besitzen,  wäre 
wohl  anzuempfehlen.  Einige  Pharmakopoen  verlangen  sie  auch,  die  Ph.  Germ.  II., 
Fenn.,  Gall.,  Graec.  dagegen  lassen  die  Droge  mit  dem  Samen  verwenden,  doch 
empfiehlt  es  sich  ,  wenn  Coloquinthen  (in  Decoct  oder  Infus)  verordnet  werden, 
um  stets  eine  Arznei  gleicher  Wirksamkeit  zu  erhalten,  nur  das  Fruchtfleisch 
zu  verwenden.  Jedenfalls  ist  die  Wirkung  des  betreffenden  Präparates  von  der 
Menge  etwa  mitverwendeter  Samen  abhängig. 

Das  markige  Innere  der  Frucht  trägt,  wenn  von  den  Samen  befreit,  den  Namen 
Pulpa  Colocyntkidh. 

Als  Verwechslungen,  beziehungsweise  Vermischungen  wurden  von  Pfaff  Früchte 
beobachtet,  die  ebenfalls  bitter,  aber  mit  durch  ovale  Erhabenheiten  rauher  Schale 
versehen  waren. 

Auch  Martiüs  berichtet  von  falschen,  weniger  bitteren  Coloquinthen.  Ebenso 
sind  aus  Brasilien  und  England  Früchte  als  Coloquinthen  in  den  Handel  gekommen, 

Digitized  by  Google 


C0L0CYNTHI8.  —  COLOMBO. 


die  Hanbury  und  Bentley  als  von  Luffa  purgons  und  dranticn  stammend,  er- 
kannten. Nach  der  Pli.  Austr.  sollen  achtfächerige ,  bräunliche  und  weniger 
Uttere,  nach  der  Pb.  Un.  St.  harte  und  dunkelfarbige  Coloquintheu  verworfen 
werden. 

FlCckiger  und  Hanbury  geben  als  Verwechslung  au  die  bitteren  Früchte  von 
Cuoumin  trigonus  Roxb.  (C.  Pseudocolocynthis  Uoyle) ,  auch  C.  Hardtrickii, 
die  sogenannte  Hill  colocynth  hat  bittere  Früchte. 

Ich  habe  niemals  derartige  Verfälschungen  oder  Verwechslungen  in  der  Droge 
auftiuden  können. 

Man  bewahrt  die  Coloquinthen  in  toto  in  Hol«-  oder  Blechkisten  unter  den 
*tar*  wirkeuden  Arzneien  auf. 

Medicinisch  angewendet  werden  die  Coloquinthen  hur  noch  wenig.  Sie  gehören 
zu  den  wirksamsten,  darum  nicht  gefahrlosen  Abführmitteln ;  Todesfälle  sind  schon 
nach  2 — 5  g  beobachtet  worden.  Die  grösste  Einzelgabe  der  gepulverten  Früchte 
ist  0.3!,  des  Extractes  0.05,  der  Tinetur  1.0! 

Die  Abkochung  auf  Möbel  und  Tapeten  gepinselt,  ist  ein  gutes  Mittel  gegen 
Wanzen. 

L'nter  dem  Namen  Fructu«  Golocynthidis  prarparata ,  Ti-ochisci  Älhandal, 
Coloquiuthenpulver  (ein  sehr  altes  Mittel,  zu  dem  schon  die  arabischen  Aerzte 
eine  Vorschrift  gaben ;  Ph.  Gall.,  Germ.  I.,  Gracc,  Helv.,  Hisp.,  Rus*.),  werden 
{repiilvertc  oder  gepulverte  und  mit  Gummi  vermischte,  von  den  Samen  befreite 
Coloquinthen  verstanden.  Die  Ph.  Gall.  und  Hisp.  befreien  die  Coloquinthen  von 
<leu  Samen,  trocknen  das  Fruchtfleisch  (bei  4<i°,  Pb.  Gall.),  pulverisiren  im 
liedcckteu,  eiserneu  Mörser  und  sehlagen  durch  ein  feines  Sieb,  ohne  einen 
Uikkstand  zu  lassen.  Wegen  der  schwammigen  Beschaffenheit  der  Pulpa  ist  das 
Pulvern  sehr  schwierig.  Die  übrigen  Pharmakopoen  stossen  das  zerschnittene, 
von  den  Samen  befreite  Fruchtfleisch  mit  Gummipulver  und  Wasser  zu  einem 
gleichmäßigen  Teige,  trocknen  denselben  (bei  40—60',  Hager)  und  pulverisiren 
dann.  Das  Verhältniss  des  Gummis  zu  der  Pulpa  ist  bei  der  Ph.  Graec.  1:3, 
bei  Ph.  Rus8.  1:4,  bei  der  Ph.  Germ,  und  Helv.  1:5  (Hiksch).  Das  Pulver 
wird  dann  nochmals  getrocknet  und ,  da  es  sehr  hygroskopisch ,  in  kleine, 
fmt  (mit  Kork)  verschließbare  Glasflaschen  gebracht.  Es  besitzt  eine  gelbliehe 
Farbe. 

Literatur;  Flückiger.  Arch.  d.  Pharm.  1872.  —  Hart  wich,  Arch.  d.  Pharm.  1882. 

—  Hflhschmann,  Schweiz.  Zeitschr.  f.  Pharm.  1858.  —  Henke,  Arch.  d.  Pharm.  I88H. 

—  Her  berger,  Repert.  Pharm.  35.  —  Bastick.  Pharm.  Journ.  Trans.  10.  —  Walz, 
N.  Jahrb.  Pharm.  9  und  16.  —  Meissner,  Ebenda,  1818.  —  Vauqnelin,  Ebenda,  1818. 

Tschireh. 

Cologne  Sprit  (nicht  zu  verwechseln  mit  Eau  de  Cologne)  bedeutet  im 
amerikanischen  Handel  einen  hoehprocentigen ,  gut  entfuselten  Alkohol .  welcher 
häufig  für  Parfümerien  Verwendung  findet. 

ColombO  Oder  Columba  ist  der  aus  dem  ostafrikaniscben  „Kalumb"  abge- 
leitete Name  für  die  Wurzel  von  J  ateorrhiza  palmata  Miers  (s.  d.), 
einer  Schlingpflanze  aus  der  Familie  der  Menispermaceae. 

Von  dem  kurzen,  dieken,  fleischigen  Wurzelstocke  entspringen  einige  rüben- 
artige, etwas  gegliederte,  bis  30  cm  lauge  und  bis  8  cm  dicke ,  derbfleischige  ,  im 
frischen  Zustande  schön  gelbe  Wurzeln.  Diese  allein  bilden,  in  Querscheiben 
geschnitten  (selten  der  Länge  nach  gespalten),  die  Droge.  Die  Scheiben;  sind 
elliptisch  oder  fast  kreisrund ,  meist  mit  einem  Durchmesser  von  4 — 6  cm,  Ii  der 
Dicke  von  5 — 20  mm  variirend,  beide  Querflächen  sind  gegen  die  Mitte  hin  etwas 
eingesunken,  oft  grobfaserig  von  den  herausragenden  Gefässbflndoln,  die  Aussen  - 
seite  iat  grob  längsrunzelig. 

Der  geglättete  Querschnitt  zeigt  eine  etwa  5  mm  (»,  :,  bis  V'8  des  Durchmessers) 
breite,  sehön  citronengelbe  Rinde  mit  papierdünner  branner  Aussenschicht  und 


Digitized  by  Google 


224 


COLOMBO. 


K 
M 


Fig.  33. 


M1 


WH 


durch  eine  schmale  braune  Cambialzone   von  dem  grünlich-blassgelben  marklosen 

Holzkörper  getrennt.  Vom  Cambium  aus  streichen  sowohl 
gegen  die  Riude,  als  auch  gegen  den  Holzkörper  schwänz- 
chenartige, dunkle  Partien  und  bedingen  eiue  radiale 
Streifnng.  Im  Innern  ist  der  Holzkörper  spärlich  und 
regellos  punktirt,  am  Rande  mitunter  coneentrisch  ge- 
schichtet. 

Der  Kork  besteht  aus  einigen  Lagen  flacher,  breiter, 
dünnwaudiger  Zellen.  Die  Rinde  (Fig.  35)  ist  ein  zart- 
zelliges  Parenchym  mit  zerstreuten,  einseitig  verdickten, 
gelben  Steinzellen  an  der  Peripherie  und  schmalen  ra- 
dialen Phloemsträngen  im  inneren  Theile ,  welche  mit 
den  radialen  Spiroidenreihen  des  Holzkörpers  corre- 
spondiren,,  um  die  schon  mit  freiem  Auge  sichtbare, 
vom  Cambium  quer  durchschnittene  Radialstreifung  zu 
veranlassen.  Im  Innern  des  Holzkörpers  treten  die 
Gefässbündel  spärlich  auf.  Sie  bilden  Gruppen  ziemlich 
weiter  (0.160  mm)  gelber  Netzgefässe  von  spärlichen 
Fasern  umgeben.  Mark  fehlt. 

Das  Parenchym  des  Holzes  und  der  Rinde  ist 
strotzend  erfüllt  mit  grossen  (bis  0.06  mm)  Stärke- 
körnern von  unregelmässig  rundlichen  Gestalten  (Fig.  36), 
um  einen  excentrischen ,  meist  zerklüfteten  Kern  ge- 
schichtet. In  den  Steinzellen  und  in  der  Nähe  der- 
selben kommen  vereinzelt 
gut  ausgebildete  Oxalat-  Fi*  3,5 

krystalle  vor.  Gerbstoff 
fehlt.  C  ^ 

Die  Colombo wurzel  ist 
geruchlos,  schmeckt  sehr 
bitter  und  etwas  schlei- 
mig, den  Speichel  färbt 
sie  gelb. 

Sie  enthält  neben 
Amylum   den  Bitterstoff 

Columbin,  das  Alkaloid  Ber  berin  und  Columbo- 
säure.       •      •       '  -     -  ... 

Trotzdem  Colombo  in  allen  Ländern  officinell  ist, 
wird  sie  von  den  Aerzten  doch  nur  weuig  angewendet, 
wohl  deshalb,  weil  ihre  Wirkung  nicht  vollständig;  klar 
ist.  Man  benutzt  sie  als  Amarum  und  Stypticum  im 
Decoct. 

Als  Verwechslungen  werden  angeführt  die  so- 
genannte amerikanische  Colombo  und  die  Wurzel 
von  Bryonia,  welche  ebenfalls  in  Querscheiben  ge- 
schnitten in  den  Handel  kommen. 

Erstere  stammt  von  Frasera  caroltnensis  Walt. 
(Gentianaceae)  und  ist  in  Ph.  Un.  St. 

A-Ko*k^"S  Die  8cheiben  naben  eine  nur  8ehr  oberflächliche 

dar*  Kind»  (Bast), '  //  Holz,  iichkeit  mit  Colombo,  sie  sind  fahlgelb,  homogener,  es 

durch"1  breite  MaKärahkn  fehlt  die  radiale  Streifung  in  der  cambialen  Zone  und 

getrennt,  n  steinzeilci f  *  Ge-  8je  gju(j  cranzlich   frei  von    Stärke,  enthalten 

Radix  Bryonon   ist  weiss  oder  hellbraun,   sehr  höckerig,  in  concentrische 
Schichten  (Jahresringe)  und  radiale  Spalten  zerklüftet. 

"  Digitized  by  Google 


Colonibo-Stärke. 


9 


COLONIALZUCKER  —  COLOPHONIUM. 


22b 


ColonialZUCker  heisst  d  er  aus  Zuckerrohr  hergestellte  Rohrzucker,  im  Gegen- 
satz zu  Rübenzucker.  —  8.  unter  Rohrzucker. 

Colophen,  cJ0H3a,  igt  eine  polymere  Modifikation  des  Terpenthinöles ,  aus 
welchem  sie  durch  Behandeln  mit  Schwefelsäure  oder  mit  Phosphorsäureanhydrid 
erhalten  wird ;  auch  bei  der  Destillation  von  Colophonium  wird  Colophen  gebildet. 
Es  bildet  ein  helles,  klebriges  Oel,  welches  bei  318 — 320°  siedet.  Wie  alle  Ter- 
pene,  so  verschluckt  auch  das  Colophen  Salzsäuregas  unter  Erwärmen. 

Colophonia,  Gattung  der  Burseraceae,  mit  Canarium  Rumpk.  vereinigt. 

Colophonia  mauritiana  DC.  auf  Mauritius,  ein  grosser  Baum  mit  gefiederten, 
lederigen  Blättern  und  diöcischeu  Inflorescenzen  aus  kleinen  rothen  Blüthen,  liefert 
eine  Art  Elemi. 

Colophonium  wird  aus  Terpentin  oder  Fichtenharz  gewonnen,  indem  man 
dasselbe  durch  Erhitzen  von  Wasser  und  Terpentinöl  befreit  und  dann  so  lange 
im  geschmolzenen  Zustande  erhält,  bis  es  vollständig  klar  geworden  ist.  Nach 
Wiksner  beruht  das  Klarwerden  auf  der  Ueberführung  der  im  Terpentin  enthaltenen 
krystallisirten  Abietinsäure  in  ihr  amorphes  Anhydrid.  Je  vollständiger  die  krystal- 
lirirte  Substanz  zerstört  wird,  desto  durchsichtiger  und  geschätzter  wird  das 
Colophonium.  Die  besten  Sorten  sind  ganz  krystallfrei ,  in  den  minderen  lassen 
rieh  noch  unter  dem  Mikroskope  bogenförmige  Krystalle  nachweisen. 

Das  Colophonium  bildet,  je  nach  der  Dauer  und  Stärke  des  Erhitzens  bei 
seiner  Darstellung  und  der  Abstammung  des  zu  seiner  Bereitung  verwendeten 
Terpentins,  gelbe  bis  schwarzbraune,  durchscheinende  Stücke,  ist  spröde,  glas- 
glanzend  und  zeigt  muscheligen  Bruch. 

Das  spec.  Gew.  des  Colophoniums  schwankt  von  1.045 — 1.108.  Auf  70° 
erwärmt,  wird  es  weich,  vollständiges  Schmelzen  tritt  aber  erst  bei  einer  100° 
fibersteigenden  Temperatur,  häufig  auch  erst  gegen  135°  ein,  dabei  verbreitet  es 
einen  angenehmen ,  harzartigen  Geruch.  An  der  Luft  erhitzt  verbrennt  es  mit 
stark  russender  Flamme. 

Bei  der  trockenen  Destillation  liefert  das  Colophonium  neben  uncondensirbaren 
Gasen  und  Kohle  ein  reichliches  flüssiges  Destillat.  Die  zuerst  übergehenden, 
leichter  flüchtigen  Antheile  werden  gesondert  aufgefangen  und  als  „Harz- 
spiritus" in  den  Handel  gebracht.  Den  Rest  bildet  das  „Harzöl".  Dagegen 
ist  Colophonium  mit  überhitztem  Wasserdampf  unzersetzt  flüchtig,  eine  Eigen- 
schaft, welche  von  Hüxth  und  Pochmn  benutzt  wurde,  um  im  Grossen  farbloses 
Colophonium  herzustellen. 

Colophonium  ist  unlöslich  in  Wasser,  kocht  man  es  damit,  so  wird  es  weich, 
ohne  aber  zu  schmelzen.  Es  löst  sich  in  10  Tb.  70procentigem  Alkohol ,  wobei 
das  in  ihm  enthaltene  Anhydrid  der  Abiötinsäure  unter  Wasseraufnahme  in  Abietin- 
säure übergeht.  Versetzt  man  die  alkoholische  Lösung  mit  Wasser,  so  wird  unreine 
Abietinsäure  in  Form  einer  milchigen  Trübung  gefällt,  welche  sich  beim  Erwärmen 
und  Umrühren,  am  besten  nach  Zusatz  einer  verdünnten  Säure,  bald  zu  klebrigen 
Massen  vereinigt.  Colophonium  ist  ferner  in  Holzgeist,  Aether  und  Benzol  und  bis 
auf  einen  geringen  Rest  auch  in  Petroleumäther  löslich,  auch  lässt  es  sich  mit 
festen  Fetten  und  Wachs  in  allen  Verhältnissen  zusammenschmelzen. 

Das  Colophonium  ist  vielfach  chemisch  untersucht  worden.  Die  älteren  Angaben, 
nach  welchen  es  ein  Gemenge  verschiedener  Säuren  (Pininsäure,  Sylvinsäure, 
Pimarsäare  etc.)  sein  sollte ,  sind  von  Maly  dahin  berichtigt  worden ,  dass  es 
seiner  Hauptmasse  nach  aus  amorphem  Abiötinsäureanhydrid  C^FL^O,  besteht, 
welches  durch  Einwirkung  von  verdünntem  Weingeist  in  Abiötinsäure  C14  H«4  08 
tibergeht.  Maly  hat  aus  amerikanischem  Colophonium  bis  zu  80  Procent  dieser 
Säure  erhalten  können.  Daneben  sind  übrigens  noch  andere  harzartige  Säuren, 
möglicherweise  ebenfalls  in  Anhydridform  enthalten.  Darauf  weist  schon  die  nicht 
vollständige  Löslichkeit  des  Colophoniums  in  Petroleumäther  hin.  Jban  hat  beim 
Real-EncydopMie  der  ges.  Pharmacie.  III.  15 

Digitized  by  Google 


2*6 


COLOPHONIUM.  —  COLORI  METRIK. 


Verseifen  des  Colophoniums  neben  Abietinsäure  noch  zwei  Säuren  erhalten ,  von 
denen  die  eine  eine  schellackähnliche,  in  Walser  lösliche  Substanz  darstellt. 

Die  alkoholische  Lösung  des  Colophoniums  reagirt  sauer  und  lässt  sich  nach 
der  KöTTSTOHFER'schen  Methode,  welche  A.  Küemel  und  M.  v.  8chmidt  zur  quali- 
tativen Untersuchung  der  Harze  vorgeschlagen  haben,  titriren.  Kukmkl  verbrauchte 
zur  Verseifung  von  je  1  g  Colophonium  folgende  Mengen  Kalihydrat  in  Milli- 
grammen: Colophonium  lichtes  163.2,  dunkles  151.1,  amerikanisches  173,  eng- 
lisches 16i».l.  Keines  Abietinsäureanhydrid  würde  nach  der  Berechnung  171mg 
Kalihydrat  erfordern.  Somit  stimmen  die  bei  hellen  Colophoniumsorteu  gefundenen 
Zahlen  sehr  gut  mit  den  auf  Grundlage  von  Maly's  Formel  theoretisch  berechneten 
tiberein. 

Zur  Gewinnung  von  reiner  Abietinsäure  C14HC105  wird  1  Th.  grob  ge- 
pulvertes Colophonium  mit  2  Th.  70procentigem  Alkohol  geschüttelt  und  auf 
50 — 60ö  erwärmt.  Es  bildet  sieh  ein  Krystallpulver,  welches  man  aus  3  Tb. 
siedenden  Weingeists  von  derselben  Concentration  umkrystallisirt.  Auch  scheidet 
sich  reine  Abietinsäure  aus,  wenn  man  Salzsäurcgas  in  eine  alkoholische  Colo- 
phoniumlösung  leitet. 

Die  Abietinsäure  bildet  Blättchen  oder  trikline  Kry stalle,  die  bei  165°  schmelzen 
und  sich  in  Alkohol,  Aether,  Benzol  und  Eisessig  lösen.  Beim  Erhitzen  geht  sie 
in  das  Anhydrid  über. 

Sie  ist  zweibasiseh.  Ihre  Alkalisalze  besitzen  eine  so  grosse  Aehnlichkeit  mit 
den  Seifen ,  dass  sie  in  der  unreinen  Form ,  wie  man  sie  durch  Kochen  von 
Colophonium  mit  verdünnten  Alkalien  gewinut,  als  „Harzseifen"  Ähnliche  Ver- 
wendung wie  die  Fettseifen  Huden. 

Die  gelbbraunen  Lösungen  schäumen  beim  Schütteln,  versetzt  man  sie  mit  con- 
centrirten  Laugen  oder  Kochsalz,  so  scheidet  sieh  die  Harzseife  in  Klumpen  ab, 
jedoch  gelingt  das  Aussalzen  nicht  so  vollständig  wie  bei  den  Fettseifen.  Die 
Lösungen  werden  durch  Erdalkali  und  Mctallsalze  gefällt.  Die  Niederschläge  sind 
amorph.  Viele  dieser  Salze ,  so  die  Zink- ,  Kupfer-  und  Bleiverbindung  sind  in 
Aether  löslieh. 

Das  Colophonium  findet  eine  ausgedehnte  Anwendung  zur  Herstellung  von 
Firnissen  und  Kitten ,  als  theilweiser  Ersatz  des  Schellacks  in  der  Fabrikation  von 
Siegellack,  zur  Herstellung  von  Pflastern  und  Salben,  als  „Geigenharz"  zum  Be- 
streichen des  Gcigeubogens  und  neben  gemeinem  Fichtenharz  zur  Erzeugung  von 
Harzseifen.  Endlich  liefert  es  bei  der  Destillation  Harzspiritus  und  Harzöl,  welche 
ebenfalls  technische  Verwendung  finden.  Benedikt 

Colophonium  Succini  ist  d  as  nach  dem  Abdestillireu  des  Bernsteinöls  au* 
dem  Bernstein  in  den  Retorten  zurückbleibende  spröde,  leicht  zerreibliche  Harz. 

Colorimetrie  ist,  wie  schon  der  Name  andeutet,  eiue  quantitative' Methode, 
um  die  Intensität  einer  Farbcnreaetioii  zu  messen ,  oder .  wie  es  praktisch  durch- 
geführt wird,  zu  vergleichen.  Man  vergleicht  die  erhaltene  Färbung  mit  jener, 
die  eintritt,  wenn  man  dasselbe  RVagens  mit  einer  bekannten  Menge  des  zu  be- 
stimmenden Stoffes  zusammenbringt.  Selbstverständlich  können  also  nur  solche 
Heactionen  colorimetrisch  in  Frage  kommen,  welche  Färbungen  geben,  die  möglichst 
beständig  sind;  aber  auch  Fällungsreactionen  können  in  colorimetrische  umge- 
wandelt werden,  wenn  so  wenig  der  fällbaren  Substanz  vorhanden  ist,  dass  nur 
Trübung  ohne  wirklichen  Niederschlag  eintritt.  Selbst  Fällungareactionen  mit 
Niederschlägen  sind  colorimetrisch  verwendet  worden ;  hier  kommt  aber  in  Betracht, 
dass  frisch  gefällte  Niederschläge  anders  aussehen,  als  seit  einiger  Zeit  bestehende, 
go  dass  hierdurch  das  Unzweckmässige  des  zuletzt  erwähnten  Falles  klar  vor 
Augen  tritt. 

Da  im  Allgemeinen  die  gewichts-  und  maassanalytischen  Methoden  genauer  sind, 
als  die  colorimetrischen,  so  werden  letztere  nur  dann  mit  Erfolg  verwendet  werden 
können,  wenn  es  an  guten  gewichts-  und  maassanalytischen  Methoden  fehlt  oder 


Digitized  by  Google 


CÜL0RIMETR1E. 


227 


Oberhaupt  keine  derartigen  existiren,  ferner  wenn  es  sieh  um  sehr  geringe  Mengen 
des  nachzuweisenden  Stoffes  oder  auch  um  rasche  Ausführbarkeit  im  Fabriks- 
betrieb handelt. 

Leitende  Principien  für  Auffindnug  neuer  colorimetriscber  Methoden  sind  daher 
folgende:  Die  eintretende  Farbenreaction  muss  sehr  intensiv,  nicht  schnell  ver- 
fänglich und  in  grosser  Verdünnung  noch  deutlich  erkennbar  sein  (dieses  gilt  auch 
fflr  diejenigen  Fällungsreactionen,  die  in  grosser  Verdünnung  jedoch  entsprechend 
gefärbte  Flüssigkeiten  liefern).  Es  muss  annähernd  die  Concentration  festgestellt 
werden,  welche  am  zweckmäßigsten  zur  Anwendung  kommt,  da  zu  dunkel  gefärbte 
Flüssigkeiten  nur  in  dünnen  Schichten  durchsichtig  sind.  Es  darf  ein  Ueberschuss  des 
zugesetzten  Reagens  die  Färbung  nicht  beeinträchtigen  oder  es  muss,  wenn  dieses 
bei  gefärbten  Reagentien  durch  Eintreten  von  Mischfärbungen  der  Fall  wäre,  deren 
Zusatz  genau  bemessen  werden.  Die  Anfertigung  der  zur  Vergleichnng  dienenden 
Lögungen  von  bekanntem  Gebalt  darf  nicht  zu  umständlich  sein. 

Für  die  colorimetrische  Methode  sind  besonders  folgende  Reactionen  zur  Ver- 
wendung gekommen: 


Ammoniak  —  Nesper's  Reagens ;  gelbe  Färbung ,  besonders  bei  Wasseranalysen. 
Eisenoxydsalze  —  Kaliumferrocyanid ;  blaue  Färbung  (störend  wirkt  ein  Ueberschuss 

von  letzterem  der  gelben  Farbe  der  Lösung  wegen). 
Eisenoxydsalze  —  Salicylsäure ;   violette  Färbung  (störend  wirkt  freie  Salzsäure). 
Eiscnoxydsalze  —  Kaliumsulfocyanid ;  rothe  Färbung. 
Kupferoxydsalze  —  Kaliumferrocyanid ;  röthliche  Färbung. 

Salicylsäure  —  Eisenchlorid ;  violette  Färbung,  bei  Untersuchung  von  Verbandstoffen 

und  Nahrungsmitteln. 
Salpetersäure  —  Iudigolösung ;  Entfärbung,  bei  Wasseranalysen. 
Salpetrigsäure  —  Zinkjodidstärkelösung ;  blaue  Färbung,  bei  Wasseranalysen. 
Salpetrigsäure  —  Metapbenylendiamin ;  gelbe  Färbung. 
Schwefelwasserstoff  —  Bleiacetat;  braune  Färbung. 


Chloride  —  Silbernitrat ;  weisse  Trübung,  bei  Wasseruntersuchungen. 
Kohlensäure  —  Barytwasser ;  weisse  Trübung,  bei  Luftuntersuchungen. 

Ferner  zur  Werthschätzung  von  Anilinfarben ,  anderen  Farbmaterialien ,  wie 
Curcuma ,  Indigo ,  Lackmus ,  Orlean ,  der  Vergleich  mit  anerkannt  guten  Sorten, 
»wie  der  Farbenintensität  von  Bier  gegen  Jodjodkaliumlösung,  Trinkwasser  gegen 
Caramellösung,  Tincturen  gegen  Lösungen  von  1.  Kaliumferrocyanid,  2.  Kalium- 
bichromat,  3.  Kupfersulfat  und  Eisenchlorid,  Milch  gegen  verschieden  gefärbte 
Milebglasplatten ,  Werthbestiromung  von  Knochenkohle  für  die  Entfärbung  von 
Caramellösung  u.  s.  w. 

Die  Ausführung  der  colorimetrischen  Methode  wird  in  der  primitivsten  Art  in 
folgender  Weise  vorgenommen.  Die  zu  bestimmende  Lösung  wird  mit  dem  betreffenden 
Reagens  versetzt  und  die  auf  diese  Weise  erhaltene  Färbung  mit  derjenigen  verglichen, 
die  durch  dasselbe  Reagens  in  einer  Lösung  des  reinen  Stoffes  von  genau  bekanntem 
Gehalt  entstanden  ist.  Die  Lösungen  müssen  in  verhältnissmässig  dicker  Schicht 
uoch  durchsichtig  sein  und  sind  deshalb  im  Allgemeinen  nur  sehr  verdünnt  anzu- 
wenden; aus  diesem  Grunde  benützt  man  das  auch  für  die  Maassanalyse  gütige 
Princip,  um  Wägefehler  möglichst  zu  paralysiren,  dass  man  eine  grössere  Menge 
der  betreffenden  Substanzen  abwägt,  löst  und  die  Lösungen  successive  durch 
weiteres  Verdünnen  kleiner  Antheile  auf  den  nöthigen  Verdünnungsgrad  bringt. 
Die  zuzusetzenden  Mengen  des  Reagens  sind  auch  möglichst  gleich  zu  bemessen 
nnd  Ueberschüsse  im  Allgemeinen  zu  vermeiden.  Die  beiden  zu  vergleichenden 
fTcfärlttcn  Lösungen  werden  in  gleich  hoher  Schicht  in  gleiche  Gefässe  (Cylinder 
oder  Reagenzgläser)  gefüllt  und  gegen  eine  weisse  Wand  oder  ein  auf  dem  Tische 


Farbenreactionen : 


Fällungsreactionen: 


228  COLORIMETRIE.  —  COLOSTRUM. 

liegendes  Stück  weisses  Papier  (von  oben)  verglichen  —  Lösungen  mit  weisser 
Trübung  von  Silberchlorid  oder  Baryunicarbonat  werden  gegen  ein  dunkles  Papier 
beobachtet.  Es  ist  besonders  darauf  zu  sehen,  dass  die  Gefässe,  in  denen  beob 
achtet  wird,  gleich  weit  und  von  gleichmassig  farblosem  Glase  sind. 

Ist  die  zu  bestimmende  Flüssigkeit  intensiver  gefärbt  als  die  Controllösung,  so 
wird  erstere  auf  1/a,  1/4  u.  8.  w.,  je  nachdem  weiter  verdünnt  und  in  gleich  dicker 
Schicht  wieder  verglichen.  Ist  die  Färbung  hierbei  unter  die  Stärke  der  Control- 
lösung herabgegangen,  so  werden  Zwischenstufen  s4,  */e  u.  s.w.  gebildet.  Für 
hilutig  sich  wiederholende  eolorimetrische  Bestimmungen,  besonders  im  technischen 
Betriebe,  fertigt  man  sich,  wenn  es  möglich  ist,  die  betreffenden  Nuancen  genau 
zu  treffen,  colorirte  Tabellen  an,  nach  denen  man  die  Färbungen  vergleicht  und 
bestimmt. 

Um  die  colorimetrischen  Bestimmungen  mit  grösserer  Genauigkeit  ausfuhren  zu 
können,  sind  viele  Apparate  (Colorimeter)  construirt  worden:  Glasgefässe  mit 
senkrechten  Wandungen  und  von  dreieckigem  Durchschnitt,  so  dass  der  Durch- 
messer 0  bis  1  cm  an  der  breitesten  Stelle  beträgt  mit  entsprechenden  Marken 
an  der  Außenseite ;  Glasröhren  von  entsprechend  gefärbtem  Glase  und  verschieden 
starken  Wandungen. 

Die  grösste  Anzahl  der  Apparate  ist  nach  dem  folgenden  Princip  construirt. 
Zwei  Glasgefässe  mit  flachem  Boden  sind  an  einem  Stativ  befestigt  und  empfangen 
durch  einen  unterhalb  derselben  angebrachten,  verstellbaren  Spiegel  das  nöthige  Liebt. 
An  der  Seite  tragen  die  Glasgefässe  eine  Eintheilung,  über  dem  Boden  seitlich 
einen  Hahn,  auch  sind  sie  wohl  gegeu  seitlich  einfallendes  Licht  geschützt. 

Nachdem  die  Controllösung  und  die  Versuchslösung  bis  zu  gleicher  Höhe  ein- 
gefüllt sind,  wird  während  des  Durchsehens  durch  beide  Cylinder  von  der  inten 
nver  gefärbten  Flüssigkeit  so  viel  durch  den  Hahn  abgelassen,   bis  die  Farben- 
intensität in  beiden  Cylindern  gleich  ist.  Hierauf  wird  der  Stand  der  Flüssigkeiten 
abgelesen  und  der  gesuchte  Stoff  durch  Rechnung  gefunden. 

In  dem  Umstand,  dass  für  eine  jede  eolorimetrische  Bestimmug  die  Anfertigung 
der  Controllösung  nöthig  ist,  liegt  ein  Hemmniss  für  die  allgemeinere  Anwendbar- 
keit dieser  im  Uebrigen  bequemen  Methode.  Für  einige  Bestimmungen  z.  B.  der 
Salicylsäure ,  Salpetrigsäure ,  Werthschätzung  der  Farbstoffe ,  für  welche  es  keine 
einfachen  gewichts  oder  raaassanalytischen  Methoden  gibt,  ist  die  eolorimetrische 
Methode  allgemein  in  Gebrauch.  Schneider. 

ColOrill,  ein  dunkelgelber  Farbstoff  in  der  Krappwurzel. 

Colostrum.  Zu  einer  unbestimmten  Zeit  der  Schwangerschaft  (hie  und  da 
schon  im  2.  oder  3.  Monate)  beginnt  die  Secretion  der  Brustdrüsen  und  steigt 
allmälig  bis  zur  Entbindung.    Die  Milch  vor  und  in  p.  R 

den  ersten  Tagen  nach  der  Geburt  heisst  Colostrum; 

es  unterscheidet  sich  wesentlich  von  der  eigentlichen       /£p  •  'P'  r^*. 

Milch;  an  geformten  Elementen  enthält  es  Fetttropfen,     ©•  '.O  .       '  \4 
feine  Kerne  (Heidenhain),  helle  fettfreie  Zellen  und     .Q^^oö fipjj\ 
Colostrumkörperchen,  das  sind  mit  Körnchen  und  Fett-     G  JaR  VS'CL"  • '  Q$ 
tröpfchen    ganz   erfüllte    Protoplasmamassen.     Diese    ,»/  v^  ^ck^^- 
letzteren    verschwinden    beim  Menschen    in   ungefähr    ?qO  Vo  ^^^  '^'' 
5  Tagen  nach  der  Geburt,  wenn  gesäugt  wird;   im         '•'  °"dr^i"5<"fc5^ 
anderen  Falle  verbleiben  sie  darin  bis  zum  Ende  der     Colostrum  von  einer  im 
Secretion.  Das  Colostrum  ist  alkalisch,  zumeist  schwach       Monate  «raviden  F«ü- 
gelblich  gefärbt  und  reich  an  Albumin,  so  dass  es  beim  Kochen  gerinnt.  Allmälig 
nach  der  Geburt  wird  es  ärmer  an  dem  letzteren.  Die  chemische  Untersuchung  hat 
Clemm  folgende  Resultate  ergeben: 


igitized  by  Google 


COLDSTROM.  —  COLUMBIN. 


229 


4  Wochen 
vor 

17  Tage 
vor 

»  Tage  1 
vor 

24  Stunden  1 
nach  | 

»  Tage  i 

der  Entbindung 

I  " 

II 

94.524 

85.197 

85.172 

85.855 

84.299 

86.788 

5.476 

14.803 

14.828 

14.145 

15.701 

13.212  1 

2.182 

2.881 

6.903 

7.477 

8.073 

0.707 

4.130 

3.024 

2.347 

4.863  , 

Milchzucker  

1.727 

3.945 

4.369 

3.637 

6.099 

Salze  

i 

0.441 

0.443 

0.448 

0.544 

0.512 

"  ! 

Literatur:  Handb.  d.  Physiol.  v.  B.  Hermann  (Absonderung,  B.  Heid onh ai  n).  — 
Physiol.  Chemie  v.  Hoppe-Sey ler.  Paschkis. 

Cölubrinä,  Gattung  der  Rhamnaceae,  oft  mit  Geanothus  L.  und  Rhamnus 
Tournef.  vereinigt.  Tropische  Sträucher  mit  alternirenden  Blättern  und  achsel- 
ständigen Inflorescenzen.  Die  Blttthen  haben  einen  abstehenden  Kelch,  zusammen- 
gerollte Blumenblätter,  herausragende  Staubgefässe,  einen  füufseitigen  Discus  und 
dreikammerige  Früchte  mit  kurzgestielten  Samen. 

Von  Colubrina  reclinata  Brongn.  stammt  die  M  a  b  i  -  oder  P  o  r  t  o  r  i  c  o-R  i  n  d  e, 
Ecorce  costiere,  welche  als  Bittermittel  in  neuerer  Zeit  empfohlen  und  gleich 
der  Rinde  einiger  verwandten  Arten  (C.  fermentum  Rieh.,  C.  ferruginosa 
Brongn.)  als  Hopfensurrogat  thatsächlich  verwendet  wird.  Die  Rinde  enthält 
das  Alkaloid  Ceanothin. 

Radix  colubrina,  bekannter  als  Serpentaria  (s.  d.),  stammt  von  Aristo- 
lochia  Serpentaria  L. 

Columbaria  ist  eine  mit  Scabtosa  synonyme  Gattung  der  IHpmceae.  Als 
Herba  Columbariae  bezeichnet  man  jedoch  das  Kraut  von  Verbena  offi- 
cinalia  L. 

Columbin  wurde  aus  der  Columbowurzel  (s.  pag.  223)  von  Wittstock  1830  zuerst 
dargestellt.  Die  Columbowurzel  wird  mit  Weingeist  von  75  Procent  ausgezogen,  vom 
erhaltenen  klaren  Auszug  der  Alkohol  möglichst  abdestillirt  und  der  Rückstand  im 
Wasserbad  völlig  getrocknet.  Man  nimmt  dann  deu  Rückstand  wieder  in  Wasser  auf 
und  mischt  die  dickliche  trübe  Lösung  mit  ihrem  gleichen  Volum  Aether,  hebt 
nach  öfterem  Umschütteln  die  ätherische  Lösung  ab  und  destillirt  davon  den  Aether 
bis  auf  weniges  ab,  giesst  den  Aether  von  neuem  auf  die  wässerige  Lösung  des 
Columboauszuges  und  wiederholt  die  Operation  bis  zur  Extraction  des  Columbins. 
Ausser  dem  Columbin  wird  hierbei  vom  Aether  auch  ein  fettes  Ocl  ausgezogen, 
welches  zum  grössten  Theil  in  dem  wenigen  nicht  abdcstillirten  Aether  gelöst 
bleibt.  Der  grösste  Theil  des  Columbins  scheidet  sich  aus  diesem  Rückstand  bald 
krystallinisch  aus.  Nach  dem  Abgicssen  der  öligen  Mutterlauge  wäscht  man  das 
Columbin  mit  etwas  kaltem  Aether  ab.  Das  jetzt  noch  gelbe  Columbin  wird  in 
kochendem  wasser-  und  alkoholfreiem  Aether  gelöst  und  scheidet  sich  beim  Ab- 
destilliren  des  Aethers  weiss  aus. 

Eigen  sc  ha  ften.  Das  Columbin  krystallisirt  in  weisseu  oder  durchscheinenden 
Säulen  oder  feinen  Nadeln  des  orthorhoinbischen  Systems.  Es  hat  die  Formel 
C^HjjQy,  ist  geruchlos  und  schmeckt  bitter.  Reagirt  neutral.  Es  ist  sehr  wenig 
löslich  in  kaltem  Wasser,  Alkohol,  Aether  und  ätherischen  Oelen ;  in  30 — 40  Th. 
siedenden  90procentigen  Alkohol  löslich  und  in  ebensoviel  Essigsäure  von  1.04 
spec.  Gew.  Es  schmilzt  bei  182°.  Salzsäure  wirkt  nur  schwach  ein,  starke 
Salpetersäure  zersetzt  es  langsam ;  concentrirte  Schwefelsäure  gibt  eine  zuerst 
gelbe,  dann  rothe  Flüssigkeit.  Es  löst  sich  in  verdünnten  Alkalien  ohne  Zer- 
setzung, während  starke  es  in  eine  Säure  verwandeln.  Die  Lösung  des  Columbin 
wird  weder  durch  Metallsalze  noch  Tannin  gefällt.  v.  s  c  h  r  6  d  e  r. 

Digitized  by  Google 


2» 


C0LUMB1NA.  —  COMEDONEN. 


Columbina  ist  eine  nicht  gewöhnliche  Bezeichnung  für  Bistorta  (s.  Bd.  II, 
pag.  270),  das  Rhizom  von  Polygonum  Bistorta  L. 

ColumbOSäure.  Wenn  man  aus  dem  alkoholischen  Extraet  der  Columbo- 
wurzel  mit  Kalkwasser  einen  Auszug  bereitet  und  Salzsfture  im  Uebereehuss 
zufügt ,  so  scheidet  sich  Columbosflure  aus ,  die  nach  Waschen  mit  Wasser  und 
Aether,  Auflösen  in  Kalilauge,  Ausfällen  mit  Salzsäure  und  Trocknen  ein  stroh- 
gelbes Pulver  bildet.  Sie  hat  die  Formel  C21  Hs3  06,  reagirt  sauer,  schmeckt  bitter, 
löst  sich  in  Aether  wenig,  in  Wasser  gar  nicht,  leichter  in  Essigsaure,  am  besten 
in  Weingeist.  Ihre  alkoholische  Lösung  wird  von  essigsaurem  Kupfer  nicht,  wohl 
aber  von  essigsaurem  Blei  gefällt.  v.  Sehröder. 

Columella,  Mittelsäulchen,  heisst  die  im  Sporogonium  der  Laubmoose 
sich  entwickelnde  centrale  Gewebemasse,  welche  steril  bleibt,  wahrend  aus  dem 
dasselbe  umgebenden  Gewebe  sich  die  einzelligen  Sporen  entwickeln. 

Columniferae.  Abtheilung  der  Choripetalae ,  mit  den  Familien:  Tiliaceae, 
Sterculiaceae  (inclusive  Büttner  iaceae)  und  Malvaceae  (inclusive  Bombaceae). 

Colutea,  Gattung  der  Papilionaceae.  charakterisirt  durch  aufgeblasene,  schliess- 
lich trockenhäutige,  mehrsamige  Fruchte.  Mehrere  Arten  sind  verbreitete  Ziersträucher. 
Die  Wärter  der  im  wärmeren  Europa  heimischen  Colutea  arborescens  L.  waren 
einst  als  Senna  germanica  in  arzueilicher  Verwendung.  Sie  sind  unpaar  gefiedert, 
die  Blättchen  oval  oder  ruudlich,  stumpf  oder  ausgerandet,  stachelspitzig,  ganz- 
randig,  auf  der  Unterseite  seegrün,  kahl. 

Folia  Cohtteae  scorpioidis  stammen  von  Coronilla  Einem*  L.  (Papilionaceae). 
Sie  sind  unpaar  gefiedert,  die  Blättehen  verkehrt  eiförmig,  ganzrandig,  stumpf 
oder  ausgerandet,  auf  der  Rückseite  angedrückt  behaart,  grasgrün. 

Diese  Scorpions  - Kronwicke,  wegen  der  Gestalt  der  Hülsen  so  genannt, 
wurde  gleich  dem  vorgenannten  Blasenstrauch  als  Surrogat  der  Senna  ange- 
wendet.   Speeifische  Bestandteile  sind  weder  von  der  einen,  noch 
von  der  andereu  bekannt.  J.  Mo  eil  er.  Fi*.  38. 

ColzaÖl  —  Rüböl  (s.  d.). 

Coma  (/.öy.x,  fester  Schlaf),   Schlafsucht,  Somnolenz;  Coma 
v  i  g  i  1 ,  ein  halbwacher  Zustand  mit  Traumdelirien. 

Coma  Hyperici  =  Flore»  Hyperici.  —  Coma  Meliloti  = 

Herha  Meliloti. 

Comachrome  ist  ein  Pvrogalluesflure  und  Silbernitrat  ent- 
h  alteudes  Haarfärbemittel. 

Combe,  Inee  oder  Onage  sind  Bezeichnungen  für  ein  von 
Strophanthua  hispidus  DC.  (Ajtocynaceae)  abgeleitetes  Pfeilgift, 
welches  seiner  Wirkung  nach  in  die  Digitalingruppe  gehört. 

CombretaCeae,  Familie  der  Myrtiflorae;  Bäume  oder  häufig 
kletternde  Straucher  der  Tropen.  Charakter:  Blatter  meist  gegen- 
ständig. Blüthe  regelmässig,  zwitterig,  selten  polygaimWh-diöcisch 
oder  eingeschlechtlich.  Kelch  uud  Krone  klappig,  4 — 5zählig. 
Staubgefrisse  8 — 10.  Griffel  einfach.  Fruchtknoten  einfäeherig. 

Sydo  w. 

Comedonetl,  Mitesser,  siud  die  durch  übermässig  angesam- 
melten Hauttalg  verstopften  Ausführungsgäuge  der  Talgdrüsen.  Man 
bemerkt  sie  als  dunkle  Punkte  im  Gesieht,  auf  Brust  und  Rücken.  Verfri^ei-T""' 
Durch  einen  seitlich  angebrachten  Druck  kann  der  Talgpfropf  heraus- 
befördert  werden.    Im   ausgedrückten  Inhalte  des  Comedo  trifft  man  oft 


ignizea  Dy 


Google! 


CüMEDONEN.  —  COMMUTATOR. 


231 


Koch's  Comiuahacillen. 


Acorus  folliculorum  an;  doch  findet  sich  dieser  auch  iu  den  normalen  Talgdrüsen, 
nach  Heiwa  sogar  viel  häutiger,  kann  also  nicht  die 
l'rsaehe  der  Erkrankuug  «ein. 

CommabacillUS,  s.  Fig.  39  und  Spirochaete 
Cholerae  asiaticae,  Bd.  II,  pag.  87. 

Commandeur-  oder  Commendatorbalsam 

sind  volksth.  Bezeichnungen  für  Tinctura  Uenzoes 
couiposita  (Balsamuni  Commendatoris).  —  Comman- 
deursalbe  ist  ünguentnm  basilicum. 

Commelinaceae,  eine  Familie  der  EnantioMa- 
tlae,  ausschliesslich  der  wärmeren  Zone  beider  Hemi- 
sphären angehftrig.    Charakter :  Perigon  (»blätterig ;  die  3  inneren  Blätter  blumen- 
kronartig  gefärbt.    Stengel  knotig.    Staubgefässe  6 ,  sämmtlich  fruchtbar.  Staub- 
fäden meist  mit  schön  gefärbten.,  gegliederten  Haaren  besetzt.    Kapsel  3fächerig. 
jvimenträger  in  der  Mitte  stehend.  Sydow. 

Commutator,  Stromwender,  auch  Gyrotrop  (yj;o;,  Kreta ,  Tstirto,  ich  wende) 
int  ein  Apparat  zur  Umkehrung  der  Richtung  eine«  elektrischen  Stromes  in  einem  Theil 
seiner  Leitung.  Von  der  grossen  Anzahl  der  vorhandenen  Constructionen  be- 
schn  i  .en  wir  nur  jene  von  Ruhmkorff,  die  namentlich  bei  den  Ri'HMKORFF'schen 
Funken-Inductorien  in  Anwendung  kommt  und  in  Fig.  40  dargestellt  ist. 

Fig.  40. 


Der  RüHMKORFF'sche  Commutator  besteht  aus  einem  Ellenbein-  oder  Hartgummi- 
cylinder  c,  welcher  der  Länge  nach  zwei  vollständig  von  einander  getrennte 
Metallwülste  d  und  e  tragt,  und  auf  einer  zweitheiligen,  metallenen  Achse  a  b 
steckt,  die  von  beiden  Seiten  mässig  tief  in  den  Cylinder  eingreift.  Der  Theil  a 
der  Achse  steht  einerseits  durch  das  metallene  Lager  mit  der  Klemmschraube  /", 
andererseits  im  Innern  des  Cylinders  mit.  dem  Wulste  e  in  leitender  Verbindung 
und  in  gleicher  Weise  auch  der  Achsentheil  b  mit  d  und  </.  An  jeden  der  Wülste  d 
und  e  legt  sich  bei  der  gezeichneten  Stellung  des  Commutators  eine  der  breiten 
Metallfedern  k  und  l  an,  mit  welchen  durch  die  Klemmen  //  und  i  die  Enden 
jenes  Theiles  /•  der  Leitung  in  Verbindung  stehen ,  iu  dem  die  Stromrichtung 
umgekehrt  werden  soll.    Der  Strom  selbst  gelangt  durch  die  Klemme  g  in  den 


Digitized  by  Google 


232  COMMÜTATOR.  —  COMPLEMENTÄRE  FARBEN. 

Apparat  und  verlädst  ihn  bei  f]  nachdem  er,  von  g  Aber  b,  d,  k  strömend,  die 
Leitung  r  in  der  Richtung  von  h  nach  i  durchflössen  und  dann  Aber  /  und  e  den 
Achsentheil  a  erreicht  hat.  Bringt  man  aber  durch  eine  Drehung  des  Cylinders 
den  Wulst  e  mit  der  Feder  k,  d  mit  /  in  Verbindung,  so  gelangt  der  Strom 
über  9,  h  und  d  in  die  Feder  J,  durchfliegst  die  Leitung  r  nunmehr  in  der 
Richtung  von  t  nach  h  und  kommt  dann  weiter  Über  die  Feder  k  zum  Wulste  c, 
in  die  Achse  a  und  wieder  zur  Klemme  f. 

Bei  jener  Stellung  des  Cylinders,  bei  welcher  die  beiden  Wülste  die  Federn 
uicht  berühren,  dient  der  Apparat  auch  als  Stromunterbrecher.  Pitsch. 

COfTip.,  auf  Recepteu  vorkommende  Abkürzung  für  compositus. 

Compensation,  Ausgleichung,  bezeichnet  die  Beseitigung  nicht  beabsichtigter, 
störender  Vorgänge  durch  andere,  ihnen  eutgegenwirkende.  Am  häufigsten  findet 
man  die  sogenannte  thermische  Compensation  zur  Beseitigung  störender  Wirkungen, 
die  von  der  Ausdehnung  der  Körper  dnreh  die  Wärme  herrühren,  z.  B.  bei  Uhr- 
pendeln, bei  den  Unruhen  der  Taschenuhren,  berEisenconstructionen  und  noch  in 
vielen  auderen  Fällen.  Als  magnetische  Compensation  bezeichnet  man  die  Be- 
seitigung einer  nicht  beabsichtigten,  etwa  durch  benachbarte  Eisenmassen  (z.  B. 
auf  eisernen  Schiften)  hervorgerufenen  Ablenkung  der  Declinationsnadel  ans  dem 
magnetischen  Meridian.  Ferner  spricht  man  noch  von  der  Compensation  eines 
elektrischen  Stromes  durch  Einwirkung  eines  gleich  intensiven,  aber  entgegen- 
gesetzt verlaufenden  (bei  manchen  elektrischen  Messungen),  und  in  seltenen  Fällen 
auch  von  einer  chromatischen  Compensation,  nämlich  der  Beseitigung  der  Farben- 
zerstreuung bei  Linsen.  Pitsch. 

Compensationsextract  von  Simon  ist  eine  dem  bekannton  Restitutions 

ähnlich  zusammengesetzte  Einreibung. 

CompenSationSmagnet  oder  Berichtigungsstab  ist  ein  kleiner,  am 
Multiplicator  angebrachter,  gegen  den  einen  Pol  der  oberen  Nadel  gerichteter, 
feststehender  Magnctstift,  welcher  dem  astatischen  Nadelpaar  soviel  von  seiner 
Kraft  nimmt,  dass  die  anziehenden  Kräfte  in  den  Drahtwindungen  —  selbst  dem 
reinsten  Kupfcrdrahto  ist  noch  etwas  Eisen  beigemischt,  welches  auf  die  Magnet- 
nadel eine  Anziehung  ausübt  —  der  Kraft  des  Erdmagnetismus  gegenüber 
unwirksam  werden. 

Complementäre  Farben,  sich  ergänzende  Färb  en,  nennt  man  zwei  solche 

Farben,  welche  in  einem  bestimmten  Verhältnis«  genascht,  Weiss  geben.  Comple- 
mentär  sind  z.  B. 

von  Spectralfarben :  von  Mischfarben: 

Roth  Grünblau  Purpur  Grün 

Orange  Cyanblau  Rosa  Blassgrün 

Gelb  Indigblau  i         Strohgelb  Himmelblau 

Grüngelb        Violett.  Blauwcks  Gelbweiss. 

Hält  man  complementäre  Karben  neben  einander,  so  bringeu  sie  stets  einen 
angenehmen  Eindruck  im  Auge  hervor.  Sie  treten  auch  bei  manchen  optischen 
Erscheinungen  unmittelbar  neben  einander  auf.  So  erscheinen  im  Allgemeinen  zwei 
complementär  gefärbte  Bilder,  wenn  ein  Bündel  paralleler,  weisser  Lichtstrahlen  der 
Reihe  nach  durch  einen  Polariscur,  ein  dünnes,  doppeltbrechendes  Krystallplättchen 
und  einen  Analyseur  hindurchgeht  (s.  Polarisation).  Auch  bei  vielen  Con- 
trasterscheinungin  erblickt  man  complementäre  Farben  neben  einander,  z.  B.  bei 
den  farbigen  Schatten ,  die  entstehen ,  wenn  der  von  einem  farbigen  Lichte  auf 
einer  weissen  Flüche  eutworfene  Schatten  durch  schwaches  ,  weisses  Licht  etwas 
aufgehellt  wird.  Der  Schatten  erseheint  dann  complementär  zu  der  vom  farbigen 
Lichte  erleuchteten  Fläche  gefärbt.  Auch  die  negativen  Nachbilder  eines  farbigen 
Gegenstandes,   wie  sie  z.  B.  entstehen,   wenn   man  den  Gegenstand  vor  einem 


Digitized  by  Google 


I 


COMPLEMENTÄRE  FARBEN.  —  COMPRESSE.  233 

grauen  oder  weissen  Hintergrund  längere  Zeit  scharf  fixirt  und  dann  plötzlich 
entfernt,  zeigen  wenigstens  während  einer  kurzen  Zeit  nach  ihrem  Entstehen  die 
zur  Gegenstandsfarbe  oomplementäre.  Pitsch. 

CompOSitae,  Familie  der  Aggregaten- .  Kräuter,  seltener  Holzgewächse  mit 
Aber  10.000  Arten  in  allen  Zonen  und  Florengebieten.  Mit  Ausnahme  der  Am- 
bnm'eae  gehören  sämmtliche  Arten  der  19.  Gasse  (Syngene*ia)  des  LiNNK'schen 
Systems  an.  Charakter:  Blätter  spiraligy  seltener  gegenständig.  Nebenblätter  fehlen. 
Blüthen  zwitterig  oder  zum  Theil  i  selten  alle)  eingeschlechtlich  oder  geschlechtslos, 
in  viel-,  seltener  in  einblflthigen  Köpfchen,  welche  von  einer  aus  Hochblättern  ge- 
bildeten Hülle  (Involucrum,  Anthodium,  Pericl'mium  Cass.,  Calyx  communis  Jj.) 
umgeben   sind.  Kelch  fehlend  oder  als   Haarkrone  (Pappus).    Krone  entweder 

regelmässig  und  röhrig,  oder  symmetrisch  nnd  zungenförmig  nach  |    oder  |» 

seltener  21ippig  nach  \    Staubgefässe  5,  der  Krone  ciugefügt,  mit  den  Antheren 

verwachsen.  Griffel  1,  durch  die  von  den  Staubbeuteln  gebildete  Röhre  hindurch- 
wachsend. Narben  2 ,  sehr  verschieden  gestaltet.  Frucht  eine  trockene  Schliess- 
frucht  (Achaenium).  Samen  ohne  Eiweiss.  Die  Familie  zerfallt  nach  Lessing  und 
i»k  Caxdollk  in : 

a)  Tubuliforae :  Blüthen  ausschliesslich  röhrenförmig  oder  äussere  Blüthen 
strahlig  nach  ^. 

2 

b)  Labtat iflorae:  Blüthen  2lippig  nach  ... 

c)  Liguliflarae :  Blüthen  ausschliesslich  zungenförmig  nach  5<  Sydow. 

CompOSitionSmetalt,  eine  Legirung  von  Zinn  mit  Antimon,  Wismut  und 
Kupfer. 

Compound,  engl.  Bezeichnung  für  dasjenige,  was  wir  als  Gemisch,  Compositum 
bezeichnen  würden ,  bezieht  sich  sowohl  auf  pulverige  wie  auf  flüssige  Gemische. 

Compound  CathartiC  EÜXir  (Ph.  U.  8.),  ist  zusammengesetzt  aus  \t  Th. 
Podophyllin  (in  15  Th.  Spiritus  gelöst),  35  Th.  Extr.  fluid.  Frangulae,  35  Th. 
Extr.  fluid.  Sennae,  60  Th.  TaHurus  v.atronatus ,  50  Th.  Tinctura  aroviatica 
und  so  viel  Elixir  Liquiritiae,  dass  das  Ganze  600  Th.  beträgt.  —  Compound 
CathartiC  Pills  (Ph.  ü.  S.),  8.5  g  Extractum  Colocyntbidis  comp.,  6.5  g  Resina 
Jalapae,  6.5  g  Calomel  und  1.5  g  Gutti  zu  100  Pillen.  —  Compound  HOnOy  Of 
Squill,  ein  in  Nordamerika  sehr  beliebtes  Hustenmittel ,  besteht  aus  je  120  Th. 
Bulbi  Scillae  und  Radix  Senegae  zu  1000  Th.  Colatur  gekocht,  worin  2000  Th. 
Sacchart/in  und  3  Th.  T rrrtarus  tfibiatus  gelöst  werden  (10.0  Syrup  enthalten 
o.oi  Brechweinstein).  —  Compound  Liniment  of  Mustard  (Ph.  Brit.),  ist  eine 
Mischung  aus  1  Th.  Ext  factum  Mezerei  aetb.,  V!3  Th.  Oleum  Sinapis,  3  Th. 
Campbora,  7\<2  Th.  Oleum  Ricini  und  48  Th.  Spiritus  dilutus.  —  Compound 
Pill8  of  Gamboge  (Ph.  Brit.),  sind  0.15g  schwere  Pillen,  aus  je  2yaTh.  Ahes, 
Gutti  und  Ptdvis  aromaticus,  5  Th.  Sapo  medicatus  und  so  viel  als  nöthig 
Syrupus  Sacchari  bestehend.  Compound  PowdeP  of  Opium  (Ph.  Brit.),  ist 
eine  Pulvermischung,  aus  3  Th.  Opium,  4  Th.  Piper  nigrttm,  10  Th.  Rbizom. 
Zingiberis,  12  Th.  Frucfus  Carvi  und  1  Th.  Traganth  bestehend.  —  Compound 
Rhubarb.  Pill8  (Ph.  Brit.).  Die  Masse  zu  diesen  Pillen  besteht  aus  4.5  g  Aloe, 
6  g  Radix  R bei,  je  3  g  Myrrha  und  Sapo  medicatus,  8  Tropfen  Oleum  Menth ae 
pijter.  und  8  g  Syrup.  simplex.  —  Compound  Tinctura  of  Camphor  (Ph.  Brit.), 
besteht  aus  je  4  Tb.  Opium  und  Acidum  brnzoicum ,  je  3  Th.  Camphora  und 
tiU'im  Anisi  und  5)60  Th.  Spiritus  dilutus. 

CompreSSe  Oder  BaUSCh  nennt  man  ein  mehrfach  zusammengelegtes  Stück 
Leinwand,  welches  als  Verbandroittel  benützt  wird.  Werden  mehrere  Compressen 
von  stufenweise   zunehmender  Grösse   übereinander  gelegt  und  durch  Hefte  an- 


Digitized  by  Google 


COMPRESSE.  —  COMPRIM1RTE  ARZNEIMITTEL. 


einander  befestigt,  so  erhält  man  eine  graduirte  Compresse.  Longuetten 
sind  Compresseri,  welche  lang  und  zugleich  schmal  sind. 

Compression  nennt  man  in  der  Medicin  analog  wie  in  der  Physik  einen 
durch  Äussere  Kräfte  bewirkten  Druck.  Die  Compression  kann  eine  zufällige  sein ; 
so  kann  vou  Seite  einer  Geschwulst  ein  Nerv,  ein  GefJlss  oder  ein  anderer  im 
Organismus  befindlicher  Canal  coniprimirt  werden.  Durch  beabsichtigte  Compression 
mit  Hilfe  der  Finger  oder  eines  Toumiquets  kann  der  Chirurg  eine  Blutung  ver- 
hüten oder  eine  entstandene  zum  Stehen  bringen. 

Compressorium.  Da«  c  omprcsHorium  oder  der  mikrotomische 
Quetscher  dient  dazu ,  auf  mikroskopische  Präparate  einen  allseitig  gleioh- 
mässigen ,  während  der  Beobachtung  in  beliebigem  Grade  allmälig  gesteigerten 
Druck  wirken  zu  lassen ,  nm  entweder  zarte  Objecte ,  deren  iunere  Structur  nur 
dauu  in  erforderlicher  Weise  aufgehellt  werden  kann,  weuu  sie  durch  allmälige 
Quetschung  ausgedehnt  werden,  überhaupt  durchsichtig  zn  machen,  oder  insbesondere 
die  für  die  Beurtheilung  mancher  Thatsachen  wichtigen  Veränderungen  zu  studiren, 
welche  dabei  gewisse  Structursverhültnisse,  Inhaltskörper  u.  dergl.  erleiden. 

Die  fraglichen  Hilfsapparate  des  Mikroskope*  werden  von  unseren  optischen 
Werkstätten  in  verschiedener  Ausführung  geliefert,  sind  aber  im  Ganzen  und 
Grossen  entbehrlich  und  können  dureh  eine  sichere  Hand  in  den  meisten  Fällen 
vollkommen  ersetzt  werden.  D  i  p  p  e  I. 

Compri'mirte  Arzneimittel.  Dieldee,  Medieamente  durch  starke  Pressung  in 
compacte  Form  zu  bringen,  mag  eine  alte,  in  verschiedenen  Ländern  aufgetauchte 
sein;  praktisch  jedoch  wurde  dieser  Gedanke  erst  1*73  in  richtiger  Weise  von 
Professor  J.  Rosknthai,  in  Erlangen  aufgefasst  und  durchgeführt.  Derselbe  schlug 
zuerst  die  Anwendung  der  Compression  für  Arzneimittel  in  Nr.  34  der  Berliner 
klinischen  Wochenschrift  1874  vor  und  Hess  bei  Mechaniker  F.  Bauer  in  Er- 
langen eine  Comprimirpresse  nach  seinen  Angaben  construiren.  Sein  Vorschlag 
fasste  Boden  in  Deutschland,  der  Schweiz,  Oesterreich  und  Nordamerika,  und  es 
entstanden  verschiedene  Systeme,  Arzneimittel  zu  comprimiren,  sowohl  in  Bezug 
auf  die  mechanischen  Vorrichtungen,  die  Maschinen  zum  Pressen,  als  auch  auf  die 
äussere  Gestalt  des  gepressten  Productes.  Je  mehr  dieses  der  runden  Form  einer 
Pille  sich  nähert,  um  so  verwendbarer  wird  es  in  der  Pharmacic;  denn  die  <-<>m- 
primirteu  Tabletten  sind  zu  kantig  und  zu  breit,  um  leicht  geschluckt  werden  zu 
können. 

Die  comprimirten  Arzneimittel  haben  den  Vorzug,  in  kleiuer  Form,  bei  geringem 
Volumen  viel  wirksame  Substanz  zusammengedrängt  zu  enthalten.  Dadurch  wird 
ermöglicht,  grössere  Mengen  Arzueistoffe  mit  Leichtigkeit  einnehmen  zu  können. 
Da  dieselben  ferner  wie  Pillen  ganz  und  ungekaut  geschluckt  werden  können,  so 
wird  weder  Zunge  noch  Gaumen  dureh  den  jeweilen  unangenehmen  Geschmack 
der  Substanzen  belästigt ,  indem  mau  mit  Hilfe  irgend  eines  Getränkos ,  z.  B. 
Wasser,  Wein,  Kaffee  die  Kugeln  leicht  hinunterbringt.  Wird  jede  Dosis  des  zu 
pressenden  Pulvers  gewogen  und  nicht,  wie  leider  oft  der  Fall,  uur  gemessen,  ho 
bieten  die  comprimirten  Heilmittel  noch  den  Vortheil  der  exaeten  Dosirung.  Ihre 
Form  soll  thunlichst  nur  durch  starken  Druck  ohne  Anwendung  irgend  eiues 
klebenden  Bindemittels  erzeugt  werden ,  so  dass  sie  sich  leicht ,  ohne  Beschwerde 
und  rasch  im  Magen  auflösen.  Sie  sollen  so  hart  sein,  dass  sie  auf  einen  Holzboden 
fallen  gelassen  nicht  zerbrechen,  denuoch  wiederum  so  wonig  dicht,  dass  sie, 
mit  einem  Messer  zerschnitten,  zu  Staub  zerdrückt  werdeu  können  und  in  einem 
Glase  Wasser  in  kürzester  Zeit  spontan  zerfallen. 

Die  abweichende  physikalische  Beschaffenheit  der  zu  comprimirenden  Substanzen 
setzt  natürlich  verschiedene  Bedingungen ,  unter  welchen  eine  durch  Compression 
bewirkte  Cohärenz  erfolgt,  voraus. 

Hygroskopische  und  sehr  fetthaltige  Stoffe  können  nur  mit  grosser,  wenig  sich 
lohnender  Mühe  comprimirt  werden. 

i 
i 

Digitized  by  Google  | 


COM  PK  Uli  UTE  ARZNEIMITTEL.  -  CONCAV. 


Bei  verschiedenen  Pulvermischungen  und  Salzen  genügt  als  Vorbereitung  ein 
einfaches  Erwärmen ,  bei  anderen  ist  ein  vorheriges  Feuchtlegen  in  einen  eigens 
hierzu  construirten  Schrank  genügend.  Wieder  andere,  besonders  vegetabilische 
Pulver,  z.  B.  Rhabarber,  Koso  etc.,  welche  durch  eine  zu  hohe  Wasseraufnahme 
dunklere  Farbe  bekommen  würden,  lflsst  man  nur  wenig  Feuchtigkeit  anziehen, 
erhöht  aber  die  Wirkung  derselben  dadurch,  dass  man  das  feuchte  Pulver  in  kleinen 
Portionen  im  Wasserbad  erwärmt  und  dann  comprimirt. 

•Schliesslich  gibt  es  Körper  (Natr.  bicarbonic),  bei  welchen  alle  diese  Mittel  noch 
nicht  genügen.  Ihnen  mischt  man  je  5  Procent  Pulv.  Gummi  arabici  und  Sacchari 
zu,  legt  dann  feucht  und  erwärmt  schliesslich. 

Die  im  Handel  befindliehen  Maschinen  siud  alle  brauchbar  und  unterscheiden 
sich  nur  durch  mehr  oder  weniger  grosse  Leistungsfähigkeit.  Als  sehr  gut  gearbeitet 
können  die  von  G.  Bauer  in  Erlangen  Erwähnung  finden,  ferner  solche  von  Kilian 
in  Berlin. 

Wenn  nun  auch  eine  gute  Maschine  die  Production  sehr  unterstützt,  so  wird 
m  doch  nur  eine  secundäre  Rolle  spielen  gegenüber  den  oben  beschriebenen  Vor- 
bereitungen der  Pulver.  Denn  der  Schwerpunkt  liegt  nicht  in  der  Compression, 
sondern  in  den  Bedingungen  dazu. 

Sehr  leicht  lösliche  Salze ,  wie  Jodkalium ,  verursachen  in  comprimirter  Form 
geschluckt,  durch  ihre  rasche  Wasserabsorption  und  daherige  Erzeugung  von  Kälte, 
localc  entzündliche  Affectionen  der  Magenschleimhaut.  Unlösliche  und  schwerlös- 
liche Substanzen,  durch  das  Comprimireu  steinhart  geworden,  passiren  oft  deu  ganzen 
Verdauungsapparat,  ohue  wesentlich  resorbirt  worden  und  zur  Wirkung  gelangt  zu 
sein,  ja  gehen  bei  Dyspepsie  mit  den  Fäces  wirkungslos  wieder  ab.  Dieser  Uebel- 
stand  kann  dadurch  gehoben  werden,  dass  der  zu  pressenden  Substanz  eine  kleine 
Quantität  eiues  indifferenten  vegetabilischen  Pulvers  zugesetzt  wird,  welches  jedoch 
nicht  die  Eigenschaften  eines  Bindemittels  haben  darf,  da  es  sich  nicht  wie  bei 
den  Pillen  um  Erzielung  einer  plastischen,  sondern  gegentheils  einer  spröden  Masse 
bandelt.  Möglichst  hart  sind  nur  solche  Stoffe  zu  comprimiren ,  welche  nicht  wie 
Pillen  ganz  geschluckt ,  sondern  gleich  Pastillen  im  Munde  langsam  zergehen  ge- 
lassen, genutscht  werden  sollen,  wie  z.  B.  chlorsaures  Kali.  Hier  ist  die  Härte 
absolut  nothwendig,  damit  die  Pastille  im  Munde  nicht  zerfalle,  sondern  sich  mög- 
lichst langsam  löse  und  wahreud  längerer  Zeit  der  mit  dem  wirksamen  8toffe  im- 
prägnirte  Speichel  die  kranken  Stellen  imbibirt. 

Die  comprimirteu  Arzneimittel  haben  bisher  noch  nicht  die  ihnen  gebührende 
Verbreitung  gefunden,  obschon  sie  viel  Bequemlichkeit  dem  Publikum  bieten,  indem 
sie  ein  erleichtertes  Einnehmen  ermöglichen  und  ihre  Form  gestattet,  sie  in  der 
Tasche  tragen  und  zu  jeder  Zeit  rasch  in  Gebrauch  ziehen  zu  können. 

A.  Huber. 

Compte-gOUtteS  ist  der  französische  Ausdruck  für  Tropfglas,  Tropfenzähler. 

ComptOnia.  mit  Myrica  L.  synonyme  Gattung  Aiton's.  —  Die  durch  fieder- 
theilige  Blätter  mit  Nebenblättern  vor  Allen  ausgezeichnete  Art  C.  asplem'folta 
Bank*  (Myrica  wtplenifolia  El.)  wird  in  Nord- Amerika  als  Sweet  Fern 
gegen  Durchfälle  gebraucht. 

COriC,  auf  Recepten  vorkommende  Abkürzung  für  conceutratus  oder  concisus. 

ConCftV  nennt  man  jene  Seite  eines  Körpers,  welche  eine  von  einer  gekrümmten 
Fläche  begrenzte  Aushöhlung  hat.  (Bei  Curven  nennt  man  concav  jene  Seite,  auf 
welche  der  Durchschnittspunkt  zweier  Krümmungsradien  zu  liegen  kommt.)  Convex 
heisst  die  Seite  eines  Körpers,  welche  eine  von  einer  gekrümmten  Fläche  begrenzte 
Erhabenheit  besitzt.  Am  häufigsten  werden  die  Ausdrucke  concav  und  convex  auf 
sphärisch  geschliffene  Gläser,  sogenannte  Linsen  angewendet.  Concavlinsen  oder 
Hohlünsen  sind  immer  in  ihrer  Mitte  dünner  als  an  ihrem  Rande;  dabei  können 
beide  geschliffenen  Flächen  concav  sein  (biconcave  Linse),   oder  die  eine  Fläche 


Digitized  by  Google 


I 


236  CONCAV.  —  CONCENTRATIONEN. 

ist  oben  (planconcave  Linse),  oder  es  ist  die  eine  Fläche  sogar  convex  (convex  - 
concave  Linse),  nur  ist  der  Krümmungsradius  der  Convexität  grösser,  die  Krümmung 
also  schwächer,  wie  auf  der  concaven  Seite.  Die  Concavlinsen  zerstreuen  das  durch 
sie  hindurchgehende  Licht ,  daher  nennt  man  sie  Zerstreuungs-Linsen. 
Convexlinsen  sind  in  ihrer  Mitte  dicker  als  an  ihrem  Rande,  haben  entweder  zwei 
convexe  Flächen  (biconvexe  Linse) ,  oder  die  eine  Fläche  ist  eben  (planconvexe 
Linse) ,  oder  die  eine  Fläche  ist  concav  (concav-convexe  Linse) ,  jedoch  hat  die 
convexe  Fläche  eine  stärkere  Krümmung  als  die  concave.  Convexlinsen  haben  die 
Eigenschaft,  durch  sie  hindurchgehende  Lichtstrahlen  zu  sammeln ;  man  nennt  sie 
deshalb  S ammel-Linsen.  —  S.  auch  Brillen,  Bd.  II,  pag.  386. 

ConCentratiOll  bezeichnet  den  Gehalt  eines  Lösungsmittels  an  gelöster 
Substanz,  oder  das  Verhältnis»  zwischen  den  Gewichtsmengen  beider.  Eine  Lösung 
wird  ooncentrirt  genannt,  wenn  die  Menge  des  gelösten  Stoffes  relativ  gross 
ist,  sie  heisst  verdünnt  bei  relativ  kleinen  Mengen ;  sie  heisst  gesättigt, 
wenn  sie  so  viel  von  dem  gelösten  Stoff  enthält,  als  das  Lösungsmittel  unter  den 
gegebenen  Umstäuden  überhaupt  aufzunehmen  vermag.  Für  die  Bezeichnung 
der  Coneentration  gibt  es  zwei  Modalitäten ;  entweder  sagt  man ,  wie  viel 
ein  Gewichtstheil  eines  Körpers  von  dem  betreffenden  Lösungsmittel  gebraucht, 
oder  man  gibt  an,  wie  viel  100  Gewichtstheile  des  Lösungsmittels  von  dem  zu 
lösenden  Körper  aufzunehmen  vermögen.  Die  Aufnahmefähigkeit  einer  Flüssigkeit 
an  löslichen  Substanzen  ist,  analog  der  Löslichkeitsgrenze  und  der  Löslichkeit 
überhaupt,  abhängig  von  der  Temperatur.  Ganswind t. 

CoflCentrationen  nennt  man  gewisse  in  concentrirter  Form  her- 
gestellte Medicamonte,  die ,  um  auf  die  von  der  Pharmakopoe  oder  einer 
sonst  giltigen  Vorschrift  verlangte  Stärke  gebracht  zu  werden,  einfach  mit  dem 
betreffenden  Vehikel  zu  verdünnen  sind.  Die  Pharmakopoen  selbst 
haben  in  den  Vorschriften  zu  den  „zehnfachen  destillirten  Wässern" 
den  Weg  gekennzeichnet,  und  die  Industrie  hat  denselben  mit  glücklicher  Auswahl 
weiter  ausgebaut. 

Vorwiegend  sind  es  Präparate,  die  entweder  in  Folge  schwieriger,  complicirter 
Darstellung  oder  wegen  geringer  Haltbarkeit,  namentlich  im  Sommer,  als  Concen- 
trationen  hergestellt  werden. 

Zur  Bereitung  der  destillirten,  aromatischen  Wässer  dienen  spirituöse, 
200fach  concentrirte  Auflösungen  der  betreffenden  ätherischen  Oele  oder  noch 
besser  und  correcter  spirituöse,  200fach  concentrirte  Destillate  der  betreffenden 
Vegetabilien  etc.  Dieselben,  denen  die  Bezeichnung  „Essentia"  beigelegt  worden 
ist,  werden  mit  199  Th.  destillirten  Wassers  verdünnt  und  liefern  alsdann  das 
einfache  Präparat  (nach  Tropfen  ausgedrückt,  kommt  ein  Tropfen  der  Essenzen 
auf  10.0  g  Wasser). 

Zur  Darstellung  jener  Essenzen  werden  die  Vegetabilien  frisch  getrocknet  oder 
auch  frisch  mit  Spiritus  destillirt  und  das  Destillat  durch  Cohobiren  auf  den 
200.  Theil  des  nach  der  Vorschrift  zu  gewinnenden  einfachen  (wässerigen)  Destillats 
gebracht.  Bei  der  Bereitung  der  Essenzen  aus  fertigen  ätherischen  Oelen,  die  bei 
stark  die  Destillirblasen  verunreinigenden  Stoffen  gerechtfertigt  erscheint,  ist  für 
das  Verhältnis»  von  ätherischem  Oel  zu  Spiritus  der  Gehalt  der  betreffenden  Droge 
an  ätherischem  Oel  maassgebend.  Dass  natürlich  nur  gute,  frische,  uicht  ver- 
harzte ätherische  Oele  Verwendung  finden  dürfen,  ist  selbstredend.  Die  Aufbe- 
wahrung der  „Essenzen  für  aromatische  VV ä s s e r"  geschieht,  wie  die  der 
ätherischen  Oele  selbst,  in  gut  verschlossenen  Glasflaschen  am  kühlen  Orte  und 
unter  Abschluss  des  Lichtes. 

Die  bekanntlich  geringe  Haltbarkeit  der  einfachen  destillirten  Wässer,  das 
Schleimigwerden,  Trübwerden.  Dumpfigwerden  derselben,  welches  bei  wenig  gang- 
baren Sorten  eine  fortwährende  Calamität  ist.  wird  durch  Verwendung  derartiger 
Essenzen  glücklich  beseitigt.    Wenn   die  Essenzen  in  den  giltigen  Pharmakopoen 


Digitized  by  Google 


CONCENTRATIONEN. 


237 


auch  noch  kein  Bürgerrecht  erlangt  haben ,  da  sie  erst  jüngeren  Datums  sind, 
so  ist  deren  Verwendung  zur  Darstellung  der  aromatischen  Wässer  doch  sicherlich 
viel  empfehlenswerther  und  bei  weitem  weniger  zu  beanstanden ,  als  die  sonst 
häufig  geübte  Praxis  (Anschütteln  der  ätherischen  Oele  direct  oder  der  mit 
Calcium  phosphoricum,  Magnesia  usta,  Saccharum  Lactis  u.  s.w.  gemischteu 
Oele  mit  destillirtem  Wasser  und  hierauffolgendes  Filtriren). 

Kine  zweite  Reihe  von  Concentrationen  sind  die  zehnfachen  Syrupe,  die 
durch  Verdünnen  mit  dem  neunfachen  Gewichte  St/rupus  simple*  das  gewünschte 
Präparat  ergeben.  Auch  für  diese  ist  die  Haltbarkeit  gewährleistet,  sobald  die 
concentrirten  Syrupe  genügend  zuckerreich  sind,  um  sich  zu  conserviren  und  der 
einfache  Syrup  für  einen  kleinen  Vorrath  (Standgefäss)  oder  ad  dispensationern 
durch  Verdünnen  mit  Syrupus  simplex  aus  der  Concentration  hergestellt  wird. 

Weniger  aus  Gründen  der  geringen  Haltbarbeit ,  sondern  mehr  wegen  der 
Umständlichkeit  der  Darstellung,  ist  die  Anfertigung  der  concentrirten 
Spiritusdestillate  geboten.  Die  in  zehnfacher  Concentration  hergestellten 
Präparate  werden  durch  Destillation  aus  den  betreffenden  Vegetabilien  mittelst 
Spiritus  bereitet  und  durch  Verdünnen  mit  dem  neunfachen  Gewichte  Spiritus 
(dilutus)  das  einfache  Präparat  daraus  erhalten. 

Aus  gleichem  Anlass  geschieht  die  Darstellung  der  zweifach  concentrirten 
infnndirten  Oele,  die,  um  das  einfache  Präparat  zu  erhalten,  mit  dem 
gleichen  Gewicht  Olivenöls  verdünnt  werden.  Zur  Darstellung  empfiehlt  sich  nach 
Dih-erich  die  Verwendung  des  groben  Pulvers  der  betreffenden  Vegetabilien  an 
Stelle  der  von  der  Pharmakopoe  vorgeschriebenen  geschnitteneu  Substanzen. 
Gleichfalls  unter  die  Concentrationen  zu  ziiblen  sind :  Infusum  Digitalis,  Ipeca- 
cuankae,  Scillae,  Stcalis  cornuti  siccum.  Diese  werden  bereitet  durch  wässerige 
Infusion,  Fällen  der  Eiweissstoffe  durch  Spiritus,  Eindampfen  des  Filtrates  mit 
Milchzucker,  oder  Milchzucker  und  Rohrzucker Verreiben  des  trockenen  Rück- 
standes mit  so  viel  Zucker,  dass  das  Gosammtgewicht  dem  Gewicht  der  ange- 
wendeten Droge  gleichkommt.  Zum  Gebrauch  wird  das  Infusum  siccum  in  vor- 
geschriebener Menge  in  Wasser  gelöst 

Gegen  die  Berechtigung  der  letztgenannten  trockenen  Infus«  sind  verschiedene  Ein- 
wände erhoben  wordeu.  Dieselben  richten  sich  jedoch  weniger  gegen  die  Präparate 
selbst,  als  vielmehr  gegen  die  durch  den  Namen  angedeutete  Verwendung  zur  Be- 
reitung der  Infusa,  indem  besonders  Schwierigkeiten  bei  der  Taxirung  befürchtet  werden. 

Die  in  der  obigen,  kurz  skizzirten  Darstellungsmethode  liegenden  Principien 
sind  auch  bereits  auf  andere  Drogen  angewendet  worden  (s.  P  h.  Central- 
halle,  XXVII,  pag.  617).  Mit  der  Umänderung  des  Namens  Infusa  sicca  in 
Extracta  solida  ist  einmal  den  oben  erwähnten  Einwendungen  der  Boden  ent- 
zogen und  andererseits  sind  die  Methoden  der  Extractdarstellung  um  eine  ver- 
mehrt, die  wohl  werth  wäre,  officiell  adoptirt  zu  werden.  —  (Vergl.  unter 
Extracte  und  Extractdarstellung). 

Eine  fernere  Classe  der  Concentrationen  bilden  die  concentrirten  äthe- 
rischen Oele,  die  sogenannten  Patentöle.  Diese  sind  durch  Rectificatiou  von 
den  nicht  riechenden  Antheilcn  (Kohlenwasserstoffen)  befreit,  zeichnen  sich  daher 
auch  durch  reineren  Geruch  und  grössere  Löslichkeit  in  Wasser  und  verdünnten 
Spirituosen  aus.  Das  Verhältniss  ihrer  Concentration  richtet  sich  nach  der  Menge 
der  durch  Fractioniren  entfernten  Kohlenwasserstoffe,  ist  also  bei  den  verschie- 
denen ätherischen  Oelen  nicht  gleich  und  bewegt  sich  beiläufig  in  den  Verhält- 
nissen von  1:2  bis  1  :  30  mit  allen  Zwischenstufen  für  die  verschiedenen  Oele. 

Meist  besitzen  die  Patentöle  ein  höheres  specirisches  Gewicht  und  grössere 
Haltbarkeit  als  die  gewöhnlichen  Handelsproducte. 

Verschieden  von  den  vorstehend  behandelten  Concentrationen  sind  die 
amerikanischen  Concentrationen  (Goncentrated  Ilemedies,  Concentrattd 
Medicines,  Eclectic  Remedies) ,  denen  auch  häufig  die  wenig  zutreffende  Be- 
zeichnung Resinold  beigelegt  wird. 


Digitized  by  Google 


238 


C  0  N  C  K  N  TU  A  T 1 0  N  EN. 


Die  amerikanischen  Concentrationen  finden  seitens  der  Eklektiker  ausschliess- 
liche Verwendung,  da  dieselben  die  Verwendung  anorganischer  Chemikalien 
wenigstens  für  den  innerlichen  Gebrauch  perhorresciren  und  sind  als  reine  Stoffe 
keineswegs  zu  betrachten ;  sie  enthalten  je  nach  ihrer  Abstammung  Harze,  Alkaloide, 
Glucoside,  mit  den  verschiedensten  indifferenteu  Stoffen  vermischt  oder  sind  auch 
halbflüssige  Gemische  von  Oeleu  mit  Harzen ,  sogenannte  Oleoresine.  reber 
die  Zusammensetzung  ist  eigentlich  so  gut  wie  nichts  bekannt  und  selbst  die 
Darstellungsmethoden  sind  zum  grossen  Theil  geheim  gehalten.  Daher  kommt  es 
auch,  dass  den  gleichen  Namen  tragende  Präparate  verschiedener  Fabrikanten  ganz 
verschiedene  Producte  sind  und  die  verschiedenartigsten  indifferenten  Stoffe  euthalten. 

Im  Folgenden  sind  die  Darstellungsmethoden,  soweit  dieselben  bekannt  geworden 
sind,  kurz  skizzirt;  als  indifferente  Substanz,  mit  denen  die  Concentrationen  in 
ziemlich  willkürlicher  Weise  vermischt  sind ,  werden  genannt  Milchzucker ,  Lyco- 
podium,  das  Pulver  der  betreffenden  Droge,  auch  mineralische  Pulver,  lieber  das 
Mengenverhältnis*  jedoch ,  des  indifferenten  Stoffes  zu  dem  wirksamen,  oder  der 
fertigen  Concentratton  zur  Robdroge  verlautet  sehr  wenig  und  wenig  zuverlässiges. 

Die  englische  Nomenclatur  bezeichnet  durch  die  Endung  — in  ein  Harz  oder 
einen  neutralen  Stoff,  durch  die  Endung  — i  a  oder  — i  n  e  jedoch  ein  Pflanzenalkaloid. 
Führt  also  die  Nomenclatur  der  Concentrationen,  die  vorwiegend  auf  — in  endigen, 
durch  die  geringe  Abweichung  der  Namen  leicht  zu  Missverständnissen  und  Ver- 
wechslung mit  stärker  wirkeuden  Präparaten  (z.  B.  Sanguinan'n  ist  die  Concen- 
tration,  San yuinaria  ist  das  Alkaloid),  bo  ist  diese  Gefahr  im  Deutschen,  da  wir 
diesen  Unterschied  der  Endungen  überhaupt  nicht  kennen ,  um  so  grösser  (z.  B. 
die  ziemlich  unschuldigen  Concentrationen  Aconitin,  Atropin,  Hyoscyamin,  Veratrin 
u.  s.  w.,  schreiben  sich  genau  so,  wie  die  giftigen  Alkaloide).  Neuerdings  ist 
stollenweise  versucht  worden,  durch  Einführung  besonderer  Namen  für  derartige 
Concentrationen  Verwechslungen  vorzubeugen ,  z.  B.  Aconapellin ,  Gelsemperin, 
(s.  weiter  unten). 

Als  Typus  für  die  Darstellung  der  amerikanischen  Concentrationen  kann, 
obwohl  für  viele  derselben  keine  Vorschriften  bekannt  geworden  sind,  im  Allge- 
meinen gelten,  dass  eine  durch  Abdestilliren  des  Alkohols  hergestellte  concentrirte 
Tioctur  mittelst  einer  wässerigen  Flüssigkeit  ausgefällt  wird,  indem  die  alkoholische 
Tinctur  in  jene  unter  fortwährendem  Umrühren  eingegossen  wird.  (Die  wässerige 
Flüssigkeit  ist  oft  nur  Wasser,  häufig  jedoch  auch  Alaunlösung,  salzsaures  Wasser 
u.  s.  w.)  Der  entstehende  Niederschlag  wird  manchmal ,  wenn  er  eine  Ölige 
Flüssigkeit  darstellt  (als  Oleoresin)  direct  gesammelt,  in  weitaus  den  meisten  Fällen 
jedoch  nach  Entfernung  der  wässerig- alkoholischen  Flüssigkeit  entweder  direct 
getrocknet  oder  durch  Zumischen  eines  indifferenten  Pulvers  in  eine  trockene 
Form  übergeführt  und  zn  feinem  Pulver  verrieben.  Die  Farbe  derartiger  Mischungen 
ist  gelb,  grau,  braun.  Nach  der  Darstellungsmethode  zu  urtheilen,  können  derartige 
Concentrationen  folgende  Stoffe  enthalten :  Harze,  fette  Oele,  Alkaloide,  Glycoside. 

Manche  der  im  Nachstehenden  genannten  Concentrationen  sind  bereits  wieder 
ausser  Anwendung ;  in  Deutschland  sind  dieselben  Uberhaupt  nur  sehr  wenig  bekannt. 


Concentration 

Aconit  in  oder 
Aconapellin. 

Aconitum 
Napellus. 
Wurzel. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Alkaloid  Aconit  in. 

1 

Apocynin. 
Apocynine. 

Ajtoctjnum andro- ,  Die  g "Sättigte  alkoholische  Tinctur,  mit  Ammoniak 
saemifolium.          vernetzt,  flltrirt,  mit  verdünnter  Schwefelsäure  gefallt. 

Aletrio. 

Aletri«  farinom.  j 
Wnreel. 

Alnuin. 
Almilne. 

Alnu*  rubra. 
Rinde. 

Digitized  by  Google 


CONCKNTRATIÜNEN. 


239 


1   Conceutration        Staroniptianze                         Darstellung  und  Bemerkungen 

Aapelopsla 

Ampelopsis 
quinquefolia. 

Aaclepiadin.  Aaclepias 
I  tuberosa. 

Äacletlwe 

Aehnlich  wie  Cimicifugin. 

Atropln.               Atropa          Nicht  zu   verwechseln  mit  dem  Alkaloid  A  tropin. 
l  Belladonna 

Baptisia  tinct. 
Wurzel. 

Die  gesättigte  alkoholische  Tinctur  durch  eine  ver- 
dünnte Säure  oder  Bleizuckerlösung  gefällt 
Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Glyoosid  Baptisin. 

Barosmln. 

Harosma  crenata.  ^ 

Catcarin.                                 S.  Bhamnin. 

Caulophyllia. 

Ca  ulophyllum 
thalictroide*  oder 
Leontice 
thalictrotdtn. 
Wurzel. 

1.  Fällung  aus  der  concentrirten  alkoholischen  Tinctur 
analog  wie  Podophyllin  o  ler  Cimicifugin. 

2.  Fällung  mit  Alaun. 

3.  Nach  Anderen :  Bereitung  eines  wässerigen  Aus- 
zuges, Entfärben  mit  Thierkohle,  Concentriren  im 
Vacuum,  Fällung  mit  Gerbsäure.  (?) 

Ceanothine 

■ 

Cmnothus        Extrnhiren  mit  Alkohol,  Ahdestilliren,  Behandeln  des 
Americanus.          Extractes  mit  Wasser,   Verdunsten  des  wässerigen 
Blätter.             Auszügen.  Fällung  durch  Alkohol. 

Cerasein        Cerama  Virginic.\ 

Chelonin. 

Chtlone  glabra. 

Chiaapbilb. 

ChimaphUa 
umbellata. 

Schütteln  d«  r  alkoholischen  Tinctur  mit  Chloroform, 
Entfernen  der  leichteren  Flüssigkeitsschichte  nach 
dem  Absitzen,  Verdunsten  der  alkoholischen  Lösung. 

Cimicifugin 

Cimicifuga 
rWuTzd°' 

1.  Concentrirte  Tinctur  mit  Wasser  verdünnen,  den 
Alkohol    ahdestilliren,    Rückstand    sammeln  und 
pulvern. 

2.  Concentrirte  Tinctur  allmälig  verdunsten  gelassen, 
die  wasserige  Flüssigkeit  abgegossen,   die  harzige 
Masse  in  Alkohol  gelöst,  auf  Glasplatten  verdunstet 
und  gepulvert. 

Collmsonin 

Collinsonia 
Canadensis. 

Cornlne 
Corwin 

Cornu*  Florida. 
Rinde. 

Fällen  einer  concentrirten  alkoholischen  Tinctur  durch 
Eingiessen  in  Wasser. 

Corydalia. 

Corydalis 
formosa. 
Knollen. 

Ausfällen  der  Tinctur  durch  Wasser,  Sammeln  und 
Auswaschen  des  Niederschlages  durch  Ammoniak, 
Sammeln  des  nachträglichen  Niederschlages,  Fil- 
triren,  Ausfällen  mit  Salzsäure. 

Cypripedin.  Cypripediutn 
pubescens. 
Wurzel. 

Fällung  der  conoeutrirten  alkoholischen  Tinctur  durch 
Eingiessen  in  Wasser  und  Sammeln  des  ölig- harzigen 
Niederschlages. 

Dloscorein. 

Dioscorea  villosa}  Aehnlich  wie  Cimicifugin  1. 
Wurzel. 

Euonymin. 
Evoaymln. 

Evonymus 
atropurpurem. 
Rinde. 

Fällen  der  concentrirten,  alkoholischen  Tinctur  durch 
verdünnte  Salzsäure  und  Vermischen  des  Nieder- 
schlages mit  indifferentem  Pulver. 

Evonymin  fuscum  aus  Wurzelrinde. 

Evonymin  viride  aus  den  jungen  Zweigrinden. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Glycosid  E  v  o  n  y  m  i  n. 

äd  by  Google 


240 


CÜNCENTRATIONEN. 


Conoeutration 

Stamm plianste    |                       Darstellung  and  Bemerkungen 

Eapatorin. 

Eupatorium    '  Fällung  der  alkoholischen  Tinctur  durch  das  gleiche 
purpureum.         Volnmeu  salzsauren  Wassers. 

Eupatorin 

(perfol.) 

Eupatorin 

(pnrpnr.). 

Eupatorium 
perfoliatum 

Euptitorium 
purjmreum 

Da  auch  aus  Eupatorium  perfoliatum  Eupatorin 
dargestellt  wird,  stammen  die  nebenstehenden  Be- 
zeichnungen. 

Eupurpurln. 

Eupatorium 
purpureum. 

Fallung  der  alkoholischen  Tinctur  durch  da«  doppelte 

Volumen  Wasser. 
Auch  als  ölig-harziges  Präparat. 

Euphorbia. 

Euphorbia      '  Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  einen  Enp  h  orb  in  be- 
corollata.           nannten  BeslandtheU  der  Gummi  resina  Euphorbia. 

Fraserin. 

Frasera 
Carolinenais, 

6elsemin. 
(Gelseminin- 

resinolu  ) 
Gelaemperin. 

Gelsemium 
Semper  virens. 
Wurzel. 

Aehnlich  wie  Podophyllin. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Alkaloid  6  eisern  in. 

Geranin. 
Geraniin. 

Gernnium 
maeulatum. 
Wurzel. 

1.  Aehnlich  wie  Podophyllin. 

2.  Vta*.                   Abkochnn*  „  Trockne. 

Gossypiin. 

Gossypium 
herbaceum. 
Wurzelrinde. 

namameiin. 

Hamamelis 
Virginica. 
Rinde  und  Blätter. 

Das  Präparat  Hazelin  ist  etwas  Anderes,  s.d. 

Helonin. 

Helonias  dioica. 
Wurzel. 

Hydrastin.  Hydrastis 
(neutral).  Canndensis. 

Wurzel. 

Fällung  des  wässerigen  Aufgusses  durch  Salzsäure. 
Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Alkaloid  Hydrastin 
(Berber  in). 

Hyoscyamin. 

Hyoscyamus 
niger. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Alkaloid  Hyoscyamin. 

IrldlnT 

Iris  versicolor. 
Wurzel. 

- 

Oelig-harziges  Product. 

Irisin. 

Iris  versicolor. 
Wurzel. 

Pulveriger  Körper. 

Nicht  zu  vorwechseln  mit  dem  Kohlehydrat  Irisin.. 

JaJapln.      =  Resina  Jalapae.\ 

l  Juglandin. 

Juglans  cinerea. 
Wurzelrinde. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Glyeosid  Juglandin. 

Leptandrin. 

Leptandra 
Virginica. 
Wurzel. 

Fällung  der  alkoholischen  Tinctur  durch  Wasser. 
Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Alkaloid  oder  Glucosid 
Leptandrin. 

Lapulin 

Humulus 
Ijupulus. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  Glandulae  Lupuli. 

Lyoopin. 

Lycopus 
Virginicus. 

Maorotin.                             |  S.  Cimicifugin. 

Menisperain.  1  Menispermum 

i  Canadense. 

CONCENTRATIOXEN. 


241 


Ooncentntion 

Stammpflanze 

Darstellung  und  Bemerkungen 

Myrioln. 

Myrica  cerifera. 
Rinde. 

ConcoDtrirte  Tinctur  zur  Trockne  verdunstet  und  der 
Rückstand  gepulvert. 

Pbytolaccta. 
i  Phytolaooin. 

Phytolacca 
decandra. 
Wurzel. 

PodophyMfl. 

Poi/opln/l!um 
peltatuw. 
Wurzel. 

=  Resina  PodopbylH. 

1.  Concentrirte  alkoholische  Tinctur  durch  Wasser  ge- 
fällt, Niederschlag  gesammelt,  gewaschen,  getrocknet. 

9     TYniv»h    A  laiin    /wtav»  czfi  Itci  nrAa    Woqüap  «rafällt 

<c,  uuiXsU  ^naiin  ouer  s&iSBuuroa  v?  ossär  geiaiii. 

Popelin. 

Populus 
tremuloides. 

Pnoii 

Cerasus  serotina. 
Binde. 

Ptelein. 

Ptelea  trifoliata. 

Eingiessen  der  alkoholischen  concentrirten  Tinctur  in 
Wasser,  Abdeatilliren  des  Alkohols,  Sammeln  des 
ölig-harzigen  Ruckstandes. 

Wie  Podophyllin. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  aus  den  Früchten  von 
Rhamnus  cathartica  dargestellten  Rhamnin. 


Rhualn. 

Rhus  aromatica. 
Blätter. 

Concentrirte  alkoholische  Tinctur  durch  Wasser  ge- 
fällt. 

Amin. 

Runtex  crispus.  \ 

Rhein. 

Iiheum. 

Sanouinariin. 

|  

Sanguinaria 
canadensü. 
Wurzel. 

Wie  Oimici  fugin  1. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Alkaloid  Sanguinarin. 

Ä           ,  Resina 
Scanmonin  -  Scammoniat, 

Seutellariae. 
Scutellarin. 

Seutellaria 
laterißora. 
Kraut. 

Fällung  der  concentrirten  alkoholischen  Tinctur  durch 
Eingiessen  in  Alaunlösung. 

Seaecin. 

Senecio  gracilis. 
Wurzel  und  Kraut. 

Concentrirte  alkoholische  Tinctur  mit  Wasser  ver- 
setzt, der  Alkohol  abdestillirt  und  der  ölig-harzige 
Rückstand  gesammelt  oder  mit  einem  indifferenten 
Pulver  zur  Trockene  vermischt. 

Seneoionioe. 

Senecio  gracilis. 

Fällung  der  alkoholischen  Tinctur  durch  Eingiessen 
in  Alaunlösung. 

Stillingln. 

Stillingia 
silcaticn. 

Alkoholisch-ätherischer  Auszug  verdunstet,  das  rück- 
ständige fette  Oel  mit  Zucker  oder  Milchzucker 
zur  Trockene  verrieben. 

Sailaaia 

Smilax          Nicht  zu  verwechseln  mit  Smilacin  (Saponin). 
Sarsaparilla. 

Trillli«. 

Trülium 
pendulum. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  Trillin  (Saponin). 

Veratrin. 

1  Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Alkaloid  Veratrin. 

Vlbareia. 

Viburnum 
Opulus. 

Xaathoxylin.  | 

Yertine. 

Eriodyction 
glutinosum. 

Rhamnus 
Purshiana. 


21- 


CONCENTRATIONEN.  —  CONCREMENTE. 


Literatur  f.  d.  amerikanischen  Concentrationen :  Edward  Parrish,   A  Treatise  on 
Phnrmaey.  Philadelphia  1874.  A.  Schneider 

ConCeptiOn  (ctmctpere),  Empfängnis* ,  das  ist  die  Befruchtung  der  Kizelic 
durch  das  Sperma. 

Conchae.    Mit   dem  Namen   Conchae  praeparatae  oder  Testae  Ostrearum 
praeparatae,  präparirte  Austerschalen,  belegt  man  ein  früher  viel  als 
Absorbens  benutztes  animalisches  Kalkpräparat,  welches  noch  in  Dänemark,  Griechen- 
land ,  Norwegen  und  Russland  officinell  ist.    Dasselbe  wird  aus  den  als  Teitar 
Ostreae  s.  Conchae  marinae  bezeichneten  Schalen  oder  Klappen  der  gemeinen 
Auster,  Ostrea  cduUa  L.,  gewonnen  (s.  Bd.  11.  pag.  51;.  Diese  besitzen  eine 
Breite  von  8  bis  12cm  uud  eine  rundlich  eiförmige,  mitunter  auch  spatel förmige 
oder  verschoben  viereckige  Gestalt ,   zeigen  aussen  bräunliche ,  weisse ,  grünliche 
oder  röthliche ,  wellenförmige  und  wie  Dachziegel  übereinander  liegende  Wacbs- 
thunisschichteu  (Lamellen),   iu  die  sich  die  Austernschalcn  leicht  zerlegen  lassen 
und  sind  innen  glatt  uud  milchweiss,  in  der  Mitte  mit  einem  Muskeleindrucke 
versehen.   Die  untere  Schale,   in  welcher  der  Körper  des  Schalthieres  liegt,  ist 
ausgehöhlt,  mit  faltigen  vielen  Längsrippen  versehen,  die  obere  mehr  deckelartig, 
dünner  und  glatt.  Zur  Darstellung  der  Conchae  praeparatae  werden  die  Austern- 
schalen  mit  Wasser  gekocht,  mittelst  einer  Bürste  von  den  anhängenden  Unrcinig- 
keiten  befreit,  zu  höchst  feinem  Pulver  zerrieben,  geschlämmt  und  wieder  getrocknet. 
Das  dadurch  resultirende  feine,   weisse,  geschmackfreie  Pulver  zeigt  sich  iudess 
mikroskopisch  nicht  homogen,  sondern  aus  dünnen,  flachen,,  eckigen,  unregelmflssigen 
Schüppchen  gebildet,  welche  auch  beim  Beschmeeken  auf  der  Zunge  und  zwischen 
den  Zähuen  deutlich  erkennbar  sind  und  bei  internem  Gebrauche  als  säuretilgen- 
des  Mittel  leicht  die  Magenwandungen  mechanisch  irritiren  können,  weshalb  die 
meisten  ueueren  Pharmakopöeu  zweckmässiger  die  Austerschalen  durch  Calcaria 
earbonica  praeeipitata  ersetzt  haben.  Die  chemische  Analyse  weist  95.18  (Ri  gers) 
bis       6  (Bl'CHHOi.z  und  Brandes)  Calciumcarbonat  in  den  Austernschalen  nach, 
was  die  Verwendung  der  Austernschalen  zum  Kalkbrennen  in  manchen  Seegegenden 
gewiss  rechtfertigt;   daneben  sind  1.2 — 1.8s   phosphorsaurer  Kalk  uud  etwa  0.5 
organischer  Substanz,  nach  Büchholz   und  Brandes  auch  0.2  Thonerde,  nach 
Rogers  0.4  Kieselerde,    nach  \rAtTquEt.ix  auch  etwas  Magnesia  und  Eisen  vor- 
handen.   Die  organische  Substanz   ist  weit  geringer  als  iu  anderem  animalischen 
Kalk  und  dementsprechend  auch 'der  empyrbeumatiscbe  Geruch  beim  Erhitzen ;  ebenso 
der  Niederschlag,  welchen  Ammoniak  beim  Nentralisiren  einer  salzsauren  Lösung 
der  präparirten  Austernschalen  gibt.  Th.  Husemann. 

COflCheiramidin,  s.  Ohinaalkaloide.  Bd.  II,  pag.  t>!>6. 

ConCheiramin,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  Gin;. 

Conctlinin,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  Ii,  pag.  085. 

ConCremente,  auch  Concretionen,  nennt  man  im  lebenden  Thierkörper,  und 
zwar  entweder  iu  den  Absonderungsflüssigkeiten  oder  auch  in  den  Geweben  der 
Organe  vorkommende  feste,  nicht  organisirte  Ablagerungen.  Sie  entstehen  zumeist 
als  Niederschläge  innerhalb  der  Flüssigkeiten  oder  der  Organe;  so  lange  sie 
pul  verförmige  Niederschläge  bilden,  bezeichnet  man  sie  als  Sedimente,  bilden  sie 
grössere  compacte  Massen,  dann  nennt  man  sie  Steine.  Die  Zahl  der  Stoffe, 
welche  in  die  Bildung  der  Concremente  eingehen,  ist  nicht  gross  und  hängt  von 
dem  Orte  ab,  wo  das  Concrement  entsteht,  und  nach  welchem  es  auch  benannt 
wird.  Man  unterscheidet  Blasen-,  I*rostata-,  Thränen-,  Nasen-,  Ohren-,  Bronchial-, 
Zahn-,  Rachen-,  Tonsillen-,  Pancreas-,  Gallen-  und  Darmuoucremente. 

Auch  die  Incrustationen  und  Verkalkungen  werden  zu  den  Concre- 
menten  gezählt.  Bei  der  Iucrustation  scheiden  sich  früher  gelöste  Kalkverbindungen 
auf  der  organischen  Substanz  eines  Gewebes  aus,  ohne  dass  die  Ausscheidung  mit 
dem  Gewebe  eine  nähere  Verbindung  eingeht.    Die  Inerustation  besteht  zumeist 


Digitized  by  Googl 


COXCREMEKTE. 


243 


aus  kohlensauren  oder  phosphorsauren  Erdalkalien  und  erscheint  uuter  dem  Mikro- 
skop in  Form  feiner,  stark  lichtbrechender  Körneheu,  die  sieh  in  Satiren  even- 
tuell unter  Aufbrausen  lösen. 

Der  Verkalkung  unterliegen  Gewebe  und  Geschwülste ,  sie  tritt  zumeist  als 
Schlussphase  einer  regressiven  Metamorphose  der  Gewebe  auf,  indem  sie  in  fettig 
oder  anderweitig  degenerirten  Organtheilen  entsteht.  So  sind  die  sogenannten 
Utcrussteine  verkalkte,  in  der  Gebarmutter  frei  gewordene  Neubildungen, 
Venen-  und  Lungensteine  sind  Inerustationsbildungen  in  eingedicktem  Eiter,  in  alten 
Blutergüssen,  in  verkalkenden  Tuberkeln. 

Als  Ursachen  für  die  Entstehung  von  Coueretioneu  sind  anzuführen:  1.  Die 
jroBteigerte  Aufsaugung  der  flüssigen  Bcstaudtheile  aus  halbflüssigen  Excreten.  Diese 
Entstehnngsursache  kommt  bei  den  Verkalkungen  im  eingedickten  Secret  der  ver- 
^rösserten  Mandeln ,  bei  den  Speichel-,  Thränen-,  Panereas-  und  Prostatasteinen 
zur  Geltung,  auch  die  Darmsteine  entstehen  auf  diese  Weise.  2.  Aenderungeu  der 
Temperaturverhaltnisse.  Aus  einem  mit  sauren  harusauren  Salzen  gesattigten  Harn 
fallen  diese  als  Niederschlag  zu  Boden,  sobald  der  Harn  soweit  abgekühlt  ist,  dass 
die  Temperatur  desselben  nicht  mehr  hinreicht,  dieselben  in  Lösung  zu  halten.  Es 
ist  nämlich  1  Th.  saures  harnsaures  Natron  erst  in  1100  Th.  kalten,  dagegen  schon 
in  125  Th.  warmen  Wassers  löslich.  H.  Die  Aenderung  der  chemischen  Reaction 
eines  Seeretes  kommt  hauptsachlich  bei  der  Bildung  der  Harnsedimente  und  Blasen- 
fiteiue  in  Betracht.  So  beobachtet  man,  dass  aus  stark  saurem  Harn  nach  längerem 
Stehen  sich  am  Boden  des  Gefasses  leicht  erkennbare,  röthlich  gefärbte  Krystalle 
von  Harnsäure  ausscheiden.  Die  Ausscheidung  der  Harnsäure  wird  durch  die  Ein- 
wirkung der  primären  Alkaliphosphate  auf  die  harnsauren  Alkalien  bedingt ; 
indem  sieh  nämlich  secundäres  Alkaliphosphat  bildet,  entsteht  zunächst  saures 
harnsaures  Alkali  und  weiterhin  freie  Harnsäure.  Auch  bei  der  ammoniaknlischen 
Zersetzung  des  Urins  fallen  aus  demselben  mehrere  in  alkalischen  Flüssigkeiten 
unlösliche  Verbindungen  heraus:  Niedersehlage  von  harnsaurem  Ammoniak,  von 
phosphorsaurer  Ammoniak-Magnesia,  von  phosphorsaurem  und  auch  von  kohlen- 
saurem Kalk.  4.  Als  mechanische  Ursachen  von  Inerustationsbildungen  sind  fremde 
Körper  zu  betrachten ,  ^welche  in  die  Harnwege  oder  in  verschiedene  Theile  des 
Verdauungssystemes  von  Aussen  her  gelangten,  oder  sich  durch  krankhafte  Processe 
im  Innern  bilden  konnten.  So  wurden  Nadeln,  Katheterstücke,  Spulwürmer  als 
Kerne  von  Concrementbildungen  nachgewiesen.  Bei  Herbivoren  sind  oft  Darm- 
Btedwe  aufgefunden  worden,  welche  sich  um  Speisereste,  Blutgerinnsel,  Gallensteine, 
Kothmassen  und  unverdauliche  wirkliche  Fremdkörper  gebildet  hatten.  Beim 
Mensehen .  wo  wie  bei  den  Carnivoren  Darrasteine  nur  selten  sind ,  entstehen 
dieselben  meist  um  Fruchtkerne,  Knochen,  Nadeln  als  Kern.  5.  Die  Bildung  von 
Zahnstein,  Speiehelsteinen  und  der  Ooncremente  in  den  Tonsillen  wird  nach  neueren 
Untersuchungen  auf  die  Wirkung  von  Bacterien  zurückgeführt.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  dieser  Concremente  ergab  nämlich  nach  Auflösung  der  Kalksalze  als 
zurückbleibende  organische  Grundlage  derselben  dichte  Bactericnhaufcn. 

Bezüglich  der  Bedeutung  der  Concremente  für  den  Organismus  genügt  zu  be- 
merken, dass  sie  durch  ihre  Grösse,  namentlich  bei  ihrer  Einklemmung  in  den 
Harnleitern,  in  der  Harnröhre,  in  deu  Gallenwegcn  sowohl  äusserst  schmerzhafte 
als  lebensgefährliche  Zustände  erzeugen  können;  im  Allgemeinen  ist  jedoch 
weniger  die  Grösse  des  Concremente»  als  der  Ort,  wo  dessen  Bildung  erfolgt,  von 
Wichtigkeit. 

Die  chemische  Analyse  der  Concremente  erfolgt  im  Wesentlichen 
nach  jenem  Gang,  welchen  wir  bei  der  Untersuchung  der  Blasensteine  (s.  Bd.  II, 
pag.  275)  angegeben  haben,  da  thatsäehlich  die  Bestandteile  aller  Concremente  — 
mit  Ausnahme  der  Gallensteine  —  auch  in  den  Blasensteinen  vorkommen.  Die  Gallen- 
steine sind  schon  an  ihren  physikalischen  Eigenschaften  leicht  erkennbar,  überdies 
wird  selbst  der  auf  diesem  Gebiete  der  Analyse  weniger  geübte  Untersneher  bei 
der  chemischen  Vorprüfung  auf  deren  Diagnose  geführt  werden. 

16» 


U44 


CONCREMENTE. 


Zeigt  ein  Concrenient  mehrere  Schichten,  so  gilt  bezüglich  der  Trennung  der- 
selben, sowie  bezüglich  der  Trennung  des  Kernes  —  der  aus-  Mucin,  Hämatin, 
Gallensäuren,  Faserstoffgerinnseln ,  auch  aus  löslichen  Salzen  bestehen  kann  — 
dasjenige,  was  hierüber  unter  Blasensteinen  erörtert  wurde. 

Durch  das  Verhalten  einer  Probe  des  feingepulverten  Concreraentes  in  der 
Hitze  unterscheidet  man:  1.  vollkommen  verbrennliche  Concremente,  2.  zum  Theil 
verbrennliche,  3.  unverbrennliche. 

Die  vollkommen  verbrennlichen  Concremente  können  bestehen  aus :  Harn- 
säure, harnsaurem  Amnion,  Xanthin,  Cystin,  Cholesterin,  Gallenpigment  und  Faser- 
stoffgerinnsel. 

Die  zum  Theil  verbrennlichen  Concremente  können  enthalten :  Harn  saures 
Natron ,  harnsaures  Kali ,  harnsauren  Kalk ,  Oxalsäuren  Kalk  und  Gemenge  der 
vollkommen  verbrennlichen  Concretionen  mit  unorganischen  Stoffen. 

l'nvcr&ndert  in  der  Hitze  bleiben  alle  aus  unorganischen  Salzen  bestehen- 
den Concremente. 

Es  bestätigt  also  auch  diese  Uebersicht  der  in  den  Concrementen  auftretenden 
Stoffe,  dass  wir  behufs  chemischer  Prüfung  derselben  zu  dem  für  die  Blasensteine 
gegebenen  Schema  der  Untersuchung  nur  noch  die  Prüfung  der  Gallen- 
concremente  hinzufügen  müssen. 

Die  chemischen  Bestandteile  der  Gallenconcremente  sind:  Cholesterin, 
Gallcnfarbstoffe ,  Gallensäuren,  Schleim,  Fettsäuren  und  deren  Verbindungen  und 
unorganische  Salze.  Ihr  vorwiegendster  Bestandtheil  ist  in  den  meisten  Fällen 
Cholesterin,  in  wechselnden  Verhältnissen  gemengt  mit  den  Farbstoffen  der  Galle; 
nur  selten  bestehen  sie  aus  beiden  Stoffen  ganz  allein,  wobei  die  Gallenfarbstoffe 
in  Form  von  Calciumverbindungen  in  den  Concrementen  vorhanden  sind.  Als  Kern 
findet  man  ebenfalls  Calciumverbindungen  von  Gallenpigmeut,  auch  sind  die  Steine 
von  Galle  durchtränkt  oder  damit  tiberzogen ;  nach  der  Herausnahme  aus  der  Gallen- 
blase trocknet  die  Galle  selbstverständlich  in  und  auf  den  Concrementen  ein.  Die 
Farbe  der  Gallensteine  wechselt  je  nach  den  Bestandteilen,  sie  ist  innen  weiss 
und  weiBslichgelb,  bei  denjenigen ,  welche  vorwiegend  aus  Cholesterin  bestehen, 
rötblich  bei  solchen,  welche  Bilirubin  —  den  rotheu  Farbstoff  der  Galle  — 
enthalten ,  grün  bei  denjenigen,  welche  Biliverdin,  und  braun  bei  solchen,  welche 
Bilifuscin  enthalten  (s.  Galleufarbstoffe).  Sie  sind  meist  spröde  und  lassen 
sich  leicht  zu  einem  sich  fettig  anfühlenden  Pulver  verreiben.  Ihre  Form  ist 
meistens  rundlich,  doch  wenn  mehrere,  wie  dies  häufig  der  Fall,  in  der  Gallenblase 
vorkommen,  so  schleifen  sie  sich  durch  Aneinandcrliegen  ab  und  werden  facettirt; 
ihre  Grösse  variirt  von  der  eines  Sehrotkornes  bis  zu  der  eines  Taubeneies. 

Freie  Fettsäuren  kommen  in  menschlichen  Gallensteinen  nur  selten  vor, 
jedoch  wurden  fettsaure  Kalksalze,  namentlich  palmitin-  und  stearinsaurer  Kalk,  zu 
68  Procent  darin  gefunden. 

An  unorganischen  Bestandteilen  ist  Eisen  ein  nie  fehlender,  Mangan  ein 
seltener  in  den  Gallenconcrementen ;  auch  Kupfer,  welches  in  Spuren  in  aer 
menschlichen  Galle  stets  vorhanden  ist,  wurde  in  gefärbten  Steinen  gefunden, 
ausserdem  kommen  noch  Calciumcarbonat  gemengt  mit  Magnesium  und  mit  Phos- 
phaten vor. 

Wurde  beim  Erhitzen  des  Concrementes  auf  Platinblech  beobachtet,  dass  das- 
selbe ohne  oder  nur  mit  Zurücklassung  eines  geringen  Rückstandes  verbrennt, 
dann  führen   folgende  Erscheinungen  und  Proben  zur  Erkennung  des  <i  allen 
concrementefl : 

1.  Die  Probe  verbrennt  mit  hellleuchtender  Flamme,  sie  besitzt 
deutlich  krystallinisches  Gefüge,  ist  in  heissem  Alkohol  löslich,  beim  Erkalten  der 
Lösung  scheiden  sich  perlniutterglänzende  Blättchen  aus,  welche  in  Kalilauge  un- 
löslich sind  Cholestearin. 

2.  Die  Probe  besitzt  eine  braune  Farbe,  ist  bröcklich  und  verbrennt  mit  einem 
Geruch  nach  verbranntem  Horn. 

Digitized  by  Google  j 


CONCREM  ENTE.  —  CONDENSATION. 


a)  In  Alkohol  und  Wasser  kaum  löslich,  in  Kalilauge  mit  dunkelbrauner  Farbe. 
Concentrirte  Salpetersäure  bewirkt  in  dieser  Lösung  die  für  Gallenfarbstoff  charak- 
teristischen Farbenveränderungen  Gallenpigmente; 

b)  in  Alkohol  löslich ,  die  Lösung  schmeckt  bitter ,  der  Rückstand  derselben 
gibt  mit  Zucker  und  Schwefelsäure  eine  schön  roth-violette  Färbung 

Gallensäuren. 

Die  aus  unorganischen  Bestandtheilen  bestehenden  Concremente  werden  nach 
den  Regeln  der  Analyse  unorganischer  Verbindungen  untersucht.       Loe bisch. 

ConCUSCOnin,  s.  Chinaalkaloide,  Bd.  II,  pag.  696. 

Condalia,  eine  Gattung  der  Bhamnaceae}  charakterisirt  durch  freiblätterigen 
Kelch  und  fehlende  Blumenkrone. 

Condalia  lineata  Griseb.,  eine  südamerikanische  Art,  liefert  in  ihren  Früchten 
das  Material  zu  einem  Piqnillin  genannten  Roob,  welches  als  Laxans  für  Kinder 
gerühmt  wird. 

Condaminea,  Gattung  der  Rubi  aceae,  Unterfamilie  (.'inchoneae ;  charakterisirt 
durch  fleischige  Corolle,  kegelförmige  Kapsel  und  ungeflügelte  Samen.  Die  roseu- 
rothe.  bittere  Rinde  von  Condaminea  tinctoria  DG.  (Cinchona  laccifera  Pav., 
Macromemnm  tinctorium  H.  B.  K.)  kam  als  Paragnatan  oder  China  rosa  zeit- 
weilig nach  Europa.  Ihr  Auasehen  lässt  kaum  eine  Verwechslung  mit  einer 
Cbioarinde  zu,  mikroskopisch  ist  sie  durch  die  ungleich  langen,  sehr  breiten  und 
meist  schwach  verdickten  sclerotischcn  Fasern  (Stcinzellen)  sicher  zu  unterscheiden 
(Flückiger). 

Condensation  (chemisch)  wird  der  Vorgang  genannt,  bei  welchem  sich  zwei 
organische  Verbindungen  oder  zwei  Moleküle  desselben  Körpers  durch  Verknü- 
pfung ihrer  Kohlenstoffatorae  und  unter  Abseheiduug  von  Wasserstoff  (meist  als 
Wasser  oder  Salzsäure)  aneinanderlagern.  Lagern  sich  zwei  Moleküle  derselben 
Verbindung  aneinander,  ohne  dass  etwas  austritt,  so  nennt  man  diesen  Vorgang 
Polymerisation;  der  neue  Körper  hat  die  gleiche  procentische  Zusammen- 
setzung, jedoch  ein  grösseres  Molekulargewicht.  Derartige  polymere  Körper  können 
leicht  wieder  durch  Einwirkung  von  Reagentien  (und  Wärme)  in  ihre  Compo- 
nenten  gespalten  werden. 

Die  Condensationen  sind  dagegen  weit  beständigere  Körper.  Für  gewisse 
Körpergruppen  ist  es  vorzugsweise  charakteristisch,  dass  sie  sich  leicht  conden- 
siren,  meist  bei  Gegenwart  gewisser  Reagentien ,  denen  zum  Theil  eine  wasser- 
entziehende Wirkung  zukommt.  Derartige  Körper  sind :  Ziukchlorid ,  Zinnchlorid, 
Alnininiurachlorid,  Zinkstaub,  Schwefelsäure,  Essigsäureanhydrid. 

Mehrere  für  die  Herstellung  einiger  pharmaceutischer  Präparate  im  Grossen 
wichtige  Verfahren  beruhen  auf  derartigen  Condensationen.  Zur  Darstelluug  des 
künstlichen  Cumarins  wird  Salicylaldehyd  mit  geschmolzenem  Natriuniacetat  und 
Eüsigftäureanhydrid  erhitzt.  Es  resultirt  Acetocumarsäure,  welche  beim  vorsichtigen 
Erhitzen  zerfällt  in  Essigsäure  und  Cnmarsäureanhydrid  (Cumarin).  Diese  Reactiou 
(Pkkkin's  Reactiou)  ist  den  aromatischen  Aldebydeu  allgemein  und  ebeufalls 
mit  den  Salzen  und  Säureanhydriden  anderer  Fettsäuren  (Buttersäure,  Valerian- 
fclure)  ausführbar.  Die  Fettsäureanhydride  wirken  hier  als  wasserentziehende  Mittel. 

Eine  sehr  wichtige  Condensation  ist  die  Bildung  von  Chinolinen  (Skraup- 
»che  Re actio«)  deshalb,  weil  das  Chinolin  das  Ansgangsproduct  für  die  Dar- 
stellung einiger  wirksamer  Antipyretica  (Kairin ,  Antipyriu)  geworden  ist.  Das 
Verfahren  beruht  darauf,  dass  Anilin  mit  Glycerin,  Schwefelsäure  und  Nitrobenzol 
erhitzt  wird.  Das  Nitrobenzol  wirkt  sauerstoffabgebend  und  wahrscheinlich  wird 
«machst  aus  dem  Glycerin  Acrolein  (Acrylaldebyd)  gebildet,  das  hierauf  mit  dein 
Anilin  sich  eondensirt. 

CsH,Os  +  C6H,NH2  =  C„H7X  +  4  H2  0. 
Glycerin        Anilin  Chinolin. 


246  CONDENSATION.  —  CONDENSATOR. 

Diese  Reaction  tritt  ebeufalls  ein  mit  den  Homologen  des  Anilins  und  ausserdem 
ist  durch  Ersatz  des  Nitrobenzols  durch  Nitrophenol  die  Bildung  von  entsprechenden 
Oxyehinolinen  bedingt.  Die  Bildung  einiger  Theerfarbstoffe  aus  dem  technisch 
verwendeten  Gemisch  von  Anilin  uud  Toluidin  durch  Oxydation  ist  ebenfalls  eine 
Condensation:  das  Product  ist  Rosanilin: 

2CCH6.NH,  +  C  ll3  .  Cü  Ui  .  N      +  03  —  (NHg  .  C„  }I,)3  C  .  OH  +  2  11,0. 
Anilin  Toluidin  Hosanilin. 

Die  Bildung  von   Ketouen   ist  auch   als  eine  Condensation  zu  betrachten; 
durch  Glühen  der  Calciumsalze  der  Fettsauren  entstehen  Ketone;  durch  Verwen- 
dung verschiedener  Säuren  kann  man  bekanntlich  gemischte  Ketone  herstellen, 
i  C      .  Co  0)a  Ca  =  C  H8  .  Co  .  C  H3  +  Ca  C03 
Calciumacetat  Aceton. 

Die  von  Beyer  entdeckte  Bildung  der  Ph taleine,  von  denen  mehrere,  z.  B. 
dr.s  Phenolphtaleiu,  das  Galleiu,  als  Indicatoren  Verwendung  finden,  beruht  auf  der 
Condensation  von  1  Molekill  Phtalsäureauhydrid  mit  2  Molekülen  eines  Phenols 
bei  Gegenwart  von  Schwefelsflure  oder  Zinnchlorid  (auch  Alkalien;  bei  120°. 

Ar,  Hi  0  H 
.C-C.I^OH 

c„  iit  J;[-J>  0  +  2  C„  1I5  0  H  =  c0  h«<^  \  ^       +  H*  °- 

Phtalsäureanhydrid    Phenol  Phenolphtalcin. 

Bei  der  Fabrikation  des  von  Kxorr  entdeckten  Autipyrius  ist  ein  Zwischen- 
produet  das  Methyloxyehinicin ,  welches  entsteht  durch  Condensation  gleicher 
Moleküle  Phenylhydraciu  und  Aeetessigäther  und  Austritt  von  Wasser  und  Alkohol. 
Beim  Erhitzen  von  Acetaldehyd  mit  verdünnter  Salzsäure,  mit  Wasser  und  Zink- 
chlorid, mit  Xatriumacetatlösung  auf  10ü°  entsteht  durch  Condensation  Croton- 
aldehyd:  Cli;lCOIl  +  c  II3  C  O  H  =  C  IT,  .  C  II  :  C  II  .  C  H  0  +  H2  0,  jener  Kör- 
per, der  lange  mit  Butylchloralhydrat  verwechselt  wurde  (s.  Butylehloral- 
h  y  d  r  a  t). 

Eine  Anzahl  anderer  Condensationen  besitzen  weniger  pharmaceutische 
Wichtigkeit.  Schneider. 

CondenSStOr  (Verdichtungsapparat),  eine  von  Volta  1782  erfundene  Vor- 
richtung, um  eine  sehr  geringe,  auf  einem  Körper  befindliche  Elektricitätsmenge 
fast  vollständig  auf  ein  Elektroskop  zu  übertragen.  Sie  besteht  aus  zwei  an  den 
Rändern  abgerundeten,  eben  geschliffenen  Metallscheiben  von  ungefähr  10 cm 
Durchmesser,  die  sehr  genau  auf  einander  passen,  deren  vollständige  Berührung 
aber  eine  äusserst  dünne ,  isolirende  Schicht  Iiiudert.  Die  eine  Platte ,  die  soge- 
nannte Colleetorplatte,  ist  an  jenem  Stab  angeschraubt  ,  der  auch  die  Goldblätter 
des  Klektroskopes  trägt,  während  die  andere,  die  Condensatorplatte,  mittelst  eines 
isolirenden  Stiels  auf  die  erste  Platte  aufgesetzt  uud  von  ihr  abgehoben  werden 
kann.  Berührt  man  nun  bei  aufgesetzter  Cond ensa torplatte  deu  Collector  beispiels- 
weise mit  einem  schwach  positiv  elektrischen  Körper,  so  strömt  ein  Theil  seiner 
Elektricitflt  auf  die  Platte  über  und  macht  durch  Influenz  die  zunächst  liegende 
Seite  der  Condensatorplatte  negativ,  die  entferntere  positiv  elektrisch.  Die  negative 
Elektricität  wird  durch  die  anziehende  Wirkung  der  auf  der  Colleetorplatte  befind- 
lichen positiven  an  diese  herangezogen,  die  positive  Klektricität  der  Condensator- 
platte aber  fortgetrieben ,  so  dass  man  sie  durch  Autlegen  des  Fingers  ableiten 
kann.  Geschiebt  dies,  so  ist  die  auf  der  Condensatorplatte  nunmehr  allein  vor- 
haudeue  negative  Klektricität  im  Stande,  fast  alle  Elektrieität  des  Körpers  so  nahe 
als  möglich  au  sich  zu  bringen  und  in  der  Colleetorplatte  zu  binden.  Entfernt 
man  nun  den  Körper  und  hebt  die  Condensatorplatte  ab.  so  wird  die  gesaminte 
in  der  CollectorpUnte  gebundene  Elektricität  frei  und  bringt  eventuell  die  Gold- 
plättcheu  des  Elektroskop*  zur  Divergenz,   während  die  bei  einfacher  Berührung 


Digitized  by  Google 


CONDENSATOR.  —  CONDENSED  HEER. 


der  Colleetorplntte  mit  dem  Körper  ohne  Anwendung  der  Condensatorplatte  über- 
{reheiide  Elcktricitätsmenge  dies  nicht  vermochte. 

Gegenwärtig  führt  aber  nicht  Mos  diese  Vorrichtung  deu  Namen  Condcusator, 
sondern  überhaupt  jeder  Ansammlungsapparat  für  Elektricitüt  ,  d.  i.  jedes  System 
sweier  nahe  gegenüberstehender  Körper,  die  durch  ein  isolirendes  Medium  ge- 
trennt werden;  deuu  bei  allen  diesen  Apparaten  ist  jene  Elektrieitätsmenge .  die 
von  einer  constanten  Quelle  auf  den  einen  Körper  überströmt,  wenn  der 
andere  in  leitender  Verbindung  mit  der  Erde  steht ,  grösser  als  jene ,  die  unter 
sonst  gleichen  Umstanden  bei  Abwesenheit  des  zweiten  Körpers  übergehen  würde. 

Das  Verhältnis«  der  beiden  letztgenannten  Elektricitiltsmengen  heisst  die  Ver- 
stärkungszahl,  auch  die  condensirende  Kraft  des  Condensators.  Den 
Condcnsator  laden  heisst,  den  einen  Körper  des  Systems  mit  einer  Elektricitäts- 
quelle,  den  anderen  mit  der  Erde  in  leitende  Verbindung  setzen,  ihn  entladen 
hefest,  die  beiden  Körper  leitend  zu  verbinden,  nachdem  die  ftlr  die  Ladung  her- 
gestellten Verbindungen  wieder  unterbrochen  wurden. 

Bestimmte  Formen  von  ( "oudensatoren  führen  noch  specielle  Namen  ,  wie  die 
Krank i.ix'sche  Tafel  und  die  Lkyhxkk  Flasche.  Früher  bezeichnete  man  die 
Condensatoren  auch  als  Aecumulatoren,  eine  Bezeichnung,  unter  welcher  man  jetzt 
fort  durchgängig  die  Socundärbatterien  versteht  fBd.  L,  pag.  4S>). 

Ausschliesslich  als  Condensatoren  bezeichnet  mau  die  bei  elektrischen  Messungen 
in  Anwendung  kommenden  Ausammluugsapparate,  bei  welchen  eine  Batterie  Fran- 
KLix  schor  Tafeln  von  sehr  dünner  isolirender  Schichte ,  wie  z.  B.  Glimmerplatten, 
Wachstaffet ,  paraffinirtes  Papier,  compendiös  in  einen  kleiuen  Raum  zusammen- 
gedrängt sind.  Die  gleiche  Oonstructi'm  zeigt  auch  der  bei  guten  Ri'HMKORFF'schen 
Funken  -  Inductorien  angebrachte  Condensator.  —  S.  auch  Beleuchtungs- 
apparate, Bd.  II,  pag.  l'.)4.  Pitach. 

Condensatoren.  Verdichtungsgefässe ,  sind  nieist  cylindrisebe  Apparate  aus 
Kupfer  oder  Eisen ,  dazu  bestimmt ,  dass  sich  in  ihnen  Dampfe  irgend  welcher 
Art  in  tropfbar  flüssigem  Zustand  absetzen  sollen.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle 
handelt  es  sich  dabei  um  Verdichtung  von.  Wasserdäinpfen,  um  die  Auffangung  und 
Nutzbarmachung  überschüssigen  Wasserdampfes.  Diese  einfachste  Form  der  Conden- 
satoren weicht  in  der  Grossiudustrie  complieirteren  Apparaten.  Sobald  es  sich  um 
die  Condensatiou  trockener  Destillationsproducte  handelt,  welchen  ein  wesentlich 
höherer  Hitzegrad  innewohnt,  wird  der  Condensator  mehr  und  mehr  zum  Kühl- 
apparat, da  die  Condensatiou  durch  Abkühlung  von  aussen  (Wasser,  Eis)  unter- 
stützt werden  muss.  Je  mehr  die  Condensatoren  sich  diesem  Zwecke  nähern,  desto 
mehr  wird  auch  ihre  Form  die  Gestalt  eines  Kühlers  annehmen  müssen.  Insbe- 
sondere bei  der  Fabrikation  von  Leuchtgas  wird  die  Condensation  der  Wasser- 
und  Theerdämpfe  durch  längeres  Verweilen  des  Gemisches  in  einem  von  aussen 
abgekühlten  Röhrensysteme  bewirkt.  Soll  zur  Abkühlung  statt  des  Wassers  Luft 
verwundet  werdeu ,  so  muss  der  Weg,  den  die  Dämpfe  zu  machen  haben,  ein 
längerer  werden,  mit  anderen  Worten,  die  Oberfläche  des  Condensators  muss  ver- 
prössert,  das  RöhreuRystem  erweitert  werden.  Handelt  es  sich  um  Condensatoren 
*nr  Verdichtung  von  in  Wasser  unlöslichen  Dämpfen ,  so  kanu  die  Condensation 
auch  bewirkt  werden  durch  directe  Zusammeubringuug  der  Dämpfe  mit  einer 
möglichst  grossen  Wasseroberfläche.  Condensatoren  dieser  Art  sind  dann  eigentlich 
Gaswaschgefäase  ;  als  Beispiel  hierfür  dient  der  S  c  r  u  b  b  e  r  der  Gasanstalten,  be- 
gehend aus  eisernen  Cylindern,  welche  mit  Coaksstückchen  angefüllt  sind,  welche 
durch  hcrabträufelndes  Wasser  feucht  gehalten  werden.  Die  in  diese  Coaks- 
condensatoren  geleiteten  Dämpfe  werden  dabei  gleichzeitig  gewaschen. 

G  a  n  s  w  i  n  d  t. 

Condensed  Beer  der  Concentrated  Produee  Company  London,  in  den  letzten 
fei  Jahren  mit  mächtiger  Reelame  als,  seines  Gehaltes  an  Hopfenalkaloiden  wegen, 
natürliches  mitwirkendes   Schlafmittel   angepriesen,   hat  sich,   ebenso   wie  das 


24* 


CONDENSED  BEER.  —  CONDURANGO. 


„Hopeita"  derselben  Firm»,  als  eitel  Hurnbug,  nämlich  als  ein  schlecht  gebrautes 
Bier  mit  einem  Zusatz  von  Morphin  erwiesen. 

Condensirbare  Gase,  s.  coörcibie  Gase,  pag.  198. 

CondenSiren  (ohemisch),  s.  Condensation,  pag.  245. 

Condensor,  s.  Abbe's  Beleuchtungsapparat,  Bd.  I,  pag.  2. 

CondenstÖpfe.  Gefässe  aus  Glas,  Steingut  oder  Metall  zur  Verdichtung  von 
Gasen  und  Dämpfen. 

CondilldC  im  Depart.  Dreine  besitzt  einen  alkalischen  Säuerling  mit  wenig 
freier  Kohlensaure,  welcher  versendet  wird. 

Condita,  s.  Confectiones. 

Condom,  auch  Präservativ  genannt,  ist  eine  vor  dem  Acte  des  Coitus  Über 
den  Penis  gezogene  zarte,  an  einem  Ende  geschlossene  Hülse  zur  Vermeidung 
einer  Austeckung  oder  Schwängerung.  Die  Erfindung  soll  von  einem  Arzte 
namens  Contox,  der  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  in  London  lebte, 
ausgegangen  sein.  Ursprünglich  wurdo  der  Condom  aus  dem  Blinddarm  des 
Schafes  angefertigt ,  später  machte  man  ihn  aus  Hausenblasen ;  gegenwärtig 
werden  Condome  meist  aus  Kautschuk  augefertigt.  Absolute  Sicherheit  gewährt 
ein  Condom  weder  gegeu  Schwängerung  T  noch  gegen  venerische  Infection,  schon 
deshalb  nicht,  weil  er  nicht  unzerreisslich  ist ;  gegen  Ansteckung  auch  dann  nicht, 
wenn  die  weiblichen  Genitalien  in  solcher  Ausdehnung  erkrankt  sind,  dass  durch 
den  Condom  nicht  gedeckte  Theile  der  Geschlechtsregion  mit  dem  Krankheitsherde 
in  Berührung  kommen. 

C0nd0ry'8  LebenSeSSenZ,  eines  der  erbärmlichsten  Geheiniraittel,  ist  (nach 
E.  Geisslkr)  versüsster  "Weieswein,  dem  Zimmt  in  Pulverform  beigemischt  ist. 

CondlirangO.  In  den  nördlichen  Staaten  von  Südamerika  werden  verschiedene 
Pflanzen  unter  dem  Namen  Condurango  und  Cundurango  (angu  bedeutet 
in  der  Quichuasprache  eine  Schlingpflanze)  als  Heilmittel  gegen  Schlangenbiss, 
Syphilis  und  Krebs  benutzt.  —  Bemerkenswerth  sind  die  folgenden : 

1.  Condurango  von  N  e  u  -  G  r  a  n  a  d  a  ist  Macroscepis  Trianae  Decaisne 
(Asclepiadeae,  Abth.  Cynancheae). 

2.  Condurango  von  Huancabamba  oder  Condurango  blanco  in 
den  westlichen  Cordilloren  von  Ecuador  ist  Marsdenia  Condurango  Reichenbach 
(Asclepiadeae,  Abth.  Mnrsdeniene). 

3.  Condurango  von  Ecuador  ist  Gonolobus  Condurango  Triana  (Ascle- 
piadeae, Abth.  Oonolobeae). 

In  den  europäischen  Handel  gelangt  aus  Mataperro  seit  zehn  Jahren  aus- 
schliesslich  die  Kinde  der  letzterou  Pflanze.  Sie  wächst  in  den  Grenzgebieten 
zwischen  Ecuador  und  Peru  an  den  Westabhängen  der  Cordilleren.  Der  Stamm 
hat  eine  Stärke  von  2 — 10 cm,  die  Blatter  sind  herzförmig,  ganzrandig;  die 
Früchte  bis  zu  10cm  lang,  2cm  dick.  Die  Binde  lässt  nach  Verwundungen 
reichlich  Milch  auslliessen.  Sie  bildet  bis  zu  10cm  lange,  röhrenförmige  Stöcke 
von  graubrauner  Farbe  und  stellenweise  warziger  Oberfläche ,  die  bis  zu  4  mm 
dick  sind.    Der  Bruch  ist  kömig,  in  den  äusseren  Partien  faserig. 

Das  Periderm  besteht  aus  etwa  15  Reihen  zartwandiger,  braungefärbter  Kork- 
zcllen.  Darunter  liegt ,  besonders  bei  jüngeren  Rinden ,  ein  Collenchym ,  dessen 
Zellen  Einzel-  und  Zwillingskrystalle  von  Kalkoxalat  führen.  Das  Parenchym 
der  Mittelrinde  führt  grosse  Oxalatdrusen  und  Milchsaftsehläuche.  Auf  der  Grenze 
gegen  die  lnneurinde  treten  Bündel  von  Bastfasern  uud  Selerenebynigruppen  auf, 
welche  letztere  sich  auch  im  Bast  finden,  wogegen  Bastfasern  demselben  völlig 
fehlen.   Der  Bast  besteht  aus  sehr  sehmalen  Bast-  und  1 — 2reihigen  Markstrahlen. 


Digitized  by  Googl 


CONDURANGO.  —  CONGESTION.  249 

Die  Bastatrahlen  haben  wie  die  Mittelrinde  Milchsaftschlauche  und  nicht  zusammen- 
gefallene Siebröhren. 

Die  frische  Rinde  soll  aromatisch  und  bitter  schmecken,  was  an  der  trockenen 
Droge  kaum  zu  bemerken  ist.  Vulpius  hat  darin  ein  Glycosid  aufgefunden,  nach 
Versuchen  von  Schroff  und  Schmiedeberg  ist  ein  strychniuartfg  wirkendes 
Alkaloid  anzunehmen. 

Die  Rinde  wurde  als  Specificum  gegen  Krebs  empfohlen  nnd  scheint  sich,  wenn 
auch  nicht  in  dem  Maasse,  wie  zuerst  angenommen  wurde,  gegen  diese  Krankheit 
zu  bewähren  ,  indem  manche  Symptome  gemildert  werden.  Sicher  diaguosticirte 
Oarcinome  sind  niemals  geheilt  worden.  Sie  wird  in  Form  einer  Tinctur  und 
eines  Macerationsdecoctes  (1  :  10—20)  angewendet.  Bezüglich  des  letzteren  ist 
es  wichtig,  dass  das  Decoct  vor  dem  Coliren  völlig  erkaltet,  da  das  die  Wirkung 
bedingende  Glycosid  in  heissem  Wasser  weit  weniger  löslich  ist,  als  in  kaltem. 

Fälschlich  werden  die  Blatter  und  8tengel  von  Micam'a  Guaco  (Compositae) 
ebenfalls  als  Condurango  bezeichnet.  —  S.  G  u  a  c  o. 

Literatur:  Flückiger,  Pharmakognosie,  pag.  554.  —  Schroff ,  Med.-chir.  Rundschau. 
1871  72.  —  Vulpius,  Arch.  d.  Pharm.  1865.  —  Moeller,  Anatomie  d.  Baumrinden.  — 
Bött icher.  Arch.  d.  Pharm.  188:2.  Hartwich. 

Condurangowein  bereitet  man  durch  Lösen  von  1  Th.  Ertractum  Condu- 
rtinrjo  in  25  Th.  Vitium  Malaccense  oder  (nach  Vulpius)  besser  durch  achttägige 
Maceration  der  grob  gepulverten  oder  sehr  fein  geschnittenen  Rinde  mit  10  Th. 
Xeresirein,  Auspressen  und  Filtration  der  Colatur. 

Condy's  Liquid  =  Baff  ine  (s.  d). 

Condylom  (x6vo\»Xo;,  der  Zapfen),  Feigwarze,  ist  eine  mehr  oder  minder 
warzenförmige  papilläre  Wucherung  des  Papilla rkörpers  der  Haut.  Man  unter- 
«oheidet  spitze  Condylome,  Condylomata  acuminata ,  warzen-  oder  zapfenförmige 
Gewnwülste ,  die  in  der  Regel  in  Folge  von  Tripper,  und  breite  Condylome, 
Condylomata  lata,  Plaques  muqueuses,  Schlei mpapeln,  die  nur  als  Theilerscheinung 
der  constitutionellen  Syphilis  auftreten.  Beide  sind  übertragbar. 

Cone8Si,  auch  Tellicherri  hark,  Cortexprofluvii,  heisst  die  Rinde 
von  Wrightio  (Holnrrltena)  antidy sente rira  R.  Br.  (Xerium  anfidy-entericum 
L).  einer  ostindischen  Apocynacee,  welche  in  ihrer  Heimat  gegen  Fieber  und 
Dysenterie  angewendet  wird.  Dvmock  f Materia  medica  of  Western  India)  beschreibt 
»ie  als  sehr  dick,  gedreht  und  gefaltet ,  schmutzig  woiss  oder  matt  speckig  von 
Farbe,  aussen  dicht  quer  runzelig,  innen  längsstreifig,  bitter  schmeckend,  beim 
Kauen  den  Speichel  nicht  färbend.  Sie  enthalt  ein  Alkaloid  Conessin  (Haines, 
Pharm.  Journ.  und  Trans.  VI.),  welches  identisch  H  mit  dem  ans  den  Samen 
derselben  PHanze  (s.  Indageeri  dargestellten  W r  i g h  t i  n  (Stf.xhousk,  Ibid.  V.). 
Dasselbe  ist  ein  sa  uerstoff  freies  Alkaloid.  Neuerlich  wurde  es  auch  in  einer 
weatafrikanisehen  Rinde  gefunden,  welche  von  der  nahe  verwandten  Holnrrltena 
afrirana  DC.  abgeleitet  wird  (Wolfsrkrg  ,  Gött.  Nachr.  1878  und  Polstorff 
und  Schiumer,  Berichte,  XIXj. 

Ah  StanimpHau/.c  der  Concssi-Rinde  wird  auch  Echites  pubescens  Buchau. 
anjsrt'geben.  .1.  Moeller. 

ConfeCtlOneS.  Confecta,  Condita  heilen  überzuckerte  und  auch  in  Zucker 
eiujrem.nehte  Arzneistoffe.  Zu  ersteren  gehören  Confecti»  Anisi,  Cinae,  Coriandri  etc., 
zu  letzteren  Confectio  Calaini.  Citri,  Zingiberis  etc.  Die  Bereitung  der  Confecte 
jreschieht  kaum  mehr  in  pharmaeeutischen  Laboratorien ,  da  sie  im  Grossen  viel 
whfiner  und  wohl  auch  billiger  hergestellt  werden  können.  G.  Hofmnnn. 

COnyestion,  activo  Hyperämie  oder  Wallungshyperamie  ist  eine 
Rlutüberfüllung  in  einem  Theile  des  Organismus  in  Folge  von  vermindertem 
Widerstand  in  den  Geffissen  des  betreffenden  Gebietes  durch  Lahmung  der  Vasoeon- 
strictoren  oder  Reizung  der  V.isodilatatoren.  —  'S.  Arterien,  Bd.  I,  pag.  021.) 


Digitized  by  Google 


250 


CONGESTION.  —  CO  NGOROTH. 


Congestionsabscesse  sind  solche  Eiterherde,  bei  denen  der  Eiter  nicht  an 
derselben  Stelle  gebildet  wurde,  an  welcher  er  angesammelt  getroffen  wird,  sondern 
durch  Senkung  von  einer  entfernt  liegenden  Stelle  dahin  gelangt  ist. 

Congius.  ein  altrömisehes  Flüssigkeitsinaass ,  nach  welchem  in  Kngland  das 
Gallon  mit  C  abgekürzt  wird. 

Congllltin.    Kommt  in  Lupinen,  Mandeln,  Pfirsichkernen,  Erbsen,  Saubohnen 
und  im  Rettigsamen  vor  und  gehört  zu  den  Pflanzencaseinen. 

Nach  KiTTHAUSKx  stellt  man  es  dar,  indem  mau  die  zerstossenen ,  von  den 
Schalen  befreiten  Samen  mit  Wasser  von  4 — 8°  auszieht,  wenn  nöthig  unter  Zu- 
satz von  etwas  Kalilauge,  und  die  Lösung  decantirt.  Die  klaren  Flüssigkeiten 
werden  mit  verdünnter  Essigsäure  (1  :  8)  gefällt,  decantirt,  tiltrirt  und  der  Rück- 
stand mit  40 — ÄOprocentigem  Alkohol  bebandelt ,  dann  mit  Aether ,  und  über 
Schwefelsäure  getrocknet.  Die  Präparate  müssen  sich  klar  in  Wasser,  wenn  auch 
langsam  lösen,  in  kalihaltigem  Wasser  gelöst,  auf  Zusatz  von  einigen  Tropfen 
Kupfervitriollöeung  eine  klare  violette  Flüssigkeit  geben.  In  der  Asche  des  Couglutins 
finden  sich  1 — 3  Procent  Phosphorsäure,  die  durch  Lösung  in  Salzsäure  und  Fällen 
mit  Magnesia  und  Ammoniak  nicht  entfernt  werden  können,  also  wohl  mit  dem 
Conglutin  verbunden  sind. 

Das  Conglutin  löst  sich  sehr  wenig  in  kaltem  Wasser.  Erwärmen  vergrössert 
die  Löslichkeit  nur  wenig.  Die  Lösung  wird  durch  Gerbsäure  getrübt.  In  sehr  ver- 
dünnten Lösungen  von  Kali,  Natron,  Ammoniak  löst  es  sieh  leicht  mit  gelblicher 
Farbe,  daraus  durch  Säuren  wieder  fällbar.  Auch  basische  Alkalisalzc  lösen  es.  Ensig- 
säure ,  Weinsäure  lösen  es  entsprechend  der  Concentration ,  Wärme  befördert  den 
Process.  Durch  Neutralisation  fallt  das  Conglutin  wieder  nieder.  Schwefelsäure, 
mit  dem  gleichen  Volum  Wasser  verdünnt,  gibt  nach  kurzem  Kochen  eine  schwach 
röthlichblaue  klare  Lösung,  mit  coneentrirter  Salzsäure  erhält  man  beim  Erwärmen 
im  Wasserbade  eine  schwach  violettbraune  klare  Flüssigkeit.  Frisches  Conglutin  ist 
sehr  klebrig.  Beim  Kochen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  entstehen  Lcucin,  Tyrosin, 
Glutaminsäure  und  Asparaginsäure.  Das  Conglutin  der  Lupinen  ist  verschieden 
von  dem  in  Mandeln,  Haselnüssen,  Pfirsichkerneu.  Letzteres  wird  aus  der  Lösung 
in  Kochsalz  durch  Wasser  nicht,  erstcres  wohl  gefällt.  v.  Sehr., der. 

CongO.  COflQU,  ans  dem  Chinesischen  Kony-fu  =  Arbeit,  heisren  die  schwarzen 
grossblätterigen  Thecsorten. 

COfigonha,  auch  Cauna,  heisst  in  Brasilien  der  Paraguay  Theo  oder  Mate 
von  i/<w>Arten. 

CongOpapiBr,  ein  mit  Congoroth  aus  Filtrirpapicr  bereitetes  Reagenspapier. 
Das  Congoroth  (s.  d.)  hat  die  Eigenschaft,  durch  freie  Säuren  blau  gefärbt  zu 
werden,  während  saure  Salze  darauf  ohne  Einwirkung  sind.  Es  wird  deshalb  bei 
der  Prüfung  der  Papiere  auf  Säuregehalt  benutzt,  da  Alaun  und  Thonerdesulfat 
damit  nicht  reagiren.  Auch  für  die  Erkcnnuug  saurer  Keaetion  in  gefärbten  Flüssig- 
keiten (Harn,  Magensaft)  ist  es  empfehlenswerth. 

Congoroth  ist  ein  vom  Benzidin  derivirender  Tetra azofarh.stoil*  von  der  Formel 

C1}  H,  .  N  =  N  .  C,„  H5  ^T  jj'^ 

CtJ  H4  .  N  =  X  .  Cl0  H5  y^ii 

Renzidin  wird  in  salzsaurer  Lösung  mit  Natriumnitrit  in  Telrazodipbenyl- 
chlorid  verwandelt  und  dieses  auf  x-Xaphtylainin*ulln<äUTe  einwirken  gelassen.  Der 
Farbstofl  bildet  mit  Alkalien  scharlachrothe  Salze,  mit  welchen  Baumwolle  ohne 
Beize  schön  roth  gefärbt  werden  kann.  Die  Farbe  ist  jedoch  sehr  empfindlich  jre;fen 
Säuren,  indem  selbst  schwache  Säuren  die  erwähnten  Alkalisalze  zersetzen  und 
den  blau  gefärbten  Farbstofl"  ausscheiden.  Beim  Waschen  mit  Seife  oder  Alkalien 
wird  die  rothe  Farbe  wieder  hergestellt. 

Digitized  by  Google 


CONGOROTH.  —  CON1FERENHAKZE. 


251 


Congoroth  ist  ein  vorzüglicher  Indicator  und  wurde  von  Jüliüs  insbesondere 
mm  Titriren  von  Anilin  vorgeschlagen.  Benedikt. 

CongreSS-Spring,  ein  kalter  Säuerliug  aus  der  Gruppe  der  Saratoga-Quellen 
bei  New- York.  Das  Wasser  hat  eiue  Temperatur  von  10.4°  und  enthalt  im  Liter 
5.5  Kochsalz,  ferner  Jodnatrium,  Natron-,  Magnesia-  und  Kalkcarbonat,  Eisenoxyd 
und  1.3  Vol.  Kohlensäure.  Es  wird  viel  versendet. 

Conhydrin,  s.  conün,  Pag.  254. 

Conidien  werden  diejenigen  Sporen  der  Pilze  genannt,  welche  sich  durch  Ab- 
schnürung au  der  Spitze  von  Hyphen  bilden ,  die  frei  auf  der  Oberfläche  des 
Substrates  oder  des  Stroma  Rieh  erheben,  also  nicht  von  einer  Hülle  eingeschlossen 
sind.  Die  Hyphen  selbst  werden  als  Conidienträger  bezeichnet.  Man  unterscheidet 
eonidientragendo  Fruchthyphcn  und  conidientragende  Stromata.  Jede  Frnchthyphe 
stellt  einen  auf  dem  Substrate  sich  erhebenden  Mycelzweig  dar.  Sie  gliedert  sich 
meist  durch  Scheidewände  in  mehrere  Zellen  und  bleibt  entweder  einfach ,  oder 
sie  treibt  aus  dem  oberen  Ende  ihrer  Zellen  Zweige  hervor.  Conidientragende 
Stmmata  sind  verschieden  gestaltete ,  lagerartige  Körper ,  welche  ans  zu  einem 
Pseiidoparcuchym  vereinigten  Hyphen  bestehen  und  meist  auf  ihrer  ganzen  Ober- 
flache  von  einem  Hymenium  bedeckt  sind.  Die  Hymcniumschicht  setzt  sich  aus 
sehr  zahlreichen  Fruchthyphen  zusammen,  welche  meist  je  eine  Oonidie  abschnüren. 
Die  oft  in  ungeheurer  Zahl  gebildeten  Conidien  sind  dann  in  eine  von  der 
Hynieniumschicht  abgesonderte  schleimige  Flüssigkeit  gebettet. 

Alle  diese  Conidienformeu  sind  nun  nichts  weiter  als  frühe  Entwickliingsstadien 
höher  organisirter  Pilze.  Von  vielen  derselben  ist  die  Ascusform  bereits  bekannt, 
von  anderen  noch  nicht ,  doch  verringert  sich  die  Zahl  der  letztereu  immer  mehr 
und  mehr.  In  älteren  Pilzwerkeu  treten  sie  freilich  sämmtlich  als  besondere  Species 
auf.  Man  kannte  eben  nicht  ihren  Entwicklungsgang,  auch  werden  sie  meist  ohne 
die  zu  ihnen  gehörigen  Pcrithccieu  gefunden.  Sie  bilden  die  grossen  ALtheiluugcn 
der  Hyphomycetes  und  Gymnomycetes.  So  lange  man  die  höhere  Fruchtfonn 
nicht  kennt,  werdeu  sie  auch  noch  heute  unter  ihren  alten  Specicsnamen  aufge- 
führt, aber  zu  deu  sogenannten  „Fungi  imperfecta  gestellt.  Sydow. 

Coniferae,  Familie  der  Gymnospermae.  -  Charakter:  Stamm  reich  ver- 
zweigt. Blätter  gewöhnlich  immergrün,  einfach,  ineist  schuppen-  oder  nadeiförmig. 
Bläthen  ein-  oder  zweihäusig,  in  Kätzchen  oder  am  Ende  der  Zweige  einzelu  oder 
zu  2 — 3.  (5  Blüthen  nur  aus  schuppenförmigen  Staubblättern  besteheud.  Q  Blüthen 
aus  einem  mit  ein  bis  mehreren  Eichen  besetzten,  oft  von  seinem  Deckblatt  nicht 
pesonderten  Sprösschen  gebildet.  Q  Blüthenstand  meist  zapfenförmig,  seltener  in 
eine  Beere  übergehend.  Samenkeim  mit  zwei-  oder  mehrfach  getheilten  Keim- 
blattern. Die  Familie  zerfällt  in  folgende  Unterfamilien:  a)  Taxineae ,  h)  Cu- 
pressineae,  c)  Äbietineae.  Sydow. 

COtliferengeiSt  l  Tb.  Fichtennadelöl ,  1  Th.  Eau  de  Cologne  und  10  Tb. 
l'Oprocentigen  Spiritus. 

Coniferengeist ,  zum  Zerstäuben  im  Zimmer,  um  Nadclwaldluft  küustlich  her- 
zustellen, ist  eine  Mischung  auB  80  Th.  Oleum  Pini  opt. ,  10  Th.  Ol.  Junipen 
baccar.,  5  Th.  Ol.  Rottmarini,  3  Th.  Ol.  Lavamlulae,  2  Th.  Ol.  Citri  und 
900  Th.  Spiritus. 

ConiferenharZe.  Eiue  grosse  Anzahl  von  Coniferen  liefert  harzige  I*roduete, 
welche  zu  pharniaceutischen  und  technischen  Zwecken  ausgebreitete  Verwendung 
finden.  Die  meisten  harzliefernden  Bäume  gehören  zu  den  Abietineen ;  von  deu 
Cuprrssineen  liefert  nur  Juniperus  communis  L.  Harz,  welches  früher  gesammelt 
und  als  Wachholderharz  oder  deutscher  Sandarac  in  den  Handel  kam.  Von  den 
enteren  geben  die  zahlreichen,  über  die  gemässigte  und  warme  Zone  der  alten 
und  neuen  Welt  verbreiteten  Pinns- Arten  Terpentin,  Dam  mar  a- Arten  (Lt.  Orientalin 


252 


CONIFKRENIIAHZE. 


Lara,  und  nigra  Rumpf)  geben  Dammar,  andere  (D.  australis  Don.  und  ovata 
Moore)  Copal,  Callitris  quadrioalvis  Vent.  gibt  Sandarac. 

Gleich  den  genannten  lebenden  Coniferen  haben  auch  die  in  der  Diluvialzeit 
existirenden  Harze  geliefert,  welche  heute  als  Bernstein  und  Copale  in  den  ent- 
sprechenden Erdschichten  oder  in  dem  Meere  gefunden  werden. 

Die  Coniferenharze  kommen  in  dem  Holze  und  der  Rinde  der  genannten  Bäume 
in  eigenen  Gängen  und  Behältern ,  und  zwar  im  ätherischen  Oele  zu  einer  mehr 
oder  weniger  dicklichen  Flüssigkeit  (Harzsaft,  Balsam)  gelöst  vor ,  welche 
sich  bei  Verwundungen  des  Stammes  oder  auch  freiwillig  an  oder  unter  die  Ober- 
fläche desselben  (Harzblasen)  ergicsst. 

Ihre  Entstehung  verdanken  sie  vermuthlich  einer  regressiven  Metamorphose; 
es  sind  also  Excrete.  Als  ihre  Mnttersubstanzen  sind  zunächst  die  ätherischen 
Oele  (8.  Bd.  I,  pag.  157),  selbst  wieder  Excrete,  anzusehen,  aus  welchen  sie 
durch  Oxydation  zum  Theile  entstehen.  Andererseits  findet  aber  auch  eine  Um- 
wandlung der  Zellwandungen  selbst  in  Harz  statt  (Moellkr). 

Die  Gewinnung  der  Coniferenharze  geschieht  auf  mancherlei  Art.  Die  frei- 
willig ausgetretenen  und  an  der  Luft  getrockneten  Harze  werden  abgebrochen 
oder  abgescharrt,  wie  manche  Terpentine  (Scharrharz,  Barras),  San- 
darac, Dammar,  oder  am  Boden  in  Körnern  aufgelesen,  Waldweihrauc  h, 
oder  es  wird  die  Harzlösung,  der  Harzsaft  in  eigenen  Behältern  (Thongefässen)  oder 
in  Höhlungen,  welche  in  den  Stamm  selbst  gemacht  werden  („Grandel")  aufge- 
fangen ;  von  manchen  Harzen ,  obwohl  von  noch  lebenden  Bäumen  abstammend, 
werden  nur  jene  Sorten  gesammelt,  welche  im  Boden  liegen  (recent-fossil) ,  wie 
manche  Copale  (s.  pag.  291):  andere  endlich  werden,  zu  grossen  Klumpen  ange- 
wachsen und  in  den  Flüssen  weitergetrieben,  an  den  Ufern  derselben  in  felsblock- 
artigen  Massen  gefunden,  wie  manche  Dam  m  a  r- Arten  (s.  d.). 

Je  nach  dem  Gehalte  der  Coniferenharze  an  ätherischem  Oele  sind  dieselben 
zähflüssig  (Terpentin  und  Canadabalsam),  weich  wie  Galipot  oder  hart  wie  Dammar, 
Sandarac,  Copal  und  Bernstein.  Jedoch  werden  die  gesammelten  Harzsäfte  oft 
erst  künstlich  durch  Destillation  oder  durch  längeres  Kochen  mit  Wasser  ihres 
ätherischen  Oeles  beraubt  und  liefern  dann  die  sogenannten  Harzproducte ,  z.  B. 
Colophonium  und  Wasserharz;  aber  auch  dann  haftet  allen  noch  eine  gewisse 
Quantität  des  Oelcs  fest  an. 

Auch  der  Geruch  und  der  Geschmack  der  Coniferenharze  richten  sich 
grösstenteils  nach  der  Menge  des  in  ihnen  enthaltenen  ätherischen  Oeles.  Sie 
riechen  angenehm  balsamisch  wie  Canadabalsam  und  Sandarac,  oder  sind  fast 
geruchlos  wie  Dammar,  Kaurie-Copal ,  Colophonium.  Der  Geschmack  hängt  zum 
Theil  von  geringen,  darin  enthaltenen  Mengen  von  Bitterstoffen  ab. 

Die  Farbe  ist  von  wasserhell ,  gelblich ,  rothbraun  bis  fast  schwarz.  Die 
dunklen  Färbungen  kommen  fast  nur  den  künstlich  von  Gel  befreiten  Coniferen- 
harzen  zu.  Die  festen  Harze  sind  ferner  durchsichtig  oder  wenigstens  durchscheinend, 
glasglänzend,  gewöhnlich  von  muscheligem  Bruche;  die  Trübung  (milchiger,  wolkiger 
Bernstein)  ist  durch  zahlreiche  in  der  Harzmasse  eingeschlossene  mikroskopische 
Luftbläscheu  bedingt;  die  den  atmosphärischen  Einflüssen  ausgesetzte  Oberfläche 
verliert  häufig  ihren  Glanz  und  wird  durch  pulverigen  Zerfall  trüb;  das  sogenannte 
W  a  s  s e  r  h  a  r  z  verdankt  seine  weisse  Farbe  zahlreichen  kloinen  Wassertröpfchen,  die 
in  demselben  eingeschlossen  Rind.  Der  Kaurie-Copal  hat  eine  opalisireude  Oberfläche. 

Die  Hflrte  der  Coniferenharze  ist  von  der  anderer  Harze  nicht  wesentlich  ver- 
schieden, sie  schwankt  zwischen  der  des  Gypses  und  der  des  Steinsalzes. 

Das  s  p  e  c  i  f  i  8  c  h  e  Gewicht  der  stark  ölhaltigen  Harze ,  der  Balsame  ist 
niedriger  als  das  des  Wassers  —  der  Canadabalsam  zeigt  0.99  — .jenes  der  Ölarmen 
Harze  ist  etwas  höher  von  1.04 — 1.12. 

Die  Coniferenharze  erweichen  schon  bei  einer  Temperatur  von  80 — 100\  der 
Schmelzpunkt  ist  verschieden  :  Colophonium  schmilzt  schon  bei  100°,  Sandarac 
bei  135".  Dammar  bei  150°,  Bernstein  bei  2*7°. 


Digitized  by  Google 


CONIFEKENHARZE. 


253 


Die  meisten  Coniferenharze  sind  wohl  optisch  activ;  reines  Colophonium 
besitzt  kein  Rotationsverniögen.  Die  Balsame  zeigen  ein  dem  Sinne  und  dem 
Grade  nach  von  dem  der  sie  constituirenden  Oele  und  Harze  abweichendes 
Drehungsvermögeu.  Venetianischer  Terpentin  dreht  rechts,  das  daraus  dargestellte 
Harz  in  demselben  Sinne  nur  stärker,  das  darin  enthaltene  Ätherische  Oel  dreht 
die  Rotatiousebene  nach  links. 

Die  Lösungen  mancher  Harze,  z.  B.  des  Colophoniums,  zeigen  Fluoresccnz. 

In  Wasser  sind  die  Coniferenharze  unlöslich;  nur  manche  geben  an  dasselbe 
ihneu  beigemengte,  nicht  harzige  Bestandteile,  z.  B.  Bitterstoffe,  ab,  wie  Sandarac ; 
in  Alkohol,  besonders  in  heissem,  sind  fast  alle  löslich,  der  Bernstein  nur  sehr 
schwer;  auch  Aether  löst  alle  bis  auf  Copal  und  Bernstein.  In  Schwefelkohlenstoff 
and  in  Benzol  lösen  sich  alle  mit  Ausnahme  von  Copal  und  Sandarac ;  ätherische 
Oele,  besonders  Terpentinöl,  sind  gute  Lösungsmittel,  nur  Copal  widersteht  ihneu. 
Siedendes  Leinöl  löst  Dammar  und  Colophonium  leicht,  Sandarac  schwerer,  Copal 
nicht.  Colophonium  löst  sich  in  Natronlauge  schwer,  in  Ammouinkflüssigkcit  leicht ; 
die  anderen  Harze  werden  durch  diese  Flüssigkeiten  nicht  angegriffen.  Von  con- 
centrirter  Schwefelsäure  werden  alle  mit  brauner,  nur  Dammar  mit  rother  Farbe 
gelöst.  Der  Bernstein  widersteht  fast  allen  Lösungsmitteln. 

Ihrer  chemischen  Natur  nach  sind  die  Coniferenharze  Gemenge  von  ätherischem  Oel, 
Kohlenwasserstoff  und  ein  oder  mehreren  Harzen.  Die  Zusammensetzung  des  ersteren 
ist  fast  durchwegs  sichergestellt,  es  sind  Terpene  mit  der  Formel  CftH.<,  oder 
einem  Vielfachen  derselben.  Der  Erforschung  der  Zusammensetzung  der  ein- 
zelnen Harze  stellen  sich  vielfache  Schwierigkeiten  entgegen.  In  der  Regel  sind 
es  Sauren ,  welche  nach  geeigneter  Behandlung  gut  krystallisiren  und  sich  mit 
Alkalien  zu  Salzen,  den  Harzseifen,  mit  anderen  Basen  zu  Resinaten  sich  ver- 
binden; manchmal  sind  es  Anhydride  von  Säuren.  In  den  meisten  Harzen  sind 
eine  Anzahl  verschiedener  Harzsäuren  zugleich  mit  Anhydriden  vorhanden.  So  ist 
in  den  Pinusharzen  Abietinsäure,  C44HfllG5,  und  deren  amorphes  Anhydrid,  die 
Pininsäure,  ferner  Pimarsäure,  CJOHi0  02,  enthalten.  Das  Colophonium  besteht  zum 
&rfissten  Theile  aus  dem  Anhydrid  der  Abietinsäure,  C^H^O,.  Das  Dammarharz 
enthält  die  Dammarylsäure ,  deren  Hydrat  und  einen  festen  Kohlenwasserstoff, 
Daramaryl.  In  anderen  Coniferenharzen ,  z.  B.  im  Sandarac ,  sind  die  einzelnen 
Bestandteile  noch  nicht  genauer  bekannt;  man  hat  sieh  begnügt,  sie  mit  den 
Namen  Alpha-,  Beta-  und  Gamma-Harz  zu  bezeichnen.  Aus  den  Untersuchungen  vou 
Hlasiwetz  geht  Übrigens  hervor,  dass  sämmtliche  Coniferenharze  zu  den  T  e  r  p  e  n- 
harzen  gehören.  Die  Terpenharze  sind  nach  demselben  Autor  schwache,  manch- 
mal krystallisirbare  Säuren  und  werden  dnreh  schmelzendes  Kalihydrat  im  Gegen- 
sätze zu  anderen  Harzen  nur  wenig  verändert.  Andererseits  lassen  sich  aus  den 
in  den  Pflanzen  vorkommenden  Terpenen,  z.  B.  Terpentinöl,  Wachholderöl,  durch 
Erhitzen  mit  weingeistigem  Kali  Producte  darstellen,  welche  im  chemischen  und 
physikalischen  Verhalten  dem  Colophonium  vollkommen  gleichen.  Als  Formel  für 
die  Terpenharze  wird  von  Hlasiwetz  C20  0 ,0  02  aufgestellt  und  ihre  Entstehung 
aus  den  Terpenen  durch  folgende  Gleichung  erklärt: 

C\0  H,0  03  =  2  Cl0  H16  +  3  0  —  H3  0. 

Den  verschiedenen  Reagentien  setzen,  wie  schon  aus  dem  oben  Gesagten  her- 
vorgeht, die  Coniferenharze  noch  grösseren  Widerstand  entgegen  als  die  übrigen 
Harze ;  ihr  Verhalten  gegen  concentrirte  Mineralsäuren,  gegen  Ammoniakflüssigkeit, 
sowie  das  ihrer  alkoholischen  Lösungen  gegen  alkoholische  Bleiacetatlösung  können 
zu  ihrer  Erkennung  verwendet  werden. 

Die  Verwendung  der  Coniferenharze  ist  eine  vielseitige.  Pharmaceutisch  werden 
sie  gebraucht  als  Zusatz  zu  Pflastern ,  zur  Darstellung  von  Harzseifen ;  ferner 
wegen  des  angenehmen  Geruches,  den  manche  von  ihnen  beim  Verbrennen  ent- 
wickeln, als  Zusatz  zu  Räucherspecies,  technisch  zur  Bereitung  von  Kitten,  ferner 
in  Lösung  zu  Firnissen. 

Digitized  by  Google 


254  CONIFERENHARZE.  —  COXIIN. 

Literatur:  Wiesntjr,  iJie  Rohstoffe  des  Pflanzenreichs.  —  Hase  mann  u.  Hiljrer. 
Die  Pflanzen>tofte.  —  Flückiger,  Pharmakognosie.  —  Beil  st  ein,  Org.  Chemie.  —  Hla- 
siwetz  in  Anna).  d.  Chem.  u.  Pharm.  148.  -  Hirsrhsohn  lieitr.  z.  Chemie  d.  versch. 
Harze.  Arch.  d.  Pharm.  18.  H.  Paxchki*. 

Coniferin,  C,„  Hs2  0„  4-  2  aq.    Früher  Laricin,  Abietiu  genannt.  Findet  »ich 
im  Cainbialsaft  von  alleu  Zapfeubäumcu. 

Darstellung.  Zur  Zeit  der  Holzbildung ,  int  Frühjahr  und  im  Aufang  des 
Sommers,  werden  friseh  gefällte  Stamme  von  Nadelhölzern  in  Stücke  zersagt  und 
von  der  Rinde  befreit.  Darauf  sammelt  man  den  Cambialsaft  durch  Abschaben 
vermittelst  eines  scharfen  Instrumentes  iu  einem  untergestellten  Gefässe,  befreit  den 
gewonnenen  Saft  durch  Aufkochen  und  Filtriren  von  dem  darin  gelösten  Eiweiss 
und  dampft  das  Filtrat  auf  etwa  ein  Fünftel  seines  ursprünglichen  Volumens  ein. 
Die  nach  kurzer  Zeit  anschiessenden,  noch  braun  gefärbten  Krystalle  werden  durch 
Abpressen  von  dem  anhaftenden,  eine  eigentümliche  Zuckerart,  Pinit,  enthaltenden 
Syrup  mögliehst  getrennt  uud  durch  mehrmaliges  Umkrystalüsiren  unter  Anwendung 
von  Thierkohle  gereinigt.  Die  verunreinigenden  Massen  lassen  sieh  zum  grössereu 
Theil  auch  dadurch  fortschaffen,  dass  man  die  braun  gefärbten  heissen  Coniferin- 
lö8ungen  mit  geringen  Mengen  von  Bleiacetat  und  Ammoniak  versetzt;  die  Ver- 
unreinigungen gehen  in  den  Niederschlag,  während  das  Coniferin  gelöst  bleibt  und 
nach  Fortschaffnug  des  überschüssigen  Bleies  mit  Kohlensäure  beim  Concentriren 
anskrystallisirt. 

Eigenschaften.  Aus  Wasser  oder  Alkohol  umkrystallisirt  bildet  das  Coniferin 
weisse,  atlasglfl uzende,  scharf  zugespitzte,  oft  sternförmig  oder  rosettenartig 
gruppirte  Nadeln,  deren  Schmelzpunkt  bei  185 u  liegt.  Heim  Liegen  an  der  Luft 
verlieren  sie  an  Glanz  und  Gewicht,  indem  das  Krvstallwasser  theilweise  sieb  ver- 
flüchtigt, was  vollständig  bei  100°  eintritt.  Coniferin  ist  schwer  löslich  in  kaltem, 
leichter  löslieh  iu  heissem  Wasser,  ebenso  in  Alkohol,  unlöslich  in  Aether.  Schmeckt 
schwach  bitter  und  ist  linksdrehend.  Beim  Kochen  mit  verdünnten  Säuren  spaltet 
es  sich  in  Traubenzucker  und  ein  bald  gelb  werdendes  Harz.  Durch  concentrirte 
Schwefelsäure  wird  Coniferin  zunächst  dunkelviolett  gefärbt  und  geht  darauf  mit 
rother  Farbe  in  Lösung;  aus  letzterer  scheidet  sich  auf  Zusatz  von  Wasser  ein 
indigblaues  Harz  ab.  Mit  Phenol  und  concentrirter  Salzsäure  befeuchtet,  nimmt 
Coniferin  nach  kurzer  Zeit,  im  Sonnenlicht  fast  augenblicklich,  eine  intensiv  blaue 
Färbung  an.  Auf  diesem  Verhalten  beruht  die  schon  seit  langer  Zeit  zum  Nach- 
weis von  Phenol  angewandte  Fichtenholzreaction.  Empfindlicher  ist  die  Ueaction, 
wenn  man  statt  des  Phenol  eine  mit  Kaliumchlorat  versetzte  20procentige  Thyinol- 
lösung.  verwendet  TMolisch,  Ber.  d.  deutsch.  Bot.  G.  1886).  Die  wässerige  Lösung 
von  Coniferin  wird  von  Bleiessig  nicht  gefällt.  Wird  durch  Emulsion  langsam,  in 
6 — 8  Tagen  in  Traubenzucker  und  Coniferylalkohol  zerlegt.  Liefert  beim  Behan- 
deln mit  Chromsäuremischung  Vanillin.  Feberniangansaures  Kali  bewirkt  Bildung 
von  Zuckervanillinsäure.  Durch  Kochen  von  entwässertem  Coniferin  mit  Essigsäure- 
auhydrid  entsteht  Tetracetconiferin,  C16  Hl(i  (C,  R,  0)4  0«.  v.  Schröder. 

Coniferylalkohol,  C(0H12Oa.  Entsteht,  wie  Tikmaxn  nachwies,  bei  der 
Spaltung  des  Coniferins  durch  Emulsin.  Man  übergiesst  50  g  Coniferin  mit  der 
zehnfachen  Gewichtsmenge  Wasser,  fügt  0.2 — 0.3g  Emulsin  hinzu  und  lässt 
6  —  8  Tage  bei  einer  Temperatur  von  25 — 35°  stehen.  Der  entstandene  Coniferyl- 
alkohol wird  durch  Aether  ausgeschüttelt.  Er  bildet  Prismen  vom  Schmelzpunkt 
73 — 74°,  die  leicht  löslich  in  Aether  uud  Alkalien  sind,  weniger  in  Alkohol, 
schwer  löslich  in  Wasser.  Bei  der  Oxydation  mit  Chromsäure  liefert  er  Vanillin. 
Acetaldehyd  und  Essigsäure,  beim  Schmelzen  mit  Kali  Protocatechusäure.  Natrium- 
anialgam  reducirt  Coniferylalkohol  zu  Eugeuol,  Clö  H12  02.  Mit  Alkalien  entstehen 
kristallinische  Verbindungen.  v.  Schröder. 

Coniil),  CH  H,7  N.  Der  wesentlichste  giftige  Bestandteil  des  Schierlings,  Conium 
mandatum  L  :  besonders  reichlich  in  den  nicht  ganz  reifen  Früchten  der  zwei- 
jährigen Pflanze,  an  eine  Säure,  vielleicht  Aepfelsäure,  gebunden,  vorkommend.  In 

Digitized  by  Googl 


CONIIN. 


255 


anderen  Pflanzen  ist  das  Coniin  bis  jetzt  noch  nicht  aufgefunden  worden.  Pkschier 
isolirte  aus  dem  Extracte  der  Schierliugspflanze  zuerst  einen  alkalischen  Stoß', 
welchen  er  „Couiin"  nanute,  A.  L.  Gieseke  stellte  zuerst  ein  allerdings  sehr 
unreines  Sulfat  des  Coniins  dar,  die  Reindarstellung  des  Coniins  als  ölige  Flüssigkeit 
und  die  Charakterisirung  als  Pflanzenbase  gelaug  Ph.  L.  Geiger  im  Jahre  1831. 

Darstellung.  Zerquetschte  halbreife  frische  Schierlingafrüchte  worden  mit  heissem 
Wasser  und  nach  dem  Aufquellen  mit  kohlensaurer  Natriumlösung  benetzt  und 
die  gleichförmig  gemischte  Masse  in  einer  Destil  Ii  r  blase  mit  gespanuten 
Wasserdämpfen  so  lange  der  Destillation  unterworfeu ,  als  das  Destillat  nocli 
alkalisch  reagirt.  Das  Destillat  wird  darauf  mit  Salzsaure  neutralisirt  und  zum  dünnen 
Syrup  eingedunstet.  Diesen  schüttelt  mau  mit  dem  doppelten  Volumen  starken 
Alkohols,  trennt  von  dem  abgeschiedenen  Chlorammonium,  destillirt  den  Alkohol 
ah,  setzt  zu  dem  Rückstände  Natronlauge  und  schüttelt  das  frei  gemachte  Coniin 
mit  Acther  aus.  Das  nach  dem  Abdestilliren  des  Aethers  bleibende  Rohconiin  wird 
mit  ausgeglühtem  Kaliumcarbonat  entwässert  und  hierauf  im  Wasserstoffstrome  wieder- 
holt rectificirt,  die  zwischen  168 — 169°  Ubergehenden  Antheile  werden  gesammelt. 
Die  über  169°  siedenden  Antheile  des  Roheoniins  bestehen  aus  einem  Gemenge 
von  Coniin,  Methylconiin  (C8  Hie  [CH3]  N)  und  Conhydrin  fCd  H„,  NO), 
welche  neben  dem  Coniin  im  8chierling  vorkommen. 

Das  in  den  Handel  gelangende  Coniin  rcprüsentirt  aber  noch  keine  reine  und 
einheitliche  Substanz.  Um  aus  diesem  eine  solche  herzustellen,  wird  das  Coniin  in 
•Salzsäure  gelöst,  das  sich  ausscheidende  neutrale  Oel  mit  Aether  entfernt,  aus 
der  sauren  Flüssigkeit  die  Base  mittelst  Kali  abgeschieden  und  diese  nach  dem 
Kntwftssern  durch  wiederholte  Rectification  von  dem  Conhydrin  befreit ,  sodann  zur 
Entfernung  des  Methylconiins  in  die  Nitrosoverbindung  (s.  unten)  Übergeführt  und 
diese  durch  Salzaituregas  in  Coniinchlorhydrat  verwandelt,  aus  welchem  durch  Kali 
die  reine  Base  gewonnen  wird. 

Synthese.  Das  Coniin  ist  das  einzige  natürlich  vorkommende  Alkaloid,  dessen 
künstlicher  Aufbau  gelungen  ist.  Ladenburg  erhielt  au«  a-Methylpyridin  (Picolin) 
und  Acetaldehyd  durch  Condensation  unter  Austritt  von  Wasser  bei  250° 
Allvlpvridin: 

*C6HtN.CHs  +  CHJ.CHO  =  C6H4N.CH:CH.CH)  +  H,0. 
Picolin         Acetaldehyd  Allylpyridin, 
welches  durch  Reduction  mittelst  metallischem  Natrium  und  absolutem  Alkohol  in 
I'ropylpiperidin,  C5H10NC3H7,  das  ist  Coniin,  übergeführt  wurde. 

Das  so  gewonnene  Coniin  ist  mit  der  aus  dem  Schierling  dargestellten  Base 
völlig  identisch  befunden  worden. 

Constitution.  Das  Coniin,  ein  secundares  Amin  der  Formel  Cs  H10  NH,  ist, 
wie  die  erwähnte  synthetische  Darstellung  beweist,  ein  Propylpiperidin,  und  zwar 
wahrscheinlich  das  normale  Propylpiperidin  C,  H10  N  .  CrL .  CH3  .  CH3,  da  es  bei  der 
Oxydation  neben  anderen  Producteu  x-Amidovaleriansäure  liefert. 

Im  Sinne  der  sogenannten  Structurcheinie  würde  demnach  die  Formel 

H2 
C 

H2  C  CH2 

H2C  CHCH9.CH,.0H» 
N 
H 

die  Constitution  des  Coniins  ausdrücken. 

Eigenschaften.  Farblose  oder  auch  schwach  gelbliehe,  ölige,  stark  alkalisch 
reagirendo  Flüssigkeit  von  eigentümlichem,  widerwärtigem,  Schwindel  verursachendem 
Geruch  nnd  unangenehmem,  tabaksähnlichem  Geschmack.  Spec.  Gew.  bei  1 5°  =  0.886. 
ßiedepunkt  =  168.5°.  In  einer  sauerstofffreien  Atmosphäre  lässt  es  sich  ganz 
unzersetzt  deetilliren.    Bei  Luftzutritt  findet  unter  Braunfärbung  eine  theilweise 


256 


CONIIN. 


Zersetzung  statt.  Am  Lichte  bleibt  es  unverändert,  bei  Luftzutritt  bräunt  und  ver- 
dickt es  sich  allniälig  und  verwandelt  sich  schliesslich  in  eine  harzartige ,  bitter 
schmeckende  Masse  von  schwach  basischen  Eigenschaften.  Es  dreht  das  polarisirto 
Licht  nach  rechts,  (a)  D  =  -I-  10.36°,  die  Drehung  ist  bei  frisch  bereitetem  Coniiu 
doppelt  so  stark.  Bei  gewöhnlicher  Temperatur  lösen  90  Th.  Wasser  1  Th.  Coniin, 
in  der  Hitze  ist  es  weniger  löslich,  bo  dass  eine  kalt  bereitete  wässerige  Lösung 
sich  beim  Erwärmen  trübt.  Mit  Alkohol  ist  es  in  allen  Verhältnissen  mischbar, 
in  Aether,  Aceton,  flüchtigen  und  fetten  Oelen  leicht,  in  Chloroform  und  Schwefel- 
kohlenstoff schwer  löslich. 

Prüfung.  Das  Coniin  darf  sich  beim  Erwärmen  nicht  trüben,  was  auf  einen 
möglicherweise  bis  zu  25  Procent  steigenden  Wassergehalt  deuten  würde ,  und 
muss  sich  beim  Erhitzen  über  170°  vollständig  verflüchtigen.  Verfälschungen  sind 
ätherische  Ocle  und  Ammoniak ,  letzteres  entsteht  auch  bei  der  freiwilligen  Zer- 
setzung des  Coniius,  besonders  bei  sorgloser  Aufbewahrung.  Zur  Prüfung  auf  Oele 
gibt  man  zu  2  Tropfen  Coniiu,  10  Tropfen  Wasser  und  3  Tropfen  Salzsäure,  es  muss 
sich  eine  klare  Lösung  bilden ;  entsteht  auf  weiteren  Zusatz  von  60 — 70  Tropfen 
Alkohol  von  95  Procent  ein  krystallinischer  Niederschlag  von  Salmiak,  so  liegt 
eine  starke  Verunreinigung  mit  Ammoniak  vor.  Eine  solche  erkennt  man  auch, 
wenn  man  ein  Gemisch  von  2  Th.  Coniin  mit  1  Th.  Wasser  mit  Oxalsäure  neu- 
tralisirt,  kalt  stellt  und  die  von  der  geringen  Menge  ausgeschiedener  Krystalle  abge- 
gossene Flüssigkeit  mit  Spiritus  aet/iercu*  vermischt,  an  einer  Trübung  in  Folge 
der  Ausscheidung  von  oxalsaurem  Ammonium. 

Reactionen.  Metallsalzlösungen  werden  durch  Coniin  gefällt,  Eiweiss  wird 
coagulirt.  Concentrirte  Schwefelsäure  löst  blutroth,  später  grün.  Chlorwasserstoff- 
gas  färbt  zunächst  purpurroth,  dann  tief  indigblau,  Chlorwasser  und  Brorawasser 
verursachen  in  wässerigen  Coniinlösnngen  weisse  Trübung  oder  Fällung.  Eine  durch- 
aus charakteristische  Reaction  für  Coniin  fehlt. 

Salze.  Das  Coniin  ist  eine  einsäurige  Base;  die  Salze  entstehen  durch  Neu- 
tralisation mit  den  betreffenden  Säuren  und  sind  meist  sehr  leicht  löslich  in  Wasser, 
Alkohol  und  Aetheralkohol ,  aber  unlöslich  in  Aether.  Die  wässerigen  Lösungen 
färben  sich  beim  Eindampfen  roth,  violett,  endlich  braun  und  können  nur  im  Vacuum 
ohne  Färbung  eingedunstet  werden. 

Salzsaures  Coniin,  C„H17N.HCI.  Grosse  wasserhelle  Krystalle  des  rhom- 
bischen Systems. 

Bromwasserstoffsaures  Coniin,  Coniinum  hydrobromicum  (Ph.  Cr  all.), 
C8Hl7N.HBr.  Durchsichtige,  glasglänzende  Krystalle  des  rhombischen  Systems, 
isomorph  mit  denen  des  Coniinchlorhydrats. 

Jod  Wasserstoff  saures  Coniin,  CdH17N.HJ.  Säulenförmige  luft-  und 
lichtbeständige  farblose  Krystalle. 

Saure 8  weinsaures  Coniin,  C8  H,7  N  .  C4  H„  06  -f  2H20.  Schöne  grosse 
rhombische  Krystalle. 

Das  Platin  doppelsalz,  2  (C„  HI7  N  .  HCl)  PtCl,.  Tiefrothe,  in  Alkohol  leicht 
lösliche  vierseitige  Säulen. 

Das  Coniin  setzt  der  quantitativen  Bestimmung  grosse  Schwierig- 
keiten entgegen.  Die  von  Dhagendorff  zur  Titration  in  Vorschlag  gebrachte 
Phosphormolybdänsäure  ist  bei  Gegenwart  von  Aminonsalzen  nicht  brauchbar, 
weshalb  die  zur  Bestimmung  dienenden  Auszüge  aus  dem  Kraut  oder  den  Früchten 
des  Schierlings  mit  schwefelsäurehaltigem  starkem  Alkohol  angefertigt  werden  müssen, 
der  Ammonsulfat  ungelöst  lässt.  Aus  Tinctura  Conii  und  Essentia  Conti  ist  durch 
Zusatz  von  Schwefelsäure  und  Stehenlassen  in  der  Kälte  das  Ammonsulfat  zu 
präcipitiren.  Das  vor  der  Titration  auszuführende  Eindampfen  der  weingeistigen 
Auszüge  geschieht  zweckmässig  in  einem  Strome  von  Wasserstoff  oder  bei  starker 
Luftverdünnung.  Das  Extractum  Conii  wird  in  Wasser  gelöst  und  mit  einer  sehr 
geringen  Menge  Schwefelsäure  angesäuert.  Hager  empfiehlt  das  Coniin  mit  Aether 
auszuschütteln  und  den  nach  der  Verdunstung,  des  Aethers,  zuletzt  in  einer 


Digitized  by  Google 


CONIIN. 


257 


Atmosphäre  von  Salzsäure,  bleibenden  Rückstand  zu  wägen.  Nach  Dragendorff 
lasst  sich  nach  dieser  Methode  ohne  Verlust  nicht  arbeiten,  weil  das  Alkaloid  und 
seine  Salzsäureverbiudung  schon  zum  Theil  mit  dem  Aether  bei  Zimmertemperatur 
vertitiebtigt  wird.  Die  Titrirung  mit  Kaliumquecksilberjodid  (Mayer' sehe»  Reagens) 
ist,  wie  Versuche  Dragexdorff's  ergaben,  nur  ausführbar  bei  Anwendung  von 
Coniinsalzlösungeo  mit  \\ — 1  Procent  Coniin,  die  entweder  keinen  oder  nur 
geringen  Säurcüberschuss  besitzen.  Zusatz  kalt  gesättigter  Chlorkaliumlösung  trägt 
bei  Lösungen,  welche  nicht  unter  1  Procent  Coniin  enthalten,  zur  Klärung  und 
dazu  wesentlich  bei,  dass  sich  ein  Niederschlag  von  der  Zusammensetzung 
(C8H1SNJ)3  +  Hg  J3  bildet,  demnach  leem  des  Reagens  Ü.0125  g  Coniin  entspricht. 
Kürzlich  hat  £.  Dieterich  die  Bestimmung  des  Gehaltes  an  Coniin  im  Extractum 
Conti  in  der  Weise  ausgeführt,  dass  er  die  Mischung  des  Extractes  mit  Wasser 
und  Kalk  im  Extractionsapparate  durch  Aether  erschöpfte,  den  Aether  später 
unter  Zusatz  von  Wasser  verdunstete,  den  Rückstand  mit  Weingeist  aufnahm  und 
unter  Benützung  von  Rosolsäure  als  Indicator  mit  V>oo  Normalschwefelsäure 
titrirte.  1  cem  1100  Normalschwefelsäure  =  0.00127  Coniin.  Vorläufig  steht  dieser 
Methode  die  noch  nicht  widerlegte  Angabe  Dragexdorff's  entgegen,  dass  eine 
Coaiiulösung  schon  neutrale  Reaction  gezeigt  habe,  bevor  die  der  Rechnung  nach 
erforderliche  Säuremenge  zugesetzt  war.  Dieser  Widerspruch  wird  sich  durch  die  Be- 
nutzung verschiedener  Indicatoren  erklären  lassen ;  jedenfalls  ist  es  bei  der  leichten 
Flüchtigkeit  des  Couiins  schon  bei  Zimmertemperatur  weit  zweckmässiger,  den 
ätherischen  Auszug,  weleher  das  Coniin  enthält,  mit  überschüssiger  1  ,00  Normal- 
schwefclsäure  zu  versetzen  und  nach  dem  Verdunsten  des  Aethers  den  Säure- 
überschuss mit  1  joo  Normalalkali  zurückzutitriren. 

Chemisches  Verhalten.  Bei  der  Oxydation  des  Coniins  mit  Salpetersäure 
oder  rothem  ebromenuren  Kalium  und  Schwefelsäure  wird  neben  einer  Pyridin- 
monucar bonsäure  normale   Buttersflure  gebildet. 

Salpetrigsäureanhydrid  wird  von  troekenem ,  gut  abgekühlten  Coniin  in  reich- 
licher Menge  absorbirt,  indem  es  sieh  gelb,  dann  roth  und  zuletzt  grün  färbt.  Die 
entstandene  Verbindung  von  Coniin  mit  Salpetrigsäureanhydrid  (C,8  H17  N  .  N.,  Ös) 
Mrfallt  beim  Schütteln  mit  Wasser  unter  Abscheidung  von  Nitro socouiiu 
C^Hlä(NOjN  (Azoconydrin  von  Wektueim),  eiu  leichtes  gelbliches,  in  Weingeist 
und  Aether  lösliches  Oel  von  aromatischem  Gerüche  und  brennendem  Geschmacke, 
naacirender  Wasserstoff  regenerirt  Coniin.  Gasförmige  Chlorwasserstoffsäure  ver- 
wandelt es  unter  Entwicklung  von  Stickoxyd  und  Stickstoff  in  Salzsäure«  Coniin. 
Phosphorsäureanhydrid  führt  es  bei  80—90°  uuter  Entwicklung  von  ßtickstoff 
und  Abspaltung  von  Wasser  in  Conylen  (C8  HM),  eiue  farblose,  bei  125 — 126° 
liedende,  nicht  giftige  Flüssigkeit  über. 

Das  Verhalten  gegen  Alkyljodide  charakterisirt  das  Coniin  als  secundäre  Amin- 
base,  C„  H16  NU.  Methyljodid  addirt  sich  zunächst  zu  dem  jodwasserstoffsauren 
Salze  der  tertiären  Base,  Methyleoniin,  welche  mit  weiterem  Methyljodid  das  Jodid 
«ner  Ammoniumbase  bildet. 

Methyleoniin,  C„  Ht«  (CH3)  N,  findet  sich  in  dem  rohen  Coniin  (s.  oben). 
Entsteht  in  Form  seines  chlorwasserstoffsauren  Salzes  beim  Erhitzen  äquivaleuter 
Mengen  von  Coniin  und  Jodmethyl  auf  100°.  Farbloses,  dem  Coniin  ähnlich 
riechendes  Oel. 

Aethylconiin,  Crt  II16  (Cj  H6) N.  Farbloses,  stark  lichtbrechendes  Oel  entsteht 
analog  dem  Methyleoniin. 

Durch  Einwirkung  von  Silberoxyd  auf  das  aus  überschüssigem  Jodmethyl  uud 
Coniin  gebildete  Dimethylcony  lamm  oniumjodid,  CM n,ti  (CH3)g  N  J,  ent- 
steht Dimethylconylammoniumhydroxyd  ,  Ca  HIC  (CH3)2  N  .  OH,  wel- 
ches sich  bei  der  trockenen  Destillation  in  Wasser  und  Dimethylconiin, 
C»Hl6(CHs)2  N,  zerlegt.  Dieses  bildet  eine  flüchtige,  bei  182u  siedende  Base  von 
eigen thümlichem,  nicht  mehr  an  Coniin  erinnerndem  Geruch.  Auch  das  D  i  ä  t  h  y  1- 
eonylammoni  umjodid   und   das  Diäthylconylammoniumhydroxyd 

&»I-EneyclopMie  der  gea.  Pharmacie.  III.  17 


258  C0NI1N. 

Bind  dargestellt  und  gleich  den  entsprechenden  Methylverbindnngcu  nebst  ihren 
wichtigsten  Derivaten  beschrieben  worden. 

Erkennung  bei  forensischen  Untersuchungen.  Das  Couiin  wird 
au»  den  Lösungen  seiner  Salze  durch  Natronlauge  in  Freiheit  gesetzt  und  der 
alkalischen  Flüssigkeit  durch  Aether,  Petroleumather,  Benzol  uud  Chloroform  ent- 
zogen. Beim  Verdunsten  der  Lösung  in  Aether,  Petroleumäther  etc.  bleibt  es  als  ölige 
Tropfen  zurück,  welche  den  eigentümlichen  Geruch  und  alkalische  Reaction  besitzen. 
Aul  diesem  Wege  erhält  man  bei  forensischen  Untersuchungen  nach  dem  Verfahren 
von  Stas-Otto  oder  D ragen Dorff  das  Coniin  in  einem  zur  Anstellung  von  Heactioneu 
hinlänglich  reinen  Zustande.  Charakteristische  Reactionen  des  Coming  Rind  zur  Zeit 
noch  nicht  bekannt.  Zur  Erkennung  dient  das  folgende  Verhalten:  Die  wässerige 
Lösung  trübt  sich  beim  Erwärmen ;  das  durch  Eindunsten  der  Base  mit  Salzsäure 
erhaltene  salzsaure  Coniin  ist  krystalliniseh  und  erscheint  bei  200facher  Ver- 
grösserung  in  doppeltbrechenden,  nadel-  oder  säulenförmigen,  bisweileu  sternförmig 
grnppirten  Nadeln.  Das  Nicotin,  mit  welchem  das  Coniin  leicht  verwechselt  werden 
könnte,  liefert  unter  diesen  Bedingungen  ein  firnissartiges,  erst  nach  langer  Zeit 
krystalliniseh  erstarrendes  Salz.  Vom  Nicotin  unterscheidet  sich  das  Coniin  ferner 
dadurch,  dass  die  Coniinniederschlüge  im  Allgemeinen  viel  leichter  löslich  sind,  als 
die  Nicotinnicdcrschläge.  Aus  diesem  Grunde  werden  bei  Verdünnungen ,  wo 
Lösungen  von  Nicotin  und  Nicotiusalzeu  noch  durch  Reagentien  gefällt  werden, 
durch  dieselben  Reagentien  in  Coniin  oder  Coniinsalzlösungen  keine  Fällungen 
mehr  hervorgebracht.  Namentlich  gross  sind  die  Differenzen  in  der  Fällbarkeit 
gegenüber  Goldchlorid  und  Platinchlorid.  Diese  Reagentien  rufen  in  1  ,0ocm  einer 
1  :  100  verdünnten  Coniinlösung  keine  Trübung  mehr  hervor,  wahrend  Gold- 
chlorid 1  10  cem  Nicotinlösung  noch  in  einer  Verdünnung  1  :  1000,  Platin  - 
chlorid  noch  in  einer  Verdünnung  1  :  5000  schwach  trübt.  Kaliumwismutjodid 
ruft  in  V^ccm  Coniinlösung  noch  in  einer  Verdünnung  1:5000,  Phosphor- 
molybdänsäure von  1  :  5000,  Kaliumqmeksilberjodid  von  1  :  800,  Gerbsäure  von 
1  :  100,  Jodjodkaliuin  von  1  :  8000  erkennbare  Trübung  hervor.  Für  die  Identi 
ficirung  des  Coniius  ist  auch  die  physiologische  Wirkung  desselben,  Lähmung  der 
peripherischen  Nerven  von  Wichtigkeit.  Vor  der  Verwechslung  mit  Cadaveralka- 
loiden  muss  man  sieh  hüten  (s.  Bd.  11,  pag.  43'.)— 440.). 

Anwendung.  Das  Coniin  ist  ein  sehr  starkes  Gift,  wirkt  reizend  auf  die 
Haut,  erzeugt  Röthung  und  heftigen  Schmerz.  Innerlich  bewirkt  es  Lähmung  der 
Muskeln  und  endlich  Asphyxie.   Die  letale  Dosis  beginnt  bei  0.15. 

Maximale  Einzel-  und  Tagesgabc:  0.001 — 0.003. 

Aufbewahrung:  Höchst  vorsichtig  in  kleinen,  möglichst  vollgefüllten,  vor 
Licht  und  Luftzutritt  sorgfältig  verschlossenen  Fläschchen. 

Conhydriu  ist  die  neben  dem  Coniin  nnd  Methylconiin  in  dem  Samen,  dem 
Kraute  und  den  Blütheu  des  Schierlings  enthaltene  Base,  welche  1856  von 
Wkhtheim  entdeckt  wurde.  Sie  wird  bei  der  Reinigung  des  Rohconiins  aus  den 
über  18<)u  siedenden  Autheilen  gewonneu.  Eiu  Theil  scheidet  sich  auch  aus  dem 
Aether,  mit  welchem  das  Coniin  aufgenommen  wurde,  aus.  Werth kim  erhielt  aus 
280  kg  frischen  Blütheu  17  g,  ans  336  kg  frischen  Früchten  neben  700  g  Coniin 
40g  Conhydrin.  Dasselbe  bildet  farblose,  perlmutterglänzende  Blätter,  welche 
schwach  nach  Coniin  riechen,  in  Alkohol,  Aether  und  Wasser  leicht  löslich  sind, 
Schmelzpunkt  —  120°.  Siedepunkt  =  220°.  Es  sublimirt  schon  unter  100°.  Die 
Lösungen  reagiren  stark  alkalisch  und  machen  Ammoniak  aus  seinen  Salzen  frei. 
Es  ist  weniger  giftig  als  das  Coniin  und  wie  dieses  eine  einsänrige ,  seeuudäre 
Aminbase. 

Mit  dem  Naraeu  Paraconiin  (C„  Hl6  N)  bezeichnet  man  eine  Base,  welche 
früher  für  identisch  mit  Coniin  gehalten  wurde  und  von  Schiff  aus  dem  bei 
Einwirkung  von  Ammoniak  auf  Normalbutylaldebyd  (2  C,  H^  0  -f-  N  Hs  =  H,  O 
-f  C„H17NOj  entstehenden  Dibutyraldin  (C„HI7N0j  durch  Abspaltung  von  Wasser 
(C6H17XO  =  HaO  +  C8HlftN)  dargestellt  worden  ist.    Das  Paraconiin  zeigt  in 


Digitized  by  Google 


CONIIN.  -  CONIUM. 


dem  Gerüche,  dem  Siedepunkte  und  auch  in  seinen  giftigen  Eigenschaften  die 
grösste  Aehnlichkeit  mit  dem  Coniin,  jedoch  ist  es  optisch  inactiv  und  seiner 
chemischen  Natur  nach  als  ein  tertiäres  Monamin  aufzufassen.      H.  Beckurts. 

ConÜnUm  hydrObrOmiCUm.  BromwasserBtoffsaurcs  Coniin  (Ph.  Gall.).  — 
S.  Coniin. 

Conium.  Gattung  der  Umbclliferae ,  Unterfamilie  Smymeae ,  charakterisirt 
durch  die  aufgetriebene,  von  der  Seite  zusammengedrückte  Frucht,  deren  Rippen 
wellig  gekerbt  und  deren  Thälchen  ohne  Oelstriemen  sind.  Eiweiss  auf  der 
Fugenseite  mit  schmaler  tiefer  Furche  (Campyloftpermae). 

1.  Conium  mac  ulatum  L.,  Gefleckter  Schierling,  Blutschier- 
ling, Wuthschierling,  Mäuseschierling,  Mauer schierl ing,  Teu- 
felspeterling,  Dollkraut,  Scharnpiepen,  Ziege udill,  franz.  C i g u e' 
(=  Cicuta),  engl.  Hemlock.  Ursprünglich  wohl  in  Asien  heimisch,  ist  die  Pflanze 
jetzt  mit  Ausnahme  des  äussersten  Nordens  durch  fast  ganz  Europa,  Nordafrika, 
Kleinasien,  Sibiren,  auch  Amerika,  besonders  an  Wegen  und  auf  Schutt  verbreitet. 
Stengel  1 — 2  m  hoch,  ästig,  unten  schwach,  oben  stärker  gerillt,  bläulich  bereift, 
aru  Grunde  rothbraun  gefleckt.  Die  ganze  Pflanze  ist  kahl.  Blüthcnstand  eine 
doppelt  zusammengesetzte  Dolde.  Hülle  meist  5blätterig,  Hüllchen  3 — 4blätterig. 
auf  der  Ausgenseite  der  Döldchen  stehend,  beide  zurückgeschlagen  Blüthe  mit 
undeutlichem  Kelch  und  verkehrt  herzförmigen  Kronblättern,  deren  Spitze  einge- 
schlagen ist.  Das  Kraut  und  die  Früchte  sind  in  arzneilicher  Verwendung. 

Herba  Oonii  (Ph.  Austr.,  Genn.,  Hung.,  Helv.,  Russ.,  Suec.,  Dan.,  Fenn., 
Graec,  Hisp.,  Necrl.,  Norv.).    Die  unteren  Blätter  werden  über  20  cm  lang,  sie 
sind  von  breit  eiförmigem  Umriss,  an  einem  hohlen  Stiel  von  gleicher  Länge 
befestigt,  der  am  Grunde  in  eine  den  Stengel  umfassende  häutige  Scheide  übergeht. 
Sie  sind  dreifach  gefiedert.    Die  Abschnitte  erster  Ordnung  4 — Spaarig,  gestielt, 
das  unterste  Fiederpaar  steht  oft  etwas  entfernt.   Die  Abschnitte  zweiter  Ordnung 
sind  öpaarig  gefiedert.  Die  Abschnitte  dritter  Ordnung  sind  wenig  regelmässig,  aus 
4  oder  5  Paaren  eiförmiger  oder  länglicher  Zipfel  gebildet,  die  am  Grunde  zusammen- 
fliessen  und  vorne  nach  aussen  ein  paar  8ägezähne  tragen.  Jeder  Zipfel  und  jeder 
Zahn  trägt  ein  feiues  farbloses  Spitzchen.  Die  Blätter  sind  glanzlos,  oben  dunkel 
grün.  Der  hohle  Blattstiel  hat  einen  Kreis  von  Gefässbündeln,  die  nach  aussen 
durch  eine  Bastgruppe  begrenzt  werden,   unter  der  Epidermis  liegt  Uber  jedem 
Gefässstrang  ein  Collenchymbündel  und  zwischen  diesem  und  dem  Bast  ein  Harz- 
gang, lieber  dem  Gefässbflndel  der  Blattnerven  fehlt  der  Harzgang.  Die  Nervatur 
der  Blätter  besteht  aus  einem  Mittelnerven,  sehr  schwachen  und  spärlichen  Seiten- 
nerven  und  einem  Randnerven.   Das  Gewebe  der  Blätter  besteht  oben  und  unten 
ans  den  mit  einer  Cuticula  bedeckten  Epidermen,  Pallissadengewebe  und  ziemlich 
dicht  gefügtem  Schwammparenchym.  Die  Epidermis  der  Unterseite  führt  zahlreiche 
Waaser-  und  Lnftspalten,  welche  aber  am  Rande  des  Blattes,  wo  die  Zellwände 
sich  nicht  unerheblich  verdicken,  fehlen  (Fig.  41,2?).  Die  Epidermis  der  Oberseite 
ist  so  gut  wie  frei  von  Spaltöffnungen  biB  auf  den  Rand,  wo  dieselben  Uber  dem 
dort    verlaufenden  Marginalnerven  in  einfacher  Reihe  stehen  (Fig.  41,  A).  Die 
Zellen  beider  Epidermen  sind  buchtig,  polyedriscb,  doch  sind  die  der  Unterseite 
verhältnis8mässig  mehr  geschweift.  Sie  enthalten  nach  dem  Trocknen  oder  Einlegen 
in  Alkohol  Sphärokrystalle  und  Büschel  von  nadeiförmigen  Krystallen  (Hesperidin 
nach  Adolf  Meyer). 

Man  sammelt  die  Blätter  der  blühenden  Pflanze  (Germ.,  Austr.,  Helv.),  vor  der 
Blüthe  (Belg.,  Graec.,  Norv.,  Rom.,  Suec.),  nach  der  Blüthe  (Brit.).  Ausser  der 
Zeit  der  Einsammlung  sollen  noch  andere  Umstände  die  Wirksamkeit  der  Droge 
beeinflussen.  Mit  Rücksicht  darauf  soll  sie  von  wild  wachsenden  Pflanzen  (Brit., 
Dan.),  von  sonnigen  Standorten  (Suec.),  im  zweiten  Vegetationsjahre  (Belg.), 
ohne  die  dicken  Stiele  (Austr.,  Neerl.)  gesammelt  werden. 

17* 


200 


COM  UM. 


Frisch,  mehr  noch  abgewelkt,  riecht  das  Kraut  widerlich  und  schmeckt  etwas 
salzig,  scharf  und  bitter.  Beim  Trocknen  verliert  sich  der  Geruch ,  tritt  aber 
rasch  wieder  auf,  wenn  man  die  Droge  mit  Kalilauge  befeuchtet.  Man  trocknet  sie 
und  bewahrt  sie  vorsichtig  nicht  Aber  ein  Jahr  auf.  Sie  findet  Verwendung  in 
Substanz  1 0.3 !  Germ.,  0.1!  Helv.  pro  dosi)  oder  zur  Darstellung  des  Extr.  Conti, 
Ungt.  Conti t  Ungt.  narcotico-balsamicum  Helhnundi ,  Empl.  Conti 
catum. 

Fi«.  41. 


Querschnitt  durch  /Vuciu»  Conii.   a  Samenehveip«».  b  Embryo,  7onial  vergrössert 

v  Uefltssbündp]  in  deu  Kippen,  «•  die  Fruchtarh&le,  /  und"  »' 
Conünschicht  derselben.   Vergr.  80. 

Die  SchierliugblJttter  werden  nachweislich  mit  einer  ganzen  Anzahl  anderer 
Umbelliferenblätter  verwechselt,  was  besonders  dann  leicht  möglieh  ist,  wenn  sie 
nicht  zur  BlUthezeit  gesammelt  werden ;  sie  sind  charakterisirt  durch  die  oben 
angeführten  anatomischen  Merkmale,  ihre  Kahlheit,  die  feinen  Stachelspitzchen 
und  den  sehr  deutlichen  Coniingeruch  beim  Zerreiben  mit  Kalilauge. 

Digitized  by  Google 


CONIUM.  —  CONJÜGATION. 


261 


Die  dem  Schierling  am  ähnlichsten  Pflanzen  sind: 

Chaerophyllum  bulbosum L.,  Kälberkropf:  Wurzel  rübenförmig  oder  knollig ; 
Stengelbasis  sanimt  den  unteren  Blättern  behaart;  Dolden  hüllenlos  oder  mit 
einem  hinfälligen  Hüllblatte;  Früchtchen  lang  und  schmal,  ungeschnäbelt. 

Anthriscus  silvestris  ffofm.,  Klettenkerbel:  Wurzel  spindelig  (wie  bei 
Conium) ;  Blätter  Unterseite  sammt  den  Blattstielen  und  Scheiden  zerstreut 
behaart;  Doldenbülle  fehlend  oder  einblätterig,  Hüllchen  5 — Sblätterig,  nicht  balbirt; 
Früchte  länglich-lanzettlich,  kahl,  glänzend,  mit  fünfriefigem  8chnabel. 

Aethusa  Cynapium  L..  G 1  e i s s e  oder  Hundspetersilie:  Wurzel  spindelig ; 
Blätter  unterseits  glänzend,  Zipfel  mit  sehr  deutlichem  Gefässbündelnetz ;  Hülle 
fehlend,  Hflllchen  halbirt,  dreiblätterig,  so  lang  oder  länger  als  die  Döldchen,  meist 
herabhängend. 

Cicuta  virosa  L.,  Wasserschierling:  Wurzelstoek  fächerig,  Blattabschnitte 
lioeal-lanzettlich ,  scharf  gesägt,  Epidermiszelleu  und  Papillen  am  Rande  und  auf 
der  Mittelrippo  des  Blattes  auffallend  gestreift,  Hülle  fehlend  oder  1  — 2  Blättchen, 
Hüllchen  aus  10—12  pfriemlichen  zurückgeschlagenen  Blattchen.  Frucht  breiter 
als  lang,  zweiköpfig. 

Fructus  Conti  (Ph.  Gall.,  Brit.,  Hisp. ,  Un.  St.\  Die  Frucht  ist  etwa 
3mm  lang,  von  der  Seite  zusammengedrückt,  von  den  Griffeln  gekrönt.  Jedes 
Früchtchen  hat  5  starke  Längsrippen,  die  besonders  nach  oben  hin  gekerbt  sind 
(Fig.  42  ii.  43).  Den  Thälchen  und  der  Berührungsfläche  fehlen  Oelstriemen.  Auf 
dem  Querschnitt  erkennt  man  innerhalb  der  ziemlich  starken  Fruchthaut  die 
aus  etwas  derbwandigen,  fast  kubischen  Zellen  bestehende  Coniiuschicht  (Fig.  42 
u.  45).  Das  Endosperm  ist  auf  der  Fugenseite  tief  eingeschnitten  (Fig.  42),  daher 
nierenförmig,  es  enthält  Aleuron  und  fettes  Oel. 

Man  sammelt  die  vollkommen  entwickelten,  aber  noch  grünen  Früchte  und 
trocknet  sie  sorgfältig.  Sie  riechen  und  schmecken  wenig,  mit  Kalilauge  zusammen- 
gerieben entwickelt  aber  das  Pulver  denselben  widrigen  Geruch  wie  das  Kraut. 

Alle  Theile  der  Pflanze,  vielleicht  mit  Ausnahme  der  Wurzel  (Christisox, 
Harley),  enthalten  das  sehr  giftige  Alkaloid  Coniin  (Blätter  0.09  Procent 
(I)ragexdorff],  unreife  Früchte  0.7  Procent  [Duagkndorff],  1.0  Procent  [Lade], 
reife  Früchte  0.21  Procent  [Wertheim];  nach  dem  Trocknen  nimmt  der  Coniin- 
gehalt  sehr  ab),  ferner  das  weniger  giftige  Co n  hydrin  und  das  uugiftige 
Con  y  1  en. 

2.  Conium  Arracacha  Hook.  (Arrncocha  esculenta  De  C.) ,  deren 
Frucht  nngekerbte  Rippen  hat,  einheimisch  in  Südamerika,  hat  in  seinen  knolligen 
Wurzeln  eine  reichliche  Menge  Amylum,  die  deshalb  eine  beliebte  Speise  bilden. 
Mau  stellt  in  Santa  Fe  de  Bogota  daraus  eine  Art  Arrow-root  dar.        Hart  wich. 

COfljugation  oder  Copulation,  die  einfachste  Form  der  geschlechtlichen  Ver- 
einigung zwischen  Zellen,  deren  geschlechtliche  Verschiedenheit  uicht  erkeuubar 
ist.  Sie  ist  charakteristisch  für  eine  Hauptgruppe  der  Algeu,  welche  daher  specicll 
als  Conjugatcn  bezeichnet  werden.  Der  Vorgang  ist  der  Hauptsache  nach  folgender : 
Zwei  Algenfäden  legen  sich  parallel  neben  einander.  Die  Conjugatiou  tritt  nun  zwischen 
mehreren,  zuweileu  auch  zwischen  sämiutlichcn  Zellen  dieser  beiden  Filden  ein.  Je 
zwei  Zellen  treiben  an  correspondirenden  Stellen  Ausstülpungen,  welche  mit  ihren 
Spitzen  verwachsen.  Hierauf  löst  sich  die  trennende  Membran  auf,  und  es  entsteht 
zwischen  beiden  Zellen  eiue  schlauchartige  Verbindung,  der  sogenante  Copulati<>ns- 
Rchlauch.  Der  Inhalt  der  einen  Zelle  strömt  nun  durch  deu  Copulatiousschlaiich 
in  die  andere  Zelle  hinüber,  vereinigt  sich  mit  dem  Inhalte  derselben  und  bildet 
so  einen  grösseren  Körper  von  ungefähr  sphärischer  Gestalt.  Derselbe  umhüllt 
sich  mit  einer  mehrschichtigen  Zellmembran  und  wird  zur  fortpflanzungafähigen 
Spore,  die  in  diesem  Falle  Zygospore  genannt  wird.  Für  die  Conjugatiou  ist  also 
erforderlich,  dass  sich  der  Inhalt  je  zweier,  verschiedenen  Individuen  angehörender 
Zellen  mit  einander  verbindet.  Die  junge  Zelle  ist  das  Vereinigungsproduet  der 
beiden  Eltern.  S.vdow. 

Digitized  by  Google 


262 


C0N.TÜNCT1VA.  —  CONSERVIRUNG. 


Conjunctivae  Bindehaut,  ist  die  Schleimhaut,  welche  die  dem  Augapfel 
zugewendete  Fläche  der  Augenlider  und  auch  den  vorderen  Theil  des  Augapfels 
überzieht;  diese  beiden  Antheile  der  Augonbindehaut  werden  auch  als  Conjunctiva 
palpebra  rum  und  Con  junctiva  bulbi  unterschieden.  Die  Umschlag  »stelle  vom  Augen- 
lide auf  den  Augapfel  heisst  die  Uebergangsfaltc  der  Conjunctiva.  In  der  oberen 
oder  unteren  Üebergangsfalte  bleiben  in's  Auge  gerathene  Fremdkörper  gewöhnlich 
liegen :  um  sie  zu  finden  ist  es  daher  nöthig,  das  Augenlid  umzustülpen.  Am 
inneren  Augeuwinkel  faltet  sich  die  Conjunctiva  zu  einer  senkrecht  gestalteten 
Duplicatur,  welche  als  Palpehra  tertia  bezeichnet  wird  und  ein  Rudiment  der 
Nick-  oder  Blinzhaut  der  Thiere  (Membrana  nictitan*)  bildet. 

ConnectiV  (Int.),  Mittelhand,  heisst  jener  Theil  des  Staubfadens,  welcher  die 
beiden  Anthcrenhälften  trügt  und  gewissennassen  verbindet.  Gewöhnlich  ist  das 
Counectiv  der  Gipfel  des  Staubfadens,  in  einzelnen  Fällen  erscheint  es  aber,  indem 
es  in  mannigfaltiger  Weise  auswachst,  als  selbstständiges  Gebilde,  z.  B.  als  Quer- 
balken bei  Salvia,  als  blattartiger  Fortsatz  bei  Viola.  Mitunter  ist  das  Connectiv 
mit  dem  Staubfaden  beweglich  verbunden  (Anthera  versatilis),  z.  B.  bei  ColcJticnm. 

Conocarpus,  Gattung  der  Combretaceae.  Bäume  mit  ganzrandigen  Blättern  ; 
Blüthen  iu  gestielten  Köpfchen ;  Früchte  schuppig,  zapfenähnlich. 

Die  Rinde  mehrerer  im  tropischen  Amerika  heimischer  Arten  (C.  erectus  -Jqu., 
C.  latifolins  Rxb.,  C.  racemosus  L.  u.  A.)  ist  reich  an  Gerbstoff  und  wird  auch 
als  Heilmittel  verwendet. 

ConohOria,    Violaceen  -  Gattung ,   synonym   mit   Alsodeia  Pet.-Th.  —  Von 
C.  Cuspa  Kth.  (Alsodeia  Cuxpa  Spr.),  einem  guyanischen  Baume,  stammte  die 
als  Fiebermittel  gerühmte  Conohoria-Rinde,  Cortex  antifebril  is  Novae  Anda 
lu»ian.  Sie  ist  gegenwärtig  verschollen. 

Conrad  s  Augenwasser,  s.  unter  Aqua  Ophthalmien.  —  Conrad's 

Pilulae  spenificae  bestehen  aus  15 g  Asa  foetida,  lg  Radix  Ipecacuanhae, 
lg  Opium  und  30  Tropfen  Oleum  Menthae  piperitae  zu  löO  Pillen. 

Conradinsquelle,  s.  Vai  sinestra. 

ConSerVcL  Die  Conserve  ist  eine  in  früherer  Zeit  sehr  beliebt  gewesene,  jetzt 
aber  wenig  mehr  gebräuchliche  Arzueiform.  Man  bereitet  dieselbe ,  indem  man 
frische  Blätter,  Blumen  etc.  im  steinernen  Mörser  mit  einem  Holzpistill  mögliehst 
fein  zerstösst  und  unter  fortgesetztem  Stampfen  so  lange  gepulverten  Zucker  hin- 
zugibt, bis  die  Masse  einen  ziemlich  steifen  Brei  bildet.  Es  werden  dazu,  je  nach- 
dem die  Vegctabilien  mehr  oder  weniger  saftreieh  sind,  2  bis  4  Th.  Zucker  nöthig 
sein.  Die  Conserve  briugt  mau  in  gut  verschlossene  Gefässe  und  bedeckt  dieselbe, 
wenn  sie  längere  Zeit  aufbewahrt  werden  soll,  mit  einer  Schicht  Zuckerpulver. 
Man  hatte  Con*erva  Cochlrariae,  NasturtU,  Romrum,  Viola  mm  etc.  —  Was 
man  gegenwärtig  im  Handel  „Conserven"  nennt,  sind  nach  einer  der  Con- 
s  e  r  v  i  r  u  n  g  s  m  e  t  h  o  d  e  n  (s.  d.)  behandelte  Früchte,  Gemüse,  Fleisch  u.  s.  w.  Auch 
die  Cutiserva  'J'umarindorum,  Tamar  Indien  Grillon,  das  beliebte  Abführmittel,  ist 
keine  eigentliche  Conserve,  da  derselben,  um  sie  formen  zu  können,  etwas  Mehl  (re- 
spective  .Sennesblätter  und  Jalapenpulver)  beigemengt  wird.  g.  Hof  mann. 

Conservateur  für  Haarleidende,  s.  Bühiigens  Haannittel,  Bd.  n, 

pag.  413. 

Conservirung.  Die  vom  Thier-  und  Pflanzenkörper  durch  die  Leben sthätig- 
keit  erzeugten  organischen  Substanzen  erleiden  nach  dem  Absterben  der  Organismen 
oder  nachdem  sie  vom  lebenden  Körper  getrennt  worden  sind,  bald  schneller, 
bald  langsamer  Zersetzungen,  welche  wir  als  Fäulniss ,  Verwesung  und  GShrung- 
zu  lezeichnen  pflegen.  Nach  den  heutigen  Anschauungen  und  Erfahrungen  wird 
dieser  Zerfall  durch   den  Lehensprocess  von  Mikroorganismen  (Bacterien,  Pilze) 


» 


Digitized  by  Googl 


CONSERVIRUNG. 


263 


^e»'irkt,  bisweilen  nach  vorhergehender  oder  unter  gleichzeitiger  Einwirkung 
""ipeforniter  Fermente.  Die  Conservirung  organischer  Stoffe  wird  demgemäss  darauf 
«ich  ^rj|n(ien  müggen ,  iu  erster  Linie  die  zu  conservirenden  Stoffe  von  den  auf 
,*"Hn  whoii  befindlichen  Mikroorganismen  zu  befreien  und  dann  unter  Bedingungen 
0  *  'n  einer  Form  aufzubewahren,  so  dass  sie  vor  den  ihre  Zersetzung  bewirken- 
en  ^Ukroben  geschützt  sind.  Da  die  letzteren  zu  ihrem  Lebeu  und  ihrer  Weiter- 
c  *l<ikelung  1.  der  Luft,  beziehungsweise  des  Sauerstoffs,  2.  einer  genügenden 
Men^c  Feuchtigkeit.  3.  einer  gewissen  Temperatur  und  besonders  4.  eines  geeigneten 
Nährbodens  bedürfen,  so  sind  dadurch  gewissermassen  die  Wege  vorgeschrieben, 
welche  beschritten  werden  müssen,  um  die  Conservirung  zu  erzielen. 

Die  Conservirunggverfahren  lassen  sich  unter  Berücksichtigung  der  vier  genannten 
Punkte  in  nachstehende  Gruppen  eintheilen ,  wobei  aber  bemerkt  werden  muss, 
dass  eine  scharfe  Begrenzung  derselben  unmöglich  ist.  weil  sich  der  Durchführung 
der  Gruppirung  wegen  der  häufig  stattfindenden  Coinbination  mehrerer  Conser- 
virutigsverfahren  in  einer  Methode  Schwierigkeiten  entgegenstellen.  Ferner  mag 
gleich  hervorgehoben  werden,  dass  bei  derCouservirung  für  dieAuswahl 
des  Conservirungsmittels  vor  allen  Dingen  und  selbstverständlich 
die  Natnr  und  der  Gebrauchszweck  der  Conserve  massgebend  »ein 
müssen.    Die  Conservirungsverfahren  siud,   iu  allgemeinen  Zügen,   die  folgenden: 

1.  Abschluss  der  Luft.  Man  erreicht  dieselbe  durch  Ueberziehen  der  Sub- 
stanz mit  einer  für  Luft  undurchdringlichen  Hülle.  Hierher  gehört  das  Ueberziehen 
mit  Lacken,  Harzen,  Paraffin,  mit  Fett-  und  Oelscbichten.  Auch  kann  man  hierzu 
das  Aufbewahren  von  Nahrungsmitteln  unter  einer  Zuckerschicht  oder  in  hermetisch 
verschlossenen  Gefftssen  oder  in  einer  Kohlensäureatmosphäre  rechnen. 

Es  mag  hier  bemerkt  werden,  dass  man  auch  organische  Stoffe  selbst  bei  Luft- 
zutritt vor  dem  Untergange  schützen  kann,  wenn  man  die  Luft  vor  ihrer  Berührung 
mit  der  Substanz  von  Mikroorganismen  befreit;  es  genügen  für  diesen  Zweck 
Wattepfropfen,  Asbestpfropfen  u.  dergl.  Selbstverständlich  wird  man  aber  die  auf 
den  zu  conservirenden  Substanzen  schon  befindlichen  Mikroorganismen  oder  deren 
Keime  vorher  tödten  müssen. 

2.  Die  Feuchtigkeit,  an  welcher  organische  Stoffe  durchschnittlich  sehr 
reich  sind,  wird  denselben  behufs  ihrer  Erhaltung  entweder  vollkommen  oder  niy 
partiell  entzogen  werden  müssen.  Ersteres  geschieht  durch  Einwirkung  erhöhter 
Temperatur,  wobei  diese  zugleich  vernichtend  auf  die  bereits  vorhandenen  Fäul- 
nisserreger wirkt,  oder  auch  bei  gewöhnlicher  Temperatur  unter  Benützung  eines 
luftverdünnten  Raumes  und  einer  hygroskopischen  Substanz.  Zur  partiellen  Ent- 
ziehung des  Wassergehaltes  dieut  das  Pressen  der  Substanzen,  längeres  Ver- 
weilen an  der  Luft  und  Sonne  oder  bei  mittleren  Temperaturen  (40 — 70l)  oder 
in  luftverdünnteu  Räumen ;  auch  wendet  man  hierzu  chemische  Mittel  an,  welche 
meist  neben  ihrer  wasseranziehenden  Eigenschaft  zugleich  antiseptisch  wirken  (z.  B. 
Alkohol,  concentrirte  Salzlösungen,  Glycerin  etc.). 

3.  Die  Conservirung  organischer  Substanzen  durch  Modifi- 
cation  der  für  das  Leben  von  Mikroorganismen  nothwendigon 
mittleren  Temperaturen,  welche  man  allgemein  zwischen  4°  und  45° 
liegend  annimmt,  ist  eine  sowohl  seit  den  frühesten  Zeiten  bekannte,  als  auch  bei 
weitem  am  häufigsten  angewandte  Methode.  Sie  beansprucht  wegen  ihrer  Bedeutung 
die  meiste  Beachtung. 

Besonders  ist  die  Conservirung  durch  niedrige  Temperaturen  eine  sehr 
alte.  Es  gehört  hierher  die  Aufbewahrung  an  kühlen  Orten,  z.  B.  Eiskellern, 
Eissehränken,  das  Ausfrierenlassen  der  zu  conservirenden  Stoffe  u.  dergl.  mehr. 
Man  hat  die  Beobachtung  gemacht,  dass  die  meisteu  organischen  Stoffe  nur  so 
lange  ihrem  Verderben  entzogen  werden  als  die  niedrigen  Temperaturen  auf  sie 
einwirken.  Sobald  sie  aber  wieder  den  mittleren  Temperaturen  ausgesetzt  werden, 
fallen  sie  dem  Verderben  anheim,  selbst  wenn  man  die  zutretende  Luft  durch 
Filtriren  keimfrei  macht.  Es  stimmt  diese  Beobachtung  mit  der  in  der  Bacteriologie 


)y  Google 


264  CONSERVIRUNG. 

gemachten  Erfahrung  überein,  dass  unter  4°  die  Mikroorganismen  und  ihre  Dauer- 
formen,  die  Sporen,  keineswegs  zu  Grunde  gehen ;  es  seheint  sogar,  als  ob  Bactorien 
der  Kfilte  gegenüber  sehr  widerstandsfähig  sind  und  nur  eine  Entwicklungshemmung 
—  „Kältestarre"  —  eintritt,  aus  welcher  sie  sich  bald  erholen,  wenn  sie  wieder 
unter  günstige  TemperaturverhäUnisse  gelangen. 

Von  weit  intensiverer  und  wirklich  erfolgreicher  Wirkung  sind  höhere 
Temperaturen,  weil  durch  dieselben  erfahrungsgemäss  bei  rationellem  Verfahren 
Bacterien  und  deren  Dauerformen  in  der  That  getödtet  werden.  Man  wird  nur  in 
den  Fällen,  wo  durch  die  Einwirkung  der  Hitze  die  organische  Substanz  nicht  in 
der  WeiRe  geändert  wird,  dass  sie  als  Nährboden  an  und  für  sich  schon  für  die 
sie  verderbenden  Organismen  ungeeignet  wird  (z.  B.  bei  Anwendung  trockener 
Hitze  und  bei  der  durch  dieselbe  bewirkten  Austrocknung  der  Substanz),  nach 
Abtödtung  der  Bacterien,  Pilze  etc.,  dafür  Sorge  tragen  müssen,  dass  ein  neuer 
Zutritt  von  zerstörenden  Keimen  nicht  stattfinden  kann.  Die  Conscrvirung  wird 
also  genau  unter  Beobachtung  analoger  Vorsichtsmassregelu  und  Bedingungen  aus- 
zuführen sein,  wie  die  Sterilisirung  von  Nährlösungen,  Apparaten  etc.  zur  Bactcrien- 
forschung  (vergl.  Bd.  II,  pag.  88).  Zu  hohe  Temperaturen  werden  als  Mittel  zur 
Conservirnng  aus  bekannten  Gründen  auszuschliessen  sein.  Angewandt  werden : 
Siedebitze,  bisweilen  unter  Absehluss  oder  mit  nachherigem  Abschluss  der  Luft 
(Pasteurisiren ,  Appert's  Verfahren),  heisse  Luft  oder  Wasserdämpfe.  Besonders 
die  letzteren  verdienen  in  der  Conservirungsteehnik  alle  Beachtung,  seitdem  Koch, 
Löffleb  und  Gaffky  darauf  aufmerksam  gemacht  haben,  dass  die  frei  strömen- 
den Wa8serdämpfc  von  100°  schon  nach  einer  viertelstündigen  Einwirkung  alle 
Mikroorganismen  und  deren  Dauerformen  sicher  zu  vernichten  vermögen.  Auch  die 
„discontinuirliche  Sterilisation"  (vergl.  Bd.  II,  pag.  01}  ist  bereits  für  die  Conaer- 
virungstechnik  in  erfolgreicher  Weise  benutzt  worden. 

4.  Die  letzte  Bedingung  für  die  Conscrvirung,  nämlich  die  zu  conser  virenden 
Substanzen  in  einen  Zustand  zu  versetzen,  in  welchem  sie  als 
Nährboden  für  die  Mikroorganismen  untauglich  und  dadurch  dem 
Untergänge  entzogen  werden,  ist  zum  Theil  schon  bei  den  vorher  besprochenen 
Verfahren  mit  inbegriffen. 

Es  werden  deshalb  uur  noch  die  chemischen,  sogenannten  „antiseptisch 
wirkenden"  Mittel  übrig  bleiben,  welche  bekanntlich  nach  Hunderten  zählen, 
und  deren  Anwendung  bald  mehr,  bald  weniger  oder  vielfach  gar  nicht  von  Erfolg 
sind.  Sehr  viele  der  angepriesenen  Conservirungsmittel  sind  mit  vielen  der  empfoh- 
lenen Desinfectionsmittel  hinsichtlich  ihrer  Wirkuug  auf  gleiche  Stufe  zu  stellen, 
und  es  würde  eine  in  der  That  verdienstvolle  Arbeit  sein,  den  Werth,  beziehungs- 
weise Tnwerth  der  bisher  in  Patenten,  Zeitschriften  etc.,  zur  Veröffentlichung  und 
Anpreisung  gelangten  Mittel  in  gleicher  Weise  darzuthun ,  wie  dies  für  die  Des- 
infectionsmittel bereits  geschehen  ist.  Allgemein  gefasst,  wird  man  von  vorneherein 
behaupten  können ,  dass  ein  gutes  Desinfectionsmittel  auch  ein  brauchbares  Con- 
servirungsmittel sein  wird. 

In  der  Conservirungsteehnik  pflegt  man,  wahrscheinlich  zur  Erhöhung  der  Wirk- 
samkeit, mehrere  Antiseptica  zu  gleicher  Zeit  anzuwenden.  Als  Conservirungsmittel 
werden  zur  Verwendung  gebracht  gewisse  Metallchloride,  besonders  Quecksilber- 
chlorid ,  welches  in  einer  Lösung  von  1 : 1000  stark  antiseptisch  wirkt ,  Kupfer- 
chlorid,  Aluminiumclilorid ,  Zinkchlorid ,  Eisenchlorid  ,  auch  Kochsalz  und  Chlor- 
calcium,  bezw.  deren  Lösungen.  Von  Sulfaten  hat  man  angewendet:  Kupfersulfat, 
Zinksulfat,  Aluminiumsulfat,  Alaun.  Eisenvitriol,  Magnesiumsulfat.  Von  Sulfiten 
spielen  in  der  Conservirungsteehnik  das  Natrium-  und  Calciumsulfit  (als  sogenannte 
„doppclt-sehwefligsanre  Salze")  eine  hervorragende  Rolle.  Von  den  Nitraten  ist  wohl 
der  Salpeter  das  gebräuchlichste  Conscn  irungssalz,  von  den  Phosphaten  haben  die 
Metaphosphate  'auch  die  Metaphosphorsäure)  Verwendung  gefunden,  von  den 
Arsensauerstoffverbindungen  ist  besonders  von  der  arsenigen  Säure  ein  sehr  um- 
fassender Gebrauch  gemacht  worden.  Eine  hierher  zu  rechnende,  oft  in  Fachseh riften 
erwähnte  Cousenirungsflnssigkeit  ist   die  an  Jkax  Wickersheimeu  pat«  ntirte ; 


COXSERVIRLNG. 


2C)b 


du  Patent  wurde  seiner  Zeit  vom  preußischen  Cultusministerium,  um  dasselbe  all- 
gemein benutzbar  zu  machen,  angekauft.  Die  Flüssigkeit  (D.  P.  6741)  ist  folgen- 
derraassen  zusammengesetzt:  Es  werden  100g  Alaun,  25g  Kochsalz,  12g  Salpeter, 
60  g  Pottasche  und  10  g  arsenige  Säure  in  31  kochendem  Wasser  gelöst.  Man 
lässt  abkühlen  und  filtrirt.  Zu  10 1  der  neutralen  Flüssigkeit  werden  4  l  Glycerin 
nnd  1 1  Methylalkohol  gesetzt.  Diese  Vorschrift  hat  im  Laufe  der  Zeit  Abänderungen 
erfahren.  Strdve  (Arch.  Ph.  3.  J.,  XVI,  pag.  322)  empfiehlt  statt  der  Wickers- 
HEiMKR'schen  Mischung ,  in  welcher  der  Alaun  völlig  überflüssig  und  störend  ist, 
da  er  ausgefällt  wird,  eine  Lösung  von  55.45  Procent  Wasser,  37.7  Procent 
Glycerin,  4.43  Procent  Methylalkohol,  1.34  Procent  Kaliumsulfat,  0.46  Procent 
Kochsalz,  0.23  Procent  Salpeter  und  0.39  Procent  arsenige  Säure.  —  Oscar 
Jacobsex  (Ebenda  332)  Ändert  aus  demselben  Grunde  wie  Strüve  die  Vorschrift 
folgend ermassen  ab :  20  g  arsenige  Saure ,  1 4  kohlensaures  Kali ,  1 2  Salpeter, 
25  Kochsalz,  18.5  Kaliumsulfat  in  31  Wasser;  zu  101  dieser  Lfisung  41  Glycerin 
und  1 1  Methylalkohol.  Die  Urtheile  über  die  WiCKERSHEJMER'sche  Lösung  sind 
auseinandergehend ;  Wjckkrsheimer  hat  eine  Flüssigkeit  zum  Hineinlegen  der 
in  eonservirenden  (vorzüglich  anatomischer)  Präparate  und  eine  zum  Injiciren 
bestimmt,  welche  beide  in  ihrer  Zusammensetzung  nur  wenig  differiren.  Zuletzt 
ist  von  Demselben  noch  eine  Flüssigkeit  zum  Conserviren  von  Nahrungsmitteln 
angegeben  worden. 

Seitdem  man  die  grossen  Boraxlager  in  den  Vereinigten  Staaten  erschlossen 
hat.  hat  die  Conservirung  durch  Verwendung  von  Borax  und  Borsflure  eine  immer 
grossere  Ausdehnung  erlangt.  Besonders  scheinen  folgende  Präparate  vielfach  an- 
gewandt zu  werden:  Das  Conservesalz  von  Jaxnasch ,  welches  als  ein  Ge- 
misch von  Borsäure,  Salpeter  und  Chlorcalcium  gilt ;  Eugex  Dteterich  (Ph.  Centralh. 
1885,  pag.  186)  wendet  35.0  Natr.  cfdorat.,  35.0  Kai.  nitr.  dep.,  30.0  Acid. 
harie.  an.  Das  Erhaltungssatz  von  H.  Oppermaxx  besteht  auB  Salpeter, 
Kochsalz,  Chlorkalium  und  33  Procent  Borsäure;  das  „einfache  Erhaltungssalz" 
desselbeu  enthält  2.55  Procent  Borsäure,  die  zum  grössten  Theil  an  Kalium  und 
Natrium  gebunden  ist  und  Kochsalz.  Es  wird  unter  Einwirkung  geringer  Mengen 
schwefliger  Säure  bei  100°  getrocknet.  Das  „zweifache  Erhaltungspulver"  von 
H.  Oppermaxx  ist  im  Wesentlichen  vierfach  borweinsteinsaures  Kalium  Natrium 
mit  3.6  Proceut  Borsäure.  Derselbe  bringt  auch  ein  glycerinhaltiges  Borsäure- 
präparat und  in  neuester  Zeit  „borsaure  Magnesia  in  Lösung"  in  den  Handel. 
Aehnlich  ist  auch  die  von  W.  F.  Guier  unter  dem  Namen  „Glacialin" 
empfohlene  Conservirungsflüssigkoit  zusammengesetzt,  welche  aus  einer  Lösung 
von  Borsäure ,  Borax ,  Glycerin  und  Zucker  in  Wasser  besteht ;  W.  Barff  be- 
nutet zum  Conserviren  eine  Lösung  von  Borsäure  in  Glycerin.  Das  Conserve- 
salz der  chemischen  Fabrik  „Eisenbüttel"  wird  durch  Zusammen- 
schmelzen von  4  Aequivalenten  krystallisirter  Borsäure  und  1  Aequivalent  Natrium- 
phosphat und  Zerreiben  der  Masse  mit  Salpeter  und  Kochsalz  hergestellt.  Die 
„Stuttgarter  Conservirungssalze",  ebenso  das  Septon  sind  nach  Ad. 
Mayer  (Ph.  Centralh.  1883  ,  pag.  23)  Borsäure  enthaltende  Mittel.  Auch  eine 
Fluorliorsäure  —  höchst  wahrscheinlich  die  bekannte  beim  Einleiten  von  Borrluorid 
in  Wasser  entstehende  Verbindung  —  im  Gemenge  mit  Gummi  und  Zucker  ist 
2ur  Conservirung  empfohlen  worden  (Ber.  Chem.  Ges.  XI,  pag.  1392).  Gemenge 
von  Salicylsäure  mit  Borax  oder  Borsäure  werden  ebenfalls  zur  Verwendung  gebracht. 

Von  Gasen  hat  sich  die  Kohlensäure  (Kolbe,  J.  pr.  Chem.  1882,  pag.  249) 
als  antibacterides  Mittel  erwiesen.  ( Aehnlich  wie  diese  besitzt  nach  Gampek  auch 
Kohlenoxyd  antiseptische  Eigenschaften.)  Die  schweflige  Säure  und  das  Chlor  sind 
schon  seit  vielen  Jahren  für  die  Conservirung  in  Gebrauch :  letzteres  wegen  seiner 
zerstörenden  Einwirkung  auf  organische  Stoffe  aber  nur  in  beschränktem  Maasse. 
Ph.  Zöllner  (Ber.  Chem.  Ges.  IX,  pag.  707,  und  X,  pag.  52)  bat  gefunden  ,  dass 
•Schwefelkohlenstoffdämpfe  und  auch  das  Kalinnixanthogenat  erfolgreich  zum  Con- 
swviren  angewandt  werden  können.  —  Von  anorganischen  Verbindungen,  welche 
fttr  den  vorliegenden  Zweck  noch  empfohlen  worden  sind,  seien  die  Salzsäure  (Gedke- 


CONSERVIRUNG. 


Patent,  Bcr.  Cheni.  Ges.,  V,  pag.  489),  auch  verdflnnte  Schwefelsäure,  die  kohlen- 
sauren und  kieselsauren  Alkalien,  Chroinsäure,  Kaliumpermanganat,  Kaliumchlorat, 
auch  verdünnte  Hypochloritlösungen  erwähnt. 

Nicht  minder  zahlreich  sind  die  Verbindungen,  welehe  die  o  r  g  a  n  i  s c  h  c  C  b  em  i  c 
der  Conservirungstechnik  liefert.  So  z.  B.  hat  man  von  vielen  Kohlenwasserstoffen 
(erwähnt  seien  hier  vorzugsweise  das  Leuchtgas  und  Naphthalin) ,  von  ver- 
schiedenen Alkoholen  (besonders  vom  rohen  Holzgeist ,  Methylalkohol ,  Aethyl- 
alkohol ,  auch  wohl  Amylalkohol,  ferner  Glycerin),  sowie  ferner  von  Alkohol- 
derivaten, z.  B.  Aether,  dem  Chloroform,  Chloral,  Aeeton ,  desgleichen  von  der 
Blausäure  Gebrauch  gemacht.  Auch  Fettsäuren  und  deren  Salze  finden  frtr  die 
Conservirung  reichliche  Verwendung,  besonders  spielt  die  Essigsäure  —  wohl  vorzugs- 
weise als  roher  Holzessig,  welcher  durch  seinen  Gehalt  an  Holzgeist,  Brenzölen  etc. 
stark  antiseptische  Wirkung  ausübt  —  und  von  ihren  Salzen  das  Natrium-  und 
Calciumacetat  eine  Rolle.  Von  den  aromatischen  Substanzen  werden  vorzugsweise 
die  Carbolsäure  und  deren  Homologe,  einzeln  oder  iu  Gemengen,  (Kreosot, 
Thymol  etc.),  sowie  phenolartige  Säuren,  darunter  besonders  die  Salicylsäure  (und 
Salicylate),  iu  ausgedehntestem  M nasse  angewandt.  Auch  Benzoesäure  und  Benzoeharz, 
sowie  Zimmtsäure,  Lösungen  von  Gerbstoffen  sind  für  den  gleichen  Zweck  zur  Em- 
pfehlung gelangt.  Schliesslich  sei  noch  des  an  J.  Holtz  patentirten  „Phenol  itsw 
Erwflhnung  gethan ,  welches  durch  Auflösen  von  Borsäure  bis  zu  40  Procent  in 
Phenolen  und  Kreosoten  hergestellt  wird ;  die  zähe  Masse  wird  durch  einen  v  erhältniss- 
mässig  geringen  Zusatz  von  Salzen,  wie  Kochsalz,  Borax,  Salpeter  in  Pulver  von 
hochprocentigem  Phenolgehalt  verwandelt.  Es  seien  schliesslich  noch  die  „ätheri- 
schen Oele",  Terpenc,  und  Kampherarten  erwähnt. 

Conservirung  der  Nahrungsmittel.  Nach  dieser  kurzen  und  keineswegs 
erschöpfenden  Gesammtübersicht  über  die  gebräuchlichen  Conservirungsmethoden 
und  -Mittel  gehen  wir  zu  dem  unstreitig  für  die  Conservirung  wichtigsten  Gegen- 
stande :  den  Nahrungsmitteln  über.  Man  kann  nach  dem  Vorschlage  von 
G.  Jüokll  {Leber  Conservirung  des  Fleisches.  Aerztl.  Intellig.  Bl.  1876,  4.  Ser., 
Nr.  5.),  die  Nahrungsmittelconserven  in  „Neeessitätsconserven"  und  „Luxusconserven" 
eintheilen.  Erstere  sind  direct  dazu  bestimmt,  die  wesentlichen  und  unentbehr- 
lichsten Nahrungsmittel,  unabhängig  von  Zeit  und  Ort,  der  Gesauimtbevölkcriing 
oder  Theilen  derselben  als  wichtigstes  Material  für  die  Unterhaltung  des  Organismus 
zu  liefern.  Man  wird  an  dieselben  daher  die  nämlichen  Anforderungen,  wie  an 
jedes  frische  Nahrungsmittel,  zu  stellen  haben,  nämlich  dass  dieselben  1.  einen 
absoluten  Nährwerth .  2.  einen  relativen  Nährwerth  gegenüber  dem  Tauschwertbe 
oder  Preise  repräseutiren ,  3.  gesundheitsunschädlich  sein  müsseu,  4.  iu  ihrer 
äusseren  Beschaffenheit  (Farbe,  Geruch,  Geschmack)  unserem  ästhetischen  Gefühle 
nicht  zuwider  und  schliesslich  5.  leicht  transportfähig  sind.  Demuach  wird  man 
als  Ideal  einer  Conserve  eine  solche  ausehen  müssen,  welche  bei  absoluter 
Haltbarkeit  im  Uebrigen  vollkommen  mit  dem  frischen  Nahrungsmittel  identisch 
ist.  Ob  dieses  Ideal  jemals  erreicht  wird,  ob  es  überhaupt  erreichbar  ist,  darüber 
ist  eine  Entscheidung  zur  Zeit  nicht  möglich.  Jedenfalls  berechtigen  die  bis  jetzt 
geniachteu  Fortschritte  in  der  Conservirung  eiuzelner  Nahrungsmittel  zu  den 
besten  Hoffuungen,  das*  man  sich  wenigstens  diesem  Ideal  soviel  wie  möglich 
nähern  wird.  Als  „Luxusconserven"  werden  diejenigen  zu  gelten  haben,  welehe 
nicht  dazu  bestimmt  sind,  dem  ausschliesslichen  Krnährungszwecke  zu  dienen,  und 
welche  daher  nur  eine  untergeordnetere  Rolle  in  der  Lebensmittelversorgung  spielen. 

1.  Conservirung  des  Fleisches.  Unter  den  Necessitätsconservcn  sind  in 
erster  Linie  die  F leise  hco  u  ser  ven  zu  nennen. 

Schon  seit  den  iiitesten  Zeiten  ist  die  Conservirung  des  Fleisches  bekannt. 
Hkrodot  erwähnt,  dass  die  Aegypter  das  Fleisch  durch  Salzen  vor  dem  Verderben 
schützten;  die  Griechen  schrieben  dies  Verfahren  Phidii'PKS  (9.  Jahrh.  v.  Chr.) 
zu.  Auch  das  Trocknen  und  Pulvern  des  Fleisches  ist  eine  uralte  Erfindung. 
Nach  der  Erzählung  des  Griechen  Xiphilix  sollen  die  Bewohner  von  Armorika 
(die  alte  Bretagne)  sich  im  Kriege  von  einem  aus  Fleisch  hergestellten  Mehle 

Digitized  by  Google 


CONSEBVIRUNG. 


267 


ernährt  haben.  Ebenso  bekannt  ist  es  ferner,  das»  die  Römer,  die  Feinsehmeckerei 
bis  auf's  Aeusserste  treibend,  aus  allen  Himmelsgegenden  eich  das  Beste  und  Theuerste 
an  Wildpret  kommen  Hessen ;  dieses  Fleisch  wurde  in  Honig  conservirt  und  behielt 
?ehr  lange  Zeit  seinen  Geschmack  bei.  So  Hessen  sich  noch  viele  andere  Beispiele 
anführen ,  aus  denen  hervorgeht,  dass  man  zu  allen  Zeiten  darnach  gestrebt  hat, 
besonders  eines  der  unentbehrlichsten  Nahrungsmittel,  das  Fleisch,  für  längere  Zeit 
hinaus  vor  dem  Verderben  zu  achützeu.  Zu  diesem  Zwecke  hat  man  nach 
Hunderten  zählende  Methoden  erdacht;  so  z.  B.  führt  Jüdell  (Dingl.  Pol.  f. 
1876)  (Iber  400  verschiedene  Verfahren  zur  Conservirung  des  Fleisches  auf. 
Wir  wollen  uns  begnügen  nur  eine  kurze  ubersichtliche  Darstellung  der  wichtigsten 
Verfahren  zur  Herstellung  der  Fleischconserven  zu  liefern. 

1.  Fle  ischcon  ser  v  en  ,  hergestellt  durch  Abschluss  der  Luft. 
Es  geschieht  dies  auf  verschiedene  Weise,  a)  Die  Fleischstticke  werden  mit  Gelatiue, 
Paraffin,  geschmolzenem  Fett  umhüllt  oder  in  Oel  gelegt  (wie  bei  Sardines  a  l'huile) 
und  in  luftdicht  schliessenden  Büchsen  verpackt.  Alle  diese  Methoden  siud  jedoch 
von  nur  untergeordneter  Bedeutung ,  denn  die  Sicherheit  der  Conservirung  auf 
lange  Zeit  wird  aus  verschiedeneu  Gründen  eine  zweifelhafte  sein.  Bei  weitem 
ein  grösseres  Interesse  beanspruchen  l> )  die  BQchsenconserven,  bei  deren 
Herstellung  gleichzeitig  erhöhte  Temperatur  und  Luftabschluss  zur 
Anwendung  gelangen.  Die  Fabrikation  derselben  wurde  durch  Appkrt  (1809)  be- 
gründet, welcher  zuerst  Glasflaschen  und  Blechdosen  mit  gekoehtem  Fleische 
anfüllte,  im  Wasserbade  stundenlang  erhitzte  und  dann  luftdicht  verschloss.  Dieses 
Verfahren  ist  im  Lanfe  der  Zeit  vielfach  abgeändert  worden.  Fastier  z.  B.  be- 
nutzte zum  Kochen  ein  Salzbad  von  110";  Axgilbkrt,  dessen  Verfahren  in 
Australien  angewandt  wird,  verdrängt  die  Luft  aus  den  Blechbüchsen  durch  Wasser  - 
dämpfe  und  erhitzt  in  einem  Chlorcalciumbade ;  Nasmyth  benützt  zur  Verdrängung 
der  Luft  Alkoholdämpfe ;  Jones  bringt  die  Büchse  durch  ein  Metallrohr  mit  einem 
luftleeren  Raum  in  Verbindung;  nach  der  Evacuirung  erwies  sich  schon  eine 
unterhalb  des  Siedepunktes  liegende  Temperatur  für  die  Conservirung  als  aus- 
reichend. Das  Fleisch  wurde  dadurch  nicht  trocken  und  faserig,  sondern  erhielt 
sieh  recht  saftig  und  frisch. 

Neben  dem  Büchsenfleisch,  welches  als  Corned  Beef  oder  Texas  Beef 
(ersteres  ist  eher  als  gepresstes  Pöckelfleisch  zu  bezeichnen)  aus  Kordamerika  ein- 
geführt wird  und  neben  dem  australischen  Büchsenfleische  werden  auch  in  Deutsch- 
land nach  dem  System  Gierling  von  der  Carue  -  Pura  -  Gesellschaft  verschiedene 
Sorteu  von  Büchsenfleisch  hergestellt.  Koenjg  gibt  über  die  Zusammensetzung  des 
Büchsenfleisches  folgende  Zahlen  an: 


1  Inhalt 
einer 
Buch»« 


Wnaser 


.Stick- 
stoff- 
mibBtanz 


Gramm 


F  r  o  c  o  n  t 


F.m 


I.  Ueberseeisckes  Büchsenfleisch : 

1.  Exportgesellschaft  Wilson  

2.  „  Canning  &  Co  

f.  „  Brougham  

4.  2  Pfund  Büchse   

5-4      „  n   

6.  aum  Australien   . 

7.  Texas  beef  ( 1  Pfund  Büchse)  

8.  Corned  beef  (Chicago,  2  Pfund  Büchse)  . 

II.  Deutsches  Büchsenfleisch  (Gierling's 
System) : 

l.  Bestes  deutsches  Rindfleisch  in  Fleischbrühe 

Deutscher  Kindsbraten   

3.  Deutsches  Rindsgullyas  


1  If 

57.3 

•28.9 

10.2 

3.6 

822 

49.2 

25.7 

21.6 

3.5 

780 

48.9 

27.7 

19.0 

4.4 

795 

57.7  ! 

31.5 

7.* 

3.5  I 

1452 

58.8 

25.9 

11.8 

3.5  i 

1(  - 

54.03 

29.3 

12.1 

4.5 

452 

63.6') 

29.'i 

3.9 

2.9 

770 

56.9 

338 

6.4 

2.9 

410*) 

60.03  1 

26.38 

8.61 

2.61 

1  515*) 

52.^2 

34.56 

4.09 

5.17  , 

655*) 

71.90 

19.63 

3.92 

2.52  , 

*)  Durch  Einkochen  von  720  g  frischem  Fleisch  erhalten. 


268 


CONSERVIRÜNG. 


Das  Urthcil  über  diese  Conserven  betreffs  ihrer  Haltbarkeit  ist  allerseits  ein 
sehr  günstiges.  Nach  Fr.  Hofmaxn  erleidet  aber  auch  das  Fleisch  bei  seiner 
Ueberführung  in  Büchsenfleisch  keine  Einbnsse  an  Nährstoffen,  letzteres 
ist  nur  gegenüber  dem  frischen  Fleische  sehr  theuer.  Hygienischerseits  ist  diesen 
Conserven  vorgehalten  worden,  dass  sich  in  denselben  oft  Blei  vorfindet,  welches 
jedoch  hauptsächlich  vom  unvorsichtigen  Verlöthen  herzustammen  scheint.  Ein 
anderer,  sehr  gewichtiger  Einwand,  welcher  gegen  den  Gebrauch  des  Büchsen- 
fleisches gemacht  worden  ist,  (Roloff,  Milchztg.  1881,  pag.  404)  ist  der,  dass 
auch  ungesundes  Fleisch  zur  Conservirung  gelangt,  und  dass  durch  die  letztere 
Keime  von  ansteckenden  Krankheiten  (z.  B.  Milzbrandsporen)  keineswegs  unschädlich 
gemacht  werden,  da  dazu,  wie  oben  angeführt  ist ,  entweder  eine  andauernde  Er- 
hitzung weit  über  100°  oder  die  Anwendung  von  Wasserdämpfen  von  100° 
nothwendig  sind.  Bei  der  Zubereitung  der  Conservebüchseu  erreicht  aber  nach 
WolffhüCtEL  und  Hüppe  (Mitthlg.  des  kaiserl.  Gesundh.-Amtes  Bd.  I,  pag.  315) 
die  Temperatur  im  Fleische,  ohne  Unterschied  der  Büchse  nicht  1009,  so 
lange  nur  eine  Erhitzung  des  Wassers  oder  der  Kochsalzlösung  bis  unter  106° 
angewandt  wird,  bei  Anwendung  von  Temperaturen  von  108 — 110°,  beziehungs- 
weise 110  bis  130°  (im  Dampfkochtopfe)  stieg  die  Temperatur  im  Innern  des 
Fleisches  nur  bei  den  kleinen  Büchsen  über  100°,  während  sie  in  den  mittel- 
grossen und  grossen  Büchsen  sich  auch  bei  diesen  höheren  Temperaturen  unter 
1000  hieit. 

Andere  Verfahren  zur  Bereitung  des  Büchsenfleisches,  beruhen  darauf,  dass  man 
die  im  Fleische  und  den  Büchsen  enthaltene  Luft  durch  andere,  besonders  antiseptisch 
wirkende  Gase  verdrängt ;  hierzu  gehört  das  Verfahren  von  Kleixe  ,  welcher  in 
den  mit  Fleisch  gefüllten  Büchsen  die  Luft  durch  Kohlensäure  oder  Stickstoff, 
welches  mit  etwas  Schwefeldioxyd  vermischt  wird ,  ersetzt.  In  ähnlicher  Weise 
verfährt  Closset  (D.  P.  23317),  dessen  Methode  von  einigen  Seiten  als  empfehlens- 
werth  beurtheilt  wird.  Das  zu  conservirende  Fleisch  wird  in  eine  Büchse  gefüllt 
welche  antiseptische  Flüssigkeiten  (Alkohol  etc.)  enthält,  zunächst  geschlossen  und 
dann  unter  Wasser  geöffnet.  Die  Flüssigkeit  wird  dann  durch  keimfrei  gemachte 
Gase,  z.  B.  vorher  erhitzte  Luft,  verdrängt. 

Kolbe  (J.  pr.  Cheiu.  1882,  XXVI,  pag.  249)  fand,  dass  sich  Ochsenfleisch  in 
einer  Kohlensäureatmosphäre  gut  hielt,  bei  Hammel-  und  Kalbfleisch  fiel  der 
Versuch  weniger  günstig  aus.  Gampee  tödtetc  Thiere  mit  Kohlenoxyd,  inipräg- 
nirte  das  Fleisch  mit  diesem  Gase  und  zugleich  mit  Schwefeldioxyd. 

2.  Entziehung  von  Wasser.  Bei  der  Conservirung  des  Fleisches  durch 
Trocknen  findet  ein  Verlust  an  Nährsubstanzen  gleichfalls  nicht  statt.  Das 
Trocknen  geschieht  entweder  durch  die  Sonnenwärme,  wie  in  den  Tropen,  oder 
durch  künstliche  Wärme.  C  h  a  r  q  u  e  d  u  1  c  c  ist  das  in  dünnen  Schnitten,  nach 
Vcrreibung  mit  etwas  Zucker,  an  der  Luft  getrocknete  Fleisch ;  Carne  seeca 
wird  durch  Trocknen  des  zuerst  eingesalzenen  Fleisches  und  Carne  Tasajo 
durch  Auspressen  des  eingesalzencn  Fleisches  zwischen  Steinen  und  darauf  folgen- 
des Trocknen  bereitet.  Diese  drei  Verfahren,  von  denen  das  zweite  und  dritte 
sicherlich  einen  Verlust  an  Nährstoffen  bedingt,  sind  in  Brasilien,  Uruguay  etc. 
üblich.  Nach  Fß.  Hofmaxx  erhalten  sich  diese  Conserven  wegen  des  noch  immer 
hohen  Wassergehaltes  verhältnissmässig  nur  kurze  Zeit,  auch  sind  sie  zu  salzig, 
als  dass  sie,  in  grösseren  Mengen  oder  fortgesetzt  genossen,  vertragen  werden 
könnten. 

Dagegen  liefert  das  Trocknen  durch  künstliche  Wärme  eine  haltbare 
Conserve.  Alle  die  küustliehe  Wärme  benützenden  Verfahren  wenden  fettfreies 
Fleisch  und  eine  Temperatur  von  60  bis  70°  an,  unterscheiden  sich  aber  unter  ein- 
ander in  der  Art  der  Ausführung.  Vielfach  wird  das  Fleisch  nach  dem  Trocknen 
gepulvert  und  auf  diese  Weise  in  „F 1  e  i  sc  h  m  c  h  1"  umgewandelt.  Hauptrepräsen- 
tanten  dieser  Fleisebmehle  sind  das  HASSAL'sche  Fleischmehl  fpatentirt  1804)  und  das 
nach  dem  Patent  Meixert  und  Hofmaxx  (D.  P.  Nr.  851»!»)  hergestellte,  als  „Ca  rne 

Digitized  by  Google 


CONSERVIRUNG. 


k(i9 


purau  bezeichnete  Fleischmehl.  Hassal  trocknete  fettfreies  Fleisch  bei  50 — 60°, 
pulverisirte  dasselbe  und  setzte  dem  Pulver  8  Procent  Arrowroot,  8.5  Procent 
Zucker  und  3  Procent  Gewürz  (Salz  und  Pfeffer,  hiuzu.  Diese  Mischung  enthielt 
n*ch  Pakkes  12.7  Procent  Wasser,  57  Procent  Eiweiss  (darunter  50  Procent 
animalcs),  11  Procent  Fett  und  3.8  Procent  Salze.  —  Die  „Carne  pura"  wird 
von  einer  Bremer  Actiengesellschaft  aus  den  Fleischvorrathen  Amerikas  in  der 
Weise  hergestellt,  dass  das  von  Fett,  Knochen,  Sehnen  etc.  befreite  Fleisch  des 
sogenannten  Viertels  des  Rindviehs  mittelst  einer  eigenen  Hackmaschine  zerkleinert, 
je  nach  dem  Zweck  mit  2 — 2'  a  Procent  Kochsalz  vermischt  und  auf  Drahthorden 
in  einem  Trockenofen  in  der  Weise  getrocknet  wird,  dass  sich  die  Fleigchstücke  gegen 
einen  durchziehenden  warmen  Luftstrom  von  60°  in  entgegengesetzter  Richtung 
bewegen.  Nach  dem  Erkalten  werden  die  getrockneten  Stücke  grob  zerkleinert 
und  kommen  dann  in  Blechbüchsen  zum  Versandt.  In  Berlin  wird  die  feinere 
Pulverisirung  vermittelst  Desintegratoren  vorgenommen,  das  erhaltene  feiue  Pulver 
durch  eine  doppelcylindrige Luftmaschine  in  das  ganz  feine  Fleischpulver  (Patent- 
fleischpulver „Carne  pura")  einerseits  und  in  das  sogenannte  Zellengewebe 
andererseits,  das  als  Viehfntter  Verwendung  findet,  getrennt.  Aus  dem  „Patent- 
fleischpulver"  werden  unter  Zusatz  von  Mehlen ,  Gewürzen  etc.  andere  Conserven 
hergestellt :  Fleischgemüsetafeln  (Suppenpulver),  Fleischmaccaroni,  Fleischgraupeu, 
Fleischzwieback,  Fleischcacao  und  -Chocolade  u.  dergl.  m.  Das  Hauptgewicht  bei 
der  Darstellung  dieser  Conserveu  liegt  einmal  in  der  sacbgeinässen  Präparation 
der  einzelnen  Urstoffe  und  dann  nach  dem  Mischen  in  der  scharfen  luftleeren  Pressung. 
Ini  Nachstehenden  einisre  Analysen  dieser  Conserven : 


i 


Eivei» 


Fett 


Kohlehydr. 


Salze 


Procente 


Patentfleischpnlver  .  . 
Lepiminoaenfleisch- 

Gemüse  

Patentfleischbrodsuppe 
Gemischte  Carne  pnra- 

Suppe   

Carne  pura-U  raupen 


9.0—11.5   66-72  4.5-8.5 


8-12 
k— 11 

14—15 
10—13 


Carne  pura-Gries    .   .  |  14—15 
Carne    pura  -  Kinder- 
zwieback   !  10 — 12 


Carne  pura-Cacao  von 
ßlocker    .  .  .  . 


26—29 
16-17 

19-20 

18-  19 

19-  22 

14—15 


16-20 
13-15 

1-2 
1-2 
1-2 

4—5 


26-30 
51-54.5 

58-60 
66-68 
60-64 

66-67 


-      ,  12—18 


1.5-2.5 
1.5-2.3 

0.9-1.2 

0.3—1 

0.5-1 

0.5-1 

Theo- 
brom i  n 


Carne  pnra-ChocolaJe 


5-7       23—25  19—23 


2-3 


11-12  24-27 


34-  38 

35-  40 
Zucker 

10-14  0.2 

andere 
Kohle-  J. 
hyd. 


1.5—1.7 

'  0.2- 


0.4 


10—13 
3-5 

2—3 
2-3 
id-3 

2-3 


6-7 


2-3 


Aus  künstlichen  Verdauungsversuchen  mit  diesen  Conserven ,  welche  Koekig 
angestellt  hat,  geht  hervor,  dass  die  Verdaulichkeit  ihrer  Stick  Stoffsubstanz,  den  bei 
natürlichen  Verdauung» versuchen  gefundenen  Zahlen  entsprechend ,  zwischen  der 
Verdaulichkeitsgrösse  der  animalischen  und  vegetabilischen  Nahrungsmittel  liegt. 
Es  sei  noch  erwähnt,  dass  von  der  Stickstoffsubstanz  der  Carne  pura  93 — 97  Procent 
verdaulich  sind. 

Die  für  die  russische  Armee  von  der  Gesellschaft  „Volksernährung"  (Narodnoc 
Prodowolstwo)  dargestellte  Fleischconserve  wird  anscheinend  vor  dem  Trocknen 
erst  gekocht  oder  gedämpft.  —  Der  „Pemican"  oder  „Pine n k e phan"  der 
Indier  ist  getrocknetes,  mit  gleichen  Theilen  Fett  zu  einem  Brei  verriebenes 
Fleischpulver. 

3.  Conservirung  durch  Kälte.  Die  Conservirung  durch  Kälte  für  kleinere 
Fleischquantitäten  geschieht  in  der  bekannten  Weise  durch  Aufbewahrung  in  Eis- 


270 


CONSERVIRUNG. 


kollern,  Eiaschr.lnken  u.  dergl.  m.  Von  grösserer  Wichtigkeit  ist  die  Conservirung 
durch  Kälte  für  den  Transport  grösserer  Fleisch vorrilthe  aus  fleischreichen  Gegenden 
nach  solchen,  welche  Ärmer  an  diesem  Nahrungsmittel  sind.  Es  werden  zur  Zeit 
grosse  Quantitäten  Fleisch  in  stark  abgekühlten  Schiffsräumen  von  Amerika  nach 
anderen  Ländern,  selbst  wahrend  der  heissesten  Jahreszeit,  exportirt.  Man  wendet 
hierbei  das  „Frigorific- Verfahren"  an ,  bei  welchem  die  Kälte  auf  verschiedene 
Weise  erzeugt  wird.  Englische  Schiffe  nehmen  für  eine  etwa  zwölftflgige  Reise 
bis  1 500  Tonnen  Eis  an  Bord ,  welches  gestossen  und  mit  Salz  vermischt  wird. 
Durch  dasselbe  wird  Wrasser  gekühlt  und  letzteres  dann  durch  ein  Schlangenrohr, 
welches  die  Fleischvorräthe  umgibt,  geleitet.  —  Jellier  bewirkt  die  Kälteerzeugung 
durch  Methyläther  und  Pictet  durch  schweflige  Säure,  neuerdings  in  Gemeinschaft 
mit  comprimirter  Kohlensäure  (Compt.  r.  Bd.  100,  S.  329. 

Die  Methoden  haben  sich  im  Allgemeinen  gut  bewährt,  da  die  Möglichkeit  der 
Conservirung  eine  zeitlich  unbegrenzte  ist  und  der  Nährwerth  und  die  Verdaulich- 
keit erhalten  bleiben.  Es  ist  gegen  diese  Methode  eingewendet  worden,  dass  die 
Conserven  ungewöhnlich  schnell  nach  dem  Aufhören  der  Kältewirkung  verderbeu 
(s.  o.).  Dieser  Umstand  bringt  den  Unternehmern  äusserst  viel  Nachtheil,  da  sie 
fast  niemals  für  ihre  volle,  oft  das  Fleisch  von  mehreren  hundert  Ochsen  ent- 
haltende Befrachtung  sofort  Abnehmer  finden  und  daher  durch  die  so  schuell 
eintretende  Fäulniss  grösserer  Fleischmengeu  pecuniär  sehr  geschädigt  werden. 

4.  Conservirung  durch  antiseptisch  wirkende  Substanzen. 
Uuter  diesen  Verfahreu  ist  das  Einsalzen,  das  sogenannte  Pöckeln,  das 
bei  weitem  häufigste.  Man  reibt  das  Fleisch  mit  Kochsalz  ein  und  presst  es  in 
Fässern  schichtenweise  zusammen,  zwischen  jede  Schiebt  eine  sogenannte  Salzlake 
giessend ,  für  welche  man  auf  70  kg  Kochsalz  '  2  kg  Salpeter  und  22  1  Wasser 
nimmt.  Beim  Einsalzen  verliert  das  Fleisch  neben  geringen  Mengen  Eiweissstoffen 
eiuen  Theil  seiner  Extractivstoffe,  Phosphorsäure  und  Kali,  es  wird  zäher  und  büsst 
an  Wohlgeschmack  ein  (Voit,  Zeitschr.  Biol.  1879,  pag.  493)  Um  die  Auslaugung  der 
Extractivstoffe  zu  verhindern,  hat  J.  v.  Likbio  eine  Pöckelflüssigkeit  empfohlen, 
welche  aus  50  kg  Wasser,  18  kg  Salz  und  1  4  kg  Natriumphosphat  besteht ;  zu  je 
;'».5  kg  dieser  Lösung  werden  noch  3  kg  Fleischext ract ,  750  g  Kaliumchlorid  und 
200  g  Chilisalpeter  zugesetzt.  —  Eckhart  imprflgn;rt  das  Fleisch  kurze  Zeit  uuter 
hohem  Druck  mit  Kochsalz,  Morgan  befolgt  ein  eigenthümliches  Pöckelverfahren ; 
er  gieRst  unmittelbar  nach  dem  Tödten  der  Thiere  durch  Verblutung  in  die  Aorta 
Kochsalzlösung  ein  und  zwingt  dieselbe  durch  Verschluss  der  rechten  Herzkammer 
in  die  Gewebe  überzutreten. 

An  das  Pöckelverfahren  reiht  sich  das  —  damit  häufig  verbundene  — 
Räuchern  des  Fleisches.  Hierbei  wird  die  Conservirung  einmal  durch  die  hohe 
Temperatur  und  das  damit  in  Verbindung  stehende  Austrocknen,  dann  aber  auch 
zugleich  durch  die  Imprägnirung  des  Fleisches  mit  antiseptischen  Stoffen,  Kreosot 
etc.  bewirkt.  Zum  Räuchern  bedient  man  sich  vorzugsweise  des  an  Kreosot  besonders 
reichen  Rauches  von  Buchenholz.  Man  modificirte  das  Räucherverfahren  später 
derart,  dass  man  nur  bestimmte  conservirend  wirkende  Bestandteile  des  Rauches 
verwendete  (Schnellräucherei).  So  imprflgnirte  Krönig  das  Fleisch  mit 
„Kreosotsalz",  (1  Tropfen  Kreosot  mit  30g  Kochsalz);  Carbolsäure  ist  mit  Kochsalz 
unter  Zusatz  von  Kohle  und  Talg  von  A.  Vogel  vorgeschlagen  worden;  hierher 
gehört  auch  das  „Phenolit"  von  Holtz.  Alle  diese  Verfahren  sind  aber  theüs 
nur  von  Werth,  wenn  es  sich  um  Conservirung  für  kurze  Zeit  handelt,  theil« 
schädigen  sie  den  Geschmack  der  Conserve. 

Ausser  den  angeführten  ist  eine  grosse  Reihe  von  anderen  Chemikalien  in  An- 
wendung gekommen,  vor  allen  Dingen  die  Borsäurepräparate.  Herzen  hat  mittelst 
eines  Gemenges  von  Borax,  Kalisalpeter  und  Kochsalz  Fleisch  conservirt,  welches 
auf  der  Ausstellung  in  Brüssel  für  gut  befunden  wurde.  Man  wendet  ferner  die 
Conservirungsmittel  von  Barff,  Jannasch,  Oppermann,  Grier  ete.  an  (s.  oben). 
Vielfach  hat  man  Benzoesäure,  noch  häufiger  wird  Salicylsäure  verwendet.  Ueber 

Digitized  by  Google 


C0NSERV1RÜNG. 


271 


die  conservirenden  Wirkungcu  der  Salicylsäure  f  ür  Fleisch  ist  ein  endgiltiges  l'rtheil 
noch  nicht  möglich ;  Kolbe  fand  zwar,  duss  diese  das  Fleisch  vor  Fäulnis»  schütze, 
aber  dass  letzteres  dennoch  nach  einigen  Tagen  einen  unangenehmen  Geschmack 
annehme  und  beim  Kochen  und  Rraten  einen  widrigeu,  aber  nicht  fauligen  Geruch 
verbreite.  Das  häufig  angewandte  Gemenge  von  Salicylsäure  und  Borsäure  erthcilt 
den  Speisen  einen  intensiv  bitteren  Gesuhmack  (Hager,  Pharm.  Centralh.  Bd.  XIX. 
pag.  84 1>).  —  Andere  Verfahren  benutzen  Natriumacetat  allein  (Sacc)  oder  im 
Gemenge  mit  Salpeter  und  Kochsalz  und  sogar  mit  Salzsäure  (Gkokoks),  oder 
Alaun  in  Verbindung  mit  anderen  Salzen,  wie  z.  B.  Salpeter,  Kochsalz,  Wein- 
stein, ferner  mit  Tannin,  Salicylsäure,  Citronensäure ,  Zucker  etc.  —  Wickers- 
heimkr  hat  eine  der  bereits  oben  angegebenen  Conservirungsflüssigkeit  ähuliche 
aneh  für  Fleisch  empfohlen  (D.  P.  11530).  Yocxg  empfiehlt  Schwefelcaleium  und 
geißsehten  Kalk. 

Was  nun  das  mittelst  Chemikalien  conservirte  Fleisch  betrifft,  so  wird  man 
vor  allen  Dingen  hierbei  zu  fragen  haben,  ob  dasselbe  für  den  Organismus  des 
Menschen  zuträglich  ist.  Nach  den  Versuchen  von  M.  Gktber  (Zeitschr.  Biol.  1880, 
pag.  198  s  von  Forster  (Arch.  Hyg.  2,  75)  und  Schlenkeii  (Chem.  Centr.-Bl. 
[3]  15,  268)  dürfte  man  besonders  den  Borax  und  die  Borsäure  mit  einem  gewissen 
Argwohne  betrachten.  Ueber  die  Salicylsäure  gehen  die  Meinungen  noch  auseinander ; 
während  z.  B.  in  neuester  Zeit  K.  L.  Lehmann  (Arch.  Hyg.,  Bd.  V,  pag.  483) 
die  Unschädlichkeit  der  Salicylsäure  in  Tagesdosen  von  0.5  g  dargethan  bat,  so 
wurde  hingegen  in  Frankreich  von  einer  Commission,  welcher  bedeutende  Aerzte 
und  Chemiker  angehörten,  im  Auftrage  der  Academie  de  M6decine  dem  französischen 
Handelsminister  ein  Bericht  erstattet ,  in  dem  empfohlen  wird ,  den  Zusatz  von 
Salicylsäure  und  ihrer  Derivate  zu  Nahrungsmitteln  nicht  zn  billigen.  (Bull,  de 
l'Acad.  de  Med.  de  Paris  (2)  16-,  583.)  Man  wird  sich  füglich  bezüglich  der 
Salicylsäure,  sowie  aller  anderer  chemischen  Conservirungsmittel  dem  Ausspruche 
R.  v.  Wa(;ner's  anschliessen  müssen,  welcher  sagt:  „dass  das  Fleisch  cousumirende 
frblicmn,  die  höchste  Instanz  für  diese  Conserven ,  derartig  mittelst  Chemikalien 
eonservirtes  Fleisch  sicher  zurückweisen  wird."  Auch  ist  hierbei  wohl  zu  erwägen, 
was  die  8.  Jahresversammlung  des  deutschen  Vereines  für  öffentliche  Gesundheitspflege 
im  Jahre  1880  aussprach:  1.  Dass  bei  Conservirnng  von  Nahrungs-  und  Genuss- 
mitteln als  oberster  Grundsatz  gelten  niusf,,  dass  diese  in  ihrer  Beschaffenheit  keine 
oder  nur  solche  Veränderungen  erleiden,  welche  keine  Gefahr  für  die  menschliche  Ge- 
sundheit bringen.  Aus  dies'em  Grunde  ist  der  Zusatz  sogenannter 
antiseptischer  Mittel  nur  statthaft,  wenn  derselbe  durch  Er- 
fahrung und  Experiment  als  nicht  gesundheitsschädlich  erwiesen  ist ;  2.  dass, 
wenn  conservirende  Stoffe  einem  Nahrungsmittel  zugesetzt  werden,  dieser  Zu- 
satz in  einer  für  den  Käufer  deutlich  erkennbaren  Weise  zu 
bezeichnen  sei,  und  3.  dass  alle  Fleischconsorven,  deren  Her- 
stellung nicht  auf  Anwendung  höherer  Temperaturen,  100°  bis 
1206  beruht,  der  officiellen  Fleischbeschau  am  Orte  ihres  Ver- 
kaufes unterliegen  sollen. 

An  die  Methoden,  Fleisch  in  seiner  Totalität  zu  conserviren ,  schliessen  sich 
diejenigen  an,  welche  auf  Conservirung  einzelner  Bestandteile  ausgehen.  Hierher 
gehören  die  Fleischextracte. 

II.  Fischconserven.  Das  Conserviren  der  Fische  geschieht  im  Grossen  und 
Ganzen  in  der  nämlichen  Weise,  wie  das  des  Fleisches.  Man  salzt  die  Fische  ein 
oder  räuchert  sie;  vielfach  wird  auch  das  Fischfleisch  getrocknet  oder  man  con- 
aervirt  es  durch  Kochen,  Einlegen  in  Oel  (Sardine«  a  l'huile)  oder  in  Essig 
(Mariniren).  Hier  wäre  noch  der  durch  Einsalzen  conservirte  Rogen  vom  Lachs, 
Kabeljau,  des  Störs,  der  bekannte  Caviar,  und  der  diesem  verwandten  Fische 
in  erwähnen. 

Fischconserven  zeigen  folgende  Zusammensetzung  nach  KöxiG: 


Digitized  by  Google 


272 


CONSERVIRÜNG. 


•'• 

Eiweis»- 
Btofte 

r  rix 

davon 
Kachsalz 

 -,  -  .  — . 

1 

P  r 

n    o    a  n 
V            C  u 

t  f 

16.2 

78.1» 

0.8 

1.5 

10.1 

7.1 

1.8 



!  462 

18.9 

16.8 

16.4 

14.5 

'  49.7 

30.0  i 

04 

20.5 

18.8 

22.3  1 

2.2 

*3.7 

20.6 

46.2 

18.9 

16.9 

16.4 

14.5 

.  j  69.5 

21.1 

8.5 

1.2 

22.7 

15.9 

0.5     1  — 

Marinirte  Neunaugen  .  .   .  .  . 

.  \  51.* 

20.2 

25.6 

1.4 

.  41.82 

31.36 

15.61 

8.98 

6.38 

III.  Milchconservirung.  Die  Methoden  der  Milchconservirung  lassen  sich 
in  folgende  4  Gruppen  eintheilen : 

1 .  Erhitzen  der  Milch  (Sterilisiren) :  Conservirte,  präservirtc  Milch. 

2.  Eindicken  der  Milch  zur  Syrupconsistenz  (gewöhnlich  mit  oder  seltener  ohne 
Zusatz  von  Rohrzucker):  Condensirte  Milch. 

3.  Condensation  und  nachfolgendes  Erhitzen  (Sterilisiren)  auf  100 — 120°:  Con- 
servirte oder  präser virte,  condensirte  Milch. 

4.  Zusatz  von  antiseptischen  Mitteln. 

1.  Conscrviren  durch  Erhitzen.  Hei  der  Milch  steht  es  sicher  fest,  da<s 
ihr  Verderben  einzig  und  allein  durch  den  Lebensprocess  gewisser  Mikroorganismen 
bewirkt  wird,  welche  schon  während  des  Melkens  in  dieselbe  hineingelangen,  nach 
deren  Abtödtung  jedoch  die  Milch  sich  unzersetzt  erhalt.  Mau  erreicht  dies  letztere 
vor  Allem  durch  Hitze  und  bedient  sich  zu  diesem  Zwecke  vornehmlich  des  Appert- 
schen  Verfahrens ,  welches  auch  von  Nägeli  für  seine  Milchconserve  angewandt 
zu  sein  scheint  (Wagxer's  Jahresb.  1879,  pag.  942j.  Becker  versuchte  die  Milch 
durch  Erwärmen  auf  60°  und  darauf  folgendes  schnelles  Abkühlen  auf  12 — 15° 
vor  dem  Verderben  zu  schützen.  Dieses  „Pasteurisireu"  der  Milch  wurde  später 
von  Scherff  in  Wendisch-Buchholz  bei  Berlin  dahin  geändert,  dass  die  Milch  in 
luftdicht  schliessenden  Flaschen  auf  105 — 120°  innerhalb  eines  eigens  coustruirten 
Apparates  unter  dem  Drucke  von  2 — 4  Atmosphären  zwei  Stunden  lang  erhitzt 
wird.  Nach  dem  Erkalten  wurden  die  Korke  mit  Paraffin  und  Flanellscheiben 
gedichtet.  —  Eine  andere  Milchconserve  wird  von  Scherff  in  Ellrich  derart  herge- 
stellt, dass  die  Milch  in  einen  theilweise  evacuirten  geschlossenen  Behälter  gebracht 
wird,  aus  welchem  vorher  durch  ein  indifferentes  Gas  die  Luft  ausgetrieben  worden 
war,  worauf  man  durch  Erwärmen  sterilisirt.  Die  Milch  wird  dann  in  luftdicht 
schliessende  Flaschen,  welche  gleichfalls  mit  einem  indifferenten  Gase  gefüllt  sind, 
unter  Abschlus.s  der  Luft  übergeführt  und  darin  versandt.  —  Auch  Dietzel 
(Zeitschr.  lamhv.  Ver.  Bayern  1882,  pag.  511)  erhitzt  auf  115°  in  luftdicht 
schliessenden  Flaschen;  Fesca  (D.  Pat.  Nr.  18782)  hat  zum  Conserviren  mittelst 
der  Wärme  einen  eigenen  Apparat  construirt. 

Nach  den  Versuchen  von  Hüppe  (Mitthl.  d.  kaiserl.  Gesundheits- Amtes  H,  pag.  309) 
lasKen  sich  kleine  Milchquantitäten  durch  strömenden  Wasserdampf  oder 
durch  discontinuirliehes  Erwärmen  bis  zu  75°  auf  lange  Zeit  hinaus  haltbar 
inachen ,   wahrend   blosses  Aufkochen  keinen  Erfolg  zeigt.    Vom  physiologischen 

dpunkte  aus  ist  das  discontinuirliche  Erwänneu  vorzuziehen.  Darnaeh  verlieren 

'£ochap|>:irate  von  Bertling  (D.P.Nr.  18318),  sowie  von  Soltma^n  (Dtseh. 
Wodiensehr.  1882,   pag.  70),   welche  eine  Erhaltung  der  Milch  für  kurze 
wohl  zu  bewirken  vermögen,  an  Werth,  wenn  es  sich  um  Aufbewahrung  der 

i  für  längere  Zeit  handelt;  dagegen  verdienen  die  Verfahren  von  Hesse  (Ph. 

ralh.  IKxii,  pag.  260)  und  von  Soxhlet  (Münchener  Med.  Wochenschr.  1886, 

15  und  l6j,    welche  durch   Wasserdampf  von  100°  sterilisiren,   volle  lie- 


Digitized  by  Google 


CONSERVIRüNG. 


273 


2.  Die  Darstellung  der  „eondens irten  Milch",  welche  vor  der  conser- 
virten  nur  den  Vorzug  der  leichteren  Transportffthigkeit  besitzt,  geschieht  vor- 
nehmlich in  der  Weise,  dass  die  aufgekochte  Milch  in  mit  Dampfheizung  ver- 
sehenen Holzbottichen  mit  etwa  12  Procent  des  Milchgewichtes  reinsten  Rohr- 
zuckers vermischt  und  nach  dem  Durchsieben  in  einer  Vacuumpfanne  bei  50 — 60° 
mr  Syrupdicke  eingedampft  wird.  Nach  dem  raschen  Abkühlen  wird  die  conden- 
sirte Milch  in  luftdicht  verschlossene  Blechbüchsen  eingefüllt  und  versandt.  In 
neuerer  Zeit  wird  auch  auf  diese  Weise  condensirte  Stutenmilch  (Vieth,  Milchztg. 
1884,  pag.  164),  ebenso  Ziegenmilch  hergestellt. 

In  Amerika  hat  man  schon  seit  langer  Zeit  angefangen  eine  condensirte  Milch 
ohne  Zuckerzusatz  herzustellen,  indem  frische  —  auch  entrahmte  —  Milch  im 
Vacnumapparate  meist  im  Verhältnisse  von  4.3:1  eingedickt  wird  (s.  auch 
unter  3.). 

Statt  des  Zuckers  hat  man  zur  Haltbarmachung  des  condensirten  Productes 
Benzoesäure,  Boroglycerin  etc.  empfohlen,  aber  wohl  kaum  im  Grossen  zur  An- 
wendung gebracht. 

Zum  Gebrauche  wird  die  condensirte  Milch ,  je  nach  ihrer  Concentration  oder 
ihrem  Wassergehalte  mit  3 — 6  Theilen  Wasser  aufgelöst,  beziehungsweise  auf- 
geweicht. Bei  einem  Wassergehalte  z.  B.  von  30  Procent  würde  man  1  Thl. 
condensirte  Milch  mit  4  Thln.  Wasser  zu  vermischen  haben,  um  eine  der  natürlichen 
Kuhmilch  im  Wassergehalte  nahekommende  Emulsion  zu  erhalten. 

3.  Die  condensirte,  präservirte  Milch  gewinnt  man  auf  folgende  Weise : 
Man  reinigt  die  frische  Milch,  am  besten  unter  Anwendung  von  Oentrifugalkraft, 
koeht  sie  auf,  condensirt  im  Vacuum  bei  40°  und  präservirt  die  eingedickte  Milch 
nach  ihrer  Ueberführung  in  Blechbüchsen  mit  luftdichtem  Verschluss  nach,  dem 
SCHKRFF'schen  Verfahren  unter  Einhaltung  gewisser  Cautelen.  Der  Inhalt  der 
Büchsen  wird  vor  dem  Versandt  auf  seine  Dauerhaftigkeit  geprüft.  Nach  dieser 
Methode  arbeiten  die  Fabrik  von  Drexckhan  in  Stendorf  bei  Schönwalde  (Holstein), 
Walcker  &  Comp,  in  Bremen  und  die  Swiss  Milk  Comp,  in  Altona. 

4.  Von  antifermentativen  Zusätzen  zur  Milch  verwendet  man  hauptsächlich 
Borsäure-  und  Salicylsäureprüparate ;  von  denselben  gilt  das  unter  Fleisch  Gesagte. 
Auch  Wasserstoffsuperoxyd,  Natriumbicarbonat  werden  benützt. 

Die  im  Obigen  beschriebenen  Milchconserven  besitzen  durchschnittlich  folgende 


Condensirte  Milch  (mit  Rohr- 
zuckerzusatz ;  50  Analysen  von 
Fleisch  mann),   spec.  Gew. 

1.25-1.41  bei  15°. 
Verhaltniss  sswischen  Milch  nnd 

Rohrzucker  betrug : 
Milchzucker  10.82— 18.35" 
Rohrzucker   24.41— 40.48 7„ 
Mittlere  Zusammensetzung 
10    Analysen  amerikanischer 
ohne  Zuckerzunatz  hergeitellter 


er  Milch  (Fleisch-  if 
mann).  J   06  44 


Wasser 



Fett 

Protein- 
stoffe 

Milchzucker 

Asche 

P  r  o  c  e  n  t 

12.43 

bis 
35.66 

7.54 
bis 
18.78 

7.79 
bis 
20.14 

41.25 
bis 
5189 
(incl.  Rohrz.) 

1.56 

bis 

3.87 

25.68 

10.98 

12.32 

48.66 

2.34 

4640 

bis 
53  44 

13.12 

bi« 
19.80 

13.61 
bis 

26.50 

12.50 
bis 

17.75 

2.0 
bis 

2.96  1 

48.59 

15.66 

17.80 

15.40 

2.52 

6H.2 
63.3 

8.4 
9.8 

10.9 
10.4 

12.3 
13.7 

2.2 

2.3 

Mittlere  Znsammensetzung 
Condensirte  präservirte  Milch 

aus  Stendorf   

„  Bremen  

■ 

Nach  Baginsky  (Arch.  Kinderheilk.  IV  u.  Z.  physiol.  Chem. ,  VII,  Heft  IV) 
sind  die  durch  Erhitzen  sterilisirten  Conserven  und  die  condensirte,  präser- 
virte Milch  von  Hause  aus  die  besten.    Dieselben  bieten  die  Milch  entweder  in 


in. 


IS 


Digitized  by  Google 


274 


CONSEBVJRUNG. 


ursprünglicher  Concentratiou  oder  auf  1  s  concentrirt.  Sie  besitzen  einen  leichten 
Stich  in's  Gelbliche,  der  namentlich  bei  dem  ScHERFKschen  Product  mehr  als 
gehörig  hervortritt  und  auf  eine  Zersetzung  des  Milchzuckers  hinweist  Indessen 
sind  auch  die  übrigen  Bestandtheile  nicht  unverändert.  Das  Casem  der  Milch  ist 
schwer  in  Wasser  lösbar,  aber  auch  durch  Labferment  schwerer  flülbar  geworden, 
es  ist  sonach  wahrscheinlich  noch  weniger  leicht  verdaulich  als  das  frische  Kuh- 
casein.  Ferner  bilden  sich  in  der  Milch  aus  den  phosphorhaltigen  Stickstoffver- 
bindungen Abspaltungen  von  freier  Phosphorsäure  durch  die  Hitze,  was  bei  der 
Bedeutung  dieses  Körpers  für  die  Kalkresorption  im  kindlichen  Darmcanal  wahr 
scheiulich  nicht  gleichgiltig  ist.  —  Fehlerhaft  conservirte  Milch  nimmt  bald  einen 
talgartigen,  ranzigen  Geschmack  an  (0.  Loew,  Ber.  Chem.  Ges.  1882,  1282, 
Nägeli  ,  während  bei  gut  durchgeführter  Sterilisation  die  Milch  nach  MEissti 
selbst  nach  Monaten  sich  durch  nichts  von  frischer  Milch  unterscheidet. 

IV.  Oonserviren  der  Butter.  Dasselbe  wird  vornehmlich  durch  Salzen  (mit- 
unter unter  Zusatz  von  Salpeter)  oder  rmschmelzen  erreicht.  —  Präser virte 
Butter,  welche  für  den  überseeischen  Transport  bestimmt  ist,  ist  nach  Fleisch- 
mann  nicht  etwa  in  eigenartiger  Weise  bereitet  oder  mit  conservirenden  Zusätzen 
verschen,  sondern  sie  besteht  aus  denjenigen  ausgewählten  Portionen  von  Dauer- 
butter, welche  nach  sachverstäudigein  Urtheile  eine  grosse  Dauerfähigkeit  erwarteu 
lassen.  Sie  ist  stets  gesalzen,  selten  ausser  mit  Salz  auch  mit  Zucker  und  Salpeter 
versetzt  und  stets  gefärbt.  Man  verpackt  sie  iu  luftdicht  schliessende  Blechbüchsen. 
—  Von  Aubry  ist  Calcinrabisulfit ,  vou  anderer  Seite  Wasserstoffsuperoxyd  zur 
Conserviruug  der  Butter  vorgeschlagen  worden. 

V.  E  i  e  r  c  o  n  s  e  r  v  e  n.  Zur  Conserviruug  der  Eier  verpackt  man  diese  in  schlechte 
Wärmeleiter  (Spreu,  Häcksel,  Asche)  oder  legt  sie  in  eiue  Lösung  von  Kalk,  Salz 
und  Weinstein ;  auch  werden  die  Eier  mit  Oel  und  Fett  eingerieben  oder  mit  einer 
Fett-,  Wachs-,  Paraffin-,  Gummi-  oder  Leimsehicht  umgeben  und  an  kühlen  Orten 
aufbewahrt.  Man  hat  ferner  Ueberzüge  vou  Pechlösung  in  Baumöl  oder  solche  von 
Wasserglas  empfohleu. 

Von  Effnee  in  Passau  und  von  Ber«  in  Krakau  sind  sogenannte  Eiereou- 
serven  durch  Eintrocknen  des  Inhaltes  der  Eier  auf  Stahlplatten  mittelst  eines 
warmen  Luftstromes  hergestellt  worden.  Hierher  gehören  auch  die  Eiertafeln. 

VI.  Von  Nahrungsmitteln  aus  dem  Pflanzenreiche  sind  es  vornehm- 
lich die  Gemüse  und  das  Obst,  welche  zur  Conserviruug  herangezogen  werden.  Die 
Conserviruug  der  Kartoffel,  welche  man  angestrebt  hat,  scheint  zu  keinen  — 
wenigstens  materiellen  —  Erfolgen  geführt  zu  haben.  In  Peru  stellt  man  eine 
solche  Kartoffelconserve  (Chunnos)  durch  Austrocknen  von  KartofTelscheiben  her. 

Die  Conservirung  der  Gemüse  geschieht  1.  durch  Trocknen  und  Pressen 
(Blattgemüse  und  Schwämme  ),  2.  durch  Weichkocheu  im  Dampfstrome  und  Trocknen 
durch  heisse  Luft  in  luftverdünnten  Räumen,  3.  durch  Einsalzen  (beim  Weisskraut, 
Schnittbohnen  etc.).  Das  Kraut  geht  bald  in  sauere  Gährung  unter  Bildung  von 
Essig-  und  Milchsäure  über,  welche  antiseptisch  wirken ;  4.  durch  Behandeln  der 
Gemüse  nach  dem  Ari'EUT'schen  Verfahren  (Büchsengemüse:  Erbsen,  Bohnen, 
Spargel)  und  5.  durch  antiseptische  Mittel :  Einlegen  in  Essig  mit  oder  ohne  Zusatz 
von  Gewürzen  (Gurken,  Erbsen,  Mixed-Pickles  etc.).  Bezüglich  der  Büchsengemüse 
sei  erwähnt,  dass  man  dieselben  häufig  blei-  und  zinnhaltig  gefunden  hat  (vergl. 
hierzu  Uxger  und  Bodländer,  Ph.  Centralh.  1883,  pag.  561;  Techn.  Chem.  Jahrb. 
VI,  pag.  391;  VIII,  pag.  369). 

Conserviren  des  Obstes.  1.  Man  schützt  das  Obst  durch  Verpacken 
zwischen  Stroh,  trockeuem  Seegras  etc.  vor  der  Berührung  mit  feuchter  Luft. 
2.  Das  Obst  wird  bei  40 — 70°  getrocknet  (Dörrobst,  Backobst).  3.  Absperren  der 
Luft.  Das  geschälte  und  gekochte  Obst  wird  in  seinem  Saft  in  luftdicht  schliessen- 
deu  Büchsen  verwahrt.  Noch  besser  ist  das  Einlegen  des  Obstes  in  eoncentrirten 
Zuckersaft  oder  das  Candiren  der  Früchte.  4.  AU  antiseptische  Mittel  wendet  man 
Spirituosen,  Cognac,  Wein,  Rum,  ferner  auch  Essig  an. 


Digitized  by  Google 


CONSERVIIUNG.  —  CONSTANTE. 


275 


Üie  Couscrvirung  des  Bieres  und  Weines  wird  hauptsächlich  durch 
Pasteurisiren  oder  Salicylsäure  ausgeführt. 

Literatur,  soweit  dicselbo  nicht  schon  im  Text  angeführt  ist:  Chr.  Heinzerling, 
Die  Con*ervirung  der  Nahrung*-  und  Genussmittel.  Halle  1883. —  II  er  ach,  Die  Conservirunirs- 
mittel  Hartleben.  Wien. —  König,  Die  menschlichen  Nahrung*-  und  Genussmittel  Berlin  1883. 

Da  mm  er,  lllustr.  Lexikon  der  Verfälschungen  etc.  Leipzig  1885  80.  —  Börner,  Bericht 
über  rlie  allgem.  deutsche  Ausstellung  auf  dem  Gebiete  der  Hygiene  etc.  zu  Berlin.  Breslau 
1*85  8ti.  —  Unit  toi,  T'eber  die  Connervirung  des  Fleisches.  D.  Viertelj.«chr.  f.  öffentl. 
Gesundhpfl.  188*.  pag.  418.  —  S  c  h  e  1 1  e  r,  Kleischconservirungsmethoden  und  deren  Verwend- 
barkeit für  Heereszwecke.  Inaug.-Dissert.  Berlin  1883.  —  0.  A.  M  e  i  n  e  r  t,  Die  neueste  Er- 
nährnngstheorie.  Berlin  1880.  —  Gerber,  Die  natürliche  Praservation  der  Kuhmilch  und 
die  Milchverproviantirung  der  Znkunft.  New-York  1883.  —  Renk,  Conncrvirung  der  Nahrungs- 
mittel. Vierteljschr.  f.  öffentl.  Gesundheit*pfl.  Bd.  XIII.,  Hft.  1.  —  Dujardiu-Beaumetz, 
Herstellung  von  Fleischpulver.  Bull,  gener.  CIL  4<>1.  —  Fr.  Hofmuun,  Die  Bedeutung  der 
F!ei*chconserven  etc.  Vierteljschr.  f.  öffentl.  Gesundheitspfl.  XIV,  545.  —  Husson,  Hygienische 
Eigenschaften  einiger  Conserven.  Journ.  d'Hyg.  VII.  364.  —  Brouardel,  Anwendung  der 
Salkvlaaure  zur  Conservirung.  Ann.  d'Hyg.  publ.  X,  22b.  —  Dubrisay,  Buss.  u.  engl. 
Methoden  zur  Nahrungsmitteleons.  Ree.  de  Trav.  du  Comite  consultat  d'Hyg.  XL  380.  — - 
Kolbe,  Salicylsäure,  J.  pr.  Chem.  N.  F.  XI.  9 ;  X.  89 ;  XIII.  106;  Unschädlichkeit,  XVII.  347. 

B.  Proskauer. 

ConSOÜda,  von  Rüpp  aufgestellte,  mit  Symphytufn  Tournef.  synonyme 
Gattung  der  Aaperifoliaceae. 

Radix  C onsolid ae  majoris.  Schwarz-,  Bein-  oder  Wallwurzel, 
Consoude,  Comfrey  root,  stammt  von  Symphytum  ofßdnale  L.  Sie  ist  mehr- 
köpfig,  bis  30  cm  lang  und  2.5  cm  dick,  frisch  fleischig,  getrocknet  längsrunzelig, 
hart,  ebenbrüchig,  unter  der  dünnen,  fast  schwarzen  Korkschicht  eine  breite 
Kinde  und  einen  weissen,  strahligen  Holzkörper  mit  ansehnlichem  Mark  zeigend. 
Man  sammelt  die  Schwarzwurzel  im  Herbste,  spaltet  sie  in  Längsstucke  und 
trocknet  sie  scharf.  Sie  schmeckt  schleimig-herbe,  enthält  Schleim,  Asparagin 
und  Gerbsäure.   In  manchen  Gegenden  ist  sie  statt  der  Eibischwurzel  in  Gebrauch. 

ConSOÜda  ist  auch  eine  Abtheilung  der  Gattung  Delphtnt'um  Tournef,  (Ranun- 
rdaceae),  daher 

Srmen  Conaolidae  s.  Consoh'dae  renalis  s.  Calcatrippae ,  Larkspur 
Seed,  die  Samen  von  Delphinium  Consolida  L.  Die  zu  mehreren  in  einer 
kleinen,  leicht  zerbrechlichen  Balgfrucht  sitzenden  Samen  sind  schwarzbraun,  kantig, 
mit  häutigen  Schuppen  bedeckt,  bis  2  mm  lang  und  fast  ebenso  dick.  Sie  schmecken 
bitterlich-scharf,  dann  süsslich-fett  und  enthalten  neben  fettem  Oel  wahrscheinlich 
auch  die  Alkaloide  der  Staphisagria  (s.  d.).  j.  Moeller. 

CollSp.y  auf  Recepten  vorkommende  Abkürzung  für  consperge,  conspergantur, 
coiwpergendae. 

COHSpergiren,  bezeichnet  das  Bestreuen  der  Pillen  mit  einem  feinen,  die 
Feuchtigkeit  wenig  oder  gar  nicht  annehmenden  Pulver  (s.  Conspergirpulver), 
um  das  Aneinanderkleben  der  Pillen  zu  verhindern. 

ConSpßrgjirpulVBP,  Conspergens,  heisst  dasjenige  Pulver,  mit  welchem  die 
fertigen  Pillen  bestreut  werden,  um  deren  Aneinanderhängen  zu  verhüten,  in 
Kelteneren  Fällen  auch,  um  den  Geschmack  derselben  zu  verdecken.  Ist  ein  solches 
Pulver  auf  dem  Recepte  nicht  namentlich  vorgeschrieben,  so  wird  immer  Lyco- 
podium  verwendet.  Zweckmässige  Conspergirpulver  sind  noch  die  feinen  Pulver 
von  Zimmt,  Fenchel,  Süssholz,  Veilchenwurzel  u.  s.  w.,  dagegen  ist  Zuckerpulver 
nicht  geeignet,  da  dieses  die  Pillen  leicht  feucht  macht.  G.  Hofmann. 

Constant  Tinctures.  in  Amerika  im  Handel  befindliche  Tincturen ,  welche 
angeblich  stets  den  gleichen  Gehalt  an  wirksamen  Substanzen  besitzen  sollen,  was 
jedoch  auch  nicht  immer  erreicht  zu  sein  scheint. 

Constante.  eine  tin veränderliche  Grösse.  In  der  Phynik  bezeichnet  man  als 
Constanten  solche  Grössen,  die  zwar  eventuell  von  der  substantiellen  Beschaflen- 

18t)igitize 


27G 


CONSTANTE.  —  CONSTITUTION. 


heit  der  Körper  und  von  gewissen  äusseren  Umständen,  wie  z.  B.  die  Siede-  und 
Erstarrungstemperatur  vom  Bruck,  die  Capillaritätsconstante  und  das  gpecifische 
Gewicht  von  der  Temperatur,  die  optischen  Constanten  (Brechungsquotienteu, 
specifisches  Drehungsvennögen)  ausser  von  der  Temperatur  noch  von  der  Art  des 
zur  Messung  verwendeten  Lichtes,  die  Beschleunigung  der  Schwere  von  der  Lage 
des  Ortes,  an  dem  sie  bestimmt  wurde,  abhängig  sind,  von  der  äusseren  Form 
der  Körper  aber  nicht  beeinflusst  werden  und  unter  denselben  äusseren  Umständen 
zu  allen  Zeiten  dieselben  bleiben. 

Die  genaue  Bestimmung  dieser  Constanten  ist  eine  wichtige  Aufgabe  der 
Experimentalphysik,  die  Erforschung  der  zwischen  ihnen  bestehenden  Beziehungen 
Aufgabe  der  theoretischen  Physik.  Pitsch. 

Constante  Empfindlichkeit  ist  eine  an  chemischen  Waagen  vorgenommene 
Einstellung  der  drei  Axen  zu  einander,  wodurch  es  ermöglicht  ist,  die  letzten 
Differenzen  beim  Wägen  1 — 2  mg  durch  den  Ausschlag  der  Zunge  an  einer  Scala 
direet  abzulesen,  s.  Waage,  chemische. 

Constante  Temperatur  wird  in  der  a  nalyse  (und  Bacteriologie)  häufig 
erfordert,  weil  viele  Körper  über  eine  gewisse  Temperatur  hinaus  nicht  erhitzt 
werden  dürfen,  da  sie  sich  sonst  zersetzen  oder  verflüchtigen  würden.  Um  die 
constante  Temperatur  zu  erreichen,  sind  viele  Apparate  (Thermoregulatoren,  Thermo- 
staten) construirt  worden,  welche  auf  der  Anwendung  des  Leuchtgases  als  Heiz- 
material basiren  und  durch  Verringerung  des  Gaszuflusses  die  Wärmezufuhr  ver- 
ringern. Auch  für  Kühlapparate,  um  längere  Zeit  eine  niedere  Temperatur  herzu- 
stellen, sind  analoge  Apparate  mit  Hilfe  von  Wasserleitungen  construirt  worden. 
—  S.  Thermoregulator. 

Constanter  Strom,  elektrischer.  Constaut  oder  stationär  heisst  jener  elektrische 
Strom,  bei  welchem  durch  jeden  Querschnitt  seines  Leiters  in  gleichen  Zeiten  gleich 
grosse  Mengen  von  Elektricität  strömen.  Da  wir  diese  Mengen  direet  nicht  messen 
können,  so  schliessen  wir  auf  die  Constanz  eines  Stromes  aus  der  Coustauz  seiner 
Wirkungen,  insbesondere  seiner  chemischen  und  magnetischen.  Hiernach  bezeichnen 
wir  einen  Strom  als  constant,  wenn  er  beispielsweise  in  gleicheu  Zeiten  stets  gleiche 
Mengen  eines  Elektrolyten  zersetzt  oder  einer  unter  seinem  Einfluss  stehenden, 
frei  beweglichen  Magnetnadel  eine  unveränderliche  Ablenkung  aus  ihrer  Ruhelage 
ertheilt. 

Die  Mittel  zur  Erzeugung  constanter  elektrischer  Ströme  bieten  die  constanteu 
galvanischen  Elemente.  Pitsch. 

ConstanteS  Niveau  wird  häufig  bei  Wasserbädern  zu  erzielen  gestrebt,  um 
das  völlige  Verdampfen  des  Wassers  zu  verhüten.  —  S.  unter  Wasserbad. 

ConStipation  (lat.)  mit  Beziehung  auf  den  Mastdarm:  Verstopfung. 

Constitution  deutet  jenen  Zustand  des  menschlichen  Körpers  an,  der  auf  sein 
Gedeihen  oder  Nichtgedeihen ,  auf  seine  grössere  oder  geringere  Neigung  zu  er- 
kranken, von  Einfluss  ist.  Strenge  genommen  sollten  die  Aerzte  darunter  in 
Bezug  auf  den  Menschen  dasselbe  verstehen,  wie  die  Chemiker  in  Bezug  auf  die 
chemischen  Verbindungen.  Hier  bedeutet  Constitution  so  viel  wie  innerer  Bau 
der  Verbindung.  Wir  wissen  aber  von  dem  menschlichen  Organismus  lange  nicht 
so  viel,  wie  der  Chemiker  von  den  einzelnen  Verbindungen.  Wenn  wir  es  wüseten, 
würden  wir  die  verschiedenen  Zustände  des  Körpers,  die  wir  etwa  mit  starker 
oder  schwacher  Constitution  andeuten,  gewiss  auch  in  der  letzten  chemischen  Zu- 
sammensetzung zu  begründen  suchen. 

Zur  Beurtheilung  einer  normalen  Körperconstitutiou  können  folgende  Normai- 
maasse  dieneu.  Die  Normallänge  des  erwachsenen  Manues  beträgt  168,  des  Weibes 
157  cm.  An  normalem  Gewichte  rechnet  man  aut  150cm  Körpergrösse  50kg  und 
auf  jeden  Centimeter  Länge  mehr  je  1  kg  Körpergewicht.  Bei  einem  gesunden 


Digitized  by  Google 


CONSTITUTION.  277 

Körper  von  167  cm  kann  eine  Schulterbreite  von  43,  ein  Thoraxumfang  von 
H'Iem  bei  Exspiration  und  91cm  bei  der  Inspiration  als  normal  angenommen 
werden.  Das  Fett  soll  beim  Manne  den  zwanzigsten,  bei  Frauen  den  sechszehnten 
Gewichtstheil  des  Körpers  ausmachen. 

Die  angefahrten  Maasse  sind  Durchschnittsmasse ;  die  Beurtheilung  der  Körper- 
constitution  allein  nach  diesen  Maassstilben  wäre  gänzlich  unzulässig.  Grosse  und 
schwere  Menschen  brauchen  noch  lange  nicht  kräftige  Constitution  zu  haben ;  kleine 
und  hagere  nicht  unkriif'tige,  auch  gute  Proportionen  geben  kein  sicheres  Merkmal. 
Die  Körperconstitutiou  ist  etwas  Selbstständiges,  was  mit  diesen  Zahlen  nicht  ge- 
messen werden  kann.  Aeusserer  Habitus,  ausgesprochen  in  Knochenbau,  Musculatur 
und  Incarnat  sind  maassgebend  bei  Beurtheilung  der  Constitution.  Man  unterscheidet 
kräftige,  schwächliche  und  mittlere  Constitutionen.  Schwächliche  fallen  besonders 
durch  leichte  Knochen,  schwach  entwickelte  Muskelansätze,  blasse,  schlaffe  und 
wenig  umfangreiche  Muskeln  auf.  Erbliche  Krankheitsanlage,  wie  z.  B.  Tuberculose, 
wird  durch  kritt'tige  Constitution  in  den  Hintergrund  gedrängt.  Doch  gilt  diese  allge- 
meine Regel  für  Infectionskrankheiten  nicht.  Von  Typhus,  Cholera  und  bei  Thieren 
von  Milzbrand  werden  gerade  kräftige  Individuen  mit  einer  scheinbaren  Bevorzugung 
befallen.  Als  schlaffe,  lymphatische,  scrophnlöse  Constitution  bezeichnet  man  das 
Vorhandensein  stark  entwickelter  Lymphdrüsen,  glanzloser,  ungeschmeidiger  Haut, 
schwacher  Muskel-  und  Nerventhätigkeit ;  als  catarrhalische  und  tuberculose  solche, 
welche  zu  den  entsprechenden  Krankheiten  besonders  hinneigen.  Ebenso  wurde 
auch  die  Hinneigung  zu  anderen  Krankheiten  mit  dem  Namen  bestimmter  Con- 
stitutionen belegt.  Diese  Fehler  der  Constitution  können  auch  als  Constitution  s- 
anomalien  bezeichnet  werden.  Dasselbe  Wort  dient  aber  auch,  sowie  der 
Ausdruck  constitutionelle  Anomalien  zur  Bezeichnung  jener  dauernden  schädlichen 
Folgen,  die  dem  Organismus  aus  constitutionellen  Krankheiten  erwachsen,  das  ist 
aus  solchen  Krankheiten,  die  allgemeiner  Natur  sind  und  nicht  lediglich  örtliche 
Ursachen  haben,  wie  z.  B.  Syphilis. 

Constitution,  chemische,  ist  der  umfassendste  Ausdruck  für  die  chemische 
Rindung  der  Atome  im  Molekül  eines  Körpers ,  welcher  durch  die  Constitution s- 
oder  Structurformeln  ein  bildlicher  Ausdruck  gegeben  wird.  Durch  die 
Elementaranalyse  einer  organischen  Verbindung  wird  die  procentische  Zusammen- 
setzung gefunden,  durch  die  eventuelle  Dampfdichtebestimmung  die  Molekulargrösse 
festgestellt;  die  Lagerung  der  Atome  im  Molekül,  ihre  engere  Bindung  zu  Atom- 
oomplexen  (R  a  d  i  c  a  1  e  n) ,  kurzweg  ihre  Constitution  ist  jedoch  damit  noch 
nicht  erkannt. 

In  der  organischen  Chemie  begegnet  man  einer  grossen  Anzahl  procentiseh 
gleich  zusammengesetzter  Körper,  die  auch  dieselbe  Molekulargrösse  besitzen  und 
die  doch  in  ihren  physikalischen  Eigenschaften,  sowie  in  ihren  Re- 
actionen  mit  anderen  Körpern  wesentlich  verschieden  von  einander 
sind.  Derartige  Körper  werden  im  allgemeinen  Sinne  Isomere  genannt  (s.  weiter 
unten).  In  der  anorganischen  Chemie  ist  die  Zahl  isomerer  Körper  sehr  beschränkt 
und  die  Aufstellung  von  Constitutionsformeln  daher  von  geringerer  Bedeutung,  als 
in  der  organischen  Chemie,  für  welche  derartige  Formeln  durchaus  nothwendig  sind. 

Im  Gegensatz  zur  Constitutionsformel  wird  diejenige  Formel,  welche  einfach  die 
Anzahl  der  im  Moleküle'  enthaltenen  Atome  der  verschiedenen  Elemente  angibt, 
empirisch  genannt.  Aus  der  empirischen  Formel  ist  in  der  weitaus  grössten 
Anzahl  der  Fälle  der  chemische  Körper  gar  nicht  zu  erkennen,  der  damit  gemeint 
ist;  erst  die  Constitutionsformel  gibt  Aufschluss  darüber.  Dass  von  einer  grossen 
Anzahl  von  Körpern  bislang  nur  empirische  Formeln  bekannt  sind,  da  deren  Con- 
stitution noch  nicht  aufgefunden  worden  ist,  darf  nicht  unerwähnt  bleiben  (es  betrifft 
vorzugsweise  die  Alkaloide  und  die  Kohlehydrate*. 

Die  empirische  Formel  Cj  H6  0-,  N  kommt  z.  B.  dem  Aethylnitrit  C2  H,,  0 .  NO 
und  dem  Nitroäthan  C2Hö.NOa  zu;  die  Formel  C3H„N  kommt  dem  Trimcthyl- 


Digitized  by  Google 


278 


CONSTITUTION. 


CHI  ^  J  ! 

amin  (CH,)3  N,  dem  Propylamin    3  „ 7  X,  dem  Methyl-Aethylamin   CH,  N  zu;  die 


Hl 

Formel  C2H,0  kommt  dem  Aethylaldehyd  CH3.COH  und  dem  Aethylenoxyd 
C  H  I 

^jj2|0  zu;  die  Formel  C3  H0  02  kommt  dem  Aethylformiat  HCOO .  C3  H6  und  dem 

Metnylacetat  CH,  COO .  CH,  zu  u.  8.  w. 

Diejenigen  Verbindungen .  welche  die  gleiche  procentisehe  Zusammensetzung, 
jedoch  verschiedene  Molckulargrösse  besitzen,  werden  Polymere  genannt;  z.  B. 
Essigsäure  C3H403  und  Milchsäure  C3  H„  03 ;  Aethylaldehyd  C2H40  und  Aethyl- 
acetat  C,  Hs  0, :  ferner  Aethylen  C3  H4 ,  Propylen  C3  H«  ,  Butylen  C4  HH  ,  Amylen 
CfiH,o,  diese  letzteren  Formeln  siud  Multipla  der  einfachsten  empirischen  Formel 
CH,  (Methylen,  welches  frei  nicht  existirt). 

Die  allotropen  Modificationen  der  Elemente  sind  ebenfalls  als  Polymere  zu  be- 
trachten ,  z.  B.  der  rothe  und  der  weisse  Phosphor ,  der  Kohlenstoff  als  Diamant 
und  als  Graphit  (s.  Allotropie,  Bd.  I,  pag.  252j.  Hierhergehörig  sind  ferner 
Isomerien  der  anorganischen  Verbindungen ,  wie  z.  B.  das  in  Säuren  lösliche  und 
das  darin  unlösliche  Chromoxyd. 

Betreffs  der  isomeren  Verbindungen  fs.  oben),  werden  noch  folgende  Unterschiede 
gemacht.  Nach  dem  Vorschlag  von  Büttlerow  und  Clav*  werden  isomer  nur 
diejenigen  Verbindungen  genannt,  in  welchen  die  Kohlenstoffatome  gleichartig  ge- 
bunden, die  heterogenen  Elemente  aber  verschieden  gruppirt  sind: 
CH,  CHS 
i  I 

CH2        =  Propylalkohol  und       CH.OH  =  Isopropylalkohol. 

CH2OH  CH3 
Als  metamer  wären  diejenigen  Verbindungen  zu  bezeichnen,  in  denen  die 
heterogenen  Elemente  gleichartig,  die  Kohlcnstoffatome  aber  verschieden  gruppirt 
sind  (Xormalbutylalkohol  und  Isobntylalkohol)  und  isometamer  wären  diejenigen 
Verbindungen  zu  nennen ,  in  denen  sowohl  Kohlenstoffatome  als  auch  heterogene 
Elemente  verschieden  gelagert  sind  (Normalbutylalkohol  und  tertiärer  Butylalkohol) : 
CH3 

CH2  CH3 
1  CH 

/\  i 

CH,.OH.  CH«   CH.OH  OH 

Xormalbutylalkohol  Isobutylalkohol  Tertiärer  Butylalkohol 

(I'rnpvlcarbinol).  ( Isopropylcarbinol).  (Trimethylcarbinol). 

Die  Benennungen  isomer  und  Isomerie  werden  jedoch  gewöhnlich  auch  ganz 
allgemein  zur  Bezeichnung  procentisch  gleich  zusammengesetzter  Verbindungen  ohne 
Unterschied  gebraucht. 

Es  sind  femer  noch  einige  Fälle  von  Isomerie  (Weinsäuren  und  Tra  üben  Sil  uren, 
Zuckerarten)  constatirt  worden,  die  in  obigen  kurz  skizzirten  Kähmen  nicht  passen. 
Man  hat  dieselben  als  physikalische  Isomerie  bezeichnet  und  durch  ver- 
schiedene räumliche  Stellung  der  Atome  (asymmetrische  Kohlenstoffatome;  im 
gleichartigen  Molekül  zu  erklären  versucht.  —  S.  Isomerie. 

Die  Kohlcnstoffatome  sind  in  Verbindungen,  welche  mehr  als  ein  Atom  desselben 
enthalten,  mit  je  einer  Affinität  gegenseitig  gebunden,  z.  B. 

C 

C 

C  !  C 

c 

c  c 

c  I 

c 


Digitized  by  Google 


CONSTITUTION. 


279 


Diejenigen  Verbindungen,  in  denen  die  nicht  zur  gegenseitigen  Bindung  nüthigen 
Affinitäten  des  Kohlenstoffes  durch  Wasserstoff,  Halogene,  Hydroxyl  u.  s.  w.  völlig 
gebunden  sind ,  werden  gesättigte  Verbindungen  genannt.  Die  nach  der 
allgemeinen  Formel  (,'„  H^  +  ._,  zusammengesetzten  Kohlenwasserstoffe  haben  da- 
her die  Benennungen  gesättigte  Kohlenwasserstoffe,  Gren  z  kohle  n- 
wi8f»erstof fe,  Aethane  erhalten  und  alle  von  diesen  derivirenden  organischen 
Verbindungen  (8äuren,  Alkohole  u.  s.  w.)  sind  ebenfalls  gesättigt. 

Da  in  diesen  Verbindungen  die  Kohlenstoffatome  mit  je  einer  Affinität  unter- 
einander gebunden  angenommen  werden,  so  stellt  man  sich  vor,  dass  in  denselben 
eine  Kohlenstoffkette  oder  ein  Kohlenstoffskelett  existirt;  in  diesen 
werden  mittelständige  und  endständige  Kohlenstoffatome  unterschieden. 
Fttr  jedes  neu  hinzutretende  Kohlenstoffatom  steigt  die  Summe  der  Affinitäten  nur 
nra  2,  da  von  einem  der  vorhandenen  Kohlenstoffatome  und  von  dem  neu  hinzu- 
tretenden je  1  Affinität,  von  deren  je  4  Affinitäten  zur  gegenseitigen  Bindung  in 
Anspruch  genommen  werden. 

In  jeder  organischen  Verbindung  muss  daher  die  Summe  der  Wasserstoffatome 
oder  der  sie  ersetzenden  ungeradatomigen  Elemente  stets  eine  gerade  sein  (Gesetz 
der  paaren  Atomzahl),  z.  B.  Cli  H:, .  OH,  Acthylalkohol ;  CHCI3,  Chloroform; 
OHN,  Blausäure;  CH4.HaN,  Methylamin  u.  s.  w. 

Diejenigen  Kohlenwasserstoffe,  welche  weniger  Wasserstoff  enthalten  als  der  Formel 

Hjn  +  s  entspricht ,  nämlich  die  Alkylene  oder  0 1  e f i n e  nach  der  Formel 
fn  H2n  und  die  Glieder  der  A  c  e  t  y  1  c  n  r  e  i  h  e  nach  der  Formel  Cn  H2u  _  8  ferner 
die  Kohlenwasserstoffe  nach  den  Formeln  C'nH2n-4  und  C„  heissen  unge- 

sättigte Verbindungen,  ebenso  die  von  ihnen  sich  ableitenden  Verbindungen. 

In  diesen  ungesättigten  Verbindungen  wird  eine  Bindung  der  Kohlenstoffatome 
mit  mehr  als  je  einer,  nämlich  mit  je  2,  3  Affinitäten  angenommen,  z.  B. 

C  0 

1  i„ 
('  C 

auch  hier  gilt,  wie  schon  der  Formeltypus  zeigt,  das  Gesetz  der  paaren  Atomzahl. 
Die  ungesättigten  Verbindungen  besitzen  allgemein  die  Fähigkeit,  leicht  in  gesättigte 
überzugehen,  welcher  Uebergang  durch  Brom  sehr  leicht  bewerkstelligt  werden  kann. 

Die  wie  vorstehend  erwähnt  geradlinig  (an  beiden  Enden  offen)  ange- 
nommene Bindung  der  Kohlenst«>ffatonie  mit  je  1  Affinität  wird  auch  secundäre 
Bindung  genannt,  zum  Unterschied  von  der  tertiären  und  quaternären 
Bindung,  bei  welchen  ein  Kohlenstoffatora  vermittelst  je  einer  Affinität  mit  3, 
beziehentlich  4  anderen  Kohlenstoffatomen  verbunden  ist. 

c- 

I  1 

c— c— c  -c— c— c_ 

I  I 

c  c 

Wesentlich  verschieden  hiervon  ist  die,  in  einer  grossen  Anzahl  von  Verbindungen 
(den  aromatischen  Verbindungen)  angenommene,  ringförmige  Bin- 
dung oder  geschlossene  Kette.  Die  in  dem,  allen  aromatischen  Verbindungen 
zu  Grunde  liegenden,  Benzol  enthaltenen  6  Kohlenstoffatome  sind  abwechselnd  mit 
je  einer,  beziehentlich  zwei  Affinitäten  an  einander  und  das  letzte  Atom  an  das 
erste  gebunden  und  besitzen  demnach  nur  noch  je  1  freie  Affinität,  die  durch 
Wasserstoff,  Halogene  etc.  gebunden  werden  können. 

Der  aus  6  Kohlenstoffatomcn  bestehende  Kern  (Benzolkcrn,  Benzolring) 

C 

— c  c— 

— c  c— 

c 

Digitized  by  Google 


280 


CONSTITUTION. 


ist  sehr  beständig  und  kann  nur  durch  sehr  energische  Mittel  gesprengt  werden ; 
die  Bildung  kohlenstoffreicherer  Verbindungen  ist  nur  durch  Ersetzung  der  Wasser- 
stoffatoine  (durch  Bildung  von  Seitenketten)  möglich.  Die  noch  im  Kern  vor- 
handenen nicht  ersetzten  Wasserstoffatome  und  die  in  der  Seitenkette  vorhandenen 
zeigen  ein  verschiedenes  Verhalten. 

Isomerien  der  Benzolderivate  sind  daher  auf  verschiedene  Weise  möglich,  erstens 
durch  Ersetzung  verschiedener  Wasserstoffatome  im  Benzolring  durch  Halogene, 
Hydroxyl,  Carboxyl  etc.,  zweitens  durch  Ersetzung  von  Wasserstoffatomen  in  den 
Seitenketten  und  drittens  durch  Ersetzung  in  der  Seitenkette,  beziehentlich,  im  Kern. 

Bei  Monosubstitutionsderivaten  kommt  Isomerie  nicht  vor;  bei  Disubstitions- 
derivaten  sind  nach  ersterer  Art  drei  Isomerien  möglich:  Ortho-  (1.  2.),  Meta-  (1.  3.), 
Para-  (l.  4.)  Verbindung.  Meistens  kennzeichnet  man  jene  Isomeren  durch  die  Buch- 
staben o-,  m-,  p-  oder  die  Zahlen  1.  2. ,  beziehungsweise  1.  3.  oder  1.  4.  Tri- 
substitutionsderivate  können  in  drei  isomeren  Formen  auftreten;  die  substituirten 
sind  die  mit  den  Zahlen  (1.  2.  3.),  beziehungsweise  (1.  3.  4.)  oder  (1.  3.  5.)  be- 
zeichneten Wasserstoffatome.  Tetrasubstitutionsderivate  sind  ebenfalls  in  drei  Isomeren 
möglich  (1.  2.  3.  4.),  beziehungsweise  (1.  2.  4.  5.)  oder  (1.  3.  4.  5.).  Man  bezeichnet 
diese  entweder  mit  den  entsprechenden  Zahlen  oder  mit  *  =  symmetrisch  (1. 3.  5.) 
oder  (1.  2.  4.  5.),  mit  a  —  unsymmetrisch  (1.  3.  4.)  oder  (1.  3.  4.  5.),  mit  v  = 
benachbart  (1.  2.  3.)  oder  (l.  2.  3.  4.).  Penta-  und  Hexasubstitutionsderivate  sind, 
wie  die  Monosubstitutionsderivate,  nur  in  je  einer  Form  möglich. 


1 


i 


4 


2 

Ladenbürg 's  Formel. 


Kekule's  Formel. 


OH 


OH 


COOH 


Ortho-Oxybenzoesfiure   =  Salicylsfture. 


COOH 
Para-  Oxybenzoesaure. 


Orthoxylol. 


Metaxylol  =  Isoxylol. 


CONSTITUTION.  281 

Sind  in  den  erwähnten  Derivaten  die  Substitnenten  nicht  gleichartig,  sondern 
verschieden ,  so  igt  die  Anzahl  der  möglichen  Isomerien  natürlich  eine  bedeutend 
grössere.  Zur  Bezeichnung  derartiger  Fälle  benützt  man  die  oben  erwähnten  Buch- 
stabeozeichen,  die  den  betreffenden  Substituenten  vorangesetzt  werden. 

Die  zweite  Art  der  Isomerie  tritt  ein,  wenn  die  substituirenden  Gruppen  (Seiten- 
ketten) verschiedene  Structur  besitzen  (oder  auch  selbst  schon  isomer  sind),  z.  B. : 

Propylbenzol  C6  Hö .  CH.  .  CH3  .  CHS . 

CH 

Isopropylbenzol  C6  H6  .  CH  <CH' 

Oder  bei  verschiedener  Anzahl  von  Substituenten,  z.  B. : 

Aethylbenzol  Q,  H6  .  CH,  .  CH3  . 
CH 

Xylole  C„  H4<Cqjj3 

Ferner  bei  verschiedener  Vertheilung  der  Atome  auf  die  gleiche  Anzahl  Sub- 
stituenten, z.  B. : 

Anissäure  C„  H,<^^ 

<  >H 

Salicylsäuremethylester  Cö  ^"^qoqqh 

Die  dritte  Art  der  Isomerie,  Substituirung  im  Kern,  beziehungsweise  in  der 
Seitenkette,  wird  durch  folgendes  Beispiel  erläutert: 

Methylanilin 


Monochlortoluol  C0H.Cl.CH3  und 
Benzylchlorid  0(i  Hf,  CH,  .  Cl 


C,  H6  .  NH  (CH8). 
o-Toluidin 

CH.<™: 


Bei  der  Substitution  der  Wasserstoffatome  bemerkt  man  häufig,  dass  gewisse 
Atomcomplexe  zusammenhängend  aus  einer  Verbindung  in  die  andere  übergehen. 

Man  nennt  derartige  Atomcomplexe :  Gruppen,  Reste  oder  R a d i 0 a  1  e  und 
dieselben  zeigen  ein  sehr  an  Metalle  erinnerndes  Verhalten. 

Die  nur  aus  Kohlenstoff  und  Wasserstoff  bestehenden  einwerthigen  ungesättigten 
Radicale  heissen  Alkoholradioale  oder  A 1  k y  1  e  (Cn H,n  + ,),  die zweiwerthigen  v 
heissen  Alkylene  (CnH3n). 

Z.  B.  Alkyle:  Methyl,  CH/;  Aethyl,  C,  H/ ;  Propyl,  Q,  H7'  u.  s.  w.  Alkylene: 
Methylen,  CH/';  Aethylen,  Ca  H/'  u.  s.  w. 

Mit  jener  allgemeinen  Formel  nicht  übereinstimmend,  den  Alkylen  der  Fettreihe 
jedoch  völlig  analog  sind  die  Alkoholradicale  der  aromatischen  Reihe,  z.  B. :  Phenyl, 
Cu  H,' ;  Benzyl  Cft  H6  .  CH2'. 

Aus  Kohlenstoff  und  Sauerstoff  oder  Kohlenstoff,  Wasserstoff  und  Sauerstoff 
bestehende  Radicale  heissen  Sä  ure  r  ad  i  c  a  I  e :  Acetyl,  CH8.CO';  Benzoyl, 
C«  Hs  .  CO' :  ( 'arbonyl  CKohlensäurerest),  CO". 

Ferner  sind  noch  folgende  Radicale  oder  Reste  von  Bedeutung:  Nitrogruppe: 
NO/;  N  itrosogruppe,  Nitrosyl,  NO";  Amidogruppe,  Amid,  NH,'; 
Cyan,  CN' ;  Sulfuryl,  SO/;  Schwefelsäurerest,  SOa  .  OH";  Was  ser- 
rest,  Hydroxyl,  OH';  Carboxylgruppe,  CO  .  OH'. 

Die  Werthigkeit  wird  durch  kurze  Striehe  rechts  oberhalb  der  Formel  '  ange- 
deutet. Diese  letztgenannten  Reste  sind  für  gewisse  Körperclassen  charakteristisch, 
so  für  die  Alkohole  und  Phenole  OII,  für  die  Carbonsäuren  COOH,  für  die  Alde- 
hyde COH  u.  s.  w. 

Durch  Substitution  wird  der  Charakter  des  substituirten  Körpers  nicht  sofort 
bedeutend  geändert:  erst  durch  Eintreten  mehrerer  gleicher  Radicale  vermögen 
die  letzteren  je  nach  ihrem  Charakter  einzuwirken. 

So  wird  der  saure  Charakter  einer  Verbindung,  beispielsweise  der  Essigsäure, 
durch  eintretende  Radicale  oder  Elemente  von  ebenfalls  saurem  Charakter  (z.  B.  Cl) 


Digitized  by  Google 


CONSTITUTION.  —  CONSTITUTIONS  WASSER. 


verstärkt ,  wie  in  den  Chloressigsäuren ,  durch  Radicale  basischen  Charakters 
(z.  B.  NII3)  abgeschwächt .  beziehentlich  aufgehoben,  wie  in  der  Aniidoessigsäure 
(dem  Glycocoll) ,  das  sich  sowohl  mit  Säuren ,  als  auch  mit  Basen  zu  verbinden 
vermag.  So  ist  ferner  das  Methylanilin  eine  schwächere  Base  als  das  Anilin  und 
das  Acetanilid  ist  neutral.  Das  gleiche  Verhältnis«  findet  man  bei  den  homologen 
Verbindungen  (s.  weiter  unten). 

In  ihren  physikalischen  Eigenschaften  behalten  die  Substitutionsproduete  jedoch 
immer  grosse  Aehnlichkeit  und  Cebereinstimmung  mit  denen  der  substituirten  Sub 
stanz.  Dieses  gilt  namentlich  für  die  Krystallform  —  Isomorphismus  — ,  Lös- 
lichkeit, Farbe  u.  s.  w. 

Diese  Analogien  der  physikalischen  Eigenschaften  sind  in  noch  höherem  Maasae 
ebcu  falls  anzutreffen  bei  den  Homologen  (s.  unten) ;  ausserdem  ist  bei  diesen  letzt- 
genannten mit  dem  wechselnden  Kohlenstoff-  und  Wasserstoffgehalt  eine  je  um  eine 
bestimmte  Grösse  sich  verändernde  Verschiedenheit  im  Schmelzpunkt  und  Siedepunkt 
zu  constatireu. 

Homologe  Verbindungen  entstehen  durch  Substituirung  von  Wasserstoff  durch 
Methyl  (CH3);  jede  höhere  homologe  Verbindung  unterscheidet  sich  von  der  vor- 
hergehenden demnach  durch  ein  Mehr  von  CH2.  Die  Derivate  der  Homologen 
bilden  eine  genetische  oder  heterologe  (isologe)  Reihe;  ihre  Glieder  sind 
mit  den  entsprechenden  Derivaten  der  anderen  Homologen  (mit  denselben  Sub- 
stituenten)  ebenfalls  wieder  homolog.  S.  Homologie. 

Homologe  Reihen  3>-+ 

C3  H7  .  OH 
Propylalkohol. 
C,  H5  .C()H 
Propylaldehyd. 

C8  Hr,  .  COOH 
Propionsäure. 


2 


I 

I 


C2  H,  .  OH 
Aetiiylalkohol. 

CH3  .  COH 
Aethylaldehyd. 

CH,  .  COOH 
Essigsäure. 

ete. 

Homologe  Reihen  5&-+ 
< H(l 
Benzol. 

0,  H6  .  OH 
Phenol. 


etc. 


C4  H9  .  OH 
Butylalkohol. 

C3  H:  .  COH 
Butylaldchyd. 

C,  H;  .  COOH 
Buttersäure. 

etc. 


O,  Hn  .  OH 
Amylalkohol. 

C,  H9  .  COH 
Valcraldebyd. 

C4  H9  .  COOII 
Baldriansäure. 

etc. 


Cu  H,  .  N02 
Nitrobenzol. 

Cu  H5  .  NH3 
Anilin, 
etc. 


CÄH4.fCHä), 
Xylolc. 

C,  H3  .  (CIL  u  .  OH 
Xylenole. 

Cb  H3  .NO,  .  (CILJ2 

Nitroxylol. 
C,  H,  (CH,),  NIL 
Xylidine. 
etc. 


ete. 


v,:  Ii,,  0„  H5  .  CH3 

J.  Benzol.  Toluol. 

C6  H,  .  CH,  .  OH 
Krcsole. 

C0  Ht  .  N()j  .  CH, 
Nitrotoluole. 

C,  Ht  .  CH3  .  NH2 
Toluidine. 

etc. 

Ueber  eine  Menge  verschiedener  hier  berührter  Punkte  ist  nähere  Auskunft  in 
den  Specialartikeln  zu  suchen.  —  S.  auch  unter  Synthese  und  Theorien. 

Literatur:  Beil  st  ein.  Handbuch  d.  organisch.  Chemie.  2.  Aufl.  1836.  —  Laden- 
burg, Handwörterbuch  der  Chemie.  1833  ff.  —  F  e  h  1  i  n  g  ,  Neues  Handwörterbuch  der  Chemie, 
fortgesetzt  von  Hell,  JS74  ff.  A.  Schneider. 

ConStitution-BaltS  VOn  Boldt,  eine  Specialität  unter  den  Thierheilmitteln, 

bestehen  (nach  Hager)  aus  2  Th.  Alovpulver  und  1  Th.  Enziaupnlver. 

Constitutionswasser,  auch  Haihydratwasser  genannt,  wird  in  mehreren 
Salzen  als  zur  Constitution  gehörig  angenommen,  daher  der  Name.  Gegenüber 
dem  Krystallwasser,  welches  meist  bei  H>0 — 120°  entweicht,  geht  das 
Constitutionswasser  erst  bei  bedeutend  höherer  Temperatur  fort.  Die  Vitriole 
(Sulfate  einiger  Metalle)  enthalten  1  Molekül  Constitutionswasser.  Da  dieses 
auch  durch  andere  Salze  ersetzt  werden  kann  und  diese  Doppelsalze  alsdann  kein 


Digitized  by  Google 


CONSTITÜT  IONS  WASSER.  —  f'ONTAGIÜM. 


283 


Constitution  wasser  mehr  enthalten,  ist  es  auch  Haihydratwasser  genannt 
worden. 

Cont.,  auf  Recepten  vorkommende  Abkürzung  für  contunde ,  contundatur, 
contusus. 

Contactsubstanzen,  «.  Contact  Wirkung,  chemische. 

ContaCtwirkUfig.  Unter  Contactwirkung  (cont actus ,  Berührung)  versteht 
man  die  Elektrieitätserreguug  bei  der  Berührung  ungleichartiger  Körper  überhaupt, 
insbesondere  aber  bei  der  Berührung  von  Metallen  und  Kohle  mit  Metallen  oder 
Flüssigkeiten,  'und  von  Flüssigkeiten  mit  Flüssigkeiten  oder  Metallen,  an  deren 
Oberriäcben  Gasschichten  haften.  Bei  dieser  Erregung  tritt  immer  gleichzeitig 
positive  und  negative  Elektricität  auf.  Naeh  der  sogenannten  Contacttheorie 
der  Elektricitätserregung  liegt  die  Ursache  der  Contactwirkung  in  einer  ungleichen 
Anziehung  der  verschiedenen  Körper  gegeu  die  positive  und  negative  Elektricität, 
nach  der  chemischen  Theorie  in  einer  chemischen  Einwirkung  der  sich 
berührenden  Substanzen ,  oder  doch  in  einem  Bestreben  derselben,  das  chemische 
Gleichgewicht  zu  stören.  —  S.  auch  Galvanismus.  Pitt» eh. 

Contactwirkung.  chemische,  nennt  man  die  noch  nicht  genügend  aufgeklarte 
Fähigkeit  gewisser  Körper  (Platinschwaroni,  Platinblech,  Kohle,  Glaspulver),  die 
Vereinigung  zweier  anderer  Körper  —  besonders  Gase  —  zu  bewirken ,  ohne 
selbst  eine  Veränderung  zu  erfahren.  So  bewirkt  z.  B.  Platinschwamm  die  Ver- 
brennung des  Wasserstoffes  (DftBEREiXEii'sche  Wasserstoffgaszflndmascbine),  sowie  die 
Oxydation  des  Alkohole«  zu  Essigsäure  (hierauf  beruht  eine  Methode  des  qualita- 
tiven Nachweises  von  Alkohol;  die  gebildete  Essigsäure  wird  später  mittelst  der 
Kakodylreaction  nachgewiesen).  Eine  heisse  Platindrahtspirale  oxydirt  Alkohol-  und 
Aetherdampf  und  kommt  dabei  selbst  zum  Glühen  (D.WY'sche  Glühlampe).  Der- 
artige Körper  heissen  Contactsubstanzen. 

Contagium  bedeutet  ein  Krankheitsagens ,  welches  in  fortlaufender  Reihe 
von  einem  Mensehen  auf  den  andern  in  wirkungsfäbiger  Weise  übertragen  werden 
kann.  Der  Begriff  Contagium  ist  schon  zu  einer  Zeit  aufgestellt  worden,  zu  der 
man  die  krankhaften  Agentien  selbst  nicht  gekannt  hat;  er  war  eben  nur  aus 
den  Erfahrungen  am  Krankenbette  erwachsen.  Die  Wahrnehmung,  dass  ein  gesunder 
Mensch  durch  den  Verkehr  (die  Berührung,  den  Contact)  mit  einem  von  einer  be- 
stimmten Krankheitsform  befalleneu  Menschen  dieselbe  Krankheit  erlangt ;  die 
weitere  Wahrnehmung,  dass  andere  gesunde  Menschen  wieder  durch  den  Verkehr 
mit  diesem  letzteren  eine  ähnliche  Krankheit  erworben  haben,  führte  mit  Not- 
wendigkeit zu  der  Annahme  solcher  Agentien,  welche  mit  Rücksieht  auf  die  Ver- 
mnthnng  mit  dem  stattgehabten  Contacte  als  Contagien  bezeichnet  worden  sind. 
So  ist  also  z.  B.  die  Syphilis  als  eine  eminent  contagiöse  Krankheit  angesehen 
worden. 

Die  angedeuteten  Wahrnehmungen  lassen  weiters  mit  Nothwendigkeit  voraus- 
setzen,  dass  sich  diese  Krankheitsagentien  im  Innern  des  erkrankten  Organismus 
vermehren.  Ohne  eine  solche  Vermehrung  wäre  die  Uebertragbarkeit  in  fort- 
laufender Reihe  undenkbar.  Das  Agens  oder  Virus  müsste  sich ,  wenn  es  als 
Lösung  gedacht  wird,  durch  Verdünnung  erschöpfen  und  wenn  als  Suspension 
(fein  vertheilte  Körperchen)  durch  Rarcfieirung  unwirksam  werden. 

Die  Idee  also,  dass  das  Agens  sich  im  Organismus  vermehren  müsse,  hat 
schon  zu  der  Hypothese  geführt ,  dass  diese  Agentien  lebend  seien ,  respective 
zur  Annahme  eines  Contagium  vivum.  Absolut  nothwendig  war  aber  diese  An- 
nahme nicht,  so  lange  man  darauf  hinweisen  konnte,  dass  es  auch  leblose  Fer- 
mente gibt,  die  sich  (in  den  geeigneten  Lösungen  natürlich)  vermehren  können. 
Ailmälig  aber  sind  thatsächlich  Organismen  als  die  Ursachen  von  Krankheiten 
anfgedeckt  worden,  und  so  hat  ailmälig  die  Idee  des  Contagium  vivum  an  Boden 


Digitized  by  Google 


284 


CONTAGIUM. 


gewonnen ,  bis  man,  wie  es  jetzt  der  Fall  ist,  die  leblosen  Fennente  als  Ursache 
contagiöser  Krankheiten  fast  gänzlich  fallen  gelassen  hat. 

Die  ersten  positiven  Erfahrungen  Ober  das  Cofagium  vivum  waren  strenge 
genommen  schon  durch  die  Kenntniss  der  Eingeweidewürmer  gegeben.  Einen  sehr 
wichtigen  Schritt  in  dieser  Richtung  hat  Reddi  im  17.  Jahrhundert  durch  die 
Erkenntniss  gemacht,  dass  die  Maden  in  den  Früchten  die  Ursache  und  nicht  die 
Folge  der  Erkrankung  dieser  Früchte  seien.  In  neuerer  Zeit  verbindet  man 
indessen  mit  dem  Begriffe  von  Contagtum  vivum  nicht  mehr  die  Vorstellung  von 
Maden,  uicht  mehr  die  der  Krätzmilbe  und  anderer  makroskopisch  wahrnehmbarer 
Organismen,  sondern  man  verknüpft  damit  ausschliesslich  die  Vorstellung  von  Mikro- 
organismen oder  Mikroben,  welche  sich  im  Organismus  vermehren  und  von  einem 
Menschen  auf  den  anderen  übertragen  werden. 

Ea  ist  zur  Erschöpfung  dieser  Darstellung  nothwendig,  hier  schon  auf  den 
Begriff  „Miasma"  einzugehen.  Der  Begriff  Miasma  wird  gleichsam  dem  Oon- 
tagium  entgegengestellt;  man  denkt  sich  unter  Miasma  gleichfalls  vermehrungs- 
fähige Krankheitsagentien ,  die  aber  nicht  in  wirkungsfähiger  Weise  von  einem 
Menschen  auf  den  anderen  übertragen  werden  können.  Die  Miasmen  sollten  in 
der  Aussenwelt  ihren  Boden  finden ,  sie  wurden  als  Verunreinigungen  der  üns 
umgebenden  Medien  gedacht:  aber  die  Ausbreitung  einer  bestimmten  Krank- 
beit8form  auf  einem  bestimmten  Territorium,  wie  z.  B.  des  Wechselfiebers,  hat 
zu  der  Annahme  gedrängt,  dass  auch  diese  Krankheitsagentien  vermehrungsfähig  seien. 

Pettexkofer  hat  nun  die  Vermehrung  als  das  wesentliche  Merkmal  dieser 
Krankheitsagentieu  angesehen  und  daraufhin  die  Eintheilung  derselben  in  solche,  die 
sich  innerhalb  der  kranken  Organismen  vermehren,  und  in  solche,  die  sich  ausser- 
halb derselben  vermehren,  also  in  entogene  und  in  ectogene  vorgeschlagen. 

So  wie  aber  die  alten  Aerzte  einerseits  sich  genöthigt  sahen,  neben  den  con- 
tagiöscn  und  miasmatischen  Krankheiten  noch  eine  dritte  Gruppe  als  contagiös 
miasmatische  hinzustellen,  so  hat  auch  die  neue  Eintheilung  der  Krankheitsagentien 
in  entogene  und  ectogene  noch  die  Aufstellung  einer  dritten  Gruppe,  nämlich  der 
amphigenen.  nothwendig  gemacht.  Amphigen  wird  jetzt  dasjenige  Krankheits- 
agens genannt,  welehes  sich  sowohl  im  Innern  des  Organismus  als  ausserhalb 
desselben  vermehren  kann. 

Den  neueren  Forschungen  gegenüber  scheint  es  iudessen,  als  ob  diese  Ein- 
theilung der  Krankheitserreger  ihren  Werth  nahezu  vollständig  eingebüsst  habe. 
Er  unterliegt  nämlich  kaum  mehr  einem  Zweifel ,  dass  sich  die  Mikroorganismen, 
welche  man  bis  jetzt  als  Ursachen  bestimmter  Krankheitsformen  erkannt  hat,  sich 
sowohl  innerhalb  als  ausserhalb  des  menschlichen  Körpers  vermehren  können.  Ea 
geht  dieB  einerseits  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  man  die  Krankheitserreger 
ausserhalb  des  Thierleibes  zu  Reincnlturen  züchtet,  andererseits  hat  die  Ueber- 
legung  sowohl,  wie  auch  das  Experiment  dazu  geführt,  dass  selbst  bei  eminent  mias- 
matischen Krankheiten,  das  heisst  bei  solchen ,  welche  den  übereinstimmenden  Er- 
fahrungen zufolge  nicht  durch  den  Contact,  respective  den  Verkehr  der  Menschen 
übertragen  werden,  wie  z.  B.  das  Wechselfieber,  dennoch  eine  Vermehrung  des 
Virus  auch  innerhalb  des  menschlichen  Körpers  mit  Notwendigkeit  supponiren 
lassen.  Der  Verlauf  des  Wechselfiebers,  die  Incubationsdauer,  die  Recidiven  weisen 
alle  darauf  hin ,  dass  das  Wechselfieberagens  sich  im  kranken  Menschen  ver- 
mehren müsse.  Teberdies  wurde  in  neuerer  Zeit  von  Gerhard  berichtet,  dass 
auch  das  Wechselfieber  durch  Ueberimpfungen  von  Säften  von  einem  Menschen  auf 
den  anderen  übertragen  werden  könne. 

Wenn  nun  aber  auch  die  scharfe  Scheidung  zwischen  entogenen  und  ectogenen 
Krankheitsagentien  ihren  Werth  verloren  hat,  so  bleibt  dennoch  der  Begriff  Con- 
tagium  und  eontagiöse  Kraukheit  für  die  Praxis  werthvoll.  Contagiös  wird  man 
nach  wie  vor  jene  Krankheiten  nennen,  die  von  einem  Menschen  auf  den  andern 
übergehen.  Sollte  es  sich  herausstellen ,  dass  das  Wcchselfieber  wirklich  über- 
impfbar  ist,  so  werden  wir  es  dennoch  nicht  als  eontagiöse  Krankheit  auffassen, 

Digitized  by  Google 


CONTAGIUM.  -  CONTRE J?E VI LLE. 


285 


weil  sie  in  der  Regel  nicht  von  einem  Menschen  auf  den  anderen  übergeht. 
Dass  der  Arzt  und  Experimentator  sie  durch  Impfung  übertragen  kann,  kommt  für 
das  praktische  Bedürfnis«  nicht  in  Betracht.  Stricker. 

Contentiva  (conti  neo ,  zusammenhalten  :,  Abtheilung  der  Mechanica,  welche 
die  zur  Vereinigung  von  Continuitätstrennungen  der  Weichtheile  oder  des  Skelette 
benutzten  Stoffe  umfasst.  Sie  dienen  theils,  wie  Collodium,  Traumaticin  und  ver- 
schiedene Heftpflaster,  zum  Zusammenhalten  von  Wundrändern,  theils  bei  Knochen- 
brüchen ,  wie  Watte,  Gyps,  Stuck,  Dextrin,  Kleister,  Guttapercha  und  Kautschuk 
zur  Herstellung  fester,  die  Verschiebung  der  Knochenenden  verhindernder  Verbände 
(Contentivverbände  oder  immobilisirende  Verbände).   Th.  Husemann. 

Contentmeht,  Pulvis  Cacao  compositus,  ist  ein  Pulvergemisch  aus  1UÜ  Th. 
Cacaomasse,  50  Th.  Reismehl,  50  Th.  Zucker  und  1'  .,  Th.  Zimrat. 

ContOrta8,  Abtheilung  der  Symprtalae,  umfassend  die  Familien  der  Oleaceae, 
Jasmineae,  Gentianaceae,  Loganiaceae,  Apoct/naceae  und  Ascleptadaceae. 

Contra  Semen,  8.  cina,  Bd.  in,  pag.  138. 

ContraCtur  ist  jene  Verunstaltung  des  menschlichen  Körpers,  welche  durch 
andauernde  Verkürzung  von  Muskeln ,  Sehnen  oder  Bändern  entsteht ,  oder  auch 
durch  Schrumpfung  solcher  Narben,  welche  sich  über  Gelenken  befinden.  Die  von 
Contractur  befallenen  Gliedmaassen  befinden  sich  gewöhnlich  in  Beugestellung  und 
haben  gar  keine  oder  nur  sehr  beschränkte  Beweglichkeit,  daher  bedeutet  in  der 
Sprache  des  Volkes  contract  so  viel  wie  gelähmt. 

Contrajerva  ist  der  spanische  (Gegenkraut  bedeutende;  Name  der  Domlenia 
(Moraceae). 

Das  Rhizom  mehrerer  Arten  (Dorstenia  Contrajervae  L.,  D.  bra&ilienxis  L., 
D.  Drakena  L.,  D.  opifera  Matt.,  D.  tubicina  R.  et  P.)  wird  in  der  Heimat, 
dem  tropischen  Amerika ,  als  Fiebermittel  und  gegen  Schlangenbiss  angewendet. 
Es  gelaugte  auch  nach  Europa  und  galt  ehemals  unter  dem  Namen  B  c  z  o  a  r-  oder 
Giftwurzel  als  Antidot  gegen  alle  Gifte,  ausgenommen  Sublimat.  Nach  Geiger 
enthält  es  ätherisches  Oel,  Bitterstoff  und  Stärke. 

Contrastfarben  sind  subjective  Farbenempfindungen  und  complemeutür  zur 
Farbe  des  Objectes.  Dabei  können  beide  Farben  gleichzeitig  wahrgenommen  werden 
(simultaner  Contrast)  oder  nacheinander  (successiver  Contrast).  Der  Schatten  eine« 
von  einer  Kerze  beleuchteten  Stabes  erscheint  bei  Tage  nicht  weiss  oder  grau, 
sondern  in  der  Contrastfarbe  des  gelben  Kerzenlichtes,  nämlich  blau,  in  Folge  des 
simultanen  Contrastes.  Als  Beispiel  für  successiven  Contrast  diene  Folgendes:  Legt 
man  auf  eine  weisse  Fläche  ein  gefärbtes  Papierstück,  starrt  dieses  eine  Zeit  lang 
an  und  blickt  dann  auf  die  weisse  Fläche,  so  erscheint  hier  ein  Nachbild  von  der 
Gestalt  des  gefärbten  Stückes  in  der  Contrastfarbe,  d.  h.  die  Farbe  des  Papier- 
atückes  und  die  des  Nachbildes  ergänzon  sich  zu  weiss.  Man  kann  diese  Er- 
scheinung des  successiven  Contrastes  durch  Ermüdung  der,  der  primären  Farbe 
entsprechenden  Netzhautelemento  erklären.  Das  Weisse  muss  dann ,  da  in  der 
Erregung  —  in  Folge  der  Ermüdung  —  eine  Componente  unwirksam  ist,  in 
der  Complementärfarbe  erscheinen.  Der  simultane  Contrast  beruht  auf  der  Ver- 
gleichung  zweier  im  Gesichtsfelde  aneinander  grenzender  Farben  oder  Hellig- 
keiten und  dadurch  bewirkter  Crtheilstäusehung.  In  dem  Schatten  des  von  der 
Kerze  beleuchteten  Stabes  erblicken  wir  viel  weniger  gelb  als  in  der  Umgebung 
nnd  halten  ihn  deshalb  fflr  blau. 

Contratinctur,  s.  ch  inesischer  Haarliquor,  Bd.  in,  pag.  51. 

Contrexeville  in  den  vc  )gesen,  besitzt  kalte,  auch  zur  Versendung  gelangende 
Quellen ,  welche  im  Liter  2.6  Salze,  darunter  Natron-,  Magnesia-  und  Kalk- 
sulfat, Kalkcarbonat  und  etwas  Kohlensäure  enthalten. 

Digitized  by  Google 


286 


CONTROLANALYSEN.  —  CONVALLAMARIN. 


Controlanalysen,  ControlreaCtiOneil,  sind  Analysen,  respective  Reactionen, 
welche  zur  Bestätigung  eine«  Analysenbefunde»  dienen  sollen.  Dieselben  sollten  iu 
allen  auch  nur  halbwegs  wichtigen  Fällen  in  Anwendung  gebracht  werden,  sei  es 
auch  nur  zur  eigenen  Beruhigung  des  Experten.  Auch  der  beste,  gewissenhafteste, 
zuverlässigste  Analytiker  ist  und  bleibt  doch  immer  nur  ein  Mensch  und  —  „Irren 
ist  Menschenloos".  —  Zwei  Moniente  sind  es  besonders,  welche  der  Anwendung  von 
Controlanalysen  und  -Reactionen  hindernd  im  Wege  stehen :  das  Gefühl  der  Sicher- 
heit, welches  vielbeschäftigte  Herreu  im  Laufe  der  Zeit  gewinnen,  und  die  liebe  Be- 
quemlichkeit. In  der  That  sind  es  nicht  selten  die  besten  Analytiker  gewesen,  die 
einen  Irrthum  ihrerseits  für  ausgeschlossen  erachteten.  Ks  ist  das  eine  Fahrlässig- 
keit, die  von  den  weittragendsten  Folgen  sein  kann  und  die  darum  unbedingt  ver- 
mieden werden  muss.  Ein  Irrthum,  begangen  durch  einen  nicht  controlirten 
Analysenbefund,  gehört  zu  jenen  schweren  Irrthümcrn,  welche  nicht  wieder  gut 
gemacht  werden  können.  Es  sollte  daher  auch  der  beste  Analytiker  nicht  unter- 
lassen ,  das  Resultat  seiner  Untersuchungen  nochmals  zu  prüfen  und  erst  dann 
ein  definitives  L'rtheil  abgeben,  wenn  er  durch  Controlversuche  auch  auf  anderem 
Wege  zu  demselben  Resultate  gelangt.  (Janswindt. 

Contusion  (con-tundere,  stossen)  =  Quetschuug. 

Convalescenz,  s.  Re  c  o  n  v  a  1  e  s  c  e  n  z. 

* 

Convallamarin,  COlWallarin.    Fiuden  sich  in  der  Maiblume,  Convallarin 
majalis.  Die  während  oder  nach  dem  Blüheu  mit  der  Wurzel  gesammelte  Pflanze 
wird  getrocknet  und  mit  Alkohol  von  0.84  spee.  Gew.  mehrmals  extrahirt.  Die 
stark  grün  gefärbte  Tinctur  wird  mit  Bleiessig  versetzt,  geschüttelt,  filtrirt,  durch 
Schwefelwasserstoff  von  Blei  befreit,   filtrirt  und  der  Alkohol  abdestillirt ,  worauf 
aus  dem  Rückstände  beim  Erkalten  das  Convallarin  anschiesst.  Den  Rest  des  Con- 
vallarins  gewinnt  man,  indem  man  die  Mutterlauge  mit  Wasser  vermischt,  den 
hierbei  sich  ausscheidenden  harzigen  Körper  mit  Aether  digerirt  und  das  dabei 
Ungelöste  in  Alkohol   auflöst,   mit  Thierkohlc  entfärbt  und   krystallisiren  lässt. 
Alles  gewonnene  Convallarin  wird  mit  Aether  von  Harz  und  Chlorophyll  befreit 
und  aus  Alkohol  umkrystallisirt.  Die  wässerigen  Flüssigkeiten,  aus  denen  das  Con- 
vallarin auskrystallisirt  ist,  enthalten  das  Convallamarin.  Man  fällt  mit  Gerb- 
säure aus,  digerirt  den  Niederschlag  nach  dem  Auswaschen  mit  Kalkhydrat  und 
Alkohol,  filtrirt  und  lässt  verdunsten,  wobei  das  Convallamarin  zurückbleibt.  Dieses 
ist  der  bitter  schmeckende  Bestandtheil  des  Maiblümchens.   Es  bildet  ein  weisses, 
uukrystallisirbares  Pulver ,  löst  sich  leieht  in  Wasser  und  Alkohol ,  beinahe  nicht 
in  Aether,  schmeckt  zuerst  bitter,  zuletzt  ganz  eigenthümlich  süsslich.  Trockenes 
Convallamarin  wird  durch  conoentrirte  Schwefelsäure  braun,  befeuchtetes  dag-eg-en 
sehr  schön  violett  gefärbt  und  aufgelöst,  die  Lösung  verliert  durch  Wasserzusatz 
die  Farbe.    Salpetersäure  von  1.54  löst  es  laugsam  und  mit  gelber  Farbe  auf. 
Ammoniak  löst  es  auf  und  lässt  es  beim  Verdunsten  unverändert  zurück.  Kali- 
lauge löst  es  ohne  Färbung  auf,  die  Lösung  trübt  sich  dann  und  zersetzt  sieh 
unter  Bildung  von  Zucker.  Die  wässerige  Lösung  zeigt  folgende  Reactionen :  Von 
Sublimat,  Kupfervitriol,  Bleioxydsalzen  wird  sie  nicht  gefällt;  Gerbsäure  gibt  einen 
starken  weissen  Niederschlag ;  salpetersaures  Quecksilberoxydul  gibt  einen  weissen, 
rasch  grau  werdenden  Niederschlag ;  starke  Schwefelsäure  färbt  die  Lösung  pracht- 
voll violett,  Salpetersäure  gelb.  Das  Convallamarin  hat  die  Formel  C4fl  Hi4  Oä4 .  Es 
ist  ein  Glucosid,  welches  beim  Kochen  mit  Säuren  Traubenzucker  abspaltet,  wobei 
sich  ein  neuer  Körper,  das  Convallamaretin  bildet.   Letzteres  ist  nach  dem 
Trocknen  ein  gel  blich  weisses  krystallinisches  Pulver,  leicht  löslich  in  Alkohol,  daraus 
durch  Wasser  fällbar.  Concentrirte  Schwefelsäure  löst  es  mit  rothbrauner  Farbe  und 
Wasser  bewirkt  dann  eine  flockige  Ausscheidung.    Rauchende  Salpetersäure  löst 
es  mit  gelber  Farbe  auf  und  Wasser  scheidet  aus  der  Lösung  weisse  Flocken  aus. 
Salzsäure,  Ammoniak  und  Kalilauge  wirken  nicht  verändernd  ein. 


Digitized  by  Googl 


CONVALLAMARIN.  —  CON*  VOLV  CLACEAE. 


287 


CoDvalläirin  ist  der  kratzend  schuieckeude  Bestaudtheil  des  Mniblümchens. 
Es  bildet  gerade,  rectanguläre  Säulen,  ist  kaum  in  Wasser  löslich,  auch  nicht  in 
Aether.  Es  ist  leicht  löslich  in  Alkohol,  daraus  durch  Wasser  und  Aether  fällbar. 
Conecntrirtc  Schwefelsäure  löst  es  mit  brauner  Farbe.  Starke  Salpetersäure  und 
Salzsaure  lösen  es  auf,  Wasser  fällt  beide  Lösungen.  Ammouiak  und  Kalilauge 
lögen  Convallarin  langsam  auf  und  bleibt  dieses  beim  Verdunsten  des  ersteren  un- 
verändert zurück,  während  die  letztere  beim  Krhitzon  zersetzend  einwirkt.  Es  ist 
ein  Glucosid  und  spaltet  sich  beim  Kochen  mit  Säuren  in  Zucker  und  eine  C  o  u- 
vallaretin  genannte  Substanz.  Letztere  ist  krystallinisch,  unlöslich  in  Wasser, 
leicht  löslich  in  Alkohol  und  Aether.  Alkalien  wirken  nicht  auf  Convallaretin  ein. 
Convallarin  wirkt  an  Thieren  abführend,  während  das  Convallaniarin  zu  der  Gruppe 
de«  Oigitalins  gehört.  v.  Schröder. 

Convallaria.  Gattung  der  Liliaceae,  Unterfamilie  Asparageae.  Krieeheudes 
Rhizom ,  welches  an  der  Spitze  von  den  Kesten  vorjähriger  Blätter  umhüllt  ist, 
am  Grunde  des  diesjährigen  Triebes  über  mehreren  Scheidenblättern  ein  hohes  Fieder- 
blatt ,  in  dessen  Achsel  der  Blüthenstand ,  über  demselben  die  zwei  elliptischen 
Laubblätter,  in  der  Scheide  der  oberen  die  Hauptknospe  für  das  nächste  Jahr. 
Bltltbenstand  eine  einseitswendige  Traube,  die  Blüthen  in  den  Achseln  von  Deck- 
blättern. Perigon  glockig,  weiss,  die  Filamente  der  Antheren  nahe  der  Perigon- 
ba.sis  eingefügt.  Frucht  eine  rothe  Beere.   Nur  eine  Art: 

Convallaria  majalis  L. ,  Maiblume,  franz.  Muguet,  engl.  Lily 
o  f  t  h  e  Valley,  einheimisch  in  Europa ,  Nordasien  und  Nordamerika  in  Laub- 
wäldern. Früher  waren  die  getrockneten  Blüthen  (Flor.  Convallariae ,  Flor. 
Liliorum  concallium),  besonders  als  Bestandteil  von  Niespulvern,  ferner  die 
Blätter  und  Wurzeln  als  nervenstärkende  Mittel  in  Gebrauch,  sie  sind  jetzt  ganz 
obsolet. 

Neuerdings  hat  man  aber  der  Pflanze  wieder  mehr  Aufmerksamkeit  zugewendet 
nod  dieselbe  als  höchst  wirksames  Diureticum  und  zum  Ersatz  der  Digitalis 
empfohlen.  1830  stellte  Walz  zwei  Glycoside,  Convallaniarin  (0.2  Procent) 
und  Convallarin  aus  ihr  dar,  1865  St.  Martin  das  Alkaloid  Majalin,  eine 
Säure,  ätherisches  Oel,  gelbeu  Farbstoff  und  Wachs.  Hart  wich. 

Die  Wirksamkeit  der  Convallaria  ist  auf  das  in  Wasser  lösliche  Glucosid ,  Con- 
vallaniarin, zurückzuführen.  Dasselbe  erhöht  den  Blutdruck  im  arteriellen  Gcfäss- 
Hystcm ,  vermindert  Anfangs  die  Herztbätigkeit ,  lässt  diese  später  ansteigen, 
auch  unregelmässig  werden,  und  nach  sehr  grossen  Dosen  erfolgt  Sinken  des  Blut- 
drucks und  Herzstillstand.  Als  Heilmittel  gegen  Herzkrankheiten  ist  die  Pflanze 
schon  im  Jahre  1663  bezeichnet  worden.  Die  neueren  klinischen  Resultate  wider- 
sprechen sich ;  doch  scheinen  der  Pflanze  in  der  That  die  Herztbätigkeit  und  die 
Kreislaufsorgane  regulirende  Wirkungen  zuzukommen ,  welche  der  der  Digitalis 
ähnlich  sind.  Zu  verwenden  sind  nur  Fl*. res  Convaltar.  majal.  electi  (ohne 
Stengel)  in  Aufgüssen  zu  10:200.  Lew  in. 

ConveX,  s.  Concav,  Bd.  111,  pag.  235. 

Convicin.  Findet  sich  in  den  Samen  der  Wicke,  Vicia  sativa ,  nebeu  Vicin. 
Ks  wird  aus  den  Mutterlaugen  nach  Abseheid ung  des  Vicins  erhalten,  bildet  rhom- 
bische Blättehen,  wenig  löslich  in  Wasser  und  Alkohol.  Die  wässerige  Lösung  wird 
durch  Queeksilberoxyduitrat  vollkommen  gefällt.  v.  Schröder. 

ConVOlVUlaceae,  Familie  der  Tubiflorae.  Meist  windende  oder  kletternde, 
über  die  ganze  Erde  verbreitete,  vorzüglich  aber  in  den  wärmeren  Gegenden  vor- 
kommende Pflanzen.  —  Charakter :  Stengel  links  windend,  selten  aufrecht.  Blätter 
wechselständig.  Blüthen  regelmässig,  zwitterig.  Kelch  5  blätterig.  Krone  1  blätterig, 
meist  trichterförmig ,  in  der  Knospende  rechts  gedreht  oder  gefaltet.  Staubge- 
l'iisse  5.  Griffel  1,  an  der  Spitze  oft  2spaltig.  Fruchtknoten  oberständig.  Frucht- 
fächer meist  2,  1 — 2samig.  Keim  gekrümmt. 


Digitized  by  Google 


288 


CONVOLVULACEAE.  —  CONVOLVÜLUS. 


Die  Familie  zerfällt  in: 

Convolvuleae,  Pflanzen  mit  deutlichen  Laub-  und  Keimblättern  uud  kapselartiger 
Frucht ; 

Üuscuteae,  Stengelschraarotzer  ohne  Laub-  und  Keimblätter.  Keimling  spiral- 
förmig zusammengerollt.  Sydow. 

Convolvulin,  Convolvulinol,  Convolvulinsäure.    Das  Convolvulin 

(Jalapin  Blchner's,  Rhodeoretin  Kayser's)  ist  der  wirksame  Bestandteil  der 
echten  Jalapenwurzel. 

Zu  seiner  Darstellung  wird  die  Jalapenwurzel  so  lange  mit  kochendem 
Wasser  behandelt,  bis  dasselbe  farblos  abläuft.  Dann  wird  sie  getrocknet,  gröblich 
gepulvert  und  dreimal  mit  dem  doppelten  Gewicht  90procentigen  Alkohols  ausge- 
zogen. Die  vereinigten  Auszüge  werden  mit  Wasser  bis  zur  leichten  Trübung  ver- 
setzt und  zweimal  kochend  mit  Knochenkohle  behandelt.  Vom  schwach  gelblich 
gefärbten  Filtrat  wird  der  Alkohol  abdestillirt,  wobei  ein  gelblich  gefärbtes,  sprödes 
Harz  zurückbleibt.  Dieses  wird  gepulvert,  vier-  bis  fünfmal  mit  Aether  geschüttelt, 
dann  dreimal  in  wenig  absolutem  Alkohol  gelöst  und  durch  Aether  gefällt. 

Das  so  gewonnene  Convolvulin  bildet  eine  farblose,  in  dünnen  Schichten  durch- 
sichtige Masse.  Bei  geringem  Wassergehalt  ist  es  weich  und  ausziehbar  zu  dünnen 
Fäden  von  Perlmutterglanz.  Bei  100°  getrocknet  wird  es  sprödo.  Es  erweicht  bei 
141°;  bei  150°  schmilzt  es  zu  einer  gelblich  gefärbten,  klaren  Flüssigkeit  und 
beginnt  sich  bei  155°  zu  zersetzen.  Es  ist  geruch-  uud  geschmacklos,  in  Weingeist 
gelöst  von  schwach  saurer  Reaction.  Es  hat  die  Zusammensetzung  031  H60  0^;.  Es 
ist  Behr  wenig  in  Wasser  löslich ,  leicht  in  Alkohol ,  unlöslich  in  Aether.  Die 
alkoholische  Lösung  wird  dnreh  Wasser  und  Aether  weissflockig  gefällt.  Leicht 
löslieh  in  Alkalien,  daraus  durch  Sauren  nicht  wieder  fällbar.  Essigsäure  löst  es 
leicht  auf;  verdünnte  Salpetersäure  löst  in  der  Kälte  langsam,  in  der  Wärme 
unter  Zersetzung  auf.  Mit  concentrirter  Schwefelsäure  wird  eB  nach  10 — 15  Minuten 
schön  amaranthroth  gefärbt,  indem  es  sich  löst.  Diese  Farbe  verschwindet  nach 
einigen  Stunden  unter  Braunfärbung.  Wasserzusat/«  scheidet  einen  Ölartigeu  Körper 
ans  und  die  Flüssigkeit  enthält  Zucker.  Dampft  man  das  Convolvulin  mit  Salzsäure 
ab,  so  bleibt  ein  grauer  Rückstand,  welcher  mit  concentrirter  Schwefelsäure  sich 
kirschroth  färbt.  Durch  Kochen  mit  verdünnten  Mineralsänren  spaltet  sich  das 
Convolvulin  in  Zucker  und  Convolvulinol.  Letzteres  scheidet  sich  als  Oel  ab. 
das  später  erstarrt  und  aus  Alkohol  und  Aether  in  weissen  Nadeln  erhalten  werden 
kann,  die  bei  39°  schmelzen,  schwach  sauer  reagiren,  schwer  in  Wasser,  leicht 
in  Alkohol  und  Aether  löslich  sind. 

Wässerige  caustische  und  kohlensaure  Alkalieu  und  alkalische  Erden  lösen 
das  Convolvulin  unter,  bei  letztcrem  ernt  bei  Erwärmung,  eintretendem  Uebergang 
in  Convolvulinsäure. 

Sie  bildet  eine  weisse,  hygroskopische  Masse,  die  zwischen  100  und  120° 
schmilzt.  In  Wasser  gelöst  hat  sie  einen  schwach  quittenartigen  Geruch  und 
saure  Reaction.  In  Wasser  und  Alkohol  ist  sie  leicht,  in  Aether  unlöslich.  Neutrale 
Metallsalze  fällen  die  wässerigen  Lösungen  der  Salze  nicht ,  wohl  aber  basisch 
essigsaures  Blei.  Ans  kohlensauren  Salzen  treibt  sie  die  Kohlensäure  aus  und 
verhält  sich  gegen  Essigsäure ,  Salpetersäure  und  concentrirte  Schwefelsäure  wie 
das  Convolvulin.  Mit  verdünnten  Mineralsäuren  erwärmt,  spaltet  sie  sieh  in  Zucker 
und  Convolvulinol.  —  Convolvulin  wirkt  in  Dosen  von  0.1 — 0.2  g  abführend.  Der 
Convolvulinsäure  kommt  nur  eiue  sehr  geringe  purgireude  Wirkung  zu. 

v.  Schröde  r. 

CoilVOlVUluS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie.  Kräuter  oder  Holz- 
gewächse,  erstere  oft  windend,  letztere  bisweilen  dornig.  Blüthen  fünfzählig,  aus 
bleibendem  Kelch,  glockiger  Blumenkrone  mit  am  Grunde  eingefügten  Staubgeftissen 
und  zweifächerigem  Fruchtknoten  bestehend,  der  sich  zu  einer  kugeligen  Kapsel 
entwickelt. 

Digitized  by  Google 


CONVOLVULUS.  —  CONYDRIN.  *89 

1.  Convolvulus  Scammonia  L.  ist  unserem  Ackerwindling  ähnlich,  aber  viel 
grösser.  Die  Blätter  sind  bis  6  cm  lang,  spiess-pfeilförmig,  die  Blüthen  sind  fast 
5  cm  breit  und  bilden  langgestielte,  armblüthige  Trugdolden. 

Die  rüben förmige,  milchende  Wurzel  liefert  Scammonium  (s.  d.). 

2.  Convolvulus  floridus  L.  und  C.  scoparius  L. ,  zwei  auf  den  canarischeu 
Inseln  heimische  Bäumchen  mit  schmalen  Blättern  und  weissen  endständigen  Blüthen- 
rispeo,  sind  die  Stammpflanzen  des  Lignum  Rhodii.  —  S.  Rhodiser  Holz. 

3.  Convolvulus  arvensis  L.,  das  durch  seine  weithin  kriechenden  Wurzeln 
listige,  fast  unausrottbare  Unkraut  unserer  Aecker,  war  ehemals  als  Herba  et 
Radix  Convolvuli  minoris  in  arzneilicher  Verwendung,  wie  Convolvulus  Sepium 
L  (Calystegia  Sepium  R.  Br.)  als  Herba  und  Radix  Convolvuli  majori*.  Nach 
Chevalier  enthalten  sie  oin  purgirendes  Harz. 

4.  Convolvulus  Soldanella  L.  (Calystegia  Soldanella  R.  Br.),  ein  nieder- 
liegendes  Pflänzchen  mit  nierenförmigen  Blättern  uud  grossen,  rothen  Blüthen,  war 
unter  der  Bezeichnung  Herba  Soldanellae  s.  Brassicae  marinae  ebenfalls  als 
Purgans  in  Verwendung. 

5.  Convolvulus  Mechoacanna  Vand.,  eine  mexicanieche,  im  Habitus  der  Zaun- 
rübe (Calystegia  Sepium  R.  Br.)  ähnliche  Art,  lieferte  die  jetzt  obsolete  Radix 
Jalapae  albae  s.  MechoacanJiae,  welche  eine  wenig  wirksame  Harzsäure  enthält. 

6.  Convolvulus  Purga  Wender.,  die  Mutterpflanze  der  Jalapa,  wird  in  neuerer 
Zeit  zu  Ipomoea  (s.  d.)  gezählt,  wie  auch  Convolvulus  Turpethum  L.,  C.  ort'za- 
bensis  L.  und  C.  Batatas  L.  J.  Mo  eil  er. 

Convulsionen  nennt  man  jene  Form  von  Krämpfen  in  sonst  der  Willkür 
unterliegenden  Muskelgruppen,  bei  welcher  Zusammenziehung  und  Erschlaffung  in 
sehr  rascher  Aufeinanderfolge  wechseln.  Hochgradiger  Sauerstoffmangel  im  Blute 
oder  Febersättigung  desselben  mit  Kohlensäure  ruft  Convulsionen  hervor ;  sie  treten 
daher  vor  dem  Erstickungstode  regelmässig  ein.  Viele  Gifte,  denen  Convulsionen 
erregende  Wirkung  zugeschrieben  wurde,  verdankou  diese  Eigenschaft  nur  ihrer 
lahmenden  Wirkung  auf  jene  Nerven  oder  Muskeln,  welche  der  Athmung  vorstehen. 

Conydrin,  C8H,7N<).  Findet  sich  neben  Coniin  und  Methylconiiu  in  den 
Samen,  Blättern  und  Blüthen  des  Schierlings,  Conimn  maculatum  L. 

Zur  Darstellung  desselben  extrahirt  man  die  frischen  Blüthen  mit  heissem 
Schwefelsäuren  altigem  Wasser  und  destiilirt  den  mässig  concentrirten  Auszug  mit 
Aetzkalk  oder  Kali ,  wobei  Coniin .  Conydrin  und  Ammoniak  tibergehen.  Das 
alkalische  Destillat  wird  mit  Schwefelsäure  neutralisirt  und  mit  absolutem  Alkohol 
behandelt ,  wobei  schwefelsaures  Amnion  zurückbleibt.  Nach  Abdestilliren  des 
Alkohols  versetzt  man  mit  Kalilauge  und  schüttelt  mit  Aether  aus.  Der  Aether 
wird  verdunstet  und  die  rückständige  Masse  im  Oelbade  der  Destillation  unter- 
worfen, wobei  erst  Coniin  übergeht,  dann  bei  150 — 210°  Conydrin  in  Krystallen 
in  den  Helm  und  Hals  der  Betörte  sublimirt.  Beigemengtes  Coniin  wird  durch 
Abpressen  entfernt  und  dann  aus  Aether  umkrystallisirt.  280  kg  Blüthen  lieferten 
17g  Base.  —  Das  Conydrin  stellt  farblose,  perlmutterglänzende,  irisirende 
Krystallblättchen  dar.  Es  schmilzt  bei  geringer  Erwärmung  und  sublimirt  schon 
unter  100«.  Ziemlich  löslich  in  Wasser,  leicht  in  Alkohol  und  Aether.  Reagirt 
*tark  alkalisch.  Bildet  ein  krystallinisches  Platinchloridsalz.  —  Wertheim,  der 
Entdecker  des  Conydrins,  hatte  angenommen,  dass  das  Conydrin  dnreh  Abspaltung 
von  H2  0  in  Coniin  übergehe.  A.  W.  Hofmann  hat  neuerdings  gezeigt ,  dass 
solches  nicht  der  Fall  ist.  Durch  Einwirkung  von  Salzsäure  auf  Conydrin  bildet 
sich  nicht  Coniin,  sondern  entstehen  2  neue,  a-  und  ^-ConiceYn  genannte  Basen 
durch  Wasserabspaltung. 

C8Hl7NO  ==  C,H15N  +  H30 
Conydrin  Conicein. 
Hofmann  gelang  die  Ueberführung  von  Conydrin  in  Coniin,  welches  die  Formel 
C„  H17  N   hat  und   sich  also   nur  um   1  Atom  Sauerstoff  vom  Conydrin  unter- 

H«al-Kncyclop&die  der  gea.  Pbwmucie.  III.  1Ü 


by  Google 


290 


COXVDRIX.  —  COORDINATION. 


scheidet,  in  der  Weise,  dass  durch  Einwirkung  von  Jodwasserstoffsäure  auf  Conydrin 
das  Jodhydrat  eine«  Jodconiins  entstand ,  welches  durch  Zinn  und  Salzsäure  in 
Coniin  Übergeführt  wurde.  v.  Schröder. 

ConyZä.  eine  meist  zu  Inula  L.  gezogene  Gattung  der  Comjwfritae.  Die 
älteren  Pharmakognosten  bezeichneten  mit  Conyza,  Dürrwurz,  verschiedene 
Compositen. 

1.  H erba  Conyzae  med  ine  s.  Amicae  spurtae  s.  suedensut  stammt  von 
Pulicaria  dysenterica  Gaertn  (Inula  dysenterica  L.) ,  einem  in  Deutschland 
verbreiteten,  ausdauernden  Kraute  mit  weichen,  graugrünen,  Unterseite  graufilzigen 
Blättern,  welche  den  8tengel  mit  herzförmig  geöhrelter  Basis  umfassen.  Die  gelben 
Blütheuköpfe  (Juli,  August)  haben  eine  wollig-zottige  Hülle ;  die  Randblüthen  sind 
strahlend,  viel  länger  als  die  des  Mittelfeldes;  die  Achänen  sind  kurzhaarig,  der 
Pappus  ist  zweireihig. 

Das  Kraut  riecht  und  schmeckt  unangenehm,  es  wurde  früher  gegen  Ruhr 
gebraucht. 

2.  Herba  Conyzae  majoris  stammt  von  Inula  Conyza  DC.  (Gonyza 
squarrom  L.),  einem  0  und  4  Kraute  mit  trübgrünen,  unterseits  filzigen  Blättern, 
kleinen  Blüthenköpfen  mit  gelblich-weisser,  glänzender  Hülle  und  kaum  merklichen, 
gelben,  auch  an»  Rande  röhrigen  Blüthen.  Die  Achänen  sind  an  der  Spitze 
kurzhaarig,  der  Pappus  ist  einreihig. 

Frisch  riecht  die  Pflanze  wie  Anthemis  Gotula ,  trocken  fast  gar  nicht.  Ihr 
Geschmack  ist  bitter,  etwas  herb  und  aromatisch.  Sie  wurde  früher  vielseitig 
angewendet,  jetzt  ist  sie  obsolet. 

3.  Herba  Conyzae  coeruleae,  Berufkraut,  ist  das  zur  Blüthezeit 
gesammelte  Kraut  von  Ert'geron  acris  L.  (Compositae) ,  ©,  15 — 30  cm  hoch, 
mit  Iineal-lanzettlichen  Blattern,  die  Köpfchen  zu  1 — 3  an  locker  traubigen, 
zuletzt  fast  doldenrispig  gestellten  Aesten,  die  äusseren  weiblichen  Randblüthen 
hell  lila  oder  fleischroth.  Ist  jetzt  ganz  obsolet,  wenn  auch  sein  Ruf  als  zauber- 
kräftiges Mittel  beim  Volke  noch  nicht  völlig  geschwunden  ist.         Hart  wich. 

CoOk'S  Balsam  Of  Life,  äusserlich  anzuwenden,  ist  (nach  Hagku)  eine 
filtrirte  Abkochung  von  20  Th.  Borax,  IV,  Th.  gepulvertsn  Kampfers  mit  250  Th. 
Wasser. 

COOper  S  Aetzsalbe  ist  eine  Mischung  von  l1.,  Th.  Acidum  arsenicosum 
subt.  pulv.  und  IV,  Th.  Hulfar.  depur.  mit  25  Th.  Unguentum  eereum.  — 
Cooper'8  DeCOCtum  Uvae  Ursi  besteht  aus  2()0  Th.  Decoctum  fol.  l'vae 
Urtii  mit  einem  Zusatz  von  15  Th.  Tinctura  Catechu  und  15  Th.  Syrupvs 
Zingiberis.  —  Cooper's  Mustard  Paper  steht  (nach  Hagrr)  mit  Senf  in  keiner 
Beziehung,  sondern  ist  ein  mit  Gapsicum-  und  Euphorbiumtinctur  getränktes 
Papier. 

CoOper'S  Gold.  Legirung  aus  16  Th.  Kupfer,  7  Th.  Platin,  1  Th.  eisen- 
freiem Zink.  Täuschend  goldähnlich,  sehr  geschmeidig,  wird  von  Salpetersäure  nur 
sehr  schwer  angegriffen. 

Coordination  ist  das  richtige  Zusammenwirken  verschiedener  Muskeln  und 
Muskelgruppen  bei  einer  complicirten  Bewegung.  Nur  wenige  Bewegungen  werden 
mit  Hilfe  eines  einzigen  Muskels  ausgeführt,  die  meisten,  auch  scheinbar  einfachen 
Bewegungen  sind  die  Resnltirende  aus  einer  gewissen  Anzahl  von  Componenten, 
und  damit  die  Bewegung  der  Intention  entspreche,  darf  die  Anzahl  der  aufge- 
botenen Componenten  und  die  Grösse  jeder  einzelnen  keine  zufällige  sein.  Im 
Centralnervensyatem  ist  deshalb  den  coordinatorischen  Centren  und  Verbindungs- 
bahnen ein  grosses  Gebiet  eigen.  Störungen  in  der  Coordination  werden  mit  dem 
Namen  Ataxie  bezeichnet ;  sie  sind  bei  der  Tabes  dorsualts  (Rflckenmarksdarre) 
durch  den  unsicheren  Gang  der  Kranken  sehr  auffällig. 


Digitized  by  Google 


COPABINE.  —  COPAL.  291 

Copatline.  Unter  diesem  Namen  waren  vor  vielen  Jahren  candirte,  eiförmige, 
circa  l/s  ?  schwere  Pillen  aas  Copaivabalsam  und  Cuheben  im  Handel.  —  Copa- 
hine  MdQO  war  dasselbe  Präparat;  der  dazu  verwendete  Copaivabalsam  sollte  aber 
angeblich  zuvor  durch  Behandlung  mit  Salpetersäure  „corrig6"  sein.  Bei  Copa- 
bine  Mege  war  der  Zuckertiberzug  durch  Carmin  rosa  gefärbt. 

CopaiferE,  Gattung  der  Caesalpineae  mit  12  bekannten  Arten,  von  denen  10  im 
tropischen  Amerika,  2  in  Afrika  heimisch  sind.  Es  sind  Bäume  mit  paarig  ge- 
fiederten, lederigen  Blättern  und  kleinen  Nebenblättern,  unscheinbaren  Inflorescenzen, 
deren  Blüthen  keine  Corolle,  sondern  nur  einen  vierblätterigen  Kelch,  8—10  freie 
Staubgefässe  und  einen  kurz  gestielten  Fruchtknoten  besitzen,  welcher  sich  zu 
einer  kleinen,  2 — 3  cm  langen  lederigen ,  zweiklappigen ,  einsamigeu  Hülse  ent- 
wickelt. Die  Samen  haben  kein  Endosperm  und  sind  in  der  Regel  von  einem 
Arillus  umgeben.  Vier  amerikanische  Arten  sind  als  Mutterpflanzen  desCopaiva- 
Balsam  (s.  Bd.  II,  pag.  128)  von  hervorragendem  Interesse. 

1.  Copaifera  officinalin  L.  (C.  Jacquini  Des/.),  an  der  Nordküste 
Südamerikas  bis  Panama  und  auf  Trinidad,  charakterisirt  durch  3 —  4jochige 
Blätter  mit  wechselständigen,  kurz  und  stumpf  zugespitzten  Fiedern,  achsel- 
ständige, granfilzige  Rispen,  kahle  Hülsen. 

2.  Copa  ife  ra  guyanenai  »  L>e*f.  im  nordöstlichen  Südamerika ,  der 
vorigen  ähnlich,  aber  mit  gegenständig  gefiederten  Blättern,  deren  Fiederchen 
lang  und  schmal  zugespitzt  sind. 

3.  Copaifera  Longsdorff  i  i  Des  f.  (C.  nitida  Hayna,  C.  Sellovii 
Hayne,  C.  laxa  Hayn*,  C.  Jussieui  Hayue)  in  Brasilien,  charakterisirt  durch 
3 — öjoebige  Blätter  mit  gegen-  oder  wechselständigen ,  verschieden  gestalteten 
Fiedern  und  röthlich  behaarte  Inflorescenzen. 

4.  Copaifera  coriacea  Mart.  (C.  cordifolia  Hayne)  im  östlichen 
Brasilien,  charakterisirt  durch  3 — ojoehige,  zum  Unterschied  von  den  drei  vorigen, 
nicht  drüsig  punktirte,  lederige  Blätter. 

Copaivabalsam,  Copaivaöl,  Copaivasäure,  *.  b  a  1  *  am  um  Copaivae. 

Copal,  Anime  (engl.),  ist  die  allgemeine  Bezeichnung  für  eine  Reihe  von 
Harzen,  welche  durch  Härte  und  hohen  Schmelzpunkt  ausgezeichnet  sind,  und  sie 
besitzen  diese  werthvollen  Eigenschaften  in  desto  höherem  Maassc,  je  älteren  Ur- 
sprunges sie  sind.  Die  meisten  Copale  stammen  nämlich  nicht  von  der  gegen- 
wärtigen Erdperiode,  sondern  sind  recent- fossil.  Man  findet  sie  im  Schwemmlande, 
augenscheinlich  weit  entfernt  von  dem  Standorte  ihrer  Mutterpflanzen ,  die  man 
deshalb  in  der  Regel  auch  nicht  kennt.  Nur  bei  wenigen  Arten  lassen  sich 
die  Spuren  ihrer  Entstehung  zurüekverfolgeu ,  einzelne  bilden  Bich  sogar  noch 
heutzutage. 

Alle  Copale  sind  amorph.  Ihre  Oberfläche  ist  entweder  glatt  oder  warzig  oder 
von  eigentümlich  ästigen  Sprunglinien  durchsetzt,  mehr  oder  weniger  verwittert 
und  mit  erdiger  Kruste  bedeekt.  Ihre  Härte  sehwankt  zwischen  der  des  Kalk- 
spate« und  des  Gypses,  der  Schmelzpunkt  zwischen  1*0  und  370°,  sie  sind  um 
ein  Goringes  schwerer  als  Wasser. 

Im  Handel  unterscheidet  man  die  Copale  nach  ihrer  Provenienz.  Die  Copale  von 
Zanzibar  nnd  Mozambique  sind  die  härtesten  und  schwerst  schmelzbaren,  an 
der  Oberfläche  warzig.  Sie  stammen  höchst  wahrscheinlich  von  Trachylobium- 
Arten  (Caesalpiniaceae),  die  jetzt  noch  an  der  afrikanischen  Ostküste  und  auf 
den  Mascarenen  vorkommen. 

Die  Westküste  Afrikas  ist  eine  reiche  Fundstätte  für  Copale.  Die  härtesten, 
datier  jresel letztesten  Sorten  sind  die  meist  kleineu,  glatten  und  klaren  Stücke  von 
Sierra  Leone  und  die  warzigen  von  A u g o  1  a.  O a b o n  ist  ungleichmässig, 
bald  klar,  bald  trübe,  oft  mit  kreidiger  Kruste,  unter  der  die  Oberfläche  Sprung- 
linien zeigt. 

^*Digitized  by  Google 


292  COPAL.  —  COP1RAPPARATE. 

Von  den  Küsten  der  Sudsee  und  des  Indischen  Meeres  kommen  die  Ost- 
indischen-,  Manila-  und  Kau rico pale. 

Sie  stammen  von  mehreren  Damma ra-Artcn  (Araucarieae) ,  kommen  nicht 
selten  in  centn erschweren  Stücken  vor,  sind  verschieden  gefärbt,  riechen  balsamisch 
und  kleben,  als  Zeichen  ihrer  geringen  Hörte,  beim  Kauen  an  den  Zähnen. 

Ihnen  ähnlich,  aber  unangenehm  riechend  und  noch  weicher  sind  die  ameri- 
kanischen Copale,  welche  sich  theil weise  noch  jetzt  bilden.  Ihrer  Abstammung 
nach  stehen  sie  den  vorzüglichen  ostafrikanischen  Copalen  am  nächsten,  denn  ihre 
Mutterpflanzen  sind  die  von  Trachylobium  wenig  verschiedenen  Arten  der  Caesal- 
pineen-Gattung  Hymenaea  (vergl.  Anirae,  Bd.  I,  pag.  389). 

In  der  Chemie  der  Copale  herrscht  dieselbe  Verwirrung  wie  in  der  Unterschei- 
dung der  Arten.  Zweifellos  sind  sie  Gemenge  von  je  nach  der  Abstammung  ver- 
schiedenen Harzen. 

Die  Copale  finden  ausgebreitete  Anwendung  in  der  Lackfabrikation  und  als 
Surrogat  für  Bernstein,  dem  sie  in  den  physikalischen  Eigenschaften  unter  allen 
Harzen  am  nächsten  stehen.  Sie  wurden  als  Constitucns  für  Zahnkitte  empfohlen. 

Copäichi.  Mexikanischer  Name  für  Croton  niveus  Jaquin  (Croton  Pseudo- 
China SchlcJudl.),  aus  der  Familie  der  Euphorbtaceae ,  dessen  Rinde  als  Cartex 
Copalchi  in  den  Handel  gelangt.  Sie  kam  zuerst  1817  als  Cascarilla  nach 
Hamburg ,  erregte  später  als  neue  mexikanische  Fieberrinde  ( Qitina  blanca, 
Quina  Copafvhi)  Aufsehen ,  gerieth  aber  bald  in  Vergessenheit.  Neuerdings  ist 
versucht  worden,  sie  der  Quebrachorinde  zu  substituiren.  Sic  findet  sich  hin  und 
wieder  unter  der  Cascarillarinde. 

Die  strauchartige  Stammpflanze  wächst  im  nördlichen  Theil  von  Südamerika, 
geht  nördlich  bis  Mexico  und  kommt  auch  auf  den  westindischen  Inseln  vor. 

Die  Rinde  bildet  Röhren  von  30 — 60  cm  Länge ,  ist  mindestens  3  mm  dick, 
auf  der  Oberfläche  mit  seichten  kurzen  Längsfurchen  uud  feinen  Querrissen 
versehen. 

Der  Kork  ist  grau  und  fehlt  oft.  Die  Innenseite  ist  feinstreifig,  kaffeebraun, 
der  Bruch  gekörnt,  Querschnitt  radialstreifig  in  den  nach  aussen  spitz  zulaufenden 
Bastbündeln.  Sie  unterscheidet  sich  von  der  sonst  sehr  ähnlichen  Cascarillarinde 
durch  Seierose  der  Mittelrinde  und  reichlichere,  aber  meist  dünnere  Bastfasern  der 
Innenrinde. 

Mauch  fand  in  der  Rinde  einen  nicht  krystallisirbaren  Bitterstoff,  Copal- 
chin,  auf.  Hartwic:h. 

CopeaUX  de  GoudrOll,  in  Frankreich  viel  gebraucht,  sind  mit  bestem  Holz- 
theer  getränkte  Hobelspäne,  die  zur  schnellen  und  bequemen  Herstellung  von 
Theerwasser  dienen. 

CoperniCia,  zur  Gruppe  der  Sabaleae  gehörige  Palmcngattuug  Amerikas, 
charakterisirt  durch  fächerförmige,  zwischen  den  Strahlen  oft  faserige  Blätter.  Das 
auf  den  Blättern  der  brasilianischen  Copaifera  eerifera  Start,  sich  ausscheidende 
Wachs  kommt  als  Carnauba-  oder  Cerea- Wachs  (s.  Bd.  II,  pag.  564^  in  den 
Handel. 

Copirapparate  und  Copirverfahren  für  Privatzwecke  sind  viele  ange- 
geben worden,  von  denen  mehrere  auf  dem  Princip  des  bekannten  Hektographen 
beruhen. 

Der  Hektograph  besteht  aus  einer  flachen  Schicht  von  Buchdruckerwalzen- 
massc  (II  e  k  t  o  g  r  a  p  h  e  u  m  a  s  s  e) ,  für  welche  eine  Unzahl  von  Vorschriften  exi- 
stireu.  Kine  jede  Vorschrift  für  derartige  Masse  musB  jedoch,  der  sehr  verschiedenen 
Qualität  des  Leimes  und  Glycerins  wegen  .  in  jedem  Einzelfalle  auf  Grund  von 
Versuchen  entsprechend  modifieirt  werden.  Als  annähernde  Verhältnisse  auf  wasser- 
freie Substanzen  berechnet  sind  folgende  zu  beachten:  Leim  18 — 11»  Procent, 
Glycerin  Ö3— 52  Procent  und  Wasser  29  Procent. 


Digitized  by  Googl 


COPIRAPPARATE.  293 

Zur  Herstellung;  wird  der  Leim  in  Wasser  völlig  aufquellen  gelassen ,  unter 
Zusatz  des  noch  fehlenden  Wassers  im  Dampfapparat  geschmolzen,  das  Glycerin 
zugefügt  und  schliesslich  in  einen  flachen,  entsprechend  grossen  Blechkasten  (in 
dessen  eine  Ecke)  ausgegossen,  in  horizontaler  Lage  erkalten  gelassen.  Es  muss 
darauf  geachtet  werden ,  dass  die  Oberfläche  der  Masse  keine  Blasen  hat ;  falls 
solche  beim  Eingiessen  entstanden  sind,  müssen  sie  mittelst  eines  Kartenblattes 
nach  einer  Ecke  geschoben  werden. 

Mittelst  einer  besonderen  Tinte  (Hektographentinte)  wird  wie  gewöhnlich 
anf  Papier  geschrieben,  nach  dem  völligen  Trocknen  das  Papier  mit  der  Schrift 
auf  die  Hektographenplatte  gelegt,  mit  einem  Leinentuche  streichend  angedrückt 
und  nach  einigen  Minuten  von  einer  Ecke  anfangend  wieder  abgehoben.  Die  zu 
bedruckenden  Papiere  werden  ebenso  aufgelegt,  angedrückt  und  immer  von  der- 
selben Ecke  her  abgehoben.  Die  nöthige  Tinte  (Hektographentinte),  zu 
welcher  hauptsächlich  Theerfarbstofle  verwendet  werden .  bereitet  man  beispiels- 
weise in  folgender  Weise:  16.0g  Methylviolett  werden  unter  Erwärmen  in  40.0g 
Alkohol  aufgelöst.  5.0  g  Essigsäure  hinzugefügt  und  schliesslich  mit  50.0  g  Wasser 
und  10.0  g  Glycerin  vermischt,  das  Ganze  erwärmt  und  filtrirt. 

Um  die  auf  der  Hektographenplatte  zurückgebliebene  Schrift  wieder  zu  entfernen, 
wird  die  Platte  mittelst  eines  Schwammes  mit  lauwarmem  Wasser  abgewaschen  und 
an  der  Luft  trocknen  gelassen. 

Da  nach  einige  Zeit  währendem  Gebrauch  durch  das  Abwaschen  die  Hekto- 
graphenplatte uneben  wird,  so  wird  der  Kasten  auf  einen  gelind  erwärmten  Ofen 
oder  Dampfapparat  gesetzt  und  die  Masse  schmelzen  und  hierauf  wieder  erkalten 
gelassen. 

Ein  dem  Hektographen  ähnlicher  Apparat,  der  Ohromograph,  besteht  aus 
einer  Platte,  die  zusammengesetzt  ist  aus  100.0  g  Gelatine,  1200.0  g  Glycerin  uud 
500  cem  eines  frisch  gefällten ,  ausgewaschenen  Niederschlages  von  Baryumsulfat. 

Eine  Modifikation  des  Hektographen  ist  folgende: 

Man  schreibt  mittelst  einer  Lösung  von  Alaun  und  einer  Theerfarbe  (um  die 
Schriftzüge  sichtbar  zu  machen)  auf  Papier,  legt  diese  Schrift  auf  die  angefeuchtete 
Hektographen  platte,  zieht  ab  und  färbt  vor  jedem  Abdruck  mittelst  einer  Walze 
mit  Buchdruckerschwärze  ein. 

Ein  ähnlicher  Copirapparat,  der  Collograph,  ist  der  folgende: 
Die  Druckplatte,  welche  aus  Gelatine,  Glycerin  und  einem  Zusatz  von  Seife 
besteht ,  wird  mit  einer  Mischung  von  Tannin  und  Glycerin  bestrichen ,  wodurch 
eine  Gerbung  der  Oberfläche  stattfindet.  Die  Schrift  wird  mittelst  einer  Thonerde- 
lösung hergestellt,  diese  auf  die  Platte  gebracht  und  zum  Copiren  mit  Drucker- 
schwärze eingefärbt. 

Im  Princip  ganz  verschieden  ist  die  Cyanotypie,  zur  Herstellung  von  so- 
genannten Lichtpausen,  welches  Verfahren  sich  besonders  für  Karten  und 
Pläne  eignet. 

20.0  g  Oitronensäure  werden  in  50  cem  Wasser  gelöst,  mit  Ammoniak  bis  zur 
sehwach  alkalischen  Reaction  versetzt,  abgekühlt  und  mit  Wasser  auf  100  cem 
verdünnt. 

18.0  g  Eisenchlorid  werden  in  50  cem  Wasser  gelöst  und  nach  vollständiger 
Lösung  kalt  mit  vorstehender  Amtnoniumcitratlösung  vermischt  und  durch  einige 
Tropfen  Ammoniak  wieder  abgestumpft. 

18.0  g  Kaliumferricyanid  werden  in  100  cem  Wasser  gelost,  gut  abgekühlt  zur 
Ammoniumcitrateisenchloridlösung  hinzugefügt  und  durch  einige  Tropfen  Ammoniak 
schwach  übersättigt. 

Gut  geleimte,  weisse  Bogen  werden  mit  der  fertigen  Lösung  mittelst  eines 
Schwämme«  im  dunklen  Zimmer  oder  bei  Lampenlicht  einmal  überstrichen  fgut 
eingerieben),  im  Dunkeln  getrocknet  und  vor  Licht  uud  Feuchtigkeit  geschützt  auf- 
bewahrt. 100  ecm  Lösung  reichen  bei  einmaligem  Bestreichen  auf  circa  2  qm 
Fläche.  Für  dunklere  Copien  ist  zweimaliges  Bestreichen  nöthig. 

Digitized  by  Google 


294 


C0P1HAPPA  RATE.  —  COKALLIA. 


Zur  Anfertigung  der  Copie  wird  das  Original ,  welches  anf  weissem  (durchaus 
nicht  gelbem),  möglichst  durchgeheinendem  Pausleinen  mit  möglichst  tiefschwarzen 
Linien  angefertigt  Bein  muss,  mit  der  Zeichnung  nach  unten  auf  eine  Glasplatte 
(hejles  farbloses  Spiegelglas)  gelegt,  hierauf  das  mit  obiger  Lösung  getränkte, 
trockene  Papier  gelegt,  dieses  mittelst  einer  filzbelegten  Holzplatte  fest  aufgedrückt, 
so  dass  sich  zwischen  Pause  und  Papier  keine  Luftblasen  bilden  und  das  Ganze 
mit  der  Glasplatte  nach  oben  der  Sonne  ausgesetzt. 

Die  Expositionsdauer  ist  je  nach  der  Scharfe  der  Sonnenstrahlen ,  Dicke  und 
Farblosigkeit  der  Originalpause  etc.  variirend  von  2  bis  15  Minuten.  Nach  der  Ex- 
position wird  die  durch  die  Origiualzeichnung  geschützte  unzersetzte  Imprflg- 
nimng  des  Papieres  mit  kaltem  Wasser  gut  ausgewaschen,  indem  man  die  Copie 
mit  der  Zeichnung  nach  unten  auf  Wasser  schwimmen  lässt.  An  den  von  der 
Sonne  getroffenen  Stellen  der  Copie  ist  durch  Rcduction  Berliner  Blau  entstanden, 
welches  sich  nicht  auswaschen  lässt.  Die  Copie  erscheint  daher  in  weissen  Linien 
auf  blauem  Grunde.  Wenn  die  Zeichnung  selbst  in  bläulichen  Linion  erscheint,  ist 
die  Expositionsdauer  übersch ritten  worden.  Schneider. 

Coptrpapier,  ein  sehr  dünnes,  speciell  dazu  fabricirtes  Papier,  eignet  sich  am 
besten  zu  seinem  Zwecke,  wenn  es  weniger  als  2  Procent  Asche  enthält.  Von  den- 
jenigen Papieren,  welche  mehr  als  2  Procent  Asche  geben,  liefern  die  mit  Schwerspat 
gefüllten  Papiere  bessere  Copien,  als  die  Thonerde  enthaltenden.  Mit  Ultramarin 
gebläute  Papiere  zersetzen  Alaunblauholztinte,  wie  auch  Eisengallustinten. 

Copirtinte,  s.  Tinte. 

Copland's  Pilulae  cholagogae  bestehen  aus  2.5  g  Extractum  Colocyn- 

thidi.s  compos. ,  0.5  g  Pulvis  Ipecacuanhae ,  0.5  g  Sapo  medicatus  und  log 
Extractum  Hyoscymni  zu   20  Pillen.  —  Copland  S   Zahn8Chmerztropfen.  Je 

0.5  g  Opium  und  Gomphora  werden  durch  Verreiben  mit  je  4.0  g  Spiritus,  Oleum 
C'ijeputi  und  Oleum  Caryophyllomm  vermischt. 

CoprOStase  (y.ojrpo:,  Koth  uud  «rrä-ric,  das  Feststehen)  nennt  man  die  An- 
sammlung von  Kothmassen  im  Dickdarm,  wie  sie  einerseits  durch  mechanische 
Hindernisse  im  Darme,  anderseits  durch  eine  mit  Rücksicht  auf  dio  zu  bewältigen- 
den (harten)  Kothmassen  zu  sehwache  Darmbeweguug  entsteht. 

IS,  Gattung  der  Ranunculaceae ,  Unterfamilie  Hellrbonae.  Ausdauernde 
Kräuter  mit  dreizählig  eingeschnittenen  Blättern  und  blattlosem  Stengel,  welcher 
1 — %  weisse,  actinomorphe  Bltithen  trägt. 

Bisher  wurde  in  drei  Arten  (Coptis  trifolm  Salisb.,  C.  Teeta  Wallich, 
C.  anemvnaefoliu  Sieb,  et  Zuc.)  Berber  in  und  in  Ü.  trifolia  noch  ein  zweites 
Alkaloid  (Gross),  allerdings  in  sehr  geringer  Menge  (0.012  Proeent).  aufgefunden. 
Dieses  ist  farblos,  in  Schwefelsäure  ohne  Veränderung  löslich,  beim  Erhiteen 
purpurroth  werdend. 

Die  letztgenannte,  durch  einblüthige  Stengel  ausgezeichnete,  im  nördlichen 
Amerika,  Asien  und  auf  Island  verbreitete  Art  ist  das  Gold  Thread  der 
Ph.  Un.  St.  Man  verwendet  ein  Infus  des  Rhizoms  (30:500)  oder  eine  Tinctur 
hauptsächlich  gegen  aphtösc  Geschwüre. 

Ein  noch  wirksameres  Bittermittel  dürfte  die  ostindische  Coptis  Teeta  sein, 
in  welcher  Pkhkixs  uieht  weniger  als  8.5  Proeent  Berberin  gefunden  haben  will. 

J.  Moellcr. 

C0(|.,  auf  Recepten  vorkommende  Abkürzung  für  coque  oder  coquatur. 

Corallia.  Die  Kalkgerüste  verschiedener  Polypen  des  Mittclmeeres  und  des 
indischen  Meeres  spielten  in  der  alten  Mediein  als  giftwidrige  Mittel  eine  weit 
grössere  Rolle  als  gegenwärtig,  wo  nur  noch  die  rothen  Korallen,  Corallia 
rubra,  in  Frankreich  (als  corail  rouge)  und  Spanien  (Cond  rojo)  officincll  sind. 
Es  sind  das  kleinero  Fragmente  der  im  Mittelmeere  und  rotheu  Meere  vorkornmen- 


Digitized  by  Googl 


CORALLIA.  —  CORALL1N.  295 

den  und  zur  Verarbeitung  zn  Schmucksachen  vorzugsweise  an  der  Küste  von 
Afrika  gefischten  Blut-  oder  Edelkoralle,  Coralltum  rubrum  Lara.  (Isis 
nobili»  L.  s.  Gorgonia  nobilis  s.  pretiosa  Solander  et  Ell.) ,  welche  zu  den 
Kindenkorallen  (Corticifera)  gehört,  bei  welchen  der  Polypenatock  mit  einem  festen 
inneren,  baumartigen  Axengerüste  versehen  ist,  auf  dessen  Aussenfläche  die 
kleinen,  mit  Armen  versehenen  Polypen  im  lebenden  Zustande  unter  einer  weiss- 
liehcn  Haut  sitzen,  die  beim  Vertrocknen  den  Korallenstamm  mit  weisser  Kruste 
^erzieht.  Anders  ist  das  Verhalten  des  Kalkgerüstes  bei  den  früher  neben  den 
rothen  Korallen  officinellcn  weissen  Korallen,  Corallia  alba ,  unter  welcher 
Bezeichnung  verschiedene  Augenkorallen  gesammelt  wurden,  namentlich  die 
Jungferu  k  o  ralle,  Oculina  virginea  Lain.,  die  Blumenkohl  koralle, 
^  prolifera  L.,  auch  C.  kirtella  Pall.  und  wahrscheinlich  mehrere  andere, 
irflher  der  Gattung  Madrepora  zugezahlte  Korallen,  bei  denen  das  Kalkgerflst 
^e  äusserste  verkalkte  Schicht  des  Weichthiers  darstellt.  Was  als  Coralltum 
™l»tfni  im  Handel  ist,  sind  die  bei  der  Korallenfischerei  zu  Tage  geförderten,  für 
^»nuckgegenstände  unbrauchbaren  Stücke,  daher  auch 'der  Name  „Kor  all  eu- 


ch4 


Fragmenta  Corallii  rubri,  cylindrisch  oder  abgeplattet,  3 — 1  cm  lang, 


brti 

fflClt*t  Strohhalm-  bis  federkieldick ,  verschieden  gebogen ,   zum  Theil  ästig ,  leicht 
streifig,  hart,  auf  dem  Bruche  matt  und  von  tief  rother  Farbe,  die  mitunter  durch 
einen  leicht  mit  Essigsäure  entfernbaren  Kalktiberzug  verdeckt  wird.   Die  rothe 
Varbe  wird  durch  Digestion  mit  Terpentinöl  entfernt  und  kann  deshalb  nicht  wohl, 
wie  man  früher  annahm,  durch  Eiscuoxyd  bedingt  sein,  das  allerdings  durch  altere 
Analysen  nachgewiesen  ist.  Der  wesentlichste  Bestandteil   ist  Calciumcarbonat, 
von  welchem  Witting  83.5  Procent  neben  3.5  Magnesiumcarbonat  und  4.5  Eisen- 
oxyd fand.  Vool  constatirte  auch  die  Anwesenheit  von  Gyps   und   einer  Spur 
Kochsalz.  8tratl\gh  und  Fyfe  wiesen  in  rothen  und  weissen  Korallen  die  bei 
Seethieren  nicht  auffällige  Anwesenheit  von  Jod  nach.  Man  benutzte  die  Korallen 
wie  anderen  animalischen  Kalk  zu  Zahnpulvern  und  hielt  sie  auch  in  Form  eines 
»ehr  feinen  Pulvers  als  „Corallia  rubra  praeparata"  vorräthig,  statt  deren  aber 
mit  Eisenoxyd   röthlich  gefärbte  Pulver  von  Kreide  oder  Austernschalen  vielfach 
im  Handel  vorkamen.    Uebrigens  hat  man  auch  nach  Schroff  künstliche  rothe 
Korallen   aus  harten,   mit  Cochenille  oder  rothen   Pflanzenpigmenten  gefärbten 
Knochen  angefertigt.  Th.  Hu  so  mann. 

Coraltin.  Das  gelbe  Cor  all  in  wird  durch  Erhitzen  eiuer  Mischung  von 
10  Th.  Phenol  und  5  Th.  concentrirter  Schwefelsäure  mit  6 — 7  Th.  entwässerter 
Oxalsäure  auf  120—130°  dargestellt.  Man  giesst  die  Masse  in  Wasser  ein  und 
kocht  den  Niederschlag  noch  mehrmals  mit  Wasser  aus.  Der  Farbstoff  ist  ein 
complicirtes  Gemenge  verschiedener  Substanzen ,  unter  welchen  nach  Zulkowsky 
das  farblose  harzartige  Corallinphtalin,  C20  H,0  04,  mit  70  Procent  vorwiegt. 
Der  Rest  besteht  vornehmlich  aus  A  u  r  i  n ,  Cl9  Ht  t  Oj,  ferner  aus  M  e  t  h  y  1  a  u  r  i  n, 
Cj-,  Ht6  03,  welches  isomer  mit  der  aus  Rosanilin  dargestellten  Rosolsäure  ist,  und 
aus  „oxydirtem  Auriu",  C,n  H10  Oü.  Zur  Gewinnung  einer,  wenn  auch  ver- 
hältnissmässig  geringen  Menge  reinen  Aurins  kann  man  Corallin  so  lange  mit 
Alkohol  waschen,  bis  der  Rückstand  krystallinisch  ist,  und  denselben  mehrmals  aus 
Alkohol  umkrystallisiren. 

Formel  und  Eigenschaften  des  Aurins  s.  Bd.  II,  pag.  37. 

Das  gelbe  Corallin  ist  eine  braune,  harzartige  Masse  von  grünem  Metallglanze, 
welche  nahezu  unlöslich  in  Wasser,  löslich  in  Alkohol  und  in  Alkalien  ist.  Es 
gibt  schöne  rothe  Lacke,  welche  im  Tapetendruck  Verwendung  finden.  Zum  Farben 
und  Bedrucken  von  Geweben  wird  es  wegen  der  geringen  Widerstandsfähigkeit 
dieser  Lacke  nur  mehr  selten  benützt. 

Alkoholische  Corallinlösnng  ist  ein  häufig  verwendeter  Indicator  für  Titrirungen. 
Damit  versetzte  neutrale  Flüssigkeiten  werden  durch  einen  Tropfen  Alkali  roth, 
durch  etwas  Säure  wieder  gelb  gefärbt. 


Digitized  by  Google 


296  CORALLIN.  -  COBDICEPS. 

Rothes  Cor  all  in,  Päonin,  wird  durch  Erhitzen  des  gelben  Corallins  mit 
Ammoniak  erhalten.  Beim  Erhitzen  mit  Anilin  liefert  das  gelbe  Corallin  einen 
blauen,  Azulin  genannten  Farbstoff.  Benedikt. 

Corallina,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterabtheilung  der  Florideae. 
Steinartige,  zerbrechliche,  gegliederte,  fiederförmig  verzweigte,  cylindrische  oder 
etwas  abgeplattete,  zierliche,  korallenähnliche  Algen,  welche,  mit  Ausnahme  der 
höchsten  arktischen  Gegenden,  in  allen  Meeren  vorkommen.  Lamouroux  und  nach 
ihm  auch  andere  Forscher  zählten  diese  Algen  früher  zu  den  Polypen.  Der 
Thallus  ist  im  Jugendzustande  weich  und  biegsam,  spftter  verhärtet  derselbe  durch 
Aufnahme  von  Kalk  in  der  Zellmembran. 

Gor  all  i na  offic  inal  is  L.,  die  häufigste  Art,  bildet  kleine,  weisse  Sträuss- 
chen.  Der  Thallus  hat  zweizeilig  gestellte,  zwei-  bis  dreifach  gefiederte  Aeste. 
Früher  als  Muscus  corallinus  officinell ,  kommt  es  noch  heute  als  Bestandtheil 
des  Wurmmooses  vor.  Sydow. 

CoralÜOrhiza,  Gattuug  der  Orckida  ceae,  Unterfamilie  Malaxideae.  Humus- 
bewohner mit  korallenähnlichem,  unbewurzeltem  Rhizom,  schwach  beblättertem 
Stengel ,  kleinen  Blüthen  mit  gedrehtem  Fruchtknoten ,  einem  einzigen  frucht- 
baren Staubgefäss,  dessen  Poilenmassen  schief  übereinanderliegen. 

In  Nordamerika  verwendet  man  das  Rhizom  von  Coralliorhiza  odontorhiza 
NutL,  Coral  oder  Crawley  root,  als  Diaphoreticum  in  Pulverform  (2.0  pro 
dosi)  oder  im  Fluid-Extract. 

CoraSSa  Compound,  ein  amerikanisches  Geheimmittel;  als  Bestandteile 
werden  bislang  ganz  unbekannte  Pflanzen  genannt. 

COTChOrUS,  Tiliaceen-G&ttimg  der  Tropen.  Kräuter  oder  kleine  Holzgewächse 
mit  gesägten  Blättern,  kleinen  gelben,  oft  einzeln  stehenden  Blüthen  und  fach- 
spaltig  aufspringenden  Kapselfrüchten.  —  Mehrere  einjährige  ostindische  Arten, 
besonders  Corchorus  capsularis  L.  und  G.  olitorius  L.,  liefern  in  ihrem  Baste 
eine  werthvolle  Gespinnstfaser  (s.  .Tut e). 

Cordia,  Gattung  der  uach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Asperifoliacea-e, 
charakterisirt  durch  Steinfrüchte  und  »Samen  mit  gefalteten  Cotyledonen  ohne 
Eiweiss. 

Cordia  Boissieri  /JG.,  ein  Bäumchen  Mexikos  mit  braunfilzigen  Aesten  und 
Blättern,  liefert  das  Anacahnite-Holz  (s.  Bd.  I,  pag.  347). 

Cordia  Myx  t  L.,  ein  in  Ostindien,  Aegypten  und  Arabien  heimisches  Bäum- 
chen, ist  die  Stammpflanze  der  bei  uns  nicht  mehr  gebräuchlichen  schwarzen 
Brustbeeren,  Fr  actus  Myxae  s.  Sebestenae. 

Cordial  ist  eine  in  Amerika  beliebte  Form,  um  Medicamente,  besonders  schlecht 
schmeckende,  zu  nehmen  und  etwa  einem  Magenbittern  vergleichbar.  Cascara 
Cordial  ist  ein  derartiger  mit  Cascara  Sagrada  (Rliamnus  Purshiaiia)  be- 
reiteter Magenbitter.  —  Cordial  von  Godfrey  ,  Cordial-drink  von  Cherwy  uud 
Cordialtinctur  von  Rymfs.  sämmtlich  Geheimmittel,  sind  scharf  aromatische 
Tincturen  (sogenannte  Herzstärkungsmittel),  die  erstere  auch  etwas  Opium  enthaltend. 

CordiaÜS  ist  eine  von  dem  deutschen  Namen  „Herz freu  de"  abgeleitete, 
nicht  gewöhnliche  Bezeichnung  für  das  Kraut  von  Asjjentla  odorala  L.  Gebräuch- 
licher sind  die  Namen  Ilerba  As  per  ulae  (s.  Bd.  1,  pag.  690)  s.  Matrisihuie 
s.  Hejxtticae  «Ullatae. 

Cordiceps.  Gattung  der  Xectrieae,  einer  Familie  der  Pyrenomycetes.  Das 
Stroma  dieser  Pilze  ist  aufrecht,  bald  einfach,  keuleu-  oder  gestielt-kopfförmig, 
bald  strauchartig  verästelt,  im  unteren  Theile  steril,  im  oberen  die  Perithecien 
tragend.  Letztere  enthalten  die  cylindrischen  Schläuche,  in  denen  sich  je  8  faden- 
förmige,    septirte,   bald  in   ihre  einzelnen  Glieder  zerfallende  Sporen  befinden. 


Digitized  by  Googl 


CORDICEPS.  — 


CORIANDRUM. 


297 


Die  Arten  wachsen  zum  grösseren  Theil  auf  todten  Insecten  und  deren  Larven 
und  nehmen  hierdurch  eine  wichtige  Stellung  im  Haushalte  der  Natur  ein ;  einige 
andere  Arten  wachsen  auf  Elaphomyces  oder  auch  auf  sonstigen  pflanzlichen 
Resten.  Sydow. 

Coriamyrtin.  Glucosid  aus  dem  Gerberstrauch,  Coriaria  myrtifolia,  die 
giftigen  Eigenschaften  desselben  bedingend. 

Man  erhalt  es  durch  Fällen  des  Saftes  oder  des  wässerigen  Aufgusses  der  Blätter 
mit  Bleiessig,  Verdampfen  des  mit  Schwefelwasserstoff  behandelten  Filtrates  und 
Schütteln  des  syrupartigen  Rückstandes  mit  Aether.  Letzterer  hinterlasst  das  durch 
Umkrystallisiren  aus  Alkohol  zu  reinigende  Coriamyrtin  beim  Verdunsten.  Aus  den 
jungen,  40 — 50  cm  hohen  Trieben  erhält  man  am  meisten ;  die  Früchte  werden  zweck- 
mässig vorher  der  Gährung  unterworfen.  100  kg  der  Pflanze  geben  je  nach  der 
Jahreszeit  6 — 9  g  der  rohen  Substanz.  Das  reine  Coriamyrtin  krystallisirt  in  schiefen 
rhombischen  Prismen.  Es  ist  wasserfrei  und  schmilzt  bei  220°  zu  einer  farblosen, 
wieder  krystallinisch  erstarrenden  Flüssigkeit ;  100  Th.  Wasser  lösen  bei  22° 
1.14  Th.,  100  Th.  Alkohol  2  Th. ;  in  siedendem  Alkohol,  sowie  in  Aether  ist  es 
weit  löslicher.  Die  alkoholische  Lösung  ist  rechtsdrehend.  Es  hat  die  Formel 
Cj0  HS6  0,0.  Concentrirte  Schwefelsäure  löst  es  unter  Schwärzung;  rauchende  Sal- 
petersäure bildet  eine  amorphe  Nitroverbindung ;  durch  heisse  verdünnte  Salzsäure 
entstehen  mindestens  drei  Zersetzungsproducte,  von  denen  das  eine  in  gelben  Flocken 
sich  abscheidet ,  während  die  anderen  in  der  Kupferoxydkali  reducirenden ,  aber 
keinen  Zucker  enthaltenden  Flüssigkeit  gelöst  bleiben.  Durch  wässerige  Alkalien 
wird  das  Coriamyrtin  unter  Bildung  brauner  Producte  zersetzt.  Erhitzt  man  das- 
selbe aber  bei  Luftabschluss  mit  einem  Ueberschuss  von  gesättigtem  Baryt-  oder 
Kalkwasser  auf  100°,  so  entsteht  eine  zweibasische  amorphe  Säure,  C$0  Ht$  0,„. 
Ranchende  Jodwasserstoffsäure  wirkt  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  ein,  sehr 
rasch  bei  100°.  Neben  Jod  scheidet  sich  ein  schwarzer  weicher  Körper  ab,  der 
sich  nicht  in  kaltem  Wasser,  aber  in  absolutem  Alkohol  löst.  Versetzt  man  diese 
Lösung  mit  einigen  Tropfen  Natronlauge,  so  färbt  sie  sich  schön  purpurroth.  Sehr 
kleine  Mengen  Coriamyrtin  lassen  sich  an  dieser  durch  Zusatz  von  Wasser  wieder 
verschwindenden  Färbung  erkennen.  Tröpfelt  man  Brom  in  alkoholisches  Coria- 
myrtin, so  fällt  Bibromcoriamyrtin  C30  HS4  Br.j  0,0  aus,  das  aus  kochendem  Wein- 
geist in  schönen  Nadeln  krystallisirt.  Ist  sehr  giftig.  v.  Schröder. 

Coriandrum,  Gattung  dor  I  mbelliferae,  Unterfamilie  Goriandreae ;  charak- 
terisirt  durch  die  kugelige  Frucht ,  deren  Hauptrippeu  schlänglieh ,  flach  ,  deren 
Nebenrippen  gerade  und  gekielt  sind.  Die  Thälchen  striemenlos,  dagegen  die 
Fugenseite  jeder  Theilfrucht  mit  2  Oelstriemen.  Endosperm  auf  der  Fugenseite 
concav  (Coelospermae). 

Coriandrum  sativum  L.,  Koriander,  Kaliander,  Schwindel- 
kraut, Wanzenkraut.  Ursprünglich  wild  in  Asien,  wird  die  Pflanze  jetzt 
auch  in  ganz  Europa,  Mähren,  Deutschland  (Erfurt), 
Holland  und  Frankreich  (Paris)  cultivirt. 

Stengel  30 — 60  cm  hoch,  gestreift,  oben  ästig,  untere 
Blätter  bald  zu  Grunde  gehend ,  mittlere  und  obere 
doppelt  gefiedert,  mit  ungetheilten  oder  fiederspaltigen 
Bl.uttchen  und  linealischen  Zipfeln.  Dolde  3 — 5  strahlig, 
Hölle  fehlend  oder  wenigblättrig,    Blättchen  der  Htill- 

ehen  fadenförmig.  Die  äusseren  Blüthen  stark  strahlend,     Coriander,  3mai  ver- 
Kronblätter  verkehrt  eiförmig,  ausgerandet  mit  ein-  ^Äien^hShnüt^ 
gebogenem  Läppchen.   Die  strahlenden  Blumenblatter  (nach  BerK>- 

herzförmig,  zweilappig. 

Die  beiden  Fruchthalften  hängen  meist  zusammen.  Die  ganze  Frucht  ist  kuglig, 
5  mm  lang  (eine  Sorte  ans  Bombay  war  nach  Flückiger  birnförmig,  7  mm  lang), 
von  der  Griffelbasis  gekrönt,  gelbbraun. 


Digitized  by  Google 


CORIANDRUM.  - 


Die  Hauptrippen  sind  sehr  wenig  erhaben ,  unregelmässig  geschlängelt ,  die 
Nebenrippen  treten  stärker  hervor,  die  am  Hände  der  Fruchthälften  stehen- 
den sehliessen  dicht  zusammen.  Die  Epidermis  besteht  aus  feingestreiften,  wellig 
polygonalen  Zellen,  zwischen  denen  im  oberen  Theile  der  Frucht  zahlreiche 
Stomatien  auftreten.  Das  innere  Gewebe  der  Fruchthaut  ist  ein  aus  unregelmässig 
gelagerten,  lang  gestreckten,  fast  völlig  verdickten  Zellen  bestehendes  Sclerenchym, 
welches  der  Frucht  ein  sehr  charakteristisches  Gepräge  verleiht  (Fig.  47).  Auf 
der  Fugenseite  hat  jede  Fruchthälfte  zwei  Oelstriemen,  auch  das  Gewebe  der 
Fruchthaut  enthält  ätherisches  Oel.  Das  Eiweiss  ist  concav,  der  dadurch  entstehende 
Hohlraum  wird  durch  lockeres  Parenchyni  der  Samenhaut  ausgefüllt  (Fig.  48  c). 


Fig.  47. 


Fig.  48. 


a 


Theil   eines  Querschnittes  durch 
Coriander ,  an  der  Stelle  ,  wo  die 
beiden  Theilfrücüte  am  Rande  ver- 
bunden sind  (nach  Berg). 
Vergr.  65. 


ler  Querschnitt  durch  die  doppelte 
Coriander-Frucht. 
a  Fruchtschale,  *  Oelstriemen,  c 
Endosperms. 


In  frischem  Zustande  hat  die  Pflanze  einen  betäubenden,  an  Wanzen  (/-ost;, 
Wanze)  erinnernden  Geruch.  Die  Frucht  enthält  0.7 — 1.1  Procent  ätherisches 
Oel,  das  Endosperni  13  Procent  fettes  Oel. 

FrurtiiH  s.  Set».  Cotiandri  dient  als  Gewürz  und  als  Arzneimittel  (in  allen 
Pharmakopoen  mit  Ausnahme  der  Ph.  Germ.  IL),  zur  Darstellung  des  S/nr.  aro- 
maticit*  (Ph.  Austr.),  der  Aq.  carminativa  (Pb.  Austr.).  Hart  wich. 

Coriaria,  Gattung  von  zweifelhafter  systematischer  Stellung,  von  Endlicher 
den  Malpighiaceae,  von  EiCHLER  den  Terebinthineae  angereiht.  Die  Arten  sind 
durch  hohen  Gerbstoflgebalt  ausgezeichnet,  der  Saft  von  Coriaria  thymifolia  H.  B. 
aus  Neu-Granada  soll  sogar  an  der  Luft  so  schwarz  werden,  dass  er  ohneweiters  als 
Tinte  verwendet  werden  kann.  Die  Blätter  von  Coriaria  myrtifalia  L.,  einer  im 
Mediterrangebiete  heimischen  Art,  sollen  zur  Fälschung  der  Senna  benützt  worden 
sein.  Sie.  sind  am  Grunde  dreinervig.  —  Vergl.  Coriamyrtin. 

Coridin  ist  eine  Base  von  der  Zusammensetzung  C,0  H,r,  N.  Sie  ist  von  Thexius 
im  Steinkohleutheer  gefunden  worden  und  als  Flüssigkeit  isolirt,  welche  noch  bei 
—  17°  nicht  erstarrt.  Spec.  Gew.  0.972.  Siedepunkt  211°.  Die  salzsaure  Verbindung 
gibt  mit  Platinchlorid  ein  Doppelsalz  in  Form  eines  dunkel  oraugegelbeu ,  schwer 
lOslicheu  Niederschlages. 

Corium  oder  Chorium  ist  der  binden  •webige  Bestandtheil  der  thierischen 
Haut  fs.  Cutis,  pag.  359 die  organische  Grundlage  des  Leders;  insbesondere 
versteht  man  unter  Corium  das  zum  Streichen  von  Pflastern  verwendete  weissgar 
gegerbte  Kalbsleder,  welches  unter  dem  Namen  „Lammfelle"  Handelswaare  ist.  — 
Corium  divinum  ist  auf  weisses  Schafleder  gestrichenes  Harzpflaster  (2  Th.  Ceratum 
Kesinae  Pini  und  1  Th.  Kesina  Pini). 


Digitized  by  Google 


CURLIEU'S  GICHT  PILLEN.  —  CORNIN. 


*99 


Corlieu's  Gichtpillen  bestehen  aus  5.0  g  Xatrium  benzoicum,  2.5  g  Natrium 
talicylicum,  1.5  g  Extr.  Colchid ,  5.0  g  Exlr.  Ai-oniii  und  5.0  g  Sapo  medi- 
catus  zu  100  Pillen. 

CormophytE  (Cryptogamae  vasculares) .  Kryptogamiscbe  Pflanzen,  deren 
vegetative  Theile  in  Stengel,  Blätter  und  Wurzeln  differenzirt  sind.  Der  Stengel 
ist  mit  Gefässbündeln  versehen.  Die  ausgebildete  Pflanze  ist  ungeschlechtlich, 
entwickelt  aber  an  den  Blättern  (Wedel)  oder  in  den  Blattachseln  Fruchtbehälter, 
in  welchen  die  Sporen  enthalten  sind.  Letztere  bilden  bei  der  Keimuug  einen  (meist) 
thallusartigen  Vorkeim  (Prothallium),  welcher  die  Sexualorgane ,  Antheridien  mit 
Spermatozoiden  ((5)  und  Archegonien  (9)  trfigt.  Aus  der  befruchteten  Keimzelle 
des  Archegoniums  entsteht  wieder  die  beblätterte,  vollkommene  Pflanze.  Zu  den 
Cormophyta  gehören  die  Equisetinae,  Lycopodinae  und  Füicinae.  Sydow. 

CoriTIUS  (xopp.6;,  8ttlck  von  einem  Stamme,  Klotz),  veraltete  Bezeichnung  für 
Rhizom. 

C0m-EX8tirpat0r8,  C0rn-Pla8ter  (engl.)  sind  Hühneraugenringe,  bezw. 
Hühneraugenpflaster. 

Com-flOOr  ist  eine  ans  England  kommende  Sorte  von  Maisstärke,  ähnlich  der 
Maizena  und  dem  Mondamin. 

Coril-Plaster,  Hühneraugenpflaster,  sind  Filzringe,  auf  der  einen  Seite  mit 
harzhaltigeni  Klebpflaster  bestrichen. 

Com-Silk  (engl.)  =  Stigmata  Maidits,  die  in  neuerer  Zeit  vou  Amerika 
aus  als  Diureticum  und  Antisepticum  bei  Blasencatarrh  und  als  steinlösendes  Mittel 
empfohlen  wurden. 

Cornacchini's  Pulvis  Scammonii  antimonialis  ist  dieselbe  Mischung  wie 

Cerbeni8  trieeps,  s.  d.  Bd.  II,  pag.  628. 

Cornaceae.  eine  Familie  der  Umbellißorae.  Meist  Sträucher  mit  ungeteilten, 
gewöhnlich  gegenständigen  Blättern  und  trugdoldigen  Inflorescenzen.  Charakter: 
Kelchsaum  vierzähuig.  Kronenblätter  vier,  vor  einer  oberständigen  Scheibe  ein- 
gefügt, in  der  Knospenlage  klappig.  Staubgefässe  vier,  mit  den  Kronblättern  ab- 
wechselnd. Griffel  1,  mit  kopfförmiger  Narbe.  Frucht  eine  zweifächerige,  selten 
durch  Abort  einfächerige  Steinbeere.  Sydow. 

Cornea,  die  Hornhaut  des  Auges,  stellt  ein  vollkommen  durchsichtiges 
Segment  (annähernd)  einer  Kugelschale  vor,  welches  wie  ein  Fhrglas  vorn  in 
die  äussere,  harte,  weissgefärbte  Unihüllungshaut  des  Augapfels  (Schrotica)  ein- 
gesetzt ist,  um  den  Lichtstrahlen  den  Eintritt  in  das  Innere  des  Auges  zu  gestatten. 
Sie  bildet  ein  brechendes  Medium  mit  stark  convexer  Oberfläche  uud  sammelt  die 
auffallenden  Lichtstrahlen. 

CornerJ-beef.  Diese  in  Deutschland  unter  dem  Namen  „amerikanisches  Büchsen- 
fleisch" bekannte  Fleischconserve  hat  von  ihrer  früheren  Beliebtheit  viel  verloren, 
weil  alle  Controle  fehlt,  ob  das  Fleisch  auch  wirklich  von  gesunden  Thiercn  stammt 
und  weil  in  der  That  schon  einige  Vergiftungen  vorgekommen  sind,  sei  es  in  Folge 
metallischer  Verunreinigung  durch  die  Ltfthmasse  oder  in  Folge  der  Verarbeitung 
von  Fleisch  kranker  Thiere. 

Cornln.  In  der  Wurzelrinde  von  Cornua  ßoridtt  L.  enthalten.  Geiger  stellte 
es  dar,  indem  er  den  wässerigen  Auszug  mit  Bleioxydhydrat  schüttelte,  das  Filtrat 
eindampfte,  mit  Alkohol  auszog,  mit  Aether  versetzte  uud  filtrirte.  Beim  Ein- 
dunsteu  scheidet  sich  das  Cornin  aus.  Es  bildet  weisse ,  seidenglänzende  Nadelu, 
von  bitterem  Geschmack ,  leicht  in  Wasser  und  Alkohol ,  nicht  in  Aether  löslich. 
Von  Metallsalzcn  und  Gerbsäure  wird  es  nicht  gefällt.  v.  Schröder. 


Digitized  by  Google 


300 


CORNU  CERVI.  —  CORNU3. 


Cornu  Cervi,  n  irschhorn.  Die  Geweihe  des  Hirsches,  Cervus  Elaphus  L. 
(8.  Bd.  II,  pag.  639),  spielten  in  der  filteren  Medicia  eine  nicht  unbedeutende  Rolle, 
sind  aber  jetzt  nur  noch  in  verschiedenen  Präparaten  in  Belgien,  Holland,  Frank- 
reich, Griechenland  uud  Spanien  officinell.  Dieselben  finden  sich  nur  beim  männ- 
lichen Thiere  und  sind  in  ihrer  Organisation  vollständig  von  den  Hörnern  der  Kühe, 
Ziegen  u.  s.  w.  verschieden,  indem  sie  nicht  aus  Horngewebe  bestehen,  sondern 
aus  ossificirendem  Bindegewebe,  das  sich,  wie  andere  aus  Colla  bestehende  (binde- 
gewebige) Substanzen,  durch  Kochen  mit  Wasser  in  Glutin  verwandelt  und  des- 
halb zur  Darstellung  von  schleimigen  Abkochungen  und  Gallerten  geeignet  ist. 
Mau  bedient  sich  dazu  nicht  mehr  der  ganzen,  von  dem  Thiere  naeh  der  Brunst- 
zeit abgeworfenen  Geweihe  oder  deren  Spitzen,  sondern  der  Abfälle,  welche  beim 
Verarbeiten  dieser  durch  die  Drechsler  resultireu  und  die  man  in  zwei  Sorten, 
die  eigentlichen  Drehspähne,  C.  C.  tornatum,  und  das  geraspolte  Hirsch- 
horn, Cornu  Cervi  raspatum  s.  Rasura  Cornu  Cervi  unterscheidet.  Letzteres, 
aus  einem  groben  Pulver  bestehend,  ist  weniger  gut  als  die  grau  weisslichen,  ge- 
wundene Stücke  darstellenden  Drehspähne,  die  namentlich  zur  Spociesform  sehr 
geeignet  sind.  Denselben  werden  vielfach  die  Abfälle  der  in  den  Drechsler- 
werkstätten verarbeiteten  Knochen  substituirt ,  die  Übrigens  in  ihrer  Zusammen- 
setzung wesentlich  identisch  sind.  Nach  Merat  dp:  Guillot  enthält  Hirschhorn 
27  Procent  Leim,  57.5  phosphorsauren  Kalk,  1.0  kohlensauren  Kalk  und 
14.5  Wasser,  doch  ist  die  Zusammensetzung  wechselnd  und  der  Kalkgehalt  in  den 
Geweihen  älterer  Thiere  grösser  als  iu  denen  jüngerer. 

Durch  Behandeln  mit  verdünnter  Salzsäure,  Auswaschen  mit  kaltem  Wasser  und 
Trocknen  wird  da«  in  Holland  officinelle,  von  den  Kalksalzen  befreite  Cornu 
Cervi  praeparatum  gewonnen ,  welches  vollkommen  durch  in  gleicher  Weise 
behandelte  Thierknochen,  die  sogenannte  Ossoline,  zur  Bereitung  schleimiger 
Suppen  ersetzt  wird. 

Im  Gegensatze  zu  diesem  Präparate  steht  das  noch  in  Spanien  in  Form  von 
Trochisken  offieinello  Cornu  Cervi  calcinatum  s.  ustum  album,  an  freier  Luft  bis 
zur  gänzlichen  Entfernung  der  organischen  Substanz  gebranntes  Hirschhorn,  welches 
fast  ganz  aus  phosphorsaurem  Kalk  besteht,  übrigens  jetzt  durch  die  weit  billigeren 
weissgebrannten  Knochen,  Ossa  usta,  ersetzt  wird.  Das  weissgebranute  Hirschhorn 
des  Handels  ist  sicher  aus  Knochen  bereitet  und  entspricht  dem  ersteren  jedenfalls 
besser  als  die  früheren  betrügliehen  Mischungen  mit  Calciumcarbonat  bis  zu  25  Procent 
oder  Bariumsulfat  (bis  zu  20  Procent!).  In  früherer  Zeit  wurde  Hirschhorn  auch 
zur  Herstellung  von  empyreumariseben  Producten  benutzt ,  die  jetzt  ebenfalls  aus 
Knochen  bereitet  werden ;  die  Bezeichnungen  Hirschhorngeist,  Spiritus 
cornu  Cervi,  für  das  wässerige ,  vorzugsweise  aus  Ammoniumcarbonat  bestehende 
Product;  Hirschhornöl,  Oleum  cornu  Cerci,  für  die  dickliche,  als  Thieröl 
bekannte  Flüssigkeit  haben  darin  ihren  Ursprung.  Das  zurückbleibende  Gemenge 
von  Kohle  und  phosphorsaurem  Kalk  (Knochenkohle)  hiess  Cornu  Cervi  ustum 
niyrum.  Tb.  Hnsemann. 

CornUS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie.  Meist  Holzgewächse  mit 
actinomorphen  vierzäbligen  Zwitterbltithen  und  Steinfrüchten. 

Drei  nordamerikanische  Arteu  sind  von  der  Ph.  Un.  St.  aufgenommen.  Es  sind  : 

Cornns  florida  L,,  Dogwood,  ein  Bäumchen  mit  beiderseits  augedrückt  be- 
haarten Blättern,  doldigen,  von  grossen  Hüllblättern  gestützten  Inriorescenzen 
und  r  o  t  h  e  n  Früchten  ; 

Cornns  aericeti  L  llerit. ,  Swamp  Dogwood,  ein  Strauch  mit  behaarten 
Zweigen ,  Blättern  und  Blüthen ,  welche  letztere  Trugdolden  bildcu  und  zu 
kugeligen,  blauen  Früchten  sich  entwickeln; 

Curnu.»  circinnato  U  Berit..  Round  leaved  Dogwood,  ein  Strauch  mit 
untersoits  graufilzigen  Blättern,  Trugdoldcu  und  bei  der  Reife  weissen 
Früchten. 


Digitized  by  Google 


CORNUS.  —  CORNUTIN. 


301 


Das  in  ihnen  enthaltene  angebliche  Alkaloid  C  o  r  n  i  n  (Carpenter)  wnrde  als 
ein  Gemenge  von  Ralksalzen  mit  einem  Bitterstoff  erkannt  (s.  pag.  2'.)9).  Ausserdem 
stellte  Geiger  aus  der  Wurzelrinde  ein  eigentümliches  Resinoid  dar. 

Die  ofßcinellen  Präparate  der  Ph.  Un.  8t.  sind  ein  Decoet  und  ein  Extract. 
Sie  gelten  als  wirksame  Tonica  und  Antitypica. 

Die  bei  uns  heimischen  und  in  Gärten  häufig  gezogenen  Arten  Cornus  Mas  L. 
(mit  gelben  Blflthendolden  und  rothen  Früchten)  und  Cornus  sanguinea  L.  (mit 
weissen  Trugdoldcn  und  schwarzen  Früchten)  finden  keine  arzneiliche  Verwendung. 
Die  Früchte  von  C.  Mas,  Kornel-  oder  Judenkirsche,  Hartriegel, 
Dirndl,  sind  geniessbar  und  waren  einst  auch  ein  Volksmittel  gegen  Durchfälle. 

Comutin  ist  der  von  Robert  vorgeschlagene  Name  für  ein  im  Mutterkorn 
enthaltenes,  intensiv  wirksames  Alkaloid,  dessen  Formel  bei  der  grossen  Kostbar- 
keit des  Materiales  bisher  nicht  bestimmt  werden  konnte.  Dasselbe  ist  weder  mit 
E  c  b  o  1  i  n  noch  mit  E  r  g  o  t  i  u  i  n  identisch. 

Zur  Darstellung  desselben  wird  pulverisirtes  ölhaltiges  ganz  frisches  Mutterkorn 
in  recht  grossen  Quantitäten  im  Verdrängungsapparate  mit  3procentiger  Salzsäure 
ausgezogen.  Die  abgetropfte  Flüssigkeit  wird  mit  Soda  fast  neutral  gemacht,  bei 
niederer  Temperatur  zum  Syrnp  eingednnstet  und  mit  Alkohol  extrahirt.  Von  dem 
alkoholischen  Extract  wird  der  Alkohol  abdestillirt  und  der  mit  Soda  alkalisch  ge- 
machte Rückstand  mit  Essigäther  extrahirt,  der  Aetherextract  durch  Schütteln  mit 
destillirtem  Wasser  gewaschen  und  dem  Essigätber  dann  durch  Schütteln  mit 
citronensäurehaltigem  Wasser  das  wirksame  Cornutin  neben  anderen  unwirksamen 
Alkaloiden  entzogen.  Ich  habe  Mutterkornsorten  untersucht,  wo  ich  aus  2  g  Pulver 
genug  darstellen  konnte,  um  es  chemisch  und  physiologisch  nachzuweisen.  Doch 
schwankt  der  Gehalt  ausserordentlich  und  sowohl  die  chemische  Untersuchung 
als  die  pharmakologische  Erfahrung  spricht  dafür,  dass  in  manchen  Jahr- 
gängen uud  Ländern  gar  kein  Cornutin  zur  Entwicklung  kommt,  sondern  statt 
dessen  Sphacelinsäure  und  umgekehrt.  Ferner  ändert  sich  auch  in  sehr  cornutin- 
haltigen  Mutterkorngort en  der  Gehalt  an  der  wirksamen  Base  sehr  rasch  und  nach 
zwölf  Monaten  ist  diese  meist  nur  noch  in  Spuren  vorhanden,  man  mag  das  Mutter- 
korn aufheben  wie  man  will. 

Das  oben  genannte,  überaus  giftige,  weiusaure  Alkaloidgemisch  bedarf  noch 
der  Trennuug  von  Schmieren  und  unwirksamen  Basen.  Die  dazu  eingeschlagenen 
Methoden  sind  bis  jetzt  noch  so  unsicher  und  unbefriedigend,  dass  hier  auf  die- 
selben nicht  eingegangen  werden  kann. 

Von  den  chemischen  Eigenschaften  des  Cornutin»  ist  Folgendes  zu  sagen.  Die 
freie  Base  ist  in  Wasser  unlöslich,  das  salzsaure  und  weinsaure  Salz  dagegen 
leicht  löslich.  Löslich  ist  das  Alkaloid  auch  in  Oel,  woher  es  aus  Oleum  Secalis 
rornuti  neben  Ergotinin  dargestellt  werden  kann,  wenn  man  das  Oel  sauer  aus- 
schüttelt. 

Durch  Sublimat  in  durch  Ba  (0  H)2  alkalisch  gemachter  Lösung  wird  das 
Cornutin  gefällt ;  ebenso  ist  es  durch  Phosphorwolframsäure ,  Phosphormolybdün- 
säure  und  durch  Quecksilberjodidjndkalium  fällbar.  Bei  allen  diesen  Fällungen 
aber  bekommt  man  es  neben  anderen  Alkaloiden. 

Man  würde  nun  vom  Cornutin  vor  einem  chemischen  Publicum  überhaupt  nicht 
zu  reden  berechtigt  sein,  wenn  nicht  beim  Auskrystallisiren  des  Ergotinin«  aus 
dem  oben  genannten  Alkaloidgemische  sich  herausgestellt  hätte,  dass  das  Ergotinin, 
ßobald  es  ganz  rein  ist,  völlig  unwirksam  ist,  während  dem  Reste  von  Alkaloiden, 
welche  in  der  Mutterlauge  bleiben,  die  Wirkungen  innewohnen,  welche  man  von 
Mutterkornalkaloiden  erwarten  muss,  nämlich  die  Erregung  von  Wehen,  so 
dass  die  schwangere  Gebärmutter  ihren  Inhalt  ausstösst.  Ein  von  Tanret  be- 
zogenes, mit  seinem  Siegel  versehenes,  prachtvoll  krystallisirtes  Ergotinin  hatte 
diese  Wirkung  eben  so  wenig  als  verschiedene  in  Deutschland  nach  Tanret's 
Vorschriften  dargestellte  Ergotininpräparate.    Der  von  Tanret  dem  Cornutin  ge_ 


Digitized  by  Google 


302 


C0RNUT1N.  —  CORRECTION. 


machte  Vorwurf,  dass  es  überhaupt  nicht  der  Erwähnung  werth  sei,  kann  daher 
von  der  Pharmakologie  auf  keinen  Fall  zugegeben  werden,  während  die  Chemie 
allerdings  so  lange  den  Körper  skeptisch  ansehen  darf,  bis  er  in  Krystallen  dar- 
gestellt und  analysirt  sein  wird.  Robert. 

Corolla.  heisst  die  Blumenkrone  im  Gegensatz  zum  Kelch  (Calyx,  Bd.  II, 
pag.  504).  In  systematischen  Werken  pflegt  man  für  dieselbe  die  Abkürzung  C, 
für  Kelch  die  Abkürzung  K  zu  gebrauchen.  —  8.  Blflthe,  Bd.  II,  pag.  314. 

Corona  imperialiS  ist  eine  von  Tournefort  aufgestellte,  mit  Fntillaria  L. 
synonyme  Gattung  der  Liliaceae. 

Radix  Coronae  imperialis  ist  die  jetzt  obsolete  Zwiebel  von  Fritillaria 
imperialis  L. 

COPOnilla,  Gattung  der  Papilionaceac  aus  der  Gruppe  der  Bedysaroideae, 
charaktcrisirt  durch  unpaar  gefiederte  Blätter ,  fUnfzähnigen ,  f ist  zweilippigen 
Kelch,  zugespitzte  Schiffchen,  zweibrüderige  Staubgefässe  und  gegliederte,  bei  der 
Reife  in  eiusamige  Glieder  quer  zerfallende  Hülsen. 

Coronilla  rar  in  L.,  Kronwicke,  eine  rothblflbende  Art  mit  vierkantigen, 
an  den  Gelenken  mit  einem  Ring  versehenen  Hülsen,  war  früher  als  Diureticum 
in  Gebrauch.  Das  Kraut  schmeckt  bitter. 

Coronilla  Emerns  L.,  ein  kleiner,  gelbblüthiger  Strauch  mit  stielrunden, 
hin  und  her  gebogenen,  an  den  Gliedern  eingeschnürten  Hülsen  (daher  Scorpion- 
Kronwicke),  ohne  Ring,  lieferte  die  einst  als  Purgans  gebräuchlichen  Folia 
Coluteae  scorpioidis  (s.  Bd.  III,  pag.  230). 

Coronilla  scorpioides  Koch  (Ornithopus  scorpioides  L.),  eine  eben- 
falls gelb  blühende  Art,  besitzt  dreizählige,  fast  sitzende  Blätter,  drei-  bis  vier- 
blüthige  Dolden  und  bogig  gekrümmte ,  vierkantige ,  gestreifte ,  bis  4  cm  lange 
Hülsen. 

Sie  ist  ein  in  Südeuropa  häufiges  Ackerunkraut,  dessen  Samen  ein  bitteres 
Alkaloid  enthalten.  Südfranzösische  Gerste  ist  häufig  mit  den  Samen  verunreinigt 
und  durch  das  aus  solcher  Gerste  bereitete  Malz  gelangt  das  Alkaloid  in  das  Bier, 
welches  davon  einen  sehr  bitteren  Geschmack  erhält.  J.  Moeller. 

C0tt)Z0S  ist  der  im  Handel  gebräuchliche  Name  für  Steinnüsse  (s.  d.). 

CorpiJS  bezeichnet  einen  einfachen  oder  zusammengesetzten  Grundstoff  (Körper) 
für  pharmaceutisebe  Präparate. 

CorpUS  luteum.  Zu  Beginn  einer  jeden  Menstruation  platzt  ein  GRAAF  scher 
Follikel  im  Eierstocke,  wobei  gewöhnlich  auch  ein  Bluttropfen  in  den  Follikel 
gelangt.  Bei  der  Rückbildung  des  geborstenen  Follikels  entsteht  ein  durch  Fett 
und  Blutfarbstoff  (Hämatoidin)  gelb   gefärbter  Körper  etwa  von  Erbsengrösse : 

Corpus  luteum. 

COrpUS  Sine  anima  sind  die  noch  nicht  potenzirten  Zuckerstrenkügelchen 
der  Homöopathen. 

CorreCtion  ist  eine  Verbes  serung,  die  man  an  Messungsresultaten  vornimmt, 
um  noch  Nebenumstände  von  genau  bestimmbarem  Einfluss  zu  berücksichtigen, 
deren  Vernachlässigung  das  Resultat  um  einen  kloinen  Betrag  fehlerhaft  erscheinen 
Hesse.  Von  dieser  Art  sind  die  Temperaturcorrectionon  bei  Längenmessungen,  bei 
der  Bestimmung  des  Barometerstandes,  bei  Dichtenbestimmungen,  bei  der  Ermitt- 
lung des  Volumens  einer  Flüssigkeit  mit  Messgefässen ,  ferner  die  Correction  bei 
Wägungen  wegen  des  Gewichtsverlustes  der  Körper  in  der  Luft  und  viele  andere. 
Als  Correction  eines  Messapparates  bezeichnet  man  die  Vornahme  aller 
Operationen ,  durch  welche  er  zur  unmittelbaren  Ausführung  einer  Messung  von 
solcher  Genauigkeit,  wie  sie  seine  Einrichtung  Uberhaupt  gestattet,  geeignet  wird. 

Pitsch. 

Digitized  by  Google 


CORRECTIONSSYSTEME.  —  CORTEX. 


303 


Correctionssysteme.  Bei  den  stärkeren,  von  dem  Optiker  für  eine  be- 
stimmte Deckglasdicke  corrigirten  Trocken-  und  Wasserimmersionssystenien  äussert  die 
wechselnde  Dicke  des  Deckglases,   welche  unter  den  heutigen  Verhältnissen  etwa 

zwischen  0.08  bis  0.25  mm  schwankt ,  einen 
Fig.  49.  bestimmten  Einfluss   auf  den  Strahlengang  im 

Mikroskope,  welcher  eine  der  sphärischen  Ab- 
weichung ähnliche,  die  Zeichnung  des  Bildes 
in  mehr  oder  minder  nachtheiliger  Weise  treffende 
Erscheinung  veranlasst. 

Um  diesen  Einfluss  zu  beseitigen ,  versieht 
man  die  gedachten  Systeme,  welche  dann  als 
Correctionssysteme  bezeichnet  werden, 
mit  einer  mechanischen  Vorrichtung,  welche  es 
gestattet,  die  Entfernung  zwischen  den  vor- 
deren und  hinteren  Linsen  in  gewissen  Grenzen 
abzuändern,  das  heisst  für  ein  dem  normalen 
gegenüber  dickeres  Deckglas  dieselbe  zu  ver- 
mindern, für  ein  dünneres  zu  vergrössern. 

Wir  können  hier  auf  die  mechanische  Ein- 
richtung der  Correction88y steme  nicht  näher  ein- 
gehen und  begnügen  uns  unter  Hinweis  auf  die 
Abbildung  eines  ZEiss'scben  Objectives  dieser 
Art  (Fig.  49)  damit,  zu  sagen,  dass  innerhalb 
der  feststehenden ,  aus  mehreren  Stücken  zu- 
sammengesetzten (äusseren)  Fassung  A  B  der 
vorderen  Linsen  (oder  der  vorderen  Linse  bei 
3gliederigen  Systemen)  mittelst  eines  Schrau- 
benringes E  die  ebenfalls  aus  mehreren  Stücken 
bestehende  (innere)  Fassung  C  der  hinteren 
Linsen  auf-  und  abbewegt  werden  kann ,  während  auf  dem  Ringe  gelbst  ein 
die  betreffende  Deckglasdicke  —  in  der  Kegel  von  0.1  bis  0.2  mm  —  angebende, 
auf  eine  in  der  festen  Fassung  befindliche  Marke  einzustellende  Theilung  ange- 
bracht ist.  Dippel. 

CorrigenS.  In  der  Receptirkunde  nennt  man  Corrigens  oder  Verbesserungs- 
mittel  (corrigere,  verbessern)  ein  zur  Verhütung  gewisser  Nebenwirkungen  des 
Hauptmittels  bestimmtes  Medicament.  Es  findet  sich  in  den  Recepten  gewöhnlich 
nach  dem  Adjuvans,  wenn  ein  solches  ausser  der  Basis  verordnet  ist.  Man  unter- 
scheidet das  eigentliche  Corrigens  als  Corrigens  virium,  die  Wirkung  verbessern- 
des Mittel,  von  dem  zur  Verbesserung  äusserer  Eigenschaften,  namentlich  des  Ge- 
schmackes oder  des  Geruches  bei  Verordnung  übel  schmeckender  oder  riechender 
Arzneistoffe  verordneten  Corrigens  saporis ,  beziehungsweise  odorh ,  welches  im 
Recept  die  letzte  Stelle  (nach  dem  Vehikel)  einnimmt ,  übrigens  oft  mit  diesem 
zusammenfällt  (Oelzucker,  Syrupe,  Pulv.  Cacao  n.  a.  m.).  Zu  den  Corrigentien 
der  äusseren  Eigenschaften  gehört  auch  das  Omans,  mit  welchem  die  alte 
Arzneiverordnungslehre  in  Form  gefärbter  Syrupe  für  flüssige  Mischungen, 
Gold-  und  Silberblättchen  für  Species  u.  a.  m.  viel  Missbrauch  trieb. 

Th.  Husemann. 

Corrudä,  ein  mit  Attparagu8  L.  synonymer  Gattungsname  Webkb's.  Radix 
und  Semen  Corrudae,  einst  in  Südeuropa  gebräuchlich,  stammen  von  Asparagua 
acutifolius  L.    (A.  Corruda  Scop.). 

Cortex.  Die  in  arzneilicher  Verwendung  stehenden  Rinden  'sind  unter  ihrem 
Gattungsnamen  beschrieben;  die  morphologischen  und  anatomischen  Verhältnisse 
b.  unter  Rinden. 


CORTI-SCHES  ORGAN.  —  COUYMBÜS. 


Cortl'SCheS  Organ,  so  benannt  nach  Marchege  Alfonso  Coeti,  ist  die 
Endausbreitung  des  Gehörnerven  in  der  Sehnecke  des  Felsenbeinlabyrintb.es.  Man 
kann  es  mit  einer  Miniaturharfe  vergleichen.  Die  Endfäserchen  des  Gehörnerven 
sind  von  verschiedener,  von  unten  nach  oben  stetig  abnehmender  Lange.  Die  In- 
tensität des  Tones  wird  durch  die  Grösse,  die  Höhe  des  Tones  durch  die  Schnellig- 
keit der  Schwingungen  dieser  Fäserchen  empfunden. 

Corvisart's  Medecine  de  Napoleon,  8.  Aqua  laxativa  Corvisart, 

Bd.  I ,  pag.  536.  —  Corvisart'S  PoudreS  nutrimentives  sind  Mischungen  von 
Pepsin  mit  Amylum  und  je  nach  Bedarf  MilcJaäure ,  Morphin  etc.  —  Corvi- 
8arfS  Scorbtltwein  wird  bereitet  durch  6sttlndige  Maceration  von  8  Th.  Radix 
Armoraciae  recens,  4  Th.  fernen  Sinapis  cont.,  2  Th.  Ammonium  chloratum  mit 
12  Th.  Spiritus  Cochlea riae  und  250  Th.  Vitium  Gallicum  album.  —  Corvisart'ft 
SyttJpus  Pepsini  ist  eine  Lösung  von  0.3  g  Pepsin  in  30  g  Sy  rupus  C^erasorum. 

Corydalin,  c1bh10no4,  eine  in  den  Knollen  mehrerer  Cor ydalis- Arten,  au 
Fumarsäure  uud  Aepfelsäure  gebunden  vorkommende  Base.  Das  Corydalin  wird 
erhalten  durch  Extrahiren  der  betreffenden  Knollen  mit  Wasser  oder  angesäuertem 
Wasser,  Fällen  mit  Soda,  Lösen  des  Niederschlages  in  Alkohol,  Verdunsten,  Lösen 
in  saurem  Wasser  und  abermaliges  Fällen ,  oder  auch  indem  man  zur  Fällung 
Phosphorwolframsäure  benutzt,  die  Doppel  Verbindung  mit  Kreide  zersetzt  und  mit 
Alkohol  auskocht.  Das  Corydalin  löst  sich  nicht  in  Wasser,  schwer  in  Alkohol, 
ist  löslich  in  Aether,  Chloroform,  Amylalkohol,  Schwefelkohlenstoff,  Benzol,  Ter- 
pentinöl ;  aus  alkalischer  Flüssigkeit  kann  es  mittelst  Aether  ausgeschüttelt  werden. 
Aus  concentrirter  Lösung  krystallisirt  es  in  kurzen,  weissen  Prismen,  aus  alko- 
holischer Lösung  wird  es  durch  Wasser  in  feinen  mikroskopischen  Nadeln  gefallt. 
Beim  Erhitzen  beginnt  es  bei  180°  sich  zu  zersetzen,  nachdem  es  sich  schon  bei 
110°  gelb  färbt.  In  saurem  Wasser  ist  Corydalin  leicht  löslich  und  seine  Salze 
krystallisiren  leicht  und  gut. 

Mit  den  Alkaloidreagentien  gibt  es  Reactionen ;  durch  Alkalien  wird  es  aus  seiner 
sauren  wässerigen  Lösung  gefällt,  von  einem  t'eberschuss  des  Fällungsmittels  jedoch 
wieder  aufgelöst.  Ganswindt. 

CorydaÜS,  Gattung  der  Fumariaceae :  Kräuter  mit  dreizählig  fiederig  zu- 
sammengesetzten, zarten  Blättern,  unregelmässigen,  gespornten  Blüthen  und  schoten- 
förmigen, zwei  klappigen,  viel  sämigen  Früchten. 

Die  knolligen  Rhizome  von  Corydalis  cava  Schweigg.  et  Ki'/rte  (C.  bulbosa 
Pers.J  und  Corydalis  solida  Stn.  (C.  digitata  Fers.)  waren  einst  als  Radix 
Aristoloch  iae  (s.  Bd.  I,  pag.  565)  in  der  Thierheilkunde  als  Wurmmittel 
in  Gebrauch.  Abgesehen  von  der  in  den  Namen  ausgedrückten  Verschiedenheit 
der  Knollen  unterscheidet  sich  C.  solida  durch  eine  trockenhäutige  Schuppe  an 
der  Stengelbasis  von  0.  cava,  welcher  diese  Schuppe  fehlt.  j.  Moeller. 

CorylllS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Cupuliferae.  Die 
(5  Kätzchen  hängen  zu  2 — 3  au  den  vorjährigen  Zweigen;  die  kleine,  knospeu- 
förmige  T  Inflorescenz  überwintert  in  den  Laubknospen.  Die  reifen  Nüsse  stecken 
in  einer  Cupula  mit  zerschlitztem  Saume. 

Die  Früchte  von  Corylus  Avellana  X.,  Haselnuss,  Noisette,  und  das 
aus  ihnen  gepresste  Oel  sind  von  dem  Cod.  med.  aufgenommen.  Bei  uns  sind  die- 
selben, sowie  die  Früchte  anderer  Arten  (Corylus  tubulosa  Willd.,  Lambert s- 
nuss)  nur  Genussmittel. 

Die  Haare  der  Cupula  einer  nordamerikanischen  Art  (Corylus  rostrata  Ait.) 
sollen  mit  Erfolg  gegen  Eingeweidewürmer,  offenbar  mechanisch  wirkend,  an- 
gewendet worden  sein.  j.  Moeller. 

CorymDUS  (lat.j,  veraltete  Bezeichnung  für  Doldentraube.  Man  nennt  diesen 
Blüthenstand  jetzt  gewöhnlich  T  r  u  g  d  o  1  d  e ,  C  y  m  a  ( 's.  d.). 

Digitized  by  Googl 


COKYPHA.  -  COSMETICA. 


Corypha,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Palmen,  auf 
der  Ertlichen  Hemisphäre  verbreitet.  Corypha  cerifera  Arr.  ist  synonym  mit 
Copernicia  cerifera  Mart. ,  der  Mutterpflanze  des  Carnauba- Wachses  (s.  Bd.  II, 
pag.  564). 

Coryza  (xo^x,  eine  Erkältungskrankheit,  deren  Folgen  sich  an  den  Schleim- 
Iiiuten  des  Kopfes  zeigen)  bedeutet  Schnupfen. 

Coryzarium  =  Olfactorium  anticatarrhoicum  Hageb. 

CoSCinilim,  Gattung  der  Menispermaceae,  synonym  mit  Pereira  Lindley. 

Cos  ctnium  feitest  ratum  Öolebrook  ist  die  Stammpflanze  des  C  o  1  o  m  b  o- 
holzes,  welches  angeblich  Berberin  enthält.  Nicht  zu  verwechseln  mit  Radix 
Colombo  (s.  Bd.  HI,  pag.  223). 

CoSITIBtica  (xo<Tj/ia>,  ich  schmücke),  Schönheitsmittel.  Cosmetica  im 
eigentlichen  Sinne  des  Wortes,  Mittel,  welche  Schönheit  erzeugen  können,  existiren 
selbstverständlich  nicht.  Der  Sprachgebrauch  versteht  unter  diesem  Namen  Mittel, 
▼eiche  die  körperliche  Schönheit  erhalten  und  heben  oder  Mängel  derselben 
beseitigen  und  verdecken.  Die  ersteren  sind  wesentlich  conservirende  und  hygie- 
nische Mittel ;  zu  ihnen  gehört  auch  das  einzige  rationelle  Cosmeticum,  das  Bad, 
und  die  passende  Pflege  des  menschlichen  Körpers;  ihrer  bediente  sich  auch  die 
Ars  ornatrix  der  alten  Römer.  Zu  der  zweiten  Gruppe  gehören  zerstörende  und 
die  ausserordentlich  zahlreichen  Mittel,  welche  die  Täuschung  des  Beobachters  be- 
twecken ;  sie  sind  das  Rüstzeug  der  auch  jetzt  noch  blühenden  Ars  fucatrix. 
Im  weitesten  Sinne  gehören  zu  den  cosmetischen  Mitteln  oder  wenigstens  zur  Cos- 
metik  eine  Anzahl  chirurgischer  Eingriffe,  wie  die  Entfernung  von  Warzen, 
plastische  Operationen,  das  Tätowiren  von  Hornhautflecken. 

Der  Gebrauch  cosmetischer  Mittel  ist  sehr  alt,  jedenfalls  so  alt  als  die  Cultur 
überhaupt ;  in  alten  Zeiten  sowie  zum  Theile  auch  noch  jetzt,  waren  sie  Geheim- 
mittel  und  oft  im  widersinnigsten  Aberglauben  begründet;  mit  dem  Fortschreiten 
der  Cultur  kam  ihre  Erzeugung  und  Verbreitung  in  die  Hände  der  Badeinhaber, 
Friseure,  später  der  Parfumeure  und  verschiedener  Geschäfteleute.  In  der  Gegen- 
wart sind  sie  aus  geheimen  Mitteln  wirkliche  Geheimmittel  mit  all  deren  Schäden 
geworden  und  können  nur  schwer  und  allmälig  den  Händen  von  Marktschreiern  und 
Curpfuschern  entwunden  werden.  Den  Fortschritten  der  Dermatologie  und  der 
Pharmacie  ist  es  zu  danken,  dass  die  dem  Individuum  oft  sehr  schädlichen, 
giftigen  Substanzen,  die  in  ihre  Zusammensetzung  eintreten,  aufgedeckt  und 
durch  andere,  so  weit  eben  möglich,  rationellere  Stoffe  ersetzt  werden.  Dem  Apo- 
theker nnd  dem  Arzt  fällt  also  die  doppelt  wichtige  Aufgabe  zu,  die  Hygiene  der 
Cosmetica  einerseits  und  andererseits  die  therapeutische  Wirksamkeit  derselben  zu 
studiren,  eine  Aufgabe,  welche  zum  Theile  sich  mit  dem  Studium  der  Geheim- 
mittel i  s.  d.)  deckt. 

Die  Schönheitsmittel  finden  ihre  Anwendung  an  der  äusseren  Hant,  an  den 
Haaren  umd  Nägeln)  und  im  Munde  (beziehungsweise  an  den  Zähnen).  Man  kann 
also  Haut-,  Haar-  und  Mundcosmetica  unterscheiden.  Bei  den  genannten 
Organen  handelt  es  sich  bei  Anwendung  der  Cosmetica  um  Erzielung  der  Rein- 
lichkeit, der  Glätte  und  Geschmeidigkeit,  um  Erhaltung  oder  Ersatz  der  natürlichen 
oder  jugendlichen  Farbe,  schliesslich  um  die  Ertheilung  oder  Vernichtung  eines 
Geruches.  Die  Eintheilung  der  Cosmetica  könnte  auch  von  diesen  Gesichtspunkten 
aus  stattfinden ;  da  aber  ein  Mittel  oft  in  mehreren  Gruppen  genannt  wird  und 
für  manche  sehr  wichtige  Stoffe,  z.  B.  Enthaarungsmittel,  kein  Raum  wäre,  so 
scheint  die  nachfolgende  Gruppirung,  welche  sich  in  der  Terminologie  der  in  der 
Arzneimittellehre  gebräuchlichen  anschliesst,  vortheilhafter. 

1.  Emollientia,  erweichende  Mittel ;  Stoffe,  welche  Haut,  Haare  und  Nägel 
zum  Theil  durch  chemische  Wirkung,  zum  Theil  auf  mechanischem  Wege  erweichen, 
quellen  machen,  den  Zusammenhang  der  Gewebe  lockern. 

K«al-Encyclopädie  der  gea.  Pharmacie.  III.  20  Digiti; 


306 


COSMETICA. 


Hierher  gehören  das  Wasser,  besonders  das  warme  Wasser,  ferner  schlei- 
mige Mittel  in  Wasser  suspendirt  oder  gelöst ,  z.  B.  Kleie,  Mandelkleie,  Malz 
als  Waschmittel  für  die  Haut,  oder  als  Klebe-  und  Glättungsmittel  für  die  Haare, 
wie  Rad.  Bardanae,  Ei  weiss  (Eier)  als  Waschmittel  für  die  Haare.  Sehr 
wichtige  cosmetische  Mittel  sind  die  Fette  (Adiposa)  zur  Glättung  und  zum 
Schutze  der  Haut  vor  atmosphärischen  Einflüssen,  zur  Erziel ung  des  Glanzes  der 
Haare.  Es  werden  sowohl  die  Oele  des  Pflanzenreiches  (Mandel-,  Oliven-,  Ricinusöl, 
sowie  die  festen  Fette  Cacaobutter,  Cocosfett,  Palmöl)  und  die  thierischen  Fette 
(Schweinefett,  Walrat,  Rindsmark)  als  die  Mineralöle  (Paraffin  und  Vaseline)  und 
statt  der  erstgenannten  auch  ölreiche  Samen  entweder  gepulvert  oder  in  Form  der 
Emulsion  verwendet.  Das  Glycerin,  welches  gewöhnlich  den  Fetten  angereiht 
wird,  gehört  nur  bedingt  in  diese  Gruppe;  es  macht  die  Haut  allerdings  für  den 
Moment  geschmeidig,  wirkt  aber  bei  längerer  Anwendung  durch  seine  Hygro- 
skopicität  eher  reizend.  Es  findet  ausgebreitete  Anwendung  zur  Darstellung  vieler 
cosmetischer  Präparate. 

Zunächst  gehören  hierher  die  Alkalien.  Während  die  eben  genannten  Mittel 
vorzugsweise  auf  mechanischem  Wege  erweichend  wirken,  erweichen  die  Alkalien 
das  Gewebe  der  Haut,  deren  Epidermis  sie  zu  lösen  im  Stande  sind.  Sie  lösen 
durch  Verseif  ung  das  fette  Hautsecret  und  vernichten  insbesondere  pflanzliche 
Parasiten  der  Haut.  Wegen  der  durch  sie  bewirkten  Lockerung  des  Gewebes  und 
Abstossung  der  obersten  Schichten,  machen  sie  die  Haut  zur  Aufnahme  eines 
anderen  Cosmeticums  geeignet  und  dienen  deshalb  häufig  zu  vorbereitenden  Pro- 
ceduren.  Sie  dürfen  nur  stark  vordünnt  in  Auwendung  kommen,  da  sie  in  cou- 
centrirtem  Zustande  ätzen ;  hierher  gehören  ätzende  und  kohlensaure 
Alkalien,  essigsaure  Alkalien,  sowie  der  Borax.  Der  letztere,  bei 
welchem  die  Wirkung  des  zweiten  Componeuten.  der  Borsäure,  "wesentlich  ist.  bildet 
einerseits  den  Uebergang  zu  den  Säuren,  andererseits,  da  er  sich  in  seiner 
Wirkung  an  die  Seifen  eng  anschliesst,  zu  diesen.  Dieselben  Mittel  werden  auch 
als  chemische  Reinigungsmittel  für  die  Zähne  verwendet.  In  der  lösenden  Wirkung 
auf  Epidermidalgebilde.  auf  Hornsubstanz,  schliessen  sich  an  die  Aetzalkalien  die 
A 1  k  a  1  i  s  u  1  f  i  (1  c  und  die  S  u  1 1  h  y  d  r  a  t  e  derselben.  Es  werden  deshalb  die  letzteren, 
sowie  auch  die  entsprechenden  Kalkverbindungen  als  Enthaarungsmittel 
(s.  Depilatoria)  verwendet:  auch  der  Schwefel  selbst,  der  fein  vertheilt, 
Bestandteil  vieler  Oosmetica  ist,  wirkt  nur  in  den  eben  genannten  Verbindungen 
mit  den  Alkalien. 

Die  Verbindungen  der  Alkalien  mit  den  fetten  Säuron,  die  Seifen,  schliessen 
sich  tu  ihrer  Wirkung  und  auch  in  ihrer  Anwendung  den  Alkalien  selbst  an.  Sie 
dienen  zur  Reinigung  der  Haut,  der  Haare  und  der  Zähne,  zur  Entfernung  der 
1-pidermisschuppeu  und  werden  präparatorisch  vor  Application  anderer  Cosmetiea 
angewendet.  Harte  Seifen  (Natronseifeu)  wirken  milder,  weiche  Seifen  (Kaliseifen) 
kräftiger,  ätzender;  die  überfetteten  Seifen  dürften  sich  zu  cosmetischen  Zwecken 
am  besten  eignen.  Die  Seifen  dienen  ferner  zur  Herstellung  von  Emulsionen ; 
sowohl  in  dieser  Hinsicht,  als  auch  als  Waschmittel  können  den  Seifen  saponin- 
hältige  Pflanzentheile,  z.  B.  Seifenwurzel  substituirt  werden. 

2.  Adstringentia.  Mittel,  welche  auf  chemischem  oder  mechanischem  Wege 
Horngewebe  straffer  machen,  austrocknen  ,  den  Schweiss  beseitigen  und  die  Haut 
erblassen  machen ;  in  gewissem  Sinne  sind  hierher  auch  manche  Tonica,  das  heisst 
solche  Mittel  zu  rechnen,  welche  den  Elasticitäts-  und  Spannungszustaud  der  Haut 
erhöhen.    Manche  der  Adstringentia  dienen  auch  als  Zerstörungsmittel. 

Die  Mineralsäuren,  Schwefelsäure.  Salpetersäure  und  Chromsäure  dienen 
in  concentrirtem  Zustande  zur  Beseitigung  von  Warzen  und  Schwielen.  Von  den 
Pflanzensäuren  haben  denselben  Effect  concentrirte  Essigsäure  (Chlorcs&ig- 
säure)  und  Citronensänre ;  ebenso  die  Milchsäure. 

Auch  concentrirte  Carbolsäure  und  Salicylsäure  zerstören  derartige  Wucherungen 
des  Horngewebes. 


Digitized  by  Google 


COSMETICA. 


Alle  genannten  Säuren  in  passender  Verdünnung  (mit  Ausnahme  der  Salpeter- 
und  der  Chromsäure)  finden  auch  zum  Erblassenmachen  rother  (erytheniatöser)  oder 
auch  gelber  und  brüunlieher  Flecken  der  Haut  Verwendung.  Endlich  werden  sie 
auch  zur  Beseitigung  von  localen  Sehweissen  (Achseln,  Fflsse)  gebraucht.  Dazu 
dient  auch  die  Weinsäure  und  der  Weinstein. 

Ziemlich  beschränkte  Anwendung  finden  die  Gerbsäure  und  die  gerbsäure- 
haltigen pflanzlicheu  Mittel ;  sie  dienen  zur  Beschränkung  der  Secretion ,  also 
ebenfalls  zur  Beseitigung  localer  Schweisse,  ferner  als  eigentliche  Tonica  zur 
Erhöhung  der  Resistenz  und  der  Elasticität  der  Gewebe ;  aus  diesem  Grunde  werden 
sie  in  der  Cosmetik  des  Mundes  (des  Zahnfleisches)  verwendet  und  siud  sie  beliebte 
Zusätze  zu  Haarwuchsmitteln.  Hierher  gehören  Catechu,  Kino,  Eichenrinde,  Salbei- 
blätter u.  a.  Bei  der  Chinarinde,  welche  ebenfalls  hierher  zu  zählen  ist,  kommt 
auch  wohl  nur  die  Gerbsäure  in  Betracht,  jedoch  schreibt  mau  aueh  ihren 
Alkaloiden  selbst  bei  nur  äusserlicher  Application  eine  gewisse  tonisireude  Wirkung 
zu  und  verwendet  die  Rinde  oder  das  Chinin  in  der  CoBiuetik  des  Mundes  und 
der  Haare. 

Zu  den  Adstringentieu  gehören  ferner  die  Präparate  des  Bleis,  die  des  Zinks, 
Wismuts,  Quecksilbers  und  der  Thon  erde,  insoweit  dieselben  zur  Be- 
seitigung von  übelriechenden  Localschweissen,  zum  Erblassenmachen  von  gerötheten 
Hautstellen  und  zur  Entfernung  von  umschriebenen  Hantfärbnngen  dienen.  Die 
meisten  dieser  Präparate  sind  übrigens  nicht  ungefährlich  und  sollten  nie  in  käuf- 
liche Gosmetiea  aufgenommen  werden  —  was  dessenungeachtet  oft  genug  geschieht  — 
sondern  nur  auf  ärztliche  Anordnung  hin  Anwendung  finden;  dasselbe  gilt  von 
den  Jod  mi  tteln. 

Eine  Sonderstellung  nimmt  der  Alkohol  ein .  welcher  conceutrirt  als  Reiz- 
mittel, verdünnt  als  eigentliches  Adstringens,  besonders  als  schwcissverminderndcs 
Mittel  wirkt.  In  ersterer  Form  findet  er  besonders  in  Verbindung  mit  Riechstoffeu, 
dann  als  Haarwuchsmittel,  als  austrocknendes  uud  fettlösendes  Mittel,  in  Ver- 
dünnung zu  Wasehwässcrn  ausgedehnteste  Anwendung. 

Im  Anschlüsse  an  die  eigentlichen  Adstringentia  sind  noch  einige  wenige 
Reizmittel  zu  nennen,  die  hie  und  da  in  der  Absicht  gegeben  werden ,  die 
Haut  zu  reizen  und  dadurch  zu  röthen  oder  durch  den  Reiz  zu  lebhafter  Thätig- 
keit  anzuspornen.  Man  gibt  zu  ersterem  Zwecke  Senf,  zum  zweitgenaunteu 
Canth ariden.  Sabina,  Veratrum  fals  Haarwuchs- Beförderungsmittel). 

3.  Färbende  Mittel.  Diese  Classc  von  Mitteln  findet  ausserordentlich 
häufige  Verwendung  in  der  Cosmetik.  Sie  dienen  dazu,  der  Haut  des  Gesichtes, 
der  Lippeu,  der  Hände,  des  Nackens  eine  schöne,  jugeudliche  Farbe  zu  verleihen 
oder  um  hässlich  oder  auffallend  (roth)  tingirte  oder  ergraute  Haare  zu  färben. 
Bei  der  Cosmetik  der  Haut  kommen  Mittel  zur  Verwendung,  welche  mehr  oder 
weniger  dicht  aufgetragen,  die  Farbe  uud  das  Aussehen  der  unterliegenden  Haut 
nicht  erkennen  lassen,  einfache  Deck  mittel;  hierher  gehören  S  t  ä  r  k  e  m  e  h  1 
(Reispuder),  Kreide,  Talk,  Zinkoxyd.  Von  Farben,  welche  auf  die  Haut 
aufgetragen  werden  ,  gehören  hierher  basische  W i s m u t s a l z e ,  Haryum- 
s n  1  f a t,  Bleiearb onat  (sämmtlich  weiss),  Zinnober,  Carmin  und  A  1 1  o x a n, 
ein  farbloses  Oxydationsproduct  der  Harnsäure,  welches  sich  auf  der  Haut  unter 
Bildung  von  Murexid  und  eines  rothen  Farbstoffes  zersetzt  (roth),  Indigo  und 
Berlinerblau  (blau),  Ocker  (gelbj.  K i e n r u s s  (schwarz). 

Zur  Färbung  der  Haare  kommen  nur  wenige  eigentliche  Farben  zur  Verwen- 
dung; hierher  gehören  nur  die  chinesische  Tusche  und  der  orangerothe 
Farbstoff  der  Henna,  weleher  mit  Indigo  combinirt,  Farben  von  gelb  bis 
dunkelviolett  (schwarz)  liefert;  auch  der  Farbstoff,  der  in  den  grünen  Wall- 
nussschaleu  enthalten  ist,  ist  vielleicht  hierher  zurechnen.  Alle  anderen  Haar- 
färbemittel wirken  auf  chemischem  Wege,  und  zwar  sind  es  meistens  dunkelgefärbte 
Niederschläge,  welche  auf  dem  Haare  erzeugt  werden.  S  a  1  p  e  t  c  r  s  a  u  r  e  s  Silber, 
Wismut-  und  Bleipräparate,  auch  Eisen,  werden  mit  Schwefelpräparaten, 

^*Digitized  by  Google 


308 


COSMETICA. 


meist  mit  Schwefel  selbst,  mit  Schwefelkalium,  Schwefelnatrium  and 
Calciumsulfhydrat  zusammengebracht  und  in  die  betreffenden  Schwefel  Ver- 
bindungen übergeführt. 

Kupfer-  und  Eisensalze  werden  mit  Gerbsäure,  dieselben  Metalle, 
ferner  Silber  und  dopp  elt  chromsau  res  Kalium  werden  auch  mit  Pyro- 
gallussäure  zusammen  applicirt.  Der  letztgenannte  Körper  wird  auch  für  sich 
allein  in  alkoholischer  oder  wässeriger  Lösung  angewendet,  er  oxydirt  sich  leicht 
unter  Bildung  eines  braunen  amorphen  Stoffes;  übermangansaures  Kalium, 
wird  für  sich  allein  oder  mit  Natriumhydrosulfuret  verwendet.  An  diese 
Gruppe  schliessen  sich  an: 

4.  Die  entfärbenden  Mittel.  Hierher  gehören  die  schon  genannten 
mineralischen  Säure n ,  Quecksilberpräparate,  besonders  S u b  1  i m a t 
und  weisser  Präcipitat,  das  Chlor  und  seine  Präparate,  namentlich  Chlor- 
wasser  und  Chlorkalk  und  Wasserstoffsuperoxyd,  welches  nur  zur 
Entfärbung  rother  Haare  (gelbblonde  Färbung)  dient. 

5.  Die  Geruch  verbessernden  oder  Riechmittel  bilden  eine  sehr 
wichtige  Gruppe  der  Cosmetica.  Sie  dienen  hauptsächlich  dazu,  den  Gebrauch  der 
übrigen  cosmetischen  Mittel  angenehmer  zu  machen,  ferner  zur  Verbesserung  der 
Atmosphäre  und  der  Exhalationsluft  des  Individuums. 

Eine  Einthcilung  der  hierher  gehörigen  Stoffe  oder  eine  Aufzählung  derselben 
ist  schon  deshalb  kaum  möglich,  weil  die  kauflichen  mit  dem  Namen  einer  Blume 
oder  Substanz  versehenen  Stoffe  fast  niemals  den  betreffenden  Riechstoff  allein 
enthalten,  sondern  in  der  Regel  eine  mehr  oder  minder  complicirte  Mischung 
verschiedener  Substanzen  darstellen.  Man  verwendet  sie  in  alkoholischer,  essig- 
saurer oder  öliger  Lösung.  Aus  dem  Thierreiche  stehen  im  Gebrauche  Moschus, 
Ambra  und  Zibeth,  aus  dem  Pflanzenreiche  die  ätherischen  Oele 
der  Blüthen  der  Akazie,  des  Jasmins,  der  Heliotrope,  des  Lavendels,  der 
Nelken,  Narcissen.  Orangen,  Rosen,  Tuberosen,  Veilchen,  die  der  Blätter  der 
Orange,  des  Patchouli,  der  Minzen ;  ferner  ätherische  Oele  aus  Wurzeln,  wie 
Iriswurzel,  aus  Früchten,  wie  das  der  bitteren  Mandeln,  aus  dem  Pericarp 
von  Früchten,  wie  Orangen  ,  Citronen-,  Bergamottöl,  aus  Hölzern,  wie  Oleum 
Santal.  aus  Rinden,  wie  Zimmtöl,  weiters  krystallisirte  Riechstoffe  aus  verschiedenen 
Pflanzenorganen  vieler  Familien,  wie  Cumarin  und  Vanillin,  endlich  wohlriechende 
Harze,  wie  Storax,  Benzof».  Mastix.  Eine  Anzahl  von  Riechstoffen  wird  künstlich 
dargestellt,  wie  Vanillin  und  Mirbanöl,  Fruchtäther;  die  natürlichen  werden  den 
Pflanzen  entzogen  durch  Pressen,  Maceration,  Enfleurage,  Destillation  mit  Wasser 
und  Alkohol  und  Extraction  (s.  Aetherische  Oele).  Wie  schon  erwähnt, 
werden  die  auf  verschiedene  Weise  gewonnenen  Riechstoffe  gewöhnlich  gemischt, 
um  dann  häutig  andere,  an  bestimmte  Blumen  erinnernde  Parfüms  zu  liefern  oder 
um  milder  und  lieblicher  zu  werden.  Im  Allgemeinen  dienen  sie  als  Zusatz  zu 
Waschmitteln.  Mundwässern  und  Haarcosmeticis. 

<>.  Die  Geruch  zerstörenden  Mittel  finden  nur  selten  an  der  Haut, 
gewöhnlich  im  Munde  Verwendung.  Hierher  gehören  der  Ch  lor kalk ,  Bor- 
saure,  Carbolsäure,  essigsaure  Thon  erde  und  übermangansaures 
Kalium. 

Die  Formen,  in  welchen  Schönheitsmittel  zur  Anwendung  kommen,  sind  u.  A. 
folgende : 

Cosmetica  für  die  Haut:  Essenzen,  spirituöse  Lösungen  von  Riech- 
stoffen, auch  E  x  t  r  a  i  t  s  genau  nt ;  Tincturen  zur  Verwendung  als  Parfttmflüssig- 
keiten ,  Spreng-  und  Toilettewässer ,  Eaux  de  Bouquet;  Riechessige, 
Toiletteessige,  Vinaigres  de  Toilette,  Lösungen  kräftig  riechender 
•  Stoffe,  von  Oelen  und  Harzen  in  Essig.  Die  genannten  Formen  geben  mit  Wasser 
verdünnt,  durch  Ausscheidung  des  gelösten  Körpers  in  fein  vertheilten  Tröpfchen, 
meist  milchig  getrübte,  emnlsionähnliche  Flüssigkeiten  —  Schönheitsmilch, 
Lait  de  beaute.  Lait  virginal,  Eau  de  Princesse. 

Digitized  by  Google 1 


C03METICA. 


309 


Aehnüche  trübe  Flüssigkeiten  werden  auch  mit  Hilfe  von  Mandelemulsion 
oder  von  Seifenlösungen  hergestellt  und  ähnlieh  bezeichnet :  Lait  de  Lilas, 
Lait  de  Coneombres.  Andere  trübe  Schönheitswäaser ,  welche  vor  dem  Ge- 
brauche aufzuschütteln  sind,  sind  die  mit  Sehwefelmilch  vernetzten. 

Halbfeste  bis  dickflüssige  Mischungen  werden  Cremes  genannt.  Es 
sind  mit  Hilfe  von  Weingeist  und  Glycerin  halbflüssig  gemachte  Seifen: 
Kali  crSnie,  Seifen  er  6me;  oder  Salben  aus  Wachs,  Spermaceti,  Mandelöl, 
Cacaobutter,  Glycerin  u.  dergl. :  Creme  Celeste,  Cold  cream. 

Feste  Mischungen  sind  Pasten  und  Pulver;  erstere  sind  gewöhnlich 
Waschmittel,  als  deren  Grundlage  oft  Mandeln  verwendet  werden ;  auch  Pulver, 
deren  Grundlage  Seife  oder  Mandeln ,  Borax  u.  s.  w.  sind ,  sind  als  Wasch- 
pulver Waschmittel.  Eine  besondere  Art  der  Pulver  sind  die  sogenannten 
Toilettepulver,  Puder,  Poudres;  sie  bestehen  zum  grössten  Theile  aus 
Amylum  und  Talksteinpulver ;  diese  sind,  wie  aus  dem  vorher  Gesagten  ersichtlich, 
frrÖsBtentheils  Deck-  und  Schutzmittel  für  die  Haut.  Damit  sie  besser  auf  dieser 
haften,  werden  diese  Pulver  oft  mit  etwas  Spermaceti  angestossen.  In  dieser  Form 
bilden  sie  den  üebergang  zu  den 

Schminken.  Diese  gehören  zu  den  wichtigsten  Cosmeticis.  Sie  sind  entweder 
Puder  oder  flüssige  Schminken  oder  Fettschminken;  nach  der  Farbe 
sind  sie  weiss,  roth,  blau,  gelb,  schwarz.  Den  ersteren  wird  ein  Zusatz 
von  Barytweiss,  Wismutsalzen  oder  Zinkoxyd  zur  Erzielung  eines  kraftigeren  Weiss 
gegeben;  zu  den  anderen  werden  die  obgenannten  Färbemittel  hinzugesetzt.  Die 
flüssigen  sind  Schüttelmixturen  oder  Lösungen  mit  Alkohol  u.  dergl.  und  werden 
mittelst  Pinsels  auf  die  Haut  gebracht,  daselbst  eintrocknen  gelassen  und  der  Ueber- 
schuss  mit  einem  Tuche  abgewischt.  Die  Fettschminken  sind  entweder  Salben, 
die  mit  einem  weichen  Tuche  oder  Leder  auf  der  Haut  verrieben  werden,  oder 
festere  Fettgemische,  Cerate  in  Stangenform,  welche  wieder  entweder  selbst  zur 
Zeichnung  (wie  ein  Griffel)  dienen  oder  mit  den  Fingern  oder  einem  Tuche  auf 
die  Haut  aufgetragen  werden.  Die  Puder  werden  mittelst  der  Puderquaste  oder 
mittelst  Haar-  oder  Sehwanenfederpinsel  auf  die  Haut  gestäubt.  Die  Entfernung 
der  Schminken  von  der  Haut  (das  Abschminken)  geschieht  bei  den  Pudern  und 
den  flüssigen  Schminken  durch  einfaches  Abwaschen  mit  Wasser ,  bei  den  Fett- 
schminken durch  Abreiben  mit  Oel  oder  anderen  Fetten. 

Zur  Cosmetik  der  Haare  werden  verwendet: 

Kopfwa  schwä88er,  Haarwässer  und -Geister:  Alkoholische  Lösungen 
von  Seifen,  Fetten,  Alkalien,  balsamischen  Mitteln,  oder  auch  nur  von  Riechstoffen. 
Hierher  gehören  auch  ähnliche  Lösungen  von  scharfen,  tonischen  und  adstringiren- 
den  Mitteln,  denen  man  eine  specielle  Wirkung  auf  das  Wachsthuni  der  Haare 
zuschreibt,  wie  z.  B.  China-  und  Gerbsäurepräparate,  Canthariden,  Sabina,  Veratrum 
oder  von  indifferenten,  angeblich  dieselbe  Wirkung  besitzenden  Mitteln,  wie  Bardana. 
Das  sind  dann  die  Haar-  und  Bartwuchsmittel  (Esseuzen),  ferner  die 
Schuppenwässer. 

Bandolinen,  schleimige,  dickflüssige  Mischungen  von  Tragant,  Gummi- 
schleim u.  dergl.,  dienen  zum  Fixiren  und  Kräuseln  der  Haare. 

Haaröle  und  Haarpomaden,  Mischungen  sehr  reiner  Fette  mit  Riech- 
stoffen oder  mit  wirksamen  Extractformen  oben  genannter  Mittel,  sowie  mit  Alkohol, 
Agar-Agar,  Glycerin.  Dieses  letztere  sowie  Wachs  und  Wallrat  machon  Pomaden 
transparent  (B  rill  antin  e)  und  fest.  Die  Oele  sind  flüssig,  Pomaden  haben 
8albenconsistenz ;  Stangen  pomaden  und  Bartwichsen  sind  Mischungen 
von  Cerat-  oder  Pflasterconsistenz ,  welche  ihnen  durch  Zusatz  von  Wachs, 
Gummi,  Seife,  Terpentin  ertheilt  wird.  Gewisse  Oele  und  Pomaden  stehen  im 
Rufe,  den  Haarwuchs  zu  befördern,  z.  B.  Ricinusöl,  Rindsmark,  Kammfett, 
Bärenfett. 

Auch  Haarfärbemittel  werden  in  Form  von  Oelen  und  Pomaden  häufig 
verwendet. 


Digitized  by  Google 


310 


COSMETICA. 


Die  früher  erwähnten  Depilatorien  werden  in  der  Regel  in  der  Form  von 
mehr  oder  minder  weichen  Pasten  angewendet. 

Bei  der  Cosmetik  des  Mundes  kommen  in  Betracht : 

Lippenpomaden,  das  sind  parfümirte  Gerate  oder  Salben  und  Lippen- 
schminken, welche  entweder  flüssige  oder  feste  sind. 

Die  cosmetischen  Mittel  für  die  Mundhöhle  selbst  sind  hauptsächlich  Zahn- 
reinigungsmittel. Zahnpulver  sind  Pulver,  die  nebst  einer  Grundlage  von 
Kreide  «der  anderen  Kalkpräparaten  irgend  ein  antiseptisches  oder  adstringirendee 
Mittel,  z.  B.  Seife,  Borax,  Ratanha.  China,  ferner  einen  Riechstoff  und  manchmal 
auch  einen  Farbstoff*  enthalten.  Von  den  praktischen  Aerzten  werden  einigen 
Stoffen,  zumal  manchen  scharf-aromatischen,  gerbstoffhaltigcn,  aromatischen  und 
balsamischen  Mitteln,  besondere  Wirkungen  auf  Zahnfleisch  und  Mundschleimhaut 
zugeschrieben ,  welche  denn  auch  in  fast  allen  Zubereitungen  dieser  Art  Platz 
finden.  Ebenso  werden  herkömmlicher  Weise  zur  Parfümirung  bestimmte  Riechstoffe, 
z.  B.  Mentha  und  Caryophylli  verwendet.  Dieselben  Mittel  dienen  auch  zur  Zu- 
sammensetzung anderer  Mundpräparate.  Solche  sind  Zahnpasten,  mehr  oder 
weniger  zähe  Teige,  welche  ans  den  genannten  Pulvern  mit  Hilfe  von  Glyeerin 
oder  Syrnp  geknetet  werden;  dasselbe  sind  Zahnlatwergen.  Harte  Zahn- 
pasten sind  Pulver,  welche  nach  dem  Anfeuchten  mit  Weingeist  in  später 
austrocknende  Massen  gepresst  werden.  Zahnseifen,  tVsto  oder  gelöste,  stark 
parfümirte  Seifen  oder  Seifenmischungen. 

Zahn  wässer  oder  Mundwässer  sind  wässerige  oder  spirituöse,  parfümirte 
Lösungen  der  oben  gedachten  Mittel;  dergleichen  concentrirtc  alkoholische  Lösungen, 
welche  vor  dem  Gebrauch  in  der  Regel  mit  Wasser  zu  verdünnen  sind,  heissen 
Z  a  h  n  t  i  n  c  t  u  r  e  n.  Manchmal  werden  antiseptische,  adstringirende,  desodorisirende, 
auch  wohl  einfache  Rieehmittcl  in  Form  von  Pastillen  oder  Cachou  (kleine 
Pillen)  gebracht.  Zahnkitte  sind  keine  cosmetischen  Mittel. 

In  Bezug  auf  Hygiene  können  als  gesundheits  unschädlich  befrachtet 
werden  die  meistcu  der  aus  dem  Pflanzen-  oder  Thierreiche  entnommenen  Stoffe 
mit  Ausnahme  Ktark  reizender  Mittel,  wie  z.  B.  Canthariden ;  als  direct  schäd- 
lich sind  zu  bezeichnen  die  mit  Metallen  zubereiteten  Cosmetiea ;  der  Schaden,  den 
dieselben  bei  der  Anwendung  zufügen,  ist  entweder  ein  localer,  die  Haut  wird 
unter  ihrer  Application  gereizt,  entzündet;  oder  sie  wird  starr,  lederartig  oder 
brüchig,  glanzlos.  Manchmal  werden  die  Ausgange  der  Hautdrüsen  verstopft  und 
diese  entzündet  (Acne)  oder  es  entsteheu  verschiedenartige  andere  entzündliehe 
Hautkrankheiten.  Der  Schaden,  den  solche  Mittel  zufügen,  kann  aber  auch  ein  a  1 1- 
ge  mein  er  sein,  und  sie  sind  um  so  gefährlicher,  je  mehr  sie  auch  von  der  unver- 
letzten Haut  resorbirt  werden. 

Zahlreirhe   Metall  Vergiftungen   siud   in  Folge  Anwendung  metallischer 
Schminken  und  Haarfärbemitel  beobachtet  worden. 

Als  das  gefährlichste  Mittel  steht  obenan  das  sowohl  zu  Schminken  als  zur 
Haarfärbung  verwendete  Bleti.  Derartige  Präparate,  nach  deren  langjähriger  Au- 
wendung häufig  schwere  Vergiftungen  vorkommen,  siud  mit  Recht  in  Oesterreich 
und  Deutschland  verboten.  Ihm  ftdgt  das  Quecksilber,  und  zwar  vornehmlich  das  zu 
Sehönhcitswässern  und  Hautmitteln  überhaupt  verwendete  Chlorid;  es  kann  Allge- 
mein- und  Localvergiftungen  hervorrufen ;  andere  in  der  Cosmetik  verwendete 
Quecksilberpräparate,  z.  B.  weisser  Präcipitat  siud  ziemlich  unschädlich  ;  von  Wistnut- 
salzen,  welche  zur  Hautcosmetik  und  zur  Haarfärbung  verwendet  werden,  von  Kupfer 
und  Silbersalzen,  die  ausschliesslich  dem  letzteren  Zwecke  dieneu,  sind  bisher  nur 
locale  Vergiftungen,  manchmal  allerdings  von  bedeutender  Intensität  beobachtet  worden. 

Der  Nachweis  derartiger  gesundheitsschädlicher  Beimengungen  in  den  käufliehen 
Cosmetieis  und  Geheim  in  ittcln  (s  d.),  wird  häutig  von  Amtswegen  ver- 
langt und  ist  nach  dem  bekannten  Gaug  der  Analyse  auszuführen.  Kleine  Modili- 
catiouen  der  Analyse,  auf  welche  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann,  müssen 
häufig  vorgenommen  werden. 

Digitized  by  Google 


COSMETICA.  —  COTO.  '  311 

Literatur:  Trommsdorf,  Toilettenknngt.  1804.  —  Dittcl,  Cosmetik.  1814.  — 
Dachauer,  Coametiache  Receptirkanst.  18G4.  —  Debay,  Lea  Parfüms  de  la  Toilette, 
2.  Aufl.,  Paris  1677;  idem,  Hygiene  de  la  beaate  huuiaine  lSt>4;  idem.  H.  du  visage  et  de 
la  peau,  1865;  idem,  H.  des  cheveux  1865.  —  Piesxe,  Des  Odenr.s  des  Parfüms  et  des 
Cosmetique«.  2.  Aufl..  Paris  1877.  —  Hirzel,  Toilettemhemie  (ein*»  Bearbeitung  des  Pies Be- 
sehen Werkes).  I.  Aufl.  1674.  —  Anspitz,  Seife.  1867.—  BernaUik,  Cosmetica  in  Eulen- 
bnrjrs  Real-Encyclopädie.  P  a  »  c  h  k  i  s. 

COSmi'8  Pulvi8  arSeniCaÜS,  s.  unter  Aetzpulver,  Bd.  I,  pag.  172. 

COS  moline  ist  einer  der  vielen  Namen  für  Vaseline. 

COSmOSfaser  ist  eine  aus  Pflanzenfasern  dargestellte  Kunstwolle,  welche  als 
8urrogat  der  Schafwolle  in  der  Tuchfabrikation  verwendet  wird. 

Costilla  de  vaca,  auch  Barb  a  8  c  o  .  heissen  in  Mexico  zwei  zum  Vergiften 
der  Fische  und  gegen  Hautkrankheiten  angewendete,  in  neuester  Zeit  auch  nach 
Europa  gelangende  Drogen.  Die  sogenannte  schwarze  C.  stammt  von  einer 
Paidtinia- Art  (Sapindaceae),  die  weisse  C.  von  einer  Guuanin- Art  (Rhamnaceae). 

COStUS  dUlCiS   =  Canella  alba. 

Cotamin.  Cvi  H13  N(>3  +  H3  O.  Entsteht  neben  Opiausäure  bei  der  Ein- 
wirkung verschiedener  Oxydationsmittel  (Braunstein  und  Schwefelsäure,  Platinchlorid, 
verdtlnnte  Salpetersäure  i  auf  Narcotin. 

Man  stellt  es  dar,  indem  mau  in  eine  koeheude  Losung  von  2  Th.  Narcotin  in 
30  Th.  Wasser  und  3  Th.  Schwefo'säure,  3  Th.  Braunstein  bringt.  Nach  Erkalten 
und  mehrstündigem  Stehen  filtrirt  man  die  Opiausäure  ab,  neutralisirt  das  Filtrat 
theilweise  mit  Kalk,  setzt  dann  Soda  bis  zur  alkalisehen  Reaction  hinzu  und  fällt 
durch  concentrirte  Natronlauge  das  Cotamin,  welches  dann  aus  Benzol  umkrystal- 
lisirt  wird.  Es  bildet  farblose  Nadeln,  wenig  löslich  in  Wasser,  leioht  in  Alkohol 
und  Aether;  frisch  gefällt  ist  es  leicht  löslich  in  Ammoniak  und  Soda,  kaum  in 
Kalilauge;  Salpetersäure  bewirkt  Bildung  von  Apophyllensäure ;  Salzsäure  spaltet  es 
beim  Erhitzen  in  Aethylchlorid  und  Cotarnaniinsäure ;  Zink  und  Salzsäure  redticirt 
es  zu  Hydroeotarnin ;  bromwasserstoffsaures  Cotarnin  nimmt  dircet  2  Atome  Brom 
auf  unter  Bildung  von  Bromcotarnindibronüd ;  durch  Erwärmen  von  Cotarnin  mit 
Aethyljodid  und  etwas  absolutem  Alkohol  eutsteht  Aethylcotarnin.  Das  salzsaure 
Salz.  Cl2  Hl3  NO,  .  Cl  H  -f  2  Ii  0 .  bildet  lange,  seideuglänzonde  Krystalle.  Die 
Platinchloridverbindung  stellt  einen  eitronengelben ,  kristallinischen  Niederschlag 
dar,  der  beim  Trocknen  roth  wird.  Ist  ungif'tig.  v.  .Schröder. 

CotO.  Unter  dieser  Bezeichnung  gelangt  seit  etwa  zehn  Jahren  eine  Baum- 
rinde aus  Bolivien  in  den  Handel  ,  zuerst  für  eine  Chinarinde  ausgegeben  oder 
unter  solche  gemengt. 

Die  Abstammung  ist  nicht  bekannt:  Vogl  schrieb  sie  einer  Lauractc  zu  und 
betonte  die  Aehnlichkeit  des  Baues  mit  dem  der  Rinde  von  Cryptoearia  prettosa 
Mart.,  von  anderer  Seite  wurde  sie  einer  Nrctandra  zutfesehriebeu.  Moeller 
ist  geneigt,  sie  wegen  unten  zu  erwähnender  Eigentümlichkeiten  von  einer  Moni- 
miacee  abzuleiten.  Da  die  Zufuhren  der  besonders  in  der  ersten  Zeit  viel  ver- 
langten Binde  unregelmässig  und  wenig  reichlich  waren ,  versuchte  man  ihr  andere 
Rinden  zu  substituiren.  von  denen  eine,  die  Pa  ra cot o rinde  ebenfalls  Verwen- 
dung geunden  hat.  Die  Bezeichnung  Para  hat  nichts  mit  der  brasilianischen  Provinz 
Para  zu  thun,  sondern  ist  der  Rinde  nach  dem  aus  ihr  dargestellten  Glyeosid  Para- 
eotoin,  im  Gegensatz  zum  Cotoin  der  echten  Cotorinde,  beigelegt  worden;  trotz- 
dem bezeichnet  man  sie  auch  als  Cortex  Coto  de,  Farn  oder  Cort.  Coto  falsus. 

Aussehen  und  Bau  der  Coto-  und  Paracotorinde  stimmen  so  sehr  ilberein,  dass 
sich  die  Rinden  nur  durch  die  Reactionen  der  in  ihnen  enthaltenen  Stoffe  unter- 
scheiden lassen.  Sie  bestehen  aus  bis  zu  2  cm  dicken  Stücken ,  von  (oft  bereits 
entferntem)  braungrauem  Korke  bedeckt.  Innenseite  braun ,  grob  längsstrcifig. 
Bruch  aussen  körnig,   innen  grobsplitterig.    Am  Querschnitte  bemerkt  man  in 


Digitized  by  Google 


312 


COTO.  -  COTOIN. 


grosser  Anzahl  mohnkorngrosse  gelbe  Punkte.  Der  Geschmack  ist  ziemlich  brennend, 
gewürzhaft.  Genich  und  Geschmack  der  Paracotorinde  soll  mehr  an  Muscatnuss 
erinnern.  Das  Periderm  besteht  ans  dünnwandigen  Korkzellen,  deren  Schichten 
durch  meist  einfache  Reihen  einseitig  (innen)  sclerosirter  Zellen  von  einander  ge- 
trennt sind.  Ein  grosser  Theil  der  Mittelrinde  wird  Bclerotisch,  so  dass  gegen 
die  Innenrinde  ein  unregelmässiger,  oft  unterbrochener  8clerenchymring  entsteht. 
Das  dünnwandige  Parenchym  enthält  in  zahlreichen  Zellen  gelbes  ätherisches  Oel. 
Im  äusseren  Theile  des  Bastes  rinden  sich  ebenfalls  noch  8teinzellenklumpen.  Weiter 
nach  innen  treten  Gruppen  von  Stabzellen  auf,  die  zuweilen  die  Breite  mehrerer 
Baststrahlen  einnehmen.  Die  Zellen  der  2 — 4reihigen  Markstrahlen  sind  zwischen 
den  Stabzellengruppen  sclerosirt.  Der  Weichbast  ist  aus  Parenchym  und  zusammen- 
gefallenen Siebröhren  geschichtet.  Die  Parenchymzellen  führen  oft  ätherisches  Oel 
und  kurzprismatische  Oxalatkrystalle.  Die  in  grosser  Anzahl  vorhandenen  Stab- 
zellen, die  an  Stelle  der  gauz  fehlenden  Bastfasern  stehen,  weisen,  wie  erwähnt, 
die  Rinde  wahrscheinlich  den  Monimiaceen  zu. 

Die  Cotorinde  enthält :  ein  Glycosid  C  o  t  o  i  n ,  Dicotoin ,  Piperouylsäure  (Me- 
thylenprotocatechusäure),  ausserdem  ätherisches  Oel,  Harze  und  Gerbstoff. 

Die  Paracotorinde  enthält:  Paracotoin,  Hydrocotoin,  Dibenzoylhydrocotoin, 
Leucotin,  Oxyleucotin,  ebenfalls  Piperonylsäure,  ätherische«  Oel,  welches  aber  von 
dem  in  der  Cotorinde  enthaltenen  verschieden  ist,  Harze  und  Gerbsäure. 

Von  all  diesen  Stoffen  besitzen  nur  C  o t o i  n  und  Paracotoin  die  physio- 
logischen Eigenschaften,  welche  die  medicinische  Verwendung  der  Rinden  bedingen. 
Sie  werden  theils  in  Substanz,  theils  als  Tinctur  und  Extract  verwendet.  Doch 
benützt  man  sie  selten,  da,  wie  oben  angeführt  ist,  sowohl  oft  andere  Rinden  sub- 
stituirt  werden,  als  auch  die  Unterscheidung  der  echten  Cotorinde  von  der  weit 
weniger  wirksamen  Paracotorinde  schwierig  ist,  mehr  bedient  man  sich  des  aus 
ihnen  dargestellten  Cotoin  und  Paracotoin. 

Beide  Rinden  gelten  als  Specificum  gegen  Diarrhoe.  Sie  sind  vorsichtig  aufzu- 
bewahren. 

In  den  brasilianischen  Provinzen  Rio,  St.  Paolo,  Minas  Geraes  heisst  die  strauch- 
artige Palicurea  deruriflora  Martins  (Ruhiaceae)  Cotö-Cotö.  Man  bedient 
sich  ihrer  zum  Vergiften  der  Ratten. 

Literatur:  Vor],  Commentar  z.  ösierr.  Pharmakopoe.  —  Hartz,  Arch.  d.  Pharm. 
1875.  —  Jobst  u.  Hesse.  Ber.  d.  d.  ehem.  Ges.  1877.  —  Moeller,  Anatomie  der  Baum- 
rinden. 1882.  Hartwich. 

CotOIII,  CnH.gO.i.  Findet  sich  in  der  Cotorinde.  Zur  Darstellung 
desselben  wird  nach  Jobst  und  Hesse  die  gröblich  gepulverte  echte  Cotorinde 
im  Verdrängungsapparat  mit  kaltem  Aether  extrahirt ,  der  Acther  zum  grössten 
Theil  entfernt  und  der  noch  warme  Rückstand  mit  warmem  Petroleumäther  vermischt. 
Nach  hierdurch  bewirkter  Abscheidung  einer  schwarzbraunen  öligharzigen  Masse 
und  Klärung  wird  die  Lösung  abgegossen  und  der  freiwilligen  Verdunstung  über- 
lassen, wobei  die  Krystallisation  des  Cotoins  in  grossen  schwefelgelben  Krystallen 
erfolgt.   Es  wird  aus  Wasser  unter  Zusatz  von  Thierkohle  mehrmals  umkrystallisirt. 

Das  Cotoin  bildet  blassgelbe ,  meist  gekrümmte  Prismen ,  wenn  es  wie  oben 
gewonnen  wird,  während,  wenn  man  eine  Auflösung  der  Substanz  in  Chloroform 
oder  Alkohol  langsam  verdunsten  lässt,  das  Cotoin  in  grossen  Prismen  oder  Tafeln 
anschiesst.  Es  löst  sich  leicht  in  Alkohol,  Chloroform,  Benzin,  Aceton  und  Schwefel- 
kohlenstoff, ist  dagegen  nahezu  unlöslich  in  Petroläther.  Kochendes  Wasser  löst 
reichlicher  wie  kaltes;  letzteres  nimmt  sehr  wenig,  aber  unter  Gelbfärbung  auf. 
Aetzende  und  kohlensaure  Alkalien  lösen  Cotoin  leicht,  daraus  durch  Säuren  fäll- 
bar. Concentrirte  Salpetersäure  färbt  sich  durch  Cotoin  schon  in  der  Kälte  blut- 
roth  und  löst  es  beim  Erwärmen,  worauf  beim  Erkalten  oder  Wasserzusatz  ein 
rothes  Harz  sich  abscheidet.  Concentrirte  Schwefelsäure  löst  das  Cotoin  mit  braun 
gelber  Farbe.  Concentrirte  Salzsäure  löst  Cotoin  beim  Erwärmen  unter  Gelbfärbung ; 
beim  Erkalten  scheidet  sich  unverändertes  Cotoin  ans.  Die  wässerige  Lösung  des 


Digitized  by  Googl 


COTOIN.  -  COUMAROUNA.  313 

• 

Cotoins  reagirt  neutral  and  rednoirt  in  der  Kälte  Silber-  und  Goldsalze.  Bleizucker 
pribt  k«ine,  Bleiessig  gelbe  Fällung.  Eisenchlorid  gibt  in  verdünnter  Lösung  schwarz- 
braune Färbung,  in  concentrirter  schwarzbraune  Fällung.  Die  FRHLiNo'sche 
Losung  wird  beim  Erwärmen  rasch ,  in  der  Kälte  langsam  reducirt.  Das  Cotoin 
schmeckt  beissend  scharf,  sein  Staub  verursacht  Niesen  und  Hustenreiz.  Es  schmilzt 
bei  130*  zu  einer  gelblichen  Flüssigkeit.  Es  ist  nicht  flüchtig.  Von  Derivaten  und 
Verbindungen  des  Cotoins  sind  zu  erwähnen  das  Tribleicotoin,  CM  H12  Pbs  06,  das 
Tribromcotoin  und  das  Triacetylcotoin.  Durch  Einwirkung  von  starker  Salzsäure 
beim  Erhitzen  oder  schmelzenden  Kalis  entsteht  Benzoesäure.  Das  Cotoin  findet 
therapeutisch  als  Antidiarrhoicum  Verwendung.  Bürkaet  gab  dasselbe  bei  Darm- 
catarrh  Erwachsener  zu  0.05 — 0.08  pro  die  in  Mixturform.  v.  Schröder. 

CotOfl  ist  der  französische  Name  für  Baumwolle.  C  o  t  o  n  jode  der  Ph.  Franc, 
in  der  Weise  bereitet ,  dass  man  25  g  beste  Baumwolle  mit  2  g  fein  zer- 
Jod  gleichmässig  bestreut,  diese  in  eine  Literflasche  mit  weiter  Oeffnung 
gibt  und  nun  das  Gefäss  einige  Minuten  in's  Wasserbad  bringt,  um  die  Luft  theil- 
weise  auszutreiben;  dann  verschliesst  man  das  Gefäss  gut  und  lfisst  noch  zwei 
Stunden  im  Wasserbade,  so  dass  das  verflöchtigte  Jod  sich  auf  der  Cellulose  wie  ein 
Farbstoff  niederschlägt. 

Cotoneaster,  Gattung  der  Rosaceae,  Unterfamilie  Pomeae.  Kleine  Holz- 
gewächse mit  unterseits  filzigen  Blättern  und  zwei-  bis  fünfsteinigen  Früchten. 
Von  einer  asiatischen  Art  (C.  nummularia  Fisch.  &  Meyer)  stammt  die  als 
Shir-kisht  auf  den  indischen  Markt  kommende  Manna-Sorte. 

CottOnÖl,  s.  Baumwollsamenöl.  Bd.  II,  pag.  177. 

Coty IßdOfl  (xotuXtj&öv,  Saugwarze)  ist  der  von  einer  irrigen  physiologischen 
Vorstellung  hergeleitete  Name  für  die  Keimblätter  oder  Samenlappen, 
welche  nicht  Nahrnng  aus  dem  Boden  saugen ,  sondern  meist  von  dem  Embryo 
aasgesaugt  werden.  Sie  gehören  zu  den  Niederblättern  (s.  Blatt,  Bd.  11., 
pag.  280),  sind  zumeist  sehr  einfach  in  der  Form,  chlorophyllfrei  und  im  physio- 
logischen Sinne  als  Reservestoffbehälter  aufzufassen,  welche  fnnetioniren ,  solange 
der  Embryo  der  assimilirenden  Laubblatter  entbehrt  Die  Cotyledonen  vieler 
Pflanzen  treten  bei  der  Keimung  gar  nicht  an  das  Tageslicht ;  wenn  sie  den  Boden 
durchbrechen,  so  pflegen  sie  auch  zu  ergrttnen  und  ähneln  dann  Laubblättern. 
Die  Cryptogamen  entbehren  der  Keimblätter,  bei  den  Phanerogamen  haben  die 
Gymnospermae  eine  unbestimmte  Zahl,  meist  mehr  als  zwei  Cotyledonen,  und 
die  Angiospermae  haben  entweder  einen  (Monocotyledones)  oder  (mit  seltenen 
Ausnahmen,  z.  B.  Trapa,  Cyclamen)  zwei  Keimlappen  (Dicotyledones). 

CotyledOll,  Crassulaceen-Qhttun%  Gaudin's,  synonym  mit  rmbilicus  DG.; 
daher  Herba  Cotyledonis  =  Herba  Umbilic  i. 

Herba  Cotyledonis  aquaticae  hiess  das  Krant  von  Hydrocotyle 
vulgaris  L.  (Umbelliferae). 

Cotyl6dOI1  (homöopathisch),  Tinctur  aus  Herba  Umbilici  Veneria  (Herba 
Cotyledonis).  Die  Stammpflanze  ist  Umbilicus  j)endulinus  DC.  (Cotyledon  Um- 
bilicus  ß  tuberosus  L.,  Cotyliphyllum  Umbilicus  Link). 

Cotyledones  Qu  61X113.  s.  Eicheln. 

Cough  Lozenges,  Keating'  8,  eine  englische,  aber  auch  in  Deutschland  als 
Hustenmittel  oft  begehrte  Specialität,  sind  1.25  g  schwere  Pastillen  aus  7l  ,  Th. 
Lactucarium,  3»  2  Th.  Pulvis  IpecacuatJiae,  3  Th.  Pulvis  Scillae,  7»  2  Th.  Ex- 
tractum  Liquiritiae  und  180  Th.  Saccharum  bereitet. 

COUleiir,  kurze  Bezeichnung  für  Z ucker co u  1  e u  r  (s.  d.). 


Gattung  der  Papilionaceae,  Unterfamilie  Dalbergieae. 
des  tropischen  Amerika  mit  rothen  oder  blauen  terminalen  Inflorescenzen  aus 


Digitized  by  Google 


314 


COUJIAROUNA.  —  CRATAEGUS. 


monadelphischen  Blüthen ,  aus  denen  sich  steinfruchtartige,  zusammengedrückte, 
einsamige  Hülsen  entwickeln.  Die  Samen  sind  die  durch  ihren  Cumaringehalt 
ausgezeichneten  Tonkabohnen.  Die  meisten  stammen  von  Coumarouna  odorata 
Aubl.  (Dipterix  odorata  Willd.J.  Eine  kleinere,  als  englische  Tonkabohne  von 
der  ersteren,  der  holländischen,  unterschiedene  Sorte  wird  von  C.  opjwsüifoh'a 
Wüld.  (Taralea  opposüifolta  Aubl.)  abgeleitet. 

CoupclQe,  Verschnitt  wird  das  Vermischen  verschiedener  Weine,  sowie  der  Zu- 
satz von  Wasser  und  Alkohol  zu  denselben  genannt  (c  o  u  p  i  r  t  e  W  e  i  n  e).  —  S.  W  c  i  n. 

COlirt  Plaster  =  englisches  Pflaster,  Emplastrum  adhaesivum  an- 
glicum  (s.  d.). 

Coxalgie  (Coxa,  Hüfte  und  aftyo;,  Schmerz)  bedeutet  Schmerzen  im  Hüft- 
gelenke. In  den  meisten  Fällen  ist  die  Coxalgie  ein  Symptom  der  Coxitts  oder 
Coxarthrocace  (dfedsov,  Gelenk ;  xaxia,  schlechte  Beschaffenheit) ,  das  ist  eine  Ent- 
zündung und  Eiterung  in  der  Pfanne  des  Hüftgelenkes,  die  den  Gebrauch  des 
Beines  oft  auch  noch  nach  der  Ausheilung  sehr  beschränkt  („freiwilliges  Hinken"). 

Cp.,  eine  nur  selten  vorkommende  Abkürzung  für  compositns. 
Cr,  chemisches  Symbol  für  Chrom. 

Crabrinum  (homöopathisch),  die  aus  der  Hornisse  (Vespa  Crahro  L.)  bereitete 
alkoholische  Tinctur. 

CraniotabeS  (Iat.).  Erweichung  des  Schädels,  insbesondere  der  Hinterhaupt- 
schuppe. 

Cranilim,  Hirnschale,  ist  jeuer  Theil  des  Kopfskelettes,  welcher  das  Gehirn 
eiusehliesst.  Es  besteht  aus  Schädeldach  und  Schädelgrund  und  wird  aus  acht 
Knochen  zusammengesetzt. 

Crauiometrie  ist  die  Wissenschaft  von  der  Schädelmcssung  nach  exaeten 
Methoden.  Sie  gibt  Anhaltspunkte  für  die  Kenntniss  der  Urgeschichte  des  Mensehen 
und  für  die  richtige  Eintheiluug  des  Menschengeschlechtes  in  Racen.  —  8.  auch 
Braehycephalen ,  Bd.  II,  pag.  365. 

Cransac  in  Frankreich,  Depart.  Aveyron,  über  einem  seit  undenklicher  Zeit 
brennenden  Kohlcnflötz.  Die  durch  Erdspalten  aufsteigenden  Wasserdämpfe,  welche 
Sulfate  und  Salmiak  enthalten,  dienen  zu  Kastendampfbadern.  Einige  kalte  Mineral- 
quellen mit  sehr  wechselndem  Salzgehalt  werden  zu  Trinkcureu  benützt. 

Crassula,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie,  charakterisirt  durch 
zwittrige,  fünfzählige  Blüthen  und  5  vielsamigo  Balgkapseln.  Unter  llerba  Cras- 
sula* majoris  versteht  man  jedoch  Sedum  Tele ph tum  L. 

Crassulaceae,  eine  Familie  der  Saxifraginae.  Saftige  Kräuter  oder  Halb- 
sträucher,  mit  dicken  ,  fleischigen,  wechselständigen ,  selteu  gegenständigen ,  meist 
gedrängt  stehenden ,  nobenblattlosen  Blättern.  An  den  nicht  blühenden  Stengeln 
stehen  die  Blatter  zu  rosettenartigen  Köpfchen  vereinigt.  Oft  zeigen  dieselben  eine 
von  der  gewöhnlichen  Blattform  sehr  abweichende  Gestalt.  Charakter:  Blüthen  in 
Trugdolden  oder  Wickeln.  Kelchblätter  3 — 10  (meist  »),  am  Gruude  mehr  oder 
weniger  mit  einander  verbunden.  Blnmenkrone  regelmässig,  3 — 20zählig,  mit  den 
Staubgefässen  dem  Kelche  eingefügt,  zuweilen  1  blättrig  oder  fehlend.  Staubgefässe 
so  viel  oder  doppelt  so  viel  als  Kroublätter.  Fruchtblätter  meist  2.  selten  3 — 5,  mehr 
oder  weniger  zu  einem  1-  bis  mehrfächerigeu,  oft  mit  einem  dorsalen  Schüppchen 
versehenen  Fruchtknoten  verbunden.  Gritfei  stets  frei.  Frucht  einwärts  aufspringend. 

S  y  (1  o  w. 

Crataegus,  Gattung  der  Iiosacrae,  Unterfamilie  Pomeoe,  charakterisirt  durch 
krugförmiges  Rcceptaculum  und  ein-  bis  fünfsteinige  Früchte,  deren  Fächer  knöchern 
erhflrtet,  von  allen  Seiten  in  das  Fruchtfleisch  eingesenkt,  1  — 2samig  sind. 


Digitized  by  Google 


CRATAEGUS.  —  CREPITUS  LUPI. 


315 


Crataegus  Oxyacantha  Gärtn.,  Meblbeere,  Weissdorn,  Hage- 
dorn, ein  Strauch  oder  Bäumchen,  dornig,  mit  rautenförmigen,  sonst  verschieden 
gestalteten  Blattern,  weissen  Bltithen  in  Doldentrauben  und  schmutzig- rothen  1-  bis 
Sfteherigen  Früchten,  lieferte  trüber  Folia,  Flores  und  Baccae  Oxyacanthae  s. 
Spinae  albae  als  Volksheilmittel. 

Crataeva,  eine  Cappartdeen-Gattung  Linne's,  von  Cerrea  als  Aegle  zu  den 
AurarUieen  gezählt.  —  Gratoeva  Marmelos  L.,  die  Mutterpflanze  der  Fructua 
Behe,  ist  synonym  mit  Aegle  Marmelos  Corr. 

Cratifi    (ital.)  heissen  die  nach  dem  Blattfalle  bis  iu  den  Winter  hiuein 


OayOnS  medicamenteUX  der  Ph.  Franc,  sind  kleine  cylindriscbe  Stifte, 
die  man  entweder  durch  Au  sgiessen  einer  geschmolzenen  Masse  iu  eine  Form 
oder  durch  Ausrollen  einer  plastischen  Masse  gewinnt.  Zu  ersteren  gehören  die 
Crayons  au  nitrate  d'argent  und  die  Crayous  ä  l'huilc  de  eroton  (nach  Art  des 
Salhenstiftes ,  Stilus  unguens) ,  zu  letzteren  die  Stifte  mit  Tannin ,  Kupfervitriol, 
Jodoform  u.  s.  w.  (nach  Art  des  Pastenstiftes ,  Stilus  dilubilis).  —  Vergl.  auch 
Aetzstifte,  Bd.  I,  pag.  172.  G  Holmann. 

Cream,  s.  c  r  e  m  e. 

Creme,  Cream  (engl.).  Mit  „Cremes"  bezeichnet  die  französische  Pharmacie 
(nach  Dorvault,  1'Officine)  „des  preparations  resultant  de  l'union  du  jaune  d'oeuf 
et  du  sucre  avec  le  lait,  seul  ou  allie  a  de  principes  medicanienteux1''.  Dieser 
Definition  entsprechen  Creme  aus  amandes ,  Creme  ä  la  fleur  d'orangos ,  Creme 
pectorale  etc.  Die  Bezeichnung  „Creme"  hat  man  aber  auch  auf  zarte,  weiche, 
schaumige  Salben,  deren  Repräsentant  Creme  Celeste  (Ungucntum  emollieus  Ph. 
Austr.,  l'ngt.  leniens  Ph.  Genn.,  Cold-cream)  ist  und  ebensolche  Seifenpasten  über- 
tragen ,  wie  Creme  d'amande« ,  Creme  de  glycerine  etc.  Die  bekannte  C  r  e  in  e 
Simon  ist  eine  Schminkpomade  mit  Zinkoxyd  und  Talkpulver.     g.  Hofmann. 

Creme  de  bismuth  ist  frisch  bereitetes,  wenig  gewaschenes,  nicht  getrocknetes 
Bimii utum  subnür ic u m . 

Cremometer,  Kahm  messer.  sind  calibrirte  Glasgefflsse,  in  denen  man  die 
Milch  der  Ruhe  überlässt  und  nach  eiuer  gewissen  Zeit  die  Dicke  der  Kahmschicht 
abliest.  Zur  besseren  Deutlichmachung  der  Grenze  kann  mau  etwas  Anilinblan  hin- 
zufügen. —  S.  unter  Milchprflfung. 

CremOr  Tartari,  Weinsteinrahm  =  Tartarus  depuratus,  so  genanut,  weil  bei 
dem  früheren  Reinigungsverfahren  des  Rohweinsteins  sieh  der  gereinigte  Wein- 
stein in  Form  von  Krusten  au  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  absonderte.  — 
Cremor  Tartari  SOlubiÜS  =  Tartarus  boraxatus. 

CrenothriX  ist  eine  pleomorphe  Baeterienart,  welche  in  alleu  Gewässern,  auch 
im  Grundwasser,  angetroffen  werden  kann.  Ihre  Faden  sitzen  mit  einem  Ende,  der 
Basis,  festen  Körpern  auf  und  besitzen  eine  Scheide,  welche  häutig  durch  EiHen- 
salze  bräunlich  gefärbt  ist.  Bei  reichlicher  Vermehrung  eutstehen  so  dichte,  gelatiuöse 
Massen,  dass  hierdurch  Wasserleitungs-  oder  Drainröhren  unwegsam  gemacht  werden 
können.  —  S.  Bacterien,  Bd.  II,  pjig.  81.  Weich.se  Iba  um. 

Crepitation  (creP  ore.  knarren)  heisst  jenes  Knarren,  welches  entsteht,  wenn 
man  die  Enden  eines  gebrochenen  Knochens  durch  Verschiebung  dieser  Bruchendeu 
aneinander  reibt.  Man  kann  dieses  Knarren  hören  und  auch  fühlen ;  danach  unter- 
scheidet man  Crepitatiousgeräusch  und  Crepitationsgefühl.  Jedes  dieser  Symptome 
gilt  als  sicheres  Zeicheu  für  eine  stattgehabte  Kuochenfractur. 

CrepitllS  Llipi,  veraltete  Bezeichnung  für  den  Fruchtkörper  von  Lycoperrfon 
caelatum  Bull.  Geläufiger  ist  Fuugus  chiriiryoi'um  s.  Boviatn. 


Digitized  by  Google 


316  CBESCENTIA.  —  CBEVOISIEIfS  PULVI8. 

Crescentia,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Btqnoniaceae, 
anggezeichnet  durch  grosse,  einfächerige,  nicht  aufspringende,  kürbißähnliche  Früchte 
mit  holziger  Schale,  deren  Mus  bei  einigen  Arten  (G.  edulis  Desv.y  C.  alata 
BpL,  G.  cucurbitina  L.,  C.  Gujete  u.  A.)  geniessbar  ist  und  auch  als  Volksmittel 
arzneilich  verwendet  wird.  Das  Schwindsuchtmittel  „Tima"  stammt  angeblich  von 
Ö.  edulis  Desv. 

Creta  praeparata  (Ph.  Austr.,  Gall. ,  Belg.  u.  a.),  Creta  alba,  Ge- 
ßchlemmte  Kreide.  Ein  weisses,  unfühlbares  Pulver,  zuweilen  in  trochiscirter 
Form  (als  kleine  Kegel)  im  Handel  vorkommend,  ohne  Geruch  und  Geschmack, 
unlöslich  in  Wasser  und  Weingeist,  leicht  und  unter  Aufbrausen  löslieh  in  ver- 
dünnter Salzsäure,  Salpetersäure  oder  Essigsäure,  dabei  nur  einen  sehr  unbedeuten- 
den Rückstand  lassend.  Beim  Glühen  verliert  die  Kreide  mehr  oder  weniger  Kohlen- 
säure und  hinterlässt  einen  stark  alkalisch  reagirenden  Rückstand.  Unter  dem 
Mikroskope  zeigt  die  geschlämmte  Kreide  abgerundete  Partikelchen  von  oft  linsen- 
förmiger Gestalt  und  sehr  verschiedener  Grösse.  Die  durch  Säuren  aus  ihr  ent- 
wickelte Kohlensäure  besitzt  einen  unangenehmen,  muffigen  Geruch.  —  Iden- 
titätsreactionen:  Das  Präparat  löst  sich  unter  Aufbrausen  in  verdünnter 
Essigsäure  zu  einer  farblosen  Flüssigkeit,  die  auf  Zusatz  von  Ammoniumoxalat 
einen  weissen  ,  in  Salzsäure  oder  Salpetersäure  lösliehen  Niederschlag  abscheidet. 
—  Zusammensetzung:  Calciumcarbonat  (Ca  CO,),  als  Product  thierischer  Ge- 
bilde, vorherrschend  aus  den  mikroskopischen  Schalen  von  Foraminiferen  (Poly- 
thalamien,  Rhizopoden)  bestehend,  auch  Kieselpanzer  von  Infusorien  enthaltend.  — 
Darstellung:  Die  in  Frankreich,  Eugland,  auf  Rügen,  Seeland  und  anderorts 
vorkommende  weisse  Kreide  wird  gemahlen,  mit  Wasser  angerührt  nnd  geschlämmt, 
d.  i.  die  milchige  Flüssigkeit  wird  nach  kurzer  Pause  vom  Bodensatze  in  ein 
Gefäss  abgegossen ,  worin  man  sie  vollständig  absetzen  lässt ,  während  der  rück- 
ständige Bodensatz  einem  weiteren  Zerreiben  und  abermaligen  Schlämmen  unter- 
worfen wird.  Die  ans  den  abgegossenen  Flüssigkeiten  gebildeten  Absätze  werden 
von  der  klaren  Brühe  getrennt  und  getrockuet,  wobei  man  sie  nicht  selten  troehis- 
cirt,  d.  i.  auf  Fliesspapier  oder  Thonplatten  zu  kleinen  Kegeln  formt.  —  Prü- 
fung: Verdünnte  Essigsäure  darf  keinen  nennenswerthen  Rückstand  (Calcium- 
phosphat,  Calciumsulfat,  Baryumsulfat)  hinterlassen  ;  die  gewonnene  Lösung  (1=50) 
trübe  sich  nicht  mit  Gypswasser  (Trübung :  Baryt)  und  gebe  mit  Kaliumforrocyanid 
keine  oder  nur  ganz  schwach  bläuliche  Färbung  (Eisen).  Schwefel wasserstoffwasser 
darf  die  essigsaure  Lösung  nicht  verändern  (Sßhwermetalle).  —  Gebrauch:  Als 
säuretilgendes  Mittel  gegen  Mageusäure ,  Sodbrennen  u.  dergl. ;  zu  Zahnpulver 
(als  Grundlage) ;  seltener  zur  Entwickelung  von  Kohlensäure  in  der  Mineralwasser- 
fabrikation,  da  hierzu  die  Kohlensäure  wegen  des  unangenehmen,  stickigen  Ge- 
ruches mittelst  Kohle  gereinigt  werden  muss.  Schliekum. 

Cretinismus  ist  eine  meist  auf  einzelne  Thäler  der  Alpen  und  Pyrenäen,  zu- 
weilen nur  auf  eine  geringe  Anzahl  von  Ortschaften  beschränkte,  gewöhnlich  mit 
der  frühesten  Jugend  beginnende  Erkrankung,  in  Folge  welcher  die  körperliche 
und  geistige  Entwicklung  des  Individuums  in  hohem  Grade  zurückbleibt. 

Cretinen  (vom  romanischen  Cretina,  d.  i.  Creatur,  elendes  Geschöpf)  oder 
Fexen  sind  missgestaltet,  klein,  hänfig  mit  Kropf  und  krummen  Beinen  behaftet. 
Ihr  Schädel  ist  oft  niedrig ,  plattgedrückt ,  besonders  ist  die  Entwicklung  der 
vorderen  Halbkugel  des  Gehirnes  verkümmert.  Ueber  die  Ursache  des  Crctinismus 
haben  wir  noch  keinen  genügenden  Anfschluss,  es  werden  angegeben :  ungesunde 
Nahrung,  namentlich  schlechte  Beschaffenheit  des  Trinkwassers  (Mangel  an  Jod 
und  Ueberschuss  au  Kalk-  und  Talksalzeu):  Hcirateu  uuter  Blutsverwandten; 
ungenügende  Pflege. 

Crevoisier's  Pulvis  fumalis  antasthmaticus,  s.  unter  Asthmapulver, 

Bd.  I,  pag.  700. 


Digitized  by  Google 


CRIMNA.  -  CROCUS. 


317 


Crimna  (xpifJivo;,  Geschrotetes,  Kleie)  ;  Crlmna  Avenae  =  Avena  excorticata  ; 
Crimna  Hordel  =  Hordeum  excorticatum. 

CriSta  galH,  Scrophularineen-G&ttnng  Rdpp's,  synonym  mit  Alectorolophus 
Hall.  Daher  Berba  Cristae  galli  für  das  Kraut  von  Alectorolophus  major  ftchb. 
und  A.  minor  W.  et  G.  (Rhinanthus  Crista  galli  L.),  A ckerrodel,  Wiesen- 
klapper, Hahnenkamm.  Obsolet. 

Crithmum.  Gattung  der  Umbelliferae,  charakterisirt  durch  den  lose  in  der 
Höhle  der  schwammigen,  Öriefigen  Frucht  liegenden  Samen,  der  dicht  mit  Striemen 
bedeckt  ist. 

Crithmum  maritimum  L.  (Cachrys  maritima  Spr.J,  Bacillenkraut, 
Meer-  oder  Seefenchel,  ein  blaugrüne«,  kahles,  an  der  Küste  des  adriatischen 
Meeres  wachsendes,  nach  Sellerie  und  Rosmarin  riechendes  Kraut,  wird  mitunter 
rur  Würze  von  Conserven  verwendet. 

CrOCfcin,  s.  Azofa'rbstoffe. 

Crocin,  Crocetin.  Das  Crocin,  auch  Polychroit  genannt,  ist  der  im  Safran, 
den  Narben  von  Crocus  sativus  L. ,  enthaltene  gelbe  Farbstoff.  Er  findet  sich 
auch  in  den  chinesischen  Gelbschoten ,  den  Früchten  von  Gardenia  grandißora 
Lour.  (Rubiaceae)  und  in  der  Fabiana  imbricata  R.  u.  P.  (Scrophularineae). 
Ans  dem  Safran  gewinnt  man  das  Crocin,  indem  man  ihn  mit  Aether  entfettet  und 
mit  Wasser  auskocht.  Die  letztere  Lösung  fällt  man  mit  Bleiessig  und  zerlegt  den 
Niederschlag  mit  Schwefelwasserstoff.  Dem  Gemenge  von  Schwefelblei  und  Crocin 
entzieht  man  das  letztere  durch  kochenden  Weingeist.  Die  alkoholische  Lösung  bringt 
man  unter  Abfiltriren  des  beim  Verdunsten  sich  abscheidenden  Schwefels  im  Vacuum 
zur  Trockne.  Das  Crocin  bildet  ein  lebhaft  rothes,  geruchloses  Pulver  von  schwach 
süaslichera  Geschmack.  Es  ist  leicht  löslich  in  Wasser  und  Alkohol  und  besitzen 
die  Lösungen  die  Farbe  einer  Chroinsäurelösung.  Leicht  löslich  in  Alkalien  mit 
gelber  Färbung.  Aus  der  alkoholischen  Lösung  wird  es  durch  Aether,  aus  der 
alkalischen  durch  Sauren  in  purpurroten  Flocken  gefallt.  Concentrirte  Kalilauge 
zersetzt  es  beim  Erwärmen  unter  Entwickelung  stechend  riechender  Dämpfe.  Die 
concentrirte  wässerige  Lösung  wird  auf  Zusatz  concentrirter  Schwefelsäure  anfangs 
indigblau,  später  violett.  Die  wässerige  Lösung  wird  durch  Kalk-  und  Barytwasser 
gelb,  durch  Bleiessig  roth,  durch  Kupfersulfat  grün  gefällt.  Beim  Kochen  mit  ver- 
dünnten Mineralsäuren  spaltet  sich  das  Crocin  in  Zucker  und  sich  ausscheidendes 
Crocetin.  Das  Crocetin  ist  ein  duukelrotb.es,  amorphes,  in  Wasser  wenig,  in 
Alkohol  leicht,  auch  in  Aether  etwa»  lösliches  Pulver;  es  zeigt  bei  der  Einwirkung 
concentrirter  Schwefelsäure  dieselbe  blaue  Färbung,  wie  das  Crocin ;  seine  Lösungen 
werden  durch  Bleisalze  citronenerelb  gefällt.  v.  Schröder. 

CrOCUS,  Gattung  der  lridaceae ,  Unterfamilie  Jxieae ,  charakterisirt  durch 
actinomorpbe  Blüthen ,  in  denen  die  Staubgefässe  nach  allen  Seiten  gleichmässig 
abstehen.  Die  aus  einem  Knollen  mit  kurzem  Stengel  innerhalb  einer  häutigen 
Scheide  entspringenden  Laubblätter  sind  schmal,  rinnig  und  haben  einen  weissen 
Mittelstreifen.  Zugleich  mit  den  Blättern  oder  früher  kommen  die  Blüthen  zur 
Entwicklung.  Sie  sind  gross  und  schön  gefärbt,  trichterförmig,  mit  6  fast  gleichen 
Abschnitten,  langer  Röhre,  im  Schlünde  eingefügten  3  Staubgefässen  und  langem 
Griffel,  dessen  3  fleischige,  tutenfönnige  Narben  aus  der  Röhre  hervorragen. 
Die  Früchte  treten  erst  bei  der  Reife  Über  den  Boden  hervor;  es  sind  häutige, 
fachspaltig  3klappige,  vielsamige  Kapseln. 

Namentlich  die  im  ersten  Frühling  blühenden  Arten  sind  bei  uns  beliebte  Zier- 
pti.mzen,  aber  ohne  pharmaceutisches  Interesse.  Der  im  Herbste  blühende  Crocus 
sativus  L.,  charakterisirt  durch  violette ,  eng  umscheidete  Blütheu ,  sehr  tief  ge- 
theilte  Griffel  und  vor  Allem  durch  die  rothen,  höchst  aromatischen  Narben,  liefert 
in  den  letzteren  das  hochgeschätzte,  in  alle  Pharmakopöen  aufgenommene  Gewürz. 


Digitized  by  Google 


CROC  US.  —  CROTON. 


Die  Droge  soll  nur  aus  den  Narben  bestehen,  jedenfalls  möglichst  wenig  von 
den  blassgelben ,  nicht  aromatischen  Griffeln  euthalten.  Beim  Pressen  zwischen 
Papier  darf  dieses  nicht  gefettet  werden  (Ph.  Brit.  Dan. ,  Un.  St.).  was  auf 
künstliche  Schönung  deuten  würde.  Mit  10  Th.  Wasser  gibt  Safran  eine  gelb- 
rothe,  nicht  süss  schmeckende  Flüssigkeit,  welche  nach  Verdünnung  mit  1000  Th. 
noch  gefärbt  erscheiut  (Ph.  Germ.);  bei  100°  getrocknet  muss  er  weniger  als 
14  Procent  an  Gewicht  verlieren  und  beim  Verbrennen  nicht  über  8  Procent 
Asche  hinterlassen  (Ph.  Germ.).  Rr  ist  wohl  verschlossen  im  Dunkeln  aufzubewahren, 
da  er  leicht  Geruch  und  Farbe  einbüsst,  auch  hygroskopisch  ist. 

Ph.  Austr.  warnt  im  Allgemeinen  vor  Verfälschungen.  Man  soll  Safran  nie 
gepulvert  kaufen.  Man  pulvert  ihn  in  einem  angewärmten  Mörser  nach  sorgfältiger 
Trocknung. 

Den  eigen  th  ilmlichen  Geruch  verdankt  der  Safran  einem  nur  in  Spuren  vor- 
handenen ätherischen  Oele  von  der  Zusammensetzung  Cl0HltO  (Weiss),  welches 
bei  210°  siedet.  Ausserdem  enthält  Safran  den  Farbstoff  Crocin  oder  Polychroit 
und  Zucker. 

Als  Heilmittel  ist  der  Safran  heutzutage  ganz  bedeutungslos.  Die  Ph.  Germ, 
bentltzt  ihn  zur  Bereitung  der  Tinct.  Croci  und  Tinct.  Opü  crocata,  Ph.  Austr, 
zur  letzteren  und  zu  Collyriutn  adutringens  luteum,  Emplastrum  oxyeroceum, 
Mauna  pillularum  Ruffi.  Die  Werthschätzung  als  Gewürz  hat  ebenfalls  bedeutend 
abgenommen.  —  S.  Safran. 

CrOCUS  Mit  dem  Namen  „Crocus"  bezeichnete  man  in  früheren  Zeiten  der 
Chemie  gelbroth  (safran.'lhnlich)  gefärbte  Metalloxyde,  daher:  CrOCUS  Anti- 
monü  =  Stibium  oxydatum  fuscum;  CrOCUS  Martis  adstringens  =  Ferrum 
oxydatum   rubrum ;    CrOCUS  Martis  aporidlS   =    Ferrum   oxydatum   fuscum ; 

Crocus  Martis  vitriolatus  =  Caput  mortuum;  Crocus  metallorum  =  Stibium 

oxydatum  fuscum;  CrOCUS  Saturn!  =  Minium;  CroCU8  SoÜS  =  Aurum  oxy- 
datum. 

CrolTs  Elixir  uterinum  ist  eine  Mischung  aus  15  g  Tinct  uro,  Cwftorei, 
5  g  Tinctura  Absinthii,  5  g  Tinctura  Croci  und  10  Tropfen  Oleum  Aniti. 

CrOSS'  Goilt-  and  RheumatiC-PillS  bestehen  (nach  Hager)  aus  Gutti, 
Jalapenharz,  Rhabarber  und  Chininsulfat. 

CrOSSOpteryX,  Gattuug  der  Bubi  aceae,  Unterfamilie  Cinchoneae.  Die  Rinde 
von  C.  febrifuga  Benth.  (C.  Kotechyana  Fenzl,  Bondedetia  febrifuga  Afz.J, 
eines  im  Sudan  und  in  Abessinien  beimischen  Strauches,  wird  in  der  Heimat 
als  Fiebermittel  verwendet.  Sic  enthält  ein  amorphes  Alkaloid  (Hksse,  Berl. 
Ber.  1*78). 

CrotalllS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie  der  Solenoglypha,  ausge- 
zeichnet durch  bewegliche  Hornringe  (Klapper)  am  Schwanzende. 

Mehrere  Arten  der  Klapper  schlangen  (C.  horridus  L. ,  C.  aiamanteus 
Pal. ,  C.  durisxu3  L.)  leben  im  wärmeren  und  tropischen  Amerika.  Ihr  Gift 
findet  in  der  Homöopathie  Verwendung. 

Croton,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Abtheilung  der  Enphorbiaceae.  Holz- 
gewächse oder  Kräuter  mit  alteruirendeu,  gestielten,  meist  ganzrandigen,  mit  Schuppen- 
haaren besetzten  Blättern ,  meist  monöcisehcn,  in  Aehren  oder  Trauben  stehenden 
Blüthen,  deren  Kelch  und  Corollc  der  Regel  nach  5theilig,  deren  Discns  drüsig  ist. 

1.  Cr  oft)  n  El  uteria  Bennet  (Clutia  Eluteria  L.),  S  c  b  a  k  e  r  il  l  b  a  u  m, 
ein  kleiner  bis  6  in  hoher  Strauch ,  der  nur  auf  den  Bahamas  und  benachbarten 
Inseln  eiuheimisch,  ist  die  StammpHanze  der  Cascarilla  (Bd.  II,  pag.  582).  Früher 
lieferten  auch  Croton  Cascarilla  Benn.  (Ph.  Rom.) ,  Croton  Sloanei  Benn., 
Orot,  lineare.  Jar/u.  Cascarilla.  Wenn  die  Ph.  Dan.,  Hung.,  Norv.,  Rusa.  neben 
C.  Eluteria  auch  „andere  Crotonarten"  als  Stammpflanzen  aufführen,  so  ist  dies 


Digitized  by  Google 


CROTON. 


unrichtig,  zur  Zeit  liefert  nur  C.  Eluteria  Cascarilla.  Die  Blätter  sind  gestielt, 
eilanzettlich .  lang  zugespitzt ,  am  Grande  abgerundet  oder  schwach  herzförmig, 
ausgeschweift  (.schwach  gezähnt),  fiedernervig,  besonders  Unterseite  mit  glänzend 
silberweisscn,  schildartigen  Schuppen  besetzt,  daher  dort  silberweisslicb ,  oberseits 
dankelgrün.  Auch  der  Fruchtknoten  ist  mit  solchen  Schuppen  besetzt.  Am  Grunde 
der  Blattspreiten  sind  sie  nur  rudimentär  entwickelt  oder  fehlen  ganz,  ebenso 
die  Nebenblätter.  Die  Blflthen  stehen  in  lockerblüthigen  Rispen.  Die  Blüthen- 
stielohen  sind  kürzer  als  der  Kelch.  Die  5  gleichgrossen  Kelchabschnitte  länglich- 
eiförmig  ,  zugespitzt ,  die  5  Kronblätter  sowohl  bei  den  raännlicheu ,  wie  bei  den 
weiblichen  Blüthen  entwickelt,  bei  den  weiblichen  lanzettlich-verkehrt-eiförmig, 
zugespitzt.  Stamina  der  männlichen  Blüthen  etwa  12,  an  den  Filamenten  rings 
behaart.  Griffel  doppelt  gabeltheilig.  Das  Reeeptaculum  der  mäunlichen  Blüthen 
behaart. 

2.  Cr  o  ton  gl  ab  eil  u«  J.  Müll.  Arg.  (Clutia  Eluteria  L.,  Groton  Eluteria 
8k.),  in  Mexico,  Westindien,  früher  als  ßtarampflanze  der  G»)rt.  Gascarillae  an- 
gegeben, mehrere  Pharraakopöen  (Ph.  Austr.,  Belg.,  Fenn. ,  Hisp. ,  Neerl.)  halten 
w  auch  jetzt  noch  dafür.  Auch  Cr.  lucidus  L.  lieferte  eine  Cascarille. 

3.  Cr  o  ton  nivens  Jacq.  (Croton  Pseudo-China  Cham,  et  Schlchtd., 
Cr.  Cascarilla  Don.),  ein  in  Mexico  (Jalspa),  den  westindischen  Inseln,  Centrai- 
Amerika,  nördlichem  Südamerika,  Neugrauada,  Columbien  einheimischer  Strauch 
mit  Unterseite  silberweiss  filzigen  Blättern  und  ebensolchen  Aesten ,  liefert  die 
Copal chi -Rinde  (s.  Bd.  III,  pag.  292). 

4.  Croton  Tiglivm  L.  (Tiglium  ojficinale  Klotz&ch.)  bildet  einen  kleinen 
im  südlichen  Ostindien,  Malabar,  Cochinchina,  den  Molukken  und  Amboina  ein- 
heimischen, in  Ostindien,  Ceylon,  China,  den  Sundainseln  und  Philippinen  und  auf 
Mauritius  cultivirten  Strauch  mit  runden,  platten,  an  der  Spitze  gefurchten  Aesten 
und  alternirenden,  ziemlich  langgestiolten,  3 — fmervigen,  im  Jugendzustande  mit  zer- 
streuten Stcrnhaareu  besetzten,  später  kahlen  und  glänzenden,   8  — 15  cm  langeu 
und  4 — 7  cm  breiten,  eiförmigen   bis  ovallänglichen ,   zugespitzten ,   am  Grunde 
stumpfen  oder  abgerundeten,  gekerbten  —  seltener  ganzrandigen  —  Blättern,  die 
am  Grunde  der  Lamina  beiderseits  des  fast  fünfseitigen  ,  von  einer  Rinne  durch- 
zogenen ,    an  der  Spitze  gekrümmten  und  gleichfalls  mit  Sternhaaren  besetzten 
Blattstiels  je  eine  Drüse  tragen   und  am  Insertionspunkt  mit  kleinen  ,  kurzen, 
pfriemlichen,   frühzeitig  abfallenden  Nebenblättern   versehen   sind.   Die  diclinen 
Inflorescenzen  sind  reichblüthige  Trauben.  Sie  tragen  unten  weibliche  Blüthen,  oben 
männliche,  beide  sind  von  Deckblättern  behüllt.    Diese,   sowie  die  Blüthenstiele 
tragen  reichlich  bräunliche  Sternhaare.   Die  Blüthen   stehen   fast  immer  zu  drei 
beisammen.  Die  91  besitzcu  einen  glockigen,  fünfspaltigen  Kelch,  dessen  Segmente 
eilanzettlich  und  zurückgekrümmt  sind.  Die  Corolle  ist  auf  lange,  pfriemenförmige, 
mit  den  Kelchscgmenten  alternirende  Drüsen  reducirt.   Der  Griffel  ist  zwcitheilig. 
Staubfäden  fehlen  gänzlich.    Die  ö  grünlich   uud  besitzen  einen  tief  fünf- 
theiligen  Kelch  mit   eiförmigen ,    weisshäutig-gerandeten ,    an   der  Spitze  dicht 
gewimperten  Abschnitten ;  die  mit  diesen  alternirenden  Kronenblätter  sind  lanzett- 
lich und  dicht  behaart.   Die  Staubfädeu,    15 — 18  an  der  Zahl,  besitzen  lange, 
kahle  Filamente.  Die  Frucht  ist  eine  2  cm  lange  und  1.7  cm  dicke  Kapsel  von 
elliptischer,  stumpf  dreikantiger  Form,  mit  3  schwachen  Längsfurcheu  versehen. 
Ihre  blassbräunliche  Schale  ist  zerbrechlich,  kahl,   uneben.    Die  zu  dritt  in  der 
Frucht  eingeschlossenen,  die  Fächer  ganz  ausfüllenden,  aus  anatropen  Ovulis  ent- 
stehenden Samen  sind  als 

Semen  CrotoniS,  Sem.  s.  Granu  Tigliis.  Tigh'a  s.  Tilli,.  Cataputiae  minores, 
Pnrgirkörner,  Granatill,  Graines  ou  semences  de  Tilly  ou  des  Moluques, 
Petit«  pignons  d'Inde,  in  medicinischer  Anwendung. 

Sie  besitzen  Grösse  und  Gestalt  der  Ricinussamen,  sind  also  kaum  bohnengrosß, 
10 — 12  mm  lang  und  4 — 8  mm  breit,  ovallänglich,  an  beiden  Enden  stumpf,  sind 
aber  beiderseits namentlich  auf  dem  Rücken,  in  Folge  eines  freilich  wenig  vor- 


Digitized  by  Google 


3^0 


CROTON. 


springenden,  stumpfen,  namentlich  an  der  oberen  Hälfte  sichtbaren  Längskiels 
kantig-convex,  daher  im  Querschnitt  fast  vierkantig  rautenförmig  (nicht  oval),  doch 
ist  die  eine  Seite  etwas  flacher  als  die  andere,  beide  sind  durch  eine  wenig  vor- 
springende Naht  mit  einander  verbunden.  Die  wenig  abgeflachte  Bauchseite  zeigt 
einen  deutlichen  Nabelstreifen  (Rapbej.  Ihre  Farbe  ist  schmutzig-graubraun  mit 
dunkleren  Flecken,  hellbräunlich  bis  gelblich,  oder,  wenn  die  weiche  äussere  Schicht 
abgerieben  ist,  fast  schwarz,  matt,  gleichsam  bestäubt,  nur  selten  etwas  glänzend, 
fettechimmernd,  die  Rückseite  ist  gegen  das  Hilum  und  die  Chalaza  etwas  längs- 
streifig und  furchig,  die  Bauchseite  dagegen  mehr  glatt. 

Die  Samenschale  ist  dünn  (0.3  mm),  spröde  und  zerbrechlich,  innen  grau ;  der 
von  einer  dünnhäutigen,  geäderten,  inneren  Samenhaut  umschlossene  derbe  Same 
ist  weisslich,  im  Alter  bräunlich  oder  gar  ganz  geschwunden,  im  Querschnitt  ölig- 
fettglänzend.  Das  Endosperm  ist  dick-fleischig,  die  blattartigen  Cotyledonen  sind 
breit  und  dünn,  mit  deutlicher  Nervatur  versehen,  an  der  Basis  herzförmig,  durch 
das  gegen  den  Nabel  (und  die  Caruncula)  gerichtete ,  3  mm  lange  Würzelchen 
zusammengehalten,  nach  Aussen  vom  Endosperm  umgeben  und  diesem  dicht  an- 
liegend. Innen  leicht  von  einander  klaffend.  Der  Same  zerfällt  daher  leicht  in  zwei 
planconvexe  Stücke.  Die  Caruncula  ist  nur  klein  und  am  trockenen  Samen  kaum 
noch  vorhanden.  Unterhalb  derselben,  auf  der  Bauchfläche,  tritt  der  Nabel  undeut- 
lich hervor.  Von  ihm  verläuft  die  Raphe  nach  dem  anderen  Ende  des  Samens, 
wo  die  Chalaza  als  dunkelbrauner  Fleck  sich  nur  undeutlich  abhebt.  In  den 
Zellen  des  Endosperms  und  der  Cotyledonen  finden  sich  reichlich  Aleuronkörner 
von  der  gleichen  Qestalt  wie  bei  Ricinus,  mit  deutlichem  Globoid  und  Rrystalloid ; 
neben  denselben  ist  fettes  Oel  vorhanden. 

Der  Samenkern  schmeckt  anfangs  milde  und  ölig;  bald  wird  der  Geschmack 
aber  scharf  kratzend,  lange  anhaltend  brennend.  Die  Schale  ist  geruchlos  und  last 
ohne  Geschmack.  Auch  der  Kern  ist  ohne  Geruch,  doch  entwickelt  sich  derselbe 
beim  Erwärmen,  ist  dann  scharf,  greift  die  Augen  an  und  reizt  die  Haut. 

Die  Schalen  betragen  31.6  Procent,  der  Kern  68.4  Procent  des  Samens 
(Flückiger). 

Croton  wirkt  innerlich  stark  purgirend  (daher  Tiglium  von  riXo;,  Durchfall), 
in  grösserer  Dose  giftig,  äusserlich  hautröthend,  selbst  blasenziehend. 

Der  wirksame  Bestandteil  der  Samen  ist  das  durch  Pressen  (in  Indien  und 
England)  oder  durch  Extraction  mit  Lösungsmitteln  (Aether,  Alkohol,  Schwefel- 
kohlenstoff! erhältliche  und  als  Ol.  Crotonis  in  den  Handel  gebrachte  fette  Oel; 
es  ist  zu  50— 60  Procent  im  Samen  enthalten,  dickflüssig,  von  speeifischem  Gewicht 
=0.942,  nicht  trocknend  und  alkohollöslich.  Es  besteht  aus  den  Glyceriden  der  Stearin-, 
Palmitin-,  Laurin-,  Myristicin-  undOelsäure,  sowie  Ameisen- ,  Essig-,  Isobutter-, 
Isovalerian-  und  Tiglinsäure  (Methylcrotonsäure  CH3 CH  =  C (CH8 )  —  CO . OH) 
und  enthält  C  r  o  t  o  n  o  1  {4  Procent).  Von  Crotonol  befreites  Oel  wirkt  nicht  mehr 
hautröthend.  wohl  aber  noch  (da  neues  Crotonol  entsteht?)  purgirend  (Bochheim). 
Ob  die  purgironde  Wirkung  wirklich  dem  Crotonol  zuzuschreiben  sei,  ist  noch 
nicht  genau  bekannt.  Eine  exaete  Trennung  des  hautröthenden  und  pnrgirenden 
Antheils  ist  noch  nicht  gelungen.  Die  praktische  Ausbeute  an  Oel  beträgt  beim 
Pressen  30  Proeent,  beim  Extrahiren  mit  Schwefelkohlenstoff  40  Procent.  Das 
extrahirte  Oel  ist  wirkungsvoller.  Croton  in  (Brandes)  ist  fettsaure  Magnesia 
(Wrppen)  ,  Cr  o  tonsäure  (Brandes)  ist  fraglich.  Die  Asche  der  Schalen  betragt 
2.6  Procent,  die  des  Kernes  3  Procent. 

Man  bewahrt  die  Crotonsamen  unter  deu  stark  wirkenden  Mitteln  auf. 

Sie  werden  kaum  noch  verwendet  und  sind  fast  ganz  durch  das  Crotonöl  ver- 
drängt worden.  In  der  Veterinärpraxis  sind  sie  noch  beliebt.  Dosis  4 — 8  Samen. 

Das  weisse  Holz  des  Stammes  —  Lignum  Pavanae^  Panavae  seu  moluccanum 
—  schmeckt  ebenfalls  scharf  und  brennend  und  wirkt  wie  der  Same,  doch  milder. 
Die  Wurzel  wird  in  der  Heimat  der  Pflanze  gegen  Wassersucht  angewendet.  Sie 
purgirt  wie  auch  die  Blätter. 


Digitized  by  Google 


CROTON.  -  CROTONOL. 


321 


5.  Cr  o  ton  Pavana  Hamilton,  im  nordwestlichen  Bengalen  und  Hinter- 
indien  (Birma)  heimisch ;  ein  Baum  mit  glänzenden,  unbehaarten  Zweigen,  eiförmigen, 
gesagten,  dreirippigen  Blättern,  borstenförmigen  Nebenblättern ,  dreiseitiger,  krcisel- 
fönniger  ,  borstiger ,  aufgeblasener ,  haselnussgrosser  Frucht  und  die  Fruchtfächer 
nicht  ausfüllenden  Samen,  die  zwar  etwas  kleiner  und  dunkler  sind  als  die  von 
Cr.  Tiglium,  aber  fast  noch  heftiger  wirken  als  diese. 

6.  Croton  lacciferus  (Aleurües  laccifemis  Willd.),  in  Ostindien,  Ceylon, 
Cocbinchina  einheimisch,  mit  eiförmig-elliptischen,  dreinervigen,  zugespitzten,  an  der 
Basis  abgerundeten,  drüsig-gezähnten  Blättern,  am  Rande  weiss  -  wolligen  Kron- 
blättern und  20  in  der  Mitte  wolligen  Staubfäden. 

Liefert  den  in  Folge  des  Stiches  von   Coccus  Laccae  Kth.  ausfliessenden 
Stocklack,  Schellack. 

7.  Croton  Malambo  Karst,  in  Venezuela,  Costarica  und  Cartagena; 
ein  kleiner  Baum  mit  ovalen,  gekerbt  gesägten,  durchscheinend  punktirten,  kahlen. 
Blättern,  ausgezeichnet  durch  die  in  der  Knospe  geraden  Staubgefässe,  liefert  die 
Malambo-Rinde  (s.  d.). 

8.  Croton  Draco  Schlecktd.  in  Mexico  uud  C.  hibiacifolius  Kth.  in  Neu- 
Granada ,  beide  mit  einem  dichten  Filz  aus  schlaffen  Sternhaaren  bedeckte 
Bäumchen,  enthalten  im  Stamm  einen  rothen  Saft,  der  als  mexicanisches 
Drachenblut  in  den  Handel  kommt.  Tschirch. 

CrOtonaldehyd,  C,  H„  O,  der  Aldehyd  der  Crotonsäure,  bildet  sich  aus  Acet- 
aldebyd  durch  Condensation  unter  Wasseraustritt,  vermittelst  Salzlösungen  oder 
Zinnchlorid  oder  Chlorkohlenoxyd.  —  Zur  Darstellung  erhitzt  man  10  Vol.  Acet- 
aldehyd  mit  1  Vol.  concentrirter  wässeriger  Natriumacetatlösung  24  Stunden  lang 
auf  100°.  —  Anfangs  obstartig,  dann  höchst  stechend  riechende  Flüssigkeit. 
Spec.  Gew.  1.033 ;  Siedepunkt  104 — 105°.  In  Wasser  ziemlich  leicht  löslich.  — 
Zieht  aus  der  Luft  0  an  und  reducirt  Ag  0,  dabei  in  Crotonsäure  übergehend.  - — 
Mit  HCl  in  der  Kälte  bildet  es  a-Chlorbutteraäure-Aldehyd :  mit  PCI6  Dichlor- 
butylen,  C,  H*  CL, ;  mit  Br  Dibrombuttorsäurealdehyd,  C4  H„  Ba  0.    G  answindt. 

Crotonochloralum  hydratum,  Crotonchloralhydrat.  Der  so  benannte 

und  auch  raedicinisch  angewendete  Stoff  ist  Buty  lehlora  1,  C4  H6  Cl3  0,  war 
frtlher,  ehe  seine  chemische  Constitution  richtig  erkannt  war,  für  Crotonchloral, 
C\  H3  Cl3  0,  gehalten  worden.  Gleichwohl  ist  der  bereits  eingebürgerte  falsche  Name 
Crotonchloralhydrat  im  Gebrauch  geblieben.  —  S.  Butylchloralhydrat. 

Croton  Öl.  Das  durch  Auspressen  oder  besser  durch  Extractiou  mittelst  Schwefel 
koblenstoff  gewonnene  Oel  der  Samen  von  Croton  Tiglium  L.  Diese  enthalten 
50 — 60  Procent  eines  fetten,  durchsichtigen,  dickflüssigen,  gelben  bis  braungelben, 
nicht  austrocknenden  Oeles  von  saurer  Reaetion  und  schwach  ranzigem  Geruch.  Das 
Oel  hat  ein  spec.  Gew.  von  0.!U2,  ist  löslich  in  36 — 40  Th.  Alkohol  von  00  Procent, 
sowie  in  Schwefelkohlenstoff  uud  Aether,  linksdrehend,  nicht  flüchtig,  an  der  Luft 
allmfllig  verharzend.  Es  besteht  bis  zu  4  Proeent  aus  Crotonol  (s.  d.),  die  übrigen 
0<J  Proeent  werden  gebildet  aus  den  Triglyceriden  der  Ameisensäure,  Essigsäure, 
Isobuttersäure ,  Isovaleriansflure ,  Tiglinsäure ,  der  Stearinsäure ,  Palmitinsäure, 
Laurinsäurc,  Myristicinsäure  und  Oelsäure.  Ueber  Wirkung  und  Anwendung 
vergl.  Ol.  Crotonis.  Ganawindt. 

Crotonol,  C9  Hlt  02.  Aus  dem  Oleum  Crotonis  von  Schlippe  isolirt.  Zu  seiuer 
Darstellung  wird  Crotonöl  mit  zur  Milchbildung  hinreichender  Menge  alkoholischer 
Natronlauge  geschüttelt,  darauf  einige  Stunden  gelinde  erwärmt  und  dann  durch 
Zusatz  von  Wasser  oder  Kochsalzlösung  die  milchbildeuden  Oeltheilchen  au  die 
Oberfläche  gedrängt,  wo  sie  sich  zu  einem  zusammenhängenden  Oel  vereinigen. 
Nach  Entfernen  dieses  Oeles  durch  Filtriren  durch  ein  nasses  Filter  wird  dem 
Filtrat  Wasser  und  Salzsäure  zugesetzt,  das  so  abgeschiedene  Oel  in  Alkohol  ge- 
löst und  mit  frisch  gefälltem  Bleioxydbydrat  versetzt ;  die  neutrale  Flüssigkeit  wird 

Be»l-EncyclopÄdie  der  goß.  Phannacie.  III.  21 

Digitized  by  Google 


322 


CROTONOL.  —  CRÜCIFERAE. 


mit  viel  schwach  alkalischem  Wasser  gemischt,  nötigenfalls  etwas  Chlorcalcium 
zugefügt,  wonach  heim  Stehen  sich  Crotonol  ausscheidet,  das  mit  Wasser  gewaschen 
und  in  Aetherweingeist  gelöst  wird.  Beim  Verdunsten  des  letzteren  im  Vacuum 
bleibt  das  Crotonol  als  farblose,  zähe,  an  Terpentin  erinnernde  Masse  zurück.  Es 
bildet  etwa  4  Procent  des  Crotonöles.  Es  ist  unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich 
in  Aether  und  Alkohol.  Es  ist  nicht  flüchtig:  Kochen  mit  Säuren,  Alkalien  oder 
Wasser  zersetzt  es.    Es  wirkt  auf  die  Haut  gebracht  stark  entzflndungserregend. 

v.  Schröder. 

Crotonsäure.  a-Crotonsäurc,  C4  H«  09.  Kommt  gleichzeitig  mit  der  isomeren 
(Ü-Crotonsäure  im  rohen  Holzessig  vor.  Man  gewinnt  sie  am  besten  durch  Oxydation 
von  ß-Oxybuttersäure,  aus  der  sie  sich  unter  Wasser-Abspaltung  bildet :  CH,  C  H  (OH) . 
CH2  COO  H  —  H20  =  CHt.CHl:iCH.  000 H ,  sowie  ferner  beim  Kochen  von 
a-Brombuttersäureester  mit  alkoholischem  Kali.  —  Farblose  Nadeln  oder  monokline 
Prismen,  welche  bei  72°  schmelzen,  bei  180 — 181°  sieden;  löslich  in  12  Th. 
H2  0.  —  Mit  2  Atomen  Brom  verbindet  sie  sich  direct  zu  ß-Dibrombuttersäure, 
mit  rauchender  HBr  und  HJ  zu  a-Monobrom-  oder  a-Monojodbuttersäure,  welehe 
beide  mit  Natriumamalgam  in  Buttersäure  übergehen.  Beim  Schmelzen  mit  Kali 
zerfällt  sie  in  Essigsäure :  C4  H6  02  +  2  H2  0  =  2  (C  H, .  COOH)  +  2  H.  Von  Salzen 
sind  das  Kali-,  Natron-,  Zinn-,  Blei-  und  Silbersalz  dargestellt.       Ganswind t. 

Croup,  s.  Bräune,  Bd.  II,  pag.  366. 

CrOWfiglaS  =  Kronglas,  s.  Glas. 

CrOZOphora.  Gattung  der  Euphorbiaceae,  Unterfamilie  Acalypkeae,  charak- 
terisirt  durch  hüllenlose  Blüthen  in  achselständigen  Trauben,  darunter  nur  wenige 
9,  die  sich  zu  fleischigen  Kapseln  entwickeln. 

Crozophora  thu  toria  A.  Juss.,  ©  Kraut  des  Mittelmeergebietes  mit  langgestielten 
rhombisch-eiförmigen  Blättern,  liefert  in  seinem  Safte  den  Farbstoff  Tournesol  (s.  d.). 

Cmciferae.  Familie  der  Rhoeadinae.  Krautartige  Gewächse,  seltener  Halb- 
sträucher,  in  etwa  1200  Arten  über  die  ganze  Erde,  jedoch  hauptsächlich  auf 
der  nördlichen  Halbkugel  verbreitet.  Sämmtliche  Arten  gehören  der  15.  Classe  des 
LiNNE'schen  Systems  an.  Charakter :  Blätter  spiralig,  selten  unterwärts  gegenständig. 


Fig.  50 


Embryonen  von  Cmciferen. 
n  Same,  b  Embryo  von  Chtiranthu*  Chmri,  c  Zeichen  für  die  Lage  des  Keimlings  fl'ieurorkiitat).  — 
d — f  Typus  der '  S<>torrhi»tat  an  •Sitymbrium  AiUarxa.  —  g — i  Typus  der  Ortloploctat  an  Uranien.  — 
k— i  Typus  der  sptroiobta*  an  /mniat.  —  m—n  Typus  der  Dipleeolobtat  an  Htliopkila,  (Nach 

Lner  ssen.) 

Blüthen  in  Trauben  ohne  Oipfelblüthe,  zwitterig,  actinomorph.  Kelch  4blätterig. 
meist  abfallend.  Kronblätter  4,  selten  fehlend,  kreuzständig.  Staubgefässe  6, 
untere  2  kürzer,  obere  meist  durch  Spaltung  4,  länger  (tetradynamisch).  Frucht 

Digitized  by  Google 


CRIICIFERAE.  --  CRUSTULA  VARIOLAE. 


323 


schotenförmig ,  meist  mit  abspringenden  Klappen  und  bleibender  Scheidewand, 
gelten  nicht  aufspringend.  Samen  ohne  Eiweiss,  Keimling  gekrümmt. 

Nach  der  Lage  der  Keimblätter  (Fig.  50)  wird  die  Familie  in  5  Reihen  ein- 
teilt: P  eurorrhizae  O  ~  ,  Notorhizae  O  I  !,  Orthoploceae  O»,  Spiro- 
lobeae,  O  I;  ,  Diplecolobeae  O  II  II  II  !l. 

CrUCiferenÖle.  Die  Familie  der  Kreuzbittthier  (Cruciferae)  enthält  sehr 
viele  ölliefernde  Pflanzen.  Schakdler  führt  folgende  technisch  verwendeten 
Cruciferenöle  an: 

•  I.  Nicht  trocknende  Oele. 

1.  Rübole  von  verschiedenen  Brassica- Arten,  je  nach  ihrer  Abstammung  auch 
in  Rapsöl,  Rüböl  oder  Cobiaöl  unterschieden. 

2.  SenfÖl  von  Sinapis  nigra,  dem  schwarzen,  und  Sinapis  alba,  dem  weissen  Senf. 

3.  Rettigöl  von  Baphanus  saticus,  dem  Oelrettig. 

4.  Hederichöl  von  Raphanus  Raphanistrum,   dem  Aokerrettig. 

II.  Trocknende  Oele. 

5.  Leindotteröl  von  Myagrum  sativum,  dem  Leindotter  oder  Butterraps. 

6.  Täschelkrautsamenöl  von  Thlaspi  arvense. 

7.  Gartenkrcssensamenöl  von  Lepidium  sativum. 

8.  Rothrepsöl  von  Hesperts  matronalis,  der  Nachtviole. 

Technische  Bedeutung  haben  nur  die  Rüböle,  das  Hederichöl  und  Leindotteröl. 

Die  Cruciferenöle  enthalten  eine  geringe  Menge  Schwefel  in  Form  einer  noch 
nicht  isolirten  organischen  Verbindung.  Um  Crucifcrenöl  in  einer  Fettprobe  nach* 
zuweisen,  genügt  somit  der  Nachweis  von  Schwefel,  welcher  leicht  gelingt,  wenn 
man  eine  geringe  Menge  des  Fettes  verseift  und  mit  einem  Tropfen  Blei-  oder 
8ilber!figung  versetzt  und  beobachtet,  ob  Schwarzfarbung  eintritt.  Gegen  diese 
Prüfungsmethode  sind  aber  in  letzterer  Zeit  Bedenken  erhoben  worden,  indem 
einerseits  durch  die  Extraction  mit  Schwefelkohlenstoff  gewonnene  Oele  ebenfalls 
schwefelhaltig  sind,  andererseits  auch  Cruciferenöle  durch  geeignete  Raffination 
schwefelfrei  gemacht  werden  können. 

Dagegen  unterscheiden  sich  die  bisher  nach  dieser  Richtung  genauer  studirten 
Cruciferenöle  von  anderen  Oelen  sehr  wesentlich  durch  ihren  grossen  Gehalt 
an  der ,  der  Oelsäurereihe  angehörigen  Brassicasäure ,  Caä  H,3  Oa.  Da  diese 
Saure  ein  sehr  hohes  Molekulargewicht,  besitzt,  so  ist  die  Verseifungszahl  der 
Cruciferenöle  im  Vergleiche  zu  den  anderen  Oelen  bedeutend  herabgedrückt;  somit 
bietet  die  Bestimmung  dieser  Zahl  ein  werthvolles  Mittel  zur  Erkennung  der 
genannten  Oele.  Die  Verseifungszahl  von  Rflböl  ist  z.  B.  zu  177,  die  von  Olivenöl 
zu  1!H — 196  gefunden.  Von  Ricinusöl,  dessen  Verseifungszahl  ebenso  niedrig  liegt, 
lassen  sich  die  Cruciferenöle  leicht  durch  die  ganz  verschiedenen  Löslichkeitsver- 
hältnisso  unterscheiden. 

Eine  weitere  charakteristische  Eigenschaft  der  Cruciferenöle  ist  ihre  Schwer- 
löslichkeit in  Eisessig.  Mischt  man  nach  Valetta  gleiche  Volumina  Oel  und 
Eisessig  von  der  Dichte  1.0562  in  einem  Probegläschen  und  erhitzt  bis  zum 
beginnenden  Sieden,  so  bleiben  nur  Rüböl,  Rapsöl  und  Hederichöl  ungelöst,  während 
sich  alle  anderen,  nicht  von  Cruciferen  herstammenden  Oele  auflösen.  Benedikt. 

CrUCq'3  Reparateiir  a  baSe  de  QuinqUina,  ein  Pariser  Haarfärbemittel, 
enthält  nichts  von  China,  wohl  aber  Bleipräparate. 

CrUGT  (lat.)  heisst  der  Blutkuchen  im  ersten  Stadium  der  Gerinnung.  — 
8.  Blut,  Bd.  II,  pag.  326. 

Cni80kreatinin,  s.  Cadaveralkaloide,  Bd.  II,  pag.  448. 

Crustula  variolae  (isopathisch),  das  eingetrocknete  Blattcrnsecret  in  Ver- 
reibung. 

^   Digitized  by  Google 


3*4 


ORYPTOCHAETE.  —  CU. 


CryptOChaete,  mit  Microchaete  Benth.  synonyme  Gattung  der  Compositae, 
Abtheilung  Labiatißorae. 

Cryptogamae.  auch  Sporophyta,  Acotyledones ,  sind  Pflanzen,  welche  sich 
durch  Sporen,  in  einer  von  der  Reimung  der  Samen  völlig  verschiedenen 
Weise  fortpflanzen.  Man  theilt  sie  in  drei  grosse  Gruppen: 

1.  Thallophyta,  ohne  Differenzirung  in  Wurzel,  Stamm  und  Blatt.  Sie  gliedern 
sich  in  vier  Classen:  Protophyta,  Zygonporme,  Oosporen*,  Carposporeae. 

2.  Miwctneae,  mehr  oder  weniger  in  8tamm  und  Blatt  gegliedert,  mit  den 
ersten  Andeutungen  von  Gefässbündeln,  ohne  echte  Wurzeln,  aber  mit  Rhizoiden. 
Sie  gliedern  sich  in  Hepaticne  und  Musci. 

3.  Cryptogamae  vasculares,  bewurzelte,  in  Stamm  und  Blatt  gegliederte,  von 
Gefässbündeln  durchzogene  Sporenpflaozen.  Hierher  gehören  die  Filicinae,  £qui- 
setinae  und  Lycopodinae. 

Cryptopin.  —  c81h23no5. 

Im  Opium  enthalten.  Werden  die  Alkaloide  aus  der  Morphinmutterlauge, 
.  welche  bei  dem  RoBERTsoN-GRBGORY'schen  Verfahren  erhalten  wird,  mit  Natrium- 
hydroxyd im  Ueberschuss  gefällt ,  so  geht  fast  sämmtliches  Cryptopin  in  den 
Niederschlag  Uber.  Derselbe  wird  in  Essigsäure  gelöst,  mit  Ammoniak  neutralisirt, 
wobei  vorzugsweise  das  Narcotin  und  Papaverin  abgeschieden  wird,  hierauf  aus 
der  Lösung  das  Thebain  nach  Möglichkeit  durch  Weinsäure  entfernt  und  schliess- 
lich das  Cryptopin  mit  Salzsäure  gefällt.  Zur  Entfernung  des  gleichzeitig  aus- 
geschiedenen Protopins  wird  der  Niedei  achlag  mit  überschüssiger  Oxalsäure  be 
handelt,  das  so  erhaltene  Cryptopinoxalat  aus  kochendem  Wasser  umkrystallisirt, 
durch  Ammoniak  zerlegt  und  das  freie  Alkaloid  aus  kochendem  Alkohol  umkrystal- 
lisirt. Aus  Alkohol  scheidet  sieh  das  Cryptopin  allmälig  in  kurzen,  sechsseitigen 
Prismen  und  Körnern  ab.  Es  ist  eine  starke  Base,  schmilzt  bei  271°.  Benzin, 
Terpentinöl,  Petroleumäther  lösen  es  selbst  bei  Siedehitze  wenig,  am  besten  noch 
Chloroform.  Ammoniak,  Kali-  und  Natronlauge  fällen  die  Lösung  der  Cryptopin- 
salze.  Cryptopin  wird  von  coneeutrirter  Salpetersäure  für  den  ersten  Augenblick 
nicht  gefärbt,  doch  bald  wird  die  Lösung  orangefarben  und  die  Base  in  Nitro- 
cryptopin  verwandelt.  Conccntrirte  Schwefelsäure  färbt  bei  20°  erst  gelb,  dann 
violett.  Mit  eisenoxydhaltiger  Schwefelsäure  wird  gleich  eine  dunkelviulette  Lösung 
erzielt.  Die  Salze  des  Cryptopins  schmecken  anfangs  bitter  und  später  brennend, 
an  Pfeffenuinzöl  erinnernd.  Mit  wenigen  Ausnahmen  zeigen  diese  Verbindungen 
die  beinerkenswerthe  Eigenschaft,  sich  aus  ihren  Losungen  anfänglich  als  gallertige 
Massen  abzuscheiden.  —  Cr  =  Ca,  H23  N06.  —  Cr  H  Cl  +  6  H2  0,  zarte  Prismen, 
leicht  löslich  in  Wasser.  —  (Cr  H  Cl)3  PtCl,  +6H20,  fast  weisse  Nädelchen.  — 
Cr  H  Cl .  Hg  Cl2  +  IL  0 ,  schwer  löslich  in  kaltem  Wasser.  Ferner  sind  das  pikrin- 
saure,  sowie  oxalsaure,  saure  weiusaure,  chromsaurc  Salz  gut  krystallinisch. 

v.  Schröder. 

CryptorchismUS  (öf/t;,  der  Hode),  Zurückbleiben  beider  oder  eines  Hodens 
(M  o  n  o  r  c  h  i  s  m  u  s)  in  der  Bauchhöhle  oder  im  Leistencanal,  also  an  ihrer  embryo- 
nalen Stätte,  an  Stelle  des  normalen  Herabtrotens  in  den  Hodensack. 

Crystalban  ist  nach  Payen  ein  Bestandteil  (Harz)  der  G  u  1 1  a  p  e  r  c  h  a  (s.  d.). 

CryStalli  Tartari,  ein  älterer  Name  für  Kalium  bitartaricum. 

CryStalloide  nennt  man  alle  diejenigen  Substanzen ,  welche  die  thierische 
Membran  zu  durchdringen  vermögen ,  da  diese  Eigenschaft  vorwiegend  krystalli- 
sirharen  Stoffen  zukommt.  —  S.  Dialyse. 

OyStallUm  minerale,  ein  älterer  Name  für  Nitrum  tabulatum. 

CS,  chemisches  Symbol  für  Cacsium. 

ClI,  chemisches  Symbol  für  Kupfer  (Cuprum). 


Digitized  by  Google 


CUBEBA. 


325 


Cubeba,  von  Miguel  aufgestellte,  jetzt  mit  Piper  L.  vereinigte  Gattung  der 
Piperaceae,  vorzüglich  charakterisirt  durch  blattgegenständige,  diöcische  Aehren, 
freie  Bracteen  mit  2  oder  3  Staubgefässen  und  gestielte  Früchte. 

Fr  u  et  us  8.  B  accae  Cubebae,  Piper  Cubeba,  Piper  caudatum,  Cubeben, 
Poivre  a  queue,  Cubebs(in  allen  Pharmakopoen)  stammen  von  Piper  Cubeba 
L.  ßl.  (Cubeba  qficinalü  Mg.),  einem  auf  den  grossen  Sunda-Inseln  heimischen, 
hier  und  in  Westindien  cultivirten  Kletterstrauche.  Aus  den  Q  Inflorescenzen  ent- 
wickeln sich  4 — 5  cm  lange  Fruchtähren  mit  50  und  mehr,  anfangs  sitzenden 
beerenartigen  Steinfrüchten,  welche  aber  später  an  der  Basis  in  einen  bis  5  mm 
langen  Stiel  auswachsen.  Beere  und  Stiel  bilden  ein  Ganzes,  und  da  auch  bei  der 
Reife  keine  Trennungsschicht  zwischen  den  beiden  sich  bildet,  fallen  immer  die 
gestielten  Beeren  von  der  Aehre  ab. 

Man  erntet  die  Cubeben  vor  der  Reife,  sie  schrumpfen  daher  beim  Trocknen 
stark .  In  der  Droge  stellen  sie  kugelige,  grau  bis  schwarzbraune,  grob  netz- 
runzelige, am  Scheitel  etwas  gespitzte  (von  den  Narben  gekrönte),  gestielte  und 
am  srid. -in satze  oft  etwas  eingefallene  Beeren  dar.  Die  Schale  ist  etwa  0.5  mm 
dick,  ihr  Endocarp  ist  sclerosirt.  Sie  umschliesst  einen  meist  unentwickelten, 
geschrumpften,  nur  an  der  Basis  angewachsenen  Samen  (im  Gegensatz 
zu  Piper  nigrum).  Ist  der  Same  entwickelt,  so  ist  er  flach  kugelig,  glänzend 
braun,  am  Grunde  benabelt,  am  Scheitel  im  öligen  Endosperm  den  kleinen  Embryo 
bergond. 

Fig.  51.  Fig.  52. 


Querschnitt  durch  die  C  u  he b e n  sc  h a  1  e : 
»Süsser»«,  i  innere  Steinzellenechicht :  im  Mew-  Aus  dem  Snmen-Eiweifw  der  Cu  heben, 

earp  zahlreiche  Oelrttume.  Vergr.  l  5.  (Nach  Berg.»  Vergr.  200. 

Im  mikroskopischen  Bau  wiederholen  die  Cubeben  den  Typus  des  schwarzen 
Pfeffers.  Unter  der  Oberhaut  der  Fruchtschale  liegt  eine  meist  einzellige, 
nicht  geschlossene  Reihe  kleiner,  fast  eubischer  Steinzellen  (Fig.  51).  Das  zart- 
zellige  Mesocarp  führt  Stärke  und  Oel,  ab  und  zu  Kryställchen  (Cubebin?),  in 
besonderen  grossen  (0.0(5  mm)  Oelräumen  ätherisches  Oel ;  in  den  inneren  Schichten 
laufen  die  Gefässbündel.  Das  Endocarp  besteht  aus  radial  gestreckten,  gleich- 
mässig  stark  verdickten,  blassgelben  Steinzellen.  Das  Endosperm  (Fig.  52)  ist 
zartzellig,  erfüllt  von  Stärkeklumpen  aus  winzigen  Körnchen  (0.«)06mm),  daneben 
Krystalle  (von  Cubebin  V).  Die  in  demselben  zerstreuten  Oelräume  sind  etwas  grösser 
als  im  Fruchtfleische. 

Die  Cubeben  riechen  eigentümlich  und  schmecken  gewürzhaft,  etwas  bitter. 
Die  nur  wenig  aromatischen  Aehrenspindeln ,  mit  welchen  die  Droge  verunreinigt 
zu  sein  pflegt,  sind  zu  beseitigen  fPh.  Germ.,  Fu.  St.). 

Sie  enthalten  gegen  14  Procent  (1>.5  Procent,  Bkrnatztk)  Cubeben  genanntes 
ätherisches  Oel,  6.5  Procent  Cubebenharz,  welches  ein  Gemenge  aus  Cubebin, 
Cu  bebensäure  und  indifferenten  Harzen  darstellt  (Schmidt),  l'eberdies  ent- 
halten die  Cubeben  Stärke,  Gummi,  fette9  Oel  fl  Froren t),  Farbstotf. 

Man  benutzt  die  Cubeben  heutzutage  fast  ausschliesslich  gegen  Gonorrhoe  uud 
schreibt  ihnen  eine  speeifische  Wirkung  auf  das  Trippergift  zu,  ähnlich  wie  dem 


Digitized  by  Google 


326 


CUBEBA.  —  CUBEBENSÄURE. 


Copaiva-BalBam.  Als  die  wirksamen  Bestandteile  betrachtet  man  das  Cubeben  und 
die  Cubebensäure,  keinesfalls  das  Oubebin.  Man  verwendet  entweder  die  Cubeben 
in  Substanz  oder  das  Extract.  Sie  rufen  leicht  Verdauungsstörungen  hervor,  Gaben 
von  10  g  sind  bereits  toxisch. 

G  esti  el  te  Pfefferfrüchte,  welche  bisweilen  den  Cubeben  beigemischt  angetroffen 
werden,  stammen  von  nahe  verwandten  Arten.  Die  Früchte  von  Piper  crastnpes 
Korthals  (Sumatra)  sind  grösser,  sehr  bitter,  ihr  Stiel  IVa  bis  2mal  so  lang 
als  die  Beere ;  die  Früchte  von  Piper  caninum  Dietr.  (Sunda-Archipel)  sind  kleiner 
und  kürzer  gestielt,  dagegen  die  Früchte  von  Piper  Lovoong  Bl.  (Java)  und 
P.  ribesoides  Wall.  (Indien)  von  Cubeben  kaum  zu  unterscheiden.  Auch  Afrika 
besitzt  in  dem  sogenannten  A schan ti-Pfeffer  ein  den  Cubeben  ähnliches,  aber 
wie  Pfeffer  schmeckendes  Gewürz ,  welches  nicht  in  den  Handel  kommt.  Es 
stammt  von  Piper  guineense  Thanning.  Die  Früchte  sind  kleiner  und  weniger 
gerunzelt  als  die  Cubeben,  ihr  dünner,  meist  gekrümmter  Stiel  doppelt  so  lang 
als  die  Beere.  Sie  enthalten  Piperin,  kein  Cubebin  (Stexhouse). 

Die  als  Verwechslung  angeführten  Kreuzbeeren  (Bhamnus-Arten)  sind  viersamig 
und  ihr  Stiel  ist  leicht  ablösbar.  Fälschungen  werden  häufig  schon  an  den  Prc~ 
ductionsorten  vorgenommen ;  so  kam  jüngst  aus  Bombay  eine  Waare  nach  England, 
welche  nur  wenig  Cubebenf  umsomehr  Kreuzbeeren,  schwarzen  Pfeffer  und  Alpina- 
Blüthen  enthielt.  j.  Moeller. 

Cllbebenkampfer,  ClfVHiaO.  Das  von  lange  gelagerten  Cubeben  gewonnene 
Oel  lässt  bisweilen  Krystalle  von  Cubebenkampfer  anschiessen.  Es  sind  farblose, 
durchsichtige,  glasglänzende  Krystalle,  welche  dem  rhombischen  System  angehören. 
Sie  schmelzen  bei  68.7  bis  70°  zum  wasserhellen  Oel,  welches  beim  Erkalten  wieder 
krystallinisch  erstarrt.  Sublimirt  unverändert.  Siedepunkt  148°.  Riecht  schwach 
nach  Cubeben,  schmeckt  schwach  brennend.  Neutral.  Cubebenkampfer  schmilzt  unter 
siedendem  Wasser,  ohne  sich  zu  lösen  und  destillirt  schwierig  mit  Wasserdämpfen ; 
leicht  löslich  in  Alkohol ,  Aether ,  fetten  und  flüchtigen  Oelen,  nicht  in  Alkalien. 
Linksdrehend.  Zerfällt  beim  Erhitzen  auf  200 — 250°  und  auch  bei  läugerem  Stehen 
Uber  Schwefelsäure  in  Wasser  und  Cubeben,  C,6Ha4.  v.  Schröder. 

Cubebenöl.  Wird  durch  Destillation  der  ausgewachsenen,  aber  vor  der  Reife 
gesammelten  Früchte  von  Hper  Cubeba  gewonnen.  Der  grösste  Theil  des  Oeles 
geht  zwischen  250°  und  260°  Uber.  Es  ist  nach  dem  Rectificiren  farblos  und  dick- 
flüssig, das  zuletzt  übergehende  ist  fast  butterartig.  Riecht  schwach  gewürzhaft. 
Neutral.  Spec.  Gew.  bei  0°  0.924.  Der  Hauptsache  nach  entspricht  es  der  Formel 
Cl0Hld.  Beim  längeren  Stehen,  besonders  in  feuchter  Atmosphäre,  scheiden  sich 
Krystalle  von  Cubebenkampfer  aus.  Das  Cubebenöl  ist  linksdrehend.  Mit  trockenem 
Chlorwasserstoff  liefert  es  eine  Verbindung  C30Hl8  4-  4  CIH.  Es  wird  durch  Salpeter- 
säure nieht  entzündet,  aber  erhitzt  sich  stark,  entwickelt  Stickoxyd  und  verharzt. 
Beim  Erhitzen  von  Cubebenöl  mit  Schwefelsäure  bildet  sich  das  dem  Oel  isomere 
oder  polymere  Cubeben,  welches  schwächer  linksdrehend  ist.  Wird  zu  Cubebenöl 
in  gleich  viel  Schwefelkohlenstoff  ein  abgekühltes  Gemisch  von  gleichen  Theilen 
concentrirter  Schwefelsäure  und  Salpetersäure  getropft,  so  färbt  sich  das  Gemenge 
allmälig  blau.  v.  Schröder. 

Cubebensäure,  C18  HH  07.  Findet  sich  in  den  Cubeben.  Man  gewinnt  sie. 
indem  man  das  von  flüchtigem  Oel  befreite  ätherische  Extract  der  Cubeben  in 
schwachem  Weingeist  unter  Zusatz  von  etwas  Kalilauge  löst,  mit  Chlorbarynm 
fällt,  das  Barytsalz  aus  Wasser  umkrystallisirt  und  mit  Schwefelsäure  zerlegt. 
Die  Cubebensäure  ist  ein  amorphes,  farbloses,  leicht  schmelzbares  Harz,  unlös- 
lich in  Wasser  und  Säuren  ,  leicht  löslich  in  Alkohol ,  Chloroform  und  Aether. 
Mit  Alkalien  bildet  sie  neutrale,  in  Wasser  lösliche,  durch  alkalische  Erden  und 
schwere  Metalloxyde  fällbare  Salze.  Das  Natriumsalz  ist  krystallinisch. 

v.  Schröder. 


Digitized  by  Google 


CUBEBIN.  -  CUCURBITA. 


327 


Cllbebin,  Cl0H10O3.  In  den  Cubeben,  den  Früchten  von  Piper  Oubeba,  ent- 
halten. Man  entfernt  zuerst  durch  Destilliren  der  Früchte  mit  Wasser  das  ätherische 
Oel.  Die  dann  getrockneten  Cubeben  zieht  man  mit  Weingeist  ans,  destillirt  den 
Alkohol  ab,  lässt  den  Rückstand  bis  zur  Krystallisation  stehen,  befreit  die  Krystalle 
von  der  Mutterlauge  und  krystallisirt  sie  aus  Alkohol  unter  Beifügung  von  Thier- 
kohle um.  Kleine  weisse  Nadeln  oder  perlglänzende  BlAttchen.  Schmelzpunkt  125°. 
Geruchlos,  geschmacklos,  neutral.  Kaum  löslich  in  Wasser.  Bei  12°  lösen  100  Th. 
absoluten  Alkohols  1.31  Th.,  100  Th.  Aether,  3.75  Th.  Cubebin.  Löslich  in  Chloro- 
form, Benzol,  flüchtigen  und  fetten  Oelen.  Löst  sich  in  concentrirter  Schwefelsäure 
mit  purpurvioletter  Farbe.  Salpetersäure  oxydirt  es  zu  Oxalsäure  und  Pikrinsäure, 
salpetrige  Säure  bewirkt  in  ätherischer  Lösung  Bildung  von  Nitrocubebin.  Der 
Durchschnittsgehalt  der  Früchte  an  Cubebin  beträgt  circa  2.5  Procent. 

v.  Schröder. 

Cubebine  ist  eine  französische  Bezeichnung  für  Extractum  Cubcbarum  aethereum  j 
CubebiKeS  sind  dragirte  Pillen  mit  Cubebenextract  und  Copaivabalsam. 

Cubikcentimeter,  abgekürzt  =  cem  (Deutschland),  cm»  (Oesterreich).  1  cem 
Wasser  von  +  4°=  1.0g;  1000 cem  =11. 

ClJCUballlS,  Gattung  der  Caryophyllaceae,  Unterfamilie  Sileneae,  mit  einer 
einzigen  europäischen  Art: 

Cucubalus  baeeifer  L.  Es  ist  ein  klimmendes,  behaartes  Kraut  mit  nickenden 
ftliithen,  aufgeblasenem  Kelch  und  schwarzen,  vielsamigen  Beerenfrüchten.  Die  von 
ihm  stammende  Herda  Cucubali  s.  Viscayinis  baeeiferi  war  einst  als  Adstringens  in 
Gebrauch. 

Cucubalus  Behen  L.  ist  synonym  mit  Silene  inßata  Sm. 
CllCUlli,  wenig  gebräuchliche  Bezeichnung  für  Kräuterkissen. 

Cucumis,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Cueurbitaceae. 
Kräuter  mit  rauhen  oder  weichstacheligen,  raeist  niederliegenden  Stengeln  und 
einfachen  Ranken ,  kleinen  gelben ,  meist  einhäusigen  Blüthen ,  von  denen  die  c? 
meist  gebüschelt ,  die  Q  einzeln  in  den  Achseln  stehen.  Die  ersteren  enthalten 
3  Staubgefässe,  deren  Connectiv  sich  über  die  Antheren  hinaus  zu  einem  Fortsatz 
verlängert ;  die  letzteren  besitzen  einen  3 — 5fächerigen ,  vielsamigen  Frucht- 
knoten ,  der  sich  zu  mannigfach  gestalteten  Beeren  („Kürbisfrüchten")  entwickelt. 

Cucumis  Melo  L.,  die  Melone  und  C.  sativus  L.,  die  Gurke, 
beide  wahrscheinlich  aus  Ostindien  stammend,  werden  bei  uns  in  vielen  Varietäten 
cultivirt.  Die  Samen  beider  waren  Bestandteile  der  zu  Emulsionen  verwendeten 
Semina  quatuor  ßrigida. 

Aus  der  Wurzel  der  Melone  stellte  Torosiewicz  (Rev.  d.  Pharm.  XLV)  einen 
brechenerregenden  Bitterstoff  dar,  das  Melonenemetin.  Den  Gurkeusaft  bentitzt 
Cod.  med.  zur  Bereitung  der  „Pommade  aux  concombres". 

Cucumis  myriocarpus  Nd.  entwickelt  zahlreiche,  in  Form  und  Grösse 
den  Stachelbeeren  ähnliche,  bittere  Früchte,  die  von  den  Kauern  als  Brechmittel 
„Cacur"  benützt  werden. 

Cucumis  Citrullus  Ser.  und 

Cucumis  Colocynthis  L.  werden  jetzt  zu  Citrullus  Neck,  gezogen. 

Cucurbita,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie.  Rauhe  Kräuter  mit 
lappigen  Blättern  und  getheilten  Ranken,  grossen,  gelben,  monöcischen  Blüthen, 
von  denen  die  (5  einzeln  oder  gebüschelt,  die  Q  immer  einzeln  in  den  Achseln 
auf  kurzen  8tielen  sitzen.  In  den  ersteren  3  Staubgefässe  (vou  denen  2  gepaart) 
mit  zu  einem  Köpfchen  verschmolzenen  Antheren ,  in  den  letzteren  neben  3  bis 
5  Staminodien  ein  3-  bis  Öfächeriger  Fruchtknoten,  welcher  sich  zu  einer  grossen 
Beere  entwickelt.  Die  zahlreichen  Samen  sind  flach ,  länglich ,  meist  wulstig 
heran  det. 


Digitized  by  Google 


328 


CUCURBITA.  —  CULILAWAN 


Cucurbita  Pepo  L.,  der  Kürbis,  wahrscheinlich  aus  dem  südlichen 
Asien  stammend ,  wird  cultivirt  wegen  seiner  geniessbaren  Früchte.  Den  Samen 
werden  anthelmin thische  Wirkungen  zugeschrieben.  —  Vergl.  Pepo. 

Cucurbita  Lagenaria  L.  ist  synonym  mit  Lagenaria  vulgaris  Sdringe. 

Cucurbita  Citrullua  L.  ist  synonym  mit  Citrullus  vulgaris  Schrad. 

Cucurbita  (von  eurvus),  der  Schröpfkopf;  daher  curcubitatio,  das  Schröpfen. 

Cucurbitaceae,  Familie  der  Campanulinae.  Meist  0 .  mittelst  Ranken 
klimmende  oder  kriechende ,  krautartige  Pflanzen ,  seltener  Halbsträucher ,  fast 
sämmtlich  in  wärmeren  Gegenden  beider  Hemisphären.  Charakter :  Ranken  spiralig, 
neben  den  Blättern.  Blatter  wechselstandig,  rauh,  herzförmig,  eckig  oder  gelappt, 
bandförmig  gerippt.  Blüthen  blatt  w  inkelständig,  regelmassig,  gewöhnlich  einhäusig. 
Kelch  meist  rad-  oder  glockenförmig,  ötheilig.  Kronblätter  frei  oder  verwachsen. 
Staubgefässe  meist  durch  Verwachsung  nur  3,  mit  zusarameu  5  gekrümmten  Antheren. 
Carpelle  3.  Frucht  meist  eine  grosse,  fleischige  Beere  mit  zahlreichen  Samen 
ohne  Eiweiss. 

Die  Familie  gruppirt  sich  in : 

a)  Cucurbiteae.  Frucht  mehrfächerig. 

b)  Sicyeae.  Frucht  einfächerig.  S  y  d  o  w. 

ClldOWd.  in  Prenssisch-Schlesien  besitzt  drei  alkalische  Eisensäuerlinge  und 
einen  an  Fe  S04  reichen  Moor.  Die  Quellen  haben  folgende  Bestandteile : 


Die  Eugen- 
quelle 

der  Ober 
brnnnen 

die  Gasquelle 

> 

0.035 

0027 

0.037 

„              Manganoxydul  .... 

0.003 

0.002 

0.OÖ3 

1.22 

0.95 

1.23 

O.70 

0.55 

0.72 

3.13 

2.50 

3.17 

,  1217.59 

1251.38 

1213.82 

CuTs  Cattle  Medicine,  gegen  Klauenseuche  der  Zweihufer,  besteht  aus 
einer  Flüssigkeit  und  einem  Pulver;  erstere  (nach  Geissler)  eine  Lösung  von 
Aetzsublimat  in  Salzsäure,  letzteres  ein  Goroisch  aus  Schwefelarsen,  Arsenik,  Jod- 
kalium u.  s.  w.  darstellend. 


Cui8inier's  Sirop  de  salsepareille  compose  ist  ein  dem  sympus  Sarsa- 

parillae  eompositus,  Ph.  Germ.  I.,  ähnlicher  Syrup,  dem  nach  Bedarf  15  bis  30  eg 
Quecksilbersubliniat  auf  5()0g  Saft  zugesetzt  werden. 

Cliivr6  poli  ist  eine  einfache  Messingcoraposition ,  welche  augenblicklich  sehr 
modern  ist  und  zur  Herstellung  kleiner  Kunstgegeustande  dient. 

CujetG,  ADAX.sox'sche,  mit  Crescentia  L.  synonyme  Gattung  der  Qesneraceae. 
Cujete  bark,  wahrscheinlich  von  Cratcentia  Cujete  L.,  wird  in  England  seit 
Kurzem  eingeführt. 

Culilawan,  b  itterer  Zimmt,  Cort.  caryophjilloides  ruber,  ist  die  Rinde 
von  dem  auf  den  Molukkcn  und  Sunda-Inseln  einheimischen  Baum  aus  der  Familie 
der  Lmtraceae :  Cinnamomum  Culilawan  X.  ab  E.  (Laurus  Culilawan  Lour.J. 
Sie  bildet  ziemlich  flache  Stücke  bis  zu  7  mm  Durchmesser.  Die  Mittelrinde  ent- 
hält einen  unterbrochenen  Sclereuchymring.  Die  Innenrinde  führt  Bastfasern  in 
ansehnlicher  Men^e,  die  oft  zu  tangentialen  Reihen  zusammentreten.  Der  Weieh- 
bast  ist  stellenweise  geschichtet .  indem  zusammengefallene  Siebröhrenstränge  oft 
mit  Parenchymlagen  abwechseln.  Geruch  und  Geschmack  erinnern  an  Zimmt  und 
Gewürznelken. 

Ausser  dieser  echten  Culilawanrinde  sind  hin  und  wieder  auch  andere  von  nahe 
verwandten  Lauracccn  stammende  Rinden,  welche  in  denselben  Gegenden  wachsen, 

Digitized  by  Google 


CÜLILAWAN.  -  CUMARIN. 


329 


in  den  Handel  gekommen,  deren  Geruch  bald  mehr  an  Muscatnuss,  bald  mehr  an 
Sassafras  erinnert;  so  die  Rinden  von  Cinnamoinum  Stntoc  Blume  und  G.  Culi- 
lamn  Blume,  Eine  gegenwärtig  vorkommende  Rinde  schmeckt  nach  Sassafras, 
bat  in  der  Mittelrinde  keinen  ßteinzellenring,  sondern  nur  sehr  vereinzelte  Grnppen 
von  Steinzellen.  Eine  tangentiale  Anordnung  der  Bastfasern  ist  wenig  deutlich, 
ebenso  die  Schichtung  des  Weichbastes. 
Die  Droge  findet  kaum  in  der  Pharmacie,  häufiger  als  Gewürz  Verwendung. 

H  art  w  ich. 

CuHlawanöl.  Wird  aus  der  Rinde  von  Cinnamomum  Culilaican  Nees  gewonneu, 
igt  schwerer  als  Wasser  und  riecht  nach  Cajeput-  und  Nelkenöl.       v.  Schröder. 

Culver's  root  (engl.),  das  Rhizom  von  Leptandra  virgintca  Nutt.  (Scro- 
phulariaceae),  welches  ein  officinelles  Bittennittel  der  Ph.  Un.  St.  ist. 

Cumarin.    C,  H«  Oa  =  C,  H4/£  Früher  auch  cumarylige  Säure,  Cumarin- 

tfureanhydrid,  Tonkabohnenkampfer  genannt.  Findet  sich  in  den  Tonkabohnen. 
den  Früchten  von  Dipterix  odorata,  im  Waldmeister,  Asperula  odoroto,  im  wohl- 
riechenden Wiesengras  (Anthoxanthum  odoratum),  im  Kraut  von  Orchis  fusca,  in 
der  Frucht  von  Myroxylon  toluiferum,  im  Steinklee  (Melilotus  officinalis),  in 
den  Fahamblättern  (von  Angraecum  fragrans ,  einer  Orchidee  von  St.  Maurice) ; 
auf  den  trockenen  Blättern  von  Liatrü  odoratissima  soll  sich  oft  Cumarin  in 
kleinen  Krystallen  finden. 

Darstellung.  Synthetisch  gewinnt  man  Cumarin  durch  Erwärmen  von 
Natriumsalicylaldehyd  mit  Essigsäureanhydrid  oder  durch  Kochen  von  Salicylaldehyd 
mit  Natriumacetat  und  Essigsäureanhydrid.  Acetylcumarsäure  zerfällt  beim  Erhitzen 
in  Essigsäure  und  Cumarin.  Aus  Tonkabohnen  erhält  man  es,  indem  man  die 
fein  zerschnittenen  Bohnen  mit  etwa  dem  gleichen  Volum  SOprocentigen  Alkohols 
längere  Zeit  bis  nahe  zum  Sieden  erhitzt,  die  Flüssigkeit  dann  abfiltrirt  und  den 
Rückstand  nochmals  so  behandelt.  Von  den  vereinigten  Lösungen  wird  dann  soviel 
Alkohol  abdestillirt,  bis  der  Rückstand  sich  zu  trüben  beginnt.  Dann  mischt  man 
ungefähr  das  vierfache  Volumen  Wasser  zu,  wodurch  das  Cumarin  krystallinisch 
gefällt  wird.  Man  erhitzt  dann  das  Gemisch  zum  Sieden  und  lässt  die  Lösung  durch 
ein  mit  Wasser  benetztes  Filter  laufen.  Auf  diesem  bleibt  das  Fett  zurück,  während 
aus  der  Lösung  beim  Erkalten  reines  Cumarin  auskrystallisirt.  1  k  Bohnen  lieferten 
14g  Cumarin.  Aus  Waldmeister  stellt  man  es  dar,  indem  man  aus  lufttrockenem 
Waldmeister,  kurz  vor  und  während  der  Blüthe  gesammelt,  einen  alkoholischen 
Auszug  macht.  Von  der  dunkel  grünbraun  gefärbten  Lösung  wird  der  Alkohol 
abdestillirt  und  der  Rückstand  zur  Syrupconsistenz  eingedampft.  Der  Syrup  wird 
mit  Wasser  ausgekocht,  filtrirt  und  das  Filtrat  mit  Aether  ausgeschüttelt.  Den 
Rückstand  der  ätherischen  Auascbüttelung ,  der  einen  Syrup  darstellt,  kocht  man 
mit  Wasser  aus,  aus  dem  beim  Erkalten  das  Cumarin  ansebiesst,  das  durch  mehr- 
maliges ITmkrystallisiren  gereinigt  wird. 

Eigenschaften.  Das  Cumarin  krystallisirt  in  farblosen  Blättchen  oder  rhora- 
bischeu  Säulen.  Riecht  gewürzhaft  und  schmeckt  bitter.  Schmelzpunkt  67°,  Siede- 
punkt 290  bis  290.5°.  Kaum  löslich  in  kaltem  Wasser,  leichter  in  heissem,  sehr 
leicht  in  Alkohol,  Aether,  flüchtigen  und  fetten  Gelen.  Geht  beim  Kochen  mit 
starker  Kalilauge  in  Cumarsäurc  über  und  zerfällt  beim  Schmelzen  mit  Kali  in 
Essigsäure  und  Salicylsäure.  Natriumamalgam  in  wässeriger  Lösung  verwandelt  es 
in  Melilotsäure,  während  in  alkoholischer  Hydrocumarinsäure  entsteht.  Concentrirte 
Schwefelsäure  verkohlt  Cumarin  schon  in  gelinder  Wärme ,  während  concentrirte 
Salzsäure  ohne  Einwirkung  ist.  Kalte  raucheude  Salpetersäure  bildet  Nitrocumarin. 
Brom,  Chlor  bilden  Substitutionsproducte.  Das  Cumarin  bildet  mit  Basen  lockere 
Verbindungen.  Die  wässerigen  Lösungen  der  Alkaliverbindungen  geben  mit  Eisen- 
chlorid einen  chocoladebrauuen ,  mit  Eisenvitriol  einen  grasgrünen  Niederschlag 
und  werden  durch  Alaunlösung,  Ziunchlorür  oder  Zinksalz  weiss  gefällt.  Es  sind 


Digitized  by  Googl 


330 


CUMARIN.  —  CUMINUM. 


Verbindungen  des  Cumarins  mit  Kali,  Natron,  Baryt,  Bleioxyd,  Kupferoxyd,  Silber- 
oxyd ete.  dargestellt  worden.  Das  Cumarin  löst  sich  in  verdünnten  Säuren  leichter 
wie  in  Wasser,  ohne  sich  mit  ihnen  zu  verbinden.  Es  geht  unverändert  in  den 
Harn  über  und  wirkt  in  grösserer  Menge  giftig.  Wird  zur  Darstellung  der  Wald- 
meisteressenz benutzt.  v.  Schröder. 

Cumaruna,  Papilionaceen-G&ttung  Lamabck's,  synonym  mit  Cou  ma  rouna 
Aublet  (s.  Bd.  III,  pag.  313)  und  mit  Dipterh  Willd. 

Cuminaldehyd  =  Cuminoi. 

CuminalkOtlOl,  C10  H14  0  =  (CH3)a  CH  .  C,  H,  .  CHa  .  OH.  Ein  Alkohol  der 
aromatischen  Reihe,  bildet  sich  beim  Behandeln  von  Cuminoi  mit  alkoholischem 
Kali.  Bei  242°  siedende  Flüssigkeit ,  mit  Alkohol  und  Aether  in  jedem  Verhält- 
nisse mischbar.  Liefert  bei  anhaltendem  Kochen  mit  Zinkstaub  Cymol  Cl0  H14. 

Gana  windt. 

CuminOl  =  p-Cuminaldehyd.  C10  H18  0  =  Cs  HT .  C„  H, .  CHO.  BUdet  einen  Be- 
standteil des  Römisch-Kümmelöles,  des  flüchtigen  Oeles  von  Cuminum  Cyminum 
L.  und  ist  auch  im  flüchtigen  Oel  des  Wasserschierlings,  Cicuta  virosa,  aufge- 
funden. 

Darstellung.  Man  destillirt  das  Römisch  Küramelöl,  bis  der  Siedepunkt  auf 
200°  gestiegen  ist  und  versetzt  den  Rückstand  mit  einer  concentrirten  Lösung  von 
saurem  schweflig-sauren  Natron.  Das  hierbei  auskrystallisirende  Doppelsalz  von 
cuminol-zweifach-schwefligsaurem  Natron  befreit  man  durch  Auspressen  vollständig 
von  der  Mutterlauge  und  unterwirft  es  unter  Zusatz  von  kohlensaurem  Natron  der 
Destillation  mit  Wasserdämpfen,  wobei  reines  Cuminoi  erhalten  wird. 

Flüssig.  Siedepunkt  237°.  Spec.  Gew.  bei  0<>=0.(J832.  Durch  Einwirkung 
von  Kali  in  alkoholischer  Lösung  zerfällt  es  in  Cnminalkohol  und  Cuminsäure.  Es 
destillirt  bei  Abschluss  der  Luft  unverändert,  bei  Luftzutritt  verharzt  leicht  ein 
Theil.  Salpetersäure  oxydirt  es  zu  Cuminsäure.  Bei  Einwirkung  von  trockenem 
Chlorgas  geht  Cuminoi  in  Chlorcuminol  über.  Chromsäure  verwandelt  es  in  Terephtal- 
säure.  Durch  Phosphorsäureanhydrid  verharzt  es ;  bei  wiederholtem  Destilliren  über 
Chlorzink  geht  es  in  Cymol  über.  Festes  Aetzkali  und  Kalium  bilden  Cuminol- 
kaliura,  eine  gelatinöse  Masse,  welche  durch  Wasser  wieder  in  Kali  und  Cuminoi 
zerlegt  wird.  Aehnlich  verhält  sich  Natron.  Das  Cuiuinol  bildet  mit  Alkali- 
disulfiten  krystalliuische  Verbindungen.  Cl0  H13  O  Na  HSOs  -f- H9  0,  Nadeln,  unlöslich 
in  kaltem  Alkohol,  Aether  und  Alkalisulfitlösungen ,  löslich  in  Wasser,  aber  in 
letzterer  Lösung  sehr  unbeständig.  v.  Schröder. 

Cuminsäure,  C10  H,a  02,  ist  die  dem  Cuminalkohol  und  Cuminaldehyd  corre- 
spondirende  Säure  und  wird  aus  letzterem,  dem  Cnrainol,  durch  Behandeln  mit 
Kaliumpermanganat  gewonnen.  Man  vermischt  zu  dem  Behufe  1  Th.  Cuminoi  mit 
dem  Fünffachen  an  Natronlauge,  mischt  die  Mangansäurelösung  hinzu,  zerstört  nach 
ostündigem  Stehen  die  unzersetzte  Säure  mit  Alkohol  und  fällt  mit  H  Cl.  —  Prisma- 
tische Tafeln,  welche  bei  115°  schmelzen,  sich  schwierig  in  kaltem  Wasser,  leicht 
in  Alkohol  und  Aether  lösen.  Zerfällt  beim  Glühen  mit  Kalk  in  COa  und  Cumol. 
Bei  der  Oxydation  liefert  sie  Terephtalsäure.  Ganswindt. 

Cuminum,  Gattung  der  UmheUiferae,  Unterfamilie  Cuviineae;  charakterisirt  + 
durch  die  vou  den  Seiten  zusammengedrückte,  an  der  Fugeufläche  etwas  zusammen- 
gebogene Frucht;  Fruchtträger  2theilig ,  Frucht  mit  5  fadenförmigen,  schwachen 
Haupt-  und  \  stärkeren  Nebenrippen. 

1.  Cuminum  Cyminum  L.y  Römischer  Kümmel,  Venedischer  Kfimmel, 
Linsenkümmcl,  Mutterkümmel,  Pfefterkümmel,  Haferkümmel,  Kreuzkümmel,  langer 
Kümmel,  Mohrenkümmel.  — Einjährig,  30 — 40  cm  hoch,  mit  Ausnahme  der  Frucht 
kahl,  die  Blätter  dreizählig,  eingeschnitten,  die  2  untersten  Zipfel  zwei-,  der  end- 
ständige dreispaltig,  alle  Zipfel  linealisch-fadenförmig.  Blüthen  weiss  oder  purpurn, 

Digitized  by  Google  ' 


CUMINUM.  —  CUMULATIVE  WIRKUNG. 


331 


Involucrum  und  Involucellum  mehrblätterig,  Kronblätter  zweilappig  mit  eingebogenen 
Spitzen.  Einheimisch  in  Aegypten  und  Aethiopien,  in  fast  allen  Mittelmeerländern 
gebaut,  die  Frucht  gelangt  hauptsächlich  aus  Sicilien,  Malta  und  Marocco  in  den  Handel 

In  der  Frucht  hangen  meist  noch  beide  Mericarpien  zusammen.  Länglich, 
5 — 6mm  lang,  oben  vom  Kelchrest,  dem  ßtengelpolster  und  Griffel  gekrönt. 
Farbe  braun  mit  heller  gefärbten  Rippen,  und  zwar  in  jedem  Fruchtchen  5  faden- 
förmige Haupt-  und  4  breitere  Nebenrippen.  Die  Rippen  an  Borsten  reich. 
Der  Querschnitt  zeigt  eine  verhältnissmassig  starke  Fruchtschale,  die  sich  leicht 
vom  Samen  löst,  in  jeder  Nebenrippe  einen  und  auf  jeder  Fugenfläche  2  Oel- 
gtriemen.  Endosperm  umd  Embryo  enthalten  fettes  Oel  und  Aleuron. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigt  einige  Eigenthflmlichkeiten 
der  Frucht ,  die  es  ermöglichen ,  dieselbe  im  gepulverten  Zustande  aufzufinden : 
Die  erwähnten  Borsten  entstehen  aus  einer  Anzahl  emporgewachsener  Epidermis- 
zellen,  sind  oft  verzweigt  und  erreichen  eine  Grösse  von  0.5  mm.  In  der  auf  der 
Fugenfläche  befindlichen  inneren  Partie  der  Saraenhaut  wandeln  sich  in  der  Nähe 
einer  jeden  der  beiden  Oelstriemen  oft  einzelne  Zellen  zu  grobporösen  Steinzellen  um. 

Fast  in  jeder  Zelle  des  Endosperms  sind  ein  oder  mehrere  Aleuronkörner  von 
sehr  viel  bedeutenderer  Grösse  als  sonst  bei  den  Umbelliferen.  Diese  Körner  haben 
nicht  selten  einen  Durchmesser  von  5  ja. 

Die  Frucht  ist  dem  Insectenfrass  sehr  unterworfen;  sie  findet  in  der  Volks- 
nnd  Veterinärmedicin  Verwendung,  dient  zur  Herstellung  von  Liqueuren  und  zur 
Würze  für  manche  Käse. 

Enthält  0.4  Procent  ätherisches  Oel  (s.  Cymol  und  Cuminol)  und  8  Procent 
fettes  Oel. 

2.  Sem.  Cum  tnt  nigri  ist  der  Same  von  N  ige  IIa  sativa  L.  (s.  d.). 

Hartwich. 

Cumming's  Pflaster  gegen  Muttermale  ist  eine  Mischung  aus  s  Th. 

Empltutrum  Galbani  crocatum  und  1  Th.  Tartarus  stibiatus. 

CumOl  (Isopropylbenzol),  C,  Hia  =  C«  H5  CH  (CH3)a.  Entsteht  bei  der  Destil- 
lation von  Cuminsäure  mit  Baryt  oder  Kalk,  aus  Brombenzol,  Isopropyl  und 
Natrium  etc.  Siedepunkt  152.5  bis  153".  Spec.  Gew.  bei  0°  =  0.8797.  Chrom- 
säure oxvdirt  Cumol  zu  Benzoesäure.  Es  löst  sich  in  rauchender  Schwefelsäure  als 
Sulfonsäure  auf,  wird  durch  Salpetersäure  nitrirt,  respective  in  Benzoesäure  und 
Nitrobenzoesäure  übergeführt.  Mit  Wasser  ist  es  nicht  mischbar,  wohl  aber  mit 
Alkohol,  Aether  und  flüchtigen  Oelen.  Charakteristisch  für  Cumol  sind  das  Baryum- 
salz  der  Cnmolsulfonsäure ,  welches  perlmutterglänzendc  Blättchen  bildet,  leicht 
löslich  in  Wasser,  wenig  in  Alkohol,  und  das  Strontiumsalz,  welches  sternförmig 
gruppirte  Nadeln  bildet ,  welche  sich  in  der  Kälte  schon  in  der  gleichen  Menge 
Wasser  lösen,  worauf  die  kalt  gesättigte  Lösung  beim  Erhitzen  auf  100°  durch 
Ausscheidung  von  wasserfreiem  Salz  krystalliuisch  erstarrt,  beim  Erkalten  aber  wieder 
flüssig  wird.  v.  Schröder. 

Cumulative  Wirkung  (Actio  cumulativa).  Einzelne  Arzneimittel  besitzen 
die  Eigentümlichkeit,  dass  sich  bei  längerer  Darreichung  kleinerer  Gaben  plötzlich 
ein  von  einer  einzelnen  Gabe  nicht  abzuleitender  stärkerer  und  mitunter  selbst 
ein  toxischer,  ja  tödtlicher  Effect  zeigt.  Man  leitet  diese  Anhäufungswirkung  da- 
von ab,  dass  das  fragliche  Medicameut  deu  Thierkörper  nur  langsam  wieder  ver- 
lädst und  so  bei  der  jedesmaligen  Darreichung  noch  Reste  im  Körper  zurückbleiben, 
bis  sich  endlich  eine  solche  Menge  angehäuft  hat,  dass  sehr  erhebliche  Wirkungen 
resultiren  können.  Die  langsame  Elimination  der  Blei-  und  Quecksilberpräparate, 
denen  von  unorganischen  Stoffen  besonders  eine  cumulative  Wirkung  zukommt, 
wird  gewöhnlich  als  Stütze  für  diese  Erklärung  angeführt,  und  auch  für  das 
üigitalin  glaubt  man  in  der  Schwerlöslichkeit  desselben  in  Wasser  einen  Grund 
für  langsame  Ausscheidung  und  Retentiou  zu  finden.  Indessen  zeigen  auch  weit 
leichter  lösliche  Stoffe,  wie  Strvchninsalze  und  Hellcboretn,  cumulative  Action.  Man 


Digitized  by  Google 


332 


CUMULATIVE  WIRKUNG.  —  CUPRESSUS. 


hat  den  Grand  der  letzteren  deshalb  wohl  nicht  in  den  Löslichkeitsverhältnissen 
und  der  an  sich  langsamen  Elimination  der  Stoffe,  sondern  in  einer  Störung  der 
Elimination,  welche  mit  ihrer  Wirkung  im  engen  Zusammenhange  steht,  zu  suchen. 
Allen  gemeinsam  ist  der  Effect,  dass  sie  bei  längerer  Einwirkung  die  Harnezcretion 
stören,  die  Quecksilbersalze  durch  parenchymatöse  Veränderungen,  Bleisalze  zum  Theil 
hierdurch,  zum  Theil  aber  auch  wie  die  drei  genannten  organischen  Stoffe  durch 
eine  tonische  Zusammenziehung  der  Xierengefässe,  wodurch  Veränderung  des  Urins 
und  dadurch  der  Elimination  stattfindet.  Dass  dabei  auch  chemische  Producte  des 
Stoffwechsels,  welche  nur  langsam  entstehen  und  zerlegt  werden,  wie  neuerdings 
von  der  Heyde  (1885)  hervorhebt,  mitwirken  können,  um  so  mehr,  da  ja  auch 
die  Ausscheidung  dieser  behindert  ist ,  liegt  zu  Tage ,  indess  ist  die  wesentliche 
Action  doch  den  eingeführten  Stoffen  selbst  zuzuschreiben,  da  die  Erscheinungen 
der  Cumulation  bei  Digitalin  und  Helleboreln  (Erbrechen,  clonische  und  tonische 
Krämpfe)  doch  wesentlich  verschieden  von  denen  bei  Strychnin  (starke  Steigung 
der  Reflexaction,  Tetanus)  sind  und  im  Ganzen  den  durch  toxische  Dosen  der 
eingeführten  Körper  bedingten  entsprechen,  wie  ja  auch  die  cumulativen  Effecte 
der  Quecksilbersalze  ( Speicheln"  uss  u.  s.  w.)  von  denen  des  Blei  (Verstopfung, 
Kolik  etc.)  abweichen.  Th.  Husemana. 

Cumyl  wird  das  Radical  des  Cuuiinalkohols  genannt. 

CumylchlOrid,  C10  H„  Cl,  ist  das  Product  der  Einwirkung  von  H  Cl  auf  Cumin- 
alkohol. 

Cumylsäure  ist  der  c  uminsäure  isomer.  Zolllange  Nadeln,  welche  bei  150° 
schmelzen,  sich  in  kochendem  Wasser  sehr  wenig,  leicht  in  Alkohol  und  Aether  lösen. 

Ganswind  t. 

CundurangO.  s.  Condurango. 

Cuntis  im  norwestlichen  Spanien  besitzt  gehaltvolle  Schwefelthermen  von 

30—00°. 

Cuoxam.  aus  Cuproxydaramonium  gebildete,  in  der  mikroskopischen  Technik 
gebrauchliche  Abkürzung.  Teber  Darstellung  und  Anweudung  s.  Kupferoxyd- 
ammoniak. 

Cupraloinreaction  Klunge's,  «.  Aioin,  Bd.  i,  Pag.  263. 

Cuprammoniumoxyd,  ».  Kupferoxydammoniak. 
Cuprea-Rinde,  s.  Chinarinden,  Bd.  III,  pag.  14. 

ClipreSSineae.  Familie  der  Coniferae.  Holzgewächse,  vorzugsweise  der  nörd- 
lichen gemässigten  Zone  eigentümlich.  Charakter:  Keimblätter  2 — 3.  Blätter  in 
2 — 4zähligen,  abwechselnden  Quirlen,  öfter  2gestaltig.  Staubblätter  mit  schild- 
förmiger Spitze.  Q  Zapfenbildung  vollkommen,  Zapfenschuppen  anscheinend  ein- 
fach, in  Quirlen.  Ovula  achselständig,  aufrecht.  Sydow. 

ClipreS8US,  Gattung  der  uach  ihr  benanuten  Coniferen-F m\i\ie.  Immergrüne 
Holzgewächsc  mit  zusammengedrückt- vierkantigen ,  von  vierreihig-dachziegeligen 
Blättern  bedeckten  Zweigen  und  mouöeisehen  Blüthen.  Die  c5  Kätzchen  sind  klein, 
eiförmig-länglich ;  die  9  Zapfen  klein,  eiförmig-kugelig,  aus  schildförmigen,  dicken 
und  holzigen  Schuppen  zusammengesetzt,  unter  denen  je  acht  ungezügelte,  eckige 
Samen  liegen. 

Von  phnrmaeeutischem  und  forensischem  Interesse  sind  besonders  die  Blätter 
wegen  der  möglichen  Verwechslung  mit  den  Blättern  auderer  Cupressineen ,  ins- 
besondere-mit  Sabina  is.  d.).  Die  Cypresseublätter  sind  rhombisch-eiförmig,  stumpf, 
an  der  Spitze  dicklich,  aussen  gewölbt  und  mit  einer  liuealen,  eingedrückten 
Oeldrüse  versehen. 

Histologisch  Rind  sie  nach  Lazarski  durch  lang  gestreckte  Palissadenzellen. 
rundliche   Spaltöffnungen    und    verhältnismässig    schwache   Verdickung   der  die 


Digitized  by  Google 


CUPKESSUS.  —  CUPRUM  ACETICUM. 


33:J, 


Gefäsebündel  begleitenden  „Querbalkenzellen"  charakterisirt,  jedoch  in  Pulverform 
kaum  Hieher  von  den  verwandten  Blattformen  zu  unterscheiden. 

Cupresms  seinpervirens  L.  (C.  fastigiata  DC),  die  Cy presse,  findet  sich 
im  Orient  und  im  südlichen  Europa  häufig  gepflanzt.  Als  Heilmittel  sind  die  ehe- 
mals gebräuchlichen  Cortex,  Lignum  und  Nuces  Cupressi  obsolet. 

Cupre88  powder  hat  gar  keine  Beziehung  zu  dieser  Pflanze.  Es  ist  oder  war 
vielmehr  das  gepulverte  Rhizom  des  indischen  Aron  (Arysaema  triphyllum 
Torr.).  Jetzt  scheint  es  gar  nicht  mehr  vorzukommen.  j.  Mo  eil  er. 

Cupri-  Und  CuprOSalze,  Cupri-  und  Cuproverbindungen.  —  S. 
unter  Kupfer,  sowie  Cuprum. 

CupHn,  Cu  H,  NO,.  Schwache,  vom  Cotarnin  sich  ableitende  Base  von  kupfer- 
glänzendem Aussehen.  Es  ist  in  Aether  unlöslich,  löst  sich  in  Wasser  und  Alkohol 
mit  grüner,  in  verdünnten  Säuren  mit  tiefblauer  Farbe.  Es  bildet  sich  beim  Kochen 
einer  kalt  gesättigten  und  so  lange  mit  Bromwasser  versetzten  Lösung  von  salz- 
saureiu  Bromcotarnin,  dass  dieses  vorwaltet ;  die  braune  Lösung  wird  beim  Kochen 
blau  und  liefert  nach  Sodazusatz  das  Cuprin.  Ganswindt. 

Cupronin,  C20  H,ö  N2  Os,  bildet  sich  wie  das  Cuprin  aus  Bromtarkonin  durch 
Erhitzen  mit  Wasser  bis  auf  130°,  neben  Tarnin,  beide  in  Form  ihrer  bromwasser- 
stoffsauren  Salze.  Beim  Uebergiessen  des  Reactionsproductes  mit  Wasser  löst  sich 
das  Tarninsalz ;  das  Cuproninbromid  bleibt  ungelöst  zurück  und  wird  durch  Natrium- 
carbonat  zersetzt.  Es  bildet  ein  schwarzes  Pulver,  unlöslich  in  Wasser,  Alkohol, 
Aether  und  Benzol ;  löslich  in  heissen  Aetzalkalien  mit  tiefbrauner  Farbe,  in  con- 
centrirter  Ha  SOt  oder  H  Cl  mit  fuchsinrother  Farbe,  welche  auf  Zusatz  von  Wasser 
blauviolett  wird;  in  verdünnten  Mineralsäuren  löst  es  sich  direct  mit  blauvioletter 
Farbe.  Ganswindt. 

Cuprum  aCetiCUm  (Ph.  Genn.  I.  u.  a.),  Kupferacetat,  Essigsaures 
Kupferoxyd,  Aerutjo  crystallisata,  Krystallisirter  Grünspan.  Dunkelgrüne  schiefe 
rhombische  Prismen,  an  der  Luft  oberflächlich  verwitternd,  ohne  Geruch,  von  wider- 
lichem metallischem  Geschmacke.  Das  Salz  verliert  bei  100°  sein  Krystallwasser  (9  Pro- 
eeut),  zerlegt  sich  in  höherer  Temperatur,  Essigsänredämpfe,  Aceton  u.  a.  abgebend, 
bei  Zutritt  der  Luft  verbrennend.  Es  löst  sich  in  15  Th.  kaltem  und  5  Th.  siedendem 
Wasser  zu  einer  blaugrünen,  sauer  reagirenden  Flüssigkeit.  Auch  von  heissem  Wein- 
geist wird  es,  zumal  bei  Zugabe  von  etwas  Essigsäure,  gelöst.  Ammoniak  und 
kohlensaures  Ammoniak  nehmen  es  mit  tiefblauer  Farbe  ohne  Rückstand  auf.  — 
Identitätsreactionen:  Aus  der  wässerigen  Lösung  scheidet  Schwefelwasser- 
stoff schwarzes .  auch  bei  Ansäuerung  unlösliches  Schwefelkupfer  aus ;  Aetzkali 
Natron)  fällt  blaugrünes  Kupferoxydhydrat ,  das  beim  Sieden  in  schwarzes  Oxyd 
Übergeht ;  Ammoniak  im  Ueberschusse  löst  den  anfänglich  entstehenden  Niederschlag 
mit  tiefblauer  Farbe  wieder  auf.  Mit  Schwefels}» ure  erwärmt  gibt  das  Salz  Dämpfe 
von  Essigsaure  ab.  —  Zusammensetzung:  Cu'C2HsO)2  +  ILO.  —  Dar- 
stellung: Gepulverter  Grünspan  wird  in  erhitzter,  mit  Wasser  stark  verdünnter 
Essigsäure  aufgelöst,  so  viel  letztere  davon  aufzunehmen  vermag ;  die  heiss  filtrirte 
Lösung  scheidet  beim  Erkalten  das  Salz  in  Krystallen  ab ,  die  man  mit  etwas 
Wasser  abwäscht  und  in  gewöhnlicher  Temperatur  trocknet.  —  Prüfung:  Die 
wässerige  Lösung  muss,  mit  Ammoniak  im  Ueberschusse  versetzt,  völlig  klar  bleiben 
i  braune,  alsbald  oder  beim  Stehen  an  der  Luft  sich  abscheidende  Flocken :  Eisen, 
weisse  Trübung :  Blei) :  mit  Natronlauge  vollständig  ausgefällt  und  zum  Sieden 
erhitzt,  gebe  sie  ein  Filtrat,  welches  durch  Schwefelwasserstoffwasser  nicht  ver- 
ändert wird  (dunkle  Trübung  oder  Färbung :  Blei,  weisse  Trübung :  Zink).  Die  mit 
Salzsäure  angesäuerte  und  mit  Schwefelwasserstoffgas  vollständig  ausgefällte  Salz- 
lösung darf  beim  Verdampfen  keinen  Rückstand  (Alkalien,  alkalische  Erden,  Eisen, 
Zink )  hinterlassen.  —  Aufbewahrung:  In  der  Reihe  der  starkwirkenden 
Arzneimittel,   in  gut  verschlossenen  Glasgetässcn ,   da  das  Salz  an  der  Luft  ver- 

Digitized  by  Google 


334 


CUPRUM  ACETICUM.  —  CUPRUM  CARBONICUM. 


wittert,  sich  mit  einem  grünen  Pnlver  bedeckend.  —  Gebrauch:  Aeusserlich 
als  Aetzmittel  gegen  Hühneraugen ,  Auswüchse  u.  dergl.  theils  als  Streupulver, 
theils  als  Salbe  oder  Pflaster,  ausserdem  als  Adstringens  zu  Augenwassern  und 
Mundwässern  (0. 1  :  100).  In  dem  in  früherer  Zeit  als  Aetzmittel  gebräuch- 
lichen V nguentum  Aeg y ptiacum  8.  Oxymel  (Linimentum)  Aeru- 
g  in  is  enthalten.  Innerlich  mit  Vorsicht  anzuwenden,  da  das  Rupfer  vornehmlich 
in  Verbindung  mit  Essigsäure  und  anderen  organischen  Säuren ,  giftige  Eigen- 
schaften besitzt.  Maximaldosis  nach  Ph.  Russ. :  0.06  g  pro  dos«,  0.25 g  pro  die. 
Cuprum  aceticum  ist  der  wirksame  Bestandteil  der  Tinctura  Cupri  ace- 
tici  Rademacheri,  durch  Umsetzung  von  schwefelsaurem  Kupferoxyd  mit 
essigsaurem  Bleioxyd  gebildet.  Schliekum. 

Clipnim  aluminatum  (Ph.  Austr.,  Germ.  I.  u.  a.),  Kupferalaun,  Lapis 
divinus,  Augenstein.  Bläulichweisse  Stücke  oder  ein  bläulichweisses  Pulver  (nach 
Ph.  Austr.),  nach  Kampfer  riechend,  in  16  Th.  Wasser  nahe  vollständig  (bis  auf 
einen  sehr  geringen,  aus  Kampfer  bestehenden  Rückstand)  löslich.  —  Zusammen- 
setzung: Ein  zusammengeschmolzenes  Gemenge  aus  gleichen  Tbeilen  Kupfersulfat, 
Salpeter  und  Alauo,  welchem  etwas  Kampfer  zugesetzt  ist.  —  Bereitung: 
Je  16  Th.  (nach  Ph.  Gall.  je  20  Th.)  Kupfersulfat,  Salpeter  und  Alaun  werden 
zerstossen,  gut  gemischt  und  in  einer  Schale  aus  Porzellan  oder  Kupfer  über  ge- 
lindem Feuer  geschmolzen.  Der  vom  Feuer  entfernten  Schmelzmasse  wird  dann 
1  Th.  zerriebener  Kampfer  (besser,  nach  Ph.  Germ.  I.,  ein  inniges  Gemenge  von 
1  Th.  Kampfer  und  1  Th.  Alaun)  eingerührt  und  die  Masse  auf  eine  Porzellan- 
oder Steinplatte  ausgegossen  und  nach  dem  Erkalten  in  Stücke  zerbrochen.  Ph. 
Austr.  lässt  den  Kampfer  dem  völlig  erkalteten  und  zerriebenen  Schmelzgemisch 
zufügen.  —  Prüfung:  Das  Präparat  muss  in  seiner  Mischung  vollständig  gleich- 
förmig sein  und  einen  ausgeprägten  Geruch  nach  Kampfer  besitzen.  —  Gebrauch: 
In  filtrirter  wässeriger  Lösung  vornehmlich  zu  Augenwässern  (0.1  :  10 — 50), 
aber  auch  zu  Injectionen  als  Adstringens.  Das  Mittel  wurde  von  dem  berühmten 
französischen  Augenarzte  ST.  Yves  zn  Beginn  des  achtzehnten  Jahrhunderts  in 
den  Arzueischatz  eingeführt  und  fand  unter  der  Bezeichnung  Lapis  divinus 
St.  Yves,  Pierre  divine  de  St.  Yves,  früher  ausgebreitete  Verwendung. 

Schliekum. 

Cupriim  CarboniCUm,  Cuprum  subcarbom'cum,  Cuprum  hydrico-carbo- 
nicum,  Kupferearbonat.  Basisch  kohlensaures  Kupferoxyd.  Ein  bläulichgrünes, 
amorphes  Pulver,  ohne  Geruch,  beim  Erhitzen  in  schwarzes  Oxyd  übergehend,  nicht 
löslich  in  Wasser  und  Weingeist,  unter  Aufbrausen  löslich  in  Salpetersäure,  Schwefel- 
säure, Salzsäure,  Essigsäure  zu  blauen  oder  blaugrünen  Flüssigkeiten,  desgleichen 
mit  tiefblauer  Farbe  in  Ammoniak.  —  Identitätsreactionen:  Säuren  zer- 
legen das  Präparat  unter  Austreibung  kohlensauren  Gases;  die  dabei  gebildeten 
blau  oder  grün  gefärbten  Lösungen  scheiden  auf  Zusatz  von  ätzenden  Alkalien 
blaugrünes  Oxydhydrat  aus,  welches  sich  mit  tiefblauer  Farbe  in  überschüssigem 
Ammoniak,  nicht  aber  in  Kali-  oder  Natronlauge  löst  und  in  der  Siedhitze  in  schwarzes 
Oxyd  Übergeht.  Schwefelwasserstoff  fällt  schwarzes  Schwefelkupfer  auch  bei  Gegenwart 
freier 8äure.  —  Zusammensetzung:  Kupfersubcarbonat,  einfach-basisches  oder  halb- 

CO 

kohlensaures  Kupferoxyd ;  Formel :  Cu3<0  ^  (das  kaltgefällte  kohlensaure  Salz 

enthält  1  Mol.  Wasser,  das  heissgefällte  ist  wasserfrei).  —  Darstellung:  Eine 
heisse,  klare  Lösung  von  10  Th.  Kupfersulfat  in  60—70  Th.  Wasser  wird 
portionenweise  in  eine  ebenfalls  heisse,  klare  LöBung  von  1 2  Th.  Natriumcarbonat 
(gereinigter  Soda)  in  70  —  80  Th.  Wasser  uuter  Umrühren  eingetragen.  Den  ent- 
standenen Niederschlag  wäscht  man ,  nachdem  er  sich  abgesetzt  und  durch  Ab- 
giessen  von  der  überstehenden  Flüssigkeit  getrennt  worden,  durch  wiederholtes 
Aufgeben  von  Wasser  und  Decantiren  aus,  bis  das  abfliegende  Wasser  durch 
Baryumnitrat  nicht  mehr  getrübt  wird.  Dann  sammelt  man  ihn  auf  einem  Filter, 


Digitized  by  Google 


CUPRUM  CARBONICUM.  —  CUPRUM  OXYDATUM.  335 

prent  ihn  nach  dem  Abtropfen  aus  und  trocknet  ihn  bei  gelinder  Wärme.  — 
Prüfung:  Mit  Wasser  geschüttelt,  gebe  dag  Präparat  ein  Filtrat,  welches  durch 
faryumnitrat  nicht  sofort  getrübt  wird  (Schwefelsäure).  Die  salzsaure  Lösung, 
durch  überschüssige  Natronlange  in  der  Hitze  gefällt  und  filtrirt,  darf  sich  mit 
SchwefelwasserstoflFwasser  nicht  verändern  (weisse  Trübung:  Zink,  schwarze  Trü- 
bung: Blei).  Die  salzsaure  Losung,  mit  überschüssigem  Ammoniak  vermischt,  sei 
klar  (braune ,  alsbald  oder  beim  Stehen  an  der  Luft  sich  abscheidende  Flocken : 
Eisen).  —  Aufbewahrung:  In  der  Reihe  der  starkwirkenden  Mittel.  — 
Gebrauch:  Aeusserlicb  als  adstringirendes  Mittel  in  Salben  (1:10);  innerlich 
in  Pulvern  oder  Pillen ;  an  Stelle  des  ätzenden  Kupfersulfats  als  Gegengift  gegen 
Phosphor  empfohlen.  Schliekum. 

Cuprum  Chloratum,  Cuprum  bichloratum,  Cuprum  per  chloratum,  Kupfer- 
chlorid. Ein  grünes  krystallinisches  Pulver,  an  der  Luft  feucht  werdend,  leicht 
löslich  in  Wasser  und  Weingeist,  auch  in  Aethw.    Die  concentrirte  wässerige 
Lösung  erscheint  grün,  die  verdünnte  blau  gefärbt.  Beim  Erhitzen  wird  das  Salz 
zunächst  wasserfrei  und  hinterlässt  in  der  Glühhitze  unter  Verlust  an  Chlor  weisses 
Chlortir.   —  Identitätsreactionen:    Schwefelwasserstoff  scheidet  aus  der 
wlswrigen  Lösung,  auch  bei  Ansäuerung  derselben  mit  Salzsäure,  schwarzes 
Schwefelkupfer ;  Aetzalkalien  fällen  blaugrünes  Oxydhydrat,  welches  sich  in  über- 
schüssigem Ammoniak   mit  tiefblauer   Farbe  auflöst.    Silbernitrat  erzeugt  einen 
weissen,   käsigen,   in  verdünnten  Säuren  unlöslichen  Niederschlag,  der  sich  in 
Ammoniak   leicht   auflöst.   —  Zusammensetzung:   Wasserhaltiges  Kupfer- 
chlorid   von  der  Formel :  Cu  Cla  4-  2  H,  0.  —    Darstellung:  Kupferoxyd 
oder  kohlensaures  Kupferoxyd  wird  in  reiner  Salzsflure  unter  Erwärmen  auf- 
gellt und   das  Filtrat   in    einer    Porzellanschale    eingedampft.    Man  rechnet 
30 Th.  Salzsäure  (spec.  Gew.  1.124)   auf  8  Th.  Kupferoxyd,  respective  11  Th. 
Knpfercarbonat.  Die  gewonnene  Lösung  ist,  um  eine  locale  Ueberhitzung  zu  ver- 
meiden ,  im  Wasserbade  einzudampfen ,  was  so  lange  fortgesetzt  wird ,  bis  einige 
herausgenommene   Tropfen   auf   einer    kalten    Porzellanfläche   zu   einer  festen 
Masse  erstarren.    Alsdann  wird  die  Salzlauge  bis  zum  Erkalten  beständig  umge- 
rührt, wodurch  sie  in  ein  krflmliches  Pulver  übergeht.  Dasselbe  ist  sofort  in  zuvor 
ausgetrocknete  nnd  angewärmte  Glasgefässe  zu  bringen.  —  Prüfung:  Die  con- 
centrirte wässerige  Salzlösung  bleibe  bei  Zusatz  eines  gleichen  Volumens  Weingeist 
klar  (Kupfersulfat  und  andere  in  Weingeist  unlösliche  Salze  gelangen  hierbei  zur 
Ausscheidung).   Durch  überschüssiges  Ammoniak  werde  sie  nicht  getrübt  (braune, 
sofort  oder  nach  einigem  Stehen  an  der  Luft  sich  bildende  Flocken :  Eisen,  weisse 
Trübung:  Blei).  Mit  überschüssiger  Natronlauge  zum  Sieden  erhitzt,  gebe  sie  ein 
Filtrat,  welches  durch  Schwefelwasserstoffwasser  nicht  verändert  werde  (schwarze 
Trübung:  Blei,  weisse  Trübung :  Zink).  —  Aufbewahrung:  In  der  Reibe  der 
starkwirkenden  Mittel  in  einem  sehr  gut  verschlossenen  Glasgefässe,  da  das  Salz  aus 
der  Luft  begierig  Feuchtigkeit  anzieht  und  schliesslich  zerfliesst.  —  Gebrauch: 
Aeusserlieh  zum  Verbandwasser    (1:150);  innerlich  als  Alterans  und  Tonicum 
zu  0.005 — 0.015;  ist  Hauptbestandteil   des  Liquor  Cupri  ammoniato- 
chlorati ,  welcher  1.8  Procent  Kupferchlorid  neben  20  Proeent  Chlorammonium 
enthalt.    In  Verdünnung  mit  der  80fachen  Menge  Wassers  stellt  diese  Kupfer- 
flüssigkeit  das  Aqua  antimiasmatica  Koechlini  (Liquor  antimias- 
maticus  Beisseri)  dar.  Das  Kupferchlorid  wurde  auch  gegen  Cholera  empfohlen, 
wie  Kupfer  überhaupt.  Schliekum. 

Cupriim  OXydatum  (Ph.  Germ.  u.  a.),  Kupferoxyd.  Ein  schwarzes, 
schweres,  amorphes  Pulver,  beim  Glühen  unzersetzt  schmelzend  und  zu  einer  kry- 
stallinischen  Masse  erstarrend,  in  Wasser  und  Weingeist  nicht  löslich,  in  Salpetersäure, 
Salzsflure,  verdünnter  Schwefelsflure  und  Essigsäure  mit  blauer  Farbe  leicht  löslich. 
Identitätsreactionen:  Die  mittelst  einer  der  genannten  Säuren  bewirkte  Lösung 
scheidet  auf  Zusatz  vou  Aetzalkalien  einen  blaugrünen,  in  der  Siedhitze  schwarz 


Digitized  by  Google 


336 


CUPRUM  OXYDATUM.  —  CUPRUM  SULFUIUCUM. 


werdenden  Niederschlag  (Kupferoxydhydrat)  aus,  der  von  Ammoniak  mit  tiefblauer 
Farbe  gelöst  wird.  Ferrocyankalium  fällt  die  salzsaure  Lösung  braunroth,  Schwefel- 
wasserstoff schwarz.  —  Zusammensetzung:  Kupferoxyd,  CuO.  —  Dar- 
stellung: 1.  Nach  Ph.  Germ,  durch  Erhitzen  des  kohlensauren  Kupferoxyds. 
Letzteres  wird  zunächst  durch  Mischung  heisser  Lösungen  von  10  Th.  Kupfersulfat 
und  15  Th.  krystallisirtem  Natriumcarbonat  in  je  50  Th.  Wasser  gefällt,  auf 
einem  Filter  gut  ausgewaschen  und  getrocknet,  darauf  in  einer  Porzellanschale 
Uber  einer  massigen  Flamme  erhitzt,  bis  es  völlig  schwarz  geworden  ist.  (Das 
heiss  gefällte  Carbonat  ist  dichter ,  wie  das  kalt  gefällte  und  läsat  sich  leichter 
auswaschen.)  Das  in  dieser  Weise  gewonnene  Kupferoxyd  ist  leichter  in  Säuren 
löslich  als  das  aus  dem  salpetersauren  Salze  durch  Glühen  dargestellte  Oxyd;  es 
ist  jedoch  dichter  als  das  durch  Aetzalkalien  heiss  gefällte  Oxyd.  —  2.  Nach  Ph. 
Russ.  durch  Ausfüllung  einer  heissen  Lösung  von  Kupfersulfat  (1  Th.  in  12  Th. 
Wasser,  durch  überschnssige  Aetzkalilauge  (2  Th.  der  33procentigen  Lauge).  Dieses 
Präparat  ist  bedeutend  lockerer  als  das  durch  Glühen  von  kohlensaurem,  respeetive 
salpetersaurem  Salze  gewonnene  Oxyd.  —  3.  Die  Ph.  Helv.  gestattet  auch  das  durch 
Glühen  des  Knpfernitrats  bereitete  Oxyd.  Dasselbe  ist  das  dichteste  und  in  Säuren 
schwierigst  lösliche  Kupferoxyd,  daher  mediciniseh  am  wenigsten  wirksam.  — 
P  r  (1  f  u  n  g :  Salpetersäure  (die  Gfache  Menge)  niuss  das  Präparat  ohne  Aufbrausen 
(Kohlensäure  )  und  ohne  Rückstand  auflösen ;  diese  Lösung,  mit  Schwefelwasserstoff- 
gas vollständig  ausgefällt,  gebe  eiu  Filtrat,  welches  beim  Verdampfen  keinen  Rück- 
stand I  Alkalien ,  Eisen ,  Zink)  hinterlässt.  Ammoniak  im  Ceberschuss  darf  die 
salpetersaure  Lösung  nicht  trüben  (alsbald  oder  beim  Stehen  an  der  Luft  sich  ab- 
scheidende braune  Flocken  zeigen  einen  Eisengehalt  an).  Wird  das  Kupferoxyd  in 
Schwefelsäure  gelöst  und  mit  concentrirter  Ferrosulfatlösung  gemischt,  so  darf, 
wenn  man  vorsichtig  concentrirte  Schwefelsäure  zurinnen  lüsst,  keine  braunschwarze 
Mittelzone  entstehen  (Salpetersäure).  Letztere  Prüfung  kann  man  auch  in  der  Weise 
anstellen ,  dass  man  das  Kupferoxyd  mit  concentrirter  Schwefelsäure  in  einem 
Reagirey  linder  mischt  und  gelinde  erhitzt,  wobei  keine  sauren  Dämpfe,  erkennbar  durch 
Röthung  eines  in  das  Glasrohr  vorsichtig  hineingebrachten  Streifen  Lackmuspapiers, 
entstehen  dürfeu.  —  Aufbewahrung:  In  der  Reihe  der  stark  wirkenden  Arznei- 
mittel, in  gutschliessenden  Glasgefässen,  zur  Verhütung  der  Anziehung  von  Feuchtig- 
keit. —  Gebrauch:  Aeusserlieh  in  Salben,  innerlich  gegen  Eingeweidewürmer 
versucht  zu  O.Ol — 0.06.  Ph.  Russ.  normirt  die  maximale  Einzelgabe  auf 
0.3,  die  maximale  Tagesgabe  auf  1.0.  Schliekum. 

Cupriim  SUlfliriCUm  (Ph.  omnes),  Cuprum  sulfun'cum  purum ,  Kupfer- 
sulfat,  Sc  hwefcl  sau  ros  Kupferoxyd.  Blaue,  durchscheinende,  triklinische 
(rhomboTdische)  Prismen,  nur  wenig  verwitternd,  mit  9aurer  Reaction  in  3.5  Th. 
kaltem,  1  Th.  siedendem  WasBer,  nicht  in  Weingeist  löslich.  Bei  100°  verlieren  sie 
vier  Fünftel  ihres  Wassergehaltes  (4  Acquivalent  =  28.})  Procent);  den  Rest  geben 
sie  erst  über  200°  ab,  ein  weisses  Salz  bildend,  welches  in  starker  Glühhitze, 
unter  Entweichung  von  schwefliger  Säure,  schwarzes  Kupferoxyd  zurUcklftsst.  — 
Identitätsreactionen:  Die  blauwässerige  Lösung  wird  durch  Baryumnitrat, 
auch  bei  Zusatz  von  Salpetersäure,  weiss  gefällt.  Schwefelwasserstoff  scheidet,  selbst 
bei  Ansäuerung,  schwarzes  Schwefelkupfer.  Aetzalkalien  blaugrünes  Kupferoxyd- 
hydrat ans;  letzteres  löst  sich  leicht  in  überschüssigem  Aetzammoniak,  aber  nicht 
in  Kali-  und  Natronlauge,  zu  einer  tiefblauen  Flüssigkeit  auf.  —  Z  u  s  a  in  m  e  n- 
setzung:  Kupfersulfat  mit  5  Molekülen  ( 28.9  Procent)  Krystallwasser  =  i  Ou  SO,  + 
4-5H20).  —  Darstellung:  1.  Man  erhitzt  metallisches  Kupfer  (als  Blecb- 
schnitzel)  mit  der  dreifachen  Menge  concentrirter  Schwefelsäure  in  einem  Kolben 
oder  in  einer  Retorte  im  Sandbade,  so  lange  noch  schwefligsaures  Gas  entweicht. 
Letzteres  wird,  da  es  sehr  belästigt,  in  Wasser  oder  eine  Sodalösung  eingeleitet 
und  seinerseits  vernutzt.  Die  rückständige  Salzmasse  löst  man  in  ihrem  doppelten 
Gewichte  siedenden  Wassers  und  stellt  das  Filtrat  zur  Krystallisation  bei  Seite.  — 
2.  Man  nimmt   beim  Arbeiten  im  Kleinen  die  Oxydirung  passender  mittelst  eines 

Digitized  by  Google 


CUPRUM  SÜLFURICÜM.  —  CUPRUM  SULFURICUM  AMMONIATUM. 


337 


Zusatzes  von  Salpetersäure  vor  und  verfahrt  in  folgender  Weise  :  1  Th.  Kupfer- 
schnitzel  werden  in  einem  Kolben  mit  10  Th.  verdünnter  Schwefelsäure  (aus  1.5  Th. 
englischer  Schwefelsäure  bereitet)  gelinde  im  Sandbade  erwärmt  und  portionenweise 
2  Th.  reine,  30procentige  Salpetersäure  hinzugefügt.  Das  dabei  entweichende  Stick- 
oxydgas wird  durch  einen  gutziehenden  Abzug  entfernt  oder  die  Arbeit  unter 
freiem  Himmel  vorgenommen.  Wenn  die  Gasentbindung  aufhört,  erhitzt  man  zum 
Sieden,  filtrirt  heiss  und  l.'lsst  krystallisiren.  —  Bei  beiden  Methoden  werden  die  ge- 
wonnenen Krystalle,  zur  Entfernung  anhaftender  Säure,  gut  mit  Wasser  abgespult 
nnd  ohne  Anwendung  von  Wärme  getrocknet.  Fttr  den  Recepturgebrauch  empfiehlt 
sich  die  Darstellung  von  Krystallmehl.  Zu  diesem  Behufe  löst  man  1  Th.  Kupfer- 
sulfat in  einer  Porzellanschaie  in  1  Th.  siedendem  Wasser  auf  und  rllhrt  bis  zum 
vollständigen  Erkalten  mit  einem  Glasstabe  kräftig  um.  Von  dem  ausgeschiedenen 
Salzpulver  wird  die  Flüssigkeit  möglichst  abgegossen  und  jenes  auf  mehrere  Lagen 
Fliesspapier  zum  Trocknen  ausgebreitet;  die  rückständige  Salzlauge  wird  abge- 
dampft und  sobald  sich  in  der  Hitze  Krystallisation  zeigt ,  bis  zum  Erkalten  ge- 
rührt, um  noch  eine  Portion  Kupfersulfat  zu  liefern.  Der  rohe  Kupfervitriol  lässt 
sich  nur  dann  durch  Umkrystallisiren  in  reines  Sulfat  verwandeln,  wenn  er  gänz- 
lich frei  von  Zink  und  Eisen  ist,  da  die  Sulfate  der  letzteren  Metalle  mit  dem 
des  Kupfers  zusammen  krystallisiren.  —  Prüfung:  Die  mit  SchwefelwasserstofF- 
gas  vollständig  ausgefällte  wässerige  Lösung  darf  beim  Verdampfen  keinen  Rück- 
stand (Alkalien,  Erden,  Eisen,  Zink)  hinterlassen,  auch  nicht  getrübt  werden  durch 
überschüssiges  Ammoniak  (schwarz:  Eisen,  weiss:  Zink)  oder  Natriumoarbonat 
i weiss:  Magnesium,  Zink;  schmutziggrün  oder  braun:  Eisen).  Man  prüft  noch 
speciell  auf  Eisen  durch  Uebersättigen  der  Salzlösung  mit  Ammoniak,  wodurch 
eine  klare  tiefblaue  Flüssigkeit  erzielt  werden  muss,  die  weder  sofort,  noch  beim 
Stehen  an  der  Luft  braune  Flocken  abscheiden  darf;  auf  Zink,  indem  man  die 
Salzlösung  mit  überschüssiger  Natronlauge  im  Sieden  fällt  und  zum  Filtrate 
Schwefelammonium  setzt,  wodurch  keine  weisse  Trübung  entstehen  darf.  —  Auf- 
bewahrung: In  der  Reihe  der  stark  wirkenden  Arzneimittel,  in  verschlossenen 
Glasgefässen.  —  Gebrauch:  Aeusserlich  als  Aetzmittel,  häufig  in  Substanz  als 
Aetzstift,  sodann  in  mehr  oder  weniger  concentrirter  Lösung  zu  Einspritzuugen, 
Gurgelwasser  (1:200),  Augenwasser  (0.3 — 0.5:100)  und  Verbandwasser  (1:50 
bis  100).  Innerlich  genommen  bewirkt  das  Kupfersulfat  Erbrechen  und  veranlasst 
nur  in  grossen  Mengen  Vergiftungserscheinungen  (25 — 60g  wirken  letal).  Man 
gibt  es  daher  zu  0.05 — 1.0  in  gebrochener  Dosis  als  Brechmittel.  Besonderen  Ruf 
hat  sich  das  Kupfersulfat  gegen  Phosphorvergiftung  erworben ,  da  es  durch  den 
Phosphor  reducirt  wird  und  denselben  mit  einer  Schicht  metallischen  Kupfers  tiber- 
zieht. Maximale  Einzelgabe:  1.0g.  Schliekum. 

Cuprum  sulfuricum  ammoniatum  (Ph.  Germ,  i.,  Gau  ,  Belg.,  iieiv., 

Russ.),  Cuprum  ammoniacale,  Ammoniucum  cuprico  ■  sulfuricum,  Kupfer- 
Ammoniumsulfat,  Schwefelsaures  Kupferoxyd-Ammoniak.  Ein 
lasurblaues  kristallinisches  Pulver  f  seltener  tiefblaue,  durchscheinende  prismatische 
Krystalle),  an  der  Luft  verwitternd  und  schliesslich  grün  werdend,  in  1.5  bis  2  Th. 
Wasser  zu  einer  klaren ,  tiefblauen ,  alkalisch  reagirenden  Flüssigkeit  löslich ,  die 
durch  Zusatz  einer  grösseren  Wassermenge  getrübt  wird,  basisches  Kupfersulfat 
abscheidend.  Weingeist  nimmt  das  Salz  nicht  auf.  Beim  Erhitzen  färbt  es  sich 
zunächst  grün  (unter  Ammoniakverlust),  schliesslich  hinterlässt  es  weisses  (wasser- 
freies) Kupfersulfat.  —  Identitätsreactionen:  Die  alkalisch  reagirende, 
lasurblaue  Lösung  des  Salzes  färbt  sieh  beim  Ansäuern  mit  Salpetersäure  hellblau 
uud  erleidet  dann  durch  Sehwefelwasserstoffwasser  eine  schwarze,  durch  Baryum- 
nitrat  eine  weisse  Fällung.  —  Zusammensetzung:  Das  Präparat  lässt  sich 
a/s  eine  Doppelverbinduug  von  Ammoniumsulfat  mit  Kupferoxyd-Ammoniak  (Cupr- 
ammoniumoxyd)  betrachten: 

KNH,)a80,  +  CuOfNH,),,  =  [(NH^0'  + 

Real-Encydopädio  der  ges.  Pharniacie.  III.  22 

T>igitized  by  Google 


338     CUPRUM  SÜLFURICTM  AMMONIATUM.  —  CUPRUM  SULFURICUM  CRUDUM. 


Aber  auch  als  krystallisirtes  Kupfersulfat,  in  welchem  4  Moleküle  Krystallwasser 
durch  4  Moleküle  Ammoniak  ersetzt  sind :  (Cu 804  4-  4 NH,  -+-  Hg  0).  —  Da r- 
Stellung:  1  Th.  Kupfersulfat  wird  in  3  Th.  (d.  i.  der  genügenden  Menge) 
Ammoniakflüssigkeit  gelöst  und  nach  etwa  nöthiger  Filtration  unter  Umrühren  mit 
6  Th.  Weingeist  gemischt.  Das  sich  dadurch  ausscheidende  Salzpulver  wird  auf 
einem  Filter  gesammelt,  nach  dem  Ablaufen  der  Flüssigkeit  zwischen  Fliesspapier 
oder  Leinwand  gepresst  (ohne  es  zuvor  auszuwaschen)  und  in  gewöhnlicher  Tempe- 
ratur getrocknet.  Nach  Ph.  Belg,  und  Gall.  wird  der  Weingeist  vorsichtig  über 
die  ammoniakalische  Kupferlösung  geschichtet,  worauf  sich  im  Laufe  einiger  Tage 
das  Salz  in  gut  ausgebildeten  Krystallen  ausscheidet.  —  Prüfung:  Das  Präparat 
muss  mit  der  1.5  bis  2fachen  Waasermenge  eine  klare  Lösung  geben  (grüne 
Abscheidung  verräth  Verwitterung ,  braune  Flocken :  Eisenoxyd).  Angesäuert 
mit  Salzsäure  und  mit  Schwefel  wasserstoffgas  vollständig  ausgefällt,  gebe  diese 
Lösung  ein  farbloses  Filtrat,  welches  auf  Platinblech  verdampft  und  geglüht  keinen 
Rückstand  (Alkalien,  Erden,  Zink,  Eisen)  hinterlassen  darf.  —  Aufbewahrung: 
In  der  Reihe  der  stark  wirkenden  Arzneimittel,  in  sorgfaltig  verschlossenen  Glas- 
gefässen,  da  das  Präparat  an  der  Luft  uuter  Ammoniak  Verlust  verwittert.  —  An- 
wendung: Früher  viel  gebraucht  zu  Augenwässern  (Aqu  a  co  elest  is,  Aqua 
saphirina).  auch  gegen  Nervenleiden  (Epilepsie,  Veitstanz,  Hysterie)  innerlich 
angewendet.  Als  maximale  Einzelgabe  kann  man  0.1 ,  als  maximale  Tagesgabe 
0.4  g  annehmen.  Man  gebraucht  das  Salz  in  der  Maassanalyse  zuweilen  als  acidi- 
metrisches  Mittel.  Schliekum. 

Cuprum  SUlfiiriCUm  Crudum  (Ph.  Germ.  u.a.),  Vitriolum  Cupri,  Rohes 
Kupfersulfat,  rohes  schwefelsaures  Kupferoxyd,  Kupfervitriol, 
Blauer  Vitriol.  Blaue,  durchscheinende,  trikline  (rhomboldische)  Prismen,  nur 
wenig  verwitternd ,  mit  saurer  Reaction  in  3.5  Th.  kaltem  und  1  Th.  siedendem 
Wasser,  nicht  in  Weingeist  löslich.  Beim  Erhitzen  hinterlassen  sie  weisses  wasser- 
freies Salz ,  nach  längerem  Glühen  schwarzes  Kupferoxyd ,  unter  Entweichen 
schwefligsaurer  Dämpfe.  —  ldentitätsreactiouen:  Die  blaue  wässerige 
Lösung  wird  durch  Baryumnitrat ,  selbst  bei  Zusatz  von  Salpetersäure,  weiss  und 
durch  Schwefelwasserstoff  schwarz  gefällt ;  Aetzalkalien  scheiden  aus  ihr  blaugrünes 
Oxydhydrat  aus ,  welches  sich  mit  tiefblauer  Farbe  leicht  in  überschüssigem  Am- 
moniak, nicht  aber  in  Kali-  und  Natronlauge,  auflöst.  —  Zusammensetzung: 
Kupfersulfat  mit  5  Molekülen  Krystallwasser  =  (Cu  S04  +  5H,0);  nicht  selten  mit 
einem  grösseren  oder  geringeren  Gehalte  an  Zinksulfat  und  Fcrrosulfat.  —  Dar- 
stellung: Im  Grossen  durch  Rösten  von  Kupferkies  und  Buutkupfererz ,  Aus- 
laugen des  Röstproductes  mit  Wasser  und  Krystallisirung.  Beim  vollständigen 
Rösten  dieser  schwefel-  und  eisenhaltigen  Kupfererze  verbrennt  der  Schwefel  theils 
zu  schwefliger  Säure,  theils  oxydirt  er  sich  zu  Schwefelsäure,  die  sich  mit  dem 
zugleich  entstehenden  Kupferoxyd  verbindet.  Der  Eisengehalt  bewirkt  eine  Bei- 
mengung von  Eisenvitriol;  man  erzielt  aber  bei  vollständig  und  sorgfältig  ausge- 
führter Röstung  die  Bildung  von  Eisenoxyd,  welches  theils  durch  das  vorhandene 
Kupferoxyd  ausgeschieden  wird,  theils  als  Sulfat  in  der  Mutterlange  bleibt.  (Eisen- 
vitriolhaltiger  Kupfervitriol  findet  sich  als  gemischter  Vitriol  im  Handel  und 
ist  häufig  sehr  reich  an  Eisenvitriol,  alsdann  um  so  grüner,  je  eisenreicher  er  ist. 
So  enthält  der  Salzburger  Vitriol  76  Procent,  der  Admonter  Vitriol 
83  Procent  Eisenvitriol.  '  Auch  findet  sich  eisenhaltiger  Kupfervitriol  in  Gruben- 
wässern (Cementwässern)  gelöst,  die  durch  Auslaugon  verwitterten  Kupferkieses 
entstehen.  Auch  bei  der  Silbergewinnung  aus  silberhaltigen  Kupfererzen,  nachdem 
dieselben  geröstet  und  mit  Wasser  ausgelaugt  worden,  wird  Kupfervitriol  als 
Nebenproduct  gewonnen;  aus  der  silbersulfathaltigeu  Lauge  wird  durch  metal- 
lisches Kupfer  das  Silber  ausgeschieden  und  es  resnltirt  eine  Kupfersulfatlösung 
( Affinirungsproeess).  —  Prüfung:  Mit  überschüssigem  Ammoniak  muss  die 
Salzlösung  eine  klare  oder  fast  klare  Flüssigkeit  geben  (braune  Flocken,  die  sich  als- 
bald oder  beim  Stehen  an  der  Luft  ausscheiden,  verrathen  einen  Eisengehalt).  — 

Digitized  by  Google 


C U PRÜM  SüLFURICUM  CRUDÜM.  —  CUR. 


339 


Aufbewahrung:  In  der  Reihe  der  stark  wirkenden  Arzneimittel,  in  verschlossenen 
Gefassen.  Gebrauch:  Die  medicinische  Anwendung  beschränkt  sich  auf  äusserliche 
Thierarzneien.  In  der  Landwirthschaft  benutzt  man  den  Kupfervitriol  mit  Vortheil 
zum  Einweichen  des  »Saatkornes  behufs  Tilgung  des  Getreiderostes.  Technisch  dient 
er  in  der  Färberei  zur  Darstellung  von  Kupferfarben,  zu  galvanischen  Batterien 
(DANlELL'sche  Kette),  zur  galvanischen  Verkupferung  u.  s.  w.         Schiit  kam. 

Cupillä  (lat.)  ist  eine  aus  der  Verwachsung  von  Blättern  entstehende  Hülle 
um  die  reifende  Frucht.  Sie  ist  häufig  becherförmig  (Riehe),  mitunter .  sehliosst  sie 
»her  die  Frucht  vollständig  ein  und  springt  bei  der  Reife  wie  eine  Kapsel  auf 
(Edelkastanie).  Die  Cupnla  ist  das  charakteristische  Merkmal  der  nach  ihr  be- 
nannten Familie  der  Oupuliferae.  Sie  umsehliesst  entweder  nur  eine  Frucht 
(Corylaceae)  oder  mehrere  Früchte  (Fagaceae). 

Cupillifßr&B,  Familie  der  Amentaceae.  Ausschliesslich  Holzgewachse,  die  be- 
sonders der  nördlichen  Halbkugel  angehören  und  wichtige  Waldbäume  sind,  sämrat- 
lieh  zur  Classe  Monoecia  des  LixxK'schen  Systems  gehörig.  Charakter:  Blätter 
einfach,  mit  Nebenblättern,  Blüthen  einhäusig,  ^5  kätzehenförmig.  in  den  Achseln 
der  unteren  Blätter  oder  der  Nebenblätter  der  Frtihjahrstriebe,  Q  verschieden  ge- 
staltet, meist  in  den  Achseln  der  oberen  Blätter  junger  Triebe,  selten  am  Gruude 
der  <5  Blüthen.  Perigon  4 — 8theilig,  öfter  rudimentär  oder  unterdrückt.  Staub- 
gefässe  2 — 20  ,  öfter  gespalten ,  zuweilen  in  gleicher  Zahl  der  Perigonzipfel  und 
dann  vor  denselben.  Fruchtknoten  unterständig,  2 — 9fächerig.  Fächer  1 — 2eiig. 
Frucht  meist  nussartig,  1  fächerig  und  1  sämig.  Fruchtgehäuse  von  einer  auf  sehr 
mannigfaltige  Weise  aus  Hochblättern  gebildeten  Fruchthülle  (Cupnla)  umgeben. 

Die  Familie  gruppirt  sich  in: 

a)  Beluleae:  Cnpula  fehlend.  Perigon  bei  cJ  Blüthen  entwickelt,  bei  Q  unter- 
drückt. —  Betula,  AInns. 

b)  Coryleae:  Cupula  vorhanden,  lfrüehtig,  aus  1  Deckblatt  und  2  Vorblättern 
gebildet.  Perigon  bei  <3  Blüthen  unterdrückt,  bei  Q  rudimentär.  —  Corylu», 
Carpmua. 

c)  Fagineae:  Cupula  1-  bis  mehrfrüchtig .   aus  4,  öfter  völlig  verwachsenen 
Vorblätteru  gebildet.  Perigon  stets  entwickelt.  —  Fagus,  Castanea,  Quercus. 

S  y  d  o  w. 

Cur.  Unter  Curen  oder  Curmethoden  versteht  man  die  Anwendung  ein- 
zelner oder  verschiedener  Heilmittel  nach  bestimmten,  genau  innezuhaltenden  Regeln. 
Man  unterscheidet  prophylactische  und  therapeutische  Curen,  je  nachdem  dieselben 
zur  Verhütung  des  Eintrittes  gewisser  Krankheiten  oder  zur  Beseitigung  bereits 
entwickelter  krankhafter  Zustände  dienen.  Zu  den  prophylactischen  Curen 
gehören  die  sogenannten  Abortivcuren  (Bd.  I,  pag.  27)  bei  acuten  Krank- 
heiten (Brechmittel  oder  Calomol  beim  Typhus  u.  A.  m.),  ferner  gewisse  Curen, 
bei  denen  man  durch  Impfung  eines  modifieirten  Krankheitsgiftes  den  Körper 
vor  der  Wirkung  eines  intensiveren  schützt  (Vacciuation,  Syphilisation,  Pasteur's 
Cur  der  Hundswuth) ,  endlich  manche  Cnren  zur  Verhütung  chronischer  Ver- 
giftungen, z.  ß.  Gkxdrix's  Prophylaxe  der  Bleikrankheiten  durch  Schwefelsäure- 
limonade u.  A.  Zu  den  letzteren  gehören  auch  die  Curen,  welche  man  bei  Per- 
sonen ,  die  sich  an  den  Genuss  eines  Giftes  gewöhnt  haben ,  z.  B.  Alkoholisten, 
Morphinisten ,  anwendet  und  welche  man  in  Entzichungscuren  und  K n t- 
wöhnungscuren  unterscheidet,  je  nachdem  die  Zufuhr  des  betreffenden  Giftes 
sofort  völlig  unterbrochen  oder  allmälig  bis  zur  völligen  Aufhebung  verringert  wird. 

Die  therapeutischen  Curen  kommen  vor  Allem  bei  chronischen  Krank- 
heiten in  Anwendung,  doch  gehört  die  neuerdings  sehr  allgemein  gewordene 
antipyretische  Methode  (Fieberdiät,  Wärmeentziehung,  Antipyretica)  bei 
acuten  Fieberkrankheiten  ebenfalls  zu  den  Curen.  Man  unterscheidet  die  thera- 
peutischen Curen  häufig  nach  den  Krankheiten ,  gegen  welche  man  sie  benutzt, 
in  antisyphilitische  Curen,  Gicht-  und  Rhenmatismuseuren,  Kntfettungscuren.  anti- 

^t)igitized  by  Google 


340 


CUR. 


epileptische  Garen ,  Bandwurmcuren ,  Krätzcuren  u.  8.  w.  Zweckmässiger  ist  es 
jedoch,  nach  der  Beschaffenheit  des  angewendeten  Heilmittels  medicamentöse, 
diätetische ,  mechanische ,  physikalische  und  psychische  Coren  von  einander  zu 
trennen,  ohschon  allerdings  sehr  häufig  bei  einer  und  derselben  Cur  Einflüsse  der 
verschiedensten  Art  combinirt  werden.  So  können  z.  B.  bei  gewissen  Badecuren 
medicamentöse  (chemische  Bestandteile),  physikalische  (Temperatur  des  Wassers) 
und  mechanische  Einwirkungen  (Wellenschlag  beim  Seebade)  in  Frage  kommen. 
Bei  den  meisten  medicamentösen  und  physikalischen  Curen  spielt  auch  Combination 
mit  Veränderung  der  Diät  eine  bedeutende  Rolle,  doch  ist  diese  für  den  Begriff 
der  Cur  keineswegs  wesentlich,  bei  einzelnen  Curen  gegen  äussere  Krankheiten, 
z.  B.  den  Krätzcuren  ganz  irrelevant. 

Unter  den  medicamentösen  Curen  stehen  der  Häufigkeit  ihrer  Anwendung 
nach  die  Quecksilbercuren  obenan.    Dieselben  bilden  die  Hauptgrundlage 
aller  antisyphilitischen  Curen.  Man  unterscheidet  hier  Salivationscuron  und 
Extinctionscuren,   je  nachdem  das  Quecksilber  in  solcher  Weise  angewandt 
wird,  dass  rasch  Speicheifluss  resultirt  oder,  wie  gegenwärtig  fast  immer,  in  der 
Art,  dass  dieser  Oberhaupt  nicht  eintritt.    Alle  officinellen  und  viele  nicht  offiei- 
ncllen  Quecksilberpräparate  dienen  in  verschiedenen  Formen  zu  derartigen  Curen, 
die  verschiedene  Namen ,  meist  nach  dem  Arzte ,  der  sie  zuerst  angegeben  ,  er- 
halten   haben.    Am    bekanntesten   sind  die  sogenannten    Inunctions euren 
mit  grauer  Quecksilbersalbe,  die  man  gewöhnlich  schlechtweg  als  Schmier- 
en r  e  n  bezeichnet,  wobei  man  wiederum  nach  der  Menge  der  eingeriebenen  Salbe 
und   der   Raschheit  der  Imprägnation  des  Körpers  mit  Quecksilber  grosse 
Schmiercuren  [8 — 12  Einreibungen  von  4.0 — 6.0  in  den  Schmiercuren  von 
Lot  TRIER  und  Ru.st)  und  kleine  (20 — 30  Einreibungen  von  1.2 — 2.5  in  den 
Curen  vou  Cillerier  und  v.  Sigmund)  unterscheidet.   Neben  den  Schmiercuren 
sind  die  Curen  mit  Sublimat  die  gebräuchlichsten,  den  man  jetzt  vorwaltend  in  Sub- 
cutan injection  nach  Lkwin  benutzt,  früher  vielfach  innerlich  in  Pillen  (Dzondi's  Cur, 
Di  piytren's  Cur),  seltener  in  Einreibungen  (Cirillo's  Cur)  verwandte.  Ziemlich 
ausser  Gebrauch  zu  Quecksilbercuren  sind  gegenwärtig  das  Quecksilberoxyd  (Curen 
von  Bekg  und  von  Blasius),  das  Calomel  (Cur  vou  Weixholj»)  ,  die  Jodverbin- 
dungen des  Quecksilbers  (Cur  vou  Ricord)  u.  A.  m.    Der  intensive  Eingriff,  der 
mit  allen  Quecksilbercuren  verbunden  ist,  die  bei  übertriebener  Zufuhr  von  Mer- 
curialien  häufig  chronische  Vergiftung  bedingen ,  hat  die  curmässige  Anwendung 
verschiedener  anderer  Medicamente  zu  gleichen  Zwecken  hervorgerufen,  unter  denen 
da«  Jod  und  dessen  Alkaliverbindungen,  besonders  J  o  d  k  a  1  i  u  m ,  das  Kalium- 
bi Chromat  und  verschiedene   als  Antidyscratica  ('s.  d.  Bd.  I,  pag.  427) 
im  Rufe  stehende  Vegetabilien  gegenwärtig  die  wichtigsten  sind.    Die  letzteren 
bilden  die  Grundlage  der  Holztrankeuren  oder  Decoctcuren  (Tisane- 
curen),  bei  denen  weniger  eine  speeifische  Action  der  eigenthümlichen  Pflanzen - 
stofte  in  Frage  kommt,  als  die  Wirkung  der  dabei  eingeführten  grossen  Wasser- 
mengen, die  durch  das  Liegen  im  Bette  hervorgerufene  Diaphorese,  die  gleichzeitig 
angewendeten  Purganzen,  die  knappe  Diät,  indem  der  Einfluss  aller  dieser  Factoren 
auf  den  Stoffwechsel  die  Ursache  der  übrigens  denen  de«  Quecksilbers  nicht 
gleichwerthigen  Heilerfolge  ist.  Auch  mehrere  dieser  Holztrankeuren  haben 
nach  ihrem  Erfinder  besondere  Namen  bekommen,  z.  B.  die  mit  Decoctum  Sarsa- 
jmrillae  compositum  ausgeführte  ZiTTMANN'sche  Cur,  die  PoLLixi'sehe  Cur  mit  dem 
gleichnamigen  Decocte.  Fast  vergessen  ist  die  methodische  Behandlung  der  Syphilis 
mit  den  aus  Abkochungen  antidyscratiseber  Drogen,  namentlich  aus  Sarsaparille 
angefertigten  Syrupen  (St'rop  de  Cuisinier,  Itoob  La  fecteur),  ebenso  die  Syphilis- 
cur  mit  verschiedenen  unorganischen  Stoffen ,  unter  "denen  namentlich  einzelne 
Metalle,  wie  Gold,   Platin,   Silber,  Kupfer  (Liquor  antimt'asmaticus  Köchh'ni), 
aber  auch  Säuren  ( Salpetersäure)   und  Alkalien  vorübergehend  ausgedehntere  Be- 
nutzung fanden.  Manche  der  zuletzt  genannten  Curmittel  wurden  und  werden  ebenso 
wie  die  .Jodpräparate  und  die  Decoctcuren  auch  bei  einer  Reihe  anderer,  sogenannter 


Digitized  by  Google 


CUR. 


341 


constitutioneller  Krankheiten  curmässig  gebraucht,  go  dag  Silber  bei  Epilepsie 
und  Rückenmarksdarre,  die  Salpetersäure  (in  Form  von  Fugsbädern)  bei  Leber- 
leiden, die  Alkalien  bei  acutem  Gelenkrheumatismus,  Gicht,  Diabetes  und  anderen 
Leiden.  Von  den  Metallen  igt  das  Eisen  und  seine  zahlreichen  Salze  bei  tonigiren- 
den  Curen  (8tahlcuren  bei  Bleichsüchtigen)  viel  verwendet.  Von  Ametallen  spielt 
eine  Hauptrolle  als  curmässig  benutztes  Mittel  der  Schwefel ,  der  freilich  weniger 
als  inneres  Mittel  (z.  B.  bei  Bleikolik),  wie  als  externes  Mittel  und  namentlioh 
als  Antipgoricum  gebraucht  wird ,  als  welchee  er  früher  bei  Krätzcuren  als  un- 
entbehrlich galt,  während  er  jetzt  durch  bessere  Mittel  ersetzt  ist,  welche  soge- 
nannte Schnellcuren  bei  Krätze  ermöglichen  (Perubalsam  U.A.).  Bei  Haut- 
krankheiten werden  auch  Theer  und  diverae  Theerpräparate ,  ferner  Argenikatieu 
methodisch  verwendet,  welche  letzteren  auch  neuerdings  vielfach  zu  tonisirenden 
Caren  Benutzung  finden.  Erwähnenswerth  ist  die  Verwendung  verschiedener  Ab- 
führmittel zu  Curen,  welche  öfters  ähnliche  Zwecke  wie  die  erwähnten  Decoctcuren 
verfolgen.  So  die  der  Senna  in  der  berühmten  Bleicolikcur  der  Pariser  Charite, 
besonders  aber  verschiedene  Purgirsalze,  denen  man  blutreinigende  Wirkung  zu- 
schreibt. Hierher  gehören  auch  die  sogenannten  Frühlingscuren  oder  Kräuter- 
safteuren,  da  der  zu  denselben  dienende  frisch  ausgepresste  Saft  des  Löwenzahnes 
and  anderer  Kräuter  vorwaltend  durch  seinen  Gehalt  an  Salzen  wirkt.  Häufig 
ersetzt  man  die  Purgirsalze  durch  Mineralwässer,  in  denen  dieselben  natürlich 
vorkommen.  Ueberhaupt  schliesseu  sich  sämintliche  Mineralwässer,  soweit  sie  zu 
Trinkcuren  dienen,  eng  an  die  curmäasig  verwendeten  Medicamente  an,  während 
sie  zum  Theil  auch  wegen  ihres  Gebrauches  zu  Bädern  physikalische  Curmittel 
darstellen.  Wesentlich  zu  den  mcdicamentösen  Curen  gehört  auch  die  derivative 
oder  ableitende  Cur  (s.  Ableitung  Bd.  I,  pag.  25),  wozu  insbesondere  haut- 
oder  darmreizende  Mittel  gebraucht  werden.  Endlich  sind  noch  die  sehr  mannig- 
faltigen Formen  der  Inhalation  als  besondere  Localcuren  zu  erwähnen. 

Diätetische  Curen  nennt  mau  solche,  bei  denen  die  gewöhnlich  zur  Er- 
nährung dienenden  Stoffe  in  methodischer  Weise  dargereicht  werden ,  um  durch 
Veränderung  des  Stoffwechsels  krankhafte  Zustände  zu  heben.  Es  ist  indess  ge- 
bräuchlich, manche  Curen  hinzuzurechnen,  welche  mit  Zubereitungen  aus  gewissen 
Nahrungsmitteln,  die  den  Charakter  von  Arzneimitteln  tragen,  hergestellt  werden,  z.  B. 
Molkencuren,  Kumyscuren,  Kefircuren.  Man  theilt  die  diätetischen  Curen  am 
zweckmäsgigsten  in  roborirende  (plagtigche)  und  entziehende  (antiplastische) 
ein,  wobei  indess  nicht  ausser  Acht  zu  lassen  ist,  dass  verschiedene  dieser  Curen 
nicht  ausschliesslich  bei  Störungen  der  Ernährung  in  Anwendung  kommen  und  dass 
einzelne  derselben  unter  veränderten  Bedingungen  beiden  Indicationen,  der  Förde- 
rung des  Angatzes  gowohl  alg  der  Verringerung  des  Körpergewichts,  zu  dienen 
im  Stande  sind.  Dies  gilt  namentlich  von  den  mit  Weintrauben  ausgeführten  soge- 
nannten Traubeneuren,  die  durch  ihren  Gehalt  an  Traubenzucker  bei  Au- 
wendung kleiner  Mengen  und  gleichzeitiger  reicher  stickstoffhaltiger  Diät  Körper- 
gewicht und  Körperkraft  vennehren,  während  bei  Anwendung  grösserer  Quantitäten 
und  blander  Diät  abführende  und  antiplastische  Wirkung  hervortritt.  Dasselbe  gilt 
von  den  Curen  mit  anderen  Früchten,  den  sogenannten  Obstcuren,  welche 
jedoch  weniger  gebräuchlich  -als  die  Traubencur  siud  und  deuen  sich  einerseits  die 
Apfel  wei neuron,  andererseits  die  keineswegs  ungefährlichen  Wassersuchtscuren 
mit  Citrouen  anschliessen. 

Unter  den  zu  roborirenden  Curen  benutzten  Substanzen  nimmt  die  Milch  den 
ersten  Platz  ein,  welche  auch  bei  dem  als  Mastcur  (0  v  erf eed i u g,  Surali- 
mentation)  zu  bezeichnenden  Verfahren  von  S.  Weir  Mitchell  bei  schwerer 
Hysterie  und  Neurasthenie,  in  welcher  wochenlang  eine  möglichst  reiche  Zufuhr 
stickstofrreicher  Nahrung  stattfindet ,  das  Hauptmittel  bildet ,  nebeu  welchem  und 
anstatt  dessen  übrigens  auch  leicht  verdauliche  Fleischpräparate  (Poudre  do  viande, 
Poudre  de  sang  de  boeuf)  in  Frankreich  empfohlen  werden.  An  die  Curen  mit 
Milch  schliessen  sich  die  ebenfalls  bei  Krankheiten  mit  gesunkener  Ernährung  in 


Digitized  by  Google 


?42  CUR. 

Anwendung  kommenden  Curen  mit  verschiedenen  Zubereitungen  der  Milch,  wohin 
entfettete  Milch  (saure  oder  abgerahmte  Milch,  Buttermilch),  von  Casein  und  Fett 
befreite  Milch  (Molke)  und  die  bereite  oben  genannten,  durch  Gährung  erhaltenen, 
alkohol-  und  kohlensäurehaltigen  Getränke  Kumys  und  Kefir  gehören,  bei  deren 
Wirkung  die  lockere  Beschaffenheit  des  CaseVns  mehr  als  Alkohol  und  Kohlen- 
säure betheiKgt  erscheinen.  Das  Nähere  über  diese  Mittel  wird  in  besonderen 
Artikeln  mitgetheilt  werden. 

In  Bezug  auf  die  antiplastischen  Curen  ist  man  in  der  Gegenwart  zu  der  Ueber- 
zeugung  gelangt,  dass  dieHungercuren  (Carenzcuren)  und  länger  dauernde 
Entziehungscuren  höheren  Grades  (Absti n enzeuren),  wie  sie  die 
Aerzte  in  älterer  Zeit  behufs  „Umstimmung"  des  Organismus  bei  acuten  und 
besonders  chronischen  Krankheiten  —  hie  und  da  noch  verbunden  mit  der  An- 
wendung von  Purganzien  oder  mit  der  Darreichung  kleiner  Mengen  Brechweinstein 
(sogenannte  Ek e  1  c u r)  oder  selbst  mit  wiederholten  Blutentziehungen  —  anzuwenden 
liebten  und  die  durch  ihre  intensive  Wirkung  auf  die  Blutbildung  von  überaus 
schädlichem  Einflüsse  auf  den  Organismus  sein  müssen,  nur  ganz  ausnahmsweise 
Auwendung  finden  können.  Dagegen  ist  allerdings  eine  kurzdauernde  starke  Herab- 
setzung der  Zufuhr  der  Nahrungsmittel  ein  wesentliches  Unterstützungsmittel 
medicamentöser  Curen,  z.  B.  der  Decoctcuren,  und  eine  Verminderung  geringeren 
Grades  gilt  vielen  Praktikern  bei  fieberhaften  Zuständen  als  unerläßlich.  Bei  den 
haupsächlichsten  Entziehungscuren  der  Gegenwart  kommt  nicht  das  gesammte 
Nahrungsmaterial  in  Frage,  sondern  nur  einzelne  Bestandteile  der  Diät  So 
bandelt  es  sieb  bei  den  gebräuchlichen  Entfett ungscurenfs.  d.)  entweder  um  die 
Entziehung  des  Fettes  selbst  (Baxting-Cut)  oder  um  die  der  Kohlehydrate  (Cur 
der  Fettsucht  nach  Ebstein),  welche  letzteren  auch  bei  verschiedenen  Cureu  des 
Diabetes  entzogen  werden.  Selbst  diese  partiellen  Entziehungscuren  sind  nicht 
immer  ohne  Gefahr  und  können  zu  schweren  Störungen  führen.  Einen  noch  inten- 
siveren Eingriff  stellt  übrigens  die  curmässige  Entziehung  des  Wassers,  welche 
früher  einen  wesentlichen  Bestandtheil  der  sogenannten  arabischen  Cur  der 
Syphilis  (mit  den  aus  Quecksilber  und  Sublimat  bestehenden  arabischen  Pillen) 
bildete,  neuerdings  besonders  in  der  Form  der  SCHROTHschen  oder  Semmel- 
ciir  in  Anwendung  kommt,  deren  Gefahren  in  keinem  richtigen  Verhältnisse  zu 
ihrem  Nutzen  stehen. 

Veränderte  Flüssigkeitsaufnahme  ist  übrigens  auch  ein  wesentlicher  Theil  der 
OF.KTEL'seheu  Cur  bei  Circulationsstörungen,  welche  damit  den  Uebergang  zu  den 
mechanischen  Cureu,  Mechanotherapie  bildet,  welche  man  auch  als 
Bewegungscuren,  Kinesiatherapie,  bezeichnen  kann.  Curen  dieser 
Art  unterscheidet  man  in  solche  mit  activer,  passiver  und  gemischter 
Bewegung.  Die  OERTEi/sche  Cur  combinirt  ausser  beschränkter  Wasserzufuhr 
ein  besonderes  Regime  in  Bezug  auf  die  Zufuhr  von  stickstoffhaltigen  und  stick- 
stofffreien Nahrungsmitteln  mit  activen  Bewegungen  in  Form  von  methodischem 
Bergsteigen  mit  allmäliger  Steigerung  der  Entfernungen  von  500 — 1500m 
über  die  Thalsohle,  wodurch  Kräftigung  des  dabei  angestreugteu  Herzmuskels  und 
wesentliche  Erleichterung  der  Athembeschwerden  erzielt  werden  soll.  Die  Vornahme 
der  Oer t el ' seh e n  Curen,  bei  denen  es  nicht  ohne  erhebliche  Beschwerden  für  den 
Krauken  abgeht,  so  das«  der  französische  Kliniker  G.  See  sie  eher  für  Hunde 
als  für  Menschen  berechtigt  ansieht ,  geschieht  jetzt  in  fast  allen  Curortcn  in 
hügeligen  oder  bergigen  Gegenden,  in  denen  seitens  des  Arztes  bestimmte  Weg- 
strecken abgegrenzt  sind,  deren  Begehung  dem  Patienten  ein  genau  abgemessenes 
Quantum  von  Muskel-  und  Herzmuskelarbeit  ermöglicht,  das  nicht  durch  blosses 
Gehen  bestimmter  Zeitfristen  nach  der  Uhr  regulirt  werden  kann.  Man  nennt 
Curorte  mit  diesen  Einrichtungen  Terraincurorte.  Die  Cur  ist  auch  in  ver- 
schiedenen klimatischen  Curorten  während  des  Winters  möglich  und  namentlich 
sind  Meran,  Bozen  und  Are»  von  Okhtel  selbst  als  Terraincurorte  einge- 
richtet. Das  Bergsteigen,  freilich  in  geringerem  Maasse,  bildet  übrigens  auch  einen 


Digitized  by  Google 


CUR. 


der  Factoren ,  welche  bei  der  günstigen  Wirkung  des  Aufenthaltes  in  Höhen- 
klimaten  (s.  Cur  orte)  nicht  übersehen  werden  dürfen,  indem  durch  Anregung 
kräftigerer  Thätigkeit  der  Athemmuskeln  Erweiterung  des  Brustkorbes  resultirt. 
Insofern  dabei  auch  die  übrigen  Muskeln  der  Extremitäten  und  des  Kumpfes  in 
erhöhter  Weise  fungiren,  ist  dabei  auch  eine  allgemeine  Kräftigung,  daneben  durch 
die  verstärkte  Oxydation,  theils  in  Folge  der  vermehrten  Sauerstoffzufuhr,  theils 
in  unmittelbarem  Zusammenhange  mit  der  Function  der  Muskeln,  Vermehrung  der 
Körperkraft  und  Regelung  des  Stoffwechsels  zu  erzielen.  Man  erreicht  dieselben 
Effecte  auch  durch  manche  andere  active  Bewegungen,  wie  sie  im  Schwimmen, 
Fechten  (altes  Curmittel  gegen  Fettsucht),  Laufen,  in  dem  Exerciren,  der  Jagd, 
besonders  aber  in  den  Leibesübungen  gegeben  sind ,  die  man  in  der  Gegenwart 
als  Gymnastik  zu  bezeichnen  pflegt  und  welche  bei  uns  in  Form  von  Turn- 
Übungen  (Freihandturnen,  Turnen  an  Barren,  Reck)  methodisch  in  Auwendung 
gebracht  wird.  Die  kräftigenden  und  entfettenden  Effecte  der  Leibesübungen  beim 
Militärdienste,  welche  diverse  der  oben  genannten  activen  Bewegungen  involviren, 
hat  mancher  schwächliche  oder  an  Aufschwemmung  leidende  Freiwillige  an  sich 
selbst  zu  erfahren  Gelegenheit.  Die  Möglichkeit,  bei  gymnastischen  Uebungcn 
einzelne  Muskeln  besonders  zu  berücksichtigen  und  functionsfähiger  zu  gestalten, 
macht  die  Gymnastik  zu  einem  wesentlichen  Unterstützungsmittel  der  sogenannten 
orthopädischen  Curen  chirurgischer  Krankheiten  (Verkrümmungen,  Anchy- 
losen),  bei  denen  ausserdem  mannigfache  mechanische  Apparate,  Strecklatteu 
u.  s.  w.  in  Gebrauch  kommen,  deren  Effecte  oft  nur  durch  entsprechende  Gym- 
nastik zu  permanenten  gemacht  wurden.  Auf  methodische  Gymnastik  einzelner 
Muskeln  beruhen  auch  verschiedene  Curmethoden  gegen  Stammeln,  Schreibekrampt 
und  ähnliche  Leiden.  Die  bei  uns  übliche  Gymnastik ,  welche  nur  active  Bewe- 
gungen willkürlicher  Muskeln  verwerthet,  ist  von  der  durch  Ling  eingeführten, 
jetzt  in  allen  Ländern  verbreiteten  schwedischen  Heilgymnastik,  unpassend 
Kinesipathie  genannt,  dadurch  verschieden,  dass  diese  auch  auf  unwillkürliche 
Muskeln  (Darmcanal,  Blase,  Herz,  Kreislauf,  Athmung)  einzuwirken  sucht  und  dass 
sie  sich  der  sogenannten  halb  activen  oder  duplicirten  Bewegungen  bedient, 
indem  der  Kranke  gegen  den  Widerstand  eines  anderen,  des  Gymnasten,  oder 
gegen  denjenigen  besonderer  Maschinen  in  den  verschiedensten  Stellungen  mannig- 
fache Muskelactionen  ausführt  oder  gegen  seinen  eigenen  Willen  durch  den 
Gynmasteu  passive  Bewegungen  ausfuhren  lassen  muss. 

Als  eine  auf  passiver  Beweguug  beruhende  Cur  ist  die  Massage  hervorzu- 
heben, die  gegenwärtig  eine  sehr  ausgedehnte  Verwendung  in  der  Therapie  chirur- 
gischer und  interner  Krankheiten  besitzt,  während  sie  sieh  früher  auf  das  Durch- 
kneten schmerzhafter,  steifer  oder  krampfhaft  zusammengezogener  Muskeln  be- 
schränkte. Dieselbe  ist  entweder  eine  allgemeine,  wo  sie  ebenfalls  tonisirend  und 
entfettend  wirken  kann ,  besonders  geschätzt  aber  bei  Erschöpfungsneurosen  iBt, 
oder  eine  mehr  beschränkte,  wo  namentlich  die  Resorption  stark  angeregt  und  die 
Aufsaugung  von  Exsudaten  und  die  Beseitigung  davon  herrührender  Anschwellungen, 
Schmerzen  u.  s.  w.  gefördert  wird.  Die  bei  der  Massage  in  Betracht  kommenden 
mechanischen  Eingriffe,  die  man  in  stabile  (Drücken,  Klopfen.  Kneifen,  Quetschen) 
nnd  fortschreitende  (Reiben,  Streichen)  unterscheidet,  sind  übrigens  auch  früher 
schon  in  verschiedener  Weise  methodisch  in  Anwendung  gezogen  worden.  Schon 
im  Alterthume  gab  es  Gymnasten ,  Aerzte ,  die  sich  derselben  bedienten ,  und  im 
Orient,  in  Ostindien,  China  u.  s.  w.  sind  dieselben  meist  in  Verbindung  mit  Schwitz- 
bädern als  sogenannte  Shampoenen  in  Gebrauch,  wobei  der  Bader  Rückgrat, 
Lenden  und  Extremitäten  zunächst  mit  der  flachen  Hand  sanft  drückt,  dann  mit 
der  Faust  stösst  und  knetet,  hierauf  mit  Seifenschaum  und  wannen  Tüchern  reibt 
und  die  Procednr  mit  Knackenlassen  einzelner  Gelenke  beendet.  Das  Klopfen  und 
Kneten  des  Unterleibes  ist  als  Cur  bei  Hartleibigkeit  bekannt,  ja  Heidler  wollte 
durch  Ersen fltterungscuren  alle  möglichen  Krankheiten  heilen.  Zu  den  Curen 
mit  passiven  Bewegtingen  zähltauch  das  Peitschen  (Fla  gell  ati  oti),  insoweit 


Digitized  by  Google 


344 


CUR. 


solches  im  Zustande  von  Bewusstlosigkeit  (Erstickung  durch  Kohlendampf,  Morphin- 
vergiftung, Chloroformvergiftung)  oder  bei  diversen  Lahmungen  angewendet  wird, 
während  das  in  den  Zeiten  der  Ausbreitung  des  Christenthumes  und  im  Mittel- 
alter von  zelotischen  Mönchen  betriebene  Selbstgeisaeln  gegen  fleischliche  Gelüste 
zu  den  gemischten  Bewegungen  gehört.  Auch  die  in  der  Behandlung  acuter  Ver- 
giftungen so  viel  benutzte  künstliche  Respiration,  insoweit  solche  durch 
mechanische  Anfüllung  der  Lungen  mit  Luft  durch  Erweiterung  des  Brustkorbes 
geschieht,  reiht  sich  den  passiven  Bewegungscuren  an. 

Von  gemischten  Bewegungen  finden  Fahren,  Reiten  und  Schiffen  nicht  selten 
curmässige  Verwendung,  deren  Effecte  zum  Theil  auf  dem  damit  verbundenen 
Aufenthalt  in  freier  Luft  beruhen.  Andere  früher  benutzte  Bewegungen,  z.  B.  das 
in  älteren  Irrenanstalten  übliche  Herumdrehen  im  Kreise,  in  den  sogenannten 
Trillstühlen,  sind  jetzt  vergessen.  Am  meisten  benutzt  werden  noch  die 
Seefahrten,  von  den  Alten  geradezu  wegen  der  dadurch  bedingten  Seekrank- 
heit bei  ünterleibsstörungen  benutzt,  jetzt  bei  Brustleidenden  und  Nervösen  in 
Gebrauch,  doch  knüpft  sich  der  etwaige  Effect  weniger  an  die  eigentümliche 
Schaukelbewegung ,  als  an  den  Einfluss  der  Seeluft ,  der  sich  namentlich  beim 
Kreuzen  unter  warmen  oder  gemässigten  Breiten  bei  Phthisikern  geltend  machen 
kann,  so  dass  sie  im  Wesentlichen  den  sogenannten  Strandcurcn  entsprechen 
und  wie  diese  zu  den  physikalischen  Curen  gehören  oder  doch  den  Uebergang 
dazu  machen. 

Die  physikalischen  Curen  zerfallen  nach  den  dabei  in  Betracht  kommenden 
Dynamiden  in  verschiedene  Abtheilungen.  Am  häufigsten  wird  die  Wärme  zur  Er- 
zielung von  Heilerfolgen  in  Beziehung  zum  Organismus  gesetzt,  wobei  es  sich  ent- 
weder um  den  Einfluss  erhöhter  oder  erniedrigter  Temperatur  handelt. 

Strahlende  Wärme  kam  in  früherer  Zeit  vielfach  als  tonisirendes  Mittel 
bei  Schwäche  -  und  Lähmungszuständen  curmässig  als   sogenannte  Insolation 
(Hei i os i 8)  in  Anwendung,  wobei  man,  um  intensiver  und  gleichzeitig  ableitend 
zu  wirken,  die  Sonnenstrahlen  mittelst  biconvexer  Linsen  (Brenn-  oder  Sammel- 
gläser) concentrirte.    Ausserdem  spielen  hohe  Temperaturen  bei  den  deriva- 
torischen  Curen  keine  unbedeutende  Rolle,  wobei  man  sich  des  Glüheisens  (Fer- 
rum candena),  der  Brenncylinder  (Mosen),   in   siedendes  Wasser  eingetauchter 
metallischer  Instrumente  (Mayo's  Hammer)  u.  s.  w.  an  Stelle  hautröthender  oder 
blasenziehender  Arzneimittel  bediente.   Noch  mehr  ist  die  Wärme  bei  schweiss- 
treibeuden  und  antirhenmatischen  Curen   betheiligt;   hier  kommt  ausser  der  Ein- 
führung warmer  Getränke,  besonders  die  sogenannte  trockene  Wärme  in  Be- 
tracht, wohin  ausser  der  Bettwärme  und  dem  Einhüllen  in  Watte  und  Baumwolle 
auch  das  Umgeben  des  ganzen  Körpers  mit  warmem  oder  heissem  Sande,  Asche 
oder  anderem  erwärmten  Materiale  (Sandbäder,  Aschenbäder.  Kleie n- 
bäder)  gehören.   In  der  Regel  dient  als  Uebertragungsmittel  oder  Entziehungs- 
mittel der  Wärmo  das  Wasser  und  die  Luft,  ersteres  vor  Allem  in  Form  der 
Bäder  (Dampfbäder,  Wannenbäder,  Flussbäder)  und  anderer  analoger  Formen,  wie 
Begiessungen,  Douchen,  welche  im  Artikel  Bad  (Bd.  II,  pag.  105)  besprochen 
wurden.    Besondere  Hervorhebung  verdient  die    von   dem  schlcsischen  Bauern 
Priessnitz  erfundene,   später  von  wissenschaftlichen  Aerzten  viel  verbesserte 
Kaltwassercur  (Hydrotherapie,  Hydriatrik ),  welche  das  Wasser  teilweise 
innerlich ,  vorwaltend  aber  äusserlich ,  und  hier  ganz  besonders  in  der  Forin  der 
sogenannten  Einpackung  in  nasse  Tücher ,  ausserdem  Douchen ,  Regen  bader, 
Sturzbäder,  Abwaschungen,  Abreibungen,   unter  Umständen  auch  Klystiere,  als 
Curmittel  verwendet,  das  durch  eine  geregelte  Diät  und  Beweguug  unterstützt  wird. 

Die  Luft  als  Träger  der  Wärrae  dient ,  vom  türkischen  Bade  abgesehen,  vor 
Allem  als  Curmittel  in  den  sogenannten  Curorten  oder  klimatischen  Curorteu, 
doch  ist  dabei  nicht  blos  die  Temperatur  in  Frage.  Bei  den  sogenannten  Höhen- 
curen  (g.  Curorte)  ist  namentlich  die  Verdünnung  und  die  Reinheit  der  Luft 
von  gleicher   Bedeutung.    Wie    diese    besonders    bei    Lungeukrankheiteu  An- 


Digitized  by  Google 


CUR.  —  CURARE. 


345 


wendung  finden,  dient  bei  solchen  auch  die  auf  der  Einwirkung  erhöhten  Luft- 
druckes beruhende  Bogenannte  pneumatische  Cur  (Medication  pneumatique), 
bestehend  in  dem  V2 — 1  stündigen  Aufenthalte  in  nach  Art  der  Taucherglocke 
construirten  Recipienten,  in  welchen  die  Luft  durch  Pumpen  beliebig  verdichtet 
and  erneuert  werden  kann. 

Ausser  der  Wärme  wird  von  Dynamiden  besonders  häufig  noch  die  Elektri- 
e  i  t  ä  t  in  sehr  verschiedener  Weise  zu  Guren  verwerthet,  die  im  Artikel  Elektro- 
therapie ausführlichere  Darstellung  finden,  und  welche  den  in  früherer  Zeit 
viel  benutzten  mineralischen  Magnetismus  völlig  verdrängt  hat,  da  sich  die  Wirk- 
samkeit der  mineral-magnetischen  Curen  weder  bei  der  Fixirmethode  (länger 
dauernde  Befestigung  beider  Pole  an  den  leidenden  8tellen)  noch  bei  der  Streich- 
methode,  noch  bei  dem  Tragen  der  sogenannten  Armaturen  (kleine  Magnete 
als  Colliers  oder  Gürtel  getragen)  jemals  bewährt  hat.  Die  alten  magnetischen 
Curen  finden  ihr  Pendant  in  den  heute  noch  in  Frankreich  von  verschiedenen 
Aerzten  benutzten  metallischen  Curen  (Metallotherapie),  die  mit  dem 
äusseren  Auflegen  von  diversen  Metallplatten  (Kupfer,  Eisen,  Gold,  Silber),  be- 
sonders bei  verschiedenen  NervenafFectionen  Heilerfolge  erzielt  haben  wollen.  Völlig 
verschieden  von  den  ursprünglichen  Magnetcuren  sind  diejenigen  mit  dem  soge- 
nannten thierischen  Magnetismus,  nach  seinem  Erfinder  Mesmer  (1734 
big  1815)  auch  Mesmerismus  genannt,  d.  h.  durch  Berühren  und  Bestreichen 
vermöge  der  vermeintlichen  Uebertragung  der  magnetischen  Kraft  des  Magnetiseurs, 
Curen,  welche  bei  der  genaueren  Prüfung  sich  als  Gaukelei  und  Betrug  heraus- 
gestellt haben  und  in  die  Reihe  der  sogenannten  mystischen  C  u  r  e  n  gehören, 
die  namentlich  in  der  älteren  Medicin  und  besonders  in  der  Volksmedicin  eine 
ungeheuere  Rolle  spielten  und  in  letzterer  noch  heute  die  Ursache  der  Ausbeutung 
der  Einfältigen  durch  Charlatane  und  Gaukler  werden.  Dahin  gehören  die  Curen 
durch  Besprechen,  die  verschiedenen  sympathetischen  Curen  (z.B.  Heilung 
der  Wunden  durch  Salben  oder  Verbinden  der  Waffe,  mit  der  sie  geschlagen 
wurden)  u.  A.  Auch  die  in  Frankreich  aufgekommenen  hypnotischen  Curen 
(Uypnotismus,  Braidismus),  wobei  durch  verschiedene  Mittel  ein  dem 
sogenannten  magnetischen  Schlafe  der  Somnambulen  entsprechender  Zustand  herbei- 
geführt wird,  die  famosen  Curen  von  Krämpfen  durch  Befestigen  des  Hinter- 
theiles  einer  Taube  an  den  Anus  des  Patienten  (sogenannte  Taubensteiss- 
curen)  tragen  den  nämlichen  Charakter  der  für  den  Gebildeten  unglaublichen 
Wnndercuren. 

Man  würde  offenbar  Unrecht  thun,  wenn  man  derartige  Curen  zu  den  psychi- 
schen rechnen  wollte,  denn  die  wissenschaftliche  Therapie  bedient  sich  wesent- 
lich anderer  Mittel,  um  bei  Seelenzuständen  beruhigend  oder  herabstimmend  oder 
erregend  und  kräftigend  zu  wirken.  Die  einzelnen  hier  in  Betracht  kommenden 
geistig-sittlichen  oder  Sinneseindrücke  (Kräftigung  des  Willens ,  Fixiren  der  Auf- 
merksamkeit, Zerstreuung,  Musik)  besitzen  kein  pharmaceutisches  Interesse. 

Th.  Hasemann. 

CurapaO-Schalen,  s.  Aurantium  (Bd.  II,  pag.  36). 

Curare,  auch  Uvari,  Awara,  Worara,  Woorari,  Wourali  genannt, 
ist  ein  indianisches  Pfeilgift. 

Eis  wurde  zuerst  1595  durch  Walther  Raleioh  nach  Europa  gebracht.  Der 
Saft  mehrerer  Strycknos- Arten  ist  jedenfalls  der  wesentliche  Bestandteil  desselben, 
doch  werden  zu  seiner  Bereitung  noch  verschiedene  Zuthaten  genommen,  wie  Piper, 
Aristolochia,  Caladium,  Petiveria,  Cocculus,  Spigelia  u.  A.  Nach  Plaxchox 
bildet  am  Amazonenstrome  Strychnos  Castelnoeana  Wedd. ,  am  Orinoco  und  in 
Englisch- Guyana  St.  toxlfera  Schomb.  und  iu  Französisch-Gnyana  .SV.  Crtvanxi! 
DC.  die  Grundlage  des  Curare.  Aus  dein  Umstände,  dass  in  Curare  mitunter 
Schlangenzähne  gefunden  wurdeu ,  schliesst  mau ,  das*  auch  Schlangeugift  ein 
Bestandtheil  desselben  sein  dürfte. 

Digitized  by  Google 


b4.i 


CURARE.  —  Cl'RARIN 


Das  in  Form  eines  dunkelbraunen  trockenen  Extractes  zu  uns  gelangende  Curare 
wirkt  schon  in  Dosen  von  0.01 — 0.02  g  lähmend  auf  die  willkürlichen  animalischen 
Muskeln,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  nicht  die  Muskeln  selbst,  sondern  die  vom 
Rückenmark  ausstrahlenden  motorischen  Nerven,  auf  welche  die  Bewegungsimpulse 
vom  Gehirn  und  Rückenmark  zu  den  Muskeln  gleiten,  durch  das  Curare  leitungs- 
unfähig werden ;  es  wird  gewissermaßen  die  Brücke  zwischen  dem  Willen  und  dem 
Muskel  abgebrochen.  Hierauf  beruht  die  durch  Curare'  erzeugte  Lähmung.  Der 
motorische  Nerv  hat  durch  Curarisirung  seine  Reizbarkeit  eingebüsst,  der  Muskel 
Belbst  ist  reizbar  geblieben.  Die  Curarelähmung  erstreckt  sich  nur  auf  die  moto- 
rischen Nerven  der  willkürlichen  Muskeln.  Die  Nerven  der  organischen  Muskel 
fasern ,  also  die  des  Magens ,  der  Gedärme ,  der  Blase  etc.  werden  selbst  durch 
sehr  grosse  Dosen  nicht  gelähmt ,  auch  die  Herznerven  bleiben  unversehrt ,  des- 
gleichen die  organischen  Muskeln  selbst,  sowie  der  Herzmuskel.  Die  vegetativen 
Functionen  können  also  trotz  der  Curarelähmung  fortbestehen,  wenn  man  die 
durch  Lähmung  der  willkürlichen  Athmungsmuskel  bebinderte,  willkürliche  Athmung 
durch  küustliche  Athmung,  durch  künstliches  Einblasen  von  Luft  in  die  Lungen 
ersetzt.  Wegen  dieser  seiner  Eigenschaft  wird  das  Curare  zu  physiologischen, 
pathologischen  und  toxicologischen  Thierversuchen  benutzt. 

Das  Curare  wirkt  toxisch  nur,  wenn  es  direct  in's  Blut  gebracht  wird.  In  den 
Magen  gebracht  wirkt  es  deshalb  nicht,  weil  es  sehr  langsam  resorbirt,  in's  Blut 
aufgenommen ,  dagegen  sehr  rasch  wieder  durch  die  Nieren  ausgeschieden  wird. 
Die  Einleitung  künstlicher  Respiration  ist  das  erste  Erforderniss  bei  Curare-Ver- 
giftung. 

Therapeutisch  findet  dasselbe  gegenwärtig  keine  Verwendung ;  früher  wurde  es 
gegen  Blepharospasmus,  Tetanus-  und  Strychninvergiftung  empfohlen. 

Nach  Dragendorff  sind  für  den  forensischen  Nachweis  beachteuswerth :  Curarin 
wird  aus  schwefelsaurer  Lösung  (auch  wenn  sie  alkalisch  gemacht  wurde)  weder 
von  Aether  noch  von  Benzol  aufgenommen ;  der  eingetrocknete  alkalische  Auszug 
gibt  an  95procentigen  Alkohol  Curarin  ab,   welches  in  Wasser  leicht  löslich  ist. 

v.  Bäsch. 

Clirarin  ist  der  wirksame,  giftige  Bestandtheil  des  Curare  (s.  d.),  dessen 
Reindarstellung  von  Boussixgault  und  Roulix,  daun  von  Pelletier  nnd  Petroz, 
ferner  von  Preyer  (nach  ihm  ist  das  Platindoppelsalz  C10  H16  N  .  Pt  Cl3)  und  später 
von  Sachs  versucht  wurde.  Die  neuesten  und  besten  Untersuchungen  hat  vor  Kurzem 
R.  Böhm  (Beitrüge  z.  Physiol. ,  C.  Ludwig  z.  s.  70.  Geburtstage  gewidm.  1886) 
puhlicirt.  Böhm  ermittelte  Folgendes:  Neben  dem  wirksamen  Alkaloide  Curarin 
enthalten  die  verschiedenen  Curaresorten  sehr  variable  Mengen  einer  unwirksamen 
Base,  Curin  (durch  Metaphosphorsflure  fällbar  und  krystallinisch). 

Zur  Darstellung  des  C  n  r  i  n  s  wird  Curare  so  lange  (eventuell  mit  ver- 
dünnter Schwefelsäure  1  :  100)  extrahirt,  als  man  noch  eine  deutliche  Metaphosphor- 
säurereaction  erhält.  Aus  diesem  wässerigen  Auszug  wird  das  Curin  mittelst  Am- 
moniak als  voluminöser ,  schmutziggraner  Niederschlag  gefällt ,  der  ziemlich  viel 
Curarin  mitgerissen  enthalt.  Der  rasch  abfiltrirte  Niederschlag  wird  in  einer  Flasche 
alsdann  mit  viel  Aether  Übergossen  und  durchgeschüttelt,  wobei  Curin  aufgenommen 
wird,  Curarin  aber  zurückbleibt.  Zu  weiterer  Reinigung  wird  das  ätherische  Extract 
verdunstet  und  die  hinterbleibende  Masse  in  Alkohol  gelöst,  daraus  Curin  wieder 
durch  Wasser  gefüllt.  Das  erhaltene  farblose  amorphe  Pulver  wurde  zur  Analyse 
nochmals  mit  absolutem  Aether  gelost  und  die  ätherischen  Lösungen  langsam  über 
Schwefelsäure  eindunsten  gelassen.  BÖHM  erhielt  m  eine  blcndendweisse  Masse,  die 
unter  dem  Mikroskope  sich  als  aus  sehr  kleinen  Sphärokrystallen  bestehend  erwies. 

Eigenschaften  des  Curins.  Wenig  löslich  in  kaltem,  etwas  mehr  in 
heisrem  Wasser,  leicht  löslich  in  Weingeist,  Chloroform  und  in  verdünnten  Säuren. 
Die  Logungen  schinecken  intensiv  bitter.  Salze  nur  amorph.  Schmelzpunkt  160". 
Farblose  und  amorphe  Niederschlüge  mit  den  gebr.  Alkaloidreagentien :  charak- 
teristisch ist  die  Füllung  mit  Metaphosphorsüure.  Aus  dem  in  Wasser  und  Alkohol 

Digitized  by  Google 


CÜEARIN.  —  CüRCAS. 


347 


60  gut  wie  unlöslichen  Platinchloriddoppelsalze  wurde  das  Molekulargewicht 
des  Cur  ins  auf  298  berechnet.  Besondere  Farbenreactionen  scheint  Curin  nicht 
zn  geben.  Physiologisch  unwirksam. 

Durch  Behandlung  mit  Methyljodid  erhielt  Böhm  eine  neue  Base,  welche  inten- 
sive Curarewirkung  besass. 

Darstellung  des  Curarins.  Nächst  mehreren  anderen  Fällungsmethoden 
erhielt  Böhm  die  beste  Ausbeute,  indem  er  den  sauren,  wässerigen  Auszug  von 
enrin freien  Curaresorten  durch  einen  Ueberechusa  von  Platinchlorid  als 
amorphen  Niederschlag  direct  ausfällte.  Das  so  erhaltene  Product  war  schon  8  bis 
lOmal  wirksamer  als  die  ursprüngliche  Substanz.  Zur  weiteren  Reinigung  wird  der 
Platinniederscblag  auf  dem  Saugfilter  abgesogen,  dann  mit  absolutem  Alkohol  ge- 
waschen und  dieser  schliesslich  mit  absolutem  Aether  verdrängt.  Nach  dem  Trocknen 
an  der  Luft  bildet  das  Platindoppelsalz  eine  graugelbe ,  pulverisirbare ,  amorphe 
Masse.  Cm  daraus  das  Curarin  frei  zu  machen,  wird  diese  Platinverbindung  in 
Alkohol  fein  suspendirt  auf  dem  Wasserbade  durch  einen  Schwefelwasserstoffstrom 
zerlegt.  Die  dabei  frei  werdende  Salzsäure  wird,  um  eine  Zersetzung  des  Curarins  zu 
verhindern,  fortwährend  mit  weingeistigem  Ammoniak  neutralisirt.  Das  in  Lösung 
befindliche  Curare  ertheilt  den  Filtraten  vom  Schwefelplatinniederschlag  eine  leb- 
haft gelbe  biß  orangerothe  Farbe  mit  deutlicher  Fluoreseenz  in's  Grüne.  Nach  dem 
Eindansten  im  Vacuum  über  Schwefelsäure  resultirt  das  Curarin  als  gelbe  oder 
orangerothe  amorphe  Masse  neben  reichlichen  Salmiakkrystallen ,  von  denen  es 
durch  Ausziehen  mit  einem  Gemisch  von  4  Th.  Chloroform  auf  1  Th.  Alkohol 
getrennt  wird.  Das  nach  Verdunstung  des  weingeistigen  Chloroformauszuges  hinter- 
bleibende Curarin  wird  in  möglichst  wenig  Wasser  gelöst ,  nach  dem  Abfiltriren 
kleiner  Mengen  Schwefel  und  anderer  Verunreinigungen  wird  die  reine  wässerige 
Curarinlösung  schliesslich  im  Vacuum  eingetrocknet. 

Da«  so  isolirte  Curarin  hat  folgende  Eigenschaften:  Amorpher  Körper 
von  gelber  Farbe  mit  grüner  Fluorescenz  in  wässeriger  Lösung.  Ein  krystallisirter 
Kftrper  (aber  unwirksam)  entsteht  aus  dem  Curarin  erst  bei  der  Zersetzung  durch 
Säuren.  Das  Curarin  reagirt  in  wässeriger  Lösung  nicht  alkalisch,  sondern 
neutral  und  bildet  jedenfalls  keine  krystallisirteu  Salze.  Die  freie  Base  ist  in 
reinem  Zustande  ziemlich  luftbeständig,  leicht  löslich  in  Wasser,  Weingeist  und 
alkoholhaltigem  Chloroform,  unlöslich  in  Aetber  und  Petroläther.  Geschmack  intensiv 
bitter.  Mit  coneentrirter  Schwefelsäure  befeuchtet,  färbt  Rieh  reines  Curarin  augen- 
blicklich prachtvoll  rothviolett. 

Die  Dosis  letalis  beträgt  pro  Ko  Kaninchen  0.00035  g.  —  Vgl.  Curare. 

Aus  dem  reinen  Platindoppelsalz  (18.31  Procent)  berechnet  sich  das  Mole- 
kulargewicht des  freien  Curarins  zu  326;  diesem  steht  dasjenige  dea 
Curins  mit  298  sehr  nahe.  v.  Schröder. 

CUTCclS,  eine  Eupkcrbiaceen-G&ttiing  Adaxsüx's,  synonym  mit  Jatropha  Kth. 
Sem.  Curcadis,  Sem.  Ricini  major is ,  Ficus  infernal  is ,  Nuces  cathar- 
ticae  americanae  neu  barbadenae«,  sind  die  Samen  der  strauchartigen  Jatropha 
Curcas  L  (Curcas  purgans  EndL),  welche  im  tropischen  Amerika  heimisch  ist, 
aber  in  den  meisten  IVopcngegenden  (Afrika,  Neuseelaudj  cultivirt  wird. 

Die  Samen  sind  circa  17  mm  lang,  eiförmig,  auf  der  Rückenseite  gewölbt,  die 
Bauchseite  durch  den  Nabelstreifen  dachartig  erhöht.  Die  Farbe  ist  ein  mattes 
Schwarz ,  mit  feinen  gelblichen ,  besonders  auf  dem  Rücken  längs  verlaufenden 
Rissen,  an  der  Spitze  ist  die  weibliche  Narbe  der  abgelösten  Caruncula  sichtbar. 

Die  äus8er8te  Schicht  der  Samenschale  besteht  aus  einer  Reihe  radial  gestreckter 
Zellen  mit  verdickten  Wänden  und  braunem  Inhalt.  An  den  Stellen,  wo  schon 
mit  blossem  Auge  die  gelblichen  Risse  sichtbar  sind ,  werden  die  Zellen  dieser 
Schicht  kleiner  und  schwinden  endlich  ganz.  In  diese  Lücken  ist  dann  das  folgende, 
aus  dünnwandigem  Parenchym  bestehende  Gewebe  eingedrungen.  Die  Zellen  des 
Endosperm  enthalten  fettes  Oel  und  Aleuronkörner. 


Digitized  by  Google 


348 


CURCAS.  -  CÜRCUMA. 


Der  wirksame  Bestandteil  der  Samen  ist  ein  farbloses  fettes  Oel  von  0.947 
spec.  Gew.  (Ol.  Curcadts ,  Ricini  majoris ,  Cicinum  infernale).  Es  ist  zu 
26  Procent  in  ihnen  enthalten  und  bildet  ein  sehr  heftiges  Purgir-  und  Brech- 
mittel, doch  kommt  die  letztere  Eigenschaft  nur  dem  ranzigen  Oel  zu,  während 
es  die  entere  der  darin  enthaltenen  Jatrophasäure  verdankt.  Es  soll  nach  Peckolt 
zur  Verfälschung  des  Crotonöles  dienen.  Hart  wich. 

CurClima.  Gattung  der  Zingiberaceae,  Unterfamilie  Hedychieae.  Im  tropischen 
Asien  heimische  Kräuter  mit  knolligem  Wurzelstock ,  scheidig  gestielten  Blättern, 
seiten-  oder  endständigen ,  durch  Deckblätter  schopfigen  Inflorescenzen.  Die  ge- 
wöhnlich gelben ,  zwitterigen  Blüthen  besitzen  ein  äusseres  kurzes ,  dreizäh  niges 
und  ein  inneres  lippiges  Perigon,  von  den  typischen  3  +  3  Staubgefässen  nur  ein 
einziges  fruchtbares,  einen  dreifächerigen  Fruchtknoten,  welcher  sich  zu  einer  viel- 
samigen,  dreiklappigen  Kapsel  entwickelt.  Die  Samen  haben  einen  Arilin-. 

1.  Curcuma  longa  L.  (Amomum  Curcuma  Jqu.)  besitzt  einen  centralen, 
gegen  15  cm  hohen  Blüthenschaft  mit  ebenso  langer  Aehre,  deren  Blüthen  blassgelb, 
von  n"»t  Ii  lieh  überlaufenen  weissen  Deckblättern  gestützt  sind.  Von  ihr  stammt: 

Rhizomu  Curcumae,  Gelbwurz.  Turmeric,  Terra  nierita, 
Souchet  des  Indes,  ein  sehr  dichter,  schwerer,  hornartig  spröder,  aus  freier 
Hand  kaum  zu  zerbrechender,  am  Bruche  feinkörniger  Wurzelstock  mit  grauem 
bis  gelbem  (von  der  künstlichen  Bestäubung  zu  unterscheidendem)  Korke  bedeckt. 


Fig.  53.  Fig.  54 


Querschnitt  durch  den  äusseren  Theil  des  Curcuma-  Kork  des  Curcuma-Rhizoms  in 

Rhizoms.  A'  Kork,  p  mit  verkleisterter  Stärke  erfüll-  der  Flächenansicht, 

tes  Purenchym,  9  Gefaaae,  *  eine  Harzzelle. 

innen  wachsglänzend  gelbroth.  Der  geglättete  (Querschnitt  ist  dicht  hellgelb  punktirt. 
die  Rinde  — 1  8  des  Durchmessers)  durch  eine  helle  Linie  vom  Kern  scharf 
getrennt,  nicht  abschälbar.  Die  mikroskopische  I  ntcrsiichunjr  zeigt  innerhalb  der 
Korkdeeke  ein  gleichförmiges,  von  Gefässbündeln  durchsetztes  Parenchym,  dessea 
Zellen  zumeist  einen  gelben  Kleisterklumpeu.  vereinzelt  einen  dunkler 
gefärbten  Harztropfen  enthalten  (Fig.  53).  Die  Verkleisterung  der  Stärke  rührt 
daher,  dass  die  Knollen,  um  das  Auswachsen  zu  verhindern,  gekocht  wurden. 

Das  Rhizom  schmeckt  feurig  gewürzhaft ,  etwas  bitter ,  ähnlich  dem  Ingwer, 
den  Speichel  färbt  es  beim  Kauen  gelb.  An  eigentümlichen  Bestandteilen  enthält 
es  ein  ätherisches  Oel  (1  Procent)  und  den  Farbstoff  Cn reu m in  (s.  d.i. 
angeblich  auch  ein  Alkaloid  (Ivaxow-Gajewsky). 

Im  Handel  unterscheidet  mau  zwei  Formen  des  Khizoms :  Curcuma  longa  uud 
Curcuma  rotunda.  Die  ersteren  sind  nach  den  Untersuchungen  von  Arth.  Meyer 
(Arch.  d.  Pharm.  1881)  die  un verdickten  ,  früher  als  Lateralknollen  aufgefassten 
Khizome.  Sie  sind  etwa  fingerlang.  8  —  12mm  dick,  walzenrund,  einfach  oder 
mit  kurzen  stumpfen  Aesten  uud  Narben  versehen ,  undeutlich  geriugelt.    Es  ist 


Digitized  by  Go 


CUBCUMA.  —  CURCÜMIN.  349 

die  gegenwärtig  fast  ausschliesslich  vorkommende  Sorte,  von  welcher  die  Marke 
BeDgal  die  geschätzteste  ist.  Curcuma  rotunda,  früher  als  Centralknollen  be- 
trachtet, sind  im  Gegentheil  die  verdickten  unterirdischen  Internodien  von  Blatt- 
knospen. Sie  sind  ei-  oder  birnförmig,  20 — 30  mm  lang,  15  — 20  mm  dick,  quer 
geringelt,  mit  dünnen  Wurzeln  und  rundlichen  Narben  besetzt. 

Die  hauptsächlichste  Verwendung  findet  Curcuma  als  Gewürz,  besonders  in 
England  als  Bestandteil  des  Curry  powder  (s.  d.).  In  der  Pharmacie  und 
Technik  benutzt  man  sie  weniger  ihrer  gewürzhaften  Eigenschaften  wegen ,  als 
vielmehr  wegen  des  Farbstoffes.  Die  neue  deutsche  und  österreichische  Pharmakopoe 
haben  sie  nicht  mehr  aufgenommen. 

2.  Curcuma  angustifolia  Rxb.  und  C.  leucorrhiza  Rxb.  sind 
zwei  verwandte  Arten,  deren  Rhizome  auf  Stärke  ausgebeutet  werden  (».Arrow- 
root,  Bd.  I,  pag.  577). 

3.  Curcuma  ar omatica  Rose. ,  eine  durch  dicke  knollige  Rhizome  und 
weissliche,  roth  bespitzte,  gelblippige  Blüthen  charakterisirte  Art,  liefert  die  Ztdoaire 
ronde  des  Cod.  med. 

4.  Curcuma  Zedoaria  Rose.  (C.  Zerumbet  Rxb.,  Amomum  Zerumbet 
König,  A.  Zedoaria  W.)  besitzt  einen  seitenständigen,  bis  30  cm  hohen  Blüthen- 
schaft  mit  halb  so  langen  Aehren  aus  hellgelben  Blüthen  mit  dunkelgelber  Lippe, 
die  zu  3 — 4  in  den  Achseln  grüner  Deckblätter  sitzen.  Sie  ist  die  Mutterpflanze 
der  Zedoaria  (s.  d.).  J.  Moeller. 

Curcumapapier,  < 

urcuiuinpapier,  Charta  exploratoria  lutea,  ist  mittelst 
de«  Curcuma farbstoffes  getränktes  und  getrocknetes,  sodann  in  Streifen  geschnittenes 
FUtrirpapier,  welches  als  Reagenspapier  Verwendung  findet  und,  da  es  durch 
das  Sonnenlicht  gebleicht  wird,  in  dunklen  Flaschen  oder  an  dunklem  Orte  auf- 
bewahrt werden  muss.  Zur  Darstellung  wird  grob  gepulverte  Curcumawurzel  mit 
der  fünffachen  Gewichtsmenge  90procentigen  Alkohols  ausgezogen,  die  Tinctur  mit 
dem  zehnten  Theil  Petroläther  ausgeschüttelt  und  hierdurch  hauptsächlich  fettes 
Oel  entfernt.  Nach  Trennung  vou  der  Pctrolätherschicht ,  die  auch  geringe  An- 
theile  des  Farbstoffes  mit  hinwegnimmt,  wird  die  alkoholische  Tinctur  filtrirt  und 
mit  derselben  FUtrirpapier  getränkt,  welches,  nachdem  es  an  der  Luft  getrocknet 
ist,  in  schmale  Streifen  zerschnitten  wird.  Das  Curcumapapier  wird  durch  Alkalien 
und  Alkalicarbonate  braunroth  gefärbt,  welche  Färbung  beim  Trocknen  in  Violett 
ftbergeht  und  durch  verdünnte  Säuren  wieder  in  Gelb  zurück  verwandelt  wird. 
Concentrirte  Salzsäure  färbt  das  Curcumapapier  auch  braun.  Eine  charakteristische 
Reaction  gibt  das  Curcumapapier  mit  Borsäure  (falls  dieselbe  gebunden  vorhanden 
ist,  muss  sie  durch  raässigen  Zusatz  vou  Salzsäure  frei  gemacht  werden).  Die  Bor- 
säure gibt  mit  dem  Curcumafarbstoff  anfangs  keine  Veränderung,  beim  Trocknen 
des  Papieres  in  mässiger  Wflrnie  tritt  jedoch  eine  eigenthümliche  rothe  Färbung 
auf,  die  durch  verdünnte  Säuren  nicht  verändert,  durch  verdünnte  Alkalien  in 
Blau  umgewandelt  wird.  Die  Nuance  der  rothen  Curcuminborsäurefärbung  muss 
man  durch  Versuche  kennen  lernen,  um  sich  vor  Täuschungen  zu  bewahren.  Für 
die  Erkennung  der  alkalischen  Reaction  in  gefärbten  Flüssigkeiten  ist  das  Curcuma- 
papier empfehlenswerth. 

Curcumin,  Curcumagelb.  Gelber  Farbstoff  des  Rhizoms  von  Curcuma  longa 
L.  Zur  Darstellung  wird  die  gröblich  zerkleinerte  Curcuma  zunächst  durch 
einen  starken  Dampfstrom  von  dem  ätherischen  Oel  befreit ,  mit  heissem  Wasser 
gewaschen ,  so  lange  sich  dieses  noch  färbt ,  abgepreßt  und  getrocknet.  Das  in 
dieser  Weise  behandelte  Rhizom  wird  mit  siedendem  Benzol  ausgezogen.  Die  heisse 
Benzollösung  scheidet  beim  Erkalten  lebhaft  orangerothe  Krusten  von  Rohcurcumin 
aus.  Diese  werden  auf  Fliesspapier  abgepresst  und  in  kaltem  Weingeist  aufge- 
nommen, wobei  kleine  Mengen  eines  gelben  flockigen  Körpers  zurückbleiben.  Die 
filtrirte  Lösung  wird  mit  einer  alkoholischen  Lösung  von  Bleiacetat  unter  Zusatz 
von  etwas  Bleiessig  gefällt.    Der  ziegelrothe  Niederschlag  von  Bleicurcumin  wird 


Digitized  by  Google 


350 


CURCÜMIN.  —  CURORTE. 


mit  Weingeist  gewaschen  und  in  Wasser  vertheilt  durch  Schwefelwasserstoff  zerlegt. 
Dem  Schwefelblei  wird  dann  der  Farbstoff  durch  siedendeu  Alkohol  entzogen  und 
letztere  Lösung  der  freiwilligen  Verdunstung  überlassen. 

Eigenschaften.  In  dieser  Weise  dargestellt,  bildet  das  Curcumin  Krystalle, 
die  dem  orthorhombischen  System  anzugehören  scheinen.  Das  Curcumin  ist  nicht 
sublimirbar;  bei  165°  beginnt  es  zu  schmelzen  und  wird  in  höherer  Temperatur 
zersetzt.  Es  löst  sich  leicht  in  Aether  und  Weingeist,  weniger  in  Benzol.  Concen- 
trirte  Mineralsänren  lösen  etwas  Curcumin,  aber  verandern  es  dabei.  In  Alkalien 
löst  es  sich  mit  lebhaft  rothbrauner  Farbe  und  wird  durch  Siluren  wieder  aus- 
gefällt. Kalk-  und  Barytverbindungen  erzeugen  rothbraune  Fallungen.  Die  Blei- 
verbindung, dargestellt  durch  Fallen  einer  alkoholischen  Curcuminlösung  mit 
alkoholischem,  essigsaurem  Blei,  ist  ein  feurigrother  Niederschlag,  leicht  löslich  in 
Essigsäure.  Die  übrigen  Metallverbindungen  ähneln  der  Bleiverbindung. 

Die  mit  reinem  Curcumin  erzeugten  Farbenreactionen  sind  lebhafter  wie  die 
der  Curcuraatinctur.  Das  damit  getränkte  Papier  (Curcuminpapier)  gibt  durch 
Alkalien  braunrothe  Färbung,  die  beim  Trocknen  einen  Stich  in's  Violette  annimmt. 
Verdünnte  Säuren  stellen  die  ursprüngliche  gelbe  Färbung  wieder  her.  Es  bleibt  nicht 
wie  bei  der  Tinctur  eine  schmutzig  olivengrüne  Farbe  zurück.  8.  Curcnmapapier. 

Das  Curcumin  bleicht  an  der  Sonne.  Natrinmamalgam  in  alkoholischer  Lösung 
entfärbt  es.  Erhitzt  man  eine  alkalische  Lösung  von  Borsäurecurcumin  mit  Mineral- 
säuren, so  wird  sie  blutroth  und  scheidet  beim  Erkalten  eiuen  körnigen,  fast 
schwarzen  Körper  ab,  Rosocyanin  genanut.  Es  löst  sich  letzteres  nicht  in 
Wasser  und  Aether,  aber  in  Alkohol  mit  schön  rother  Farbe  auf,  die  durch  Alkalien 
lazurblau  wird.  v.  Schröder. 

Clirin,  s.  Curarin,  pag.  346. 

Clirella'SCheS  Pulver  ist  Pulvis  Liquiritiae  compositum 

Curorte.  Diese  Bezeichnung,  obschon  auch  im  weiteren  Sinne  auf  alle  Orte 
bezogen,  in  denen  besondere  Curen  (Molken-,  Traubencurorte)  vorgenommen  werden, 
dient  im  engeren  Sinne  für  solche,  wo  die  klimatischen  Verhältnisse  und  vorzugs- 
weise die  Beschaffenheit  der  Luft  ohne  Beihilfe  besonderer  medicamentöser  oder  diäte- 
tischer Mittel  die  Bedingungen  der  Herstellung  oder  Besserung  dort  verweilender 
Kranken  sind.  Diese  Orte,  welche  zum  Aufenthalte  von  Kranken  meist  für  Periodeu 
dienen,  währeud  deren  die  Witterungsverhältnissc  in  der  Heimat  dieselben  un- 
günstig beeinflussen,  heissen  daher  auch  klimatische  Curorte  oder  Luft- 
curorte.  Man  fasst  bei  der  ersten  Bezeichnung  das  Klima  nicht  im  Sinne  der 
ursprünglichen,  sozusagen  rein  geographischen  Bedeutung  (xIijjix,  die  Neigung  oder 
Abdachung  der  Erde  vom  Aequator  nach  den  Poleu  zu  und  das  daraus  hervor- 
gehende Verhalten  in  meteorologischer  Hinsicht),  sondern  als  die  Summe  der  durch 
die  Entferuuug  vom  Aequator ,  die  Lage  am  Meere  oder  im  Binneulande  (o  c  e- 
a  n  i  s  c  h  e  s  und  continentales  Klima),  durch  die  Elevations-  (G  e  b  i  r  g  s- 
oder  Höhenklima)  und  Bodenverhältnisse  (Waldklima)  hervorgebrachten 
localen  meteorologischen  Verhältnisse,  von  denen  vor  Allem  Reinheit  der  Luft. 
Lufttemperatur,  Luftdruck,  Luftfeuchtigkeit  und  Luftbewegungen  in  Betracht 
kommen.  Man  theilt  die  klimatischen  Curorte  am  besten  ein  in  Winter-  und 
Somtnerstationeu,  obschon  einzelne  allerdings  auch  das  ganze  Jahr  über  als  Auf- 
enthaltsort dienen  können. 

Klimatische  Winterstationen.  Unter  diesen  haben  die  in  südlicheren 
Ländern  belegenen  sogenannten  südlichen  Winter  curorte,  früher  auch 
vielfach  schlechtweg  als  „klimatische  Curorte44  bezeichnet  und  bis  in  die  letrten 
Decenuien  hinein  den  Hauptheil  der  sogenannten  Klimatotherapie  ausmachend,  die 
grösste  Bedeutung.  Der  Hauptzweck  derselben  besteht  darin  ,  brustkranken  oder 
schwächlichen  Personen  den  Aufenthalt  in  freier  Luft  während  des  Winters  mögr- 
lichst  viel  zu  gestatten,  ohne  dass  die  mit  dem  nordischen  Winter  verbundenen 
atmosphärischen  Verhältnisse  schädlich  auf  sie  einwirken.  Wesentliche  Erfordernisse 


Digitized  by  Google  j 


CUR ORTE 


351 


eines  solchen  Curortes  sind  daher  reine,  von  atmosphärischen  und  chemischen 
Schädlichkeiten  freie  Lnft,  gleichmassige  und  namentlich  wenig  Schwankungen  im 
Laufe  des  Tages  darbietende  Temperatur,  geschützte  Lage  gegen  Wind  und  ge- 
ringe Häufigkeit  atmosphärischer  Niederschläge  (nach  Regentagen  oder  besser 
Regenstunden  berechnet),  Freisein  von  epidemischen  Krankheiten  und  das  Vor- 
handensein eines  angemessenen  Comforts. 

Die  einzelnen  Curorte  zeigen  übrigens  in  Bezug  auf  ihre  klimatischen  Ver- 
hältnisse grosse  Verschiedenheiten.  So  difFerirt  namentlich  die  mittlere  Winter- 
temperatur  (d.  h.  das  Verhältniss  der  durch  dreimal  tägliche  Thermometer- 
beobachtung festgestellten  Temperaturen  für  December,  Januar  und  Februar)  so 
bedeutend,  dass  diese  in  einzelnen  derselben  der  mittleren  Temperatur  des  Sommers 
in  Norddeutschland  (17.5°)  sieh  nähert,  in  anderen  nur  einem  milden  deutschen 
Winter  (4-  Ibis  2°)  entspricht.  Sehr  verschieden  ist  die  relative  Luftfeuchtig- 
keit (d.  h.  das  Verhältniss  der  Wasserdampfmenge,  welche  die  Luft  enthält,  zu 
derjenigen ,  welche  sie  bei  der  vorhandenen  Temperatur  überhaupt  aufzunehmen 
vermag),  so  dass  man  die  betreffenden  Curorte  geradezu  in  feuchte  und  trockene 
eintheilt  Bei  vielen  der  Curorte  ist  die  höhere  Luftfeuchtigkeit  durch  ihre 
Lage  in  unmittelbarer  Nähe  des  Meeres  oder  auf  Inseln  bedingt;  doch  gehören 
auch  einzelne  Wintercurorte  am  Seestrande  (Riviera  di  Ponente,  Malaga)  zu  den 
trockenen.  Bei  manchen  Inselcurorten  macht  sich  der  Einfluss  des  Meeres  so  aus- 
geprägt geltend,  dass  nicht  allein  die  Tagesschwaukungen  ganz  unbedeutend  sind 
(in  Madera  nur  3 — 4°,  in  Malaga  angeblich  nur  2.5°),  sondern  die  Wintertempe- 
ratur von  der  Sommertemperatur  nur  wenig  abweicht  (Madera,  Teneriffa),  so  dass 
ein  fortgesetzter  Aufenthalt  (besonders  mit  Benutzung  auf  den  Inseln  vorhandener 
Höhen)  möglieh  ist. 

Für  die  Effecte  der  Klimacuren  ist  es  von  besonderer  Bedeutung,  dass  der 
Kranke  die  Hin-  und  Herreise  nicht  zu  unpassenden  Zeiten  unternimmt.  Von 
Deutschland  ist  die  Abreise  nicht  im  Winter,  sondern  im  Herbste  anzutreten.  Die 
Heimkehr  vor  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni  ist  sehr  zu  widerrathen ,  da  die  Ver- 
hältnisse der  Atmosphäre  vor  dieser  Zeit  die  Curerfolge  ganz  in  Frage  stellen 
können.  Zweckmässig  ist  es  aber,  die  südlicheren  Orte  schon  im  April,  wo  Hitze 
und  Staub  beschwerlich  werden,  mit  etwas  nördlicheren  zu  vertauschen  und  vor 
der  definitiven  Rückkehr  eine  Uebergangsstation  in  Tirol  oder  der  Schweiz 
aufzusuchen,  welche  übrigens  auch  im  Spätsommer  vor  der  Reise  in  den  Süden  viel- 
fach benutzt  werden. 

Von  den  zu  klimatischen  Curen  dienenden  Inseln  und  Rüstencurorten  hat 
Madera  (32 — 34°  n.  Br.)  und  dessen  Hauptstadt  Funchal  mit  einer  mittleren 
Wintertemperatur  von  fast  17°,  einem  Minimum  der  Nachttemperatur  von  9°  und 
einem  Maximum  der  Sommerwärme  von  30°,  sehr  feucht,  wohl  das  gleichmäßigste 
Klima.  Wesentlich  gleich  verhalten  sich  die  noch  südlicher  gelegenen  C  an  ari- 
schen Inseln  (27.5 — 29.5°  n.  Br.).  Hieran  schliesst  sich  Algier  (36.5°  n. 
Br.,  mittl.  Wintertemp.  von  November  bis  Ende  April  14 — 16°,  weniger  feucht); 
dann  folgen  Palermo  auf  Sicilien  (38.7°  n.  Br.,  m.  Wttp.  11.5°);  Ajaccio 
auf  Corsica  (42.35°  n.  Br.,  m.  Wttp.  11.2°);  verschiedene  Orte  der  Riviera 
di  Poneute,  besonders  Nervi,  das,  ebenso  wie  das  westlich  von  Genua  belegene 
Pegli,  dieselben  Teniperaturverhältnisse  zeigt,  aber  weit  feuchter  ist  als  die 
sogenannte  Riviera  di  Levaute,  deren  mittlere  Temperatur  für  die  sechs  Cur- 
monate  (Mitte  October  bis  Ende  April)  9 — 12°  beträgt.  Von  den  bekannten  Cur- 
orten  dieses  Küstenstriches  ist  das  auf  italienischem  Gebiete  gelegene  San  Rerao 
von  Deutschland  aus  am  besuchtesten  und  zeichnet  sich  vor  den  französischen  Orten 
(Hyeres,  Cannes,  Nizza,  Mentone)  durch  etwas  grössere  Wärme  (mittlere 
Temperatur  in  den  kältesten  Monaten  11.3°) .  von  den  drei  erstgenannten  auch 
dnrch  grössere  Gleichmässigkeit  aus.  Weniger  besucht  sind  die  Wintercurorte  der 
spanischen  Küste,  unter  denen  Malaga  (36.5°  n.  Br.,  m.  Wttp.  circa  40°)  durch 
seine  gleichmässige  Wintertemperatur  Beachtung  verdient,  aber  viele  hygienische 

Digitized  by  Google 


352 


CUR  ORTE. 


Mängel  bietet,  deren  Vorhandensein  anch  den  Besuch  verschiedener  östlicherer,  zu 
Wintercuren  wohl  geeigneter  Inseln  und  Küstenorte  (Lissa  und  Lesina  an  der 
dalmatinischen  Küste,  jonische  Inseln,  Patras,  Smyrna,  Port  Said  u.  a.  m )  nicht 
rathlich  macht.  Den  nördlichsten  italienischen  Wintercurort  (45°  n.  Br.)  bildet 
Venedig  mit  nur  4.5°  mittlerer  Wintertemperatur,  mehr  zum  Frflhlingsaufenthalt 
(mittlere  Frühlingstemperatur  13.24°)  geeignet.  Etwas  südlicher  liegt  das  wenig 
windgeschützte  Biarritz  am  Busen  von  Biscaya  mit  6 — 8°  mittlerer  Winter- 
temperatur, wenig  mehr  als  diejenige  der  durch  den  Golfstrom  beeinflussten  Inseln 
und  Orte  an  der  Süd-  und  Südwestküste  von  England  (Insel  Wight,  Penzance, 
Torquay,  Bournemouth),  deren  mittlere  Temperatur  im  Winter  5 — 7°,  im 
Frühling  7 — 10°  beträgt  und  welche  durch  ihre  geringen  Schwankungen  der 
Tagestemperatur,  aber  auch  durch  Dunst  und  Regenmenge  (5 — 6  Mal  so  viel 
Regenstunden  als  in  San  Remo)  sich  charakterisiren. 

Von  den  Wintercurorten  der  Tiefebene  sind  Cairo  und  das  benachbarte 
Heluan   die  südlichsten  (30°  n.  Br.)  und  die  trockensten;  ausserdem  fallen  in 
diese  Kategorie  der  Curorte  Rom  (41—45°  n.  Br.;   m.  Wtp.  etwa  10°),  Pisa 
(43°  n.  Br.;  m.  Wtp.  8.3°)  und  Pau  (43°  n.  Br.;  m.  Wtp.   6.5—7.5°),  an 
welche  sich  einzelne  nicht  sehr  hoch  gelegene  Orte  der  Pyrenäen  (Amelie-les-Bains, 
Palalda)  aureihen.   Diese  letzteren  machen  den  Uebergang  zu  den  am  südlichen 
Abhänge  der  Alpen  belegenen  Orten,  welche,  obwohl  auch  zum  Winter. -ui fent halte 
passend,  doch  vorwaltend  alsüebergangsstationen  im  Herbst  oder  Frühling 
dienen.    Hierher  gehört  namentlich  Meran  und  Obermais  in  Tirol,  wo  die 
Wintermonate   relativ  kalt  (m.  Temp.  im  Dec.  1.9  ,   im  Jan.   0.3°,  im  März, 
Feb.  3.4°)  sind,  aber  die  Herbstmonate  (Sept.  17°,  Oct.  12.9°,  Nov.  5.6°)  und 
Frühlingsmonate  (März  7.8°,  Apr.  12.6°)  günstige  Verhältnisse  darbieten,  neuer- 
dings auch,  wie  die  benachbarten  Orte  Bozen  und  Gries  zu  Terraincurorten  für 
den  Winter  eingerichtet  (s.  Cur);  hieran  reihen  sich  Pörtschach  am  8ee  in 
Kärnten ,  A  r  c  o  im  Sarcathale  und  verschiedene  Orte  an  den  oberitalienischen 
Seen  (besonders  Cadenabbia  am  Corner  See ,    P a  1 1  a n z a  am  langen  See, 
Lugano  am  Luganer  See),  deren  mittlere  Temperatur  um  circa  2°  höher  als  die 
von  Meran  ist;  endlich  Montreux,  Ciarens,  Vcrnet,  Territet  und  Vey- 
taux  am  Nordufer  des  Genfer  Sees,  mit  einer  mittleren  Wintertemperatur  von 
2.49 ü  und  einer  Frtthlingstemperatur  von  10.49°,  sowie  das  etwa«  höher  belegene 
und  um  circa  1°  kühlere  Ve  vey,  Di  vo nn e  bei  Nyon,  Beaurivage  bei  Lausanne. 
Auch  einzelne,  etwas  nördlicher  gelegene  alpine  sonnige  Orte  am  Vierwaldstädter 
See  (Weggis,  Gersau),  Interlaken  und  Brienz,  können  hier  genannt  werden.  Im 
Nothfalle  benutzt  man  aber  auch  verschiedene  in  Süddeutschland  belegene  Orte 
mit  gleichmässiger  Temperatur,  früherem  Eintritt  des  Frühlings  und  längerer  Dauer 
des  Herbstes  zum  Winteraufenthalte  oder  zu  Uebergangsstationen,  wie  Wiesbaden, 
Cannstatt,  Baden-Baden,  Badenweiler  u.  A.,  wenn  die  Verhältnisse  weitere  Reisen 
nicht  gestatten  oder  es  uicht  zweckmässig  erscheint,  den  Kranken  den  Sitten  und 
Lebensgewohnheiten  seiner  Heimat  zu  entziehen.  Für  derartige  Kranke  sind  dann 
auch  die  für  den  Sommeraufenthalt  noch  naher  zu  besprechenden  EtablisBements 
in  Gröbersdorf  und  Falkenstein  angezeigt. 

In  Englaud  hat  man  den  Versuch  gemacht,  die  Klimacuren  durch  den  Aufent- 
halt in  Häusern  mit  constanter  Temperatur  von  15 — 18°  und  feuchter  Atmosphäre 
(sogenannte  Maderahäuser)  zu  ersetzen  ,  wie  solche  z.  B.  in  H  a  s  t  i  n  g  s  er- 
richtet wurden.  Grössere  Bedeutung  für  die  Ceberwinterung  von  Kranken,  besonders 
Phthisikern,  besitzen  verschiedene  in  den  Alpen  belegene  Höhencurorte.  besonders 
das  1560m  über  dem  Meere  belegene  Davos  in  Graubündten ,  das  zwar  nicht 
die  Annehmlichkeit  einer  gleich miissigen  milden  Temperatur  und  Witterung  wie 
die  italienischen  Küstenstriche  bietet,  aber  vermöge  sehr  hoher  Sommert  empe  rat  Urea 
und  der  vielen  klaren  Tage  Bewegung  in  einer  von  Staub  und  anderen  Materien 
reinen  Luft  gestattet,  die,  so  lange  der  Schnee  liegt  (Mitte  November  biB  Mitte 
März),  nicht  die  im  Sommer  vorhandenen  Bewegungen  durch  Berg-  und  Thal  winde 


Digitized  by  Google 


CURORTE. 


353 


leigt  Der  Besuch  dieser  Winterstation  beginnt  zweckmässig  einige  Wochen  vor 
dem  Einschneien;  das  wechselnde  Wetter  während  der  Schneeschmelze  macht  oft 
eine  Uebersiedluug  nach  Oberitalien  zweckmässig.  Die  grosse  Trockenheit  der  Luft 
gchlie&st  erethische  Kranke  aus.  Davos  ist  übrigens  ein  sogenannter  Jahrescur- 
<»rt,  der  im  Sommer  und  Winter  benutzt  werden  kann,  eine  Eigenschaft,  welche 
flbrigens  einer  ganzen  Reihe  zur  Ueberwinterung  weniger  besuchten  Sommorstationen 
der  Alpen  im  Ober-  und  Unterengadiu,  am  Thuner  und  Genfer  See  zugesprochen 
werden  müssen.  Neuerdings  sind  anch  M a  1  o j a  (Oberengadin)  und  Les  Avant» 
(1000  m)  bei  Montreux  als  Wintercurorte  in  Aufnahme  gekommen. 

Klimatische  Sommerstationen.  Die  für  den  Aufenthalt  schwächlicher 
oder  kranker  Personen  im  Sommer  benutzten  Localitäten  zerfallen  nach  der  See- 
höbe, in  welcher  sie  liegen,  in  Strandcurorte,  indifferente  Binnenlandcurorte,  Berg- 
eurorte  oder  Sommerfrischen  und  Höhencurorte.  lieber  die,  besonders  im  Hoch- 
und  Spätsommer  besuchten  Strandcurorte  wird  das  Nähere  in  dem  Artikel 
Seebäder  mitgetheilt  werden. 

Indifferente  Binnenlandcurorte  nennt  man  solche,  welche  eine  See- 
höhe unter  300  m  besitzen,  weil  dieselben  weder  hinsichtlich  ihrer  Temperatur,  noch 
in  Bezug  auf  ihre  Feuchtigkeit  oder  auf  den  Luftdruck  hervorragende  Eigenschaften 
besitzen  und  deshalb  auch  keine  besonderen  Ansprüche  an  die  Kraft  und  Thätig- 
keit  de«  Körpers  stellen.  Dieselben  werden  ihrer  geschützten  Lage  wegen,  welche 
namentlich  die  kälteren  Luftströmungen  ausschliesst.  und  welche,  wenn  der  Schutz 
ein  allseitiger  ist,  in  sogenannten  Kesselthälern,  auch  eine  grössere  Gleich- 
mäßigkeit der  Tag-  und  Nachttemperaturen  und  der  Temperaturen  in  den  einzelnen 
Tagesstunden  bedingt,  besonders  im  Spätfrflhjahre  und  den  ersten  und  letzten 
Sommermonaten  bis  zum  Herbst,  nicht  im  Hochsommer,  als  tonisirender  Aufent- 
halt und  zum  Schutze  gegen  Erkältungen  von  schwächlichen  Personen  oder  Reeon- 
valescenten,  als  Erholuugsplätze  für  l'eberarbeitete  und  Nervöse,  aufgesucht.  Der-  . 
artige  Curorte ,  mit  angenehmen ,  schattigen  Promenaden ,  Waldwegen  u.  s.  w. 
finden  sich  in  den  meisten  hügeligen  und  gebirgigen  Gegenden  Deutschlands  und  # 
siud  nicht  selten  auch  der  Sitz  diverser  Curanstalten  (Mineralwassereuren,  Molken- 
curen,  Kiefernadelbäder,  pneumatische  Anstalten,  Kaltwasserheilanstalten  u.  A.  m.) 
und  neuerdings  zu  Terraincuren  eingerichtet.  Von  den  Curorten  dieser  Art  schliesst 
sieb  das  nur  8 — 15m  über  dem  Spiegel  der  Ostsee  belegene  Schmartau  im 
Fürstentum  Lübeck  als  Grenzort  zwischen  See-  und  Binnenklima  den  Strandeur- 
orten  an,  während  verschiedene,  wenig  unter  300  m  nördliche  Sommercurorte  sich 
eng  an  die  eigentlichen  Bergcurorte  reihen,  welche  übrigens  manche  Baineologen 
erst  bei  400  m  Seehöhe  beginnen  lassen.  Am  zahlreichsten  sind  die  Sommereur- 
orte am  Odenwald  zwischen  Frankfurt  und  Heidelberg  und  am  Schwarzwalde, 
am  Rhein  und  seinen  Nebenflüssen  Ahr,  Lahn  ;  auch  manche  sogenannte  Sommer- 
frischen in  Thflriugen,  Sachsen,  im  Habichtswalde,  im  Teutoburger  Walde  und 
in  den  Wasserbergen  gehören  zu  dieser  Kategorie  der  Curorte. 

Als  Bergcurorte  (Sommerfrischen)  bezeichnen  wir  Waldfrischen  in  einer  See- 
höhe von  300 — 1000  m.  Diese  bieten  ein  weniger  gleichm.lssiges  Klima  als  die 
vorigen,  wirken  durch  ihre  grössere  Höhe  anregend  und  erfrischend  auf  das  Ge- 
»ammtnervensystein  und  steigern  die  Energie  des  Stoffwechsels  und  der  Wärme- 
produetion  im  Körper.  Die  relativ  stärkeren  Luftströmungen  macheu  Erkältungen 
leichter  als  in  niedrigeren  Curorten;  der  Einfluss  der  Luftverdünnung  auf  die 
Athmung  macht  sieh  in  nicht  so  ausgeprägter  Weise  wie  bei  noch  höheren  Eleva- 
tionen  geltend.  Man  unterscheidet  die  in  den  deutschen  Gebirgen  belegeneu  Curorte 
als  solche  mit  gewöhnlichem  Gebirgsklima  von  den  an  der  N«»rdseite  der  Alpen  be- 
legeneu Luftkurorten  derselben  Seehöhe,  denen  man  ein  sogenanntes  Voralpen- 
klirna  zuschreibt.  Letztere  charakterisiren  sich  im  Allgemeinen  durch  etwas 
grössere  Trockenheit,  plötzlicheren  Eintritt  von  Niederschlägen,  raschere  Temperatur- 
abfälle am  Abend  in  Folge  der  Windfällo  von  den  Hochgebirgen  und  stärkere 
Evaporation,  werden  aber  im  Grossen  und  Ganzen  jedoch  in  derselben  Weise  be- 
ßtal-Encyclop&dio  der  ges.  Pharmacie.  III.  23  Qigitiz« 


354 


CUKORTE 


i 


nutzt.  Manche  der  Curorte  in  den  Voralpen  liegen  an  Seen,  welche  zu  Badecuren 
gebraucht  werden  können ;  in  anderen  findet  sich  Gelegenheit  zu  anderen  tonisiren- 
den  Curen.  Alle  können  während  der  ganzen  Sommerszeit  zum  Aufenthalte  dienen. 
Kür  die  relativen  Wirkungen  der  deutschen  Bergcurorte,  soweit  solche  von  der 
Temperatur  abhängig  sind,  ist  übrigens  die  Seehöhe  keineswegs  ausschliesslich  ent- 
scheidend. Viel  kommt  hier  auf  die  geographische  Lage  des  Gebirges  an.  So 
wirken  Curorte  von  300— 400  ra  Seehöhe  im  Harz  wegen  der  nördlichen  Lage 
und  des  isolirten  Heraustretens  des  Gebirges  aus  dem  norddeutschen  Flachlande 
ebenso  belebend  wie  süddeutsche  Gebirgscurorte  in  doppelter  Höhe.  Zu  Wintcr- 
curen  für  Lungenschwindsüchtige  finden  sieh  besondere  Einrichtungen  in  Görbers- 
dorf  in  den  Sudeten  (Schlesien,  550m),  in  Falken  stein  am  Taunus  (550m), 
in  Reiboldsgrün  im  Voigtlande  (700m)  und  in  G eltschberg  bei  Leitmeritz 
im  böhmischen  Mittelgebirge  (416  m).  Die  höchsten  deutschen  Bergcurorte  sind  Höchen- 
schward  (1010m),  Wal  dau  und  Sc h luchsen  (über  350m)  im  Schwarzwalde, 
der  überhaupt  das  an  Curorten  dieser  Art  reichste  Gebirge  ist ,  von  denen  das 
420m  hoch  liegende  Badenweiler  als  Uebergangscurort  im  Herbste  vorzüglichen 
Ruf  hat.  Im  nördlichen  Deutschland  liefern  der  Thüringer  Wald  und  der  Harz  die 
besuchtesten  Curorte  dieser  Art.  l'uter  denen  des  ersteren  sind  Neuhaus  am 
Rennstieg  (806m),  Brotterode,  Ilmenau  und  Elgersburg  (475m)  die 
höchstbelegenen ,  Friedrichroda  und  Tabarz  (circa  400 m),  Liebenstein 
(315m)  und  Arnstadt  (310m)  die  besuchtesten.  Im  Harz  haben,  von  Hohe- 
geiss  (670ra)  abgesehen,  Clausthal  und  A n dreas berg  (560m)  die  grösste 
Seehöhe;  vielbesucht  sind  Grund.  Alexisbad,  Blankenburg,  Sachsa, 
Thale,  Ilsenburg  undHarz bürg.  Sehr  reichlich  sind  Bergcurorte  in  Schlesien 
und  Böhmen,  theils  dem  Sudeten-  und  Ricsengebirge,  theils  dem  Erzgebirge  ange- 
hörig; die  höchsten  sind  Karlsbrunn  in  Oesterreichisch-Schlesien  (760m)  und 
.  W i  1  d e n t h a  1  im  Erzgebirge ;  andere  sind  Reiboldsgrün,  Johannisbad, 
Forstthal.  Gräfcnberg,  Reinerz,  Flinsberg,  Roznau,  Lieb- 
werda,  Petersdorf,  Warmbrunn  u.  A.  m.  Zu  nennen  sind  ausserdem  H o h- 
wald  und  Dreiähren  in  den  Vogesen  ,  Alexanderbad  im  Fichtelgebirge 
(560m),  Müggendorf  und  8treitborg  in  der  fränkischen  Schweiz  (circa 
600  m),  K  ö  n  i  g  s  t  e  i  n  im  Taunus  u.  s.  w. 

Bergcurorte  mit  Voralpenklima  finden  sich  vorzugsweise  in  Bayern, 
Oesterreich  und  der  Schweiz.  Hierher  gehören  verschiedene  Orte  am  Starheni- 
b  erger-,  Am  in  er-  und  Tegornsee  an  der  nördlichen  Abdachung  der  bayeri- 
schen Alpen,  die  Inseln  des  Chiemsee,  Reichen  ha  11,  Hintersee  und 
Berchtesgaden  in  den  bayerischen  Voralpen,  Ischl  und  M  o  n  d  s  o  e  im  Salz- 
kammergut ,  Gmunden  am  Traunsee  in  Oberösf erreich ;  ausserdem  verschiedene 
Orte  am  Ufer  und  in  der  Nähe  des  Bodensoes,  wie  Con stanz,  Radolfzell  und 
Hciligenberg  in  Baden,  Friedrichshafen,  Lindau,  Brcgenz,  Rnr- 
schach,  an  welchen  sich  Schloss  Wolfsberg  im  Thurgau,  Frieda u  im  8olo- 
thurnischen  Jura  ,  II  e i d  e n  ,  G  a  i s  und  Weisskirch  in  Appenzell ,  sehliessen  ; 
ferner  eine  Anzahl  Orte  am  Vierwaldstädter  See,  von  denen  Axenstein,  Becken- 
ried und  Buochs  am  meisten  für  den  Sommer,  Gersau,  Wäggis,  Vitznau 
mehr  zu  Frühlings-  und  Herbstaufenthalt  passen,  Thun  und  Brienz  an  den 
gleichnamigen  Seen  und  das  zwischen  beiden  belegene  Interlaken,  Sonnen- 
berg am  Frnor  See  u.  a.  m. 

Alpine  Höhen  cur  orte  heissen  über  1000  m  über  der  Meeresfläche  erhabene 
Somraercurorto,  in  denen  in  prägnanter  Weise  das  sogenannte  Höhenklima  zur 
Geltung  kommt.  Die  wesentlichen  Charaktere  de«  letzteren  sind  im  Allgemeinen 
niedere  mittlere  Temperatur,  welche  mit  der  Zunahme  der  Höhe  immer  mehr, 
jedoch  nicht  überall  gleichmässig  steigt,  geringere  Temperaturunterschiede  zwischen 
Sommer  und  Winter,  sehr  hohe  directe  Sonnentemperatur  bei  sehr  niedriger  Schatten- 
temperatur, besonders  im  Winter,  wo  erstere  allerdings  niedriger  als  im  Sommer 
ist,  sehr  niederige  Nachttemperaturen,  erheblich  verminderter  und  wenig  Sehwan- 

Digitized  by  Google 


CUR  ORTE.  —  CURPFÜSCHEREI. 


355 


kungen  unterworfener  Druck  der  leicht  beweglichen,  für  die  Sonnenstrahlen  leicht 
passirbaren  Luft,  grosse  Reinheit  und   hoher  Ozongehalt  derselben   und  geriuge 
absolute  Feuchtigkeit ,  besonders  in  den  Mittagsstunden  und  •  am  ausgeprägtesten 
in  der  Zimmerluft ;  ferner  schnell   eintretende  Wolkenbildung  und  Niederschläge, 
welche  ausserordentlich  rasch  wieder  versehwinden  können,  und  im  Sommer  das 
Auftreten  von  Localwinden  (Thal-  und  Berg  winde)  in  Folge  der  ungleich- 
mäßigen Erwärmung  und  Abkühlung  der  Höhen  und  Thälcr  neben  den  grossen 
tellurischen  Strömungen.  Die  physiologischen  Effecte  des  Höhenklimas  bestehen  in 
energischer  Anregung  fast  sämmtlicher  Lebensthätigkeiten  (Herz-  und  Athemthätig- 
keit,  Appetit,  Blutbildung  und  Ernährung,  Nerven-  und  Muskclthätigkeitj,  doch 
nefzt  dasselbe  eine  gewisse  Widerstandsfähigkeit  der  Constitution  voraus  und  wirkt 
bei  bestehender  grosser  Reizbarkeit  entschieden  nicht  günstig.  Die  einzelnen  Cur- 
frte  differiren  sehr  nach  der  Seehöhe;  je  höber  die  Lage,  umso  mehr  sinkt  die 
mittlere  Temperatur .  jedoch  in  so  wenig  constanter  Weise ,   dass  in  der  Schweiz 
Abnahme  um  1°  bald  bei  Steigung  von  141,   bald  bei  solcher  von  227.6  m  ein- 
tritt ;  constanter  ist  das  Verhältniss  der  Abnahme  des  Luftdruckes,  der  bei  5000  tn 
nur  die  Hälfte  des  Druckes  in  der  Ebene  beträgt.    Die  hierher  gehörenden  Cur- 
«rte  gehen  in  der  Schweiz  bis  zu  einer  Höhe  von  2050m  (Hotel  Beialp  ober- 
halb des  Rhonethaies),  in  Tirol  bis  1570m  (Pejo).    Zu  den  höchsten  Schweizer 
Höhoncnrorten  (nieist  über  1800  m  hoch)  gehören  diejenigen  des  Obereugadins 
'St.  Moriz,  Pontresina,   Silva   Plana,   Maria  Sils,   Maloja,  Zuz, 
Seniaden)  in  Graubttndten,  Murren  und  die  Curhäuser  auf  dem  Rigi  (Rigi- 
Sc  hei  deck  1648  m),  denen  sich  von  Graubündtner  Ourorten  Davos  (1560  m) 
und  Parpan  (1505m)  anreihen,  während  die  übrigen  vielbesuchten  Sommerfrischen 
Graubündtens  (Flims,  C  hur  wählen,  Klosters  u.  A.)  geringere  Seehöhe  be- 
sitzen.  Von  den  sonstigen  Schweizer  Höheneu rorten  sind  noch  das  als  sehr  mild 
bezeichnete  Engelborg  in  Unterwaiden  (1039  m),  St.  Beatenberg  im  Berner 
Oberlande  (1150m),  Les  Avants  und  Villard  im  Cnnton  Waadt,  Stoos  am 
Vierwaldstädter  See  (1293  m),  Weissen  stein  in  Solothurn  (1282  m)  zu  nennen, 
von  nicht  schweizerischen   F 1  a  d  n  i  t  z  bei  Fricsach   ( 1 360  m ),   F  u  s  c  h  e  r  s  b  a  d, 
8 1.  L  e  o  n  h  a  r  d  bei  Villach,  denen  sich  der  ungarische  Höhencurort  N  e  u-S  c  h  m  e  c  k  s 
(Neu-Tatrafüred,  1005  m)  anschliesst. 

Aach  ausserhalb  Europa  wird  das  Höhenklima  als  Heilmittel  bei  Kranken,  be- 
sonders bei  Brustleidonden,  benutzt.  So  hat  die  Peruanische  Regierung  in  dem 
Hochthale  von  Janja  in  den  Peruanischen  Anden  ein  Sanatorium  errichtet.  Die 
Seehöhe  ist  hier  bedeutender  als  in  den  Alpen  (2500 — 3000m);  dagegen  liegen 
die  klimatischen  Curorte  am  Ostabhangc  der  Rocky  Mountains  in  den  Vereinigten 
Staaten  (38°  n.  Br.),  M  am  ton,  Colorado  und  Denven,  in  Höhen  von  1500 
bis  1900  m. 

Literatur:  H.  Weber,  Kliraatotherapie.  Leipzig  I8S0.  Th.  Huaemann. 

CurpflJSCherei  heisst  die  gewerbsmässige  Ausübung  der  Heilkunde  oder  ein- 
zelner Zweige  derselben  (Zahnheilkunde,  Veterinärmedicin)  durch  Personen,  welche 
nicht  auf  die  vom  Staate  vorgeschriebene  Weise  durch  Studium  auf  Universitäten 
oder  ähnlichen  Instituten  ihre  medicinischen  Kenntnisse  erlangt  und  nach  dem  durch 
Examina  geführten  Nachweise  ihrer  Befähigung  eine  Approbation  zur  Praxis  er- 
halten haben. 

Man  nennt  derartige  Personen  auch  Quacksalber  oder  Afterärzte,  in 
einzelnen  Landern ,  wo  diese  Beschäftigung  eine  legitime  ist ,  auch  euphemistisch 
Freiärzte  (Frilaege  in  Norwegen).  Dieselben  entsprechen  den  im  Mittelalter  iu 
Deutschland  neben  den  gelehrten  Aerzten  vorkommenden  und  an  Zahl  diese  weit 
«berwiegenden  Volksärzten  oder  Empirici,  die  man  in  anderen  Ländern 
bereits  frühzeitig  durch  Gesetze  als  Classe  des  Heilpersonales  beseitigt  hat.  In 
Sieilien  untersagte  König  Roger  schon  1140  die  Ausübung  der  Heilkunde  den 
nicht  geprüften  Personen  bei  Strafe  des  Gefängnisses  und  der  Confiscation  der 

23* 


356 


CURPFUSCHERE1. 


Güter.    In  Montpellier  wurden  Quacksalber  verkehrt  auf  einen  Esel  gesetzt  und 
unter  Bewerfen  mit  rohen  Eiern  und  Koth  seitens  der  Bevölkerung  aus  der  Stadt 
getrieben.  In  Wien  Hess  die  Facultät  Quacksalber  mehrfach  mit  dem  Kirchenbanne 
belegen.  In  den  meisten  deutschen  Staaten  blühte  das  Unweseu  der  Quacksalberei 
in  den  ersten  Jahrhunderten  der  neuen  Zeit  in  einer  so  erstaunlichen  Weise,  dass 
die  dadurch  bewirkte  Schädigung  der  öffentlichen  Wohlfahrt  fast  überall  staatliche 
Verbote  der  Curpfuscherei  bei  Geldstrafen  und  im  Wiederholungsfalle  Gefäugniss- 
strafc  oder  selbst  von  vorneherein  unter  Androhung  von  Haft  hervorrief.  Im 
neuen  deutschen  Reiche  ist  man  jedoch  von  diesen  Bestimmungen  zurückgegangen, 
indem  durch  die  Gewerbeordnung  vom  21.  Juli  1869  die  Ausübung  der  Medicin 
vollkommen  freigegeben  ist  und  nur  nach  §  147  c  Derjenige  mit  Strafe  bedroht 
wird,  welcher,  ohne  hierzu  approbirt  zu  sein,  sich  als  Arzt  (Wundarzt,  Augenarzt. 
Geburtshelfer,  Zahnarzt,  Thierarzt  i  bezeichnet  oder  sich  einen  ähnlichen  Titel  bei- 
legt, durch  welche  der  Glauben,  dass  der  Inhaber  eine  geprüfte  Person  sei,  erweckt 
wird.  Es  ist  dadurch  die  Möglichkeit  der  Entstehung  eiuer  Classe  von  Therapeuten 
gegeben,  welche  durch  Zahlung  einer  bestimmten  Gewerbesteuer  oder  durch  Lösung 
eines  Legitimation-  und  Gewerbeecheines  zur  Betreibung  der  Heilkunde  entweder 
für  ihren  Wohnsitz  oder  auch  ftlr  weitere  Districte  legitimirt  werden ,   und  wenn 
sich  diese  nicht  in  ausgedehntester  Weise  gebildet  hat,  so  hat  dies  darin  seinen  Grund, 
dass  die  Abgabe  von  Medicamenten,  auch  wenn  solche  nicht  gewerbsmässig  geschieht, 
sei  es  gegen  Bezahlung  oder  auch  unentgeltlich ,  den  durch  die  Gewerbeordnung 
legitimirten  Quacksalbern  verboten  bleibt.    Selbstverständlich  werden  Curpfuscher 
wegen  etwaiger  Vergehen  gegen  das  Strafgesetzbuch  nach  Massgabe  des  letzteren 
bestraft  und  die  Paragraphen   wegen  Betruges  und   fahrlässiger  Tödtung  haben 
wiederholt  gegen  einzelne  in  Auwendung  gebracht  werden  müssen.    Die  Gesetz- 
gebung der  nichtdeutschen  Staaten ,   in  denen  die  medicinische  Praxis  nicht  frei 
war,  ist  bis  auf  Norwegen,  dem  Beispiele  des  deutschen  Reiches  nicht  gefolgt.  In 
Oesterreich  besteht  §.  343  des  Strafgesetzbuches,  wonach  Derjenige,  welcher  ohne 
ärztlichen  Unterricht  erhalten  zu  haben  und  ohne  gesetzliche  Berechtigung  zur 
Behandlung  von  Kranken  als  Heil-  oder  Wundarzt  diese  gewerbsmässig  ausübt 
oder  insbesondere  sich  mit  der  Anwendung  von  animalischem  oder  Lebensmagne- 
tismus  befasst,  sich  einer  Uebertretung  schuldig  macht  und  mit  Arrest  von  sechs 
Monaten  bestraft  wird,  noch  gegenwärtig  zu  Recht.  Die  Fassung  dieses  Paragraphen 
ist  um  so  zweckmässiger,  als  sie  auch  die  gewerbsmässige  abergläubische  Behand- 
lung von  Krankheiten,  zu  der  der  Lebensmagnetismus  gehört  und  welche  jederzeit 
einen  bedeutenden  Theil  der  Quacksalberei  gebildet  hat,  in's  Auge  fasst. 

In  den  Ländern,  wo  gegenwärtig  noch  die  Curpfuscherei  strafbar  ist,  treffen  die 
Strafen  selbstverständlich  auch  den  Apotheker,  wenn  er  sich  derselben  schuldig 
macht.  Aber  auch  in  Staaten,  wo  neuerdings  die  Krankenbehandlung  freigegeben 
ist,  bleibt  dieselbe  dem  Apotheker  untersagt.  In  Preussen  ist  z.  B.  durch  Cireular 
des  Mediciual-Miiiisteriums  vom  23.  September  1871  die  gewerbsmässige  Behand- 
lung von  Kranken  seitens  eines  Apothekers  als  eine  Verletzung  der  besonderen 
Pflichten  seines  Berufes  bezeichnet .   die  durch  die  Gewerbeordnung  nicht  aufge- 
hoben sind,  und  das  Verbot  des  Prakticirens  für  den  Apotheker  mit  Fug  und  Recht 
auf  das  entsprechende  Verbot  des  Dispensireus  für  den  Arzt  begründet.  Dagegen 
ist  das  in  einzelneu  deutschen  Staaten  früher  besteheude  Verbot  der  Abgabe  von 
Arznciiiiischungen  auf  Recepte  von  nicht  approbirten  Medicinalpersouon  selbstver- 
ständlich aufgehoben .  soweit  es  sich  dabei  um  Substanzen  handelt ,  deren  Hand- 
verkauf nicht   untersagt  ist.    Eine  Unterstützung  von   Afterärzten    seitens  der 
Apotheker  liegt  nicht  im  Interesse  derselben ;  mag  auch  dem  Einzelneu  ein  V»r- 
theil  dadurch  erwachsen,  dass  er  durch  die  Verordnungen  der  Quacksalber,  welche 
häufig  Medicanientc  enthalten,   die  einer  längst  vergangenen  Epoche  der  Mcdiciu 
angehören,    eine   Anzahl  Ladenhüter  los   wird,    oder   aus   den   langen  Quaek- 
salberrecepten ,  die  gegen  die  vereinfachten  Verordnungen  der  moderneu  Aerxte 
sehr  abstechen,  eine  höhere  Einnahmo  erzielt,  so  ist  es  gegen  das  Standesinteres.*e, 

Digitized  by  Google 


CÜE  PFUSCHER  EI.  —  CURVEN. 


357 


sich  mit  Leuten  zu  liiren,  welche  entweder  in  ihrer  Bildungsstufe  tief  unter  dem 
Apotheker  stehen  oder  im  entgegengesetzten  Falle  Schwindler  sind.  Dass  die 
Freigebung  der  medicinischen  Praxis  seihst  in  Ländern,  welche  keinen  Ueberfluss 
an  gebildeten  Aerzten  besitzen,  nicht  zum  Heile  des  Publikums*  sondern  nur  zum 
Vortheile  solcher  Personen,  die  dasselbe  auszubeuten  verstehen,  fuhrt,  hat  man 
neuerdings  in  Norwegen  geseheu.  Als  selbstständige  Curpfuscher  haben  die 
Apotheker  übrigens  niemals  eine  bedeutende  Rolle  gespielt.  In  dem  die  Curpfuscher 
im  Anfange  des  vorigen  Jahrhunderts  aufzählenden  „Arznei  -  Teufel"  werden 
zwar  auch  „etliche,  geizige,  unerfahreue,  fahrlässige,  versoffene,  eidbrüchige  und 
betrugliche  Apotheker"  angeführt,  aber  sie  verschwinden  neben  dem  Coutingeute, 
welche  Landpastöre,  alte  Weiber.  Zigeuner,  Juden,  Urinpropheten,  Badeknechte  n.  s.  w. 
zu  dem  Heere  der  „verfluchten  Quacksalber"  stellten.'  Tb.  Hose  mann. 

Curry-pOWder  (deutsch :  Gerbe-Pulver)  ist  eine  in  England  und  Ostindien 
gebräuchliche  Gewürzmischung,  welche  hauptsachlich  aus  Curcunia,  daneben  auch 
aus  Pfeffer,  Ingwer,  Coriander,  Cardamomen,  Gewürznelken,  Nelkenpfeffer,  Kümmel 
und  Trigonella  besteht.  Das  Mischungsverhältnis»  ist  nicht  constant ;  eine  Vor- 
schrift lautet:  40  Th.  Rhizoma  Curcumae ,  je  HO  Tb.  Frnctus  Coriandri  und 
Chnamomum,  je  20  Th.  Piper  nigrum,  Fructus  Amomi,  Fructus  Copsici 
annut,  Fructus  Cardomomi  min.  und  JOnzoma  Zingiheris. 

Cururuape  <]  er  Tinibo  sind  die  indianischen  Namen  für  Pauli inia  pinnata 
L ,  einer  Liane  des  tropischen  Amerika ,  deren  Wnrzelrinde  das  Alkalold  T  i  m- 
bonin  enthält  (Martin,  Ph.  Journ.  and  Trans.  VII). 

Curven,  krumme  Linien.  Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  jene  Curven ,  die 
ihrer  ganzen  Ausdehnung  nach  in  eine  Ebene  fallen.  Zieht  man  in  dieser  zwei 
aufeinander  senkrechte  Gerade  (Axen),  deren  Schnittpunkt  ab  Nullpunkt  bezeichnet 
werden  soll,  so  Iflsst  sich  die  Lage  jedes  Punktes  der  Ebene  iu  Bezug  auf  diese 
Axen  dadurch  fixiren,  dass  man  von  ihm  aus  zwei  zu  den  Axen  parallele  Linien 
zieht,  bis  sie  dieselben  schneiden.  Das  Stück,  welches  vom  Nullpuukt  aus  auf  der 
einen  Axe  abgeschnitten  wird,  heisst  Abscisse,  die  entsprechende  Strecke  auf  der 
anderen  Axe  Ordinate  des  Punktes.  Nimmt  man  dabei  alle  vom  Nullpunkt  au* 
auf  die  eine  Seite  einer  Axe  fallenden  Strecken  als  positiv  an,  so  gelten  die  auf 
die  andere  Seite  fallenden  als  negativ.  Betrachtet  man  nun  eine  ebene  Curve  in 
Bezug  auf  ein  solches  Axensystem  ,  so  bemerkt  man ,  das«  die  Ordinate  eines 
Punktes  nicht  mehr  willkürlich  ist ,  wenn  derselbe  in  der  Curve  liegen  und  eine 
bestimmte  Abscisse  haben  soll ,  sondern  dass  sie  von  der  gegebenen  Abscisse 
abhängt.  Es  kann  also  jede  Curve  als  graphische  Darstellung  einer  gewissen 
Abhängigkeit  zweier  Grössen  von  einauder  aufgefasst  werden. 

Dieser  Umstand  begründet  die  grosse  Verwendbarkeit  der  Curven  zur  Über- 
sichtlichen, graphischen  Darstellung  solcher  Beobachtungsresnltate,  auf  welche  mir 
eine  einzige  veränderliche  Grösse  Einfluss  hat.  Ein  Beispiel  dieser  Art  ist  die 
Beobachtung  der  Dichte  einer  Flüssigkeit  bei  verschiedenen  Temperaturen.  l:m  zu 
einer  solchen  Darstellung  zu  gelangen  ,  zieht  man  zuerst  die  beiden  auf  einander 
senkrechten  Axen,  trügt  auf  einer  derselben  vom  Nullpunkt  aus  eine  Länge  auf, 
welche  der  gegebenen  Grösse,  im  obigen  Beispiel  der  Temperatur,  proportional 
wt.  errichtet  am  Ende  dieser  Strecke  eine  zur  Axe  senkrechte  Linie  und  grenzt 
dann  auf  dieser  ein  Stück  ab,  welches  der  beobachteten  Grösse,  im  angeführten 
Beispiel  also  der  f>oi  der  genannten  Temperatur  beobachteten  Dichte,  proportional 
i.*t.  Der  Endpunkt  dieser  Strecke  ist  dann  ein  Punkt  der  für  die  Beobachtung 
charakteristischen  Curve.  Sollten  unter  den  aufzutragenden  Grössen  positive  und 
negative  vorkommen,  so  sind  die  positiven  vom  Nullpunkt  auf  die  eine  Seite,  die 
negativen  auf  die  andere  Seite  der  Axe  aufzutragen ;  hat  man  auf  diese  Weise 
mit  Beibehaltung  des  Maassstabes,  welcher  der  Construction  des  ersten  Punktes  zu 
Gnuide  gelegt  wurde,   für  jede  Beobachtung  den  ihr  entsprechenden  Punkt  eon- 


Digitized  by  Google 


35^ 


CURVEX.  —  CÜTICULA. 


struirt ,  so  verbindet  man  durch  einen  eontinuirliehen  Zug1  alle  Punkte  so  genau 
als  möglich  untereinander.  Bei  einer  grösseren  Anzahl  von  Beobachtungen  machen 
sich  etwaige  besonders  fehlerhafte  sofort  dadurch  bemerkbar,  dass  sie  in  den 
durch  die  übrigen  Punkte  bestimmten  Zug  nicht  eingefügt  werden  können. 

Eine  so  eoustruirte  Curve  bietet  nicht  nur  ein  getreues  Abbild  der  Beol>- 
aehtungen,  sondern  gestattet  auch  die  abhängige  Grösse  für  eine  solche  gegebene 
zu  bestimmen,  für  welche  sie  nicht  unmittelbar  gemessen  wurde.  In  der  Cnrve 
nämlich  kommt  jeder  innerhalb  der  Beobaehtungsgrenzen  angenommenen  Abscisse 
eine  Ordinate  zu,  die  um  so  genauer  der  entsprechenden  Grösse,  die  aus  der  Beob- 
achtung folgen  würde,  proportional  ist ,  je  enger  die  zur  Oonstruction  der  Curve 
verwendeten  Punkte  aneinander  liegen.  Man  darf  aber  solche  nicht  beobachtete 
Grössen  nur  aus  jenem  Theil  der  gezeichneten  Curve  entnehmen,  der  zwischen  den 
unmittelbar  coiistruirten  Punkten  liegt,  iudem  ja  der  Verlauf  der  Curve  ausserhalb 
dieses  Bereiches  ein  vollständig  unbekannter  ist. 

Eine  solche  Darstellung  hat  aber  nur  dann  einen  Sinn,  wenn  die  angenommene 
Grösse ,  wie  im  obigen  Beispiel  die  Temperatur,  einer  eontinuirliehen  Aenderung 
fähig  ist  und  wenn  bei  einer  solchen  auch  die  von  ihr  abhängige  Grösse  sich 
eoutinuirlich,  nicht  sprungweise,  ändert. 

Für  die  praktische  Ausführung  empfiehlt  sieh  das  im  Handel  vorkommende 
Millimeter-  oder  Coordinatenpapier.  Wie  viel  Einheiten  der  in  Betracht  kommenden 
Grössen  man  jeden  Millimeter  als  Abseissc  und  jeden  als  Ordinate  bedeuten  lassen 
soll,  hängt  ausser  von  dem  vorhandenen  Raum  insbesondere  von  der  Genauigkeit 
all,  mit  welcher  man  die  eingetragenen  Grössen  aus  der  Zeichnung  wieder  ent- 
nehmen will.  Die  Wahl  niuss  aber  so  getroffen  werden,  dass  zu  jeder  Strecke  der 
Zeichnung  mit  Leichtigkeit  das  Originalmaass  angegeben  werden  kaun.  Pitsch. 

Cuscuta,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  ruterfamilie  der  Convolvufaceae. 
Chlorophyll! rcie,  links  windende,  fadenförmige  Stengelschmarotzer  mit  kleinen  Blatt- 
rudimenten  und  Haustorien.  —  Die  auf  Nutzpflanzen  schmarotzenden  Arten  der 
Seide  {Cuscuta  Epülnum  Weihe  auf  Flachs,  C.  Epithymum  Murr,  auf  Klee, 
C.  liipulifurmts  Krocker  auf  Lupinen ,  C.  europata  L.  auf  Hopfen  u.  a.  ui.i 
werden  mitunter  zu  einer  ökonomischen  Plage. 

Ilerha  CuscuUte  war  einst  als  Abführmittel  in  Verwendung.  Sie  Ist  pharma- 
kologisch nicht  untersucht. 

Cusparia,  Gatt  um?  der  nach  ihr  benannten  l'uterfamilie  der  Rutaceae. 
gewächse  Brasiliens  mit  liederigeu,  weelisclständigeii  Blättern,  ansehnlichen  IntWes- 
cetizen  aus  grossen ,   zwitterigen ,  ftiufz.lhligen  Blüthen  und  einsamigen  Früchten. 

Cvopariu  trifotiata  Engl.  (('.  febrifufja  Humfj  ,  Bonplondla  tri/v 
linta  ]\  U!d.,  Ainjotttuia  Caspare  Botin,  tt  Schutt.,  Gab'pea  ofßci'nalia  Hone, 
ein  Baum  mit  krautigen,  kahlen,  dreizähligcn  Blättern  und  weissen  Blütheurispeu, 
ist  die  Stammptlauze  der  Angustura  (Bd.  1,  pag.  381). 

Cusparin.  A  n  g  tt  s  t  u  r  i  n.  Aus  dem  alkoholischen  Auszuge  der  echten  Angiistura- 
rinde.  von  Guli'pea  ufjiciiialis  Haue,  scheidet  sich  beim  Verdunsten  das  Cusparin 
aus.  Es  bildet  zu  Büscheln  vereinigte  Nadeln,  von  bitterem  Geschmack  und  neutraler 
Reaction.  Es  ist  schwer  in  Wasser ,  leicht  in  Alkohol ,  nicht  in  Aether  löslich. 
Leicht  loslich  in  Säuren  und  Alkalien.  Schmelzpunkt  45°.  Die  wässerigen  Lösungeu 
werden  durch  Gerbsäure  gefällt.  v.  Schröder. 

CllSSet  bei  Vichy,  mit  ähnlichen  alkalischen  Säuerlingen  wie  dieses. 

Cuticula  ist  die  oberflächliche  Schichte  der  Epidermiszellen,  oft  schon  optisch, 
in  jedem  Kalle  aber  chemisch  als  scharf  begrenzte  Membran  erkennbar.  Sic  ist 
dadurch  entstanden,  dass  in  die  Cellulosehaut  S  über  in  eingelagert  wurde, 
daher  unlöslich  in  conceutrirter  Schwefelsäure,  Chromsäure  und  Kupferoxyd- 
ammoniak,  dagegen  löslich   in   erwärmter  coucentrirter  Kalilauge.    Die  Cntieula 


Digitized  by  Google 


CÜT1CULA.  —  CYAN.  359 

ist  mehr  oder  weniger  dünn,  aussen  glatt  oder  gestreift,  nicht  selteu  noch  die  Grenzen 
der  zu  ihr  gehörigen  Zellen  zeigend,  innen  oft  ebenfalls  glatt,  mitunter  zapfen- 
artige Fortsätze  in  die  Zellwand  sendend.  In  der  Impermeabilität  für  Wasserdampf 
und  in  der  ausserordentlichen  Widerstandsfähigkeit  der  Cuticula  gegen  atmosphä- 
rische Einflüsse  liegt  ihre  physiologische  Bedeutung.  —  Vergl.  auch  Cellulose 
(Bd.  II,  pag.  606)  und  Epidermis. 

Die  Cuticularisirung  ist  übrigens  nicht  auf  die  Zellen  der  Oborhaut  beschränkt, 
sie  tritt  auch  im  Innern  der  Gewebe  auf,  so  z.  B.  sind  viele  Oel-  und  Harzräume 
von  der  Umgebung  durch  cuticularisirte  Membranen  getrennt. 

Auch  in  der  Thierbystologie  spricht  man  von  einer  Cutieula  und  versteht 
darunter  chitinartige  Ausscheidungen  des  Protoplasma,  welche  die  „Grcnzzcllen"  als 
zusammenhängende  Membran  Uberziehen. 

Cutis,  die  Loder  haut,  ist  von  den  drei  Schichten  der  allgemeinen  Decke: 
Oberhaut,  Lederhaut,  Unterhautbindogewebe,  die  mittlere.  Ihr  Gewebe  ist  zusammen- 
gesetzt aus  äusserst  dichten  Bündeln  von  faserigem  Bindegewebe  und  elastischen 
Fasern,  welche  ein  Gitterwerk  mit  diagonal  verlängerten  Maschen  bilden.  An  ihrer 
der  Oberhaut  zugewendeten  Seite  ist  die  Cutis  förmlich  übersät  mit  einer  grossen 
Anzahl  von  Tastwärzehen,  in  denen  die  Endorgaue  der  Tastnerven,  die  Tast- 
körperchen liegen.  Je  grösser  die  Anzahl  der  Tastwärzchen  an  einer  1  lautstelle, 
desto  ausgebildeter  int  daselbst  das  Tastgefühl.  An  der  Handfläche  sind  dio  Tast- 
wärzehen  in  Doppelreihen  angeordnet  und  bilden  Riffe,  welche  mit  freiem  Auge 
deutlich  zu  sehen  sind.  Die  Cutis  ist  auch  der  Sitz  der  Haarhälge  und  Talgdrüsen. 
Die  Ausführungsgänge  der  Schwcissdrüsen  durchbohren  die  Cutis;  der  secernirendc 
Theil  derselben  liegt  aber  grösstenteils  im  Unterhautbinde^ewebe. 

Cy,  für  Cyan  (CN)  gewähltes  Zeichen  in  chemischen  Formeln. 

CyameNd,  Modification  der  Cyan  säure  (s.  d.). 

Cyäll.  Cyan  Verbindungen.  Eine  Anzahl  stickstoffhaltiger ,  organischer 
Verbindungen  euthält  die  einwerthige  Atomgruppo  CN,  welche  in  ihren  Verbin- 
dungen den  Salzbildnern  Chlor,  Brom  und  Jod  sehr  ähnlich  ist  und  als  Cyan  (von 
y.vxvo;  =  blau)  bezeichnet  wird. 

Die  Bildung  dieser  Cyangruppe  erfolgt  besonders,  wenn  Stickstoff  und  Kohlen- 
stoff in  statu  nascenti  und  bei  Gegenwart  eines  Metalles,  welches  mit  dem  Cyan 
ein  nicht  flüchtiges  Cyanmetall  bildet,  zusammentreten  können.  Derartige  synthetische 
Bildungsweisen  des  Cyans  sind  uuter  anderen  folgende: 

1.  Man  glüht  stickstoffhaltige  organische  Stoffe  bei  Anwesenheit  von  Alkalien; 

2.  Man  glüht  stickstoffhaltige  organische  Stoffe  mit  Kalium  oder  Natrium; 

3.  Man  leitet  Stickstoffgas  über  ein  zum  Glühen  erhitztes  Gemenge  von  Kalium- 
carbonat  und  Kohle. 

Ausserdem  treten  Cyanverbindungen  nicht  selten  als  ein  Product  der  Zersetzung 
organischer  Verbindungen  auf,  so  bei  der  Gährnng  des  Amygdalins,  bei  der 
trockenen  Destillation  des  Ammoniumoxalats  u.  s.  w. 

Diese  Cyangruppe  kann  nun  aber  in  zwei  isomeren  Modifikationen  erscheinen, 
je  nachdem  drei-  oder  fünfwerthiger  Stickstoff  darin  enthalten  und  demnach  im 
ersteren  Falle  die  Bindung  der  Elemente  oder  der  Radicale  mit  dem  Kohlenstoff, 
im  zweiten  mit  dem  Stickstoff  erfolgt  ist,  wie  dies  z.  B.  durch  die  Structurformel 
der  Cyansäure  und  der  mit  ihr  isomeren  Ieoeyansäuro  verdeutlicht  wird: 

C'T<01I  V<0H 
Cyansäure  Isocyausäure. 
In  den  Metallverbiudungeu  des  Cyans  (s.  Cyanwasserstoff  saure  Salzej 
ist  jedoch  ausschliesslich  oder  fast  ausschliesslich  das   nojinalo  Cyan  C    N  ver- 

I 

treten   und  man   bezeichnet  es  als  echtes  oder  eigentliches  Cyan  oder  auch  als 


Digitized  by  Google 


360 


CYAN. 


Carbonitril,  während  das  Isocyan  N~  C  in  den  Cyanverbindungen  verschiedener 

I 

organischer  Radicale  angenommen  werden  muss  und  auch  als  Pseudocyan  oder 
Carbylamin  bezeichnet  wird. 

Dem  entsprechend  unterscheidet  man  zwei  Reihen  von  Cyanverbindungen  orga- 
nischer Radicale,  die  Nitrile  und  die  Carbylamine,  von  denen  die  ereteren  sich  von 
der  normalen  Cyanwasserstoffsäure  C,T  Nm  H  ableiten  lassen,  während  die  letzteren 
dem  Typus  der  allerdings  für  sich  noch  nicht  dargestellten  Isocyanwasserstofisäure 
NTCIVH  entsprechen. 

Bezüglich  ihrer  Bildungsweisen  lassen  sich  im  Allgemeinen  folgende  Regeln 
aufstellen : 

A.  Nitrile  erhält  man  u.  a. : 

1.  Durch  Behandlung  der  Ammoniumsalze  der  Fettsäuren  oder  anderer  ein- 
werthiger  organischer  Säuren  mit  Phosphorsäureanhydrid  unter  Austritt  von  2  Mol. 
Ha  0  nach  dem  Schema : 

C3  Hft  (NH,)  Oa  =  C3  Hft  N  +  2  H.O 
Propionsaures         Propio-  Cyan- 
Ammonium  nitril  °  er  äthyl. 

2.  Durch  Destillation  von  Cyankalium  mit  gleichen  Molekülen  des  Kaliumsalzes 
einer  Aetherschwefelsäure : 

CNK  +  C2H6KS04  =  C3H5N  +  K2  804 
Aethylschwefelsaures  Kalium  Cyanäthyl. 
Die  Nitrile  sind  farblose,  zwar  stark,  aber  nicht  unangenehm  riechende  Flüssig- 
keiten,  in  Wasser  meist  wenig  lfislich  und  ziemlich  leicht  destillirbar.  Erwärmt 
man  sie  mit  Alkalien,  so  gehen  sie  unter  Aufnahme  von  2  Mol.  H2  0  wieder  in 
die  entsprechenden  Ammoniumsalze  über ,  während  sie  bei  der  Behandlung  mit 
nascirendem  Wasserstoff  unter  Aufnahme  von  4  Atomen  H  in  Aminbasen  mit 
gleichem  Kohlenstotfgehalte  übergeführt  werden : 

Cs  H6  N  +  4  H  =  C,  H9  N  oder  C,  H-  NH2 

Propylamin. 

B.  Carbylamine  werden  gewonnen  u.  a. : 

1.  Durch  Einwirkung  von  Cvansilber  auf  die  Jodide  der  Alkoholradicale : 

CNAg  +  Ca  H7  J  =  C,  H7  N    +  Ag  J 

Propvlcarbylamiu 
Nv  C"(C3H7)'. 

2.  Durch  Einwirkung  von  Chloroform  auf  die  Aminbasen  der  Alkoholradicale 
der  allgemeinen  Formel  CnHon  +  1  (bei  Gegenwart  von  Alkalien  zur  Wegnahme 
von  HCl): 

CHC13  +  CHs  N  =  Ca  Hs  N  +  3  HCl 
Methy  learbyiamin . 

Die  Carbylamine  sind  ebenfalls  flüchtige,  destillirbare  Flüssigkeiten,  unter- 
scheiden sich  aber  von  den  Nitrilen  durch  niedrigeren  Siedepunkt,  widerlichen 
Geruch,  Giftigkeit  und  vor  Allem  durch  nachfolgende  Umsetzung. 

Sie  gehen  bei  der  Einwirkung  von  Alkalien  unter  Mitwirkung  von  Wasser  in 
Ameisensäure  und  eine  Aminbase  Uber,  z.  B. : 

C4  H7  N  +  2  H2  0  =  CHj  Oa  +  Ca  H7  NHa 
Propylcarbyl-  Ameisen-  Propylamin. 

amin  säure 
Ausserdem  werden  sie  durch  Sauerstoff  leicht  oxydirt. 

Die  in  allen  diesen  Verbindungen  enthaltene  Gruppe  CN  ist  im  freien  Zustande 
nicht  bekannt,  als  freies  Cyan  bildet  sie  vielmehr  das  Cyancyanid  oder  das 
Dicyan,  ein  farbloses,  giftiges,  mit  purpurvioletter  Farbe  brennbares  Gas  von 
eigentümlichem  stecheudem  Gerüche,  welches  bei  — 25°  zu  einer  bei  — 35° 
krystallisirenden  ,  beweglichen  Flüssigkeit  erstarrt.  Das  Dicyan  ist  in  den  Hoch- 
öfengasen in  geringer  Menge  enthalten  und  wird  durch  Erhitzen  von  Cyanqueck- 


Digitized  by  Google 


CYAN. 


361 


silber  gewonnen,  welches  sich  hierbei  in  metallisches  Quecksilber  und  freies  Cyan 
spaltet : 

Hg(CN)a  =  Hg  +  CN 

I 

CN 

Hierbei  bleibt  in  der  Retorte  ein  schwarzer  Körper  zurück,  das  sogenannte 
Paracy  an. 

Dies  Paracj an  ist  eine  braunschwarze,  lockere  Substanz,  eine  polymere 
Modification  des  Dicyaus  =  (C,  Ng)u  und  geht  erst  bei  starker  Glühhitze  in 
Diovan  über. 

Das  Cyan  zeigt  überhaupt  eine  ausgesprochene  Neigung  zur  Polymerisation; 
wie  dem  freien  Cyan  das  feste  Paracyan  entspricht,  so  entspricht  dem  Chlorcyan 
CNCl  das  feste  Chlorcyan  C3  Ns  Cl3 ,  der  Cyansäure  CNOH  die  Cyanursäure 
C3  N,  03  H3  u.  8.  w. 

Ausser  den  vorstehend  abgehandelten  Cyanverbindungen ,  den  Nitrilen  und 
Carbylaminen  und  den  Metallcyaniden  oder  cyanwasserstoffsauren  Salzen  hat  man 
noch  eine  Reihe  eigentümlicher  Doppelcyanide,  denen  die  Atomgruppe  Fe(CN)ti, 
anch  wohl  Cfy  geschrieben,  gemeinsam  ist.  Unterwirft  man  diese  Doppelcyanide 
der  Zersetzung,  so  zeigt  sich  die  bemerkenswerthe  Erscheinung,  dass  bei  den 
Umsetzungen  derselben  erwähnte  Atomgruppe  unangegriffen  bleibt.  Da  nun  ferner 
in  fraglichen  Verbindungen  das  Eisen  durch  die  gewöhnlichen  Reagentien  nicht 
nachweisbar  ist,  so  betrachtet  man  die  Atomgruppe  Fe(CN)s  als  ein  Radical  und 
bezeichnet  es,  je  nachdem  es  in  seinen  Verbindungen  vier-  oder  dreiwerthig  auf- 
tritt, als  Ferrocyan  oder  als  Ferricyan. 

Den  Typus  der  Ferro-  und  Ferricyanide  bilden  das  Ferrocyankalium  Kt  Fe(CN), 
and  das  Ferricyankalium  Kj  Fe  (CS^ ,  beziehungsweise  die  diesen  Kaliumsalzen 
entsprechenden  Wasserstoffverbindungen,  der  Ferrocyanwasserstoff  II*  Fe  (CN)„  und 
der  Ferricyanwasscrstoff  H3Fe(CN)tj.  Die  Constitution  der  Ferro-  und  Ferricyan- 
rerbindungen,  in  denen  zweifelsohne  das  Eisen  eine  eigenthümliche  Stellung  ein- 
nimmt ,  lässt  sich  derart  deuten ,  dass  man  in  beiden  das  Eisen  als  vierwerthig 
anffasst,  verbunden  mit  den  drei  werthigen  Atomgruppen  C3  Ns.  Es  würde  dann 
das  Ferrocyan  nicht  vier-,  sondern  achtwerthig  und  das  Ferricyan  nicht  drei-, 
sondern  sechswerthig ,  also  eine  Verdoppelung  der  oben  gegebeneu  Formeln  noth- 
wendig  sein,  wie  nachstehende  Structurformeln  erläutern: 

-C8Ng=™' 


Fe 

Ft<(  3  Ns  = 
Ferrocyan 

Diese  Structurformeln  aber  lassen  sich  ganz 
Ferrichlorid  ableiten: 


«  .c! 


Fe<c 


I 


Ferrochlorid 


Cs  N3  — Tl 
C3N8  = 

Fe    Li  3 

Ferricyan. 
ungezwungen  vom  Ferro-  und 

/Cl 
Fe  Cl 

-Cl 
Fe  Cl 
""-Cl 
Ferrichlorid 

in 


I 


Ersetzt  man  in  ersterem  jedes  Chloratom  durch  das  dreiwerthige  Radical  C3  N3 
bo  erhalt  man  die  Atomgruppe  Fe2(CnN3),  oder  Fe2(CN)12,  welche  nach  obiger 
Strncturformel  als  achtwerthiges  Radical  fungiren  muss.  Geht  man  dagegen 
vom  Ferrichlorid  aus ,  indem  man  die  G  Chloratome  durch  vier  dreiwerthige 
Cj  N5  Gruppen  ersetzt,  so  rnuss  ein  Radical  resultiren,  welches  noch  6*  freie  Wertig- 
keiten besitzt,  wie  obige  Structurfonnol  zeigt,  das  Ferricyan. 


Digitized  by  Google 


362 


CYAN.  -  CYANSÄCREN. 


Die  Ferro-  und  Ferricyauide  sind  nicht  giftig,  die  der  Alkalimetalle  und  der 
alkalischen  Erdmetalle  sind  in  Wasser  löslich,  hingegen  die  der  eigentlichen  Erd- 
metalle und  der  Schwermetalle  in  Wasser  unlöslich.  Die  in  Wasser  löslichen 
Ferrocyauide  sind  im  krystallisirten  Zustande  gelb  gefärbt,  die  entsprechenden 
Ferricyauide  rubinroth.  Durch  Behandlung  mit  Kalilauge  werdcu  die  unlöslichen 
Ferrocyanide  in  Ferrocyankalium ,  welches  in  Lösung  geht,  übergeführt,  während 
das  mit  dem  Fcrrocyan  verbundene  Metall  als  Ilydroxyd  abgeschieden  oder  eventuell 
von  dem  überschüssigen  Alkali  gelöst  wird.  Die  unlöslichen  Ferricyauide  geben 
bei  entsprechender  Behandlung  meistens  ein  Gemisch  von  Ferro-  und  Ferricyan- 
kalium  neben  dem  Metallhydroxyde.  Coneentrirte  Schwefelsäure  zersetzt  die  Ferro- 
und  Ferricyanide  vollständig  unter  Entwicklung  vou  Kohlenoxyd.  Chlor,  Brom 
und  andere  Oxydationsmittel  führen  die  ersteren  in  letztere  über,  Salpeter-  und 
salpetrige  Säure  wandeln  beide  Gruppen  zunächst  in  sogenannte  Nitroprusside 
(s.  dort)  um  und  führen  schliesslich  zu  durchgreifeuden  Zersetzungen. 

Wie  bereits  oben  erwähnt,  bilden  das  Ferro-  und  Ferricyaukalium,  deren  Dar- 
stellung unter  Blutlaugen  salz,  Bd.  II,  pag.  342,  beschrieben  ist,  den  Typus 
der  Ferro-  und  Ferrieyanverbiudungen ;  sie  sind  ferner  auch  der  Ausgangspunkt 
für  die  Gewinnung  der  übrigen,  welche  durch  einfache  Umsetzung  mit  den  be- 
treffenden Salzlösungen  erhalten  werden,  z.  B. : 

K,  Fe(CN,,)  +  2Cu80,  =  Cu3Fe(CN)0  4-  2  K.SO, 
Ferrocyankalium    Kupfersulfat    Ferrocyankupfer  Kaliumsulfat. 

Die  Ferricyanmetalle  unterscheiden  sich  von  den  Ferrocyanmetallen  dadurch, 
das«  ihre  Lösungen  mit  Ferrisalzlösungen  keinen  Niederschlag,  sondern  nur  eine 
braungrüne  Färbung,  mit  Ferrosalzeu  dagegen  eine  blaue  Fällung  von  Fcrricyan- 
eisen  oder  TnrnbuU's  Blau  geben,  während  umgekehrt  die  Ferrocyaumetalle  in  den 
Ferrisalzlösungeu  einen  blauen  Niederschlag  vou  Ferrocyaneisen  oder  Berlinerblau 
hervorrufen,  mit  Ferrosalzen  hingegen  —  bei  Luftabschluss  —  weisse  Nieder- 
schläge geben,  die  sich  bei  Luftzutritt  bald  bläuen.  Jehn. 

Cyanate  sind  Salze  der  Cyan säure  (s.  d.i. 

Cyanide  sind  Cyauverbindungen  mit  Metallen  oder  organischen  Radicalen;  in 
erstcrem  Falle  würde  die  Verbindung  dem  Anhydrid  eines  cyan  wasserstoffsauren 
Metall  o  x  y  d  e  s  entsprechen. 

Cyaniri,  C,ö  US!,  N.,  J,  ist  der  älteste  bekannte  ChinolinfarbstofF.  Es  wurde  durch 
Erwärmen  von  lepidinhaltigero  Chinolin  mit  Amyljodid  und  Behandlung  des  Pro- 
duetes  mit  Kalilauge  erhalten  (Williams)  und  kurze  Zeit  sogar  technisch  her- 
gestellt. Cyanin  bildet  grünglänzende  Tafeln,  die  sich  in  Alkohol  mit  blauer  Farbe 
lösen.  Es  gibt  auf  Seide  und  Wolle  ein  sehr  schönes,  aber  auch  sehr  vergäng- 
liches Blau.  Gegenwärtig  ist  es  durch  die  blauen  Anilinfarben  vollständig  verdräugt. 

Benodikt. 

CyanOgene.  gleichbedeutend  mit  Chroniogene  (s.  pag.  111). 

Cyanon  ist  eine  Quecksilberverbiudung  genaunt  worden,  die  entstehen  soll,  wenn 
schwefelkohleustofl'haltiges  Leuchtgas  durch  Quecksilbercyanidlösung  geleitet  wird. 

CyailOSe  r'jwiveo;,  duukelblauj  heisst  die  bläuliche  Färbung  der  Haut,  wie  sie 
als  Folge  venöser  Blutfülle  eintritt. 

Cyanosin,  s.  Eosiue. 

Cyanotypie,  «.  Copirappara  te  und  Copirverfahrcn,  pag.  292. 

Cyan  Säuren.  Es  sind  mehrere  Cyansäuren  bekannt,  und  zwar  sowohl  isomere 
als  polymere  Modifikationen. 

1.  Normale  Cy ansäure,  CX.(OH),  ist  als  Blausäure  zu  betrachten,  in  welcher 
das  H-Molekül  durch  ein  Mol.  Hydroxyl  ersetzt  ist.    Diese  normale  Cyansäure 


Digitized  by  Google 


CY ANSÄUREN. 


363 


ist  in  freiem  Zustande  nicht  bekannt,  wohl  aber  existiren  einige  bekannte  Aether, 
bei  denen  das  H-Atom  im  Hydroxyl  durch  einwerthige  Alkoholradicale  ersetzt  ist, 
z.  B.  Cyansäure  -  Methyläther  (CN.OCH3),  Cyansäure  -  Aethyläther  (CN.OC,H5) 
und  Cyansäure  -  Amyläther  (CN .  OC6  Hu).  Diese  Aether  bilden  sich  bei  Ein- 
wirkung von  Chlorcyan  auf  die  betreffenden  Natriumalkoholato  uod  unterscheiden 
sich  von  den  isomeren  Isocyansäureäthern  durch  einen  schwachen  aromatischen 
Geruch  und  geringere  Flüchtigkeit,  sowie  dureh  ihr  Verhalten  gegen  Kali  und 
Salzsäure,  wobei  Isocyansäure,  respective  Cyanursllure  gebildet  wird. 

2.  Isocyansäure,  schlechthin  Cyansäure  genauut,  CO  .  NH,  ist  als  Ammoniak  zu 
betrachten,  in  welchem  2  Wasserstoffmol.  durch  die  zweiwerthige  Gruppe  CO  sub- 
stituirt  sind;  die  Isocyansäure  wird  daher  auch  Carbimid  genannt. 

In  reinem  Zustande  bildet  sie  eine  sehr  flüchtige,  stechend  sauer  riechende 
Flüssigkeit.  Sie  bildet  sich  beim  Erhitzen  von  wasserfreier  Cyanursäure  im  Kohlen- 
säurestrome  in  einem  rechtwinklig  gebogenen  Verbrennuugsrohr.  C3  N3  H3  03  = 
=  3  <  CO  .  NH).  Der  Dampf  wird  in  ein  Kältegemisch  geleitet.  —  Der  Dampf 
der  Isocyansäure  reizt  zu  Thränen;  die  flüssige  Säure  erzeugt,  auf  die  Haut  ge- 
bracht, Blasen.  Sie  ist  ungemein  geneigt,  zu  polynierisiren.  Dieser  bisher  noch 
wenig  aufgeklärte  Vorgang  vollzieht  sich  bereits  bei  0°  innerhalb  1  Stunde.  Beim 
Herausnehmen  der  Säure  aus  der  Kältemischung  vollzieht  sich  die  Polymerisation 
explosionsartig;  es  resultirt  das  amorphe  Cyamelid.  Spec.  Gew.  bei  0°  1.110; 
bei  —  20<>=  i.mq  Dampfdichte  1.50.  —  Die  Isocyansäure  löst  sich  in  Eis- 
wasser ;  die  Lösung  zerfällt  oberhalb  0°  rasch  in  CO,  und  NH3.  CO  .  NH  +  H3  0  = 
=  COa  +  NH,.  —  In  Alkoholen  löst  sich  Isocyansäure  unter  Bildung  von  Allophan- 
säure-Estern.  Mit  Aldehyd  bildet  sie  Trigonsäure. 

I>ie  Salze  der  Cyansäure  sind  meist,  theilweise  sogar  Rehr  leicht  löslich 
in  Wasser;  die  der  Alkalien  lassen  sich  ohne  Zersetzung  bis  zum  Rothglühen  er- 
hitzen (mit  Ausnahme  des  Ammonium-lsocyanats) ;  die  wässerige  Lösung  der 
Alkalicyanate  zerfällt  dagegen  beim  Kochen  analog  der  obigen  Gleichung  in  C  0a 
und  NH5.  Das  Ammoniaksalz  aber  setzt  sich  beim  Erwärmen  der  wässcrigeu 
Lösung  in  Harnstoff  um ;  in  analoger  Weise  wandeln  sich  auch  die  lsocyauate  der 
primären  und  secundäreu  (aber  nicht  die  der  tertiären)  Basen  in  die  isomereu 
substituirten  Harnstoffe  um.  NH,  .  CON  =  CO  (NH)2.  —  Die  eyansauren  Erden 
zerfallen  beim  Erhitzen  in  CO,  und  Cyauaraidsalze :  Ca-NCO),  =  CaN  .  NC  +  C02. 
Von  den  Metallsalzen  sind  am  bekanntesten  das  Kaliumcyanat  K .  CON ,  das 
Baryumeyauat  Ba  (CON)., ,  das  Bleicyanat  PC(CN0)i  und  Silbercyanat  Ag  .  CON. 

Die  Aether  der  Isocyansäure  ('Cyansäureäther)  gewinnt  man  am  besten 
dureh  Behandeln  von  Ag .  CON  mit  Alkyljodüren  bei  niederer  Temperatur.  Sie 
sind  sämmtlich  leicht  flüchtige,  stark  und  erstickend  riechende  Flüssigkeiten. 

Auch  diese  Aether  zeigen  grosse  Neigung  zur  Polymerisation,  welche  sich  beim 
Aufbewahren  allmälig,  oft  schon  in  wenig  Tagen,  vollzieht;  es  bilden  sich  dann 
die  eorrespondirendeu  Aether  der  Cyanursäure.  Beim  Kochen  mit  Kali  zerfallen 
sie  in  COa  und  primäre  Alkoholbasen  (Unterschied  von  den  Aethern  der  normalen 
Cyansäure) ;  z.  B.  CHS  .  NCO  +  H,  0  =  CH3  .  NH2  +  COa.  —  Mit  Wasser  liefern 
sie  C0a  und  symmetrische  disubstituirte  Harnstoffe.  Mit  Alkoholen  verbinden  sie 
sich  direct  zu  substituirten  Carbamiusäureestern.  Am  bekanntesten  sind  der  Methyl-, 
Aethyl-,  Butyl-  und  Amyläther. 

3.  Cyanursäure ,  C,  N3  H3  03  4-  2  H3  0 ,    auch  Tricarbimid  genannt, 

^  NH  .  CO  ^ 

Diese  ist ,  ihrem  Verhalten  nach ,  eine  trimere  Isocyansäure ,  müsste  also 
eigentlich  Isocyanursäure  heissen.  Sie  bildet  sich  beim  Einleiten  von  Chlorgas  in 
schmelzenden  Harnstoff.  Ans  diesem  Keactionsproduct  gewinnt  man  sie  durch 
Waschen  mit  kaltem  Wasser,  Lösen  in  Natronlauge,  Erhitzen  bis  zum  Kochen  und 
allmäliges  Zugeben  von  Kaliumpermanganatlösung ;   die  filtrirte  Lösung  wird  mit 


Digitized  by  Google 


361 


CYANSÄUREN.  —  CYANURIE. 


HCl  angesäuert  und  der  Krvstallisation  Uberlaasen.  Ferner  bildet  sie  sich  beim 
Behandeln  von  Chlorcyan  mit  Wasser;  beim  Erwärmen  von  Cyamelid  mit  con- 
eentrirter  Schwefelsäure.  —  Sie  bildet  farblose  monokline  Säulen ;  aus  concentrirter 
Schwefelsäure  krystallisirt  sie  ohne  Krystallwasser  in  Quadratoctaöderu.  Spec.  Gew. 
1.730.  Die  wasserhaltigen  Krystalle  verwittern  an  der  Luft  und  lösen  sich  in 
40  Th.  kaltem  H2  0,  leichter  in  heissem  Alkohol.  Bei  der  trockenen  Destillation 
geben  die  wasserfreien  Krystalle  nur  Isocyansäure,  die  mit  Krystallwasser  dagegen 
geben  ansserdem  noch  C02  und  NH,.  Löst  sich  unzersetzt  in  concentrirter  Ha  S04 ; 
erst  beim  längeren  Erhitzen  dieser  Lösung  zerfällt  sie  in  C03  und  NHS. 

Die  Cyanursäure  ist  eine  dreibasische  Säure,  bildet  aber  vorzugsweise  ein-  und 
zweibasische  Salze. 

Als  charakteristische  Reaction  der  Cyanursäure  ist  neben  dem  erstickenden 
Geruch  der  Isocyansäure  beim  Erwärmen  noch  die  WÖHLER'sche  Reaction  zu  nennen. 
Beim  Vermischen  einer  Losung  der  8äure  in  sehr  verdünntem  Ammoniak  mit  einer 
Lösung  von  CuS04  in  sehr  verdünntem  Ammoniak  entsteht  in  der  Wärme  ein 
amethystfarbener  Niederschlag. 

Die  Salze  der  Cyanursäure  sind  meist  krystallinisch,  schwer  löslich  in 
Wasser;  dabei  die  zweibasischeu  im  Durchschnitte  leichter  als  die  einbasischen. 
Mit  concentrirter  Natronlauge  bildet  sie  ein  dreibasisches  Salz  Nas.CaNs03, 
welches  in  kaltem  Wasser  löslich  ist,  beim  Erwärmen  aber  sich  in  feinen  Nadeln 
ausscheidet,  welche  beim  Erkalten  wieder  versehwinden.  Das  zweibasische  Kalium- 
salz zerfällt  beim  Erhitzen  in  Isocyansäure  und  Kaliumisoeyanat :  K3 .  C,  HNS  Os  — 
—  CO  .  N  H  -|-  2  K  .  CON.  Der  oben  erwähnte  amethystfarbene  krystalliniscbe 
Niederschlag  ist  Cu  .  C3  HN3  03  .  2  NH,  +  Ha  0.  Von  Silbersalzen  siud  da  zwei- 
und  dreibasische  bekannt. 

Die  A  et  her  der  Cyanursäure  werden  durch  Destillation  von  cyanursaurem 
Kalium  mit  ätherschwefelsaurem  Kalium  gewonnen.  Auch  bilden  sich  diese  Aether, 
welchen  die  rationelle  Formel  CONR  zukommt,  rasch  aus  den  entsprechenden  Aethern 
der  Isocyansäure  durch  Polymerisation.  Die  Cyanursäureäther  sind  krystallinisch, 
unzersetzt  flüchtig  und  geruchlos.  Beim  Kochen  mit  Kali  verhalten  sie  sich  ganz 
wie  die  Isocyausäureäther,  sie  zerfallen  in  C  02  und  Alkoholbasen.  Am  gekanntesten 
sind  die  Triraethyl-  und  Triäthyläther. 

4.  Cyameld  (C  N  0  H),.  Unlösliche  Cy  ansäure.  Bildet  sich  durch  allmälige 
oder  plötzliche  Umwandlung  aus  Isocyansäure.  Weisses  amorphes  Pulver,  unlöslich 
in  Ha0  und  verdtluuten  Mineralsäuren;  löslich  in  KHO- Lösung;  die  Lösung 
gibt  beim  Eindampfeu  Kaliumeyanurat.  Bei  der  trockenen  Destillation  geht  sie 
wieder  in  Isocyansäure  über. 

5.  a-Cy  an ur säure,  C3  X3  H3  03  +  H,  0. 

6.  (3- Cyanursäure. 

7.  Cya'nilsäure,  C3  N3  1I3  03  +  2H20. 

Die  letzteren  3  noch  wenig  gekannt  und  von  untergeordnetem  Interesse. 

Die  Cyansäuren  sind  zur  Zeit  weder  für  die  Pharmacie  noch  für  die  Technik 
von  besonderem  Interesse ;  um  so  wichtiger  sind  sie  aber  für  die  synthetische 
Chemie  als  das  Bindeglied  zwischen  den  Ammonsalzeu  und  dem  Harnstoffe. 

Ganswindt. 

CyanÜre  sind  Cyanverbindungeu  mit  Metallen ,  welche  dem  Anhydrid  eines 
eyauwasserstoffsauren  Metall oxyd  u  1  s  entsprechen. 

Cyanurie  nennt  man  das  Entleeren  eines  blau  gefärbten  Harnes  oder  das 
Auftreten  eines  blauen  Farbstoffes  iiu  Harnsediment.  Ersteres  wurde  bis  nun  nur 
in  einigen  Fällen,  letzteres  viel  häufiger  beobachtet.  Das  blaue  Pigment,  welches 
die  Cyanurie  verursacht,  beziehungsweise  als  Sediment  ausfällt  ist,  Indigo,  welches 
von  dem  als  normaler  Bestandthcil  des  Harnes  vorkommenden  Harn  in  die  an 
(s.  Chromogeue.  pag.  111)  herstammt.  Loebisch. 


Digitized  by  Google 


CYANUS.  —  CYANWASSERSTOFF. 


365 


CyanUS,  mit  Centaurea  L.  synonyme  Gattung  De  Caxdolle's. 

Flores  Cyani  (Ph.  Gall.,  Hisp.).  Kornblume,  Blaue  Flockenblume, 
franz.  B 1  u  ets,  engl.  B 1  u  e  b o  1 1 1  e s,  sind  die  azurblauen,  selten  weissen  Blüthen- 
köpfe  von  Centaurea  Cyanus  L.  (Compo»itae).  Die  Hüllschuppen  sind  krautig, 
angedrückt,  gegen  die  Spitze  zu  troekenbäutig  eingefaBst  und  kaminartig  gefranst. 
Die  randständigen  Bltltben  sind  strahlend,  steril,  die  Scbeibenblüthen  röhrig, 
zwitterig;  Pappus  so  lang  wie  die  AchJine. 

Man  sammelt  die  Kornblumen  vom  Mai-Juli,  trocknet  sie  rasch  und  bewahrt  sie 
in  gut  schliessenden  Gefässen  auf,  damit  sie  ihre  Farbe  bewahren. 

Sie  sind  geruchlos  und  schmecken  schwach  salzig.  Von  wirksamen  Bestandteilen 
ist  nichts  bekannt;  man  pflegt  sie  Species  und  Räucherpulvern  beizumischen. 

Cyanwasserstoff.  Cyanwasserstoffsäure.  Blausaure.  HCN.  Der  Cyanwasser- 
stoff wurde  bereits  im  Jahre  178b  von  Scheele  entdeckt,  aber  erst  1811  von 
Gay-Lussac  im  wasserfreien  Zustande  erhalten.  So  bildet  er  eine  wasserhelle, 
bewegliche,  ausserordentlich  giftige  Flüssigkeit  von  betäubendem,  bittermandelähn- 
lichein  Gerüche,  siedet  bei  26.5°  und  erstarrt  bei  — 15°  krystalliniseh.  Der  Cyan- 
wasserstoff röthet  Lackmus,  ist  in  Wasser  und  Weingeist  iu  jedem  Verhältnisse 
löslich  und  führen  solche  Lösungen  deu  Namen  verdünnte  Blausäure  (s.  Act  dum 
hy  dr  oc  y  an  ic  um)  :  angezündet  verbrennt  er  mit  schwach  violetter  Flamme. 
Kr  ist  wenig  haltbar  und  zersetzt  sich  unter  Abscheidung  eines  braunen  Körpers 
selbst  in  luftdicht  verschlossenem  Gefässe  allmälig. 

Bei  dieser  Zersetzung,  sowohl  der  reinen  Cyanwasserstoffsäure  als  auch  der 
Lösungen -derselben  bilden  sich,  zumal  bei  der  Mitwirkung  kleiner  Mengen  von 
Alkalien  polymere  Modificationcn,  von  denen  der  Tricyanwa88crstoffH8C3N3 
krystallisirbar,  aber  äussert  leicht  zersetzlich  ist. 

Freie  Cyanwasserstoffsäure  ist  bis  jetzt  weder  im  Pflanzen-,  noch  im  Thier- 
reiche  nachgewiesen  worden,  wohl  aber  geben  eine  Reihe  von  Pflanzenstoffon  bei 
der  Destillation  mit  Wasser  blausäurehaltige  Destillate,  so  die  Kerne  der  bitteren 
Mandeln  (s.  Aqua  a  m  yydala  r  u  m  a  m  a  r  arum),  der  Kirschen,  Pfirsiche  etc., 
so  auch  die  Blätter  des  Kirschlorbeers  und  der  Traubenkirsche,  indem  durch  Ein- 
wirkung des  Fermentes  Emulsin,  das  in  erwähnten  Pflanzcntheilen  enthaltene 
Glycosid  Amygdalin  in  Cyanwasserstoff,  Benzaldehyd  und  Zucker  gespalten  wird : 

Cao  H27  NOn  +  2  IL  0  =  HCN  +  C;  H .  0  +  2  C,  HlS  Oö 
Amygdalin. 

Wasserfreie  Cyanwasserstoffsäure  erhält  man  am  bestcu,  iudem  mau  Cyanqueck- 
silber  durch  concentrirte  Salzsäure  zersetzt  und  die  entwickelte  Säure  zur  Be- 
freiung von  mitgerisseuor  Salzsäure  und  Wasserdämpfen  zunächst  durch  ein  mit 
Marmorstückchen  und  entwässertem  Chlorcaleium  gefülltes  Bohr  und  dann  in  eine 
U-fr.rmige,  von  einer  Kältemischung  umgebene  Röhre  leitet :  Hg  (CN)2  +  2  HCl  = 
=  Hg  Cl2  +  2  HCN. 

Zur  Darstellung  wasserhaltiger  Cyanwasserstoffsäure  destillirt  man  Cyankalinm 
mit  einer  Mineralsäurc,  am  zweckmässigsteu  jedoch  ist  die  Verwendung  von  Ferro- 
cyankalium,  indem  man  dieses  mit  verdünnter  Schwefelsäure  destillirt.  In  einem 
mit  einem  LiEßio'scheu  Kühler  versehenen  Kolben  übergiesst  man  10  Th.  zer- 
riebenen Ferrocyankaliums  mit  einer  Mischung  aus  6 — 7  Th.  concentrirter  Schwefel- 
säure und  40  Th.  destillirten  Wassers ,  erwärmt  vorsichtig  in  einem  Sandbade, 
fängt  die  Überdestillirende  verdünnte  Cyanwasserstoffsäure  in  einer  etwas  destillirtcs 
Wasser  enthaltenden  Vorlage  auf  und  verdünnt  nachher  durch  weiteren  Zusatz 
von  destillirtem  Wasser  bis  zur  gewünschten  Stärke. 

Bei  dieser  Darstell ungsmethode  gewinnt  man  übrigens  nicht  alles  im  Ferro- 
cyankalium  vorhandene  Cyan  als  Cyanwasserstoffsäure,  es  bleibt  vielmehr  ein  Theil 
desselben  als  eine  noch  nicht  eingehender  studirte  Verbindung  der  Zusammen- 
setzung 2  KCN  -f  Fe2  C,  N«   zurück ,   welche  von  der  verdünnten  Schwefelsäure 

Digitized  by  Google 


366  CYANWASSERSTOFF. 

nicht  weiter  zerlegt  wird,  so  dass  also  die  Umsetzung  erfolgt  nach  der  Gleichung : 
2  K4  Fe  C„  NB  4-  3  H2  S04  =  6  HCN  +  3  K3  SO,  4-  (2  KCN  +  Fe2  C4  NJ. 

Wttrde  man  statt  verdünnter  Schwefelsäure  concentrirte  zur  Destillation  benutzen, 
so  erhielte  man  eine  Entwicklung  von  reinem  Koblenoxydgas  nach  der  Formel: 
K,  Fe C„  N6,  3  H2  0  +  G  H2  SO,  +  3  H3  0  =  FeS04  4-  2  K8  SOt  4-  3  (NH4)3  S04  4- 6  CO, 
d.  h.  es  entweichen  6  Moleküle  CO,  wahrend  beziehungsweise  1 ,  2  und  3  Molekül 
Ferro-,  Kalium-  und  Ammoniumsulfat  im  Kolben  zurückbleiben. 

Diese  so  einfach  ausschauende  Reaction  ist  jedoch  wegen  der  dabei  stattfinden- 
den Zwischenvorgänge  eine  der  interessantesten  der  Chemie.  Die  wirkliche  Umsetzung 
dürfte  nämlich  folgendermassen  vor  sich  gehen.  Durch  die  Einwirkung  der  Schwefel- 
säure auf  das  Ferrocyankalium  bildet  sich  zunächst  Kaliumsulfat  und  Ferrocyan- 
wasserstoffsäure.  Diese  zerfällt  in  Blausäure  und  Ferrocyanflr,  welches  letztere  sich 
mit  der  Schwefelsäure  in  Ferrosulfat  und  Blausäure  umsetzt.  Jedes  Molekül  Blau- 
säure nimmt  bei  Gegenwart  der  starken  Schwefelsäure  2  Moleküle  Wasser  auf  und 
bildet  damit  ameisensaures  Ammonium.  Dieses  wiederum  zersetzt  sich  unter  dem 
Einflüsse  der  Schwefelsäure  in  Ammoniumsnlfat  und  Ameisensäure  und  letztere 
weiterhin  gleichfalls  durch  die  Wirkung  der  concentrirten  Schwefelsäure  in  Kohlen- 
oxyd und  Wasser.  Dieses  wechselseitige  Bilden  und  Zersetzen  findet  seinen  Aus- 
druck in  nachstehenden  Gleichungen : 

I.  K4FcC6Na  4-  2H3S04  =  H,FeC6Nd  4-  2K3S04; 
II.  H4  Fe  C„  N6  =  4  HCN  4-  Fe  C2  N3 ; 

III.  Fe  C2  N3  4-  H9  S04  =  2  HCX  +  Fe  SO,  ; 

IV.  6  HCN  4-  12  H„  0  =  6  CH  NH,  02 ; 

V.  6  CHNH,  03  4- "3  H2  SO,  =  H  CH2  0..  4-  3  (NHt)2  SO, ;  • 
VI.  6  CHa  03  =  6  CO  4-  6  H2  0. 
Bezüglich  der  Erkennung  und  Ermittelung  der  Cyanwasserstoffsäure  seien  einige 
der  üblichsten  Methoden  hervorgehoben: 

Man  macht  die  auf  Cyanwasserstoffsäure  zu  prüfende  Flüssigkeit  (Blausäurc- 
lösung  oder  Lösung  eines  Cyaniden)  mit  Natron-  oder  Kalilauge  stark  alkalisch, 
fügt  etwas  Eisenoxyduloxydlösung  hinzu,  respective  man  versetzt  mit  Ferrosulfat- 
lösung  und  fügt  dann  Eisenehloridlösung  hinzu  und  hierauf  Salzsäure  im  Ueberschuss. 
Ein  starker  Niederschlag  von  Berlincrblau  oder  bei  Spuren  von  HCN  eine  grün- 
liche Färbung  der  Flüssigkeit,  aus  der  erst  nach  längerer  Zeit  Flocken  von  Ber- 
linerblau sich  abscheiden,  beweist  die  Gegenwart  der  Blausäure. 

Hierbei  bildet  sich  durch  die  Einwirkung  der  Kalilauge  auf  die  Blausäure  Cyan- 
kalium,  welches  sich  mit  dem  Ferrosulfat  in  Kaliumsulfat  und  Ferrocyankalium  umsetzt, 
welches  letztere  dann  mit  dem  Eisenchlorid  die  Bildung  von  Berlinerblau  hervorruft : 

HCN  4-  KHO  =  KCN  4-  H2  0 ; 
6  KCN  4-  Fe S04  =  K4  FeC6  N,  4-  K.  S04 ; 
SK.FeC^N«  +  2FeaCl,=Fe4  (FeC„X0),  4-  12KC1. 

Berlinerblau 

Oder  man  fügt  zu  der  auf  Blausäure  zu  prüfenden  und  mit  Kalilange  neutrali- 
sirten  Flüssigkeit  etwas  gelbes  Schwefelammonium  hinzu,  erwärmt  bis  der  Geruch 
nach  Schwefelammonium  verschwunden  ist,  respective  verdunstet  bis  fast  zur 
Trockne,  nimmt  mit  etwas  Wasser  auf  und  versetzt  die  mit  Salzsäure  angesäuerte 
Lösung  mit  Eisenehloridlösung.  Eine  blutrothe  Färbung  beweist  die  Anwesenheit 
der  Cyanwasserstoffsäure.  Das  Cyankalium  geht  hierbei  in  Rhodankalium  über, 
das  mit  Eisenchlorid  Eiscnrhodanid  bildet,  welches  die  Flüssigkeit  blutroth  fftrbt: 

KCN  +  (N1I4)2  S.  =  KCXS  4-  (NH4)2  S ;  ' 
6  KCNS  +  Fe,  cC  =  Fes  (CNS),  +  6  KCl. 

Eisenrhodanid 

Diese  beiden  überaus  scharfen  Methoden  werden  in  fast  allen  Fällen  genügen  ; 
in  Specialfällen,  z.B.  beim  Nachweise  der  Cyanwasserstoffsäure  in 
toxikologischen  Fällen,  verfährt  man  nach  Erxst  Schmidt  zweckmässig, 
wie  folgt :   Eine  kleine  Probe  der  zerkleinerten  Untersuchungsobjecte  wird  mit 


Digitized  by  Google 


CYANWASSERSTOFF.  —  CYANWASSERSTOFFSAUBE  SALZE.  367 


Weinsäure  in  einem  weitmündigen  Kolben  angesäuert  nnd  letzterer  mit  einem  Stopfen 
verschlossen,  welcher  ein  je  mit  Kupfersulfatlösung  bestrichenes  Jodkaliumstärke - 
nnd  Guajakharzpapier  eingeklemmt  halt,  und  sodann  an  einem  massig  warmen  Ort 
einige  Zeit  beiseite  gestellt.  Tritt  nach  einigen  Stunden  keine  Blau-,  respective 
Violettfärbung  der  Reagenspapiere  ein,  so  ist  die  Abwesenheit  von  Blausäure 
oder  von  einem  Cyanide  (mit  Ausnahme  vonHgC2N2)  erwiesen.  Tritt  jedoch  eine 
Blaufärbung  ein,  so  ist  hierdurch  allein  die  Anwesenheit  von  HCN  noch 
nicht  festgestellt,  da  auch  Chlor,  Brom  etc.  die  blaue  Färbung  hervorgerufen 
haben  könnte.  Man  unterwirft  dann  einen  grösseren  Thoil  der  Untersuchungs- 
objecte  nach  der  Verdünnung  mit  Wasser  und  der  Ansüuerung  mit  Weinsäure  der 
Destillation  und  prüft  das  Destillat  nach  den  beiden  obigen  Methoden,  wobei 
zu  beachten  ist,  dass  hierbei  die  Rbodanreaction  allein  nicht  genügt,  da 
Spuren  von  Rbodauvcrbindung  sich  normal  im  menschlichen  Organismus  finden. 

Ist  man  in  der  Lage,  den  Nachweis  von  HCN  oder  von  einem  Cyanide  bei 
Gegenwart  von  Ferro-  oder  Ferricyankalium  führen  zu  müssen,  so  werden  letztere 
Verbindungen  aus  dem  wässerigen  Auszuge  zunächst  mittelst  einer  Ferri-,  respective 
Ferrosalzlösung  ausgefällt  und  dann  das  Filtrat  nach  dem  Ansäuern  mit  Wein- 
säure destillirt. 

Auf  die  Anwesenheit  von  Cyanquecksilber,  welches  durch  die  Weinsäure  nicht 
zerlegt  wird,  prüft  man,  indem  man  das  Untersuchungsobject  mit  heissem  Wasser 
auszieht  und  dann  den  Rückstand  mit  verdünnter  Schwefelsäure  destillirt. 

Um  den  Blausäuregehalt  eines  derartigen  Untersnchungsobjectes  quantitativ 
festzustellen,  unterwirft  man  einen  gewogenen  Theil  desselben  der  Destillation  wie 
oben  und  bestimmt  dann  im  Destillale  die  Blausäure  nach  einer  der  folgenden 
Methoden. 

Zur  gewichtsanalytischeu  Bestimmung  macht  man  die  Flüssigkeit  mit  reinem  Sal- 
miakgeist alkalisch,  versetzt  dann  mit  Silbernitratlösung  im  Ueberechuss  und  säuert 
mit  Salpetersäure  an.  Den  Niederschlag  von  AgCN  sammelt  man  auf  einem  ge- 
wogenen Filter,  wäscht  gut  aus,  trocknet  ihn  bei  100°  bis  zum  constanten  Ge- 
wichte und  berechnet  nach  der  Gleichung: 

AgCN: HCN 
134  :  27  =  gefund.  Menge  AgCN:X. 
Oder  man  bestimmt  maassanalytisch  mit  '/io  Normal  silberlösung,  indem  man  eine 
bestimmte  Menge  der  zu  prüfenden  Flüssigkeit  entsprechend  mit  Wasser  verdünnt, 
mit  einigen  Tropfen  Kalilauge  versetzt  und  nun  solange  unter  Umschwenken 
Silbernitratlösung  zufliessen  lässt,  bis  eben  eine  schwache  bleibende  Trübung  ent- 
steht. Diese  Bestimmungsmethode  beruht  darauf,  dass  sich  zunächst  lösliches  Cyan- 
gilber-Cyankalium  bildet,  welches  erst  in  dem  Momente  sich  zu  zersetzen  be- 
ginnt und  eine  Trübung  hervorruft,  wenn  die  Menge  von  1  Molekül  AgNOs  auf 
2  Molekül  KCN  überschritten  wird : 

2  KCN  +  Ag  N03  =  (Ag  CN  +  KCN)  +  KN03 ; 
(AgCN  +  KCN)  +  AgNOs  =  2  AgCN  +  KNO,. 

Man  hört  demnach  mit  der  Hinzufügung  der  Silberlösung  auf,  sobald  eine 
bleibende  Trübung  eintritt  und  hat  dann  durch  die  verbrauchte  Silberlösung  die 
Hälfte  der  vorhandenen  Blausäure  indicirt.  Da  1  cem  1  10  Normal-Silberlösung 
=  0.0027  g  HCN  ist,  so  sind  also  für  jedes  verbrauchte  1  cem  ljl9  Silberlösung 
0.0054  g  HCN  vorhanden. 

Eventuell  versetzt  man  die  zu   prüfende  Flüssigkeit  mit  Magnesiumhydroxyd 
und  Kaliumchromatlösung  als  Indicator;  s.  Acidum  hy droeyanicum. 

Jehn. 

CyanwaSSerStOffsaUre  Salze.  Cyanide.  CyanmeUlle.  Der  Cyanwasserstoft 
ist  eine  schwache,  den  Haloidsäuren  ähnliche  Säure,  deren  Salze  sich  fast  sämmt- 
lich  durch  ihre  Einwirkung  auf  Metalloxyde  oder  Hydroxyde  erhalten  lassen.  Sie 
sind  theils  farblos,  theils  gefärbt,  krystallinisch  oder  amorph,  theilweise  in  Wasser 

Digitized  by  Google 


368  CYANWASSERSTOFFSAURE  SALZE.  —  CYCLAMEN. 

i 

leicht' löslich  und  verbreiten  in  Lösung  den  Geruch  nach  Blausäure,  da  schon  die 
Kohlensaure  der  Luft  genügt,  um  Blausäure  in  Freiheit  zu  setzen.  Die  in  Wasser 
unlöslichen  Cyanmetalle  lassen  sich  auch  gewinnen  durch  Umsetzung  der  Alkali- 
cyanide  mit  den  wasserlöslichen  Salzen  der  betreffenden  Metalle.  Die  Cyanide  der 
Alkalien  und  der  alkalischen  Erden  sind,  bei  Luftabschluss  geglüht,  feuerbeständig, 
verwandeln  sich  aber  beim  Glühen  an  der  Luft  oder  bei  der  Behandlung  mit  Ozon 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  in  Cyanate,  während  die  anderen  Cyanmetalle  meist 
beim  Glühen  unter  Zurücklassung  von  Metall  oder  von  Kohlenstoffmetali  zersetzt 
werden.  J  e  h  n. 

Cyathea,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie  der  Filices ,  charak- 
terisirt  durch  die  auf  einem  säulen-  oder  kugelförmigen  Receptaculum  stehenden 
und  von  einem  becherförmigen,  nur  an  der  Spitze  offenen  Schleier  umgebenen 
Fruchthäufchen  (Sori).  Die  Cyatheen  sind  baumähnliche  Farne  mit  glattem  oder 
stacheligem  Stamme  und  grossen,  breiten,  2 — ttfach  gefiederten  Wedeln. 

Von  C.  medulläres  Sw.  auf  Neuseeland  wird  das  rübenähnlich  schmeckende, 
mit  einem  rothen  Safte  erfüllte  Mark  des  Stammes  geröstet  und  dient  dann  den 
Eingebornen  als  Nahrungsmittel.  Sydow. 

Cyathilim  (V.öxfro;,  ein  Schöpfgefäss)  heisst  die  von  einem  becherförmigen 
Involucrum  gestützte  letzte  Verzweigung  des  Blüthenstandes  bei  Euphorbia.  Früher 
hielt  man  allgemein  das  Cyathium  für  eine  Zwitterblüthe  mit  zahlreichen  Staub- 
gefässen  und  einem  oberständigen  Fruchtknoten.  R.  Brown  hat  aber  ^ezeifrt,  dass 
die  kelchartige  Hülle  ein  Hoehblatt-Involucrum  ist,  in  welchem  viele  männliche 
und  eine  weibliche  Blüthe  mit  rudimentären  oder  auch  ganz  fehlenden  Blüthen- 
hüllen  sitzen.  Jedes  der  articulirten  Staubgefässe  in  einer  sogenannten  Euphorbia- 
blüthe  ist  demnach  eine  c5  Blüthe,  der  gestielte,  dreiknopfige  Fruchtknoten  die 
9  Blüthe.  Dass  diese  Auffassung  die  berechtigte  ist,  geht  aus  der  Entwicklungs- 
geschichte, aus  den  bei  manchen  Arten  vorkommenden  Perigonbildungen  bei  den 
9  Blüthen,  endlieh  aus  den  Missbildungen  hervor. 

CyCadaCeae,  Familie  der  Gyinnoxpermae.  Holzgew/Ichsc  von  palmenartigem 
Wuchs,  vorzüglich  in  der  tropischen  und  subtropischen  Zone  der  südlichen  Halb- 
kugel. Der  anatomische  Bau  des  Stammes  und  die  Beschaffenheit  der  Samen  bringt 
die  Cyeadeen  den  Nadelhölzern  nahe,  andererseits  erinnern  sie  durch  die  spiralig 
eingerollten  jungen  Blätter  an  die  Farne.  —  Charakter :  Stamm  einfach ,  meist 
mit  Schuppen  und  den  Narben  abgefallener  Blätter  bedeckt.  Bliltter  holzig,  lederig, 
gross,  gefiedert  (fälschlich  als  Zweige  bezeichnet  ).  Blflthen  diöcisch,  nackt,  zapfen- 
förmig.  r$  Blüthen  nur  aus  zahlreichen,  neben  einander  sitzenden  Staubbeuteln 
bestehend;  9  Blüthen  aus  offenen,  2 — 6eiigen  Fruchtblättern  gebildet. 

S  y  d  o  w. 

Cycas,  einzige  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie  der  G ymnospermae . 
Es  sind  tropische  Bäume  mit  einfach  fiedertheiligen  Blättern,  deren  Abschnitte  nur 
einen  Mittelnerv  haben  nnd  in  der  Knospenlage  schneckenförmig  eingerollt  sind. 
Die  Blüthen  sind  diöcisch,  die  <3  seitenständig  mit  zahlreichen,  unterseits  die 
Pollensäcke  tragenden  Staubblättern,  die  Q  endständig,  aus  einer  Menge,  die  Samen- 
knospen tragenden  Fruchtblättern  gebildet. 

Einige  Arten  (Cycas  revoluta  Tlib<j.,  C.  circinalis  L.)  speichern  in  ihrem 
Marke  so  reichlich  Stärke,  dass  sich  die  Gewinnung  derselben  lohnt.  Sie  kommt 
als  Arrowroot  (s.  Bd.  1,  pag.  579 1  und  Sago  fs.  d.)  in  den  Handel. 
Die  jungen  Blätter  dienen  in  der  Heimat  dieser  sogenannten  „Palmen44  als 
Gemüse. 

Cyclamen,  Gattung  der  Pi'imulaceae,  ausgezeichnet  durch  ein  knolliges  Rhizom, 
aus  dem  langgestielte  Blätter  und  einzelne,  nickende,  schöne  Blüthen  entspringen. 
Die  verblühten  Stiele  rollen  sich  spiralig  zusammen,  so  dass  die  Kapselfrucht  auf 
den  Boden  zu  liegen  kommt. 

Digitized  by  Google  I 


CYCLAMEK.  —  CYDONIA. 


369 


Gyclamen  europaeum  L. ,  Alpenveilchen,  S  a  u  b  r  o  d ,  Erdscheibe, 
besitzt  ein  kuchenförmiges ,  ringsum  bewnrzeltes ,  innen  weisses  Rhizom ,  welchem 
vom  Volke  wurmwidrige  Eigenschaften  zugeschrieben  werden.  Es  enthalt  das  Gly- 
kosid Cyelaniin  (identisch  mit  Saladix's  Arthantin),  welches  zweifellos  giftig 
ist.  Ein  Decoct  von  8.0  des  frischen  Knollens  ruft  beim  Mensehen  schon  heftige 
Vergiftungserscheinungen  hervor.  Durch  das  Trocknen  wird  die  Wirksamkeit  ab- 
geschwächt. 

CyClamin,  CyClamiretin.  Das  Cyclamin  ist  ein  Glykosid,  welches  sich  in  den 
Knollen  von  Gyclamen  europaeum  L.  findet.  Man  stellt  es  dar,  indem  man  die 
Knollen  mit  6:"> — 70procentigem  Alkohol  auskocht,  die  so  erhaltenen  Auszüge 
coDcentrirt  und  der  Krystallisation  überlässt.  Das  nach  längerer  Zeit  sich  ab- 
scheidende Cyclamin  wird  durch  wiederholtes  Lösen  in  Alkohol  und  Behandeln 
mit  Thierkohle  gereinigt.  Es  bildet  ein  blendend  weisses  Pulver,  das  aus  rund- 
lichen Kugeln  besteht  oder  Körnern,  die  von  Kr>  stallnadeln  gebildet  werden.  Es 
ist  hygroskopisch,  löst  sich  in  absolutem  Alkohol  (1:71),  in  Amylalkohol,  Essigäther 
und  Glycerin,  ist  unlöslich  in  Chloroform,  Schwefelkohlenstoff,  Benzol  und  Petroleum- 
fither. Es  ist  geruchlos,  schmeckt  scharf  und  kratzend  und  sein  Staub  erregt 
heftiges  Niesen;  beim  Erhitzen  auf  200°  färbt  es  sich  braun  und  schmilzt  bei 
236°.  Die  wässerige  Lösung  ist  opalisirend,  schäumt  wie  Seifenwasser  und  erzeugt 
alkalische  Kupferoxydlösung  darin  einen  weissen  Niederschlag.  Concentrirte  Schwefel- 
säure löst  Cyclamin  mit  rother  Farbe  auf;  mit  viel  Wasser  verdünnt,  verschwindet 
die  Färbung  und  es  entsteht  ein  weisser  Niederschlag  von  Cyclamiretin.  Durch  Er- 
hitzen mit  Wasser,  mit  verdünnten  Säuren,  durch  Emulsin  spaltet  sich  das  Cyclamin 
in  Zucker  und  Cyclamiretin.  Der  Zucker  ist  nicht  krystallisationsfähig ,  rechts- 
drehend und  gäbrt  mit  Hefe.  Das  Cyclamiretin  ist  ein  weisser  amorpher 
Körper,  geruch-  und  geschmacklos,  unlöslich  in  Wasser,  löslich  in  Alkohol  und 
Aether.  Es  färbt  sich  mit  concentrirter  Schwefelsäure  violettroth.  Die  Formel  des 
Cyclamins  scheint  C!0  H34  O10  zu  sein.  v.  Schröder. 

Cyciopifl,  Gattung  der  Papilionaceae,  Unterfamilie  Podalyrieae :  am  Cap 
heimische  Sträucher  mit  dreizähligen  Blattern,  gelben  SehmetterlingsblUthcn  mit 
10  freien  Staubfäden ,  zusammengedrückten  lederigen  Hülsen.  —  Die  Blätter 
mehrerer  Arten  (C.  latifolia  DG.,  C.  galeoide*  DC,  G.  intermedia  Meyen  u.  A.) 
liefern  den  Capthee  (s.  Bd.  II,  pag.  541).  Am  bekanntesten  sind  die  Blätter 
von  C.  genütoides  DG.  (C.  terttifolia  Eckt,  et  Zcyh.).  Die  Blättchen  der  drei- 
zähligen Blatter  sind  ganz  umgerollt,  fast  nadeiförmig,  20 mm  lang,  kaum  1mm 
dick,  brüchig,  erweicht  lederig,  kahl,  einnervig.  Sie  schmecken  schwach  bitter- 
aromatisch  und  etwas  herbe  von  dem  in  ihnen  enthaltenen  Gerbstoffe.  Coffein  ent- 
halten sie  nicht,  wie  behauptet  wurde,  aber  das  Glycosid  Cyclo pin. 

Cyclopie  (xijxXwi,  der  Cyclop),  eine  Missbildung,  bei  welcher  in  der  Gegend 
der  Nasenwurzel  nur  ein  Auge  sich  befindet  und  darüber  das  Rudiment 
einer  Nase. 

Cyclopin,  ein  in  den  Blättern  von  Gyclopia  latifolia  DG.  und  verwandten 
Arten  enthaltenes  Glukosid  (nach  Greexish  :  C2ö  H28  013  +  Ha  0),  zerfällt  beim  Kochen 
mit  verdünnten  Mineralsäuren  in  Glukose  und  Cyclopiaroth  (C19  H22  Ol0). 
Neben  Cyclopin  ist  noch  ein  stickstofffreier  Schillerstoff  fCyclopinfluorosciu)  in 
jenen  Blättern  enthalten. 

CydOIlia,  Gattung  der  Rosaceae,  Abtheilung  Pomeae.  Bäume  oder  Sträucher, 
von  der  nächstverwandten  Gattung  Pirus  durch  die  in  jedem  Fache  zahlreichen, 
mit  Schleimhülle  versehenen  Samen  unterschieden. 

O ydonia  vulgaris  (Willd.)  Pers.  (Pirm  Cydonia  L.}  Cydonia  europaea 
Sav. ,  Sorbus  Cydonia  Crantz),  Quitte,  Coguassier,  Quince,  Kwee, 
in  den  transkaukasischen  und  südkaspischen  Ländern  bis  Südostarabien  heimischer, 

Kaal-BncyclopÄdle  der  g«.  Pb*nn»cie.  in.  24 

Digitized  by  Google 


370 


CYDONIA. 


durch  Persien  nach  Südeuropa  verbreiteter,  jetzt  in  Süd-  und  Mitteleuropa  und 
dem  Orient,  meist  der  essbaren  Früchte  wegen  oder  in  Anlagen  cultivirter  Baum 
oder  Strauch  mit  abstehenden,  braunen,  dornlosen  Aesten.  Blätter  alternirend,  kurz- 
gestielt (Stiel  weichhaarig),  eiförmig,  eiförmig-länglich  oder  verkehrt  eiförmig, 
ganzrandig,  oberseits  später  kahl,  Unterseite  zottig  graufilzig ;  Nebenblätter  laubig, 
eirund,  länglich  bis  lanzettlich,  drttsig-gesfigt.  Blüthen  (grösser  als  die  des  Apfels) 
kurz  gestielt,  einzeln  endgtändig,  von  Blättern  umgeben,  bis  7  cm  im  Durehmesser, 
mit  5  laubigen ,  oblongen ,  drüsig  gesägten ,  Unterseite  zottig  behaarten  Kelch- 
blattern und  weisser  oder  röthlichweisser,  Unterseite  schwach  behaarter,  5zähliger, 
in  der  Knospe  gedrehter  Corolle.  Androeceum  aus  20  Staubfäden  bestehend,  die 
in  drei  Kreisen,  einem  äusseren  zehnzähligen  und  zwei  5zähligen  inneren,  bestehen. 
Gynaeceum  unterständig,  aus  5  verwachsenen  Carpellea  mit  5  freien  Griffeln,  die 
Fächer  mit  zahlreichen,  aufsteigenden,  anatropen  Samenknospen  in  2  collateralen 
Reiben ;  zu  einer  sogenannten  Apfelfrucht  sich  entwickelnd,  die,  vom  vergrösserten, 
laubigen  'Kelche  bekrönt,  in  jedem  der  5  pergamentartigen  Fächer  6 — 15  (oder 
mehr)  Samen  enthält.  Die  Frucht  ist  plattrund,  an  der  Basis  verschmälert,  beider- 
seits genabelt  und  sehr  herb  bei  der  Var.  maliformis  Mill.,  der  Apfelquitte; 
bim  förmig,  unten  eingedrückt,  nur  auf  dem  Scheitel  genabelt  und  minder  herb 
bei  der  Var.  oblonga  Mill.,  der  Birnquitte;  birnförmig,  sehr  gross  und  ge- 
rippt bei  der  Vor.  lu»itanica  Med.,  der  portugiesischen  Quitte.  Ihre  Farbe  ist 
goldgelb,  gelb  oder  grünlichgelb,  punktirt,  oder  schwach  spinnwebig-filzig.  Der 
später  verschwindende  Filz  reibt  sich  aber  leicht  ab.  Die  Samen  sind  rothbraun 
und  mit  Schleimhülle  versehen. 

Fructus  Cydoniae,  Poma  Gydoniorum  (Ph.  Dan.,  Suec.,  Un.  8t.),  als 
Cydonia  exsiccata  ehedem  in  Verwendung  oder  zur  Darstellung  des  Extr.  Ferri 
cydoniati  benützt,  besitzen  in  der  Mittelschicht  viele  Steinzellengruppen  (Reste 
der  Drupa),  die  sich  zumal  gegen  das  Gehäuse  sehr  eng  zusammendrängen.  Die 
reifen  Quitten  sind  von  starkem,  angenehm-aromatischem  Geruch  und  herbem,  saurem, 
kaum  süsslichem  Geschmack,  das  Fleisch  ist  sehr  hart. 

Das  Aroma  der  Frucht  ist  nach  Wöhlkr  Oenanthäther ,  nach  R.  Waoner 
Aethylpelargonat.  Der  Fruchsaft  enthält  Zucker,  viel  Aepfelsäure  (3l/3  Procent, 
Riekher),  Pectin,  Gummi. 

Man  benützt  die  reife  Quitte  eingemacht  als  Compot.  Doch  wird  sie  auch  noch 
jetzt  bisweilen  getrocknet  in  der  Apotheke  gefordert  (gegen  Diarrhoe  etc.).  In 
Frankreich  ist  der  frische  Quittensaft  officinell,  ebenso  wie  das  Extr.  Ferri  cydo- 
niatum  und  ein  Syr.  Cydoniorum  (nach  Art  des  Kirschsaftes  dargestellt). 

S etnen  Cydoniae  8.  Cydoniorum  (Ph.  Germ.  I.,  Austr.,  Russ.,  Gall.,  Belg., 
Neerl.),  meist  zu  8 — 14  in  jedem  der  5  Fruchtfächer  in  zwei  Verticalreihen.  Sie 
sind  von  einer  schlüpfrigen  Haut  umgeben,  so  dass  die  in  einem  Fache  liegenden 
nach  dem  Eintrocknen  fest  zusammenbacken.  Auch  in  der  Droge  hängen  noch 
oftmals  mehrere  Samen  fest  aneinander. 

Getrocknet  sind  die  Samen  hart ,  spitz  und  verkehrt  eiförmig ,  halbherzförmig 
oder  fast  keilig,  in  der  Form  etwas  von  den  benachbarten  Samen  abhängig,  da 
sie  in  Folge  gegenseitigen  Druckes  einander  abplatten.  Von  dem  kleinen,  weissen, 
an  der  meist  zugeschärften,  dünneren  Spitze  liegenden  Hilum  (Ansatzstelle  dea 
Funiculus)  läuft  die  Raphe  als  ziemlich  gerader,  scharfer  Kiel  nach  dem  entgegen- 
gesetzten stumpfen  und  durch  einen  kaum  dunkler  gefärbten  etwas  erhöht 
gerandeten  Fleck  (der  Chalaza)  bezeichneten  Ende.  Der  der  Raphe  gegenüber- 
liegende Rand  beschreibt  eine  seichte  Curve.  Der  Rücken  des  Samens  ist  entweder 
gewölbt  oder  mehr  weniger  abgeflacht. 

Die  Länge  über»ehreitet  10  mm  nicht.  Aussen  sind  sie  rothbraun,  mit  einem 
zarten .  weiblichen  Häutchen  bedeckt  (daher  matt),  welches  trocken ,  spröde  und 
da  und  dort  abgesprungen  ist.  Dieses  Häutchen  bewirkt  ein  Schlüpfrig- 
werden der  Samen  beim  Eintauchen  in  Wasser.  Die  dünne  zerbrechliche  leicht  ab- 
springende Samenschale  umschliesst  den  Embryo,  der  aus  zwei  dicken,  plancon- 


Digitized  by  Google 


CYDONIA. 


371 


vexen,  ölig-fleischigen,  geäderten  (von  Gefässbundeln  durchzogenen),  wellenförmig 
zusammengelegten  Cotyledonen,  einer  kleinen  und  kurzen,  nach  unten,  gegen  das 
Hilum  gerichteten,  geraden  Radicula  und  einem  sehr  schmalen,  der  Samenschale 
fest  anhaftenden  Endosperm  besteht. 

Anatomisch  betrachtet,  zeigt  die  Samenschale  (unter  dickem  Glycerin,  beziehungs- 
weise Oel)  im  Querschnitt  zu  äusserst  eine  zarte  Cuticula,  darunter  die  helle,  stark 
tusaramengetrocknete ,   hell  und  durchsichtig  erscheinende  Epidermis  ohne  deut- 


Fi«r.  55. 


Querschnitt  durch  die  äussere  Partie  eines  Quittensamens. 
«Schleimepithel,  p  Piirnientschicht .,  u  innere  Samenhaut,  «Endosperm,  a  Cotyledon. 
Der  Inhalt  nur  in  einigen  Zellen  gezeichnet. 

liebe  Zellbegrenzungen  (Schleimschicht).    Setzt  man  Wasser  hinzu,  so  quillt  dfese 
Schicht  mächtig  (bis  0.170  mm)  auf  (Fig.  55).  Dabei  lösen  sich  die  nun  deutlich 
werdenden  cylindrischen  oder  schwach  bauchigen,  in  der  Oberflächenansicht  rund- 
lich eckigen,  palissadenartig  neben  einander  liegenden,  sich  stark  radial  streckenden, 
besondere  aussen  stark  verdickten  Zellen  wohl  auch  von  einander,  der  schleimige 
Inhalt,  durch  Umwandlung  der  secundären  Membranverdickungssohichten  in  Schleim 
(die  primäre  Membran  verschleimt  nicht)  entstanden,  zeigt  noch  häufig  deutliche,  oft 
wellenförmige  Schichtung.   Er  tritt,  bei  plötzlichem  Wasserzutritt  die  Membranen 

**T)igitized  by  Google 


372  CYDONIA. 

sprengend,  in's  Freie  und  löst  sich  im  Wasser.  Durch  dieses  Aufquellen  der  Epidermis 
erscheint  also  der  Quittensamo,  ebenso  wie  der  Lein  bei  Wasserzutritt  in  eine 
farblose  Schleimhülle  eingebettet.  Jod  färbt  dieselbe  schwach  gelb  bis  rosa,  später 
blau.  Mit  Jodschwefelsäure  wird  sie  blau.  Sie  verhält  sich  also  chemisch  anders 
als  die  des  Lein  (Flückiger).  Das  Schleimepithel  besteht  Anfangs  (im  Frflhsommer) 
aus  prismatischen,  schwach  radialgestreckten  Zellen,  die  an  dem  sich  entwickelnden 
Samen  bis  Ende  Juli  ihre  normale  Grösse  und  Form  erreicht  haben,  aber  noch 
dünnwandig  sind.  Erst  Anfang  August  beginnt  die  kappenförmige  Ablagerung  der 
Verdickungsschichten  an  der  Innenseite  der  Aussen  wände  der  Epidermiszellen,  die 
ziemlich  rasch  bis  zum  Grunde  fortschreitet,  so  dass  schliesslich  jede  Zelle  von 
den  bei  Berührung  mit  Wasser  verschleimenden  Verdickungsschichten  erfüllt  ist 
(Frank,  Luerssen). 

Unter  dieser  charakteristischen  Schleimschicht  folgt  eine  mehrreihige  Zone  dick- 
wandiger Sclereiden  mit  festem,  braunrothem,  gerbstoflartigem  Inhalt  (Pigment- 
schicht), Fig.  55,  p. 

Die  innere  Samenhaut  (is)  ist  knorpelig  und  besteht  aus  tangential  gestreckten,  sehr 
engen  und  collabirten  hellen  Zellen,  die  etwas  weiter  nach  innen,  innerhalb  des 
schmalen  Endosperms  wiederkehren.  Sowohl  in  den  quadratischeu  Zellen  des  Endo- 
sperms,  als  in  den  ebenso  gestalteten  der  Radicula,  als  den  mehr  radial  gestreckten 
der  Cotyledonen  findet  Bich  neben  fettem  Oel  reichlich  Aleuron  (Fig.  55),  dessen 
Körner  in  letzteren  grösser  sind  als  in  dem  Endoaperra  und  der  Radicula. 

Unzerkleinert  schmecken  die  Quittensamen  rein  fade,  schleimig  und  geben  mit 
Wasser  geschüttelt  einen  trüben  Schleim.  Mit  Wasser  zeretossen  liefern  sie  eine 
dicke,  schwach  nach  bitteren  Mandeln  riechende  und  schmeckende  Emulsion.  Sie 
enthalten  also  (ebenso  wie  die  Rinde  und  die  jungen,  frischen  Triebe)  Amygdalin, 
liefern  auch  ein  blausäurehaltiges  Destillat  (Stockmanx).  Lehmann  fand  auch  in 
Aepfelsamen  0.6  Procent  Amygdalin. 

Der  Schleim  ist  so  reichlich  vorhanden,  dass  noch  das  vierzigfache  Gewicht 
(der  Samen)  Wasser  dadurch  dick  schleimig  wird.  Man  kann  nahezu  20  Procent 
trockenen  Schleims  aus  den  Samen  erhalten  (Flückiger).  Der  Schleim,  von  Asche- 
bestaudtheilen  schwer  oder  gar  nicht  zu  befreien  (Frank,  Kirchner  und  Tollens) 
—  ursprünglich  enthält  er  etwa  10.4  Procent  davon  (Schmidt)  —  entspricht  im  asche- 
freien Zustande  der  Formel  C18  H39  014  =  (Ca  H10  05)s  —  HOa.  Verdünnte  Schwefel- 
säure führt  den  löslichen  Theil  des  Schleimes  in  Gummi  und  Oellulose,  endlich  in 
Zucker  über.  Salpetersäure  liefert  keine  Schleimsäure,  sondern  Oxalsäure  (Frank). 
Alkalien ,  Säuren ,  Metallsalze ,  Alkaloide  coaguliren  den  Quittenschleim,  Borax 
nicht,  Gerbsäure  verändert  nicht,  Alkohol  trübt,  Bleizucker  fällt  flockig  (Unter- 
schied von  Acacien-,  beziehungsweise  Carageenschleim),  Kreosotwasser  fällt  Quitten- 
schleim nicht,  wohl  aber  Gummi  und  Kirschgummischleim  (Reichenbach).  Vor 
völliger  Reife  enthalten  die  8amen  etwas  8tärke.  Fettes  Oel  ist  im  reifen  Samen 
reichlich  zu  finden. 

In  der  Asche  finden  sich  42  Procent  Phosphorsäure. 

In  den  Handel  gelangen  die  Quittensamen  hauptsächlich  aus  Südrussland,  Tene- 
riffa und  vom  Cap  (Flückiger).  Die  russischen  Samen  sind  voller,  fester  zusammen- 
hängend ,  von  fast  violettschwarzer  Farbe  und  besonders  reich  an  Schleim 
(Flückiger). 

Als  Verwechslung,  beziehungsweise  Fälschung,  werden  die  Samen  der 
Birne  und  des  Apfels  genannt.  In  der  Form  sind  sie  ähnlich,  doch  niemals  durch 
Druck  eckig  oder  zusammengedrückt,  auch  niemals  (da  in  der  Frnoht  isolirt)  mit 
einander  verklebt.  Sie  sind  viel  dunkler  braun,  glänzend  und  nur  sehr  wenig  schleimig. 
Ihr  Schleimepithel  ist  viel  schmäler :  Seine  Zellen  sind  nicht  oder  kaum  radial 
gestreckt. 

Die  ebenfalls  als  Fälschung  angegebenen  Rosinenkerne  sind  schon  durch  ihre 
Form  so  charakteristisch  unterschieden ,  dass  von  einer  Verwechslung  nicht  wohl 
die  Rede  sein  kann.  Zudem  besitzen  sie  eine  steinharte  Samenschale.  Hager  gibt 


Digitized  by  Google 


CYDONIA.  —  CYMOL 


373 


ata  Verfälschung  (bis  zu  50  Procent)  „die  Schale  einer  Frucht  von  brauner  Farbe 
oder  braun  gefärbt  und  schwach  weisglich  bestäubt"  au. 

Angewendet  werden  die  Quittensamen  nur  zur  Darstellung  des  Mudlago 
Gydoniae  seminum.  Tschircb. 

CyÜCOdaphne,  Gattung  der  Lauracsae,  charakterisirt  durch  das  sech^spaltige 
Perigon  mit  12  Staubgefässen  und  die  in  einer  becherförmigen,  ganzrandigen  Hülle 
sitzenden  Beeren.  Aus  den  Früchten  von  C.  sebifera  (?)  wird  ein  Fett,  das 
sogenannte  javanische  Tangkalla,  gewonnen. 

Cytllä  (xOax,  das  Schwellende,  auch  Fracht,  Same)  =  Trugdolde,  ist  ein 
Bim  benstand,  in  welchem  der  blühende  Hauptspross  von  vielen  tiefer  entspringenden, 
annähernd  gleich  starken  blühenden  Seitensprossen  flbergipfelt  wird.  Im  Habitus 
der  Dolde  ähnlich,  aber  von  ihr  wesentlich  dadurch  verschieden,  dass  die  Blflthen- 
stiele  nicht  aus  einem  Punkte  entspringen,  daher  ungleich  lang  sind.  —  Vergl.  Bd.  II, 
pag.  318. 

CyffibaläricL,  Scrofulariaceen-G^ttang  Rüpp's,  synonym  mit  Linaria  Tourtief. 
Herba  Cymbalaria?,  auch  Umbilicus  Veneris  genannt,  stammt  von  Linaria 
Cymbalaria  MM.  (Antirrhinum  Cymbalaria  L.).  Sie  ist  obsolet. 

Cymen,  %.  Cymoi. 

CyiTlinum,  dem  griechischen  jcjjaivov  nachgebildeter  Name  für  0  um  i  n  n  m  <s.  d.). 

Cymogen  ist  der  am  leichtesten  flüchtige,  bei  normaler  Temperatur  gasförmige 
ßestandtbeil  des  amerikanischen  Erdöls.  Er  ist  nur  durch  grossen  Druck  zu  ver- 
dichten und  bildet  dann  eine  farblose ,  leicht  bewegliche  Flüssigkeit ,  welche  bei 
0°  siedet  und  zur  Fabrikation  von  künstlichem  Eis  Verwendung  findet. 

Gans  wind  t. 

Cymol,  Methylpropylbenzol ,  Cc  H4  .  CH8  .  C,  H;.  Von  den  sechs  der  Theorie 
nach  möglichen  Metbylpropylbenzolen,  welche  säramtlieh  den  Namen  Cymol  führen, 
sind  fünf  bekannt,  nämlich  das  Ortho-,  Meta-  und  Paramethylpropylbenzol  und  das 
Meta-  und  Paraisopropylbenzol  oder,  wie  man  sie  abgekürzt  bezeichnet,  das  o-,  m-, 
p-Cymol,  m-  und  p-Isocyraol.  Meist  versteht  man  unter  Cymol  das  p-Cymol. 

Dasselbe  findet  sich  in  vielen  ätherischen  Oelen,  so  im  Oel  von  Cuminum 
Cyminum,  dem  römischen  Kttmmelöl,  in  welchem  es  auch  von  Gerhardt  und 
Cahours  zuerst  aufgefunden  wurde. 

Synthetisch  erhalt  man  es  aus  p-Bromtoluol,  normalem  Propyljodid  und  Natrium 
nach  der  Gleichung :  C„  H,  .  CHS  .  Br  +  C3  H;  J  -f  Na,,  =  C6  H4  .  CHS  .  C3  H7  4- 
NaJ  +  NaBr. 

Zu  seiner  Darstellung  behandelt  man  am  besten  Campher  mit  wasserentziehen- 
den Mitteln,  z.  B.  Phosphorsäureanhydrid. 

Cl0  H10O—  HsO  =  C10Hu 
Cainphcr  Cymol. 

Die  Terpene,  welchen  die  Formel  C10  HJfl  zukommt,  geben  bei  der  Behandlung 
mit  wasserstoffentziehenden  Mitteln  (Brom,  Jod)  in  Cymol  über.  Auch  aus  Thymol 
und  Cuminalkohol  lässt  sich  Cymol  darstellen. 

Cymol  ist  eine  farblose  Flüssigkeit  von  Q.8.VJ5  spec.  Gew.  bei  15°,  welche  bei 
175"  unzersetzt  destillirt. 

Ks  gibt  charakteristische  Absorptionsstreifen ,  welche  zu  seinem  Nachweise  in 
Terpenen  dienen  können. 

Innerlich  genommen  wird  es  zu  Curainsäure  CB  H4  .  C,  H7  .  COOH  oxydirt  und 
mit  dem  Harn  ausgeschieden;  im  Hundeharn  findet  sich  nach  dem  Genüsse  von 
Cymol  Cuminursänre,  C12  HJ5  N03. 

Man  kennt  eine  Anzahl  von  Chlor-,  Brom-,  Nitro-  und  Amidoderivaten  des 
Cymols,  die  ebenso  wie  das  Cymol  selbst  bisher  keine  technische  Anwendung  finden. 

Benedikt. 


Digitized  by  Googl« 


374  CYNANCHDi.  —  CYNOGLOSSUM. 

Cynanchin,  Cynanchocerin.  Finden  sich  in  dem  Milchsaft  von  Cynanchum 
acutum.  Das  Cynanchocerin  bildet  platte,  lanzettförmige  Nadeln.  Schmelzpunkt 
145 — 146°.  Löst  sich  leicht  in  Aether,  Chloroform  und  heissem  Alkohol,  wenig 
in  kaltem.  In  Alkalilaugen,  starker  Salz-  und  Salpetersäure  ist  es  unlöslich.  In 
ooncentrirter  Schwefelsäure  löst  es  sich  mit  gelber  Farbe,  welche  beim  Erwärmen 
dunkler  wird  und  dann  im  reflectirten  Licht  grüne  Fluorescenz  zeigt.  Das  Cynan- 
chin  bildet  grosse,  breite  glänzende  Blättchen,  die  bei  148 — 149°  schmelzen, 
verhält  sich  sonst  wie  Cynanchocerin.  v.  Schröder. 

Cynanchol.  ein  Phenol  von  der  Formel  Cl6  H24  0  (?).  Kommt  im  Milchsaft 
von  Cynanchum  acutum  L.  vor  und  wird  aus  diesem  als  weiches  Harz  gewonnen. 
Bei  wiederholtem  Umkrystallisiren  aus  Alkohol  trennt  es  sich  (nach  Hesse)  in 
Cynanchocerin,  platte,  Nadeln  und  Cynanch  in,  breite  Blätter.  Die  sonstigen 
physikalischen  Eigenschaften  Bind  genau  dieselben.  Ganswind t. 

Cynanchum,  Gattung  der  Asclepiadeae.  Windende  Kräuter  mit  gegen- 
ständigen Blättern  und  achselständigen  Infloresccnzen.  Corolle  mit  doppelter 
Nebenkrone,  die  äussere  röhrig,  die  innere  aus  5  Schuppen  gebildet.  Fruchtkapseln 
glatt,  Samen  beschopft. 

Cynanchum  acutum  L.,  ein  im  nördlichen  Mediterrangebiete  heimisches  Kraut 
mit  flaumigem  Stengel ,  kleinen  Blättern  und  zweitheiligen  Trugdolden .  enthält 
gleich  verwandten  Arten  einen  scharfen  Milchsaft. 

Cynanchum  ist  pharniakognostisch  synonym  mit  Vincetoxicum  (&,  d.). 

Cynapitl.  Diesen  Namen  erhielt  ein  Alkaloid  ans  Aelhusa  Cynapium  L., 
dessen  Eigenschaften  sehr  wenig  untersucht  sind.  v.  Schröder. 

Cynara,  Gattung  der  Compositae,  Unterfatnilie  Cardueat.  Stachelige  Kräuter 
mit  grossen  fiederschnittigen  Blättern  und  einzelnen  endständigen  Blüthenköpfen, 
deren  Blüthen  sämnitlich  zwitterig ,  Achflncn  vierkantig,  von  federigem  Pappus 
gekrönt  sind.  Einige  Arten  werden  als  Gemüsepflanzen  cultivirt.  Die  Blätter  der 
Artischoke  (Cynara  Scolymus  L.)  gelten  beim  Volke  als  Diureticum. 

CynipS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie  der  Hymenoptera,  charakterisirt 
durch  den  mehr  oder  weniger  zusammengedrückten,  anhängenden  oder  gestielten, 
nie  metallisch  gefärbten  Hinterleib,  Vorderflügel  ohne  Randmal,  mit  6 — 8  ge- 
schlossenen Zellen,  Fühler  gerade,  höchstens  IGgliederig.  Die  Gallwespen  erzeugen 
an  verschiedenen  Pflanzen  Gallen,  in  welchen  ihre  Larven,  oft  aber  auch  die 
fremder  Arten  (Inquilinae),  leben.  —  Vergl.  Gallen. 

Cynodon,  Gattung  der  Gramineae,  Unterfamilie  Chlorideae,  charakterisirt 
durch  in  den  Knospen  gerollte  Blätter,  von  der  Seite  her  zusammengedrückte 
Aehrchen,  gewöhnlich  nur  aus  einem  9  Böiglein  bestehend,  alternirend  und  eine 
einseitige  Aehre  bildend.  —  Die  Aehren  des  im  Mittelmeergebiete,  stellenweise  auch 
bei  uns  vorkommenden  Cynodon  Dactylon  Pers.  sind  zu  3 — 6  doldig  zusammen- 
gestellt (daher  Fingergras).  Seine  bis  meterlangen  Wurzelausläufer  werden 
als  Rhizoma  Gynodontis  s.  Graminis  italici  s.  Graminis  Dactyli  im  südlichen 
Europa  ebenso  verwendet  wie  bei  uns  Radix  Graminis  von  Triticum  rcpens. 

Cynogl 0SSUI71.  Gattung  der  Asperifoliaceae.  Haarige  Kräuter  mit  altern  iren- 
den  Blättern  und  blauen  oder  violetten  Blüthen  in  blattlosen  Inflorescenzen.  Der 
röhrige,  fünftheilige  Kelch  bleibt  bei  der  Fruchtreife  unverändert ;  der  Schlund  der 
trichterigen  Blumenkrone  ißt  durch  5  Klappen  verengt,  am  Grunde  befinden  »ich 
4  eiförmige,  vom  Rücken  her  flachgedrückte,  weichstachelige,  dem  Griffel  ange- 
wachsene Nttssehen. 

Cynoglossum  officinale  L.,  Hundszunge,  Venusfinger,  Lieb- 
äuglein, ist  (3,  besitzt  eine  walzlich-spindelige  Wurzel,  zottigen  Stengel,  ganz- 
in  den  Blattsiel  verlaufende,  nach  oben  sogar  halbumfassende,  mehr  oder 


Digitized  by  Google 


CYN'OGLOSSUM.  —  CTPRINU3  BARBUS. 


375 


weniger  behaarte  Blätter  und  in  einseitigen  Trauben  schmutzig  blutrothe  Blüthen 
mit  purpurnen  Schlundklappen. 

Die  ganze  Pflanze  hat  einen  widerlichen  Mausegeruch,  der  «ich  aber  beim 
Trocknen  verliert.  Sie  soll  ein  dem  Curare  ähnlich  wirkendes  Alkaloid  enthalten 
(Buchheim). 

Die  Wurzel  (im  Herbat  gesammelt)  und  das  blühende  Kraut  (Mai,  Juni)  waren 
als  Nervina  in  Verwendung;  jetzt  sind  sie  obsolet. 

Cynomorilim,  Gattung  der  Balanophoreae,  in  Europa  nur  durch  eine  Art  ver- 
treten, durch  das  im  Mittelmeergebiete  auf  Sträuchern  schmarotzende,  im  Habitus 
an  einen  rothen  Pilz  erinnernde  Gynomorium  coccineum  L.  Es  war  früher  als 
Fungus  meläensi's,  Hundsruthe,  gegen  Blutungen  in  Verwendung. 

CynOreXie  (*vu>v,  Hund  und  pjjyvujM,  bersten),  Ileisshunger.  — S.  Bulimie, 
Bd.  II,  pag.  416. 

CynOrrhoda  0d6r  CynOSbata  sind  die  als  Hagebut  ten  bekannten  Früchte 
von  Rosa  canina  L.  Es  sind  eigentlich  die  beerenartig  ausgewachsenen,  bei  der 
Reife  scharlachrothen  Receptacula,  in  welchen  die  zahlreichen  Achaenen  (fälschlich 
für  Samen  gehalten)  sitzen. 

Man  beuützt  sie  als  Zuckerconfeet,  kaum  mehr  als  Heilmittel.  Angeblich  werden 
sie  auch  zu  einem  Kaffeesurrogat  verarbeitet. 

Cyperaceae,  Familie  der  Glumißorae.  Grasartige,  über  die  ganze  Erde  ver- 
breitete Gewächse.  Sie  unterscheiden  sich  von  den  echten  Gräsern  (GramineaeJ 
sofort  durch  völlig  knotenlose  Halme,  die  meist  3zeiligen,  mit  geschlossenen 
Scheiden  versehenen  Blätter  und  das  fehlende  Blatthäutchen.  Die  Mehrzahl  der 
2000  Arten  findet  sich  zwischen  den  Wendekreisen,  wo  sie  oft  wiesenbildend  die 
Stelle  der  Gramineen  vertreten.  Die  kältere,  gemässigte  und  kalte  Zone  sind  durch 
den  Arten-  und  Individuenreichthnm  gewisser  Gattungen  ( öarex,  Eriophorum)  aus- 
gezeichnet. Sie  sind  es,  welche  als  „saure  Gräser"  allgemein  bekannt  sind.  — 
Charakter:  Halm  meist  3kantig,  ohne  Knoten.  Blätter  meist  3zeilig,  mit  geschlos- 
senen, röhrigen  Blattscheiden,  ohne  Blatthäutchen.  Blüthen  zwitterig  oder  einge- 
schlechtlich, mit  Deckspelze,  aber  ohne  Vorspelze.  Perigon  fehlend  oder  borsten- 
förmig.  8taubgefässe  3,  frei.  Griffel  1.  Narben  2—3.  Frucht  nusRartig,  oft  3kantig. 
Man  unterscheidet  2  Hauptgruppen : 

a)  Cariceae:  Blüthen  ein-  oder  2häusig,  Perigon  fehlend.  Ö  Aehrchen  einfach, 
9  zusammengesetzt  aus  lblflthigen  Aehrchen,  welche  vom  Vorblatt  „Utriculus" 
eingeschlossen  sind. 

b)  Scirpeae:  Blüthen  meist  zwitterig.    Perigon  öfter  vorhanden.  Aehrchen 
mehrblüthig.  Sydow. 

CyperUS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie,  eharakterisirt  durch 
zwitterige,  dichte  Inflorescenzen  bildende  Blüthen,  welche  kein  Perigon,  meist 
3  Staubfäden  und  dreinarbige  Griffel  besitzen  und  sich  zu  dreikantigen  Früchten 
entwickeln.  Die  Rhizome  einiger  Arten  sind  geniessbar  (Erdmandeln)  und  wurden 
früher  auch  als  Heilmittel  angewendet,  so  die  Rhizome  von  Cyperus  esculentus  L. 
als  Bulbuli  Thrasi  s.  Dulcina  und  die  Rhizome  von  C.  longus  L.  und  C.  rotun- 
dus  L.  Die  letzteren  kommen  auch  als  falscher  Galgant  vor  (Hager). 

CypervitnOl  ist  Kupfervitriol. 

Cyphomandra,  Gattung  der  Solanaceae.  Gruppe  Eusolaneae.  —  Auf  Jamaica 
wird  C.  betacea  Sendtn. ,  der  sogenannte  Tomato-Baum,  seiner  geniessbaren 
Früchte  wegen  cultivirt. 

CypreSSenthee;  meist  wird  dafür  Herba  Melissae  dispensirt. 

CyprinUS  BarbUS  (homöopathisch),  die  im  Monat  Mai  aus  dorn  Rogen  der 
Barbe  (Cyprinus  Barbus  L.)  bereitete  alkoholische  Tinctur. 

Digitized  by  Google 


376  CYPR10NSALZ.  —  CYSTICERCUS. 

CypriOnsalZ  ist  eine  Mischung  von  schwefelsaurem  Kupferoxydammoniak  mit 
unterseh wefligsaurem  Natron  und  findet  seine  hauptsächlichste  Verwendung  in  der 
Feuerwerkerei  zur  Erzielung  blauer  Farbeneffeete. 

Cypripedium,  Gattung  der  naeh  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Orchidaceae, 
charakterisirt  durch  das  horizontale  Rhizoin,  die  schuhförmig  aufgeblasene  Honig- 
lippe, die  kurze,  3spaltige  Griffelsilule ,  welche  seitlich  2  fruchtbare  Staubgefässe, 
in  der  Mitte  ein  blumenblattartiges  Staminodium  trägt. 

Cypripedium  pubescens  Willd.  vund  G.  paruiflorum  Salisb.,  zwei 
gelbblüthige  nordamerikanische  Arten,  sind  von  Ph.  ün.  St.  aufgenommen. 

Ihre  Rhizome  gelten  als  Nervenmittel.  Mitunter  hat  man  sie  der  Senega  bei- 
gemengt gefunden.  Sie  sind  nur  auf  der  Unterseite,  hier  aber  sehr  reich  bewurzelt. 
Die  Kernscheide  ist  nach  Schrenk  immer  vorhanden,  aber  oft  so  schwach  ent- 
wickelt, dass  sie  mikrochemisch  nachgewiesen  werden  muss.  Meist  sind  jedoch 
die  Endoderrnnzellen  stark  verdickt,  und  zwar  allseitig  oder  hufeisenförmig  nach 
innen,  im  ersten  Falle  mit  dünnwandigen  Zellen  untermischt. 

CyprilS  antiqiJOriim  ist  Lawsonia  alba  Lam.,  die  echte  Alk  an  na  (s.Bd.  I, 
pag.  834). 

CyrillO-Htlfeland'SChe  Salbe  ist  ein  Gemisch  aus  3  Th.  Hydrargyrum 
lichloratum  corros.,  3  Th.  Ammonium  chloratum  und  24  Th.  Adeps. 

Cyste  fruOTtt,  Blase),  eine  blasen  förmige  Geschwulst  mit  verschiedenem  Inhalt. 
S.  Balg,  Bd.  II,  pag.  122. 

CyStiden,  eigenthttniliche,  bei  der  Fruchtbildung  der  Agaricineae  und  Poly- 
poreae  beobachtete  Zellen,  welche  in  geringer  Zahl  zwischen  den  Basidien  auftreten 
und  mehr  oder  weniger  weit  über  die  Hymenialflache  hervorragen.  Sie  sind  von 
verschiedener,  blasen-,  keulen-,  flaschen-,  cylinder-  oder  haarförmiger  Gestalt.  Ob 
und  welche  Bedeutung  sie  haben,  ist  zur  Zeit  nicht  bekannt.  Man  vermuthet  in 
ihnen  nur  einfache  Haarbildungen  (vergl.  Bd.  II,  pag.  164,  Fig.  35;.  Sydow. 

Cysticercus,  ehemalK  eiue  Gattung  der  Blasenwürmer  (Cystica),  jetzt  als  Ent- 
wicklungsforin  im  Generationswechsel  der  Ccstoden  erkannt.  Sie  Ist  vor  den  übrigen 
Blasenwürinern  dadurch  ausgezeichnet,  dass  jede  Blase  nur  einen  Kopf  trägt. 
Von  den  bekannten  Arten  ist  als  Parasit  des  Menschen  und  des  Schweines  am 
wichtigsten : 

Cysticercus  cellulosae  R.,   die  Schweinsfinne,   schon  von  GöZK 
und  PabRICIUS  als  Ammenthier  der  Taenia  Solium  L.  erkannt.  Sie  wird  10  mm 
lang,    am   Rnstellum   des  Kopfes  befinden  sich 
26  Haken  in  2  Reihen.    Nicht  selten  wird  diese  FiS-  56 

Finne  in  Irrenhiluseru  gefunden,  wo  die  an  Band- 
wurm leidenden  Kranken  sieh  mit  ihren  eigenen 
Proglottiden  inficiren.  Durch  die  Düngung  der 
Küehengürten  können  Bandwurmeicr  auf  den  Salat 
gelangen,  so  kann  ein  Mensch  auch  durch  den 
Genuss  rohen  Salates  Finnen  bekommen. 

Der  Cysticercus,  aus  welchem  Taenia  medio- 
canelfata  h  in.  entsteht .  bewohnt  die  Muskeln 
und  die  inneren  Organe  des  Kindes.  Er  ist  etwas 
kleiner  und  hat  einen  dicken,  hakenlosen  Kopf. 

In  der  Leiche  einer  Amerikanerin  wurde  der  c^ti* 
Cysticercus  von  Taenia  acanthotnas  WM.  ge-  ^ÄHESM?  V§E» 
funden.  Sein  Kopf  besitzt  einen  dreifachen  Kranz  Le  uckart.4maf  vergrößert, 
schlanker  Haken. 

Cysticercus  visceralis  Ii.,  das  Ammenthier  der  Taenia  marginata  Butsch., 
ist  sehr  jrrnss,  die  Blase  gegen  den  Kopf  hin  ausgezogen.  Lebt  im  Schweine  und 
Kinde,  soll  aber  auch  im  Menschen  gefunden  worden  sein. 


Digitized  by  Google 


CYSTIN. 


377 


Cystin,  c,  h7  xsoa,  eine  in  seltenen  Fällen  Blasensteine  bildende,  aueh  gelöst 
im  Harne  vorkommende  Substanz,  welche  von  ihrem  Entdecker  Wollastox  als 
Cysticoxyd  bezeichnet  wurde.  Möglich,  dass  das  Cystin  die  Muttersubstanz  des 
als  Componente  der  Tauroeholsäure  der  Galle  bekannten  Taurins,  Ca  H7  NSOa,  ist, 
aus  welcher  dieses  durch  Oxydation  entsteht.  Bezüglich  der  Erkennung  der  Cystin- 
steine  s.  Blasensteine,  Bd.  II,  pag.  276.  Im  Harnsedimente  erscheint  das  Cystin 
unter  dem  Mikroskope  in  farblosen  glänzenden  sechsseitigen  Tafeln  oder  Prismen 
(Fig.  57 Es  ist  unlöslich  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether,  leicht  löslich  in  Lösungen 
der  Aetzalkalien,  in  Mineralsäuren  und  in  Oxalsäure ;  aus  sauren  Lösungen  ist  es  durch 
saures  kohlensaures  Ammon,  aus  alkalischen  durch  Essigsäure  und  durch  Wein- 
säure fällbar.  Die  Fällbarkeit  des  Cystins  aus  sauren  und  aus  alkalischen  Lösungen 
erklärt  die  Möglichkeit  des  Vorkommens  dessell)en  sowohl  im  Sedimente  des  sauren 
als  des  alkalischen  Harnes.  Aus  saurem  Harne  fällt  es  nach  Zusatz  von  Essigsäure, 
wenn  vorhanden,  nach  10 — 12  Stunden  in  Form  eines  feinen  Pulvers,  zugleich 
mit  L' raten,  Harnsäure  und  oxalsaurem  Kalk  gemengt,  nieder.  ( 'ystinhältige  Harne 
zeichnen  sich  durch  eine  blassgelbe  Färbung  aus ,  im  Verlaufe  der  alkalischen 
Uährung  entwickeln  sie  einen  Geruch  nach  Sehwefelanimon.  Das  Cystin  zeigt 
folgende  Reactioncn: 


Fig.  57. 


C  y  s  t  i  n  k  r  y  a  t  a  1[1      Vergrösser  un?  2?5f tob. 


1.  Eine  Probe  mit  einer  Lösung  von  Bleioxydkalium  gekocht,  zeigt  Schwärzung, 
von  Schwefelblei  herrührend,  )>ei  gleichzeitiger  Bildung  von  Ammoniak.  2.  Löst 
man  Cystin  in  Kalilauge  unter  Erwärmen  und  versetzt  man  die  erkaltete  und  mit 
W.-Kser  verdünnte  Lösung  mit  Nitroprussidnatrium,  so  erhalt  man  die  für  Schwefel- 
alkalien charakteristische  Violettfärbung.  3.  Auf  Platinblech  erhitzt,  schmilzt  (  ystin 
nicht,  sondern  verbrennt  mit  blaugrüner  Flamme  und  Entwicklung  eines  scharf 
sauren,  an  Blausflure  erinnernden  charakteristischen  (Jemens. 

Zur  Bestimmung  des  im  Harn  gelösten  Cystins  werden  3 — 500  cem  Urin 
mit  20  cem  2()proeentiger  Essigsäure  versetzt.  Das  nach  24  Stunden  abgeschiedene 
Sediment  wird  auf  einem  aschefreien  Filter  gesammelt,  mit  verdünnter  Essigsäure 
und  mit  heissem  Wasser  gewaschen,  getrocknet  und  gewogen.  Nach  dem  Wägen 
wird  das  Filter  wieder  auf  den  Trichter  gebracht  und  mit  einigen  Tropfen  verdünnter 
Salzsäure  das  Cystin  gelöst,  dann  wieder  getrocknet  und  gewogen,  die  Differenz 
aus  heiden  Wägungen  wird  als  Cvstin  berechnet.  Entsprechend  dem  oben  beschrie- 
benen Gehalt  des  Niederschlages  an  oxalsaurem  Kalk  wird  wegen  der  l'nlöslichkeit 
derselben  in  Essigsäure  bei  dieser  Bestimmung  ein  kleines  Plus  des  Cystins  resultiren. 


Digitized  by  Google 


378 


CYSTIN.  —  CYTISIN. 


Das  Vorkommen  von  Cystin  im  Harne  wird  als  Cystinurie  bezeichnet,  diese 
wurde  in  sehr  seltenen  Fällen  bei  Kindern  und  bei  Erwachsenen  beobachtet.  Ueber 
die  Ursachen  des  Erscheinens  des  Cystins  als  anomalen  Stoffwechselproductes  im 
Harn  ist  nichts  Bestimmtes  bekannt.  Die  Affection  kann  Jahre  lang  mit  zeitweiligen 
Unterbrechungen  andauern,  sie  ist  insbesondere  von  Bedeutung,  weil  das  Cystin 
sehr  leicht  zur  Bildung  von  Blasensteinen  Anlass  gibt.  Loebisch. 

CyStitiS  (xucjTt;,  die  Bl  ase)  ist  ein  Catarrh  der  Harnblasenschleimhaut,  kurzweg 
auch  Blasencatarrh  genannt.  Beim  Blasencatarrh  ist  der  Harn  fast  immer  trübe 
und  enthalt  reichlich  Schleim.  So  lange  der  Harn  sauer  reagirt,  findet  man  im 
8edimente  farblose  und  rothe  Blutkörperchen  und  Blasenepithelien.  Häufig  wird 
jedoch  der  Harn  schon  in  der  Blase  alkalisch.  Das  Sediment  des  alkalischen  Harnes 
enthält  natürlich  alle  Stoffe,  welche  nur  im  sauren  Harne  gelöst  bleiben  können; 
man  findet  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  phosphorsaure  Ammoniakmagnesia 
(Tripelphosphat)  in  sargdeekelförmigen  Krystallen,  saures  harnsaures  Ammoniak  in 
kugeligen  Gebilden  von  bräunlicher  Farbe,  welche  mehr  oder  minder  zahlreiche 
Fortsätze  aussenden  (Steehapfelform) ,  kohlensauren  und  phosphorsauren  Kalk  in 
amorphen  Körnern  und  Schollen  und  zahlreiche  Schizomyceten.  Enthält  der  alkalische 
Harn  gleichzeitig  Eiter,  so  nimmt  das  Sediment  eine  fadenzichende,  gunimi-  oder 
leiniähnliche,  an  Hühnereiweias  erinnernde  Beschaffenheit  an,  dieselbe  wird  beson- 
ders deutlich,  wenn  man  den  Harn  in  ein  anderes  Gefäss  übergiesst.  Die  Erscheinung 
beruht  darauf,  dass  die  Eiterkörperchen  unter  dem  Einflüsse  des  kohlensauren 
Ammoniaks  eine  eigentümliche  Quellung  erfahren,  welche  sich  auch  im  mikro- 
skopischen Bilde  deutlich  ausspricht. 

Der  BlanencatArrh  wird  auch  als  Cystitis  catarrhalis  unterschieden  von  der 
wahren  Entzündung  der  Blasenschleimhaut:  Cystitis  cruposa,  bei  welcher 
Entzündungsmembranen  auf  der  Blasenschleimhaut  aufliegen,  und  Cystitis  diph- 
tkeritica,  welche  mit  diphtherischem  Zerfall  der  Blasenschleimhaut  einbergeht. 

CyStOÜthen,  s.  Blasensteine,  Bd.  II,  pag.  275. 

CystOSetra,  Gattung  der  Algenfamilie  Fucaceae ,  charakterisirt  durch  eylin- 
drische ,  reihenweise  Luftblasen  führende  Aeste ,  welche  einen  stark  verzweigten 
Thallus  bilden.  Ihre  Arten  bilden  einen  Bestandteil  de*  Hdminthochorton. 

CytinilS,  eine  Gattung  der  Rafflesiaceae,  im  südlichen  Europa  durch  den  auf 
Cistus- Arten  schmarotzenden  Cytinus  Hypocistü  L.  vertreten,  einer  spannenlangen, 
schuppigen,  blattlosen  Pflanze  mit  monöcischen  Blüthen  und  vielsamigen,  fleischigen 
Früchten.  Der  Saft  der  ganzen  Pflanzen  oder  der  Beeren  kam  früher  als  Succtis 
Bypocistidis  in  Form  schwarzrother  Kuchen  in  den  Handel  und  wurde  als  Ad- 
stringens verwendet. 

CytiSin,  C2 ,  H27  N3  0.  In  den  reifen  Samen  des  Goldregens ,  Cytisus 
Labumum,  in  kleinerer  Menge  auch  in  den  BlUthen  und  Blättern.  Auch  andere 
Cytisus-Arten  enthalten  es. 

Zur  Darstellung  wird  ein  wässeriges  Extract  aus  den  gröblich  gepulverten 
Samen  unter  Zufügung  von  etwas  Schwefelsäure  gemacht,  mit  Kalk  beinahe  neu- 
tralisirt,  abfiltrirt  und  das  Filtrat  mit  Bleiessig  versetzt.  Nach  Entfernung  des 
überschüssigen  Bleies  mit  Schwefelsäure  und  Neutralisiren  mit  Soda  fällt  man  das 
Cytisin  mit  Gerbsäure  aus.  Letztere  Fällung  wird  mit  Bleioxyd  in  der  Warme 
zerlegt  und  das  Cytisin  mit  kochendem  Alkohol  extrahirt.  Der  Rückstand  des 
letzteren  Auszuges  wird  mit  Salpetersäure  bis  zur  stark  sauren  Reaction  und  dann 
dem  6 — 8fachen  Volum  absoluten  Alkohols  versetzt.  Nach  einiger  Zeit  hat  sich 
das  salpetersaure  Salz  krystallinisch  ausgeschieden.  Letzteres  wird  mit  concentrirter 
Kalilauge  gekocht,  die  sich  abscheidende  Oelschicbt  nach  dem  Erstarren  mit  etwas 
WasBer  abgespült  und  nochmals  mit  Kali  erhitzt.  Das  so  erhaltene  Cytisin  lasat 
man  zur  Ueberführung  des  Kalihydrates  in  kohlensaures  Salz  in  kohlen  sä  urereicher 
Luft  liegen,  löst  es  in  absolutem  Alkohol,  verdampft  bis  zur  Syrupdicke,  worauf 


Digitized  by  Google 


CYTISIN.  -  CZIGELKA. 


379 


das  Cytisin  zu  einer  weissen,  strahlig  kri  stallinischen  Masse  erstarrt,  die  bei  10° 
getrocknet  wird. 

Das  Cytisin  bildet  eine  krystallinische  Masse  von  bitterem  Geschmacke,  ohne 
Geruch.  Lässt  sich  im  Wasserstoffstrom  sublimiren.  Schmelzpunkt  154°.  Reagirt 
alkalisch,  leicht  löslich  in  Wasser  und  Alkohol,  nicht  in  Aether,  Chloroform  und 
Schwefelkohlenstoff.  Es  ist  eine  der  stärksten  Basen  und  fallt  die  Erden  uud 
Mctalloxyde  aus  ihren  Salzlösungen.  Concentrirte  Schwefelsäure  löst  es  farblos,  ein 
Tröpfchen  Salpetersäure  gibt  dann  orangegelbe,  Kaliumbichromat  erst  gelbe,  dann 
graue  Färbung.  Wird  von  Alkaloidreagentien  noch  in  grosser  Verdünnung  aus 
wässeriger  Lösung  gefällt.  Die  löslichen  Cytisinsalze  schmecken  bitterer  als  die 
freie  Base.  Die  einfachen  Salze  sind  meistentheils  zerfliesalich  und  nur  schwierig 
krystallisirt  zu  erhalten.  Nur  das  salpetersaure  Cytisin  C20  H27  Ns  0,  2  HNO,  +  2  H,  0 
besitzt  ein  ausgezeichnetes  Krystallisationsvermögen ;  es  bildet  grosse,  monokline 
Prismen.  Salzsaures  Cytisin,  G,0  H27  N3  0,  4  H  Cl  +  3  H2  0 ,  entsteht  beim  Auf- 
lösen von  Cytisin  in  überschüssiger  Salzsäure  und  Verdunsten  im  Vacuum.  Das 
Pl.itinchloridsalz  ist  ein  orangegelber,  allmälig  krystallinisch  werdender  Niederschlag. 
Das  Goldchloridsalz  stellt  feine,  zu  Büscheln  vereinigte  Nadeln  dar.  Mit  Queck- 
silberchlorid gibt  es  ebenfalls  eine  krystallinische  Verbindung.  Ist  sehr  giftig. 

v.  Schröder. 

Cyti8ogenista,  eine  Po^i/i'o/tac^en-Gattung  Toükxefort's  ,  synonym  mit 
Sarothamnus  Wimm.  Unter  Herba  Gytisogenistae  versteht  man  jedoch  das  Kraut 
von  Genist  a  tinctoria  L. 

CytiSUS,  Gattung  der  Papilionaceae,  Unterfamilie  Gmüteae,  charakterisirt  durch 
dreizählige  Blätter,  nionadelphische  Blüthen  mit  zweilippigem  Kelch,  flache,  ein- 
facherige Hülsen. 

Cytisus  Lahimum  L.t  Goldregen  (wegen  der  gelben,  hängenden  Blüthentrauben), 
Bohnenbaum,  und  andere  Cyti$us-Arten  enthalten  in  allen  Theilen.  besonders  reich- 
lich in  den  Samen,  das  giftige  Alkaloid  Cytisin  (Husemann  und  Marme,  Zeitschr. 
f.  Chemie,  1865).  Bei  Kindern  wirken  schon  12  Blüthen,  bei  Erwachsenen  2  Samen 
toxisch.  Früher  waren  Folia  LaLurni  in  arzneilicher  Verwendung. 

CytO blast  ist  eine  nicht  mehr  gewöhnliche  Bezeichnung  für  den  als  Zell- 
kern differenzirten  Theil  des  Protoplasma. 

Czaj-ES$eilZ  ist  eine  mit  Rum,  Thee  und  etwas  Vanille  dargestellte  Thee- 
Essenz  zur  schnellen  Bereitung  von  Thee. 

CzigBlkä  in  Ungarn,  jodhaltiger  muriatischer  Sauerling. 


Digitized  by  Google 


D. 


D.  auf  Recepten  bedeutet  da  oder  detur,  auf  homöopathischen  Recepten  = 
Decimal  (im  Gegensatz  zu  C  =  Centesimal);  klein  d.  bedeutet  meistens  dosis, 
z.  B.  D.  t.  d.  =  Dentur  tales  doses. 

D'ArCet'8  Metall,  D'Ahcet's  Legirung,  ist  eine  Legirung  aus  3  Th.  Zinn, 
5  Th.  Blei,  8  Th.  Wismut;  schmilzt  bei  95°  und  dient  zu  Metallbadern,  auch  als 
Wärmemesser. 

D-Lini6.  Mit  D  bezeichnete  Fraunhofer  eine  der  Hauptli  nicri  im  Sonnen- 
spectrum,  nahe  der  Grenze  von  Orange  und  Gelb.  Dieselbe  sollte  der  Ausgangs- 
punkt der  Spectralanalyse  werden.  Fraunhofer  schon  erkannte  die  tiberein- 
stimmende Lage  derselben  mit  der  gelben  leuchtenden  Linie  im  Spectrum  des 
Natriumdampfes.  Miller  in  Cambridge  bewies  diese  durch  genane  Messung.  Foücault 
gelang  es,  die  D-Linie  im  continuirlichen  Spectrum  der  weissglühenden  Kohlen- 
spitzen der  elektrischen  Bogenlampe  durch  Absorption  vermittelst  Natriumdampfes 
künstlich  zu  erzeugen,  und  deutete  den  richtigen  Zusammenhang  zwischen  Aus- 
strahlung und  Absorption ,  dass  der  Natriumdampf  dieselben  Lichtstrahlen  zu 
absorbiren  vermöge,  welche  er  glühend  ausstrahlt.  Keiner  dieser  Forscher  ver- 
mochte die  Tragweite  dieses  Verhältnisses  zu  erkennen.  Kikchhopf  wiederholte 
das  Experiment  erst  mit  Natrium-,  dann  mit  Lithiumdampf  im  directen  Sonnen- 
lichte, konnte  dadurch  die  natürliche  D-Linie  im  Spectrum  des  letzteren  ver- 
stärken, an  Stelle  der  rothen  Lithinmlinie  in  demselben  eine  neue  FRAUNHOFER'sche 
Linie  künstlich  hervorrufen  und  bewies  im  Verein  mit  Bunsen  durch  Vergleich 
aller  leuchtenden  Linien  von  glühenden  Grundstoffen  mit  FRAUNHOFER'schen 
Linien  im  Sonnenspectrum,  das«  das  genannte  Verhältnis»  zwischen  Emission  und 
Absorption  ein  allgemein  giltiges  sei,  dass  Uberall,  wo  in  irdischen  oder  kosmischen 
Lichtquellen  nicht  nur  leuebteude,  sondern  sogar  schwarze  Linien  durch  Absorption 
erscheinen,  diejenigen  Grundstoffe  vorhanden  sein  müssen,  welche  in  leuchteudem 
Zustande  Linien  in  derselben  Lage  des  Spectrums  ausstrahlen.  Dieses  war  die 
Begründung  der  irdischen  und  kosmischen  Spectralanalyse. 

Die  D-Linie  gehört  nicht  ganz  homogenem  Lichte,  sondern  mehreren  benach- 
barten Strahlen  im  Spectrum  an.  Schon  durch  Apparate  mit  einem  stark  zer- 
streuenden Flintglasprisma  zerfällt  sie  in  zwei  feine  Liuien  Dt  von  der  Wellen- 
länge 5895.13  und  D3  von  der  Wellenlänge  5889.12.  Bei  der  stärksten  erreich- 
baren Dispersion,  einer  Ausdehnung  des  Spectrums  bis  zu  10  m,  theilt  sich  jede 
Einzellinie  in  noch  feinere  Liniengruppen.  Gange. 

Daboia,  eine  giftige  Schlangengattung  in  Ostindien,  aus    der  Familie  der 

Viper  in  i. 


Digitized  by  Google 


DACHLAUCH.  —  DAGGET. 


381 


DachlaUCh,  Dach  würze  1,  Donnerkraut  oder  Hauswurz  sind  volksth. 
Kamen  ftlr  Herba  Seniperviut. 

Dachsfett,  s.  Adeps,  Bd.  I,  pag.  126. 

DacryOÜth  (o*xxfuov,  Thräne  und  Xtdo;,  Stein),  heisst  eine  in  den  Thränen- 
wegen  sehr  selten  vorkommende  Ealkconcretion. 

DaCtyÜ  (Ph.  Graec.,  Hisp.,  Cod.  med.)   sind  die  Früchte  der  Dattelpalmen, 
Phoenix  dactylifera  L.  —  8.  Datteln,  pag.  411. 

DäCty Ion,  eine  Gramineen- Gattung  Villars',  synonym  mit  Panicum  L.  — 
Dactylon  oficinale  Vül.  ist  synonym  mit  Cynodon  Dactylon  Rick.  (s. 
Bd.  III,  pag.  374). 

DactyllJS  IdaeUS,  Donnerkeil,  Druidenstein,  Lapis  Lyncis  ist  ein  im  Kies 
nicht  selten ,  meist  aber  nur  in  Bruchstücken  vorkommendes  Fossil  (aus  der  vor- 
weltlichen Familie  der  Kopffttssler),  von  der  Form  kleiner,  an  dem  einen  Ende 
zugespitzter  Cylinder ;  die  Donnerkeile,  von  denen  sich  in  vielen  Älteren  Apotheken 
noch  Vorräthe  finden,  spielten  in  früheren  Zeiten  beim  abergläubischen  Landvolke 
eine  grosse  Rolle. 

Dadyl,  auch  Camphylen  genannt,  ist  ein  Camphen,  welches  aus  künstlichem 
Kampfer  (Terebentenchlorhydrat)  —  einem  Product  der  Einwirkung  von  trockenem 
(lilorwasserstoffgas  auf  Terpentinöl  —  beim  Leiten  der  Dämpfe  über  erhitzten 
Kalk  entsteht.  —  Vergl.  auch  Campher,  künstlicher,  Bd.  II,  pag.  508. 

Ganswind  t. 

Daemonomanie  (Safowv,  Gottheit  und  (/.acvix,  Wuth),  ist  eine  Form  des 
hysterischen  Irrsinns,  welche  mit  Wahnvorstellungen  über  die  Einwirkung  höherer 
Milchte  verknüpft  ist,  religiöser  Wahnsinn. 

Daemonorops,  eine  Gattung  der  Rohrpalmen  (Calameae) ,  Unterfamilie 
Lepidocarynae.  Der  dünne  Stamm  tragt  paarig  gefiederte,  peitschenförmig  aus- 
laufende, stachelige  Blätter.  Die  zweihäusigen  Blüthen  stehen  in  rispig  verzweigten, 
unter  jedem  Ast  ein  vollkommenes  Scheidenblatt  tragenden  Kolben.  Die  Ö  Blüthen 
haben  6  an  der  Basis  verwachsene  Staubfäden  und  keine  Spur  des  Fruchtknotens ; 
in  den  Q  Blüthen  bilden  die  antherenlosen  Staubfäden  einen  Becher,  in  dessen 
Grunde  der  Fruchtknoten  mit  den  drei  pfriemenartigen  Narben  sitzt.  Die  Frucht 
ist  eine  einsamige,  geschuppte  Beere,  das  Endosperm  ist  marmorirt. 

Daemonorops  Draco  Bl.  (Calamus  Hotang  L.,  Calamus  Draco  Wüld.), 
anf  den  Sunda  lnseln,  besitzt  einen  bis  100  m  langen,  stacheligen  Stamm,  stache- 
lige Blätter  mit  schmalen  zugespitzten  Fiedern  und  haselnussgroBse ,  gelbe,  dick- 
bewhuppte  Beeren.  Zwischen  den  Schuppen  dringt  zur  Reifezeit  ein  rothes,  rasch 
erstarrendes  Harz  aus,  welches  die  Beeren  vollständig  überzieht.  Dieses  Harz ,  von 
den  Früchten  abgeschlagen  oder  durch  Auskochen  derselben  gewonnen,  kommt 
als  echtes  Drachenblut  (s.  d.)  in  den  Handel. 

Dänische  Tropfen  =  Elixir  pectorale  regis  Daniae  (Elixir  e  Succo  Li- 
quiritiae). 

DafrOdil  (engl.)  ist  Narcx88it8  Pseudonarciesus  L. ;  in  Amerika  werden  die 
Blüthen  und  Zwiebeln  als  Emeticnm  und  Nervinum  angewendet.  Die  ersteren  sind 
viel  wirksamer;  man  gibt  von  ihnen  1 — 2g,  von  den  Wurzeln  2 — 8g  pro  dosi. 

Daffy's  Cathartic  Elixir  ist  (nach  hager)  eine  mit  verdünntem  Weingeist 

bereitete  Tinctur  aus  Jalape,  Sennesblättern,  Frangularinde,  Anis,  Kümmel,  Kori- 
ander, Galgant  u.  s.  w. 

Dagget  =  Birkentheer. 

Digitized  by  Google 


382  DAHLIA.  —  DAMIANA. 

Da  tili«!,  Gattung  der  Compositae,  Unterfam.  Eclipteae.  —  Die  Wurzelknollen 
der  aus  Mexiko  stammenden  und  in  zahllogen  Varietäten  cnltivirten  Dahlia 
variabilis  Des  f.  ( Georgina  W.)  sind  reich  an  Innlin ,  enthalten  ausserdem  äthe- 
risches Oel  und  Bitterstoff. 

Dahlia  hiess  ein  blaustichiges  Hofmann's  Violett.   —  8.  Methylviolett. 

Dahl  in  nannte  Payen  ein  aus  den  Wurzelknollen  von  Dahlia  pinnata  darge- 
stelltes Kohlehydrat,  dessen  Identität  mit  Inulin  später  nachgewiesen  wurde. 

Dalby'S  Carminative  EltXir  ist  (nach  Hager)  eine  Mischung  von  20  Th. 
Tinct.  Opii,  10  Th.  Tinct.  Äsae  foetidae,  30  Th.  Tinct.  Castorei,  10  Th.  OL 
Menthae  piper.,  5  Th.  OL  Carvi,  100  Th.  Spiritus,  150  Th.  Syrup.  Sacchari 
und  5  Th.  Magnesia  usta  und  wird  in  Flaschen  zu  30  g  abgegeben. 

Dalton's  Atomtheorie,  s.  Atom,  Bd.  l,  Pag.  310. 

DaltonismUS  nennt  man  das  Unvermögen,  eine  von  den  Grundfarben  wahr- 
zunehmen. Der  englische  Physiker  und  Chemiker  Dalton  war  mit  diesem  Augen- 
fehler  behaftet.  —  S.  Farbenblindheit. 

Damalursäure,  c7h13o3,  Damolsäure,  cl2H92oa.  zwei  im  Kuhharn 

neben  einander  vorkommende  Säuren.  Städeler  (Ann.  d.  Chemie  und  Pharm. 
XXVII,  17)  stellte  sie  dar  aus  dem  sauren  Destillat  des  Kuhharns  durch  Sättigen 
mit  kohlensaurem  Natron ,  Ueberführung  der  Natronsalze  in  die  Barytsalze  und 
Trennung  der  Barytsalze  der  beiden  Säuren  durch  KryBtallisation.  Das  Salz  der 
Damolsäure  krystallisirt  zumeist  in  flachen  Prismen  und  schmilzt  beim  Erhitzen. 
Das  Salz  der  Damalursäure  ist  leichter  löslich.  Die  aus  den  Barytsalzen  dargestellten 
Säuren  sind  ölige,  stark  saure  Flüssigkeiten,  schwerer  als  Wasser  und  in  demselben 
nur  wenig  löslich.  Die  Damalursäure  riecht  wie  Baldriansäure:       Ganswind t. 

DambOnit,  CöH10(CH3)2Oti  4-  3HS0.  Der  Dimethyläther  der  Dambose  ist 
enthalten  in  dem  Safte  des  Kautschuks  von  Gabon ,  der  von  den  Eingeborenen 
Dambo  genannt  wird.  Gewinnung:  Durch  Auspressen  des  Kautschuks,  Ver- 
dampfen des  Saftes  und  Ausziehen  mit  Alkohol.  Schiefe  Prismen,  bei  195° 
schmelzend,  bei  200°  uuzersetzt  sublimirend  in  langen  Nadeln,  optisch  inactiv, 
nicht  gährungsfäbig  und  FEHLrxo'sche  Lösung  nicht  reducirend;  zerfällt  beim 
Erhitzen  mit  Jodwasserstoff  in  Jodmethyl  und  Dambose.  Ganswindt. 

DambOSe,  C6H1S06.  Eine  Zuckerart  von  der  Kategorie  der  Glukose  und 
Lävulose.  Findet  sich  als  Dimethyläther  im  Dambonit  (vergl.  d.)  und  wird  aus 
diesem  durch  Erhitzen  mit  rauchender  Jodwasserstoffsäure  im  Rohr  auf  100°  und 
Fällen  mit  starkem  Alkohol  erhalten.  Sechsseitige  Prismen,  Schmelzpunkt  212°; 
optisch  inactiv ;  leicht  löslich  in  Wasser,  unlöslich  in  absolutem  Alkohol.  Die  Dam- 
bose verbindet  sich  mit  Basen;  ist  nicht  gährungsfähig.  Ammoniakalisehe  Blet- 
zuckerlösung  fällt  dieselbe,  neutrale  nicht.  Beim  Erhitzen  mit  Salpetersäure  entsteht 
Oxalsäure.  Bei  Einwirkung  von  Schwefelsäure  entsteht  die  Sulfosäure  der  Dambose. 

Ganswindt. 

Damenpulver,  eine  Wiener  Specialität,  ist  ein  Schminkpulver.  Als  Grundlage 

dient  höchst  fein  gepulvertes,  mit  Rosen-  und  Neroliöl  parfümirtes  Talcum  vene- 
tum  und  Reismehl,  dem  die  eine  Vorschrift  den  vierten  Theil  Cerussa,  eine  andere 
Zinkoxyd .  eine  dritte  endlich  Wismutoxychlorid  beimischen  lässt.  Mit  Carmin 
oder  Eosin  wird  es  nach  Belieben  gefärbt. 

Damiana.  Die  Droge  dieses  Namens  besteht  vorwiegend  aus  Blättchen  und 
jungen  Zweigen  von  Turnera- Arten.  Besonders  werden  Turnera  diffusa  Ward. 
und  T.  aphrodisiaca  W  ard,  als  Stammpflanzen  genannt ,  welche  beide  strauch- 
artigen Species  in  Californien  und  Mittclaraerika  einheimisch  sind. 

Ausser  den  Blättern  finden  sich  Blüthen.  Samen  und  Früchte  der  Droge  bei- 
gemengt. 


Digitized  by  Google 


I)  AMIANA.  —  DAMMARA. 


383 


Blattformen  der  Damiant, 


Die  in  Fig.  58  abgebildeten  Blattformen  sind  für  eine  echte  Damian a  typisch, 
oft  finden  sich  jedoch  auch  anders  geformte  Blätter,  welche  auf  verwandte  Arten 
zurückzuführen  sind. 

Die  Blätter  sind  selten  Uber  30  mm  lang,  kahl,  nur  ganz  junge  Blätter  und  die 
Blüthenstielchen  sind  schwach  behaart.  Bei  Behandlung  mit  Kalilauge  tritt  die 
Aderung  der  Blätter  deutlich  hervor  und  man  erkennt  eine  deutliche  Mittelrippe 
mit  Seitennerven,  welche  auf  die  inneren  Buchten  des  Randes  zulaufen  und  gegen 

das  Ende  gabelig  getheilt  sind.  Die  Unterseite 
der  Blätter  ist  mit  sehr  kleinen  Drüschen  besetzt, 
die  bei  Behandlung  mit  heissem  Wasser  und  nach 
dem  Ablösen  unter  dem  Mikroskop  eine  maulbeer- 
artige Sculptur  zeigen.  Die  Aussenseiten  der  Kelch- 
blätter und  die  jungen  Zweige  sind  mit  ähnlichen 
Drüsen  besetzt. 

Die  spärlich  beigemengten  Blüthen  bilden  in 
der  Droge  eine  geschlossen  gelbliche  Röhre  von 
5—6  mm  Länge.  In  Wasser  aufgeweicht  und  aus- 
gebreitet erkennt  man  5  farblose  Kelchblätter, 
mit  denen  5  gelbliche  Kronblätter  abwechseln. 
Die  5  Staubgefässe,  aus  einem  breiten  Staubfaden 
und  herzförmigen  Antheren  bestehend,  stehen  vor 
den  5  Kelchblättern.  Unterhalb  der  Blüthe  stehen 
2  Vorblätter,  dieselben  stützen  später  die  Frucht,  finden  sich  aber  auch  ohne 
Frucht  in  der  Droge  vor.  Das  Carpell  ist  einfächerig  und  mündet  in  3  Griffeln 
mit  geschlitzter  Mündung.  Die  reife  Frucht  zeigt  eine  warzige  Oberfläche  und 
springt  als  Kapsel  auf. 

In  einer  vorliegenden  Probe  der  Droge  finden  sich  ausserdem  sehr  kleine 
weissliche  Blüthen,  offenbar  als  fremde  Beimengungen. 

Der  Geschmack  der  Droge  ist  aromatisch  bitterlich  und  erinnert,  sowie  der 
Geruch,  an  die  Blätter  des  Gagelstrauches. 

Als  Verwechslungen,  resp.  Beimengungen  der  echten  Damiana  werden 
die  ebenfalls  unter  dem  Namen  Damiana  in  Mexico  bekanuten  Blätter  einiger 
Compositen  genannt.  Dahin  gehören  Aplopappus  dtscoides  DG.  Diese  Blätter 
sind  jedoch  durch  eine  auf  der  Oberseite  hervorragende  Mittelrippe,  harzige,  rauhe, 
gesprenkelte  Oberfläche  und  grössere  Dicke  ausgezeichnet. 

Die  Wirkung  der  Damiana  erstreckt  sich  auf  die  Geschlechtssphäre.  Nach  An- 
gabe amerikanischer  Aerzte  wirkt  sie  im  höchsten  Grade  anregend. 

Die  Anwendung  geschieht  meist  in  Form  eines  Fluidextractes ,  welches  aus 
lOOTheilen  der  Droge  mit  60procentigem  Alkohol  durch  Maceriren  und  Behandeln 
im  Verdrängungsapparat  erhalten  wird.  Ein  Theil  Extract  entspricht  einem  Theil 
der  Blätter.   Die  Dosis  des  Fluidextractes  beträgt  0.5— 1.5g.  Prollius. 

Damm,  Mittel  fleisch  oder  Perineum  (xspi;,  Beutel,  d.  i.  Hodensack), 
heisst  in  der  Anatomie  die  kleine  Körperregion  zwischen  After  und  Hodeusack 
beim  Manne,  zwischen  After  und  hinterem  Winkel  der  Schanispalte  beim  Weibe. 
Bei  einer  Geburt  entstehen  leicht  Einrisse  in  den  mütterlichen  Damm  (Dammrisse); 
die  Handgriffe,  welche  angewendet  werden ,  um  das  Einreissen  des  Dammes  zu 
verhüten,  bezeichnet  man  in  der  Geburtshilfe  als  Da  mm  schütz. 

Dammara.  Gattung  der  Coniferenfamilie  Araucarieae.  Wintergrüne,  in  Ost- 
arien  und  Oceanien  verbreitete  harzreiche  Bäume  mit  wirteligen  Aesten  und  lederigen, 
parallelnervigen  Blättern.  Blüthen  diöcisch,  die  (J  an  der  Basis  von  Niederblättern 
umgeben,  mit  zahlreichen,  spiralförmig  angeordneten  Staubgefässen,  deren  jedes 
5  oder  mehr  Pollensäeke  trägt;  die  Q  einen  gipfelständigen  Zapfen  aus  zahl- 
reichen, spiralig  angeordneten  Fruchtblättern  bildend,  deren  jedes  auf  der  Unter- 
seite 1,  selten  2  geflügelte  Samenknospen  trägt.  Der  reife  Zapfen  hat  lederig- 


Digitized  by  Google 


384 


DAMMARA.  —  DAMMARH  ARZ. 


bolzige  SchuppeD,  welche  sich  später  von  der  Spindel  ablösen ;  die  Samen  sind 
derbschalig,  einseitig  geflügelt:  Embryo  mit  2  Cotyledonen. 

D  ammara  alba  Rumph.  (D.  orientalis  Lamb ,  Agathis  Dammara  Hieb., 
Abtes  Dammara  Poir.,  Pinus  Dammara  Lamb.)  auf  den  Sunda-Inseln ,  Molukkeu 
und  Philippinen  erreicht  über  30  m  Höhe.  Die  Aeste  stehen  zu  4  fast  horizontal, 
die  Blätter  sind  länglich,  laazettlich  (13:4  cm),  beinahe  gestielt  und  zweizeilig, 
unterseits  heller  gefärbt.  Die  (5  Bind  gestreckt  eiförmig  (20 : 9  mm),  ihre  Staub- 
blätter wimperig  gezähnt,  Pollensäcke  8 — 24.  Zapfen  aufrecht  auf  dickem  Stiele, 
eiförmig  (10:7  cm),  mit  keilförmigen  Schuppen.  Samen  eiförmig,  mit  dem  Flügel 
den  8chuppeurand  überragend. 

Diese  Art  ist  die  wichtigste  Stammpflanze  des  indischen  Dammarharzes. 

Dammara  australis  Lamb.,  die  Kaurifichte  Neuseelands,  erreicht 
60  m  Höbe  und  hat  dimorphe,  grosse,  lanzettliche  (7  : 1  cm)  und  kleine  eiförmige, 
nicht  zweizeiüg  angeordnete  Blätter.  Die  Zapfen  sind  kleiner,  eiförmig  (8 : 6  cm), 
die  Schuppen  höckerig  verdickt,  ihr  Rand  wird  von  den  Samenflügeln  nicht 

Diese  Art  ist  die  Mutterpflanze  des  recent  fossilen  Kauri  Copals. 

Damm  ara  ovata  C.  Moore  auf  Neu-Caledonien  liefert  ein  recentes  Dammarharz. 

DammartiarZ  Oder  Dammar,  Bezeichnung  für  Harze  verschiedener  Ab- 
stammung. 

1.  Indische  8orten ,  von  Hopea  splendid a  Friese  und  //.  micrantha  Yr. 
(Dipterocarpeoe)  und  Dammara  alba  Rumph.  (Auracarieae)  stammend.  Dammara 
orientalis  Lamb.,  von  der  Pharmakopoe  als  Stammpflanze  aufgeführt,  dürfte  nicht 
speeifisch  von  D.  alba  Rumph.  verschieden  sein.  In  neuester  Zeit  wird  als  die 
wichtigste  Stammpflanze  des  Dammar  Engelhardtia  spicata  Bl.  (Juglandaceae) 
angegeben.  Nach  der  Ph.  Germ,  sind  nur  diese  aus  Indien  im  weiteren  Sinne 
stammenden  Sorten  officinoll. 

Die  Hopea-Arttn  finden  sich  mehr  in  Hinterindien,  während  die  eigentlichen 
Dammarfichten  die  mittleren  Bergregionen  von  Java,  Sumatra,  Borneo,  Celebes, 
der  Mollukken  und  Philippinen  bewohnen. 

Das  Harz  der  genannten  Bäume  flieset  freiwillig  in  unglaublicher  Menge  aus  und 
bildet  kleinere  oder  grössere,  bis  10  Pfund  schwere  Klumpen,  welche  nach  dem 
Abfallen  oft  durch  Waaser  fortgeschwemmt,  als  Felsenharz  {Dammar  batu  der 
Malayen)  gesammelt  werden. 

Das  Harz  des  Handels  bildet  tropfenförmige,  längliche,  oft  auch  ganz  unregel- 
mässige Stücke,  mehr  oder  weniger  farblos  oder  gelblich  und  durchsichtig.  Ober- 
fläche glatt,  leicht  zerreiblich,  Bruch  muschelig.  Geruch  fehlt  der  Handelswaare 
meiBt,  während  er  frisch  vorhanden  ist.  Dammar  ist  weicher  als  Copal ,  aber 
härter  als  Colophon. 

2.  Neuseeländisches  oder  australisches  Dammarharz,  von  Dammara 
australis  Don.,  ist  ein  halbfossiles  Harz,  welches  1 — 2  m  tief  unter  dem  Boden 
der  Kaurifelder  Neuseelauds  und  Neuhollands  gefunden  wird.  Von  lebenden  Räumen 
wird  es  nicht  gesammelt.  Das  Product  dieser ,  wie  es  auf  Neu  Caledonien  ge- 
sammelt wird,  unterscheidet  sich  physikalisch  nicht  wesentlich  von  Fichtenharz 
und  ist  unbrauchbar  zu  den  Zwecken,  zu  welchen  Dammarharz  benutzt  wird.  Es 
stammt  von  D.  ovata  C.  M.  Das  halbfossile  Harz  von  Neuseeland  und  Neubolland 
ist  dem  Copal  nicht  unähnlich  und  bildet  rundliche  Stücke  von  Ei-  bis  Kopf- 
grösse  mit  einer  weisslichen  oder  schwärzlichen  Verwitterungskruste.  Innen  ist  es 
brännlich,  der  Geschmack  ist  gewürzhaft,  Geruch  balsamisch.  Die  Stücke  sind 
oft  nicht  gleichmäßig  gefärbt,  oft  streifig  und  trübe.  Durchsichtige  Stücke  werden 
als  werthvoller  geschätzt.  Diese  auch  als  Kauricopal  bezeichnete  Sorte  dient  zur 
Lackfabrikation . 

3.  Amerikanisches  Dammarharz  von  Arauearia  brasüiana  Lambert 
in   Südamerika   zeichnet   sich   durch   grössere  Härte   und  rötbliche  Farbe  aus. 


Digitized  by  Google 


DAMMARHARZ.  —  DAMPF. 


385 


4.  Unechte  Danimararten  des  Handels  stammen  nicht  von  Abinetineae  oder 
Dipterocarpeae.  80  das  S aulharz  von  Stiorea  robusta  Rxb.,  der  schwarze 
Dammar  (D.  ttam)  von  Canart 'um- Arten,  noch  andere  von  Arctocarpus-Arten. 
—  Der  sogenannte  Piney-Damniar  (s.d.)  ist  ein  Talg. 

Dammarharz  ist  löslich  in  Chloroform,  fetten  nnd  ätherischen  Oelen,  Benzol 
und  Schwefelkohlenstoff.  In  Alkohol,  Aether  und  Gemischen  heider  löst  es  sich 
tbeilweise;  ebenso  in  Potroläther.  Heisser  Alkohol  hält  es  in  Lösung. 

Nach  Hirschsohx  fällen  Ferrichlorid  und  Bleiacetat  nicht  oder  wenig.  Ammoniak 
trübt  die  alkoholische  Lösung.  Auszüge  mit  Soda  werden  durch  Essigsäure  kaum 
getrübt.  In  concentrirter  Schwefelsäure  löst  es  sich  mit  rother  Farbe.  Das  speci- 
fische  Gewicht  ist  1.04 — 1.12,  dasjenige  des  Neuseeländischen  1.10 — 1.115. 
Schmelzpunkt  120°,  während  der  der  Copalsorten  bei  180—340°  liegt.  Es  besteht 
aus  80  Procent  Dammarylsäure,  20  Procent  eines  Harzes  (C10H16)  und  Asche 
0.2  Procent,  Gummi  1  Procent  und  Spuren  von  ätherischem  Oel. 

Dammarharz  dient  zur  Herstellung  des  Empl.  adhaeswum ;  es  ist  ein  wichtiger 
Rohstoff  für  Lacke  und  Firnisse. 

Durch  Schmelzen  der  Abfälle  wird  der  „Kunstdaiuniar"  oder  „holländische 
Dammar"  hergestellt.  Er  ist  schlackenartig,  schmutziggrau,  in's  Grünliche  spielend. 

Prollins. 

Dammarlack,  s.  Lacke. 
Dammarlösung,  s.  EUschiussmittei. 

Dammerde,  s.  Humus. 

Dampf,  Dämpfe.  Die  Gasform  von  bei  gewöhnlicher  Temperatur  flussigen 
oder  festen  Stoffen  heisst  Dampf.  Derselbe  ist  in  wenigen  Fällen  farbig,  wie  beim 
Schwefel,  Jod,  Arsen,  Indigotin,  meistens  farblos  und  dann  unsichtbar.  Wenn  ein 
solcher  Dampf  sichtbar  wird,  so  hat  er  ganz  oder  theilweise  aufgehört,  Dampf  zu 
Bein  nnd  sich  entweder  zu  Nebel  oder  Dunst  oder  zu  Rauch  verdichtet.  Die 
erstereu  sind  ausgeschiedene  schwebende  Bläschen,  Hohlkügelchen  aus  flüssiger 
Substanz,  der  letztere  staubförmige,  massive,  feste,  amorphe  oder  krystallinische 
Körperchen.  Im  gewöhnlichen  Sprachgebrauche  werden  aus  Uukenntniss  dieser 
Unterscheidungsmerkmale  Dampf,  Nebel  und  Rauch  beständig  verwechselt.  Der 
Verlust  der  Dampfgestalt  wird  herbeigeführt  entweder  durch  Wärmeentziehung, 
wie  beim  Entweichen  des  Dampfes  in  kältere  Luft.  So  entstehen  über  den  Sehloten 
der  Dampfmaschinen  weisse  Nebel,  aus  Schwefeldampf  die  staubförmigen  Schwefel- 
blumen. Oder  gleichzeitig  oder  ausschliesslich  bewirkt  dieses  ein  chemischer 
Procees.  Bei  jeder  vollständigen  Verbrennung  in  unseren  Heizvorrichtungen  bilden 
sich  nur  Dämpfe  und  Gase,  Wasserdampf  und  Kohlensäure. 

Die  Rauchbildung  in  den  Abzügen  derselben  setzt  die  Anwesenheit  von 
Kohlenwasserstoffen  voraus,  welche  alle  Brennmaterialien  entwickeln,  selbst  die 
Coaks  in  geringer  Menge.  Aus  Kohlensäure  oder  Kohlenoxyd  kann  sich  niemals 
Kohlenrauch  abscheiden,  ans  den  glühenden  Kohlenwasserstoffen  aber  aus  zwei 
Ursachen.  Entweder  zu  reichliche  Luftzufuhr  kühlt  dieselben  bis  unter  die  Ent- 
zündungstemperatur des  Kohlenstoffes  ab  oder  es  fehlt  an  der  nöthigen  Menge 
atmosphärischen  Sauerstoffes.  In  beiden  Fällen  verbrennt  nur  der  Wasserstoff, 
der  Kohlenstoff  scheidet  sich  als  Rauch  ab.  Wenn  bei  chemischen  Processen  die 
Prodncte  einen  niedrigeren  Siedepunkt  haben,  als  die  dampfförmigen  Compo- 
nenten,  so  entstehen  Nebel,  z.  B.  die  Dämpfe  vieler  starker  Säuren  werden  an 
feuchter  Luft  aus  Anhydriden  zu  Hydraten,  oder  es  entsteht  Rauch,  z.  B.  von 
Salmiak  ans  zusammentreffenden  Dämpfen  von  Ammoniak  und  Chlorwasserstoff, 
oder  von  Phosphorsäureanhydrid  beim  Verbrennen  von  Phosphor  in  trockenem 
Sauerstoff. 

Das  Verhältniss  zwischen  dem  Volumen,  der  Dichtigkeit  und  dem  Drucke  der 
Dämpfe  ist  innerhalb  gewisser  Temperaturgrenzen,   von  welchen  die  untere  dem 

Reid-Kncyclopadie  der  ges.  Pharaacie.  III.  25 


DAMIT. 


Siedepunkte  nicht  zu  nahe  liegen  darf,  dasselbe  wie  bei  den  eigentlichen  Oasen. 
Seitdem  es  gelungen  ist,  alle  Gase  zu  condensiren,  besteht  physikalisch  der  Unter- 
schied zwischen  Dämpfen  und  Gasen  nur  in  der  Höhe  der  Siedepunkte.  Die  Dämpfe 
folgen  also  auch  den  Gesetzen  von  Avogadro,  Mariotte  und  Gay-Lussac  (vergl. 
Dichte),  nach  welchen  1.  die  Volumina  sich  verhalten  wie  die  Molekttlzahl; 
2.  die  Drucke  umgekehrt  wie  die  Volumina  oder  proportional  der  Anzahl  der 
Molektlle  in  gleichen  Volumina;  3.  die  Drucke  bei  gleichen  Volumina  wie  die 

Temperaturen ,  indem  mit  jedem  Grad  der  Druck  um  0.003665  oder  ^  der  bei  0« 

vorhandenen  Druckeinheit  zunimmt.  Diese  Druckeinheit  ist  für  die  Dämpfe 
verschiedener  Stoffe  ungleich,  also  auch  die  Spannkraft  oder 
Tension  derselben  bei  beliebiger  gleicher  Temperatur,  und  zwar  ist  dieselbe 
umgekehrt  proportional^  der  Hohe  der  Siedepunkte  der  Stoffe. 

Zum  Messen  des  Druckes  der  Dämpfe  von  Flüssigkeiten  ist  das  Barometer  in 
dreifacher  Art  verwendbar.   1.  Die  luftfreie  Flüssigkeit  wird  durch  Aufsteigen 
innerhalb  des  mit  Quecksilber  gefüllten  Rohres  eines  Gefässbarometers  in  den 
luftleeren  Kaum  oberhalb  desselben  gebracht.  Es  entsteht  durch  den  Dampf  der 
Flüssigkeit  sogleich  eine  Depression  des  Barometers.  Die  nach  Ausgleichung  der 
Temperatur  gemessene  Differenz  zwischen  der  Höhe  dieses  Barometers  und  der- 
jenigen eines  anderen,  den  herrschenden  Atmosphärendruck  anzeigenden  Barometers 
ist  das  Maass  für  den  Druck  des  Dampfes.  2.  Die  Flüssigkeit  wird  auf  das  kurze 
Ende  eines  Heberbarometers  gegossen,  dieses  in  eine  Spitze  ausgezogen  und  zuge- 
schmolzen ,  nachdem  durch  längeres  Sieden  der  Dampf  alle  Luft  ausgetrieben 
hatte.  Dann  ist  die  Höhendifferenz  der  beiden  Quecksilbersäulen  direct  propor- 
tional dem  Drucke  des  Dampfes,   welcher  auf  diese  Weise  beliebigen  Tempera- 
turen ausgesetzt  werden  kann.  3.  Um  bei  hohen  Drucken  das  Steigrohr  nicht 
unbequem  lang  machen  zu  müssen,  wird   dieses  mit  Luft  gefüllt ,  bis   zu  ganz 
gleichem  Niveau  in  beiden  Scheukeln  Quecksilber  hineingegossen,  der  Luftdruck 
der  Atmosphäre  notirt  und  weiter ,   wie  unter   2.  verfahren.   Die  Tension  des 
Dampfes  in  dem  einen  muss  jetzt  den  Druck  der  Luft  in  dem  anderen  Schenkel 
überwinden,  welche  sich  daher  in  bekannten  Proportiooen  nach  dem  Marioite- 
schen  Gesetze  zusammeuziebt  und  eine  entsprechend  geringere  Steigung  als  im 
luftleeren  Räume  dem  Quecksilber  gestattet,  aus   wclcheu  der   Dampfdruck  zu 
berechnen  ist  (vergl.  Manometer). 

Da  die  Dampfspannung  der  Stoffe  umgekehrt  proportinal  der  Höhe  ihrer  Siede- 
punkte ist,  so  lässt  sich  dieselbe  für  alle  Stoffe  berechnen,  wenn  die  Siedepunkte 
derselben  bekannt  und  die  Tension  eines  derselben  gemessen  wordeu  war.  Düren 
Vergleich  dieser  Berechnung  mit  der  wirklichen  Messung  der  Dampfspannung  aller 
dieser  Stoffe  ist  aber  noch  keine  genaue  üebereinstimmung  erzielt  worden,  wozu 
unzweifelhaft  die  Schwierigkeit  der  Reindarstellung  und  Erhaltung  vieler  Flüssig- 
keiten während  der  Versuche  beiträgt. 

In  der  Industrie  kommt  mit  wenigen  Ausnahmen ,  wie  bei  den  Eismaschinen, 
in  welchen  Dämpfe  von  grösserer  Spannung  verwendet  werden,  fast  nur  der 
Wasserdampf  in  Betracht  und  bildet  dort  ein  so  wichtiges,  Arbeit  leistendes 
Agens,  so  wie  das  Medium,  um  die  Wärme  zum  Sieden,  Verdampfen,  Trocknen 
und  Heizen  zu  verwerthen,  das«  die  genannten  allgemeinen,  auch  fiir  den  Wasser- 
dampf  giltigen  Gesetze  eine  besondere  Berücksichtigung  verdienen. 

Der  Siedepunkt  einer  Flüssigkeit  ist  das  Moment,  in  welchem  die  sich 
entwickelnden  Dämpfe  den  auf  dieselbe  lastenden  Luftdruck  überwinden. 
Die  Grösse  des  Luftdruckes  ist  schwankend  und  mit  derselben  steigt  und  fällt 
die  Temperatur  des  Siedepunktes  in  constantem  bekanntem  Verhältnisse.  Mit 
dem  Barometerstande  fällt  daher  auch  der  Siedepunkt  bei  zunehmender  Er- 
hebung über  dem  Meeresniveau  der  Erdoberfläche,  so  dass  beide  zu  Höhen- 
raessungen  verwendbar  sind.  Bei  den  ersten  10..')  m  Steigung  über  dein  Erdboden 
beträgt  das  Fallen  des  Barometers  1  mm.  Die  Differenz  mit  dem  mittleren  Stande 


Digitized  by  Google 


DAMPF. 


beträft  *ko  j\ö  oder  760  .  QJJ).  Da  derselbe  Unterschied  zwischen  je  awei  folgen- 
den 10.5m  Erhebung  besteht,  so  betragt  derselbe  zwischen  den  ersten  und 
zweiten  10.5m  =760 .  (™  )\  zwischen  den  zweiten  und  dritten  10.5  m  =  760 . 
l.  s.  w.  Darnach  ist  der  mittlere  Barometerstand  : 


Höhe  über  dem  Meere 
Pariser  Zoll     mm  Pariser  Fuaa  m 

26'  5"  =  715    1500  =  487.5 

24'  10"  =  673    3000  =  975.0 

22'  -   =  595    6000  =  1950.0 

19*  6"  -  527    9000  =  2925.0 

14'   4"  =  380  (V,  Atra.)   16972  =  5525.9 

13'   6"  -=  365    18000  =  5850.0 

8'  5"  =  252    27000  =  8775.0 

Der  Siedepunkt  des  Wassers  fallt  anfangs  bei  1000  Fnss  oder  325  m  um 
ungefähr  1°,  in  grösseren  Höhen  in  gleichen  Räumen  langsamer.  Folgende 
Siedepunkte  wurden  auf  Bergspitzen  beobachtet : 

auf  dem  St.  Bernhard-Hoapitz  in    7668  Fuss  Höhe  92.20° 

in  Quito  „    9000    „       „  90.00° 

„  n  Pic  von  Teneriffa  .  „  11200  „  „  87.75° 
„     „    Montblanc    .  .  .  .  „  14800    „       „  86.50" 

Die  thatsächlich  beobachteten  Barometerstande  und  Siedepunkte  auf  Bergspitzen 
werden  durch  locale  und  periodische  Abweichungen  in  dem  Luftdrucke  beeinflusst 
und  stimmen  daher  nicht  mit  den  aus  der  regelmässigen  Dichtigkeitsabnahme  der 
Atmosphäre  von  unten  nach  oben  berechneten  Zahlen  tiberein.  Experimentell  läset 
sieh  der  Zusammenhang  zwischen  Siedepunkt  und  Barometerstand  unter  dem 
Reeipienten  einer  mit  Manometer  versehenen  Luftpumpe  mit  genauerer  Ueberein- 
8timmung  verfolgen.  Der  jeweilige  Siedepunkt  des  Wassers,  also  der  Punkt ,  wo 
sieh  die  Dampfspannung  desselben  und  der  Luftdruck  das  Gleichgewicht  halten, 
entspricht  folgenden  Barometerständen: 

Siedepunkte  Qu^ckailberdrunn 

100"   760.000  mm      =      1  Atmosphäre 

82°  3*2.380    „  nahezu 

66«   191.270    „  „ 

50"  88.743   „  „ 

37*   45.U3S   „     „  «/,. 

25"  23.090   „     „  Vat 

13*   U-37S   ,     „  '/„ 

2°   5.748   „     ,  •/,„ 

0°  .   5.059    „  „ 

—20°  .   1.333  „ 

Bei  mittlerem  Barometerstände  von  760  mm  beträgt  der  Druck  des  Wasser- 
dampfes von  100°  nach  allen  Seiten  auf  jede  Fläche  von  1  Quadratzoll  15  oder 
auf  jeden  Quadratcentimeter  1.03253  kg.  Diese  Einheitsgröße  wird  bei  höheren 
Dampfdrücken  zur  Bezeichnung  derselben  verwendet,  so  dass  z.  B.  Dampf  von 
6  Atmosphären  (At.)  90  &  Druck  auf  1  Quadratzoll  oder  6.198  kg  auf  1  qcm 
l>edeutet.  Akago  und  Dulonü  fanden  1830,  dass  bis  zu  27  Atmosphären  Druck 
der  Wasserdampf  dem  MARiOTTE'schcn  Gesetze  gehorcht,  über  diesen  Druck  hinaus 
die  Volumina  abnehmen. 

In  offenen  Gefässeu,  in  welchen  der  Dampf  nur  den  Druck  der  Luft  zu  ttber- 
len  hat,  bleiben  der  Siedepunkt  nd  die  Spannung  diesem  entsprechend  un- 
verändert. In  geschlossenen  Gelassen  bei  vermehrter  Wärmezufuhr  steigen  beide 
in  von  einander  abhängigem  ungeraden  Verhältnisse,  indem  der  Druck  schneller 
wächst  als  die  Temperaturgrade,  wie  folgende  Tabelle  zeigt 


25*  Digitize 


DAMPF.  —  DAMPFAPPARAT. 


Spannkraft  in 
Atmosphären 

Temperatur 
in  °C. 

Druck  auf 

Spannkraft  in 

Temperatur 
in  "C. 

Druck  auf 

l  qcm  in  kg 

Atmosphären 

1  qcm  in  kg 

1  .   .  . 

.   .  lOO.OO 

1.033 

20.  .  .  . 

.  .  214.70 

20660 

2.  .  .  . 

.  .  121.40 

2.066 

25  ...  . 

.  .  226.30 

25.825 

3  099 

30.990 

4  •      .  . 

.  .  145.40 

4.106 

35  ...  . 

.  .  244.S5 

36.155 

5.  .  .  . 

.  .  153.08 

5165 

40.  .  .  . 

-  .  252.55 

41.320 

6.  .  .  . 

.  .  160  20 

6.19« 

45  ...  . 

46.485 

w  *    ■  « 

.  .  166.DO 

7.231 

50.  .  . 

.  265.89 

51  650 

8.  .  .  . 

172.10 

8.264 

100  ...  . 

.  .31136 

103.300 

9.  .  .  . 

177.10 

9.297 

206.600 

10  330 

300  ,  . 

309.900 

11  ...  . 

.  .  1%.03 

11363 

400  .      .  . 

423.57 

413.200 

12.  .  .  . 

.  .  190.00 

12.396 

500  ...  . 

.  .444  70 

516.500 

15.  .  .  . 

.  .20043 

15.495 

1000.  .  .  . 

516.76 

1033.000 

So  lange  der  Dampf  unter  dauernder  Wärmezufuhr  mit  dem  siedenden  Wasser 
in  Berührung  ist,  bleibt  seine  Dichtigkeit  iu  dem  in  der  Tabelle  angegebenen 
Verhältnisse  zu  seiner  Temperatur.  In  diesem  Zustande  heisst  der  Dampf  ge- 
sättigt. In  geschlossenen  Räumen  müssen  die  ganzen  Wände  derselben  die 
entsprechende  Temperatur  annehmen,  welche  der  gewünschten  Dampfspannung 
entspricht.  Werden  dieselben  auch  nur  an  einem  Punkte  durch  stärkere  Wärme- 
entziehung  (äussere  Kühlung)  als  ihnen  von  innen  zugeführt  wird,  auf  einer 
niedrigeren  Temperatur  erhalten .  so  kann  die  Dampfspannung  in  dem  ganzen 
Räume  keine  höhere  werden,  als  dieser  entspricht,  da  trotz  fortgesetzter  Dampf- 
bildung  an  diesem  Punkte  eine  beständige  Condensation  zu  Wasser ,  eine  Destillation 
erfolgt,  welche  die  Dampfmenge  vermindert.  Daher  unter  Umständen  die  Noth- 
wendigkeit,  Kessel-  und  Röhrenoberflächen  mit  schlechten  Wärmeleitern  zu  um- 
geben. 

Wenn  nach  völligem  Verdunsten  des  Wassers  dem  Dampfe  in  geschlossenen 
Räumen  mehr  Wärme  hinzugeführt  wird,  als  zu  seinem  Bestehen  erforderlich  ist, 
so  entsteht  der  ungesättigte  oder  überhitzte  Wnsserdampf  mit  einer  der 
Temperaturzunahme  entspreehenden  höheren  Tonsions-  und  Expansionsfähigkeit 
Dieser  Dampf  bewirkt  Austrocknung  feuchter  Gegenstände ,  da  er  noch  mehr 
Dampf  in  sich  aufzunehmen  vermag,  und  kann  erst  durch  Abkühlung  unter  dem 
Sättigungspunkt  zu  Wasser  eondeusirt  werdeu.  Ausströmender  gesättigter  Dampf 
erzeugt  sogleich  Brandwunden  durch  Ausscheidung  siedenden  Wassers  auf  der 
Haut,  der  heisse  ungesättigte  Dampf  nicht ,  da  er  der  Haut  Wasserdampf  und 
damit  Wärme  entzieht. 

Bei  gesteigerter  Temperatur  und  derselben  entsprechender  Spannung  erreicht 
der  Dampf  ein  Stadium,  in  welchem  er  durch  keineu  Druck  zu  Waaser  condensirt 
werden  kann,  sondern  die  Gasform  behauptet,  so  lange  diese  Temperatur  dauert 
Dieser  Punkt  heisst  die  kritische  Temperatur  oder  der  absolute  Siede- 
punkt und  liegt  für  Wasser  bei  423°. 

Gav-Lussac  berechnete  aus  dem  Volumen  uud  der  Dichtigkeit  de«  aus  gewogenen 
Wassermengeu  gewonnenen  Dampfes  von  100°,  dass  derselbe  ein  speci6schcs 
Gewicht  von  0.625  habe,  also  ungefähr  6  8  des  Gewichtes  der  Luft  =  1  besitze, 
nachdem  er  gefunden  hatte,  dass  lg  Luft  von  100°  =  1058.47 cem,  lg  Wasser- 
dampf von  100°=  1695.55  cem  Raum  einnimmt.  Daraus  erklärt  sich  das  Steigen 
des  Barometers  mit  abnehmendem,  das  Fallen  desselben  mit  zunehmendem  Waaser- 
dampfgehalte  der  atmosphärischen  Luft.  Wasserdampf  von  100°  nimmt  den 
1694fachen  Raum  des  Wassers  von  0°  ein  und  ist  um  denselben  Betrag  leichter 
als  letzteres.  Gange. 

Dampfapparat.  Apparat,  in  welchem  mit  Dampf  gekocht  wird.  Bei  Arbeiten, 
die  auf  wissenschaftlicher  Basis  ausgeführt  werden  sollen,  ist,  wo  es  sich  über- 
haupt um  Anwendung  von  Wärme  handelt,  die  Erzeugung  leicht  regulirbarer, 
dabei  möglichst  constanter  Temperaturen  unerlässlich.  Eine  solche  bietet  das  Wasser, 
welches  bei  100°  siedet  und  durch  Zufuhr  von  kaltem  Wasser  leicht  abgekühlt 

Digitized  by  Google 


DAM  PF  APPARAT. 


389 


Fig.  59. 


werden  kann.  Um  dem  kochenden  Wasser  und  den  von  ihm  entwickelten  Dämpfen 
aber  eine  möglichst  vielseitig  verwendbare  Fassung  zu  geben ,  sind  Apparate 
mannigfachster  Form  construirt  worden,  die  unter  dem  Namen  Dampf  apparate 
in  pharmaceutischen  Laboratorien  Verwendung  finden.  Diese  Apparate  sind  von 
doppeltem  Werth ,  indem  in  ihnen  die  für  die  verschiedenen  pharmaceutischen 
Vorrichtungen,  wie  Ausziehen,  Verdampfen,  Destilliren,  Lösen,  Schmelzen,  Trocknen 
u.  s.  w.  erfahrungsgemäß*  passendste  Temperatur  zur  Kntwickelung  gelangt ,  dies 

aber  gleichzeitig  durch  einen  möglichst  geringen 
Aufwand  von  Heizmaterial  erzielt  wird. 

Man  kann  die  Dampfapparate  in  zwei  grosse 
Gruppen  eintheilen,  und  zwar  in  solche ,  welche 
direct  geheizt  werden  und  den  Dampf  in  sich 
selbst  entwickeln .  und  in  solche,  welche  durch 
einen  besonderen  Dampfentwickler  gespeist  werden. 
Die  der  ersteren  Gruppe  zugehörigen  Apparate 
werden  fälschlich  auch  Wasserbäder  genannt. 
Die  einfachste  Form  dieser  Apparate  besteht  in 
einem  Gefäss  aus  Kupfer  oder  emaillirtem  Eisen, 
welches  mit  einer  Anzahl  in  einander  passender  ring- 
förmiger Platten,  oder  einem  beliebig  durchbrochenen, 
zur  Aufnahme  von  Gefässen  versehenen  Deckel  ver- 
sehen ist ;  zur  Ergänzung  des  beim  Erhitzen  durch 
die  nicht  luftdicht  schließenden  Ringe  entweichen- 
den Wassers  sind  diese  Apparate  meist  mit  einem 
Niveauhalter  verbunden.  (Fig.  59.) 
Diese  Dampfbäder  dienen  meist  Laboratoriumszwecken  und  können  zu  den 
verschiedenartigsten  Arbeiten  benutzt  werden.  Dampfbäder  einfachster  Construction 
sind  ferner  die  in  kleineren  Apotheken  und  beim  Nachtdienst  gebräuchlichen  Hand- 
apparate zur  Herstellung  von  Decocten  und  Infusionen.  Sie  bestehen  in  einem 
durch  Gas,  Spiritus  oder  Petroleum  heizbaren  Wassergefäss,  in  dessen  durchbrochenen 
Deckel  Infundirbiichsen  eingelassen  sind.  (Fig.  60  und  61). 


Fig.  flo. 


Fig.  61. 


Zum  Abzüge  des  überflüssigen  Dampfes  sind  entweder  kleine  Oeffuungen  im 
Dampfkessel  angebracht  oder  derselbe  ist  durch  ein  Kohr  mit  dem  iunerhalb  des 
Kessels  vorhandenen  Dampfmantel  verbunden,  aus  welchem  das  eondensirte  Wasser 
in  den  Kessel  zurüekfliesst.  Für  Laboratoriumszwecke  bedarf  man  grösserer  Apparate. 
Ein  Apparat ,  welcher  allen  später  construirten  Apparaten  als  Basis  gedient  hat, 
ist  der  nach  seinem  Erfinder  Beindorff  benannte  Apparat  (Fig.  62;.  Derselbe  besteht 


Digitized  by  Google 


390 


DAMPF  APPARAT. 


aus  einem  grösseren  Wasserbassin,  welches  mit  Wasserstand-  und  Wasserablassrohr 
versehen ,  in  einen  heizbaren  Ofen  eingemauert  ist.  Die  obere  Platte  ist  mit 
Oeffnungen  für  Infundirbllchsen ,  Schalen  und  andere  Utensilien  versehen,  and 
Ist  gewöhnlich  mit  Metalldeckeln  verschlossen.  Dieser  ursprünglich  einfache 
Apparat  ist  später  vielfach  modificirt,  erweitert  und  mit  mancherlei  HihV  und 
Nebenapparaten  versehen  worden.  Eine  wichtige  Verbesserung  war  die  Anbrin- 
gung eines  Kühlgefässes  und  die  Verbindung  desselben  mit  dem  Apparat, 
welche  ermöglicht,  die  abziehenden  Dämpfe  zu  condensiren  und  ununterbrochen 
destillirtes  Wasser  als  Nebenproduct  zu  gewinnen.  Nicht  minder  werthvoll  wir 
die  Einsenkung  einer  Destillirblase  in  das  Wassergefäss  und  die  Verbindung: 
derselben  einerseits  mit  dem  Dampfraum,  andererseits  mit  dem  Ktihlgefäss,  welche 
ermöglichte,  eine  gnt  geleitete  Dampfdestillation  (s.  Destillation)  mit  anderen 


Fig.  6a. 


Arbeiten  gleichzeitig  ausführen  zu  können.  Fr.  Mohr  sorgte  für  eine  bessere 
Ausnutzung  des  Raumes,  ind<m  er  trichterförmige  Gefässe  auf  Stützen 
der  Deckplatte  des  Apparates  einfügte.  Statt  des  gemauerten  Ofens  wurden  Oefen 
ganz  aus  Gusseisen  construirt  ,  denen  der  Danipfapparat  eingehängt  wurde. 

Sehr  wesentlich  ist  auch  die  Verbindung  eines  Trockenschrankes  mit 
dem  Danipfapparat.  Mnn  kann  zur  Erwärmung  desselben  sowohl  die  abziehenden 
Feuergase ,  als  wie  auch  den  aus  dem  Apparat  kommenden  Dampf  benützen, 
bevor  er  in  das  Kühlgefflss  geht. 

Als  ein  Nebenrequisit  ist  der  Rühr  er  zu  betrachten,  obwohl  er  beim  Ein- 
dampfen von  Extraeten  u.  s.  w.  durch  Bildung  neuer  Oberflächen  von  hochacbltz- 
barem  Werth  werden  kann.  Derselbe  bildet  eine  Maschinerie  für  sich ,  die  durch 
ein  aufziehbares  Räder-  und  Flügelwerk  oder  bei  hinreichendem  Drucke  mittelst 
Wasser  durch  ein  Tr"iunielwerk  in  Bewegung  gesetzt  wird. 

• 

Digitized  by  Google 


DAMPFAPPARAT. 


Ebenso  wichtig,  wie  der  Ausbau  und  die  Completirung  der  bisher  beschriebenen 
Apparate  erscheint  aber  deren  Vereinfachung  und  Compensirung  für  mittlere  und 
kleinere  Geschäfte.    In  diesem  Bestreben  sind  vorzugliche  Leistungen  zu  ver- 

Der  Ofen  solcher  einfacher  Apparate  ist  von  Gusseisen  oder  starkem  Eisen- 
blech, mit  Feuerung,  Rost  und  Aschekasten  versehen.  Derselbe  ist  als  Zimmer-, 
Heiz-  und  Windofen  zu  gebrauchen.  In  demselben  hängt  ein  tiefer  kupferner, 
verzinnter  Wasserkessel,  welcher  durch  ein  Dampfrohr  mit  dem  Kühlgefäss  in 
Verbindung  Bteht.  Dieser  Kessel  kann  zu  Destillationen  über  freiem  Feuer  benützt 
werden.  Wünscht  man  mit  Dampf  zu  destilliren,  so  wird  dem  Kessel,  zu  welchem 
ein  helmförmiger  Aufsatz  mit  Abzugsrohr  gehört,  eine  zinnerne  Blase  eingefügt; 
beide  sind  durch  ein  Dampfzufuhrungsrohr  mit  einander  verbunden.  Will  man 
den  Kessel  als  Wasserbad  zum  Abdampfen  oder  als  Decoctorium  benutzen,  so 
ersetzt  man  den  Helm  durch  eine  Metallplatte  mit  entsprechenden  Oeffnungen. 
Hebt  man  den  ganzen  Kessel  heraus  und  bedeckt  den  Ofen  mit  einem  Satz 
eiserner  Ringe,  so  kann  man  Uber  freiem  Feuer  arbeiten.  Die  Ringe  lassen  sich 
für  andere  Operationen  durch  ein  grösseres  Sandbad  ersetzen.  Bedeckt  man  den 
Ofen  mit  einem  Dom,  so  lassen  sich  Glüh-  und  Schmelzoperationen  aller  Art  in 
ihm  ausfuhren.  Selbst  Sublimationen  lassen  sich  unter  Aufwand  von  etwas  Ge- 
schicklichkeit mit  Hilfe  dieses  Ofens  ausführen.  Alle  diese  letztgenannten  Theile 
sind  jedoch  von  unserem  Standpunkte  aus  nur  als  Nebenapparate  aufzufassen, 
die  zu  dem  Dampfapparat  selbst  in  keiner  Beziehung  stehen. 

Ungleich  kräftigere  Wirkungen ,    als  der  aus  Selbstentwicklern  stammende 
Dampf,  bringen  gespannte  Dämpfe  hervor,  die  in  einem  besonderen  Dampf- 
entwickler unter  Druck  erzeugt  werden.    Während  erstere  von  allen  Berührungs- 
flächen, die  sie  treffen,  abgekühlt  und  verdichtet  werden,  dann  durch  neue  Ver- 
dunstung neue  Kälte  erzeugen  und  daher  die  in  den  Einhängcgefässen  befindlichen 
wässerigen  Flüssigkeiten  nie  auf  100°  zu  erhitzen  vermögen ,   treten  gespannte 
Dampfe  stets   einige  Grad  Über  hundert  heiss  in  den  Dampfraum  ein  und  ver- 
mögen, selbst  bei  Verlust  einiger  Wärmegrade,  jene  Flüssigkeiten  leicht  zum  Sieden 
zu  bringen  und  darin  zu  erhalten.  (Die  Spannkraft  zweier  Atmosphären  entspricht 
einer  Temperatur  von  121°.)    Dazu   kommt  die  leichtere  Vertheilbarkeit  und  die 
bessere  Ausnutzung  der  gespannten  Dämpfe,  wovon   die  erstere  durch  Zulassen 
und  Absperren ,   letztere  durch  Regulirung  der  Feuerung  unter  Beobachtung  des 
Manometers  zu  erzielen  ist.  Als  Dampfentwickler  dient  ein  Dampfkessel,  welcher 
entweder  eingemauert  oder  frei ,   mit  Wärmeschutzmasse  umgeben ,  liegend  oder 
stehend,  aufgestellt  ist.    Der  Dampfkessel  muss  allen  gesetzlichen  Anforderungen 
entsprechen.  Er  muss  auf  einen  bestimmten  Atmosphärendruck  geprüft  sein,  muss 
Manometer,  Sicherheitsventil,   Wasserstandrohr  und  Ab-  nnd  Zulasshahn  besitzen. 
Die  Gefässe,  die  erhitzt  werden  sollen,  sind  entweder  einzeln  mit  Mantel  (doppeltem 
Boden)  versehen,  oder  einem  gemeinsamen  Räume,  dem  Dampftisch,  einge- 
hängt, in  welchen  der  Dampf  eingelassen  wird.  Beiderlei  Räume  besitzen  Zulass- 
hähne für  den  Dampf  und  Ablasshähne  fUr  das  Condenswasaer ,  welches  sich  all- 
mälig  bildet.    Vielfach  ist  die  Einrichtung  getroffen,   dass  das  in  diesen  Räumen 
vorgewärmte  Wasser  zur  neuen  Speisung  des  Dampfkessels  verwandt  und  mittelst 
einer  Pumpvorrichtung  iu  denselben  zurückgeführt  wird.    Selbstverständlich  kann 
auch   der  gespannte  Dampf  zur  Heizung   eines  gewöhnlichen  Dampfapparates 
benutzt  werden,  wie  andererseits  neben  dieser  Einrichtung  ein  fUr  sich  heizbarer 
Dampfapparat   in  demselben  Arrangement  vorhanden  sein  kann.    Die  vorstehend 
erwähnten  Apparate  in   ihrer  verschiedenen  Form  und  Vervollkommnung  sind  in 
pharmaceutischen  Laboratorien   fast  Überall  anzutreffen   und  daher  als  bekannt 
vorauszusetzen,   überdies   aber  auch  aus  den  illustrirten  Preislisten  verschiedener 
Firmen  zu  erfahren,  welche  die  Herstellung  dieser  Dampfapparate  als  Specialität 
betreiben.  E 1  s  n  e  r. 


Digitized  by  Google 


392 


DAMPFBÄDER.  -  DAMPFDICHTE. 


Dampfbäder,  s.  Bd.  n,  Pag.  111. 

Dampfdichte.  Mit  Dampfdichte  bezeichnet  man  diejenige  Gewichtsmenge  eines 
in  Dampf-  oder  Gasform  Bich  befindenden  Körpers,  welche  den  gleichen  Raum 
erfüllt,  wie  eine  Gewichtseinheit  atmosphärischer  Luft  bei  gleichem  Druck  und 
gleicher  Temperatur.  Die  Dampfdichte  wird  also  stets  eine  Zahl  vorstellen,  welche 
gefunden  wird  durch  Division  des  specifischen  Gewichts  des  zu  untersuchenden 
Körpers  durch  das  spezifische  Gewicht  des  gleichen  Volumens  Luft,  also  der 
Volumeinheit.  Bezeichnet  man  erstere  mit  k  (Körper),  letztere  mit  1  (Luft),  so 
ergibt  sich  für  die  Dampfdichte  (d)  die  Formel 

Da  man  bei  dieser  Art  der  Berechnung  oft  auf  kleine  vierteilige  Decimalen 
kommt,  so  hat  man  neuerdings  vorgezogen,  als  Normalvolumen  statt  der  Luft  den 
Wasserstoff  (w)  zu  setzen ;  man  gelangt  so  durchgehends  zu  Multiplen  und,  wenn 
wir  diese  Darapfdichte  mit  D  bezeichnen,  zu  der  Formel: 


Um  mithin  eine  Dampfdichte  bestimmen  zu  können ,  sind  als  Vorbedingungen 
nothwendig  das  specifische  Gewicht  der  Luft  oder  das  specifische  Gewicht  des 
Wasserstoffs.  Erwägt  man  nun ,  dass  die  atmosphärische  Luft  ein  in  seiner  Zu- 
sammensetzung oft  schwankender  Körper  ist,  und  dass  das  specifische  Gewicht  des 
Wasserstoffs  mit  absoluter  Genauigkeit  überhaupt  nicht  festzustellen  ist,  dass  ferner 
sowohl  Luft  wie  Wasserstoff  dem  Gay-Lussac-Mariotte' sehen-  Gesetz  nur  an- 
nähernd folgen ,  so  ergibt  sich  daraus  sofort ,  dass  die  auf  solcher  Grundlage 
gewonnenen  Zahlenresultate  auf  sehr  grosse  Genauigkeit  keinen  Anspruch  machen 
können. 

Für  die  Chemie,  insbesondere  für  die  organische,  hat  die  Bestimmung  der 
Dampfdichte  in  der  Hauptsache  den  Zweck,  die  Resultate  der  Elementaranalyse 
zu  bestätigen  oder  zu  berichtigen.  Zur  Illustration  diene  folgendes  Beispiel. 
Wenn  man  chemisch  reines  Formaldehyd  analysirt,  so  erhält  man : 

Kohlenstoß  40  Procent 

Wasserstoff .  .  .  .  .  ,  6.666  „ 
Sauerstoff   53.333  „ 

TOO.ÖÖÖT 

Unterwirft  man  Essigsäure  der  Elementaranalyse,  so  erhält  man  genau 
dieselben  Zahlen;  ganz  genau  dasselbe  Resultat  erhält  man 
aber  auch  bei  der  Analyse  der  Milchsäure.  Die  procentischen  Gewichts- 
resultate würden  mithin  in  allen  3  Fällen  auf  dieselbe  einfache  Formel 
CH.,  0  führen.  In  solchen  Fällen  nun ,  wo  die  Element aranalvse  einen  weiteren 
Einblick  in  die  Natur  der  untersuchten  Verbindungen  nicht  gestattet,  bietet  die 
Dampfdichte  ein  werthvolles  Moment  für  weitere  Schlussfolgerungen.  Bestimmen  wir 
nämlich  die  Dampfdichte  dieser  3  procentisch  gleich  zusammengesetzten  Körper,  so 
erhalten  wir  dieselbe 

für  Formaldehyd  =  1.04 
„  Essigsäure  =  2.08 
„   Milchsflure      =  3.12. 

Auf  Grund  dieser  Dampfdichten  finden  wir,  dass  sieh  trotz  gleicher  procen- 
tiseber  Zusammensetzung  Formaldehyd  zu  Essigsäure  zu  Milchsäure  verhält  wie 
1:2:3  und  dass  demnach  die  Formeln  dafür  lauten  müssen : 

für  Formaldehyd  CHaO 
„  Essigsäure  Ca  H,  02 
„   Milchsäure  C,  H6  03. 


Digitized  by  Google 


DAMPFDICHTE. 


Dieses  eine  Beispiel  wird  genügen,  um  die  Wichtigkeit  der  Kenntniss  der 
Dampfdichte  darznthun ,  auch  trotz  der  Mängel ,  die  der  Bestimmung  derselben 
anhaften. 

Von  ganz  hervorragendem  Interesse  sind  die  Beziehungen  der  Dampf- 
dichte  zum  Molekulargewicht;  beide  stellen  Gewichtsmengen  vor,  welohe 
ein  mit  Druck  und  Temperatur  veränderliches  Volum  annehmen.  Daraus  folgt, 
dass  beide  für  alle  Stoffe  stets  in  dem  gleichen  Verhältnisse  zu  einander  stehen, 
und  dass  sich  folglich  die  eine  Gewichtsmenge  aus  der  anderen  be- 
rechnen lassen  muss.  In  der  That  lässt  sich  das  Normalvolumgewicht  leicht 
aus  der  Dampfdichte  berechnen.  Es  muss  nämlich  das  Normalvolumgewicht  eines 
jeden  Stoffes  sich  zu  dessen  auf  Luft  bezogene  Dampfdichte  verhalten,  wie  das 
Normalvolum  zu  dem  Volum  der  Gewichtseinheit  Luft  bei  gleicher  Temperatur 
und  gleichem  Drucke.  Diese  Relationen  entsprechen  genau  dem 
Ayogadro's c h e n  Gesetz  (s.  Bd.  II,  pag.  60). 

Man  erhält  nunmehr  das  Normalvolumgewicht  durch  Multiplication  der  Dampf- 
dichte mit  dem  für  alle  Gase  gleichen,  unabänderlichen  Reductionsfactor  28,  87; 
z.  B.: 

Dampfdirhte  auf  Luft  Normalvolnmgewkht 
bezogen 

Wasser  ....  0.625  X  28,  87  =  18 
Schwefelwasserstoff  .    1.179  x  28,  87  =  34. 

Da  nun  nach  dem  AvOGADRO'schen  Gesetz  das  Molekulargewicht  eines  Körpers 
dem  Normalvolumgewicht  desselben  gleich  sein  oder  das  eine  durch  das  andere 
dhidirt,  den  Quotient  1  geben  soll,  so  müssen  auch  die  Dampfdichten  aller 
Körper  den  Molekulargewichten  derselben  proportional  sein; 
und  es  muss  ferner  das  Di visionsproduct  aus  Molekulargewicht  und 
Dampfdichte  einen  für  alle  Fälle  gleichen,  constanten  Quo- 
tienten geben,  und  zwar  muss  dieser  constante  Quotient  gleich  sein  dem  oben 
genannten  Eeductionsfactor  28,  87. 

Aus  allem  Gesagten  ergibt  sich,  dass  die  Dampfdichte  uns  auch  eine  Controle 
der  Richtigkeit  unserer  auf  anderem  Wege  festgestellten  Molekulargewichte  ermög- 
licht. Der  Factor  aus  der  gewonnenen  Dampfdichte  und  dem  con- 
stanten Quotienten  28,  87  muss  eine  Zahl  ergeben,  welche  gleich 
ist  der  Summe  der  Molekulargewichte  der  einzelnen  Elemente 
des  betreffenden  Körpers  ;  z.  B. : 

Dampfdichte  des  Wassers  0.625  X  28,  87  =  18. 
Wasser  HsO  =  2H(2)  -I-  0(16)  =  18. 
Dampfdichte  des  Methylalkohols  1.11  X  28,  87  =  32. 
Methylalkohol  CH4  0  =  C(12)  +  4H(4)  +  0(16)  =  32. 

Umgekehrt  aber  muss  sich  auch  die  Dampfdichte  eines  Körpers 
aus  dessen  Molekulargewicht  berechnen  lassen,  z.  B.  Ammoniak 

NH,  =  N(14)  +  3H(3)  =  =  0.5967. 

In  der  That  ist  dieses  die  bestimmte  Daropfdichte  des  Ammoniaks. 

ßesässen  wir  eine  absolut  gleich  und  unveränderlich  zusammengesetzte  Normal- 
luft und  könnten  wir  stets  mit  absolut  chemisch  reinen  Körpern  arbeiten, 
so  hätten  wir  in  der  Dampfdichte  das  Mittel,  zu  normalen  Molekulargewichten 
zu  gelangen.  Zur  Zeit  sind  wir  noch  nicht  soweit,  und  wenn  die  Richtigkeit  des 
AvoGADEO'schen  Gesetzes  heute  auch  über  allen  Zweifel  feststeht,  so  haben  wir 
bis  jetzt  doch  nur  wenige  Fälle,  wo  das  Molekulargewicht  und  das  aus  der 
Dampfdichte  berechnete  Normalvolumgewicht  sich  vollständig  decken.  Meist 
sind  die  Differenzen  nur  unwesentliche,  und  die  Schuld  dafür  liegt  wohl  in  den 
unvermeidlichen  Mängeln  der  Dampfdichtebestimraung ,  theils  auch  in  der  nicht 
absoluten  Reinheit  der  untersuchten  Körper. 


Digitized  by  Google 


394  DAMPFDICHTE. 

Die  nachfolgende  Tabelle  wird  das  Gesagte  am  besten  veranschaulichen : 


Molekular- 

Dampf-  | 

Normal- 

Volumen 
de.s 

dichten 

Bill  -LilUl 

volum- 

Molekular- : 

fr,i\\  i  i  h  tR 

Name  der  Verbindung 

Gewicht 

Formel 

=  M 

bezogen  i 

_  H 

-  5" 

.   

H,0 

18 

U.Ö4D 

IQ  n 

1  AAA 

HCl 

36.5 

1  VJ7 

iUi  A 

oo.u 

i  Aia 

Brom  Wasserstoff  ...      .   .   .  « 

HBr 

81 

O  7-1 

4.  4  0 

7Q  Q 
/Ö.O 

i  rvoo 
1  .u*o 

HJ 

128 

A  AÄ'i 

lOQ  3 

A  fiQ-y 

H,S 

34 

1  17Q 
1.1  tu 

StA  A 

i  aaa 

N  H4 

17 

17  9 
14.4 

AGQ« 

CH4 

16 

U.DO  4 

Iß  1 
10.1 

A  QQß 

CHC13 

119.5 

i  nie 
4.-6 10 

101  7 
141./ 

Uam  mm  aI 

78 

0  ß7s. 
4.0/0 

77  9 

i  nm 

1.U1U 

lfiUl.MlnlkAliAl 

CH.U 

32 

111 
1.11 

30  A 

i  fMTkn 

A^tnylalkohol  

i  C,H,0 

46 

1  *i  1  a 

40.0 

A  QK7 

A  .««ln1t.Al.Al 

C  Hu0 

88 

0.14 

ÜA  ß 

w.o 

A  Q07 

A  A»1...1»t1.n« 

;  c.h.,,0 

74 

O  KHK 
4.000 

7a1 

74 

1  AAA 

A  1^a.1...J 

C.H.O 

44 

1.0O4 

44.4 

0.996 

a    «k«  Aft  aI  AHA#l  **  aaLA*Ä 

r  h  o 

1  KU 
1.0» 

40.» 

i  rtAO 

l.<  *J4 

C  H  <>. 

60 

2.122 

61.3 

0.979 

C.H.O, 

88 

3.10 

89.5 

0.983 

C  H.,0, 

'02 

3.66 

105.7 

0.965 

C.  H„  0, 

122 

4.20 

1215 

1.006 

CaH:N 

45 

1.594 

46.0 

0.978 

C,  H-  N 
SiCl4 

93 
170 

3.21 

92.7 

1.003 
0.991 

5.94 

171.5 

CSH4 

28 

< 

0.978 

28.2 

0.993 

Wie  aus  vorstehender  Tabelle  hervorgeht,  ist  die  Dampfdichte  von  der 
Grösse  des  Molekulargewichtes  und  der  Auzahl  der  Atome  im 
Molektll  nicht  abhängig.  Dagegen  folgt  daraus,  dass  Körper,  welche 
ein  gleiches  Molekulargewicht  besitzen,  auch  gleiche  Dampf- 
dichten besitzen  müssen  und  dass  die  Dampfdichten  aller  Körper 
unter  einander  in  demselben  Verhältnisse  stehen,  wie  die  Atom- 
gewichte; hat  z.  B.  ein  Körper  ein  doppelt  so  hohes  Atomgewicht ,  als  ein 
anderer,  so  ist  auch  seine  Dampfdichte  eine  doppelt  so  grosse;  z.  B. : 

Aldehyd       Molekulargewicht  44,  Dampfdichte  1.532, 
Butteraäure  „  88,  3.10. 

In  dem  bisher  Besprochenen  ist  die  Dampfdichte  auf  Luft  bezogen.  Geht 
mau  dagegen  von  der  auf  Wasserstoff  bezogenen  Dampfdichte  aus, 
so  muss ,  um  durch  Rechnung  zum  Normalvolumgewicht  zu  gelangen ,  die 
Dampfdichte  mit  2  multiplicirt  werden.  Daraus  folgt,  dass  die  Normal- 
volumgewichte (und  also  auch  die  Molekulargewichte)  stets 
doppelt  so  gross  sind,  als  die  auf  Wasserstoff  bezogenen  Dampf- 
dichten. Setzt  man  den  Wasserstoff  =  1 ,  so  erhält  man  z.  B.  folgende 
Dampfdichten : 

Für  Wasser  9 

„    Aether  37.08 

„    Benzol  39.74 

„    Stickstoff  14.02 

„    Quecksilber  100.07 

„    Sehwefel  31.93. 

Verdoppeln  wir  diese  Zahlen,  so  stimmen  die  Resultate  fast  vollständig  mit 
deu  Molekulargewichten  überein. 

So  einfach  nun  auch  die  auf  die  Daiupfdichte  sich  beziehenden  oder  von  ihr 
abgeleiteten  Gesetze  sind,  so  tritt  doch  bisweilen  der  Fall  ein,  dass  dieselbe  dieeea 
Gesetzen  nicht  folgt.   Wir  gelangen  daun  zu  Resultaten,  welche  von  der  obige* 

Digitized  by  Google 


DAMPFDICHTE.  -  1) AMPFD1C HTEBESTI  MM U NG . 


Gesetzmässigkeit  so  weit  abweichen,  dass  hier  von  einem  blossen  Fehler  in  der 
Beobachtung  oder  von  einer  Mangelhaftigkeit  der  Bestimmungsmethode  nicht  mehr 
die  Rede  sein  kann.  Der  Salmiak  z.  B.  bat  eine  Dampfdichte  =  0.93.  Unter 
Anwendung  der  obigen  Gesetze  wurde  sich  das  Normalvolumgewicht  auf  26.7 
berechnen.  Das  Molekulargewicht  des  Chlorammoniums  ist  aber  (NH4  Cl  =  N  (14) 
+  4H  (4)  4  Cl (35.5)  =  63.6.  So  lange  man  die  Ursache  dieser  Abweichung  noch 
nicht  erkannt  hatte,  bezeichnete  man  derartig  abweichende  Dampfdichten  als  ab- 
norme Dampfdichten.  Als  Ursache  dieser  abnormen  Erscheinungen  sehen 
wir  nach  dem  jetzigen  Stande  der  Wissenschaft  die  Dissociation  an  (vergL 
diese).  Man  nimmt  an,  daes  in  diesen  von  der  Regel  abweichenden  Fällen  der 
zn  untersuchende  Körper  beim  Verdampfen  Bich  zersetzt,  dass  durch  die  Wärme- 
vermehruDg  die  Molekularcohäsion  gelockert  und  schliesslich  uberwunden  wird, 
und  dass  der  Körper  in  Dampfform  in  seine  beiden  Componenten  zerfällt.  Eine 
derartige  Trennung  der  Componenten  findet,  wie  dies  unter  Dissociation  ausführ- 
licher erörtert  ist,  nur  im  dampfförmigen  Zustande  statt,  beim  Uebergange  in  den 
tropfbar-flüssigen  oder  festeu  Aggregatzustand  verbinden  sich  die  Componenten 
wieder.  Das  Chlorammonium  zersetzt  sich  beim  Uebergange  in  den  Gaszustand  in 
ein  Gemisch  von  Ammoniakgas  und  Salzsäuregas.  Wir  haben  in  dem  Dampf,  den 
wir  als  „Salmiakdampf"  bezeichnen,  nicht  1  Volum  wirklichen  Salmiaks  in  gas- 
förmigem Zustande,  sondern  2  Volumen  eines  Gemisches  von  Ammoniak 
und  Chlorwasserstoff,  für  welche  sich  leicht  die  Dampfdichte  findet: 
NH  +  HCl  _  53.5  _  2(.  75 

Es  gibt  aber  auch  noch  andere  Verhältnisse,  unter  denen  die  Dampfdichte  sich 
von  den  obigen  Gesetzen  mehr  oder  minder  entfernt,  mindestens  aber  doch 
noch  nicht  constant  genannt  werden  kann.  Ausführliche  Beobachtungen  haben 
ergeben ,  dass  constante  Dampfdichten,  die  unabhängig  von  Druck  und 
Temperatur  sind,  nur  dann  erhalten  werden ,  wenn  die  Dämpfe  hinreichend  weit 
von  ihrer  Condensation  entfernt  sind.  Für  die  meisten  Dämpfe  beginnt  die  con- 
stante Dichte  erst  bei  einer  Temperatur ,  welche  mindestens  30°  über  dem 
Siedepunkt  liegt.  Für  die  Dichte  des  Wasser  dampf  es  ist  z.  B.  bei  dem  Drucke 
einer  Atmosphäre  gefunden: 

bei    109°     129'     175"  200' 
0.65«   0.633   0.625  0.626 

Von  175°  an  bleibt   also  die  Dampfdichte  merklich  constant  und  entspricht 

genau  dem  Molekulargewicht  Hs  0  =  18.  — Für  Alkoholdampf  ist  gefunden: 

bei   88°      98*      HO'     125"     150"     175°  200* 
1.7*5    1.649    1.610    1  603    1.604    1.607  <'.6'»2. 

Hier  beginnt  die  Dichte  Oonstanz  etwa  bei  125°,  also  bei  circa  45°  über  dem 

Siedepunkt.  —  Bei  der  Essigsäure  beginnt  der  Dampf  erst  bei  wesentlich  höherer 

Temperatur  constant  zu  werden,  nämlich  bei  240",  während  ihr  Siedepunkt  bei 

110»  liegt.  Für  E«sigsäuredampf  ist  gefunden: 

bei    125«    150"    180°   W  •«   240°   *50*   310°  336" 
3.18   2.73   2.44    2.25   *.ö9    2.08   2.U8  208. 

Die  vorstehenden  Beispiele  beweisen,  dass  die  Dampfdichte  mit  wach- 
sender Temperatur  bei  constante  in  Druck  abnimmt.  Selbstverständ- 
lich folgt  daraus,  dass  sich  bei  constant  gehaltener  Temperatur,  aber 
Verminderung  des  Druckes  das  gleiche  Resultat  erzielen  lässt. 
Dieser  letztere  Umstand  ist  von  Wichtigkeit,  weil  er  gestattet,  die  Bestimmungen 
der  Dampfdicbte  auch  bei  minder  hohen  Temperaturen,  ja  selbst  bei  einer  Tempe- 
ratur, die  noch  unterhalb  des  Siedepunktes  liegt,  vorzunehmen,  und  damit 
den  Fehlerquellen,  welche  die  Dissociation  in  einzelnen  Fällen  verursacht,  von 
vornherein  vorzubeugen.  '  Ganswindt. 

Dampfdichtebestimmung.  Die  Bestimmung  der  Dampfdichte,  das  heisst  das 
Auffiuden  jener  Zahl,  welche  angibt,  wie  vielmal  schwerer  ein  Dampf  ist  als  ein 


Digitized  by  Google 



396  DAMPFDICHTEBESTIMMUNG. 

dem  Dampfvolnmen  gleiches  Volumen  Luft,  welche  denselben  Druck  und  dieselbe 
Temperatur  wie  der  Dampf  besitzt,  ist  eine  sehr  umständliche  Arbeit  und  er- 
fordert ziemlich  complicirte  Apparate. 

Die  Methoden  zur  Ermittelung  der  Dampfdichte  unterscheiden  sich  im  Principe 
von  einander  dadurch,  dass  entweder  ein  bestimmter  vorhandener  Raum  mit  dem 
constanten  Dampfe  des  zu  untersuchenden  Körpers  angefüllt,  oder  indem  ein 
bestimmtes  Quantum  des  betreffenden  Körpers  in  Dampf  von  mindestens  30°  Aber 
dem  Siedepunkt  des  betreffenden  Körpers  verwandelt  und  dessen  Gewicht  und 
Rauminhalt  festgestellt  wird.  In  allen  Fällen  erfordert  die  Feststellung  des  Resul- 
tates weitläufige  mathematische  Rechnungen,  über  welche  ich  im  Nachfolgenden 
umsomehr  hinwegsehen  zu  können  glaube,  als  der  Apotheker  niemals  in  die  Lage 
kommen  wird,  eine  derartige  Bestimmung  auszuführen. 

1.  Die  Methode  von  Dumas.  Dieselbe  erfordert  einen  kleinen  Rundkolben 
oder  Glasballon  von  250 — 500 ccm  Inhalt;  dieser  wird  gereinigt  und  getrocknet, 
indem  man  seinen  Hals  mit  einer  Ca  Cl-Röhre  verbindet  und  mittelst  einer  kleinen 
Luftpumpe  wiederholt  auspumpt ;  dann  wird  der  Hals  zu  einer 
feinen  Röhre  ausgezogen,  diese  umgebogen  und  abgeschnitten 
(b.  Fig.  63).  Nachdem  man  den  Rand  der  Spitze  abgeschmolzen, 
wird  der  Apparat  gewogen  und  gleichzeitig  der  Thermometer- 
und  Barometerstand  notirt.  Dann  wird  die  zu  untersuchende 
8ubstanz  in  den  Ballon  gefüllt.  Die  Füllung  geschieht  in  ähn- 
licher Weise  wie  bei  der  Elementaranalyse  durch  Erwärmen  des 
Ballons  und  Eintaueben  der  Spitze  in  die  Flüssigkeit,  welche 
beim  Abkühlen  aufgesaugt  wird;  ist  der  Körper  fest,  so  muss 
er  zuvor  geschmolzen  werden.  Zum  Versuch  sind  je  nach  der 
Grösse  des  Ballons  5 — 10  g  Substanz  nöthig.  Nun  beginnt 
die  Ueberführung  des  Körpers  in  Dampfform.  Der  Ballon 
wird  je  nach  dem  Siedepunkt  der  Substanz  in  ein  Bad  von  Wasser,  Oel  oder 
Paraffin  so  untergetaucht ,  dass  die  Spitze  eben  aus  dem  Bade  heraussieht. 
Durch  das  Erwärmen  und  die  unterhalb  des  Siedepunktes  sich  bildenden  Dämpfe 
wird  zunächst  die  Luft  aus  dem  Ballou  getriebeu;  später,  wenn  die  Substanz 
siedet,  strömt  Dampf  aus  der  Spitze  aus.  Bald  nachdem  die  Temperatur  des  Bades 
30 — 35°  höher  ist,  als  der  Siedepunkt  der  Substanz,  ist  die  constante  Dampf- 
dichte erreicht.  Sobald  der  Dampfstrom  aufhört  ,  schmilzt  man  die  Spitze  des 
Ballons  zu  und  notirt  gleichzeitig  die  Temperatur  des  Bades  und  den  Barometer- 
stand. Der  herausgenommene  und  wohl  gereinigte  Ballon  wird  wieder  gewogen 
und  Temperatur  und  Barometerstand  bei  der  Wägung  notirt.  Schliesslich  wird  die 
Spitze  des  Ballons  unter  ausgekochtem,  luftfreiem  Wasser  abgefeilt  und  abgebrochen. 
Der  Ballon  füllt  sich  dabei  mit  Wasser  und  wird  so  mit  der  Spitze  nochmals 
gewogen. 

Durch  beschriebene  Operationen  sind  folgende  Grössen  ermittelt  worden: 

das  Gewicht  des  mit  Luft  gefüllten  Ballons, 

das  Gewicht  des  mit  Dampf  gefüllten  Ballons, 

das  Gewicht  des  mit  Wasser  gefüllten  Ballons, 

die  Temperatur  des  Dampfes  im  Moment  des  Zuschmelzens, 

die  Temperatur  bei  der  Wägung  des  mit  Dampf  gefüllten  Ballons, 

der  Barometerstand  im  Moment  des  Zuschmelzens, 

der  Barometerstand  bei  der  Wägung  des  mit  Dampf  gefüllten  Ballons, 

die  Dichtigkeit  des  den  Ballon  füllenden  Wassers. 
Bei  der  dann  folgenden  Rechnung  ist  ferner  noch  zu  berücksichtigen: 
der  eubische  Ausdehnungscoe'fficient  des  Ballonglases, 

das  Volumen  des  Ballons  bei  der  Temperatur  zur  Zeit  der  Wägung  des  mit  Dampf 
gefüllten  Ballons, 

das  Volumen  des  Ballons  bei  der  Temperatur  im  Moment  des  Zuschmelzens.  endlieh 
das  Gewicht  von  1  ccm  der  verdrängten  Luft. 


Digitized  by  Google 


DAMPFDICHTEBESTIMMUNG. 


Der  zur  Ausführung  der  DüMAs'schen  Methode  nöthige  Apparat  ist  der  ein- 
fachste und  gestattet  die  Bestimmung  der  Dampfdichte  auch  fflr  höhere  Tempera- 
turen; die  Methode  hat  aber  den  Nachtheil,  das»  der  meiste  Theil  des  Dampfes 
zur  Verdrängung  der  Luft  im  Ballon  verwendet  wird  und  verloren  geht  und  dass 
bei  der  Berechnung  eine  grosse  Anzahl  von  Factoren  in  Betracht  gezogen  werden 
muss,  wenn  das  Endresultat  auf  Genauigkeit  Anspruch  raachen  soll. 

2.  Die  Methode  von  Gay-Lussac.  Diese  sucht  für  ein  gegebenes  Gewicht 
Substanz  den  zugehörigen  Raum  auf,  welchen  dieselbe  im  Dampfzustande  einnimmt. 
In  dem  beigefügten  GAV-Li'SSAc'schen  Apparat  ist  das  Ilaupterforderniss  eine  einer- 
seits geschlossene,  circa  400  mm  lange,  in  Cubikcentimeter  graduirte,  mit  trockenem 
Quecksilber  vollständig  gefüllte  Glasröhre  </.  welche  in  ein  cylindrisches,  zur  Hälfte 
mit  Quecksilber  gefülltes  Gefäss  umgestülpt  wird.  Da  die  Röhre  g  kürzer  ist  als 
die  normale  Barometerhöhe ,  so  bleibt  dieselbe  beim  Umstülpen  auch  vollständig 
gefüllt.  In  diese  Röhre  wird  nun  eine  vorher  gewogene  Menge  Substanz  gegeben. 


mit  Wasser  oder  Oel  gefüllt.  Die  Wahl  des  Mediums  hängt  theils  von  dem  Siede- 
punkt der  zu  untersuchenden  Substanz,  theils  aber  auch  davon  ab,  ob  man  die 
Dampfdichte  bei  Temperaturen  unter  oder  über  100°  bestimmen  will. 

Nun  erwärmt  man  das  Bad  bis  annähernd  zur  constanten  Dampfdichte  der 
Substanz,  also  25 — 30°  über  deren  bekannten  Siedepunkt.  Die  Folge  davon  ist 
die  Sprengung  der  Glaskugel ;  die  Substanz  verdampft  und  drängt  in  entsprechen- 
den Mengen  das  Quecksilber  in  der  Röhre  nach  unten.  Hat  man  bei  circa  30° 
über  dem  Siedepunkt  nach  vollständigem  Verdampfen  der  Substanz  (man  erkennt 
dies  daran,  dass  das  Quecksilberniveau  in  g  constant  bleibt)  die  Temperatur  und  das 
Volumen  des  Dampfes  in  g  notirt,  so  erübrigt  nur  noch  die  Beobachtung  des 
Dampfdruckes ;  hierzu  wird  die  Schraube  r  (von  bekannter  Länge)  so  weit  herum- 
geschraubt, dass  die  Spitze  das  Quecksilber  in  c  berührt.  Man  hat  damit  folgende 
Factoren  ermittelt: 


Fig.  64. 


Zu  diesem  Zwecke  bläst  man 
sich  eine  kleine,  sehr  dünn- 
wandige Glaskugel  von  einigen 
Millimetern  Durchmesser,  deren 
Oeflnung  man  zu  einer  feinen 
Spitze  auszieht ;  nun  wägt  man 
genau.  Dann  taucht  man  die 
offene  Spitze  der  gelinde  er- 
wärmten Glaskugel  in  die  zu 
untersuchende  flüssige ,  respee- 
tive  geschmolzene  Substanz ; 
bei  dem  Abkühlen  zieht  sich 
die  Flüssigkeit  in  die  Kugel; 
nöthigenfalls  wiederholt  man 
das  Erwärmen  und  Eintauchen. 
Nach  geschehener  Füllung  wird 
die  Spitze  zugoschmolzen  und 
durch  nochmalige  Wäguug  das 
Gewicht  der  Substanz  bestimmt. 
Die  mit  der  Substanz  gefüllte 
kleine  Kugel  wird  nun  mit  der 
nöthigen Vorsicht  von  unten  in 
die  Röhre  g  eingeführt.  Nach- 
dem der  Apparat  soweit  vor- 
bereitet, wird  über  das  Rohr 
ein  weiterer,  beiderseits  offener 
Cylinder  m  gestülpt,  in  das 
Quecksilber    eingetaucht  und 


Digitized  by  Google 


398 


DAMPFDICHTEBESTIMMUNG. 


dag  Gewicht  der  eingeführten  Substanz  in  Gramm, 
das  Volumen  des  Dampfes  in  Cnbikcentiraeter, 
die  Höhe  der  Quecksilbersäule  in  g,  reducirt  auf  0°, 
die  Barometerhohe,  reducirt  auf  0°, 
die  Temperatur  des  Dampfe«, 

die  Spannkraft,  welche  der  Quecksilberdampf  bei  der  Temperatur  des  Dampfes 
ausübt. 

Aus  diesen  Daten  wird  dann  die  Dampfdichte  durch  Rechnung  unter  Zuhilfe- 
nahme der  GRA.HAM-OiTO'schen  Tabellen  bestimmt. 

3.  Die  Methode  von  A.  W.  Hofmann  ist  eine  wesentliche  Verbesserung 
der  vorigen ,  beruht  aber  auf  den  gleichen  Principien.  In  dem  HoFMANN'schen 
Apparat  ist  statt  der  400  mm  langen  Röhre  g  ein  Glasrohr  gewählt,  welche«  circa 
1  m  lang  und  15  mm  weit,  im  Uebrigen  aber,  wie  bei  Gay-LüsSAC,  oben  geschlossen, 
in  Cubikcentimeter  getheilt,  mit  Quecksilber  gefällt  und  in  eine  Quecksilberwanne 
umgestülpt  ist.  Da  dieses  Rohr  höher  ist ,  als  die  normale  Barometerhöbe ,  so 
füllt  hier  das  Quecksilber  beim  Umstülpen  in  das  Rohr  g  und  es  entsteht  eine 
Barometerleere  von  circa  25  cm  Länge.  Durch  diese  Modifikation  wird  die  Constenz 
der  Dampfdichte  schon  bei  einer  Temperatur  erreicht,  welche  unterhalb  de»  Siede- 
punktes liegt.  Zur  Einbringung  der  Substanz  dient  ein  kleines  Glasröhrchen  mit 
Glasstöpsel,  welche  0.02 — 0. 1  g  Substanz  zu  fassen  vermag.  Dieses  Röhrchen  wird 
vor  und  nach  der  Füllung  gewogen  und  dann,  wie  beim  GAY-LüSSAc'schen  Apparate, 
von  unten  eingeführt.  Bei  Körpern  von  nicht  so  hohem  Siedepunkt  springt  der 
Stöpsel  sofort  nach  dem  Eintritt  in  die  Barometerleere  aus  dem  Röhrchen,  bei 
höher  siedenden  bei  gelindem  Erwärmen.  Da  bei  solcher  Beschaffenheit  de«  Appa- 
rates nur  verhältnissmässig  niedrige  Temperaturen  nöthig  sind,  so  finden  wir  hier 
statt  des  äusseren  Cylinders  m  des  GAY-LussAc'schen  Apparates  einen  Glasmantel 
von  etwa  90  cm  Länge  und  4  cm  Dicke,  welcher  sich  nach  oben  und  unten  ver- 
jüngt und  durch  Gummiringe  am  inneren  calibrirten  Rohr  befestigt  wird;  in  der 
Nähe  der  oberen  und  unteren  Dichtungsstelle  sind  seitliche  Zuleitungs-  und  Ab- 
leitungsrohre von  Glas  angeblasen.  Leitet  man  nun  durch  das  obere  Zuleitungsrohr 
Dampf  von  siedendem  Wasser  oder  einer  anderen  höher  siedenden  Flüssigkeit  in 
diesen  Glasmantel,  so  umhüllt  dieser  das  Baroraeterrohr  und  erwärmt  es  bis  auf 
seine  eigene  Temperatur.  .  • 

Apparat  sowohl  als  Ausführung  sind  verhältnissmässig  einfach  und  selbst  von 
in  physikalisch-chemischen  Arbeiten  minder  Geübten  auszuführen.  Auch  die  Berech- 
nung vereinfacht  sich  hier,  da  die  Spannung  de*  Quecksilberdampfes  hier  nicht 
berücksichtigt  zu  werden  braucht.  Die  Methoden  von  Gay-Lissac  und  Hofmaxn 
haben  im  Vergleich  mit  der  von  Dumas  noch  den  grossen  Vortheil,  das«,  wenn 
die  zu  untersuchende  Substanz  mit  geringen  Mengou  einer  minder  flüchtigen  Sub- 
stanz verunreinigt  ist,  dies  das  Endresultat  wenig  beeinflusst.  Beim  DüMAs'schen 
Verfahren  verdampft  zunächst  reine  Substanz  und  der  zuletzt  im  Ballon  ver- 
bleibende Dampf  enthält  fast  die  gesamtnte  Menge  der  Verunreinigung  und  gibt 
somit  ein  erheblich  unrichtigeres  Resultat  für  die  Dampfdichte  der  fraglichen  Sub- 
stanz. Beide  Methoden  haben  den  weiteren  Vorzug,  die  Dampfdichte  bei  ver- 
schieden hohen  Temperaturen  bestimmen  zu  können.  Beim  Gay-Lüssac- 
schen  Apparate  braucht  man  nur  die  Erhitzung  unter  entsprechendem  Wechsel 
des  Badmediuins  zu  steigern ,  beim  Hofmanx  Vheu  die  Dämpfe  höher  siedender 
Flüssigkeiten  durch  den  Dampfmantel  gehen  zu  lassen.  Die  HoFMAXx'sehe  Methode 
hat  in  Folge  ihrer  Barometerleere  endlich  noch  den  Vortheil  vor  der  Gay- 
Lussac' sehen,  dass  sie  eine  Bestimmung  der  Dampfdichte  bei  geringerem  Druck  und 
niedrigeren  Temperaturen  gestattet ;  z.  B.  lftsst  sich  die  Dichte  des  Dimethylanilins, 
welches  bei  192°  siedet,  schon  bei  100°  bestimmen;  dagegen  eignen  sich  diese 
Methoden  nicht  für  die  Bestimmung  der  Dampfdichte  hochsiedender  Flüssigkeiten, 
weil  das  dabei  unumgänglich  nothwendige  Quecksilber  selbst  bei  360°  siedet.  Für 
Körper  dieser  Art  benutzt  man  entweder  die  Dl'MAS'sche  oder  die  nachfolgende  Methode. 


Digitized  by  Google 


D  A  M  PFD I CHTEBESTIM  M  U  NG .  399 

4.  Erste  Methode  von  Victtor  Meyer.  Das  Originelle  der  Meyer' sehen 
Methode  besteht  in  dem  Ersatz  des  Quecksilbers  durch  das  Woon'sche  Metall, 
eine  Legirung  aus  15  Th.  Wismut,  8  Th.  Blei,  4  Th.  Zinn  und  3  Th.  Cadmium, 
deren  Schmelzpunkt  bei  70°  liegt  und  die  im  Handel  käuflich  vorkommt.  Diese 
Leerung  muss  vor  dem  Gebrauche  einigemal  unter  Benzol,  dann  unter  Weingeist 
awgekocht  werden,  dann  trocknet  man  sie  im  Wasserbade  unter  Umrühren  und 
Entfernen  der  schaumigen  Schlacke,  erhitzt  zur  vollständigen  Trocknung  auf  150°, 
laust  auf  100°  abkühlen  und  füllt  dann  in  den  Apparat.  Als  Medium  für  das 
Had  benützt  Victor  Meyer  schmelzenden  Schwefel ,  und  es  erhellt  daraus ,  dass 
diese  Methode  nur  auf  Körper  anwendbar  ist,  welche  die  WooD'sche  Legirung 
nicht  angreifen  und  deren  Siedepunkt  nicht  höher  als  der  des  Schwefels  liegt. 

Der  Victor  MEYER'sche  Apparat  ist  eine  gleichschenklige  Röhre ,  deren  einer 
Schenkel  zu  einer  Kugel  aufgeblasen  ist ,  welche  in  einer  feinen  Capillare  endigt 
(Fig.  65). 


Fig.  65.  Fig.  67. 


Die  zu  untersuchende  Substanz  wird  in  einem  Glaseimerohen  von  nebenstehender 
Form  nach  vorherigem  genauem  Wägen  bei  a  in  den  Kugelapparat  gegeben  und 
dann  der  so  beschickte  Apparat  nochmals  ganz  genau  gewogen.  Nun  wird  die  bis 
auf  genau  100°  abgekühlte  Legirung  bei  a  in  den  Apparat  gefüllt,  wodurch  das 
Glaseimereben  gegen  die  Spitze  b  gehoben  wird.  Sobald  Kugel  und  Schenkel  ganz 
gefüllt  sind,  wird  erstere  bei  b  zugeschmolzen.  Um  zu  erreichen,  dass  der  Apparat 
genau  bei  der  Temperatur  des  siedenden  Wassers  gefüllt  sei,  wird  derselbe  noch 
eine  Zeit  hindurch  in  ein  Gefäss  mit  siedendem  Wasser  gehängt;  sobald  keine 
weitere  Ausdehnung,  das  heisst  kein  Austreten  von  Metalltropfen  bei  a  mehr  er- 
folgt, streicht  man  die  Metallkuppe  bei  a  ab,  trocknet  den  Apparat  sorgfältig  und 
wägt  abermals.  Diese  Wägung  muss  einigermasson  schnell  geschehen,  damit  nicht 
ein  zu  grosses  Erkalten  des  Apparates  eintritt,  weil  er  dann  leicht  bersten  würde. 
Nun  ist  der  Apparat  für  die  Dampfdichte-Bestimmung  fertig.  Man  befestigt  ihn  an 


Digitized  by  Google 


400 


DAMPFDICHTEBESTIMMUNG. 


Fig.  68. 


einem  metallenen  »Stabe  und  hängt  ihn  in  erneu  gusseisernen  Tiegel  von  circa 
400  ccm  Inhalt,  welcher  130  g  Schwefel  enthält.  Dieser  wird  erhitzt,  bis  er  siedet 
und  seine  Dämpfe  aus  den  Fugen  des  Tiegeldeekels  hervortreten  und  sich  ent- 
zünden ,  weshalb  die  ganze  Operation  unter  einem  Abzüge  vorgenommen  werden 
musa.  2ö  Minuten  nach  dem  Auftreten  der  Dämpfe  nimmt  man  den  Apparat  aus 
dem  Tiegel.  Der  Dampf  des  zu  untersuchenden  Körpers  hat  einen  Theil  der  Le- 
girung  bei  a  herausfliessen  machen  und  das  Niveau  derselben  steht  in  der  Kti?el 
tiefer  als  im  Schenkel.  Das  Niveau  in  der  Kugel  muss  markirt  uud  der  Barometer- 
stand notirt  werden.  Es  erübrigt  nur  noch  eine  nochmalige  genaue  Wägung  des 
Apparates,  worauf  man  alle  Dateu  zur  Rechnung  beisammen  hat,  nämlich : 

das  Gewicht  der  angewandten  Substanz, 

das  Gewicht  des  angewandten  Metalles, 

das  Gewicht  des  ausgeflossenen  Metallen, 

die  Barometerhöhe  auf  0°  redueirt, 

die  wirksame  Metallsäule, 

die  Temperatur  des  Schwefeldampfes. 
Letztere  ergibt  sich  aus  dem  Barometerstande,   nachdem  durch  Regnadlt's 
Untersuchungen  festgestellt  ist,  dass  der  Schwefel  siedet: 

bei   447.71°  447'  44<V>  445°  444°  443* 

für  den  Druck     ?H3.04inm     7o5u8mni     74-V87  mm     73i.t>ümin     721.45  mm     710.24  mm. 

Der  Druck  des  abgeschlossenen  Dampfes  ist  gleieh  der  auf  0°  reducirten  Baro- 
meterhöhe,  vermehrt  um  den  Druck,  den  die  im  Schenkel  a 
überstehende  Metallsäule  ausübt. 

Das  Volumen  des  Dampfes  berechnet  sich  aus  dem  Gewicht 
des  bei  der  Temperatur  des  siedenden  Schwefels  ausgeflossenen 
Metalles  und  aus  dem  Gewichte  des  angewandten  Metalls. 
Damit  sind  alle  Daten  zur  Rechnung  gegeben. 

5.  Zweite  Methode  von  Victor  Meyer,  für  alle  Fälle 
anwendbar.  Diese  Methode  ist  besonders  charakteristisch  da- 
durch, dass  weder  die  Temperatur  des  untersuchten  Dampfes, 
noch  das  Volumen  des  benutzten  Gefässes  zur  Berechnung  der 
Dampfdichte  nothwendig  ist.  Zudem  ist  der  Apparat  ein  verhält 
nissmässig  einfacher.  Den  Hauptbestandteil  bildet  eine  etwa 
80  cm  lange  Röhre,  welche  in  ihrem  unteren  Viertel  zu  einem 
cyündrisehen,  etwa  40  mm  weiten,  circa  100  ccm  fassenden  Hohl- 
raumes ausgeblasen  ist  (s.  Fig.  68).  Oben  erweitert  sich  die- 
selbe und  wird  mit  einem  Kautschukstopfen  <f,  welcher  stets 
bis  zu  einer  bestimmten  Marke  eindringt ,  verschlossen.  Kurz 
unterhalb  dieses  Verschlusses  ist  das  Gasentbindungsrohr  a  an- 
geschmolzen. Dieser  Apparat  wird  in  den  Kolben  c  eingesenkt, 
dessen  Hals  50  cm  lang  ist  und  dessen  Kugel  80  ccm  Inhalt 
hat.  Diese  wird  mit  Diphenylamin  Nil  (Cü  Hfi)2  gefüllt,  welches 
bis  zum  Sieden  (bei  310°)  erhitzt  wird ;  dadurch  wird  die  Tem- 
peratur von  b  eine  constante ,  was  sich  daran  erkennen  lässt, 

i_ 

10 


l 


ha' 


dass  aus  dem  unter  Wasser  mündenden  Entbindungsrohre  a 
keine  Luft  mehr  austritt.  Ist  dieser  Moment  eingetreten,  so 
wird  über  a  eine  mit  Wasser  gefüllte  graduirte  Röhre  gestülpt, 
der  Stopfen  d  abgenommen ,  die  in  einem  kleinen  Fläschchen 
abgewogene  Substanz  in  den  Apparat  hineingeworfen  und  d 
schnell  wieder  geschlossen ;  auf  dem  Boden  von  b  befindet  sich 
zur  Vorsorge  etwas  Asbest.  Sobald  die  eingeführte  Substanz  ver- 
dampft, tritt  bei  a  Luft  aus,  welche  in  der  graduirten  Röhre 
aufgefangen  und  gemessen  wird.  Letztere  Messung  ist  so  auszu- 
führen ,  dass  man  die  Röhre ,  sobald  keine  Luft  mehr  in  die- 
selbe tritt,  in  einen  mit  Wasser  gefüllten  Cylinder  so   stellt,   dass  das  Niveau 


Digitized  by  Google 


D  A  M  PFD 1 C  HTEBEST I MMUXG.  —  DAMPFFARBEN. 


401 


innerhalb  und  ausserhalb  des  Rohres  gleich  steht.  Nach  einiger  Zeit  liest  man 
das  Luftvolumen  ab  und  notirt  die  Temperatur  des  Wassers  und  den  Barometer- 
stand. —  Reicht  die  Siedetemperatur  des  Diphenylamins  zur  Verdampfuog  der 
Substanz  nicht  aus,  so  wendet  man  statt  des  Kolbens  c  einen  offenen  Tiegel  und 
statt  des  Diphenylamins  schmelzendes  Blei  an. 

Nach  Beendigung  der  Operation  hat  man  folgende  Daten: 

das  Gewicht  der  eingeführten  Substanz  in  Grammen  =  p, 

das  Luftvolumen  in  der  graduirten  Röhre  in  Cubikcentimeter  =  V, 

die  Temperatur  des  Wassers  in  der  graduirten  Röhre  =  t, 

die  auf  0°  reducirte  Barometerhöhe  =  B, 

den  Druck  des  Wasserdampfes  bei  t°  =  w. 
Mit  Hilfe  dieser  Factoren  berechnet  Victor  Meyer  die  Dampfdichte  nach 
folgender  Gleichung: 

T)  _  p. (273  +  t). 2140 
~~       V.  (B  —  W). 

Ist  z.  B.  bei  Bestimmung  der  Dampfdichte  des  Diphenylamins  im  Bleibade  ge- 
funden werden: 

p  =  0.0905  g, 
V  =  13.6  cem, 
t  =  17.0°, 
B  =  714.8  mm, 
w  =  14.4  mm, 

so  würde  D  sein  -  °-°905  " (273  +  1?) '  214-°  -  0  0905  '  290  '  2140  -  •  5  90 
so  würde  D  sein  _     ^-.^^g—— }    _    -^—^.-^  5.90. 

Die  Begründung  der  obigen  MEYER'schen  Formel  ist  hoch  interessaut,  würde 
hier  aber  entschieden  viel  zu  weit  führen ;  nur  kurz  erwähnen  möchte  ich  noch, 
dass  die  Zahl  2140  das  Resultat  folgeuder  Gleichung  ist: 

760 

—  iyy       —  2140 

0.001*93.273 

und  dass  die  vorstehenden  Zahlen  sich  ableiten  aus  Formeln  zur  Berechnung  des 
Gewichtes  eines  bestimmten  Volumens  Luft  von  bekannter  Temperatur  und  be- 
kannter Barometerhöhe,  also  von  Factoren,  die  durch  die  gesammten  Rechnungen 
zur  Bestimmung  der  Dampfdichte  sich  hindurchziehen.  Ganswind t. 

Dampffarben  nennt  man  in  der  Zeugdruckerei  jene  Farben,  zu  deren  Be- 
festigung die  Waare  nach  dem  Bedrucken  der  Einwirkung  heissen  Wasserdampfes 
ausgesetzt  wird.  Die  neueren  Dämpfapparate  bestehen  meist  aus  cylindrischen, 
liegenden  doppelwandigen  Kesseln  mit  Thoren  an  der  Stirnseite,  durch  welche  die 
auf  Rahmen  gehängte  Waare  eingeschoben  werden  kann.  Ist  dies  geschehen,  so 
wird  die  Thüre  geschlossen  und  schwach  gespannter  Dampf  in  das  Innere  des 
Kessels  und  zwischen  die  Wandungen  eingelassen. 

Die  Wirkung  des  Dampfes  kann  eine  verschiedene  sein.  Hat  man  mit  Traganth, 
Dextrin  etc.  verdickte  Theerfarbstoffe  auf  Schafwolle  oder  Seide  gedruckt,  so 
erweicht  der  Dampf  das  Verdickungsmittel,  der  Farbstoff  geht  successive  in  Lösung 
und  vereinigt  sich  mit  der  Faser.  Dies  ist  somit  eine  Art  des  subjeetiven  Färbens. 

Farbstoffe,  welche  die  Faser  nur  adjectiv  färben,  werden  zusammen  mit  der 
Beize  aufgedruckt.  So  kann  man  Dampfalizarinroth  auf  Baumwolle  durch  Auf- 
drucken einer  passend  verdickten  Mischung  von  Alizarin,  essigsaurer  Thonerde 
und  essigsaurem  Kalk  erzeugen.  Beim  Dämpfen  geht  das  Alizarin  successive  in 
Lösung,  treiDt  die  Essigsäure  aus  ihren  Salzen  aus  und  bildet  einen  mit  der  Faser 
sehr  innig  verbundenen,  rothen  Alizarinthonerdekalklack. 

Bei  manchen  Dampffarben  spielen  sich  hinwieder  Vorgänge  ab,  die  sich  durch 
eine  intermediäre  Kttpenbildung  erklären  lassen. 

Endlich  gehören  auch  noch  die  Albumin-  und  CaseTn färben  zu  den 
Dampffarben. 

Real-Encyclop&die  der  ge«.  Pharmacie.  III.  26 

Digitized  by  Google 


402 


DAMPFFARBEN.  —  DAMPFTRIOHTER. 


Druckt  man  mit  Albuminlösung  verdickte  Farben  auf  und  dämpft,  so  {rerinnt 
da»  Albumin  und  klebt  somit  die  eingerührten  Farbstoffe  auf  die  Gewebe  auf. 
Man  verwendet  diese  Befestigungsart  nur  für  fertige  Farbstoffe,  welche  weder 
zur  Faser,  noch  zu  Beizen  Verwandtschaft  haben,  insbesondere  beim  Bedrucken 
von  Baumwollengewebcn  mit  Ultramarin,  Chromgrün,  Chromgelb,  Russ  etc.  Für 
lichtere  Farben  nimmt  man  Eieralbumin ,  welches  ans  Hühnereiern  durch  Ein- 
trocknen des  Eiweisses  bei  circa  50°  gewonnen  wird,  für  dunklere  Farben  das 
billigere  Blutalbumin.  Albuminfarben  können  einen  ziemlichen  Grad  von  Echtheit 
besitzen ,  nur  werden  sie  beim  Waschen ,  8eifen  etc. ,  verhältnissmässig  leicht 
abgerieben. 

Ob  eine  Waare  mit  Albuminfarbcn  bedruckt  ist  oder  nicht,  kann  man  mit  dem 
Mikroskope  leicht  entscheiden ,  indem  die  Fasern  in  diesem  Falle  mit  undurch- 
sichtigen ,  unregelmässigen  Massen  beklebt  erscheinen ,  während  sie  bei  anderen 
Färbemethoden  durchscheinend  bleiben  und  reine  Contouren  zeigen.  Benedikt. 

Dampfform.  Eine  Bezeichnung  für  den  vorübergehend  elastisch-flüssigen  Zu- 
stand von  Körpern,  welche  unter  normalen  Verhältnissen  tropfbar-flüssig  oder  fest 
sind ,  einen  Zustand ,  aus  welchem  sie  durch  geeignete  Condensationsiuittel  — 
Druck,  Herabminderung  der  Temperatur  —  wieder  in  den  normalen  tropfbar- 
flüssigen  oder  festen  Zustand  übergeführt  werden  können. 

DampfkOChtopf  ist  eigentlich  ein  kleiner  Digestor  in  Form  eines  Kochtopfes 
mit  hermetisch  schliessendem  Deckel.  Der  Zweck  desselben  ist  eine  erhöhte  Ein- 
wirkung des  gespannten  Dampfes  und  der  damit  gleichzeitig  eintretenden  Erhöhung 
der  Temperatur  über  den  Siedepunkt  des  Wassers  auf  das  zu  kochende  Object. 
Durch  dieses  Verfahren  werden  z.  B.  Speisen  viel  vollkommener  weich  und  mürbe 
gekocht,  als  solches  unter  uormalen  Verhältnissen  überhaupt  möglich  ist.  Ob  dabei 
lediglich  eine  mechanische  Einwirkung  des  Wasserdampfes  stattfindet,  oder  ob  in 
Folge  der  Dissociation  auch  chemische  Einwirkungen  dabei  stattfinden,  mag  hier 
unerortert  bleiben.  Bekannt  ist  der  Dampfkochtopf  unter  dem  Namen  Papjx- 
schcr  Topf.  Ganswindt. 

Dampfleberthran,  bezeichnet  gute  Sorten  Leberthran,  s.  d. 

Dampfstrahlgebläse,  ein  auf  dem  Princip  der  BuxsEx'schen  Wasserluft- 
pumpe beruhender  kleiner  Apparat.  Durch  eine  feine  Oeffnung  tritt  Wasserdampf 
aus  einer  Dampfleitung  in  ein  etwas  erweitertes  Rohr  und  saugt  hierbei  durch 
eine  seitlich  befindliche  Oeffnung  Luft  an.  Diese  Apparate  finden  Anwendung  zur 
Absaugung  vou  schädlichen  Gasen ,  Dämpfen  oder  Staub-beladener  Luft  aus  den 
Arbeitsräumen;  sie  finden  deshalb  Verwendung  in  der  chemischen  Industrie  und 
vielen  technischen  Fabrikationszweigeu,  bei  denen  viel  Staub  entwickelt  wird  (Filz- 
fabrikation, Spinnereien  etc.).  Durch  geeignete  Vorrichtungen  zur  Absorption 
können  die  in  der  chemischen  Industrie  abgesaugten  Gase  (Salpctrigsäure,  Schweflig- 
säure) wiedergewonnen  werden. 

Wird  das  Dampfstrahlgebläse  zum  Anwärmen  von  Wasser  benutzt ,  indem  die 
Austrittsmündung  durch  Anfügen  eines  entsprechend  langen ,  mit  vielen  Löchern 
versehenen  Rohres  modificirt  wird,  so  saugt  dasselbe,  wenn  Dampf  eingelassen 
wird,  Wasser  statt  Luft  an  und  das  Erhitzen  des  Wassers  bis  zum  Kochen  geht 
ohne  das  sonst  heftige  Geräusch  vor  sich.  Zu  diesem  Zwecke  finden  die  Dampf- 
strahlgebläse vielfache  Anwendung  in  der  chemischeu  Industrie,  in  Brennereien, 
Färbereien,  zum  Erwärmen  des  Kesselspeisewassers  n.  s.  w. 

Dampftrichter  ist  ein  nach  Art  des  Opodeldoc-  oder  Heisswassertrichters 
construirter  Blechtrichter ,  resp.  Dampfmantel.  Dieses  einfache  Instrument  besteht 
aus  dem  Trichterraum,  dem  Dampfmantel  und  den  beiden  Ansatzrohren  für  Dampf- 
Zugang  und  -Abgang.  Verbindet  man  das  obere  dieser  Rohre  mit  einem  Dampf- 
entwickler und  steckt   an  das   untere  einen  Gummischlauch  zur  Ableitung  von 

• 

Digitized  by  Google 


DAMPFTBICHTER.  —  DAPHNE. 


Dampf  und  Condensationswasser ,  so  ist  damit  der  Dampftrichter  zum  Gebrauch 
fertig;  ein  solcher  zeigt  eine  Temperatur  von  70 — 75°  und  eignet  sich  vortreff- 
lich zum  Filtriren  von  Fett,  Talg,  Wachs,  Oacaoöl  u.  dergl.  Ganswind t. 

DanaiS,  Gattung  der  Riibiaceae.  Diöcische  Klettersträucher  mit  achselständigen, 
wohlriechenden  Inflorescenzen.  Kelchröhre  kurz,  Corolle  trichterig  mit  zottigem 
8chlund ,  aus  dem  die  5  Staubgefässe  bei  (J  herausragen ,  bei  9  der  2spaltige 
Griffel.  Die  kugelige  Kapsel  ist  von  den  Kelchzähnen  gekrönt  und  öffnet  sich  in 
der  Mitte  der  Fächer.  Die  Samen  sind  häutig  geflügelt. 

Danais  fr  agraria  Comm. ,  auf  Madagascar  und  den  Mascarenen,  besitzt 
eUiingliche,  bis  5  cm  lange,  kahle  Blätter  und  gegenständige  Trugdolden  aus  kleinen 
rothen  Blutben.  In  der  von  orangerothem  Milchsaft  strotzenden  Wurzel  fanden 
Heck  EL  und  Schlagdenhauffen  ein  in  Alkohol  und  Wasser  lösliches  Glycosid 
Dana  in.  Eine  Abkochung  der  Wurzel  ist  ein  Volksraittel  gegen  Hautkrankheiten. 

Dand6li0n,  in  England  gebräuchliche,  aus  dem  französischen  dem  de  lion 
eorrumpirte  Bezeichnung  für  Taraxacum. 

Dandelion  and  Quinine  Bilious  and  Liver  Pills  von  King  bestehen 

(nach  E.  Geissler)  in  der  Hauptsache  aus  Rhabarber  und  Aloe'  mit  bitteren 
aromatischen  Extracten. 

Daniel^  Hygrometer,  8.  unter  Hygrometer. 

Dannecy's  Pilulae  Terebinthinae  bestehen  aus  4  g  01.  Terebinth.  rea. 

10 g  Gera  alba,  0.1g  Ol.  Citri  und  5g  Saccharum  zu  80  Pillen;  mit  Zucker 
zu  conspergiren. 

Danziger  Goldwasser  ist  ein  wasserklarer,  angenehm  schmeckender  süsser 
Liqueur,  dem  auf  11  etwa  2  dg  Aurum  foliatum  in  feiner  Vertheilung  beige- 
mischt ist.  —  Danziger  Oel  =  Oleum  Terebinthinae;  Danziger  Tropfen  = 
Tinctura  aromatica  (auch  Tinct.  amara). 

Daphne,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie,  welche  jetzt  als  eine 
Gruppe  der  Thymelaeaceae  aufgefasst  wird.  Sträucher  mit  zäher,  lang-  und  fein- 
faseriger Rinde  ,  meist  lederigen  Blättern  ,  vierzähligen  Blüthen  mit  abfalleudem 
corollinischem  Kelch  und  mit  Beerenfruchten . 

1.  Daphne  Mezereum  L.,  Seidelbast,  Kellerhals,  Mezereon, 
Garou,  ist  ein  kleinor  bei  uns  heimischer,  aber  nirgends  häufiger  Strauch  mit 
krautigen  Blättern ,  vor  deren  Entwicklung  im  ersten  Frühjahre  die  rosenrothen, 
wohlriechenden ,  leicht  abfallenden  Blüthen  meist  zu  dreien  gebüschelt  in  den 
Achseln  der  vorjährigen  Blätter  erseheinen.  Die  rothen  Beeren  reifen  im  August 
bis  September. 

lieber  die  in  vielen  Ländern  officinelle,  in  die  neue  deutsche  und  in  die 
österreichische  Pharmakopöe  aber  nicht  mehr  aufgenommene  Rinde,  s.  Mezereum; 
über  die  als  Arzneimittel  obsoleten ,  aber  angeblich  zur  Pfefferfälschung  und  als 
EsRigwürze  hier  und  da  noch  verwendeten,  jedoch  giftigen  Früchte,  s.  Coc- 
cognidium  (Bd.  III,  pag.  188). 

2.  Daphne  Gnidium  L. ,  Italienischer  Seidelbast,  Purgir- 
s trauen,  ist  ein  somniergrttner  Strauch  der  Mittelmeerländer,  besitzt  aber  etwas 
lederige  Blätter,  weisse  oder  röthliehe  Blüthentrauben  in  den  oberen  Blattachseln 
and  im  trockenen  Zustande  schwarze,  glänzende  Beeren. 

Die  Südländer  benützen  diese  Art  (Cortex  Gnidii  s.  Thymelaeae  monspeliacae 
und  Grana  Gnidii)  wie  wir  Mezereum. 

Die  chemischen  Bestandteile  dürften  dieselben  sein:  das  Glycosid  Daphnin, 
Daphnetin  und  eigenthümliche  Harze  in  der  Rinde,  Coecogninsäure  in  den 
Heeren.  Die  letzteren  enthalten  auch  beträchtliche  Mengen  (über  30  Procent)  eines 
*ebarf  schmeckenden  fetten  Oeles. 


2ßt)igitized  by  Google 


404 


DAPHNE.  —  DARMCATAKUH 


3.  Daphne  Lai/reola  L.  besitzt  lederige,  wintergrüne  Blätter,  achsel- 
ständige, meist  fünfblüthige ,  gelblichgrüne  Blüthentrauben  und  schwarze  Beeren. 

Die  Riude  wird  als  Cortex  Mezerei  in  den  Handel  gebracht,  ist  aber  von  ihr 
leicht  an  der  grünlichen  (statt  gelben)  Farbe  des  Bastes  zu  unterscheiden.  Sie  ist 
weniger  wirksam  (Flückigeb). 

Daph netin,  C9Hfl04,  ist  ein  Spaltungsproduct  des  Daphnins,  und  bildet  feine, 
farblose  oder  gelbliche  Prismen,  welche  bei  253°  schmelzen  und  unter  Zersetzung 
sublimiren.  Löslich  in  kochendem  Wasser  und  noch  leichter  in  kochendem  Alkohol, 
fast  unlöslich  in  Aether ;  ganz  unlöslich  in  Chloroform,  Benzol,  Schwefelkohlenstoff. 
In  ätzenden  und  kohlensauren  Alkalien  mit  rother  Farbe  löslich.  Eisenchlorid  gibt 
in  der  wässerigen  Lösung  eine  grüne,  bei  Zusatz  von  kohlensaureu  Alkalien  roth 
werdende  Färbung.  Ammoniakalische  Silberlösung  und  Fehling 'sehe  Lösuug  werden 
von  Daphnetin  rasch  reducirt.  Ganswindt. 

Daphnin,  c16h16o9  4-  2H,o,  ist  ein  Olucosid  und  findet  sich  in  der  Rinde 
von  Daphne  Mezereum  und  JJaphne  alpin a.  Man  gewinnt  es  am  besteu  aus 
dem  Extr.  Mezerei  durch  Auskochen  mit  Wasser ,  Fällen  der  Lösung  mit 
Bleizucker,  Filtriren  und  Kochen  des  Filtrates  mit  Bleiessig.  Der  so  gewonnene 
Niederschlag  wird  unter  Wasser  mit  Schwefelwasserstoff  zerlegt  und  das  Filtrat  zum 
Syrup  verdunstet.  Nun  wird  mit  Wasser  verdünnt,  das  abgeschiedene  Harz  durch 
Schütteln  mit  Aether  entfernt  und  krystallisircn  gelassen.  Grosse  farblose  reet- 
anguläre  Prismen,  welche  bei  100°  ihr  Krystallwasser  verlieren;  beim  Erhitzen 
über  seinen  Schmelzpunkt  sublimirt  es  unter  Zersetzung.  Ammoniakalische  Silber- 
lösung reducirt  es  kaum,  Fehling' sehe  Lösung  dagogen  nur  sehr  langsam.  Wenig 
löslich  in  kaltem  Wasser,  leichter  in  kochendem,  noch  leichter  in  kaltem  und  ganz 
leicht  in  warmem  Alkohol ,  unlöslich  in  Aether.  In  ätzenden  und  kohlensauren 
Alkalien  mit  gelber  Farbo  löslich;  Eisenchlorid  färbt  die  concentrirte  wässerige 
Lösung  bläulich.  Daphnin  ist  isomer  mit  Aesculin  und  zerfällt  wie  dieses  beim 
Kochen  mit  verdünnten  Säuren  oder  beim  Behandeln  mit  Emulsin  in  Daphnetin 
und  Zucker ,  C16  H,8  0»  +  H2  0  =  C9  H„  04  4-  Cfi  H12  0„.  Ammoniakalische  Silber- 
lösung reducirt  es  beim  Kochen ,  FEHLiNG'sche  Lösung  hingegen  nur  sehr 
langsam.  Ganswindt. 

DapiChO  heisst  der  aus  dem  Boden  gegrabene  Kautschuk. 

Dar  kau  in  k.  k.  Oesterreich isch-Schlesien  hat  eine  kalte  Kochsalzquelle,  welche 
in  1000  Th.  COa  0.U27 ,  NaCl  22.047,  Mg.J  0.024  und  Mg3  Br  0.126  enthält. 
Der  Bromgehalt  ist  grösser  als  bei  irgend  einer  untersuchten  Quelle  gleicher  Art. 
Das  Wasser  und  das  durch  Abdampfen  hergestellte  jod-  und  bromhaltige  „Dar- 
kauer  Jodsalz"  wird  viel  versendet. 

Darm  Oder  Darmcanal  ist  ein  röhrenförmiges,  der  Verdauung  und  Auf- 
saugung der  Nahrangsstoffe  dienendes  Organ,  welches  in  der  Bauchhöhle  unter- 
gebracht ist  und  dessen  Längeuausdehnung  die  Körperlänge  des  Thieres  um  ein 
Mehrfaches  übertrifft.  Die  im  Magen  für  die  Verdauung  vorbereiteten  Nahrungs- 
mittel gelangen  durch  den  Pförtner  (Pylorus)  in  den  Darm  und  werden  daselbst 
unter  Hinzutritt  von  Galle,  Bauchspeichel  und  Magensaft  weiter  verdaut  und  die 
für  die  Ernährung  geeigneten  Bestandtheile  des  Speisebreies  durch  die  Chylus- 
gefässe  dem  Blute  zugeführt ;  die  für  die  Ernährung  nicht  geeigneten  Bestandtheile 
werden  als  Koth  nach  aussen  geschafft.  Die  Fortbewegung  dos  Speisebreies  im 
Darme  geschieht  durch  die  peristaltischen  Bewegungen  des  Darmes,  welche  am 
besten  als  wurmförmige  versinnlicht  werden.  Ueber  die  einzelnen  Abschnitte  des 
Darmes  vergleiche  man :  Duodenum,  Dünndarm,  Blinddarm,  Dickdarm,  Mastdarm, 
After. 

DarniCatarrh  (Catarrhus  intestinalis)  ist  eine  acute  oder  chronische  Erkran- 
kung der  Darmschleimhaut,   welche  alle  Abschnitte  des  Darmes  betreffen  kann. 

Digitized  by  Google 


DARMUATARRH.  —  DARWIN  SCHE  THEORIK 


405 


Ursachen  des  Danucatarrhs  sind :  Erkaltungen ,  schwer  verdauliche  und  verdorbene 
Nahrung,  Anhäufung  von  Stuhlniassen  in  den  unteren  Darmabschnitten  in  Folge 
trfl^er  Darmbewegung  oder  in  Folge  erschwerter  Passage  durch  Verengerung  des 
Darmrohres.  Darmcatarrh  entsteht  auch  durch  Aufnahme  giftiger  Substanzen : 
Brechweinstein,  Arsen,  Sublimat,  drastische  Abführmittel.  Kinder  im  ersten  Lebens- 
jahre werden  oft  von  Darmcatarrhen  heimgesucht ;  künstlich  genährte  durch  unpassende 
oder  qualitativ  schlecht  beschaffene  Nahrung;  Brustkinder  durch  Ucberfütternng. 
Wie  sehr  schon  seit  alten  Zeiten  die  Unsitte  um  sich  gegriffen  hat ,  einen  Säug- 
ling, so  oft  er  schreit,  an  die  Brust  zu  legen,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  in 
der  Umgangssprache  das  richtige  Wort  „säugen"  durch  das  unpassende  „stillen4* 
fast  ganz  verdrängt  ist. 

Darminfusion  (Enterochysis),  wird  die  in  der  Neuzeit  vielbentitzte  und 
besonders  durch  Mosler  und  Caxtani  empfohlene  Application  von  Wasser  oder 
medicamentöser  Flüssigkeit  vom  Mastdarm  aus  auf  höhere  Partien  des  Dickdarms 
und  selbst  des  Dünndarms  genannt ,  welche  mit  gewöhnliehen  Klystieren  nicht 
erreicht  werden  können.  Man  kann  dieselben  entweder  mit  dem  Clysopomp  oder 
mit  dem  HEGAß'schen  Trichterapparate  ausführen,  bedient  sich  jedoch,  da  das 
rasche  Einstürzen  grösserer  Flüssigkeitsmengen  von  vielen  Kranken  nicht  gut 
ertragen  wird,  besser  eines  Irrigators  mit  längerem  Gummischlauche,  am  besten  des 
KOMP'sehen  Apparates,  bei  dem  man  die  Schnelligkeit  des  Ausflieasens  will- 
kürlich beschränken  und  an  einer  Glasscala  controliren  kann.  Die  Aufsaugungs- 
verhältnisse für  Medicamente  bei  Darminfusion  entsprechen  im  Wesentlichen  denen 
der  Subcutaninjection  5  der  Eintritt  der  Ausscheidung  im  Harn  ist  beim  Chinin- 
sulfat sogar  etwas  früher,  das  Ende  derselben  etwas  später  (Carofalo).  Die 
internen  Dosen  wirksamer  Arzneimittel  bedürfen  daher  keiner  Steigerung. 

Th.  Husemann. 

Darmsaiten  verschiedener  Dicke  benützt  man  in  der  Chirurgie  zur  Erweite- 
rung* von  Strictnreti.  (Vergl.  Bougies,  Bd.  II,  pag.  363.)  In  neuester  Zeit  wurden 
sie  von  Lister  als  Nähmaterial  bei  seiner  antiseptischen  Wundbehandlung  ein- 
geführt. —  Vergl.  Catgut,  Bd.  II,  pag.  599. 

DarniSChwimmprobe  ist  eine  von  Breslau  1*G6  eingeführte  Methode  zum 
Nachweis,  ob  ein  Kind  todtgeboren  ist.  Sie  stützt  sich  auf  die  bis  dahin  über- 
sehene Thatsache,  dass  Magen  und  Darm  ungeborener  Kinder  ebenso  luftleer 
sind  wie  die  Lunge,  daher  im  Wasser  untersinken.  Es  kann  daher,  abgesehen 
von  Ausnahmen,  welche  der  Gerichtsarzt  zu  constatiren  hat,  der  im  Wasser 
schwimmende  Darm  als  Beweis  gelten,  dass  eine  Leibesfrucht  geathmet,  also 
gelebt  hat. 

Darmsteine.  Concremente  im  Darracanal  von  Menschen  und  Thicren;  nicht 
selten  sind  es  blosse  Ablagerungen  auf  einen  in  den  Darm  gelangten,  nicht  ver- 
daulichen Körper,  der  den  Kern  bildet.  Die  chemische  Zusammensetzung  ist  nicht 
immer  die  gleiche,  meist  bestehen  die  Darmsteine  aus  phosphorsaurer  Ammoniak- 
magnesia;  oft  findet  sich  auch  als  Bestandteil  Calci  umphosphat  oder  -Carbonat 
oder  beide.  —  Vergl.  Concremente,  Bd.  III,  pag.  242. 

Daruvär  in  Süd-Ungarn  besitzt  Akratothermen  von  40 — 46°. 

Darwinsche  Theorie.  Bis  vor  wenigen  Jahrzehnten  war  auf  dem  Gebiete 
der  sogenannten  exaeten  Naturwissenschaften  die  Ansicht  vorherrschend,  dass  alle 
einzelnen  Arten  der  Organismen  durch  oinen  Schöpfungsact  aus  der  Hand  des 
Schöpfers  hervorgegangen,  dass  sie,  wie  Agassiz  sagt,  „verkörperte  Schöpfungs- 
g-edanken  Gottes"  seien.  Auf  allen  anderen  Gebieten  erkannte  man  den  beständigen 
Wechsel  der  Formen  und  Wirkungen  an;  man  führte  letztere  auf  wechselnde, 
wiederum  in  ihrer  Art  von  veränderlichen  Bedingungen  abhängige  Ursachen  zurück ; 
man  sprach  von  einem  „Fluss  der  Erscheinungen".  Hier  blieben  alle  die  auf  den 

Digitized  by  Google 


4^6 


DARWIN  SCHE  THEOEIE. 


Formenreichthum  der  belebten  Natur  sieb  beziehenden  Fragen  unberührt:  man 
betrachtete  die  Pflanzen-  und  Thierarten  als  gegebene  Thatsachen  und  scheute 
sich  geradezu,  der  hier  und  da  auftauchenden  Anregung  zu  einer  vorurteilsfreien 
Behandlung  derselben  zu  folgen. 

J.  Ray  hatte  den  Begriff  der  „Art"  festgestellt  Ihm  schloss  sich  Linne  an. 
Nach  ihm  „existiren  so  viele  Arten ,  wie  zu  Anfang  verschiedene  Formen  vom 
unendlichen  Wesen  geschaffen  worden  sind."  So  nachdrücklich  war  bis  dahin  die 
Art  als  die  Grundlage  alles  systematischen  Verständnisses  noch  nicht  hervor- 
gehoben worden.  Mit  dieser  Definition  der  Art  fiel  ferner  die  Ansicht  von  der 
Festigkeit  und  Unveränderlichkeit  der  Art  zusammen.  Ccvier  erklärte  daher: 
„Die  Beständigkeit  der  Species  ist  eine  nothwendige  Bedingung  für  das  Bestehen 
der  wissenschaftlichen  Naturgeschichte."  Veranlassung  zu  diesem  dogmatischen 
Lehrsatze  gab  Cuyier  die  Untersuchung  der  in  den  egyptischen  Pyramiden  ge- 
fundenen Thiermumien.  Jedoch  schon  Etiexxe  Geoffroy  8aint  Hilaire  und 
Lamarck  griffen  die  Lehre  von  der  Artbeständigkeit  an,  sie  erinnerten  daran, 
dass  die  egyptische  Periode  viel  zu  kurz  sei,  um  aus  der  Uebereinstimmung  der 
Mumien  mit  den  jetzt  lebenden  Arten,  zumal  bei  der  Stabilität  der  äusseren  Ver- 
hältnisse, auf  die  Uuveränderliehkeit  der  Arten  schliessen  zu  können.  Der  größte 
Verfechter  der  Cüvier' scheu  Ansichten  war  Agassjz.  Nach  ihm  gehören  die  Arten 
einer  gegebenen  Erdperiode  an  und  haben  ferner  bestimmte  Beziehungen  zu  den 
während  dieser  Zeit  vorherrschenden  physikalischen  Verhältnissen,  sowie  zu  den 
gleichzeitigen  Pflanzen  und  Thiereu.  Niemals  komme  eiue  Species  in  zwei  ver- 
schiedenen Perioden  vor.  Zu  Anfang  einer  jeden  neuen  Periode  seien  sämmtliche 
Organismen  plötzlich  und  au  jedem  ihrer  Wohnorte  gleichzeitig  und  in  grosser 
Anzahl  vorhanden  gewesen. 

Es  kann  nun  zwar  nicht  in  Abrede  gestellt  werden,  dass  vielleicht  der  grösste 
Theil  der  jetzt  existirenden  Organismen  für  die  descriptive  Botauik  und  Zoologie 
sieh  im  Zustande  einer  gewissen  Stabilität  hinsichtlich  ihrer  äusseren  und  inneren 
Verbältnisse  befindet.  Diese  Stabilität  ist  aber  unter  allen  Umständen  nur  eine 
zeitliche.  Es  gibt  eine  grosse  Anzahl  von  Arten,  die  sich  nur  durch  ein  con- 
stantes  Merkmal  unterscheiden  lassen.  Dies  eine  Merkmal  kann  aber  nur  eine 
bestimmte  Zeit,  und  zwar  so  lauge  als  constant  betrachtet  werden ,  bis  neu  auf- 
gefundene Zwischenglieder  diese  Differenz  verwischen.  Wir  finden  ferner  ganze 
Glasscn  von  Organismen,  welche  sich  in  ihrem  gegenwärtigen  Zustande  in  einem 
solchen  Schwanken  und  Verändern  der  Formen  befinden,  dass  „Art-"  und  „Gattungs- 
kennzeichen" nicht  festzuhalten  siud.  Die  Untersuchungen  Carpenter's  über  die 
Foraniiniferen  hatten  das  Resultat  ergeben,  dass  in  dieser  Gruppe  niederer  Orga- 
nismen überhaupt  nieht  von  „Arten",  sondern  nur  von  Formenreihen  die  Rede 
sein  könne.  Ein  höchst  lehrreiches  Beispiel  von  der  im  Laufe  der  Zeit  eintretenden 
Veränderung  der  Art  bietet  die  in  dem  Sttsswasscrkalk  von  Steinheim  in  Wttrttem- 
berg  vorkommende  Tellerschnecke  (Planorbis  mufft 'formt») .  Nach  Hilgexdobp 
vertheilen  sieh  die  Varietäten  dieser  Schnecke  in  den  etwa  40  petro  graphisch  su 
unterscheidenden  Schichten  so,  dass  einzelne  Schichten  durch  das  alleinige  Vor- 
kommen oder  durch  Vorherrschen  einzelner  oder  mehrerer  Varietäten  charakterisirt 
werden,  welche  sieh  innerhalb  der  Schicht  constant  oder  wenig  abweichend  zeigen, 
gegen  die  folgende  Schicht  aber  durch  Uebergänge  zu  den  nachfolgenden  Formen 
hinüberführen.  Auch  für  die  Ammoniten  wurde  die  Unmöglichkeit,  sie  in  Arten 
zu  trennen,  nachgewiesen. 

Gegen  die  auf  das  Paradies  zurückgehenden  älteren  Definitionen  der  Art  erhoben 
sich  schon  im  vorigen  Jahrhundert  Stimmen.  Die  ersten  Andeutungen  finden  wir 
bei  Georg  Foiister  ^  17^7)  und  Kant  (17!K)),  welch  Letzterer  die  Möglichkeit 
einer  stufenweisen  Entwicklung  der  Organismen  annimmt.  Gleichzeitig  mit  Kant 
war  es  besonders  Goethe,  welcher  den  Gedanken  der  allmäligen  Entwicklung  der 
Organismen  weiter  verfolgte  und  ausbildete.  Doch  blieben  seine  Anstrengungen, 
ebenso  wie  die  eines  Bukfox  und  des  älteren  Geoffboy  Saint  Hilaire  von  der 


Digitized  by  Google 


DARWINSCHE  THEORIE. 


407 


Mitwelt  unbeachtet.  Erst  durch  Lamarck's  Werk:  „Philosophie  geologique  (1809)" 
ward  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Wahrscheinlichkeit  gelenkt,  dass  alle  Verände- 
rungen sowohl  der  organischen  wie  der  unorganischen  Welt  die  Folgen  von 
Naturgesetzen,  nicht  von  wunderbaren  Zwischenfällen  seien. 

Von  Weiss  wurde  1813  zuerst  der  Gedanke,  dass  dieenigen  organischen 
Wesen  im  „Kampf  um's  Dasein"  sich  siegreich  erhalten  und  dann  weiter  abändern, 
welche  Umänderungen  erfahren,  die  ihnen  eine  Ueberlegenheit  Aber  die  anderen 
Individuen  derselben  Art  verschafft  haben,  in  Bezug  auf  bestimmte  Charaktere 
der  Menschenrassen  ausgesprochen.  In  demselben  Sinne  äusserte  sich  Wells. 
W.  Herbert  erklärte  1822,  es  sei  durch  Versuche  unwiderlegbar  dargethan,  dass 
Pflanzen  -Arten  nur  eine  höhere  und  beständigere  Stufe  von  V  arietäten  seien. 
Grant  fügte  dem  1826  hinzu,  dass  die  entstandenen  Arten  durch  fortdauernde  Ver- 
änderungen verbessert  würden.  1834  erklärt  R.  E.  v.  Barr,  dass  die  organischen 
Arten  „nur  vorübergehende  Zeugungsreihen  seien,  die  durch  Umbildung  aus  ge- 
meinsamen Stammformen  sich  entwickelt  haben."  Aehnliche  Aussprüche  finden  wir 
bei  Leopold  v.  Büch  (1836),  Rafinesque  (1836),  Haldemann  (1844)  und  dem 
jüngeren  Geoffroy  Saint  Hilaire  (1850).  Zu  diesen  gesellten  sich  ferner  der 
Wiener  Botaniker  Inger,  der  Paläontolge  Carus,  Schaafhausen,  Al.  Braun  u.  A. 

Cuvier's  Annahme  grosser  Erdrevolutionen  für  die  Erklärung  der  geologischen 
Erscheinungen  war  von  Lyell  in  dessen  1830  erschienenem  Werke :  „Grundsätze 
der  Geologie"  zurückgewiesen  worden.  Alle  jene  grossen  Umänderungen  finden 
ihre  Erklärung  in  der  Annahme  grosser  Zeiträume,  während  deren  sie  statt- 
gefunden haben. 

Alle  diese  Untersuchungen  bahnten  den  Weg  zu  der  neuen  Theorie,  welche 
Darwin  in  seinem  1859  erschienenen  Werke  „On  the  origin  of  species  by  means 
of  natural  selection"  entwickelt  hat.  Die  Bühne  für  die  sich  wiederholenden  Acte 
der  Neuschöpfungen  war  nach  und  nach  zusammengefallen,  der  Glaube  an  die 
Unveränderlichkeit  der  Arten  war  erschüttert,  die  Descendonzlehre  mit  dem 
Darwiuismus  wurde  eine  geschichtliche  Notwendigkeit.  Charles  Darwin  begleitete 
als  Naturforscher  die  wissenschaftliche  Expedition  des  englischen  Schiffes  „Beagle" 
in  den  Jahren  1831 — 1837.  Bereits  auf  dieser  Reise  fasste  er  den  Gedanken  der 
Abstammungstheorie,  welcher  er  nach  seiner  Rückkehr  sein  ganzes  Leben  widmete. 
Er  verband  nicht  nur  sämratliehe  hierhergehörigen  Erscheinungen,  sondern  benützte 
namentlich  die  von  den  Organismen  selbst  dargebotenen  Lebensäusserungen  zu 
einer  Erklärung  der  Formenmannigfaltigkeit  und  des  Ursprungs  der  Arten. 
Darwin  beweist  aus  der  Untersuchung  der  Individuen,  dass  sich  die  „Arten"  ver- 
ändern müssen,  dass  dieselben  nur  zeitlich  fixirte  Zustände  in  dem  beständigen  Ent 
wicklungsprocess  des  organischen  Lebens  sind.  Gleichzeitig  zeigt  er  aber  an  der 
Hand  zahlreicher  Zeugnisse  aus  dem  Leben  der  Organismen,  dasB  die  Entwicklung 
einer  Classe  oder  einer  Abtbeilung  vom  Allgemeinen  zu  immer  specialisirteren 
Formen  stattfinden  muss,  wie  ferner  die  Entwicklung  eines  Individuums  in 
gedrängter  Form  die  der  ganzen  Classe  wiederholt,  wie  daher  die  figürlich-  als 
verwandt  bezeichneten  Formen  in  wirklicher  Blutsverwandtschaft  zu  einander 
stehen. 

Die  tägliche  Erfahrung  lehrt,  dass  die  zu  einer  Art  gehörigen  Individuen 
niemals  absolut  einander  gleichen,  dass  sie  also  mehr  oder  weniger  einander 
unähnlich  sind  und  so  von  dem  vermeintlichen  Urbilde  der  Art  abän.dern. 
Man  sah  sich  daher  veranlasst,  Varietäten  aufzustellen,  welche  als  locale,  endemische 
oder  klimatische  Abänderungen  in  einen  gewissen  Bezug  auf  die  umgebenden 
Bedingungen  gestellt  wurden.  Oft  gab  man  sich  auch  gar  keine  Mühe,  eine  Er- 
klärung dieser  Abänderung  zu  suchen. 

im  nun  nachzuweisen,  auf  welchem  Wege  solche  Umänderungen  erlangt  worden 
seien,  studirte  Darwin  zunächst  die  Hausthiere  und  Culturgew.'lchse.  Diese  Orga- 
nismen zeigen,  dass  bedeutende  Abänderungen  iti  grossem  Umfange  möglich  sind. 
K«  ist  ans  den  Erfahrungen  der  Thier-  und  Pflanzenzüchter  der  Beweis  geliefert 


Digitized  by  Google 


408 


DARWINSCHE  THEORIE. 


worden,  dass  kein  einziges  System  des  lebenden  Körpers  von  dieser  Variabilität 
unberührt  gelassen  wird.  Die  Abänderung  selbst  kann  ihren  Grund  haben  in  den 
minder  einförmigen  und  von  denen  der  Stammeltern  abweichenden  Lebensbedin- 
gungen, in  einem  UebertiuBS  an  Nahrung,  in  der  Aenderung  der  Gewohnheit,  in 
den  Wechselbeziehungen  der  Entwicklung  der  Individuen  etc. 

Als  Ursache  der  Abänderungen  können  die  vor  oder  während  des  Zeugungs- 
actes  auf  das  zeugende  Individuum  wirkenden  Einflüsse  gelten,  ferner  die  verschie- 
denen Bedingungen,  denen  die  Eier  oder  Keime  wahrend  ihrer  Entwicklung 
ausgesetzt  sind,  und  welche  in  den  verschiedenen  physikalischen,  chemischen, 
mechanischen,  überhaupt  moleculären  Eigenschaften  derselben  bestehen.  Diese  Eigen- 
schaften aber  bedingen  wiederum  das  in  bestimmten  Grenzen  nothwendige  Fest- 
halten an  einer  allgemeinen  typischen  Form. 

Eine  Wiederholung  der  Abänderung  kann  ferner  die  ursprüngliche  vergrössern, 
die  neu  erworbenen  Charaktere  können  sich  vererben.  Die  Zeugungsproducte 
sind  anfänglich  Theile  der  zeugenden  Individuen,  sie  haben  dieselben  Eigenschaften, 
sie  wachsen  und  entwickeln  sich  in  derselben  Richtung  wie  ihre  Erzeuger.  Die 
Erfahrung  lehrt,  dass  die  Zahl  derjenigen  Abänderungen,  welche  sich  vererben, 
so  gross  ist ,  dass  man  die  sich  nicht  vererbende  Abänderung  als  Ausnahme 
betrachten  kann.  Die  Thier-  und  Pflanzenzucht  beweisen  das  strenge  Vererben 
der  verschiedensten  Abändernngen.  Als  Regel  ist  nach  Darwin  anzunehmen,  dass 
die  abweichende  Bildung  bei  der  Vererbung  gewöhnlich  in  demselben  Alter,  oder 
auch  früher,  niemals  aber  später  eintritt.  Der  Einflnss  äusserer  Bedingungen  auf 
Bildung  von  Abänderungen  ist  von  grosser  Bedeutung.  Abänderungen  können  z.  B. 
durch  Paarung  mit  unveränderten  Individuen  wieder  verschwinden.  Es  befördert 
daher  Isoliruug  die  Erhaltung  bestimmter  Varietäten,  während  Kreuzung  leicht 
zum  Rückschlag  führt. 

Bei  den  Pflanzen  besteht  ein  ziemlich  strenges  Gesetz  der  Vererbung.  Diese 
bezieht  sich  nicht  blos  auf  die  wichtigsten  speeifischen  Charaktere,  sondern  selbst 
auch  auf  die  geringfügigsten  Merkmale.  Selbst  abnorme ,  krankhafte  Charaktere 
oder  Neigung,  dergleichen  anzunehmen,  können  vererbt  werden;  so  z.  B.  gewisse 
Missbildungen  der  Blüthen,  Früchte  und  Samen,  Panachirung  der  Blätter,  Bleich- 
sucht, Gelbsucht,  Phyllomanie  etc. 

Variabilität  und  Erblichkeit  sind  daher  die  thatsächlichen  Theile  der  Darwin- 
sehen  Theorie. 

Bei  allen  Abänderungen  kommt  es  darauf  an,  ob  sie  dem  Organismus  nützlich 
oder  schädlich  sind.  Die  nützlichen  Abänderungen  müssen  die  Erhaltung  und 
weitere  Verbreitung  des  Wesens  nothwendig  fördern,  während  die  schädlichen 
den  Untergang  desselben  herbeiführen  werden.  Die  Notwendigkeit  erhellt  aus 
dem  „Kampf  um's  Dasein",  welcher  zwischen  allen  Wesen  der  Welt  statt- 
findet, und  welcher  sich  als  ein  unabwendbares  Naturgesetz  herausstellt.  Da  von 
jeder  Art  viel  mehr  Individuen  erzeugt  werden,  als  bestehen  können,  so 
muss  in  dem  Kampfe  um's  Dasein  dasjenige  Wesen  mehr  Aussicht  auf  Bestehen 
haben,  welches  in  einer  ihm  vorteilhaften  Weise  von  seines  Gleichen  abweicht 
und  sich  vermöge  dieser  Abänderung  den  bestehenden  örtlichen  Verhältnissen 
anpasst.  Es  werden  also  nur  diejenigen  Individuen  erhalten,  welche  eine,  wenn 
auch  noch  ho  geringe,  vorteilhafte  Abänderung  besitzen.  Das  Ringen  um's  Dasein 
tritt  am  heftigsten  zwischen  den  nächsten  Verwandten  auf,  weil  der  Kreis 
ihrer  Lebensbedingungen  am  ähnlichsten,  häufig  fast  identisch  ist.  Auf  die  Fra^e, 
welche  Individuenformeu  bleiben  bei  der  naturgemässen  Vermehrung  derselben 
leben,  antwortet  Darwin:  Die  begünstigten  Rassen  werden  erhalten.  Spencer 
ändert  diesen  Satz  etwas  um,  indem  er  sagt:  Das  Passendste  überlebt  das 
andere.  Es  bleibt  also  nur  das  Individuum  leben ,  das  unter  den  gegebenen  Ver- 
bältnissen leben  kann.  Die  starre  Nothwendigkeit  wählt,  d.  h.  erhält.  Darwin 
hat  das  bessere  Bestehen  in  Folge  des  Kampfes  um's  Dasein  und  die  daraus  noth- 
wendig  folgenden  Resultate   „die   natürliche   Züchtung"   genannt.  Die 


Digitized  by  Google 


DARWINSCHE  THEORIE. 


409 


Züchtung  oder  Zuchtwahl  ist  eine  natürliche  oder  künstliche,  letztere  tritt 
ein,  wenn  ein  Z fichter  versucht,  gewisse  Varietäten,  auf  die  er  es  abgesehen  hat, 
in  lixiren,  erstere,  wenn  die  Individuen,  die  den  eomplicirten  Bedingungen,  denen 
«ie  ausgesetzt  sind,  am  besten  entsprechen,  die  anderen  «berieben  und  sich  allein 
fortpflanzen.  Das  letztere  hat  zur  Folge,  dass  die  Eigenschaften,  welche  den 
gegebenen  Verhältnissen  am  meisten  Rechnung  tragen,  d.  h.  ihnen  am  vollständigsten 
angepasst  sind,  sich  am  sichersten  erwerben  und  fixiren.  Es  tritt  eine  natürliche 
Anpassung  oder  Adaption  an  die  gegebenen  Verhältnisse  ein. 

Die  natürliche  Züchtung  führt  das  Aussterben  der  in  geringerem  Grade  bevor- 
zugten Individuen  einer  Art  herbei,  es  erlöschen  also  einzelne  Formen  oder  auch 
Zwischenglieder  zwischen  verschiedenen  Arten,  woraus  sich  dann  spflter  getrenntere 
Arten  ergeben.  Darwin  bezeichnet  diesen  Vorgang  als  die  „D i  v e r g e n z  d  e s  Cha- 
rakters". 

Als  „geschlechtliche  Zuchtwahl"  bezeichnet  Darwin  die  Bildung  von 
Geschlechtseigenthümlichkeiten  der  Männchen,  durch  welche  sie  in  den  Bewerbungen 
am  die  Weibchen  unterstützt  werden  und  durch  Rückwirkung  dieser  Eigentüm- 
lichkeiten eine  Abänderung  und  Vervollkommnung  der  Art  herbeiführen., 

Wir  wissen  nun  freilich  nicht,  nach  welchen  Gesetzen  alle  diese  Abänderungen 
vor  sich  gehen.  Darwin  nennt  die  Einflüsse  der  sich  entwickelnden  und  umge- 
staltenden Organe  unter  einander  „die  Wechselbeziehungen  des  Wachs- 
tburas".  Aus  den  angestellten  Beobachtungen  lassen  sich  Schlüsse  ziehen,  wie 
es  möglich  sei,  dass  ein  Individuum  der  einen  Art  sich  ganz  allmälig  in  ein 
solches  einer  anderen  Art  verwandeln  kann,  wie  man  sich  ferner  die  Entwicklung 
der  geistigen  Eigenschaften  oder  des  Instinctes  der  Thiere  denken  kann,  wie  die 
Unfruchtbarkeit  der  Kreuzung  verschiedener  Arten  im  Gegensatze  zur  Frucht- 
barkeit gekreuzter  Varietäten  zu  erklären  ist.  Darwin's  unsterbliches  Verdienst  ist, 
dass  er  zeigte,  welche  Macht  auf  die  als  veränderlich  vorliegenden  Individuen  und 
Arten  wirkt  und  welche  Resultate  aus  dieser  Einwirkung  hervorgehen  müssen. 
Die  Abstammungslehre  wurde  von  ihm  durch  die  Selectionstheorie  begründet, 
deren  Grundgedanke  der  ist,  dass  die  Rolle  des  Rassen  züchtenden  Menschen  in 
der  Natur  durch  den  Kampf  um's  Dasein  ersetzt  wird,  und  dass  durch  die  mit  der 
Zeit  eintretende  Cumulirung  anfänglich  geringer,  dann  immer  mehr  hervortretender 
Vorzüge  die  niedrigeren  Organismen  in  höhere  verwandelt  werden.  Es  ist  viel- 
fach die  Frage  aufgestellt  worden,  wo  die  unendlich  vieleu  Zwischenformen 
geblieben  sind,  welche  nothwendig  existirt  haben  müssen?  Die  Unvollständigkeit 
der  in  den  Versteinerungen  sich  zeigenden  organischen  Reste  hat  nach  Darwin 
ihren  Grund  in  dem  Gange  der  geologischen  Entwicklung  der  Erdrinde.  Vielleicht 
die  Hälfte  aller  geologischen  Ablagerungen  wurde  während  langsamer  Hebungen 
wieder  zerstört.  Ferner  kennen  wir  von  den  Versteinerungen  führenden  Schichten 
nur  einen  kleinen  Theil.  Dann  ist  auch  zu  erwägen,  dass  die  die  Uebergänge  ver- 
mittelnden Formen  meist  eine  kürzere  Lebensdauer  als  Form  gehabt  haben  werden, 
als  die  als  Arten  auftretenden  ständigen  Varietäten.  Aber  selbst  die  verhältnissraässig 
wenigen  Funde  lassen  in  hohem  Grade  die  Wahrscheinlichkeit  einer  stufenweisen  Ent- 
wicklung der  Organismen  erkennen  und  sind  Belege  für  die  Theorie  der  Ab- 
stammung der  Wesen  von  einander.  Zur  Erklärung  des  nachweisbaren  Fortschritte« 
vom  Niederen  zum  Höheren,  vom  Einfachen  zum  Zusammengesetzten  glaubte  man 
nun  einen  vorausbedachten  Entwicklungsplan,  welcher  die  Abänderungen  leitet, 
annehmen  zu  müssen.  Diese  Annahme  weist  die  DARWiN'sche  Theorie  zurück. 
Das  Niedere  wird  nur  dadurch  zu  einem  Höheren,  dass  der  Körper  zur  Ausführung 
der  verschiedenartigsten  an  ihn  gestellten  Leistungen  immer  specialisirter  entwickelte 
Organe  erhält,  welche  den  besonderen  Leistungen  angepasst  werden.  Es  müssen 
also  die  Abänderungen  für  die  Individuen  am  günstigsten  sein,  welche  sie  befähigen, 
immer  specialisirtere  Stellen  im  Haushalte  der  Natur  einzunehmen.  Die  schärfer  auf- 
tretende Concurrenz  führt  zu  einer  weiter  gehenderen  Anpassung  an  die  gegebenen 
Verhältnisse,  zu  einer  grösseren  Complication  des  Baues. 


Digitized  by  Google 


410 


DARWIN  SCHE  THEORIE.  —  DASYMETER. 


Wenn  nun  auch  ein  exact  mathematischer  Beweis  dafUr  nicht  beigebracht 
werden  kann ,  dass  unter  bestimmten  Verhältnissen  eine  bestimmte  Abänderung 
auftreten  muss,  so  ist  andererseits  diese  von  Thatsachen  ausgehende  und  sich  an 
thatsächliche  Verhältnisse  anlehnende  Lehre  weder  vom  allgemeinen  logischen  oder 
speciellen  physiologischen  oder  biologischen  Standpunkte  aus  zu  widerlegen.  Keine 
andere  Theorie  ist  so  tief  eingreifend  in  die  Lehre  von  der  ganzen  organischen 
Welt  eingetreten  als  die  Descendenzlehre.  Durch  sie  wird  zunächst  die  Systematik 
verständlich.  Die  Systematik  stellte  die  Organismen  nach  äusseren  und  inneren 
Aehnlichkeiten  zusammen.  Eine  Antwort  auf  die  Frage,  woher  diese  grössere 
oder  geringere  Uebereinstimmuug ,  die  Abstufung,  die  Mannigfaltigkeit  stamme, 
wusste  sie  nicht  zu  geben.  Man  sprach  wohl  von  Grundformen  der  Typen ,  aber 
über  das  innerste  Wesen  dieser  Typen  vermochte  man  nicht  Rechnung  abzulegen. 
Die  ÜARwrx'sche  Lehre  erklärt  die  Thatsache,  dass  die  Arten  sich  zu  Gruppen 
ordnen,  diese  wieder  anderen,  weiteren  untergeordnet  sind,  einfach  dadurch,  dass 
alle  diese  vereinigten  Formen  durch  Abänderung,  Vererbung,  Erhaltung  des 
Passendsten  aus  früheren  einfacheren,  den  gemeinsamen  Bau  darbietenden,  hervor- 
gegangen sind.  Der  Nachweis  der  Verwandtschaft  wird  daher  zu  einem  wirklichen 
genealogischen  Stammbaum.  Die  Systematik  hat  nun  die  Aufgabe,  die  Stamm- 
bäume der  verschiedenen  Gruppen  der  Organismen  wiederzugeben  und  mit  einander 
zu  verbinden.  Jeder  Stamm  begreift  alle  Formen,  welche  von  einer  ursprünglichen, 
einfachen  Stammform  abstammen.  Durch  solche  Stammbäume  ist  es  auch  nur  allein 
möglich,  die  Verwandtschaft  der  fossilen  Fonneu  mit  den  jetzt  lebenden  nachzu- 
weisen ;  sie  nur  ermöglichen,  dieselben  in  eiu  System  zu  bringen.  Es  ist  unmöglich, 
nur  aus  physikalischen,  physiologischen  oder  mechanischen  Gründen  die  vergleichende 
Anatomie,  die  thierische  Morphologie  zu  erklären ,  wohl  aber  wird  dieselbe  ver- 
ständlich, wenn  man  alle  diese  Formen  als  von  einer  gemeinsamen  Stammform 
ererbte  ansieht. 

Wir  ersehen  hieraus,  wie  die  DARWix'sche  Theorie  die  Form  in  den  Kreis  der 
natürlichen  Vorgänge  führt,  wie  sie  methodisch  auf  den  Gang  der  Untersuchung 
wirkt,  wie  sie  die  Teleologie  aus  der  Betrachtung  lebender  Wesen  verbannt.  Ihr 
Einfluss  reicht  noch  weiter  auf  andere,  nicht  streng  zu  den  Naturwissenschaften 
zu  rechnende  Gebiete.  Alle  Aeusserungen  des  Lebens,  sowohl  individuelle  Eigen- 
schaften, wie  sociale  und  politische  Einrichtungen  etc. ,  sind  dem  Gesetz  unter- 
worfen, dass  nur  das  leben  und  bestehen  bleibt,  was  leben  und  bestehen  kann. 
Die  Concurrenz  der  einander  entgegenstehenden  Einrichtungen  führt  einen  Kampf 
um's  Dasein,  in  dem  nur  das  Lebensfähige  den  Sieg  behält,  das  Passendste  leben 
bleibt.  Die  DARWix'sche  Theorie  lässt  die  Frage,  ob  die  materialistische  oder 
idealistische  Weltanschauung  die  berechtigte  sei,  ganz  unberührt.  Sie  benützt 
vielmehr  in  streng  logischer  Consequenz  nur  die  wissenschaftlichen  Resultate  und 
Methoden,  gleichviel  welcher  Art  diese  sein  mögen.  Aber  auch  sie  besteht  einen 
Kampf,  nämlich  den  gegen  die  wissenschaftliche  Indolenz,  die  sich  aus  reiner 
Bequemlichkeit  Schranken  setzt,  weit  ab  von  der  Grenze  eines  noch  gut  und 
auch  sicher  zu  durchforschenden  Gebietes. 

Als  die  Hauptvertreter  der  DARWix'schen  Theorie  sind  zu  nennen:  Hackel, 
Louis  Bücbxer  und  Karl  Vogt  und  als  deren  Hauptgegner:  Broxx,  Gikbel 
und  Boxa  Meyer.  Alle  die  gegnerischen  Beurtheilungen  der  DARWTN'schen 
Lehre  haben  das  gemeinsam,  „dass  sie  den  hypothetischen  Charakter  der  Beweis- 
führung unbeachtet  lassen  ,  während  sie  seine  Berechtigung  zugestehen." 

Sydow. 

DasjeSpiS  (daxjes  pü,  holl.  Dachsbarn).  Bezeichnung  für  Hyraceum  (s.  d.  f. 

Th.  Hnsemanu. 

Dasymeter.  Ein  Apparat  zur  Prüfung  der  Festigkeit  des  Papieres  durch 
Zerreissen.  Der  älteste  Apparat  dieser  Art  ist  das  HORACK'sche  Dasymeter,  der 
beste  Apparat  in  dieser  Richtung  ist  das  Dasymeter  von  Hartig-Recsch. 

Digitized  by  Google 


DAT1SCA.  —  DATTELN. 


411 


DcitiSCcl,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie.  —  JJatisca  cannabitia  L., 
eine  im  Mediterrangebiet  heimische  Pflanze  vom  Habitus  des  Hanfes,  vielstengelig, 
istig',  kahl,  mit  fiederschnittigen,  hellgrünen  Blattern  und  achselständigen  Blüthen- 
trauben.  In  Italien  wird  Herba  Datiscae  arzneilich  angewendet.  Von  der  spinnbaren 
Bastfaser  macht  man,  wenigstens  im  Grossen,  keinen  Gebrauch. 

Datiscaceae,  Familie  der  Passtßorinae.  Sie  umfasst  nur  4 ,  theils  perenni- 
nirende,  theils  baumartige  Pflanzen,  von  denen  3  in  den  Mediterranlandern  und 
in  Ostindien,  die  vierte  in  Mexico  und  Californien  einheimisch  ist.  Charakter; 
Blttthen  regelmässig,  diöcisch,  selten  zwitterig.  Krone  unscheinlich  oder  fehlend. 
(5  Blttthen  mit  fünfblätterigem,  grünlichem  Perigon.  Zahl  der  Staubgefässe  ver- 
schieden, öfter  5.  Griffel  3 ,  zweitheilig.  Fruchtknoten  unterstandig.  Frucht  eine 
vielsamige,  meist  oben  offene  Kapsel. 

Datiscin,  c21  HjS  Oj j,  ist  ein  Glykosid,  welches  in  dem  Kraut  und  den 
Wurzeln  von  Datisca  cannabina  L.  vorkommt ,  lange  Zeit  hindurch  für  Inulin 
gehalten  und  zuerst  von  Stenhoüse  (Ann.  d.  Chein.  Pharm.  98,  pag.  106)  darge- 
stellt wurde  durch  Ausziehen  der  Wurzeln  mit  Holzgeist,  Concentriren  der  Auszüge 
zum  Syrup,  Abscheiden  der  harzigen  Theile  durch  Hiuzufügen  des  halben  Volumens 
heissen  Wassers  und  Krystallisireulassen  der  klar  abgegossenen  Flüssigkeit ;  durch 
Abpressen,  Auflösen  in  Alkohol,  nochmaliges  Fällen  harziger  Materie  und  Krystal- 
lisireulassen bilden  sich  farblose,  durchscheinende .  weiche,  seidenglänzeude  Nadeln. 
Blätter  von  neutraler  Reactiou,  die  bei  180°  schmelzen,  in  kaltem  Wasser  wenig, 
in  siedendem  reichlicher,  nur  wenig  iu  Aether,  aber  sehr  leicht  in  Alkohol  löslieh 
sind.  Mit  Alkalien  und  alkalischen  Erden  gibt  es  tiefgelbe  Lösungen;  mit  Blei- 
salzen und  Ziunsalzen  gibt  es  hellgelbe,  mit  Kupfersalzen  grünliche,  mit  Eisen- 
salzen dunkel  braungrflne  Niederschläge.  Es  schmeckt  sehr  bitter,  liefert  beim 
Schmelzen  mit  Kali  Salicylsaure ,  bei  Einwirkung  von  concentrirter  Salpetersäure 
Oxalsäure  und  Pikrinsäure,  und  zerfällt  beim  Erhitzen  mit  verdüunten  Säuren  in 
Zucker  und  Datiscetin,  C,6H10O6,  farblose,  geschmacklose  Nadeln,  sehr  leicht 
löslich  in  Aether,  ziemlich  leicht  in  Alkohol  und  Alkalien;  Usst  sich  fast  uuzer- 
setzt  sublimiren.  Ganawindt. 

Datteln,  Dactyli,  Palmula,  Tragemata,  sind  die  Beerenfrüchte  der  Dattelpalme, 
Phoenix  dactilyfera  L. ,  neben  der  Zwergpalme  (Chamaerops  humilis)  die 
einzige  Palrae,  welche  dauernd  in  der  gemässigten  Zone  vorkommt.  Jenseits  des 
Atlas  und  in  Arabien  einheimisch,  ist  sie  durch  Cultur  im  ganzen  Mittelmeergebiet 
verbreitet ;  in  Europa  besonders  in  Elche,  Provinz  Valencia,  wo  ein  6 — 7000  Stämme 
starker  Wald  noch  Ernte  im  Grossen  ermöglicht.  Die  günstigste  Breite  in  der  alten 
Welt  für  das  Gedeihen  derselben  liegt  innerhalb  des  21).— 35.°.  Das  Gangesdelta 
bildet  im  Osten,  die  canarischen  Inseln  im  Westen  die  Grenze.  In  der  neuen  Welt 
weist  Westindieu  und  die  Westküste  von  Südamerika  cultivirte  Dattelpalmen  auf. 
Zur  Fruchtreife  ist  eiue  mittlere  Jahrestemperatur  von  25 — 30°  erforderlich, 
weshalb  die  Datteln  der  europäischen  Mittelmeerländer  nicht  immer  zur  Reife 
gelangen. 

Die  Frucht  ist  elliptisch,  cylindrisch  oder  eiförmig,  je  nach  der  Varietät,  von 
der  sie  abstammt,  oft  auch  stumpfkautig.  Etwa  4 — 8cm  laug,  2 — 3cm  dick, 
fleischig,  braungelb  oder  grünbraun.  Das  Exocarp  ist  häutig,  beinahe  durch- 
scheinend ,  der  Same  länglich  schmal  mit  fast  parallelen  Seiten,  mit  bauchseitiger 
Lftngsfurche  und  einem  oft  marmorirten  Endosperm.  Auf  die  Aussenhaut  folgt 
eine  dicke  Schicht  Fruchtfleisch,  welche  nach  innen  vom  Kern  durch  eine  dünne 
weisse  innere  Fruchthaut  getrennt  ist,  welche  diesen  Io9e  umschliesst.  Die  Frucht 
des  Handels  ist  stets  etwas  runzelig  und  von  ausgeschwitztem  Zucker  klebrig. 

Die  Datteln  enthalten  50 — 60  Procent  Glukose,  ausserdem  Gummi  und  Cumarin. 
Diese  Bestandtheile  bedingen  ihren  Werth  als  Nahrungs-  und,  wenn  man  will, 
Arzneimittel. 

Digitized  by  Google 


412  DATTELN.  —  DATÜRA. 

Die  Datteln  werden  in  Europa  zumeist  über  Triest  und  Marseille  eingeführt. 
Man  unterscheidet  im  Handel  alexandrinische,  berberische,  Bassorah-  oder  per- 
sische und  Shax-  oder  tunesische  Datteln.  Letztere  Sorte  geht  fast  ausschliesslich 
über  Marseille.  Alexandriner  stehen  am  höchsten  im  Preise,  dann  folgen  die 
berberischen  und  persischen.  Pr  oll  ins. 

Nach  neueren  Mittheilungen  von  Laxderer  (Zeitschr.  f.  landw.  Gew.  1885) 
gemessen  die  Mohammedaner  geröstete  Dattelkerne  als  Kaffeesurrogat  f  ,,C  h  a  r  m  a  d  e") 
und  angeblich  werden  auch  in  Europa  Dattelkerne  zu  demselben  Zwecke  ver- 
wendet. Die  Erkennung  dieses  Surrogates  ist  mit  Hilfe  des  Mikroskopes  leicht. 

Die  Dattelkerne  (Samen)  bestehen  zum  überwiegenden  Theile  aus  einem  bein- 
harten Endosperm ,  in  welches  der  Embryo  gebettet  ist.  Die  Endospermzellen 
(Fig.  69,  A,)  sind  unregelmässig  rundlich ,  in  der  Verdickung  sehr  verschieden 
(0.006 — 0.03  mm),  mit  in  Wasser  unkenntlichen  Zellengrenzen,  in  Alkalien  stark 
quellend  und  dann  deutlich  geschichtet,  ungefärbt,  auf  Celluiose  reagirend. 


Fig.  69. 

A  B  C 


Gewebe  der  Dattelkerne.  A  Endosperm  :  R  Oberhaut ;  0  Parenchym  der  Samenschale 

mit  den  Gerbstoffschläuchen  y.   Verirr.  160. 


Die  Samenhaut  (Fig.  69,  B,^  besteht  aus  gestreckten,  annähernd  rechteckigen,  aber 
vielfach  gekrümmten,  ungleichmässig  verdickten  und  dicht  von  Poren  durchsetzten 
Zellen.  Ein  charakteristisches  Formelement  sind  auch  die  im  Parenchym  reichlich 
vertheilten  Gerbstoffschläuche,  welche  durch  ihre  Grösse  und  Zarthäutigkeit,  sowie 
durch  ihren  homogenen,  braunrothen  Inhalt,  der  sich  mit  Eisensalzen  dunkelgrün 
färbt,  auffallen  (Fig.  69,  C).  J.  Moeller. 

Dattelpflaume  ist  Dwspy*  'os  Lotus  L.  (Ebenaceae).  Holz  und  Rinde  wurden 
früher  als  Guajacum  patavinum  (s.  d.J  wegen  ihrer  adstringirenden  Eigen- 
schaften angewendet. 

Datlira,  Gattung  der  Solanacrar,  Abtheilung  der  Hyoscyameae ,  eharak- 
terisirt  durch  die  Kapselfrucht.  Die  Kapsel  von  Datura  ist  fachspaltig  und  durch 
falsche  Scheidewände  gefächert,  der  Kelch  röhrig  und  löst  sich  nach  der  Frucht- 
reife  mit  einem  ringsum  laufenden  Riss  ab.  Corolla  trichterförmig  mit  gefaltetem 
Saum.  Von  der  nahe  verwandten  Gattung  Hyoscyamus  unterscheidet  sie  sich 
durch  die  bei  letzterer  mit  Deckel  aufspringende  Kapsel. 

Datura  Stramm  oni  um  L.t  Stechapfel,  Pommeepineuse,  Thorn- 
appel,  eine  jetzt  über  ganz  Europa,  in  Amerika  und  auch  zum  Theil  in  Afrika 
verbreitete  Art,  ist  asiatischen  Ursprungs  und  soll  aus  den  Gebieten  um  den 
Kaspisee  stammen.  Erst  im  16.  Jahrhundert  gelangte  sie  nach  Deutschland  nnd 
Westeuropa,  von  Zigeunern  eingeschleppt.  Sie  wird  bei  uns  0.5  bis  1  m  hoch, 
mit  dickem,  hohlen ,  kahlen  ,  gabelastig  verzweigten  Stengel  und  gegenständigen 
Zweigen ,  an  denen  die  gestielten  Blätter  einzeln  oder  zu  zweien  sitzen.  —  S. 
Strammonium. 


Digitized  by  Google 


DATUBA.  —  DAUCUS. 


Die  Blüthen  stehen  einzeln  aufrecht  und  gabelständig,  der  Kelch  ist  blassgrtin, 
fiinfkantig  und  etwas  aufgeblasen.  Die  fünf  Lappen  der  wohlriechenden  weissen 
Blumenkrone  sind  in  eine  scharfe  lange  Spitze  ausgezogen.  Die  weisse  Farbe  der 
Krone  geht  oft  in's  Violette  über,  welche  Spielart  als  D.  Tatula  L.  in  Gärten 
cultivirt  wird. 

D.  sanguinea  in  Peru  und  D.  ferox  in  China  und  Cochinchina  dienen  zur 
Bereitung  berauschender  Getränke.  Pro  11  ins. 

Datura  Tatula.  Die  geschnittenen  Blätter  der  Datura  Tatula,  mit  etwas 
8alpeter  imprägnirt,  bilden  den  Hauptbestand t heil  der  englischen  Specialität  „The 
Datura  Tatula  specific  for  asthma". 

DatuHn  ist  ein  in  Datum  Strammtmium  vorkommendes  Alkaloid,  welches 
in  Beinen  Eigenschaften  und  Wirkungen  mit  Atropin  identisch  ist;  vergl.  A tropin, 
Bd.  II,  pag.  4.   Daturinsalze  =  Atropiusalze. 

Daubitz'SCher  Krällterliqueur,  ein  aromatisch-bitterer  Schnaps  Berliner 
Provenienz,  vor  etwa  25  Jahren  viel  genannt  und  viel  berufen,  insofern  er  neben 
Hoff's  Malzextract  und  Jacom's  Königstrank  gewissermassen  den  Geheimmittel 
schwinde!  inaugurirte,  ist  nicht  immer  gleich  zusammengesetzt  befunden  worden. 
Anfänglich  enthielt  er  viel  Aloe'  und  Lärchenschwamm ,  anf  Einschreiten  der  Ge- 
sundheitspolizei ist  der  Gehalt  daran  sehr  herabgemindert,  zeitweise  sind  beide 
wohl  auch  ganz  weggelassen  worden. 

DaUCUS.  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Cmbelliferae, 
charakterisirt  durch  verkehrt  eiförmige  Blumenblätter,  mit  eingebogenen  Läppchen, 
die  äusseren  Blüthen  strahlend;  Frucht  vom  Rücken  zusammengedrückt,  auf  den 
Nebenrippen  mit  einer  einfachen  Reihe  von  Stacheln,  Thälchen  einstriemig,  Frucht- 
träger  ungetheilt. 

1.  Dauern  Carota  L.,  Möhre,  Mohrrübe.  Vogelnest  (von  der  Form  der 
Fruchtdolde),  Pastinak  im  Mittelalter  (der  Name  ist  erst  später  anf  Pastinaca 
sativa  tibertragen).  Ein-  und  zweijähriges  Kraut  mit  gefurchtem,  rauhhaarigen 
Stenge),  Blätter  doppelt  oder  dreifach  gefiedert,  mit  länglich  lanzettlichen  Zipfeln, 
Hülle  und  Hüllblättchen  vielblättrig,  Hüllblätter  dreispaltig  bis  fiedertheilig.  Blüthen 
weiss  oder  röthlicb,  Gipfelbltithe  verkümmert  dunkelpurpurroth ,  sehr  selten  die 
ganze  Dolde  so  gefärbt.  Wurzel  der  wilden  Pflanze  dünn,  holzig,  der  eultivirten 
dick,  fleischig,  nach  Grösse  und  Farbe  (roth  bis  gelbweiss)  sehr  variirend.  Durch 
ganz  Europa,  mit  Ausnahme  des  Nordens,  auf  Wiesen  und  an  Wegen  gemein 
und  oft  angebaut. 

Die  Wurzel  dient  als  Nahrungsmittel  und  Viehfutter.  Früher  wurden  die  Früchte 
der  wildwachsenden  Pflanze  (Sein.  Dauci  silvestrxsj  als  Diureticum  verwendet, 
der  eingedickte  Saft  der  Wurzel  als  Succ.  Dauci  inspissatus. 

Ferner  wird  die  Wurzel  Kaffeesurrogaten  (Cichorie)  beigemengt.  Man  hat  bei 
der  Untersuchung  auf  die  sehr  engmaschigen  Netzgefässe  und  das  Fehlen  der 
Milchsaftschläuche  zu  achten,  auch  sind  zuweilen  die  hellen  FarbstofTkrystalle,  die 
mit  Schwefelsäure  eine  blaue  Lösung  geben,  noch  zu  erkennen. 

Die  Wurzel  der  rothen  Varietät  enthält  den  dunkelrothen  Farbstoff  Carotin 
und  das  farblose  Hydrocarotin ,  Zucker  10.4  Procent,  Pectinsäure,  Proteinstoffe. 

Die  eultivirte  Wurzel  besteht  aus  einer  s  3  des  Durchschnitts  starken  Rinde, 
die  nach  innen  erhebliche  Lücken  zeigt;  sie  wird  gebildet  von  zartwandigem 
Parenchym.  Die  Gefässbündel,  von  breiten  Markstrahlen  unterbrochen,  bestehen 
aus  Netzgeflssen  und  getüpfelten  Holzzellen.  Bei  der  wilden  Wurzel  ist  die  Rinde  viel 
dünner  und  die  Markstrahlen  viel  schwächer. 

2.  Daucus  hispanicus  Gouan.  am  Mittel-  und  atlantischen  Meer  und  Daucus 
Gingidium  L.  in  Sicilien  (letztere  vielleicht  nur  Varietät  der  ersten)  liefern  nach 
Einschnitten  in  den  Stengel  Gummiharz,  das  früher  als  si eil isches  Bdellium 
verwendet  wurde. 


Digitized  by  Google 


1 


414  DAUCUS.  —  DAVY'S  LAMPE. 

Daucus  cretensis  hiess  Athanianta  cretensis  L.  (Umbelliferae) ,  die  im  mittleren 
UDd  südlichem  Europa  wachsende  Augen-  oder  Hirschwurz.  Sie  ist  4,  besit/.t 
eine  rüben förmige,  mehrköpfige  Wurzel,  einen  etwas  zottigen  Stengel,  doppelt- 
fiederschnittige  Blatter,  6— 12strahlige  flache  Dolden  mit  1— ablättriger  Halle 
und  4—  «blätterigen  Hüllchen,  weisse  Blttthen  mit  fünfzähnigem  Kelchsaum  und 
längliche,  nach  oben  verschmälerte,  graue,  weisshaarige  (6  mm  lange,  1  mm  dicke) 
Früchte  mit  fünf  niedrigen  Riefen  und  2 — 3striemigen  Thälchen.  Diese  riechen 
und  schmecken  angenehm  gewürzhaft  und  waren  einst  auch  als  Semen  (richtig 
Fructus)  MyiThidis  creticae  in  Verwendung.  Hart  wich, 

Dauergewebe  nennt  man  im  Gegensatz  zu  den  Meristemen  oder  Theilungs- 
geweben  alle  nicht  weiter  durch  Theüung  sich  vermehrenden  Gewebe  pflanzlicher 
Organe.  Die  Zellen  des  Dauergewebes  haben  ihre  definitive  Ausbildung  erlangt 
und  führen  daher  dor  Regel  nach  kein  Plasma  mehr.  Der  Holzkörper  der  Holz- 
pflanzen besteht  z.  B.  aus  Dauergewebe.  Tschirch. 

Dauerpräparate.  Als  Dauer präparate  bezeichnet  man  diejenigen  mikro- 
skopischen Präparate,  welche,  um  eine  längere  Autbewahrung  zu  vertragen,  in  beson- 
derer Weise  hergerichtet  werden.  —  S.  Präparate. 

DauerSpOren,  Ruhesporen,  werden  diejenigen  Sporen  genannt,  welche  erst 
eine  bestimmte  Zeit  ruhen  müssen ,  bevor  sie  sich  weiter  entwickeln  können ,  im 
Gegensatz  zu  den  meisten  anderen  Sporen,  welche  sofort  nach  ihrer  Reife  keim- 
fähig sind.  Die  Dauersporen  vermögen,  geschützt  durch  ein  stark  entwickeltem 
Exosporiuro,  die  ungünstige  Jahreszeit  zu  überleben,  um  nach  Ablauf  derselben  zu 
keimen;  sie  ersetzen  also  in  physiologischer  Hinsicht  die  bei  bestimmten  Pilzen 
auftretenden  Dauermycelien. 

Dauersporen  treten  bei  Pilzeu  aus  den  verschiedensten  Familien  auf. 

Sydow. 

DaVe$PS  PulviS  OpÜ  C0mp08.,  gegen  Diarrhöe,  besteht  aus  0.03  Opium 
und  0.4  Älumen  pro  dosi. 

Davids-Thee,  gegen  Brust-  und  Lungenleideu,  ist  ein  Theegemisch  verschieden- 
artiger Zusammensetzung;  der  „echte  Karolinenthaler  Davids  -  T  h  e  e" 
soll  bestehen  aus  gleichen  Theilen  Herba  Centaurii  min. ,  Hb.  Hyssopi,  Hb. 
Ghaeropkylli  aronuitici,  Hb.  Marrubü  albi,  Hb.  Cardui  bmed.,  Flores  Mille- 
folii  und  Lieben  Islandicus, 

DavidSOll'SChe  Zahntropfen  sind  (nach  Hager)  ein  Gemisch  von  3  Th. 
Cajeputöl  und  1  Th.  Nelkenöl. 

Davis'  Pain  Killer,  eine  englische  Specialität ,  ist  (nach  Hager)  eine 
Mischung  aus  20  Th.  Kampferspiritus,  20  Th.  Capsicuratinctur  und  100  Th.  Guajak- 
harztinetur.  —  Davis'  Pilulae  laxativae  enthalten  neben  Aloeextract  und  Eisen- 
vitriol viel  Bilsenkrantextraet  (0.05  pro  Pille)  und  Strychn  osextract.  —  Davis' 
Chloranodyne,  g.  Chloranodyne. 

Davy's  Arsenprobe  ist  der  Arsennachweis  nach  Marsh,  mit  der  Modifi- 
cation,  dass  das  Wasserstoff-  und  Arsenwasserstoffgas  durch  Natriumamalgam  ent- 
wickelt wird.  Aus  der  alkalischen  Flüssigkeit  wird  kein  Antimonwasserstoffgas 
entwickelt.  —  S.  Arsennachweis,  Bd.  I,  pag.  581. 

Davy's  Lampe  ist  ein  in  Bergwerken,  welche  „schlagenden  Wettern"  aus- 
gesetzt sind,  gebräuchliches  Grubenlicht,  eine  Oellampe,  deren  Flamme  innerhalb 
eines  Hohlcylinders  aus  feinem  Drahtgewebe  brennt.  Von  aussen  in  diesen  Cylinder 
eindringende  brennbare  Gase  entzünden  sich  zwar  an  der  Flamme  innerhalb  des- 
selben, vermögen  aber  das  die  Wärme  stark  ableitende  Drahtgewebe  nicht  bis  zur 
Entzündungstemperatur  des  Gasgemenges  zu  erhitzeu,  so  dass  die  Verbrennung  des 

Digitized  by  Google  j 


DAVY'S  LAMPE.  —  DECANTHIBEN 


415 


letzteren  sich  nicht  nach  aussen  fortpflanzen  kann.  8  Proceut  Grubengag  der 
atmosphärischen  Luft  beigemengt  sind  schon  brenubar,  20  Procent  verlöschen  die 
Lampenflamme  durch  Sauerstoffentziehung,  brennen  aber  im  Cylinder  fort,  30  Pro- 
cent brennen  nicht  mehr  aus  Mangel  an  Sauerstoff.  Gänge. 

Dawamesk  ist  eiue  aus  Haschisch  mit  Butter,  Zucker  und  Gewürzen  be- 
reitete Conserve. 

Dax,  stid französische,  schon  den  Kömern  bekanute  (Aquae  Tarbelicae)  Thermen 
bis  zu  60°  mit  geringem  Mineralgehalt ,  darunter  hauptsächlich  Chlornatriuin  und 
Kalksulfat. 

Day'S  Probe  auf  Eiter  (im  Harn)  besteht  im  Znsatz  von  1—2  Tropfen 
oxydirter  (alter  oder  mit  Luft  geschüttelterl  Guajakharztinetnr  zum  Harn,  wodurch 
bei  Anwesenheit  von  Eiter  eine  blaue  Färbung  eintritt. 

De  l'lsie,  in  Russland  gebräuchliche  Thermometerscala ;   der  0°  ist  =  100° 
Cels.  und  150°  De  l'Isle  ist  gleich  =  0°  Cels. 

DeaCOnS  ChlOrprOCeSS.  Die  Herstellung  von  Chlorgas  in  grossen  Mengen, 
wie  sie  bei  der  Fabrikation  des  Chlorkalks  gehandhabt  wird.  Näheres  darüber  ent- 
halt der  Artikel  Chlorkalk,  Bd.  III,  pag.  80. 

Deakel,  s.  Diachel. 

Debourze's  Liqueur  obstetricale  istjTinctura  secaiis  comuti. 

DebOUt'S  Emulsion  taenifuge,  ein  in  Frankreich  beliebtes  Bandwurmmittel 
ist  (nach  Dorvault)  eine  concentrirte  und  versüsste  Emulsion  von  Semen  Cucur- 
bitae mit  3 — (>  Procent  Extractum  Filicis  maris.  —  Deboufs  GlyCÖrole  de 
Chloroforme  ist  eine  Mischung  aus  1  Th.  Chloroform,  1  Th.  Tinctura  Croci 
und  50  Th.  Gli/cerin. 

Debreedwa  Oder  DeVÜdOra,  das  Holz  oder  die  Rinde  eines  uubekannteu 
Baumes  aus  Britisch-Guyana,  angeblich  gegen  Impotenz  wirksam. 

Decandria,  Name  der  X.  Classe  des  LiNN'K'sehen  Pflauzensvstems.  Zu  der- 
selben gehören  alle  diejenigen  Pflanzen,  deren  Blüthen  10  freie,  d.  h.  nicht  mit- 
einander verwachsene  Staubgefässe  besitzen.  Die  Classe  Decandria  zerfällt  in 
folgende,  sich  nach  der  Zahl  der  Griffel  (1 — 5)  richtende  Ordnungen:  1.  Monogynia, 
2.  Digynia,  3.  Trigynia,  4.  Tetragynia,  5.  Pentagyuia. 

Decandrus  oder  de e andrisch  (zehnmännigj  wird  ferner  jede  Blüthe  ge- 
naunt,  welche  10  Staubgefäße  besitzt  (Flos  decandrutt) ,  daher  führt  auch  die 
4.  Ordnung  der  Classe  Monadelphin  und  die  4.  Ordnung  der  Classe  Diadelphia 
den  Namen  Decandria. 

Decanthiren,  Ab  g  i  e  s  s  e  n,  D  e  c  a  n  t  h  a  t  i  o,  ist  eine  Operation,  die  das  Ab- 
scheiden einer  Flüssigkeit  vom  Bodensatze  bezweekt.  Entweder  ist  letzterer  flüssig 
und  schwerer,  als  die  tiberstehende  Flüssigkeit,  (»der  er  ist  fest,  pulverförmig.  In 
diesem  Falle  decanthirt  man  auch  wohl  die  in  der  Flüssigkeit  schwebenden,  feineren 
und  leiehtereu  Theilcheu  von  den  gröberen  und  schwereren,  welche  sich  schneller 
am  Boden  absetzen. 

Das  Abgiessen  selbst  geschieht  entweder  durch  allmäligcs  Neigen  der  Gefässe 
oder  in  besonderen  Decanthirgefässen  (Kübeln,  Töpfen  s.  d.). 

Das  Decanthiren  wird  in  den  Fällen  angewandt,  wo  möglichst  rasch  grössere 
Mengen  Flüssigkeit  zu  entfernen  sind  und  wo  man  grosse  Mengen  eines  Körpers 
schnell  auszuwaschen,  auszulaugen  oder  feinere  Theile  von  gröberen  zu  trennen 
hat,  wie  z.  B.  beim  Schlämmen,  Lävigiren. 

Der  Trennung  von  Flüssigkeiten  untereinander  oder  von  flüssigen  und  festen 
Körpern  steht  dem  Decanthiren  das  Verfahren  der  Scheidung  durch  sogenannte 

Digitized  by  Google 


DECANTH1REN.  — 


DECKFARBEN. 


Seheidetrichter  und  die  Filtration,  ferner  das  Abheben  durch  Stech-  und  Sauge- 
heber, durch  capillare  Körper  (Baumwolle  u.  s.  w.)  und  das  Dialysiren  gegenüber. 

K.  Thümmel. 

Decanthirtöpfe  sind  irdene  oder  porzellanene  Töpfe  von  meist  bedeutendem 
Inhalt  zu  dem  Zweck,  einen  Niederschlag  von  der  darüber  stehenden  Flüssigkeit 
durch  blosses  Abgiesseu  (Decanthiren)  ohne  Filtration  zu  trennen.  Um  dieses  ohne 
Neigen  der  Töpfe  zu  erreichen ,  sind  in  der  Wandung  derselben  verschiedene 
Tuben  in  verschiedener  Höhe  angebracht,  entweder  senkrecht  über  einander  oder 
spiralig,  und  mit  Stopfen  verschlosseu.  Bei  der  Operation  des  Decanthirens  entfernt 
man  nach  vollendetem  Sedimentiren  die  Stopfeu  successive,  von  oben  beginnend. 
Eine  Vervollkommnung  dieser  Methode  ist  noch  dadurch  zu  erreichen ,  dass  man 
statt  des  Korkes  einen  durchbohrten  Gummistopfen  verwendet,  durch  welchen  ein 
Gla,shahn  geht.  Dadurch  wird  erreicht,  dass  vornehmlich  in  deu  unteren,  dem 
Niederschlage  am  nächsten  befindlichen  Flüssigkeitsschichten  die  durch  das  Ab- 
fliessen  entstehende  Strömung  nicht  so  stark  wird,  oder  doch  so  geregelt  werden 
kann ,  dass  ein  mechanisches  theilweises  Mitreissen  des  Niederschlages  nicht  er- 
folgen kann.  Gans  wind  t. 

Decimalwage,  eine  zum  Abwägeu  grösserer  Mengen  dienende  Wage,  bei 
welcher  das  aufgelegte  Gewicht  infolge  der  Construction  der  Wage  dem  zehn- 
fachen Gewicht  der  abzuwägenden  Substanz  entspricht.  Die  Decimalwagen  tragen 
nur  den  Aichstempel  der  Handelawagen,  s.  unter  Wagen. 

Decipilim  —  Symb.  Dp  —  ist  ein  1878  von  M.  Delafoxtaixe  im  Samarskit 
von  Nord-Carolina  entdecktes  Metall,  dessen  Atomgewicht  etwa  130  beträgt  und 
dessen  Oxyd  die  Formel  DpO  zukommt. 

Deckblatt,  Tragblatt  (Bractea),  bedeutet  in  der  Botanik  ein  blattartiges 
(oft  auch  nur  schuppenförmiges)  Organ,  aus  dessen  Achsel  ein  Blüthenstiel  oder 
ein  Zweig  des  Blütheustandes  entspringt.  Von  den  übrigen  Blättern  ist  das  Deck- 
blatt durch  seine  Grösse  und  Gestalt,  oft  auch  durch  andere  Färbung  verschieden 
(z.  B.  bei  Tilia). 

Das  Decklatt  ist  von  dem  Vorblatte  zu  unterscheiden.  Letzteres  geht  an  den 
Bltithenstielen  dem  Perianthium  oder  den  Sexualorganeu  in  der  acropetalen  Ent- 
wicklung unmittelbar  vorauf.  Oft  fallen  beide  Begriffe  für  ein  und  dieselbe  Sprossung 
zusammen,  indem  das  Vorblatt  eiuer  tiefer  stehenden  ßlüthe  zum  Deckblatt  einer 
höher  stehenden  wird. 

In  den  Formenkreis  der  Deckblätter  sind  auch  die  Glumae  der  Gräser ,  die 
Hülle  (Involucrum)  der  Malvaceae,  Dipsaceae,  Umbelliferae  und  die  Spreublättehen 
fPaleae)  der  Compositen  zu  zieheu.  8  y  d  o  w. 

Deckfarben  oder  Gouachefarben  heissen  in  der  Malerei  jene  Farben,  welche 
den  Grund,  auf  welchen  sie  aufgetragen  sind,  nicht  durchscheinen  lassen.  Dadurch 
unterscheiden  sie  sich  von  den  Lasurfarben  oder  durchscheinenden  Farben.  Je  dünner 
die  Schichte  ist,  welche  nothweudig  ist ,  um  den  Grund  vollständig  zu  verdecken, 
desto  grösser  ist  die  Deck  kraft  der  Farbe. 

Die  Deckkraft  einer  Farbe  ist  von  dem  Grade  ihrer  Vertheilung,  von  der  Form 
und  dem  Durchsichtigkeitsgrad  der  kleinsten  Theilchen  und  deren  Lichtbrechungs- 
vermögen  abhängig.  Je  verschiedener  das  letztere  von  dem  Lichtbrechungsvermögen 
der  zum  Anreiben  der  Farbe  benützten  Flüssigkeit  ist,  desto  grosser  ist  die  Deck- 
kraft. Bei  Oelfarben  ist  ferner  zu  berücksichtigen,  dass  einige  Farben  chemische 
Einwirkungen  auf  Oele  ausüben,  z.  B.  das  Bleiweiss. 

Im  Allgemeinen  besitzen  die  durch  Fällung  hergestellten  Mineralfarben  die 
grösste  Deckkraft.  Unter  den  weissen  Farben  deckt  Bleiweiss  am  besten. 

Die  Vergleichung  zweier  Farben  hinsichtlich  ihrer  Deekkraft  geschieht  nach 
Gkntele  in  folgender  Weise: 


Digitized  by  Google 


DECKFARBEN  —  DECL1  NATION. 


417 


Man  lasst  sich  gehobelte  Brettchen  aus  einerlei  Holz  und  Farbe  (am  besten  von 
Buchenholz)  anfertigen,  die  alle  eine  gleich  grosse  Oberfläche  haben,  z.  B.  12  cm 
lang  und  7  cm  breit  sind.  Man  wägt  dann  genan  gleiche  Quantitäten  jeder  Farbe 
ab,  reibt  dieselben  auf  einer  Glastafel  mit  gewogenen  und  gleichen  Quantitäten 
Oel  an  und  streicht  jede  Probe  mit  einigen  Tropfen  Terpentinöl  auf  ein  Brettchen. 
Dazu  bedient  man  sich  ganz  kleiner  Haarpinsel,  die  man  nach  dem  Gebrauche 
jedesmal  mit  Terpentinöl  auswäscht.  Benedikt. 

Deckglä8er.  Die  Deckgläser  werden  aus  dünnem,  zur  Zeit  etwa  0.08 — 0.3  mm 
dickem  Glase  in  quadratischer,  rechteckiger  oder  kreisrunder  Form  ausgeschnitten 
nnd  dienen  dazu,  um  das  der  mikroskopischen  Beobachtung  zu  unterwerfende,  in 
der  Regel  in  einer  Flüssigkeit  liegende  Präparat  einzudecken  und  so  die  Berüh- 
rung der  Vorderlinse  des  Objectivsystems  mit  der  Einschlussflttssigkeit  oder  das 
Beschlagen  durch  Verdunstung  zu  verhindern.  Die  Grösse  der  Deckglaser  schwankt 
in  der  Regel  zwischen  10 — 20  mm  Durchmesser  —  grössere  Deckgläser  werden 
Eur  für  besondere  Fälle  angewendet  —  und  richtet  sich  nach  der  Grösse  des 
m  beobachtenden  Gegenstandes,  sollte  aber  immer  lieber  etwas  zu  gross,  als  zu 
knapp  genommen  werden.  Die  Dicke  wird  theils  durch  die  Beschaffenheit  des 
Präparates,  theils  durch  den  Arbeitsabstand  des  Objeetives  und  bei  stärkeren 
Objectiven  durch  deren  Orrection ,  welche  für  eine  bestimmte  Dicke  ausgeführt 
nnd  von  den  optischen  Werkstätten  in  Bruchtheilen  des  0.1  mm  angegeben  zu 
werden  pflegt,  bestimmt. 

Zarte,  schon  unter  geringem  Drucke  leidende  Objecto  verlangen  die  Anwen- 
dung dünner  Deckgläser,  welche  auch  durch  einen  kleinen  Ärbeitsabstand  der  an- 
gewendeten Objective  geboten  wird.  Sind  stärkere  Objective  für  eine  bestimmte 
Deckglasdieke  corrigirt,  so  sind  grössere,  «Iber  wenig  Hunderttheile  des  Millimeters 
hinausgehende  Abweichungen  von  dieser  Deckglasdicke  zu  vermeiden ,  wenn  das 
betreffende  Objectiv  nicht  etwa  eine  Correctionsvorrichtung  besitzt,  vermöge  der 
die  Ausgleichung  auch  etwas  grösserer  Dickenverschiedenheiten  ermöglicht  wird. 
Um  Zeit  zu  ersparen ,  hält  man  sich  die  für  die  stärkeren  Objectiv  Systeme  be- 
stimmten Deckgläschen  nach  Dicken  sortirt,  nachdem  man  diese  mittelst  eines  so- 
genannten Deckglastasters  ermittelt  hat.  Dippol. 

DeCkpapp  =  Reservage. 

Declination  oder  Abweichung  eines  Sternes  bedeutet  die  senkrechte  Höhe 
desselben  über  (nördliche  oder  4-  Declination)  oder  unter  (südliche  oder  —  De- 
clination) dem  Aequator  des  Himmelsgewölbes,  welche  zur  Polhöhle  (Abstand  des 
Sternes  von  einem  der  Pole)  addirt,  stets  einen  Viertelkreis  oder  90°  des  De- 
el i  n  a  t  i  o  n  s-  oder  Stundenkreises  bildet,  welcher  die  senkrecht  durch  den  Stern 
auf  den  Himmelsäquator  gelegte  Ebene  begrenzt,  was  für  die  Hiramelskugel  das- 
selbe bedeutet  wie  für  die  Erde,  die  Meridiane.  —  Declinationskreis  heisst 
auch  am  Aequatorialinstrumente,  einem  Teleskop  der  Sternwarte,  der  auf  dem  Himmels- 
äquator senkrecht  stehende  Kreis  mit  G radein theil ung ,  auf  welchem  je  nach  der 
Neigung  des  Tubus  die  Declination  eines  Sternes  gemessen  wird,  sobald  das  Bild 
desselbeu  genau  in  den  Schnittpunkt  des  Fadenkreuzes  im  Gesichtfelde  eingestellt 
war. —  Magnetische  Declination  heisst  die  horizontale  Abweichung  der 
magnetischen  Meridiane  von  den  geographischen  Meridianen,  welche  daher  kommt, 
dass  die  beiden  Pole ,  d.  h.  die  Kraftcentren  des  Erdmagnetismus  nicht  auf  der 
geographischen  Erdaxe  liegen.  Ihre  Lage  im  Innern  der  Erde  ist  unbekannt.  Die 
Richtung  der  durch  dieselben  gehenden  Axe  kann  an  den  beiden  von  derselben 
getroffenen  Punkten  der  Erdoberfläche  durch  die  verticale  Stellung  der  Magnet- 
nadel (I  n  c  1  i  n  a  t  i  o  n,  s.  d. )  gefunden  werden.  Dieser  eine  Punkt  dem  magnetischen 
Nordpole  gegenüber  liegt  in  Nordamerika  westlich  der  Hudsonsbai,  der  andere 
dem  Südpole  gegenüber  in  der  südlichen  arktischen  Zone.  Die  auf  deu  Decli- 
uationskarten  verzeichneten  magnetischen  Meridiane  oder  I  s  o  g  o  n  e  n ,  d.  h. 

Real-Encyclopädle  der  ges.  Pharmacie.  III.  27 

Digitized  by  Google 


■118 


DECLINATION.  —  DECOCTA. 


die  Linien  von  gleicher  Declination,  bilden  unsymmetrisch  auf  der  Erde  vertheilte 
Cnrven  von  keineswegs  constanter  Beschaffenheit ,  sondern  verändern  ihre  Lage 
mit  den  in  der  Richtung  und  Intensität  schwankenden  magnetischen  Strömen  im 
Erdinnern.  Der  Nordpol  des  Erdmaguetismus  stösst  den  Nordpol  der  Magnetnadel 
ab  und  zieht  den  Südpol  derselben  an,  der  Südpol  des  Erdmagnetismus  verhält 
sich  gegen  die  beiden  letzteren  entgegengesetzt.  Daraus  folgt  an  jedem  Punkte 
der  Erde  eine  bestimmte  Einstellung  der  Magnetnadel  parallel  dem  durch  den- 
selben gehenden,  magnetischen  Meridiane.  In  einem,  in  den  geographischen  Meri- 
dian eingestellten  Coropass,  dessen  Durchmesser  durch  0°,  also  nach  Norden  ge- 
richtet ist,  zeigt  daher  die  Ablenkung  der  Magnetnadel  stets  den  Winkel  der 
Declination.  In  Europa,  Afrika  und  auf  dem  atlantischen  Ocean  decünirt  die 
Magnetnadel  westlich,  ebenso  in  einem  kleinen  Theile  von  Ostasien,  auf  der  übrigen 
Erde  östlich.  Gänge. 

DeCOCta  (von  decoquere,  abkochen).  Abkochungen  nennt  man  in  der  Siede- 
hitze bereitete  Auszüge  aus  Vegetabilien,  die  zu  Heilzwecken  bestimmt  sind.  Sie 
werden,  zum  Unterschiede  von  den  in  ähnlicher  Weise  hergestellten  Infusen  oder 
Aufgüssen  in  der  Weise  bereitet,  dass  man  die  zur  Abkochung  bestimmten  Ingre- 
dientien  mit  dem  kalten  Ausziehungsmittol  (Menstruum)  übergiesst  und  in  einem 
geeigneten  Gefässe ,  der  Infundirbüchse  oder  Decoctpfanne,  im  Wasserbade ,  bis- 
weilen auch  auf  freiem  Feuer  während  einer  halben  Stunde  den  Dämpfen  des 
siedenden  Wassers  aussetzt  oder  andernfalls  während  der  genannten  Zeit  in  be- 
ständigem Sieden  erhält  und  den  so  gewonnenen  Auszug  noch  heiss  von  den  er- 
schöpften Vegetabilien  abpresst  (colirt).  In  der  Regel  werden  Decocte  bei  solchen 
Vegetabilien  vorgeschrieben,  deren  wirksame  Bestandtheile  schwieriger  löslich  sind 
und  der  Gefahr  der  Verflüchtigung  weniger  unterliegen.  Als  Menstrnnm  dient  fast 
immer  das  Wasser ;  in  gewissen  Fällen,  wie  bei  Decoctum  Ghinae,  wird  ein  Säure- 
zusatz znm  Wasser  verordnet,  um  möglichst  viel  von  den  Chinaalkaloiden  in  die 
Abkochung  überzuführen.  Derartige  Decocte  müssen  in  Porzellangeßlssen  bereitet 
werden.  Gewisse  Ingredientien ,  so  z.  B.  Cortex  radicis  Granati,  werden  durch 
Kochen  mit  Wasser  allein  nur  unvollkommen  erschöpft ;  in  viel  vollkommenerem 
Maasse  ist  dies  der  Fall,  wenn  man  dieselben  vor  dem  Abkochen  mit  etwas  Spiritus 
durchfeuchtet  und  womöglich  kurze  Zeit  damit  stehen  lässt.  Was  den  Concentra- 
tionsgrad  der  Abkochung  anbelangt,  so  wird  derselbe  im  einzelnen  Falle  von  dem 
Arzte  vorgeschrieben.  Wo  dies  nicht  der  Fall  ist,  da  sind  die  Decocte,  sofern  die 
Ingredientien  nicht  starkwirkender  Natur  sind ,  in  dem  Verhältniss  zu  bereiten, 
dass  auf  1  Th.  Substanz  10  Th.  Decoct  gewonnen  werden.  Die  erste  Auflage 
der  deutschen  Pharmakopoe  hatte  ausser  diesem  für  gewöhnliche  Decocte  normirten 
Verhältniss  noch  concentrirte  und  höchst  conceutrirte  Decocte  aufgenommen  und 
für  die  ersteren  vorgeschrieben,  dass  auf  je  10  Th.  1.5  Th.  und  für  letztere  auf 
die  gleiche  Menge  2  Th.  Substanz  zu  nehmen  sind. 

Bisweilen  wird  zu  den  Decocten  noch  ein  Zusatz  von  Stoffen  verordnet,  die 
besser  durch  Infusion  ausgezogen  werden.  Diese  Substanzen  werden  dann  erst 
gegen  Ende  der  Abkochung  zugesetzt.  Auszüge,  welche  auf  diese  Art  bereitet 
sind,  werden  als  Decocto-Infusa  bezeichnet.  Finden  sehr  harte,  holzige  Drogen 
Verwendung  zu  einem  Decoct ,  so  werden  dieselben  häufig  vor  der  wirklichen 
Decoctbereitung  mehrere  Stunden  bei  gewöhnlicher  Temperatur  macerirt  oder 
bei  50 — 60°  digerirt,  um  die  Droge  aufzuquellen  (Macera  tions-Decoct, 
Digest  ions-Decoct). 

Als  Gefilsse  zur  Herstellung  der  Decocte  dienen  in  der  Regel  besondere,  zu  dem 
in  den  pharmaceutischen  Laboratorien  gehaltenen  Dampfapparat  passende  Einsatzge- 
filsse,  die  man  gewöhnlich  „IufundirbUchsen"  nennt.  Dieselben  sind  aus  reinem  Zinn, 
für  gewisse  Fälle  aus  Porzellan  gefertigt  und  passen  mittelst  eines  am  oberen 
Theile  angebrachten  Verdichtungsringes  so  in  die  Oeffnung  des  Dampfkessels,  dass 
etwa  s,  t  des  ganzen  Gefässes  von  dem  Wasserdampf  umgeben  werden.  Um  auch 


Digitized  by  Google 


DECOCTA.  —  DECOCTÜM  FOWLERI.  419 

die  Decocte  zur  Nachtzeit  oder,  wenn  der  Dampfapparat  gerade  nicht  geheizt  ist, 
nach  Vorschrift  im  Dampfe  bereiten  zu  können,  hat  man  bisweilen  kleinere,  mit 
Spiritus  oder  Gas  heizbare  Wasserbäder,  sogenannte  „Decoctorien"  in  der  Officin 
angebracht,  die  zur  Aufnahme  von  einer  oder  mehreren  der  oben  als  Infundir- 
btichsen  beschriebenen  Qeftsse  eingerichtet  sind.  In  einigen  Lfindern,  wie  z.  B.  in 
Baden  ist  das  Vorhandensein  eines  solchen  Decoctoriums  in  den  Apotheken  gesetz- 
lich vorgeschrieben.  Sehr  geeignet  für  diesen  Zweck  sind  die  Wasserbftder  mit 
constantem  Niveau,  da  bei  ihnen  nur  eine  ganz  niedere  Wasserschichte  im  Kochen 
erhalten  zu  werden  braucht,  so  dass  man  schon  in  kurzer  Zeit  über  ein  volles 
Dampfbad  verfügt 

Zur  Trennung  des  Decoctes  von  den  erschöpften  Vegctabilien  bedient  man  sich 
der  Colirtflchor,  die  bisweilen  durch  Decoctseiher  ersetzt  werden  können.  Sind 
relativ  viel  Vegetabilien  zu  einem  Decoct  verwendet  worden,  so  gelingt  die  gründ- 
liche Trennung  des  Auszuges  nur  durch  Anwendung  einer  Presse. 

Eine  besondere  Art  von  Decoct  ist  das  Decoetum  Salep ,  das  richtiger  als 
Mucilago  Salep  bezeichnet  wird.  Bei  ihm  bleibt  das  zur  Herstellung  verwendete 
Saleppulver  in  der  Flüssigkeit.  Es  ist  mehr  eine  Art  Kleister  als  eiu  Decoct  und 
wird  am  besten  in  dem  zur  Dispensation  bestimmten  Glase  bereitet,  indem  man 
1  Th.  trockenes  Saleppulver  in  dem  Glase  mit  10  Tb.  kalten  Wassers  zusammen 
schüttelt  und  dann  so  rasch  als  möglich  90  Th.  kochendes  Wasser  hinzufügt  und 
das  Ganze  bis  zum  Erkalten  schüttelt.  Holdermann. 

DeCOCtum  albUm  Sydenhami  (Apozeme  blanc).  Je  15  Th.  Comu  Cervi 
raup,  und  Mica  Panis  albi  werden  mit  1000  Th.  Aqua  zu  700  Th.  Colatur  ein- 
gekocht und  in  derselben  7l  ,  Th.  Gummi  arabicum  und  15  Th.  Saccbarum  ge- 
löst. Dem  Apozeme  blanc  der  Ph.  Gall.  wird  noch  1  Procent  Aqua  Aurantii 
flor.  beigemischt. 

DeCOCtum  AloäS  Compositum.    Je  3  Th.  Aloe,   Myrrha,    C)  'ocus  und 
Kalium  carbonicum  und  12  Th.  Saccus  Liquiritiae  werden  mit  so  viel  als  nöthig 
Wasser  zu  300  Th.  Colatur  gekocht  uud  dieser  25  Th.  Tinct.  Cardamomi  hin- 
zugegeben. 

DeCOCtum  antihydrOpiCUm  Dr.  Maxa.  Aus  23  Th.  Radix  Ononidis  und 
1  a  Th.  Folia  Digitalis  wird  mit  200  Th.  Wasser  eiu  Decocto- Infusum  bereitet; 
in  diesem  werden  je  5  Th.  Extractum  Gratiolae  und  Nitrum  gelöst  und  dann 
noch  20  Th.  Oxymel  Scillae  hinzugefügt. 

DeCOCtUm  Avenae  LOVeH.  40  Th.  Avena  exeorticata  und  5  Th.  Liynum 
Santali  rubri  werden  mit  so  viel  als  nöthig  Wasser  zu  500  Th.  Colalnr  gekocht 
und  in  dieser  3  Th.  Nitrum  und  12  Th.  Saccharum  gelöst. 

DeCOCtum  Chinae  faCtitilim,  eine  merkwürdige  Verirrung  der  früheren 
Pharm,  pauperum  Berolin.,  wurde  bereitet  aus  Cortex  Hippocastaui,  Cortex  Salicis, 
Kadix  Gentianac.  Radix  Calami  und  Radix  Caryophyllatae. 

DeCOCtum  CryStaliorum  der  früheren  Ph.  Hannov.  ist  eiue  Auflösung  von 
5  Th.  Tartarus  depuratus  iu  445  Th.  Aqua  fervida  mit  einem  Zusatz  vou  50  Th. 
Syrupus  Rubi  Jdaei. 

DeCOCtUm  FeltZÜ,  Tisaue  de  Feltz.  60  Th.  Radix  Sarsaparilla* ,  7»/a  Th. 
Ichthyocolla  und  80  Th.  Stibium  sulfuratum  niyrum  laeviyatum  (letzteres  in  ein 
Leinwatidafickchen  eingenäht}  werden  mit  2000  Tb.  Wasser  zu  1000  Th.  Colatur 
gekocht. 

DeCOCtUm  FOWleH  ist  eine  Abkochung  von  35  Th.  Folia  Nirotianae  mit 
go  viel  als  nöthig  Wasser  zu  280  Th.  Colatur.  welcher  70  Th.  eines  70proeentigen 
Spiritus  hinzugefügt  werdeu. 

STßjgitized  by  Google 


420 


DECOCTUM  FRANGULAE.  — 


1)EC<  ICTUM  SARSAPARILLAE, 


Decoctum  Frangulae  concentratum.  1  Th.  Cortex  Frangulae  wird  mit 

4  Th.  Wasser  auf  2  Th.  Colatur  eingekocht.  Man  setzt  dem  Decoct,  um  es  halt- 
barer und  wohlschmeckender  zu  machen,  etwas  Cognac  oder  Pomeranzentinctur  zu. 

DeCOCtlim  Granati.  AU  Baudwurmmittel :  60  g  Cortex  radicis  Granati 
werden  mit  720  g  Wasser  zwölf  Stunden  macerirt,  dann  zu  240  g  Colatur  einge- 
kocht. —  Nach  Küchexmeister  werden  180  g  Cortex  rad.  Granati  mit  1000  g 
Wasser  24  Stunden  macerirt  und  zu  180  g  Colatur  eingekocht.  —  Nach  Walden- 
burg werden  30  g  Cortex  rad.  Granati  mit  300  g  Wasser  zwölf  Stunden  macerirt, 
zu  240  g  Colatur  eingekocht  und  dieser  30  g  Syrup.  Zingiberis  hinzugefügt.  — 
Nach  Richter  werden  60  g  Cortex  rad.  Granati  mit  600  g  Wasser  eine  Nacht 
hindurch  macerirt  und  dann  zu  300  g  eingekocht ;  mit  der  erkalteten  Colatur  werden 
30g  Oleum  Ricini  und  log  Gummi  Arabicum  zur  Emulsion  gemacht.  — Nach 
Mosler  werden  50  g  Cortex  rad.  Granati  mit  500  g  Wasser  zu  250  g  Colatur 
gekocht,  mit  2  g  Extractum  Filicis,  2  g  Gummi  Arabicum  zur  Emulsion  gemacht 
und  dieser  noch  30  g  Syrupus  Menthae  piper.  hinzugefügt.  —  Nach  Bloch  werden 
140  g  Cortex  rad.  Granati  mit  800  g  Wasser  zu  250  g  Colatur  gekocht,  mit  der 
Colatur  werden  25  g  Flores  Koso  infundirt  und  der  nochmals  durchgeseihten  Flüssig- 
keit 50  g  Alkohol  zugemischt. 

DeCOCtum  Pini  VillOSUm  HoffmannL  35  g  Turiones  Pini  werden  mit 
400  g  Wasser  zu  150g  eingekocht;  der  Colatur  werden  200g  Vitium  aibum  bei- 
gemischt, nach  24stündiger  Digestion  wird  filtrirt. 

DeCOCtum  Pollini.  Nach  der  früheren  Ph.  Austr.  wurden  75  g  Putamen 
nucutn  Juglandis,  je  15  g  Radix  Sarsapanllae  und  Radix  Ckinae ,  je  7'2g 
Lapis  Pumicis  pule,  und  Stibium  sulfuratum  nigrum  (diese  beiden  Substanzen 
in  ein  Leinwandsackchen  eingenäht)  mit  1000  g  Wasser  zu  350  g  Colatur  einge- 
kocht. —  In  vielen  Officinen  gilt  dagegen  folgende  Vorschrift :  30  g  Radix  Sarsa- 
parillae, 25  g  Lignum  Guajaci,  8  g  Cortex  nueum  Juglandis  und  21  2g  Stibium 
sulfur.  nigrum  laevig.  werden  mit  1000g  Wasser  auf  700g  eingekocht  und  der 
Colatur  je  30  g  Aqua  Cinnamomi  und  Syrup.  Aurantii  cort.  zugesetzt. 

DeCOCtum  pUrificanS  St.  MaHae.  Aus  100  g  Radix  Sarsaparillae  und 
10  g  Radix  Liquiritiae  werden  200  g  Decoeto-Iufusum  bereitet. 

DeCOCtum  QuerCUS  aiuminatUm.  Zu  60  Th.  Decoctum  Quercus  «mit 
4  Th.  Cortex  Quercus  bereitet)  werden  1  Th.  Alumen  pulver.  und  4  Th.  Syrupus 
simplex  gegeben. 

DeCOCtum  Sarsae  COmpOSitUS  (Ph.  Brit.).  150  g  Radix  Sarsaparillae, 
je  15g  Lignum  Guajaci,  Lignum  Sassafras  und  Radix  Liquiritiae ,  7*ag 
Cortex  Mezerei  mit  1500  g  Wasser  eine  Stunde  lang  zu  digeriren,  dann  10  Mi- 
nuten lang  zu  kochen. 

DeCOCtum  Sarsaparillae  Compositum  (Decoctum  Zittmanni).  Während  in 
früheren  deutscheu  Pharmakopoen  die  Vorschrift  zu  diesem  Decocte  der  Magistral- 
formel  von  Decoctum  Zittmanni  vollständig  entsprach,  hat  dieselbe  in  neuerer 
Zeit  eine  ziemliche  Vereinfachung  und  Abruudung  in  den  Gewichtsmengen  erfahren. 
Pharm.  Germ.  I.  gab  einem  so  vereinfachten  Decoctum  Sarsaparillae  comp,  noch  das 
Synonym  Decoctum  Zittmanni  und  bestimmte  in  einer  Anmerkung,  dass  den  Species 
Calomel  und  Zinnober  in  dem  Falle  beizufügen  sei,  wenn  der  Arzt  ausdrücklich 
„Decoctum  Zittmanni"  verordnet  habe;  in  Pharm.  Germ.  II.  ist  aber  von  dem 
ursprünglichen  Decoctum  Zittmanui,  auf  welches  der  einstige  grosse  Kuf  des  Mittels 
doch  zurückzuführen  ist,  gar  nicht  mehr  die  Rede. 

Pharm.  Austr.  führt  als  Hauptnamen  Decoctum  Zittmanni  und  als  Synonym 
Decoctum  Sarsaparillae  comp.,  die  von  ihr  gegebene  Vorschrift  entspricht  auch  ziem- 
lich der  alten  Magntralforuiel  und  lautet:  a)  D.  Z.  fortiU8.  20g  Radix  Sarsa- 


Digitized  by  Google 


DECOCTÜM  SARSAPARILLAE.  —  DECREP1T1REN. 


421 


parillae  werden  mit  der  nöthigen  Menge  Wasser  24  Stunden  lang  digerirt,  dann 
(in  ein  Leinwandsäckchen  eingenäht)  1  g  Saccharum  pulv. ,  1  g  Aluinen  pulv., 
0.8g  Calomel  und  0.2g Zinnober  hinzugegeben  und  2  Stunden  hindurch  gekocht; 
gegen  das  Ende  der  Kochung  füge  man  noch  0.8  g  Früchts  Anisi  vulg.,  0.8  g 
Fructus  Foeniculi,  5  g  Folia  Sennae  und  2.5  g  Radix  Liquiritiae  hinzu,  presse 
aus,  colire  und  bringe  die  Colatur  auf  500g.  —  b)  0.  Z.  ItlitiuS.  Die  rück- 
ständigen Species  des  starken  Decocts  und  10  g  Radix  Sarsaparillae  werden 
mit  der  nöthigen  Menge  Wasser  zwei  Stunden  lang  gekocht;  gegen  das  Ende 
der  Kochung  füge  man  je  0.5  g  Cortex  Citri,  Semen  Cardamomi,  Cortex  Cinnamomi 
und  Radix  Liquiritiae  hinzu,  presse  aus,  colire  und  bringe  die  Colatur  auf  500  g. 

Die  Vorschrift  der  Pharm.  Germ,  zu  Decoctum  Sarsaparillae  compositum  lautet : 
a)  fortillS.  100  g  Radix  Sarsaparillae  sind  mit  2600  g  Wasser  24  Stunden 
lang  zu  digeriren,  dann  nach  Zusatz  von  je  5  g  Saccharum  und  Alumen  in  einem 
bedeckten  Gefäss  unter  öfterem  Umrühren  drei  Stunden  lang  der  Hitze  des  siedenden 
Wasserbades  auszusetzen ;  hierauf  werden  je  5  g  Fructus  Anisi  und  Fr  actus 
Foeniculi,  25g  Folia  Sennae  und  10g  Radix  Liquiritiae  zugegeben,  noch 
\i  Stunde  digerirt  und  schliesslich  unter  Auspressen  colirt.  Nach  dem  Absetzen 
und  Abgiessen  wird  das  Gewicht  der  Colatur  durch  Wasserzusatz  auf  2500  g  ge- 
bracht. —  b)  mltius.  50  g  Radix  Sarsaparillae  behandelt  man  wie  vorher 
mit  2600  g  Wasser,  gibt  je  5  g  Cortex  Citri,  Cortex  Cinnamomi,  Semen  Ca r da- 
momi,  Radix  Liquiritiae  hinzu,  digerirt  noch  1  4  Stuude,  presst  dann  aus,  lässt 
absetzen  und  bringt  die  abgegossene  Flüssigkeit  auf  2500  g. 

Dem  Decoctum  Sarsaparillae  compos.,  beziehungsweise  Decoctum  Zittmanni  ähn- 
liche Präparate  sind  das  Decoctum  Passerini,  D.  Salvadori,  D.  Vinache  u.  s.  w. ; 
dagegen  ähneln  Decoctum  antisyphiliticuni  Arnoud,  D.  antisyphil.  Astruc,  D.  Lissa- 
bonnense u.  a.  mehr  dem  Decoctum  Pollini  (s.  d.),  insofern  die  Abkochungen 
unter  Zusatz  von  Stibium  sulfuratum  nigrum  gemacht  werden. 

Decoctum  Smythii.  30  g  Radix  Sarsaparillae,  je  15  g  Antimoniutn  cru- 
dum ,  Lapis  Pumicis  und  Terra  sigillata  alba  und  5  g  Cornu  Cervi  ustum 
(diese  vier  Substanzen  in  ein  leinenes  Säckchen  eingebunden)  werden  mit  700  g  Wasser 
zu  350  g  Colatur  gekocht. 

D6C0CtUm  SOlveilS.  Je  15  g  Radix  Cichorii  und  Radix  1  'araxaci  werden 
mit  300  g   Wasser  zu  250  g  Colatur  gekocht. 

DeCOCtum  SUdorifiCUm  (Apozenie  sudorifique  Ph.  Gall.).  60  g  Lignum 
Guajaci  und  30  g  Radix  Sarsaparillae  werden  mit  der  nöthigen  Menge  Wasser 
eine  Stunde  lang  gekocht  und  nach  Zusatz  von  10  g  Lignum  Sassafras  und  20  g 
Radix  Liquiritiae  noch  zwei  Stuuden  lang  digerirt;  die  Colatur  betrage  1000g. 

DeCOCtum  Zittmanni,  s.  Decoctum  Sarsaparillae  compositum. 

« 

G.  Hofmann. 

Üecrepitiren  (Verknistern).  Beim  Erhitzen  mancher  Salze,  wie  z.  B.  des  Chlor- 
natriums, des  Kalisalpeters,  Chlorsäuren  Kaliums  und  Bleinttrats  in  Krystallen  zer- 
springen dieselben  und  werden  einzelne  Bruchstückchen  oft  auf  ziemliche  Ent- 
fernungen umhergesehleudert.  Es  rührt  diese  von  einem  deutlieh  wahrnehmbaren 
Knistern  begleitete  Erscheinung  davon  her,  das*  das  in  der  von  den  Krystallen 
eingeschlossenen  Mutterlauge  enthaltene  Wasser  (Decrcpitationswassen  sich  in 
Dampf  verwandelt,  und  dass  der  Dampfdruck  die  Krystalle  zersprengt.  Das  Ver- 
knistern ist  besonders  lebhaft  beim  raschen  Erhitzen  grösserer  Krystalle.  Will  man 
einen  dadurch  bedingten  Verlust  vermeiden,  so  ist  das  betreffende  Salz  fein  zu 
zerreiben  und  vor  dem  stärkeren  Erhitzen  bei  eiuer  100°  nicht  überschreitenden 
Temperatur  vollständig  auszutrocknen. 

Steinsalz ,  welches  in  kleinen  Hohlräumen  eingeschlossenes ,  stark  coniprimirtes 
Gas  enthält,    lässt   beim  Auflösen  in  Wasser  Verknistemngsgerä tisch  wahrnehmen 


Digitized  by  Google 


422  DECREP1TIREN.  -  DEFÄCATION. 

(Knistersalz ;  das  Gas  des  Knistersalzes  von  Wielicka  enthält  nach  BüXSKX 
84  Proeent  Methan,  reichlich  10  Procent  Stickstofl"  und  kleine  Mengen  von  Kohlen- 
dioxyd und  Sauerstoff)  •  sobald  die  die  Hohlräume  verschließenden  Salzwände  durch 
Auflösung  erheblich  geschwächt  sind,  werden  sie  durch  den  Druck  des  einge- 
schlossenen Gases  zersprengt. 

Auch  zahlreiche  andere  Mineralien  enthalten  in  bisweilen  sehr  grossen,  meist 
aber  mikroskopischen  Hohlräumen  Wasser  und  Salzlösungen  (z.  B.  Quarz-  und 
Feldspathe),  Luft  oder  flüssige  Kohlensäure  (z.  B.  im  Bergkrystall,  Topas  und  in 
einem  Pyrit  von  Coshan  l'opper  Mine  bei  Seull  Harboor  [Connty  Com])  eingeschlossen, 
welche  beim  Erhitzen,  beim  genannten  Pyrit  bisweilen  schon  bei  24°,  in  Folge  ihrer 
Ausdehnung  und  Vergasuug  und  des  dadurch  bedingten  starken  Druckes  Decre- 
pitiren  veranlassen. 

Letzteres  kann  endlich  bei  Mineralien  mit  blätterigem  oder  spathigem  Gefüge 
auch  durch  ungleichmäßige  Ausdehnung  der  Mineraltheilchen  beim  Erhitzen  ver- 
ursacht werden.  Ulbricht. 

DeCUDitUS.  Druckbrand  oder  Durchliegen  nennt  man  die  brandige 
Zerstörung  der  Haut,  die  bei  schweren  Krankheiten  an  jenen  Stellen  vorkommt, 
welche  fortwährendem  Drucke  ausgesetzt  sind.  Je  weniger  Weichtheile  zwischen 
Haut  und  Knochen  sich  befinden,  desto  leichter  kommt  es  zum  Druckbraud;  doch 
bleiben  auch  Personen  mit  ausgiebigem  Fettpolster  nicht  immer  verschont.  Die 
Ursache  des  Decubitus  liegt  wahrscheinlich  darin ,  dass  durch  den  fortwährenden 
Druck  die  Circulation  in  deu  gedrückten  Theilen  zu  träge  wird  und  in  Folge 
dessen  die  mangelhaft  ernährten  Hantfitellen  absterben. 

Decussirt.  Sind  alternirende  Quirle  zweigliederig,  d.  h.  sind  gegenständige 
Aeste,  Blätter  und  Blüthenstiele  an  den  zugehörigen  Hauptaxen  so  übereinander- 
gestellt,  dass  das  obere  Paar  genau  über  die  Lücken  des  zunächst  unteren  Paares 
zu  stehen  kommt,  wodurch  sie,  von  oben  oder  unten  betrachtet ,  vier  im  Kreuze 
steheude  Reihen  bilden,  so  nennt  man  die  Stellung  der  Glieder  decussirt.  (Nicht  zu 
verwechseln  mit  crueuttuft,  gekreuzt,  kreuzständig).  Sydovr. 

Dedoublement  nennt  man  das  Auftreten  von  zwei  Blattorganen,  wo  eigent- 
lich nur  eines  stehen  raüsste.  Es  kanu  dies  sowohl  als  Monstrosität  nur  in  ver- 
einzelten Fällen  bei  einer  Art  oder  Gattung  (vierblätterige  Kleeblätter),  als  auch 
als  regelmässige  Bilduog  bei  ganzen  Familien  und  Gattungen,  sowie  einzelnen 
Arten  vorkommen.  So  sind  die  Blüthenkreise  bei  Butomus  umbcllatu*  L.  drei- 
theilig.  An  Stelle  eines  jeden  Staubgefässes  des  äusseren  der  beiden  Staubgefäss- 
kreise  stehen  jedoch  in  Folge  von  Dedoublement  zwei  paarweise  beisammen  ,  so 
dass  also  im  Ganzen  neun  Staubgefässe  vorhanden  sind.  c.  Mylius. 

DefäCaÜOn  ist  die  Entle  erung  des  Kothes  aus  dem  Mastdarm  durch  die 
peristaltischen  Darmbewegungen  unter  Beihilfe  der  Bauchpresse  und  eines  Muskels, 
welcher  den  Mastdarm  umgibt  nud  den  Beckenausgang  abschliesst  (Musculus 
hiotor  ani).  Der  Sehliessmuskel  des  Afters  erschlafft  bei  Beginn  der  Defäcation. 
Gewöhnlich  wird  durch  die  Anstrengung  der  Bauchpresse  zuerst  der  Harn  aus  der 
Blase  entleert ;  nur  weun  durch  besonders  kräftige  Peristaltik  die  Kothsäule  sehr 
tief  hinabgedrückt  ist,  übt  diese  einen  solchen  Druck  auf  die  zwischen  Mastdarm 
und  oberen  Theil  der  Harnröhre  gelegene  Vorsteherdrüse  (Prostata),  dass  die 
Harnröhre  dadurch  verschlossen  und  der  Harn  erst  am  Schlüsse  der  Defäcation 
entleert  wird.  Der  Wille  allein  ist  selten  im  Stande  eine  Defäcation  zu  veran- 
lassen. Bei  gesunden  Menschen  tritt  die  Kotheutleerung  gewöhnlich  regelmässig 
alle  24  Stuuden  einmal  ein.  Wahrscheinlich  üben  die  Kothmaasen  selbst  den  Beiz 
zur  Auslösuug  von  Contraetioneu  in  den  Muskeln,  welche  bei  der  Defäcation  mit- 
hellen, und  es  bleibt  die  Frage,  warum  dieser  Reiz  alle  24  Stunden  einmal  aus- 
geübt wird.  Die  Ursache  davon  könnte  sein:  erstens  eine  bestimmte  Menge  des 
in  dem  unteren  Darmabsehnitte  angesammelten  Kothes  und  da  regelmässig  lebende 


Digitized  by  Google 


I 


DEFÄCATION.  —  DEFECT. 


423 


Menschen  in  je  24  Stunden  ziemlich  gleich  grosse  Nahrungsquantitäten  aufnehmen  und 
verdauen,  so  würde  auch  nach  je  24  Stunden  die  erforderliche  Kothmenge  erreicht  sein. 
Zweitens  könnte  möglicher  Weise  nicht  blos  die  Kothmenge,  sondern  auch  ein  bestimmter 
Flnlnissgrad  derselben  als  Reiz  zum  Auslösen  der  nöthigen  Muskelkräfte  erforder- 
lieh sein.  Die  Fäulniss  geht  unter  dem  Einflüsse  organischer  Fäulniaserreger  vor 
sich  —  im  Rothe  findet  man  ja  zahllose  verschiedenen  Arten  angehörende 
Bacterien.  Die  Annahme,  dass  eine  Vegetationsperiode  der  hier  in  Betracht 
kommenden  Fäulnisserreger  (bei  Körpertemperatur)  24  Stunden  beträgt,  hat  nichts 
Unwahrscheinliches  und  so  wäre  es  verständlich,  warum  der  Inhalt  der  untersten 
Darmabschnitte  einmal  in  24  Stunden  einen  Reiz  ausübt,  welcher  der  zu  seiner 
Fortschaffung  auszulösenden  Muskelkraft  adäquat  ist.  —  S.  auch  Diarrhoe, 
ß*  ~'  M.  Mö)|ler. 

Defect  ist  ein  Ausdruck,  mit  welchem  der  Pharmaceut  einen  durchaus  anderen 
Begriff  verbindet ,  als  sonst  Uebung  ist ;  denn  während  man  sich  dieses  Wortes 
als  Substantiv  zu  bedienen  pflegt ,  um  einen  qualitativen  Mangel  materieller 
oder  ideeller  Art  zu  bezeichnen ,  versteht  der  Apotheker  darunter  die  Gesaramt- 
heit  der  in  einem  bestimmten  Zeitpunkt  in  seinem  Geschäft  quantitativ  nicht 
mehr  für  lange  ausreichenden  Verbrauchsgegenstände,  und  während  im  gewöhnlichen 
Leben  das  adjectivische  Fremdwort  „defect"  einen  Zustand  der  Beschädigung  an- 
deuten soll,  meint  der  Pharmaceut  damit,'  dass  der  betreffende  Gegenstand  in  einer 
nur  noch  für  kurze  Zeit  ausreichendeu  Menge  vorhanden  sei.  Ein  völliges  Fehlen 
oder  „Defectsein"  eines  Artikels  wird  in  einem  gut  geleiteten  Apothekengeschäfte 
nur  höchst  selten  vorkommen  können,  weil  es  eben  Sache  des  Personals  ist,  bei 
Zeiten  auf  den  gesunkenen  Stand  des  Vorraths  aufmerksam  zu  machen,  worauf 
die  Beseitigung  des  Defectes,  also  die  Wiedererneueruug  der  Vorräthe  in  der  ge- 
eigneten Weise  erfolgen  muss,  wenn  nicht  etwa  nur  die  Aufnahmsbehälter  der 
Offiein  allein  leer  gebraucht  sind  und  einfach  in  den  Vorratbsräumen  wieder  auf- 
gefüllt werden,  nachdem  sie  der  Receptar  an  einen  besonderen,  hierzu  bestimmten 
Platz,  oder  wie  der  technische  Ausdruck  lautet,  auf  den  „Defect",  scilicet  Defect- 
platz,  gestellt  hatte.  In  vjelen  und  nicht  den  weniger  gut  geführten  Apotheken 
wird  dieses  Geschäft  des  „Kinfassens"  der  defect  gewordenen  Artikel  durch  den 
Leiter  der  Apotheke  selbst  besorgt  oder  überwacht,  weil  eben  dann  die  grösste 
Sicherheit  geboten  ist ,  dass  es  zu  einem  eigentlichen  Defectwerden ,  zu  einem 
völligen  Fehlen  der  Vorräthe  nie  kommen  wird,  sondern  rechtzeitige  Erneuerung 
erfolgt. 

Dieses  geschieht  durch  Bestellung  der  durch  den  Handel  bezogenen  Artikel 
einerseits,  durch  Darstellung  der  Präparate  im  Laboratorium  andererseits.  Ist  in 
einem  Geschäfte  die  letztere  Aufgabe  einem  bestimmten  Pharmaceuten  ausschliess- 
lich für  kürzere  oder  längere  Zeit  Übertragen,  so  bezeichnet  man  ihn  als  Defeetar 
für  die  Dauer  dieser  besonderen  Function. 

Eine  streng  durchgeführte  Treunung  der  Defectur  von  der  Reeeptur  ist  natür- 
lich nur  bei  grösserem  Personal  möglich.  Sie  hat  ihre  Vortheile  und  ihre  Nach- 
theile. Die  ersteren  liegen  in  der  Ausbildung  einer  grösseren  technischen  Fertig- 
keit und  in  der  Erwerbung  eines  besseren  Ueberblieks  über  die  Gesammtheit  der 
zu  lösenden  Aufgabe,  die  letzteren  in  einer  gewissen  Einseitigkeit  der  erworbenen 
Fertigkeiten  und  in  der  Schwierigkeit  der  gegenseitigen  Vertretung  der  Assistenten. 
Ein  monatlicher  Functionswechsel  zwischen  Receptar  und  Defeetar  dürfte  geeignet 
sein ,  die  Nachtheile  auszuschliessen  und  die  Vortheile  zu  bewahren ,  ausserdem 
aber  jedem  Assistenten  die  doch  höchst  wüusehenswerthe  Gelegenheit  bieten,  sich 
alle  zur  späteren,  selbstständigen  Geschäftsleitung  erforderlichen  praktischen 
Kenntnisse  mit  Sicherheit  zu  erwerben.  Zu  den  Functionen  des  Defectars  gehört 
in  der  Regel  auch  das  Auffüllen  der  leer  gewordenen  Gefässe  der  Offiein. 

Ergibt  sich  hierdurch  auch  in  den  grösseren  Vorrathsbehältern  ein  Defect .  so 
wird  derselbe  notirt,  wozu  die  Defect  tafel,  eine  in  den  Vorrathsräumen  be- 
findliche einfache  Schiefertafel,  dient.   Ist  der  Apothekenbesitzer  nicht  ganz  altein 


Digitized  by  Google 


424 


DEFECT.  —  DEFERVESCEXZ. 


oder  besorgt  er  das  Einfassen  nicht  selbst,   so  ist  eine  tägliche  Durchsicht  der 
Defecttafel  am  Platze,  um  zu  erfahren,  ob  ein  Artikel  „stark  defect",  d.  h.  nur 
noch  in  sehr  unzulänglicher  Menge  vorhanden  ist,  und  um  zugleich  eine  8cheidung 
vorzunehmen  in  solche  Artikel,  welche  eingekauft  und  in  solche,  welehe  im  Labora- 
torium, etwa  auch  in  der  Stosskammer  selbst  hergestellt  und  deshalb  auf  die  in 
diesen  Räumen  befind  liehen  Defecttafeln  notirt  werden.    Ein  Dofectbuch  wird 
gewöhnlich  nur  für  die  letztere  Gruppe  von  Artikeln,  also  fllr  dio  selbst  bereite- 
ten, geführt ,  obgleich  eine  Ausdehnung  solcher  Einträge  auch  auf  die  gekauften 
Gegenstände  von  grösstem  Nutzen  und  dem  einfachen  Aufbewahren  der  zusammen- 
gehefteten Facturen  bei  weitem  und  schon  der  damit  verbundenen  Möglichkeit  der 
alphabetischen  Anordnung  wegen  vorzuziehen  ist.    Während  das  eigentliche,  wohl 
auch  als  Laboratorium  sjourual  oder  Elaborations  buch  bezeichnete 
Defectbueh  in  chronologischer  Anordnung  die  hergestellten  Präparate  nach  Art, 
Gewicht ,  sowie  Menge  der  verwendeten  Ingredienzen  und  erzielten  Ausbeute  auf- 
führt,  so  dass  ein  Nachschlagen  nur  durch  kürzeres  oder  längeres  Durchblättern 
geschehen  kann,  wird  in  einem  allgemeinen  Defectbueh  jeder  einzelne  in  der  Apo- 
theke geführte  Verbrauchsartikel  seiue  bestimmte  Seite  oder  Seitenzahl  an  der  be- 
treffenden Stelle  des  Alphabets  ein-  für  allemal  zugewiesen  erhalten.  Man  ist  mit- 
hin, wenn  es  sieh  um  Erneuerung  eines  Vorrathes  handelt,  in  der  angenehmen 
Lage,  ohne  jeden  Zeitverlust  sofort  uachsehen  zu  können,  wie  lange  eine  bestimmte 
bezogene  oder  bereitete  Menge  des  in  Frage  kommenden  Artikels  dem  Bedarfe 
genügt  hat,  auf  welchem  Wege,  woher,  zu  welchem  Preise  sie  beschafft  war.  Be- 
züglich der  selbsthergestellten  Präparate  wird  ein  solches  allgemeines  Defectbueh 
nur  Datum  und  Quantum,  daneben  aber  deu  Hiuweis  auf  die  Seite  des  Elabora- 
tionsbuches zu  euthalten  haben ,  in  welchem  letzteren  dann  die  obeu  erwähnten 
Einzelheiten  zu  linden  sind. 

Seit  mit  dem  Zurücktreten  der  früheren,  in  bestimmtem  Sinue  syntheti riehen 
Thätigkeit  des  phannaceutischen  Laboratoriums  die  analytische,  prüfende  für  die 
zahlreichen  dem  Handel  entnommenen  chemischen,  sowie  für  einzelne  pharmazeu- 
tische Präparate  in  den  Vordergrund  getreten  ist ,  scheint  die  Führung  eines 
besonderen  Prtifungsbuches  oder,  wie  man  solches  mit  wenig  Glück  auch 
getauft  hat,  eines  R  e  visionsjournales  sehr  am  Platze  zu  sein,  worin  in 
chronologischer  Reihenfolge  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  eingekaufter  Artikel 
aufgezeichnet  und  besondere,  dabei  gemachte  Beobachtungen  und  Erfahrungen 
erwähnt  werden.  Auch  auf  dieses  Prttfungsbuch  kann  das  Hauptdefectbuch  bei  den 
einzeluen  Einträgen  durch  Angabe  der  betreffenden  Seitenzahl  hinweisen.  Absolut 
nothwendig  ist  ein  solcher  Hinweis  auf  die  Seitenzahl  anderer  Bücher  im  allge- 
meinen Defeetbuche  dann  nicht,  wenn  in  deu  erste ren ,  ebenso  gut  wie  in  dem 
letzteren  die  genauen  Datumangaben  nicht  fehlen,  weil  sich  ja  dann  die  Stelle,  au 
welcher  in  chronologisch  geordneten  Büchern  gesucht  werden  niuss,  unmittelbar 
von  selbst  ergibt. 

Unter  D  e  f e  e  t  u  r  versteht  man  die  Summe  aller  dem  Defectar  übertragenen, 
aus  Vorstehendem  leicht  zu  entnehmenden  Obliegenheiten.  Hierzu  auch  die  erwähnte 
Prüfung  der  eingekauften  Artikel  zu  rechnen,  dürfte  nur  in  Ausnahmsfällen  zu 
empfehlen  sein,  da  sich  der  für  die  richtige  Beschaffenheit  aller  vorhandenen  Arznei- 
mittel ja  doch  stets  verantwortlich  bleibende  Geschüftsvorstand  dieser  wichtigen 
Aufgabe  nie  entschlagen,  sondern  diesen  modernen  Theil  der  Defectur,  wenn  irgend 
möglich,  selbst  besorgen  sollte.  Vulpius. 

Defens'  Linimentum  contra  scabiem  ist  eine  Mischung  aus  je  15  Th. 

Pulv.    sem.    Staphisaijriae    und    Pule.   sein.  Sabudülae ,    2    Th.  Fuligo  und 
quantum  satis  Oleum  Oliva?. 

DefßrveSCenZ  ist  der  rebergang  des  fieberhafteu  Zustandes  in  den  fieber- 
losen, also  der  Temperaturabfall  am  Ende  einer  fieberhaften  Erkrankung.  Die 
Defervescenz  erfolgt   entweder  auf  dem  Wege  der  Krisis,  d.  h.  ganz  unver- 

Digitized  by  Google 


DEFEHVESCENZ.  —  DEFLUVIÜM. 


425 


mittelt  folgt  auf  die  Fiebertemperatur  eine  normale  oder  gar  subnormale  Tem- 
peratur; oder  sie  erfolgt  durch  Lysis,  d.  h.  die  Temperatur  sinkt  allroälig  im 
Verlaufe  von  Tagen  bis  zur  Norm.  Die  Defervescenz  macht  sich  auch  durch  ver- 
mehrte Ausscheidung  der  Secrete  und  Exerete  bemerklich :  Schweis*  und  Urin 
kommen  reichlich  (kritische  Ausscheidungen  der  älteren  Aerzte),  auch  die  Ab- 
sonderung der  Verdauungssäfte  wird  viel  lebhafter.  —  S.  auch  Fieber. 

Dsfinition.    Dieselbe  bezieht  sich  auf  die  Leistung  dioptrischer  Instrumente 
zur  Erlangung  scharfer  Bilder,  speciell  auf  diejenige  des  Linsensystemes  eiues 
Mikroskops.  Unter  definirender  Kraft  oder  Begrenz ungsvermögen 
desselben  wird  der  Grad  verstanden,  bis  zu  welchem  es  gelingt ,  die  Bilder  der 
Objecte  und  ihrer  Details  in  den  äusseren  Umrissen  scharf  zu  begrenzen.  Dieses 
hängt  davon  ab,  wie  weit  bei  einem  Systeme  durch  die  richtige  Wahl  der  Gestalt 
seiner  Componenten  und  geeigneter  Glasarten  die  sphärische  und  chromatische 
Aberration  beseitigt  worden  ist,  da  beide  aus  verschiedenen  Gründen  ein  Aus- 
einanderfallen des  Bildes  in  mehrere,  nicht  congruente  Bilder  bewirken.  Dieses  ist 
Oberhaupt  das  Grundprincip  der  Herstellung  guter  Mikroskope ,  welches  auszu- 
fahren die  grösste  Kunst  der  Technik  ist.   Der  detinirenden  gegenüber  wird  die 
penetrirende  Kraft,  bei  Teleskopen  das  Dur chdringungs vermögen, 
bei  Mikroskopen  richtiger  das  Unterscheidungsverraögen,  die  Fähigkeit 
genannt,  sehr  feine  Details  des  Objectes  im  durchfallenden  Lichte  als  sichtbare 
dunkle  Linien  oder  Punkte  erkennen  zu  lassen.   Dieses  ist  abhängig  von  der 
Grösse  des  Oeffnungswinkels  des  Objectives,  d.  h.  desjenigen  Winkels,  welchen 
zwei  von  jedem  einzelnen  Punkte  des  Objectes  bis  zu  den  Endpunkten  des  horizon- 
talen Durchmessers  der  untersten  Linse  des  Systemes  ausgehende  Strahlen  mit  ein- 
ander bilden.  (S.  A  p  e  r  t  u  r,  Bd.  I,  pag.  457.)  Derselbe  bedingt  die  Lichtstärke  eines 
Systemes,  weil  um  so  mehr  der  von  jedem  Objectpunkte  divergirend  ausgehenden 
8trahlen  die  Linse  treffen,  je  grösser  dieser  Winkel  wird.   Aber  die  Lichtstärke 
ist  es  nicht,  welche  das  Unterscheidungsvermögen  erhöht,  sondern  die  durch  Ver- 
grösserung  des  Oeffnungswinkels  vermehrten,  s  c  h  r  ä  g  einfallenden  Strahlen,  welche, 
je  schräger  sie  auf  die  sichtbar  zu  machenden  Details  fallen,   umsomehr  die  von 
ihnen  abgewendeten  Conturen  derselben  in  den  Schatten  stellen  und  dadurch  als 
dunkle  Zeichnung  auf  hellem  Untergrunde  abheben.  Wie  ersichtlich ,   ist  dieser 
Vorgang  derselbe   wie  bei  der  absichtlich  herbeigeführten  schrägen  Beleuchtung 
durch  schiefe  Stellung  des  Spiegels,  mit  dem  Unterschiede,  dass  hier  die  Schatten 
der  Conturen  in  dem  Objecte  selber  hervorgerufen  werden ,  dort  im  Bilde  durch 
verloren  gehende  Strahlen  entstehen.  Gänge. 

Deflagrometer,  einer  der  vielen  für  die  Prüfung  des  Petroleums  auf  die 
Entzündungstemperatur  seiner  Dämpfe  (von  Doxrud)  empfohlenen  Apparate. 

DeflUVium  Oder  EflUVium  (capillorum) ,  Psilo»i«,  ist  abnorm  reichliches 
Ausfallen  der  Kopfhaare  mit  nicht  hinreichendem  oder  gänzlich  ausbleibendem 
Nachwuchs.  Defluvium  ist  häufig  eine  Alterserscheinung,  kommt  aber  auch  bei 
jugendlichen  Individuen  theils  in  Folge  ererbter  Disposition  vor,  oder  veranlasst 
durch  die  verschiedensten  Hautkrankheiten.  Der  Haarausfall  auf  dem  Kopfe  findet 
meist  über  dem  Stirnbein  und  über  den  Scheitelbeinen  statt,  also  an  jenen  Stellen, 
wo  die  Haut  dicht  über  dem  Knochen  liegt;  viel  seltener  am  Hinterhaupte.  Die 
Ursache  dürfte  wohl  sein,  dass  Unregelmässigkeiten  in  der  Circulation,  z.  B.  ver- 
minderter Blutzufluss  zu  den  Hautgefässen,  an  einer  solchen  Stelle,  wo  unter  der 
Haut  noch  eine  dicke  Gewebsschichte  liegt,  wie  eben  am  Hinterhaupte,  leichter  ab- 
geglichen werden  können,  als  dort,  wo  solche  Schichten  fehlen.  Ebenso  wäre  das 
seltene  Vorkommen  von  Haarausfällen  am  Rumpfe  zu  erklfiren. 

Alle  jene  Hautkrankheiten ,  welche  uuter  Narbenbildung  ausheilen ,  bewirken 
ein  Nichtwiederwachsen  der  verloren  gegangenen  Haare.  Nach  Typhus,  Scharlach 
und  Rothlauf  fallen  zuweilen  sämmtliche  Kopfhaare  aus,   wachsen   jedoch  meist 


Digitized  by  Google 


DEFLUVIÜM.  —  DEGRAS. 


wieder  nach.  Von  chronischen  Allgemeinerkrankungen  ist  es  die  constitationelle 
Syphilis,  die  zu  bedeutenden  Haarverlusten  führt ;  jedoch  ist  eine  Restitution  nach 
Ausheilung  der  Krankheit  möglich.  Die  Therapie  ist  gegen  das  Kahlwerden  und 
gegen  die  Kahlheit  in  den  meisten  Fällen  ohnmächtig;  desto  breiter  macht  sich 
seit  jeher  der  Schwindel  mit  Haarwuchsmitteln  und  liefert  nur  eineu  wiederholten 
Beweis  für  den  alten  Erfahrungssatz,  dass  die  Aussicht  auf  Heilung  um  so  geringer 
ist,  je  mehr  Mittel  gegen  eine  Krankheit  empfohlen  werden.  —  S.  auch  Haar- 
wuchsmittel. 

Deformitäten.  Diese  Bezeichnung  passt  ihrem  Wortlaute  nach  auf  alle  Form- 
fehler des  Körpers,  würde  sich  also  auch  auf  alle  angeborenen  oder  erworbenen 
Defecte,  abnorme  Spaltbildungen  und  Verwachsungen  (Atresien),  Lageverände- 
rungen einzelner  Organe  (Ectopien)  beziehen.  Die  Chirurgen  fassen  den  Begriff 
enger  und  verstehen  darunter  Richtungsabweichungen  an  Rumpf  und 
Gliedern,  also  Verkrümmungen.  Letztere  sind  in  manchen  Fällen  angeboren  (Klump- 
fuss, Klumphand ,  sehr  selten  ist  eine  Verkrümmung  der  Wirbelsäule  mit  zur 
Welt  gebracht) :  zweitens  entstehen  Verkrümmungen  bei  jugendlichen  Individuen 
durch  Wachsthumsstörungen ,  hervorgerufen  durch  Rhachitis  (rhaehitische  Hühner- 
brust, rhachitiscbe  Verkrümmung  der  Wirbelsäule  und  der  Extremitäten) ;  drittens 
können  Deformitäten  durch  Verletzung,  Entzündung,  Lähmung  und  Contractur 
entstehen.  In  der  Behandlung  von  Verkrümmung  der  Gliedmaassen  hat  die  Ortho- 
pädie grosse  Erfolge  errungen ,  indem  sie  sowohl  beginnende  Verkrümmung  in 
ihrem  Weiterschreiten  aufhält,  als  auch  ausgebildete  Deformitäten  redressirt. 

Degeneration  (Entartung).   Unter  Degeneration  versteht  man  bei  Pflanzen 
und  Thieren  eine  Veränderung,  welche  zur  Verschlechterung  führt,  wodurch  werth- 
volle Rasseneigenthümlichkeiten  verloren  gehen ;   den  Gegensatz  zur  Veredlung. 
Strenge  Inzucht  fördert  die  Degeneration,  während  zweckmässige  Kreuzungen  sie 
verhüten.   Nicht   minder  bewirkt  dies  eine  sorgfältige  Auslese  zur  Nachzucht. 
Schon  in  Virgil's  Georgicon,  Hb.  I,  197—200,  lesen  wir  : 
Vidi  lecta  diu,  et  multo  spectata  labore, 
Degenerare  tarnen,  ni  vis  humana  quotannis 
Maxima  quaequo  manu  legeret.  Sic  omnia  fatis 
In  pejus  ruere,  ac  retro  sublapsa  referri 

mit  entschiedenem  Anklänge  an  DARWiJj'sche  Ideen.  —  In  der  Pathologie  versteht 
man  unter  Degeneration  gewöhnlich  eine  solche  Veränderung  von  Körperorganen, 
in  Folge  welcher  sie  ihren  physiologischen  Functionen  nicht  mehr  nachkommen 
können,  ohne  dass  sie  eine  Volumsverriugernng  erfahren  hätten.  Ist  letzteres  der 
Fall,  dann  spricht  man  von  Atrophie. 

Degenöl  oder  Schwarzer  Degen,  ein  voiksth.  Name  für  oienm  Rusci; 

Weisser  Degen  —  Oleum  Terebinthinae. 

Degommiren  heisst  die  Behandlung  der  Rohseide  mit  heissen  Seifenlösungen, 
wobei  sie  den  grössten  Theil  des  die  eigentliche  Seidenfaser  umhüllenden  Seiden- 
leimes verliert  und  glatt  und  glänzend  wird.  —  S.  Seide.  Benedikt. 

Degorgiren,  eine  in  der  Champagnerfabrikation  geübte  Manipulation ,  siehe 
Champagner,  Bd.  II,  pag.  648. 

DegraS,  Gerberfett,  Lederfett,  Weissbrühe. 

In  der  Säniischgerberei  fs.  dort)  werden  die  Häute  eiuer  eigenthüm- 
lichen  Behandlung  mit  Walfisch-  oder  Leberthran  ausgesetzt,  wobei  sich  das  Fett 
zum  Theil  mit  dem  thierischeu  Gewebe  verbindet ,  zum  Theil  aber  durch  Aus- 
winden und  Ausziehen  mit  Pottaschenlösiing  iu  allerdings  sehr  verändertem  Zu- 
stande wiedergewonnen  wird.  Der  letztere  Theil  führt  dann  den  Namen  „Degras" 
und  tiudet  zum  Einfetten  des  lohgaren  Leders  Verwendung. 


Digitized  by  Google 


DEGBAS.  —  DELIBIUM. 


427 


Als  Ersatz  dieses  echten  Degras  kommen  unter  demselben  Namen  auch  künst- 
liche ,  mit  Leber- ,  Walfisch- ,  Menhaden- ,  Sardinen-  oder  japanesischem  Thran 
hergestellte  Productc  in  den  Handel,  denen  häufig  noch  Talg,  Harz  oder  Oelsäure 
augesetzt  ist. 

Für  die  Degras  ist  nach  Jean  ein  Gehalt  an  einer  bar  zahnlichen  Sub- 
stanz charakteristisch,  welche  bei  der  Oxydation  des  Thranes  in  Berührung  mit 
der  thierischen  Haut  entstanden  ist  und  das  Fett  befähigt,  sich  mit  grossen  Mengen 
Wasser  (bis  über  50  Procent)  so  innig  zu  emulgiren ,  dass  auch  naeh  monate- 
langem Stehen  noch  keine  Entmischung  eintritt.  Benedikt. 

DehisCeilZ  heisst  in  der  Botanik  der  Act  oder  auch  die  Art  und  Weise  des 
regelmassigen  Oeffnens  eines  früher  geschlossenen  Organs,  so  z.  B.  der  Staub- 
beutel, der  Fruchtkapseln  etc.  Die  Kapseln  springen  entweder  längs  der  ver- 
wachsenen, die  Sanian  tragenden  Ränder  auf  —  longitudinale  Dehiscenz  — 
oder  die  Kapsel  (Capsula  circumscissa)  öffnet  sich  durch  Ablösung  eines  oberen 
Theiles  des  Pericarps,    der  wie  ein  Deckel  abfällt  —  transversale  Dehiseenz. 

S  y  d  o  w. 

Dehnbarkeit  nennt  man  die  Fähigkeit  der  meisten  Metalle,  Wärme  aufzu- 
nehmen ,  ohne  dass  dabei  die  Molekularcohäsion  eine  wesentliche  Verringerung 
erfährt.  Die  Dehnbarkeit  der  Metalle  ermöglicht  das  Hämmern  oder  Walzen  der- 
selben in  Bleche  oder  Blätter  und  das  Ausziehen  derselben  zli  Draht.  Die  Dehn- 
barkeit ist  für  die  verschiedenen  Metalle  eine  verschiedene ;  während  Gold  sich 
in  dünne  Blättchen  von  0.00001  mm  Dicke  strecken  lässt ,  sind  Wismut  und 
Antimon  so  wenig  dehnbar,  dass  sie  sich  ohne  grosse  Mühe  zu  Pulver  reiben 
lassen.  Ganswind  t. 

DejeCtiOfl  s.  Excremente. 

Dekan,  C10Ha2.  Ein  gesättigter  Kohlenwasserstoff  der  Fettreihe,  homolog  dem 
Methan  und  Aethan.  Findet  sich  im  Petroleum;  Siedepunkt  161°.  Spec.  Gew. 0.757. 

DekatylalkohOl,  C10H22O,  ist  der  dem  Dekan  correspondireude  Alkohol, 
welcher,  aus  Petrolcumdekan  gewonnen,  bei  210 — 215°  siedet. 

Delacroix'  Emplätre  agglutinatif  (Empiastrum  ad  eiavos  pedum  Ph. 

Gall.)  ist  eine  Mischung  aus  200  Th.  Retina  Pini ,  50  Th.  Elemi ,  25  Th. 
Terebinthiua  veneta  und   25  Th.  Oleum  Lauri. 

DeÜOUX'  Jüd-KlyStir,  bei  Dysenterie,  besteht  aus  1  g  Kalium  jodatum, 
10 g  Tinct.  Mi  und  200  g  Aqua.  —  DeÜOUX'  Piltllae  Olibani,  gegen  Bronchial- 
catarrh,  bestehen  aus  je  2  g  Olibanum  und  Sajjo  medicatus  zu  30  Pillen. 

Delirium  (de  lira,  aus  der  Furche,  vom  Wege  abgehen,  oder  von  >'?(vo;, 
albernes  Gewäsch) ,  ist  die  Aeusserung  einer  fehlerhaften  psychischen  Thätigkeit. 
Damit  unsere  geistige  Thätigkeit  in  normaler  Weise  sich  vollziehe,  ist  nöthig,  dass 
1.  eine  normale  innere  sinnliche  Wahrnehmung  stattfinde,  2.  dass  sich  nach  be- 
stimmten A.s8oeiationsgesetzen  die  Verbindungen  der  Vorstellungen  in  normaler 
Weise  vollziehen;  3.  dass  die  Vorstellungen  von  gewissen  normalen  adäquaten 
Gefühlen  begleitet  werden  und  4.  dass  unser  Ich  im  Stande  ist,  eine  Controie  der 
augenblicklich  eindringenden  Sinnepeindrücke ,  Vorstellungen  und  Gefühle  vorzu- 
nehmen und  sie  je  nach  dem  Ausfall  dieser  Controie  zu  bestätigen  oder  zurück- 
zuweisen. Die  Erhaltung  der  letzten  Fähigkeit  ist  die  wichtigste,  um  ein  normales 
psychisches  Leben  möglich  zu  machen.  Je  nachdem  eine  der  drei  ersten  Voraus- 
setzungen nicht  erfüllt  ist,  unterscheidet  man  Sinnesdelirien,  Verstandes-  und 
Gefühlsdelirien.  Jedoch  können  gleichzeitig  auch  zwei  oder  gar  alle  drei  genannten 
Qualitäten  fehlen.  Delirien  können  durch  locale  Erkrankungen  im  Gehirn,  durch 
Allgremeinerkrankungen  und  auch  durch  Vergiftungen  veranlasst  sein.  Klinisch 
unterscheidet  man  auch  das  san  fte  Delirium  (Delirium  mite  s.  blandum),  wobei 


Digitized  by  Google 


428 


DELIRIUM.  —  DELPHINOIIUN. 


der  Kranke  ruhig  daliegt  und  für  sich  spricht,  meist  zwischen  den  Zähnen 
murmelnd  (Delirium  mussitans),  und  das  wilde  Delirium  (D.  ferox)  ,  in 
welchem  der  Kranke  durch  einen  blinden  Trieb  zu  heftigem,  tobenden  Reden  und 
gewaltsamen  Handlungen  hingerissen  wird. 

Delirium  tremens,  Säuferwahnsinn,  ist  die  Folge  der  chronischen  Alkohol- 
vergiftung, und  zwar  ist  der  Fuselgehalt  des  Alkohols  das  eigentlich  Schädliche. 

Delpech'S  CapSUleS  aUX  CubebeS  enthalten  je  0.7og  eines  ätherisch- 
alkoholischen Cubebenextracts. 

DelpeCh  et  GuiChard'S  VesiCatOire  ist  ein  nach  Art  des  englischen 
Heftpflasters  auf  Guttaperchapapier  gestrichenes  Pflaster;  der  Gelatinemasse  wird 
so  viel  Kalicantharidat  (in  Spiritus  gelöst)  beigegeben,  dass  jeder  Quadratdeei- 
meter  des  Vesicntoirs  0.01g  Cantharidat  enthalt. 

Delphinin,  Delphininum  ist  ein  Alkaloid  in  den  Samen  von  Delphinium 
Stajthüagria  L.  Es  wird  daraus  gewonnen  durch  Extraction  mittelst  mit  Wein- 
säure gesättigten  Alkohols,  welcher  alle  4  Alkaloide  aufnimmt.  Man  destillirt  den 
Alkohol  im  Vacuum  ab,  schüttelt  den  Rückstand  mit  Ligroin,  übersättigt  dann  mit 
Soda  und  zieht  mit  Aetber  aus.  Die  ätherische  Losung  enthält  das  Delphinin. 
das  Delphinoidin  und  Detpbisin;  im  Rückstände  verbleibt  das  Staphisagrin.  Aus 
der  Lösung  krystaflisirt  zuerst  das  Delphinin  in  kleinen  Rhomben,  welche  kaum 
löslich  in  Wasser,  löslich  in  Alkohol,  Aether  uud  Chloroform  sind,  von  bitterem 
Geschmack,  schwach  alkalischer  Reaction.  Mit  Acpfelsäure  und  Schwefelsäure  gibt 
es  eine  orangene,  nach  einigen  Stunden  dunkelrosenroth  und  schliesslich  schmutzig 
cobaltblau  werdende  Färbung.  —  Das  Delphinin  ist  intensiv  giftig. 

Ganswindt. 

Delphinium,  Gattung  der  Rannuculacrae,  ünterfamilie  Helleboreae.  Kräuter 
mit  bandförmig  getheilten  Blättern  und  schönen  Inflore^cenzen  grosser,  meist  blau 
oder  purpurn  gefärbter,  zygomorpher  Blüthen.  Kelch  corollinisch ,  fünfblättcrig, 
unregelmässig,  das  obere  (hintere)  Blatt  gespornt,  hinfällig.  Kronenblätter  typisch 
5  oder  8,  an  denen  aber  3,  beziehungsweise  4  abortiren ;  im  ersteren  Falle  sind 
die  2  Kronenblätter  verwachsen  und  stecken  im  Sporn  des  Kelches;  im  zweiten 
Falle  sind  die  4  Blumenblätter  frei,  nur  die  beideu  mittleren  gespornt  und  im 
Sporn  des  Kelches  steckend.  Staubgefässe  zahlreich,  Carpelle-l — 5,  sitzend,  frei, 
zu  mebrsamigen  Balgkapseln  sich  entwickelnd. 

Delphinium  St  aphisagria  L. ,  S  t  op  h  an  s  k  ra  u  t ,  Läusekraut, 
eine  südeuropäische  Art,  ist  0 ;  der  Stengel  ist  steif,  zottig,  die  Blätter  sind  5  bis 
7 spaltig,  ihre  Lappen  ganz  oder  3spaltig,  die  Blüthenstiele  an  der  schlaffen  Traube 
sind  länger  als  die  blauen  Blüthen,  welche  vier  bartlose  Blumenblätter  besitzen. 
Die  Kapseln  sind  bauchig,  zottig  und  enthalten  nur  wenige  erbsengrosse  Samen. 
Diese  enthalten  mehrere  Alkaloide  uud  sind  unter  dem  Namen  Staphisagria 
(s.  d.)  in  arzneilicher  Verwendung. 

Delphinium  Consolida  L.,  ist  eine  auf  unseren  Aeckern  häufige,  0 
Pflanze  mit  3theilig-vielspaltigen  Blättern,  dunkelvioletten,  einfach  gespornten 
Blüthen,  aus  denen  sich  nur  je  eine  kahle  Kapsel  entwickelt. 

Von  dieser  Art  stammen  die  von  Ph.  U.  St.  aufgenommenen  Sem.  ConsoUdae 
regalis  8.  Calcatrippae,  Larkspnr  Sced.  —  S.  Consolida,  Bd.  III,  pag.  275. 

Jfflphinium  Ajacis  L. ,  eine  durch  reichblüthige  Trauben,  kurze  und 
dieke  Blüthenstiele.  einspornige  Blüthen  und  behaarte  Früchte  charakterisirte.  eben- 
falls 0,  südeuropäische  Art,  wird  in  unseren  Gärten  am  häufigsten  gezogen. 

DeiphiflOidin  ist  ein  Alkaloid  in  den  Sameu  von  Delphinium  Staphisagria  L. 
reber  die  Gewinnung  vergl.  Delphin  in:  nach  Auskrystallisiren  des  l>elphinins 
wird  das  Delphinoidin  aus  der  Mutterlauge  gewounen.  Amorph,  löslich  in  Alkohol. 
Aether,  Chloroform:   fast   unlöslich   in  Wasser.    Mit  je  1  Tropfen  concentrirter 


Digitized  by  Google 


DELPHIN«  »IDIN.  —  DEMULCENTIA. 


Zuckerlösung  und  Schwefelsaure  braun,  bei  Zusatz  von  Wasser  grün  werdend.  Mit 
Schwefelsäure  und  Brorawasser  entsteht  eine  schön  violette  Färbung. 

Ganswind  t. 

Delphinthran,  Huile  de  Dauphin  globicephale,  Dolphinoil.  Dieser  Thran  wird 
aus  dem  Speck  des  schwarzen  Delphins,  Delphinus  globiceps,  gewonnen.  Er  bildet 
eine  citronengelbe,  zugleich  fisch-  und  lederartig  riechende  Flüssigkeit ,  welche  in 
Alkohol  ziemlich  löslich  ist.  In  der  Kälte  setzt  er  Spermacet  —  Palmitinsäure- 
cetylester  —  ab.  Er  enthält  ebenso  wie  der  Meerschweinthran  beträchtliche  Mengen 
des  Triglycerides  der  Valeriansäure. 

Der  Delphinthran  findet  dieselbe  Verwendung  wie  der  Pottwalthran  (Oleum 
cti)  und  wird  auch  zu  dessen  Verfälschung  verwendet.  Benedikt. 

Delphisiü  ist  ein  Alkaloid  in  dem  Samen  von  Delphinium  Staphisagria.  In 
Warzen  krystallisirend,  löslich  in  Alkohol,  Aether  und  Chloroform.  Zeigt  dieselben 
Farbenreactionen  wie  das  Delphinoidin.  Ganswindt. 

Deltametall  ist  eine  Legirung  aus  Kupfer ,  Zink  und  Eisen ,  welche  grosse 
Härte  und  Zähigkeit  besitzt,  leicht  zu  bearbeiten  ist,  und  eine  hohe  Politur 
.'tniu  mint. 

Demarquay'S  Pulvis  deSinfeCtOriUS,  Verbandpulver,  ist  eine  Mischung 
aus  gleichen  Theilen  Kalium  permanganicum,  Calcium  carbonicum  und  Amyltim. 

DeiTieaUX'  Melange  desinficient  ist  gleich  dem  Coaltar  saponatum, 
Bd.  III,  pag.  178. 

Dementia,  A  n  o  i  a  oder  Blödsinn  ist  jener  Zustand  krankhafter  Störung 
der  geistigen  Thätigkeit,  welcher  durch  erworbene  Schwäche  der  geistigen 
Functionen  charakterisirt  ist.  Die  geistige  Schwäche  solcher  Individuen,  bei  denen 
es  zu  einer  psychischen  Entwicklung  gar  nicht  gekommen  ist,  wird  als  Idiotis- 
mus bezeichnet.  Nach  dem  Grade  der  Herabsetzung  der  Intelligenz  unterscheidet 
man  drei  Formen  des  Blödsinnes:  1.  Schwachsinu,  2.  agitirten  Blöd- 
sinn, Verwirrtheit,  allgemeine  Verrücktheit,  3.  apathischen  Blödsinn.  Der 
Blödsinn  beruht  auf  einer  Erkrankung  der  grauen  Hirnrinde. 

Demonstration  im  Sinne  der  empirischen  Wissenschaften  bedeutet  die  an- 
schauliche Darlegung  eines  Gegenstandes  oder  eines  Ereignisses;  so  spricht  man 
von  einer  Demonstration  an  der  Leiche  oder  von  der  Demonstration  einer  physi- 
kalischen Erscheinung  mit  Hilfe  des  Experimentes.  In  der  Philosophie  bedeutet 
Demonstration  den  unmittelbaren  Beweis,  welcher  entweder  durch  eine  Aufklärung 
der  bezuglichen  Begriffe  erfolgt  oder  durch  die  Einsicht  in  die  Unmöglichkeit  de« 
Gegentheiles. 

DemulCentia  (demulceoy  besänftigen,  lindern),  auch  Protect iva  heisst  diejenige 
Abthciluug  der  mochanisch  wirkenden  Arzneimittel ,  welche  auf  entzündliche  und 
ulcerative  Processe  local  dadurch  günstig  wirken,  dass  sie  über  den  erkrankten 
Partien  eine  schützende  Decke  bilden,  welche  äussere  Schädlichkeiten  (mechanische 
Insulte,  Tcmperaturwechselj  fernhält.  Die  namentlich  bei  Catarrheu  der  Schleim- 
haut im  Schlund,  Mageu  und  Dann  häufig  gebrauchten  Mittel,  von  denen  übrigens 
viele  auch  zu  den  E  m  o  1 1  i  e  u  t  i  a  (s.  d.)  und  C  o  n  t  e  n  t  i  v  n  (s.  d.)  gezählt  werden 
können,  wirken  umso  besser,  je  weniger  leicht  sie  zur  Aufsaugung  gelangen.  Es 
sind  daher  auf  Schleimhäuten  in  Wasser  unlösliche  oder  colloide  Substanzen  ge- 
eigneter als  lösliche  oder  im  Mageu  oder  Darm  in  lösliche  Verbindungen  über- 
gehende Zuckerstone  und  Stflrkemehlarten.  Zu  ersteren  gehören  die  Arabin,  Bassorin 
und  Schleim  enthaltenden  Medicamente  (arabisches  Gummi,  Tragarth,  Salep,  Eibisch, 
Malvc,  Quittenkerne,  Semina  Psyllii,  Leinkuchen,  Kad.  Symphyti,  Medulla  Sassa- 
fras, Oortex  l'lmi  interior,  Carrageen  und  Agar-Agar),  die  Leimmittcl  (Gelatina, 
Hausenblase,   Hirschhorn;,   forner  verschiedene    vegetabilische    und  animalische 

f 

Digitized  by  Google 


430 


DEMULCENTIA.  —  DENATURIREN. 


Pulver  (Lycopodium,  Bismuthum  nitricum,  Zinkoxyd,  Bolus,  Talk),  ferner  das 
Wachs  und  die  wachsartigen  Stoffe  (Walrat ,  Paraffin).  Ausser  diesen  dienen  als 
Schutzmittel  verschiedene  Sorten  Stärkemehl  und  stärkemehlartige  Stoffe  (Dextrin, 
Alantwurzelj,  diverse  Zuekerarten  (Rohrzucker,  Milchzucker)  und  Sussstoffe  (Honig, 
Sussholz,  Succus  Liquiritiae,  Rhizoma  Polypodii,  Johannisbrod ,  Feigen,  Datteln, 
Jujuben ,  Passulae),  endlich  flüssige  und  feste  Fette  (Mandel-,  Mohn-,  Oliven-, 
Rüb-,  Lein-,  Cocos-  und  Lorbeeröl,  Muscatnussbutter,  Cacaobutter,  Schmalz,  Butter, 
Rindermark,  Lanolin,  Talg,  Paraffin,  Vaselin)  und  fetthaltige  Pflanzentheile  (Mandeln, 
Hanf-,  Mohn-  und  Leinsamen,  Pistacien,  Pinien  u.  a.).  Die  Fette  und  Wachsarten 
dienen  als  Demulcentien  seltener,  als  solche  wie  in  bestimmten  Arzneiformen,  die 
man  aus  ihnen  darstellt,  innerlich  namentlich  in  Form  der  Emulsionen  (6.  d.), 
äusserlich  in  Form  der  Salben,  Cerate  und  der  einfachen  Pflaster.  Auch  Glycerin 
und  das  daraus  bereitete  Unguentura  Glycerini,  Watte,  Wasserglas,  Collodium, 
Traumaticin  gehören  hierher.  Th.  Husemann. 

DGflclturir&n  nennt  man  das  Vermischen  der  hoch  besteuerten  oder  einem 
Monopolzwange  unterliegenden  Producte ,  z.  B.  Spiritus  und  Kochsalz,  mit  solchen 
Substanzen,  durch  welche  dieselben  als  Genussmittel  untauglich  gemacht  werden. 
Von  der  Steuer  (wo  ein  Monopol  besteht,  liegt  diese  in  dem  hohen  Verkaufs- 
preise) soll  nur  derjenige  Theil  der  genannten  Producte  getroffen  werden,  welcher 
direct  dem  Genüsse  dient,  nicht  aber  jener  Antheil ,  der  in  der  Landwirthschaft 
und  Industrie  zur  Verwendung  gelangt.  Der  Staat  hat  ein  Interesse  daran,  diese 
letzteren  nicht  zu  hoch  zu  belasten  und  befreit  darum  das  Salz  und  den  Alkohol, 
die  nicht  Genusszwecken  dienen,  von  der  Steuer ;  er  will  sich  aber  gleichzeitig  sicher- 
stellen, dass  nichts  von  dem  steuerfreien  Antheile  der  genannten  Stoffe  zu  Genuss- 
zwecken verwendet  wird  uud  er  so  eines  Theiles  seines  Einkommens  verlustig 
geht.  Diese  Sicherstellung  sucht  der  Staat  im  Denaturiren  von  Salz  und  Spiritus. 
An  die  Mittel ,  welche  zum  Denaturiren  dienen  sollen  ,  werden  vor  Allem  zwei 
Forderungen  gestellt:  sie  sollen  entweder  gar  nicht  oder  nur  in  schwieriger  und 
darum  nicht  lohnender  Weise  aus  dem  denaturirten  Product  entfernt  werden  können, 
und  zweitens  sollen  sie  der  technischen  oder  landwirthschaftlichen  Verwendung  des 
letzteren  keinerlei  Hinderniss  in  den  Weg  legen.  Es  ist  begreiflich,  dass  es  nicht 
leicht  ist,  diesen  Anforderungen  zu  genügen;  es  wird  auch  gegenwärtig,  nachdem 
die  Denaturirung  in  vielen  Staaten  eingeführt  ist,  fortwährend  nach  Verbesserungen 
des  Verfahrens  gesucht. 

Für  Salz  werden  in  Deutschland  als  Denaturirungsmittel  je  nach  der  Ver- 
wendung des  Salzes  benutzt : 

Eisenoxyd  (l/4 — 3  8  Proceut),  Wermutkrautpulver  (V4 — 1  Procent),  Holzkohlen- 
mehl ('  4  Procent);  Petroleum  Procent);  Carbolsüure  (I/4  Procent);  Kohlen- 
staub (2 — 12  Procent);  Russ  (*  2 — 1  Procent);  Seifenpulver  (1  Procent);  Kienöl 
(V4  Procent);  Thran  (l  2 — 5  Procent);  Mennige  (3  4 — 1  Procent);  calc.  Glauber- 
salz (2—5  Procent);  calc.  Soda  (4 — 5  Procent);  Schwefelsäure  (1 — 5  Procent); 
Salzsäure  (2—4  Procent);  Braunkohlenmehl  (2  Procent);  Braunstein  (1  —  5  Pro- 
cent); Anilin-Mutterlauge  (5  Procent) ;  Anilinfarbstoffe  (2 — 5  Procent);  Indigo- 
brühe, Fuchsin  oder  Jodlauge  (1 — l1  3  Procent);  Kupfervitriol  (10  Procent) : 
Kupferchlorid  oder  chromsaures  Kali  (5  Procent):  Pikrinsäure;  Kreosot  (\'4  Pro- 
cent); Holzessigsäure  (3/4  Procent);  kryst.  Soda  (10  Procent);  Lubricatingol 
(l/2  Procent);  Eisenvitriol  (4  Procent);  Fluorcalciura  (5  Procent);  Mergelasche 
(100  Procent);  Steinkohlenmehl  (2  Procent);  Alaun  (6 — 10  Procent);  Palm-  oder 
Cocos<"'»l  (5  Procent);  Smalte  (1  Procent);  Torfmehl  (2  Procent);  Braunkohlenöl 
oder  Thierol  (J  3  Procent);  Rückstände  aus  der  Schwefelsäurefabrikation  (3  Pro- 
cent); Schwefelkies  (3  Procent);  Klanenmehl  (5  Procent);  Kalkhydrat;  stinkendes 
Thieröl  (0.08  Procent);  Zinn-  oder  Bleiasche  (5  Procent);  Sand;  Pfannenstein  mit 
Braunkohle ;  Verdünnen  mit  Wasser. 

In  Oesterreich  wird  denaturirtes  Salz  billiger  abgegeben:  Zur  Lederfabri- 
kation und  Vorbereitung  der  rohen  Häute  (Denaturirung  mit  Soda  oder  mit  Alaun 

Digitized  by  Google 


DENATURIREN.  —  DENITH1REN. 


431 


(5  Procent),  zur  Fabrikation  von  Darmsaiten  (10  Procent  Natronaalpeter),  von 
Seifen,  Thonwaaren  und  Glas  (3  Procent  geglühte,  in  Wasser  geloste  Soda),  zur 
Holzconservirung  auf  Schiffswerften  (1  Procent  Zinkvitriol),  für  Erzeugung  von 
sonstigen  Producten,  deren  Menge  sieh  controliren  lässt,  dann  für  Papier-,  Cotton- 
und  Bleichfabriken  (l/a  Procent  Eisenvitriol  in  Wasser  gelöst  und  Kohlenstaub). 
Ausnahmsweise  wird  gestattet :  die  Denaturirung  mit  Glaubersalz  (30  Procent),  mit 
Holzessig  oder  Schwefelsäure  (genügend,  um  die  Salzmasse  ganz  zu  durchdringen). 

Spiritus.  Aus  dem  am  1.  Januar  1880  in  Kraft  getretenen  Regulativ  für 
das  Deutsche  Reich*)  sei  hervorgehoben: 

Steuerfreier  Branntwein  darf  zu  allen  gewerblichen  Zwecken,  ausgenommen  die 
Bereitung  von  Seife,  Parfümerien,  alkoholhaltigen  Fabrikaten,  welche  zum  mensch- 
lichen Genüsse  dienen  oder  dienen  können,  verwendet  werden.  Die  Denaturirung 
geschieht  gewöhnlich  mit  5  Procent  Holzgeist,  für  einzelne  Gewerbe  mit 
folgenden  ausserdem  zugelassenen  Mitteln:  zur  Herstellung  a)  der  Alkaloide  (mit 
5  Procent  Holzgeist  oder  ra  Procent  Terpentinöl  oder  0.025  Procent  Thieröl; 
b)  der  als  Arzneimittel  gebrauchten  Extractivstoffe  wie  Jalappenharz,  Scammonium 
(\a  Procent  Terpentinöl);  c)  des  Chloroforms,  Jodoforms,  Aethers  und  Chloral- 
hydrates  (0.025  Procent  Thieröl),  d)  des  Collodiums,  Hoffmannsgeistes ,  Tannins, 
der  Salicylsäure  und  salicylsaureu  Salze  (10  Procent  Schwefeläther) ,  des  Essigs 
(300  Procent  Wasser  und  100  Procent  Essig  von  6  Procent  Gehalt  an  Essigsaure). 

Der  zum  Denaturiren  verwendete  Holzgeist  soll  ein  spec.  Gew.  von  höchstens 
0.840  besitzen  (d.  h.  mit  einem  Alkoholometer  von  Tralles  bei  12*/9°  R.  mindestens 
88  Procent  anzeigen);  bis  60°  R.  erhitzt,  sollen  mindestens  90  Procent  davon  über- 
destilliren;  mit  dem  gleichen  Volum  Wasser  gemischt,  soll  er  klar  bleiben  oder 
höchstens  schwach  opalisiren ;  von  lOccni  soll  beim  Schütteln  mit  20  com  Natron- 
lauge von  1.3  spec.  Gew.  mindestens  1  ccm  ungelöst  bleiben;  lOccni  Holzgeist 
mit  20  ccm  Wasser  und  20  ccm  einer  Lösung  von  1  Th.  Brom  in  80  Th.  Essig- 
sflure von  50  Proc.  Gehalt  vermischt,  sollen  diese  Lösung  entfärben  (durch  die  An- 
wesenheit von  Allylalkohol  und  Holzölen  im  Holzgeist,  deren  Menge  aber  wegen 
ihrer  schädlichen  Wirkungen  nicht  mehr  als  das  anderthalbfache  der  vorgeschriebenen 
Mindestmenge  betragen  darf).  In  neuerer  Zeit  sind  Uber  die  Verwerthbarkeit 
eines  als  Abfallproduct  in  der  Theerindustrie  gewonneneu  Gemisches  von  Pyridin- 
basen  Versuche  mit  zufriedenstellendem  Resultate  angestellt  worden.**) 

In  Oesterreich  wird  steuerfreier  Spiritus  zugelassen  zur  Fabrikation  von 
Bleizucker  (Denaturirung  des  höchstens  öOgradigen  Branntweines  mit  80  g  Kampher 
oder  160g  thierischem  Theeröl  —  oder  bei  mindestens  80gradigem  Spiritus: 
mit  3  hl  Wasser,  1  hl  Essig  von  6  Procent  nebst  25  ccm  rohem  Thieröl  auf  je  1  hl 
Spiritus),  zur  Erzeugung  von  Schwefeläther  und  Chloroform  (25  ccm  rohes  Thieröl 
auf  1  hl  Spiritus  vou  mindestens  80°),  zur  Herstellung  von  Knallquecksilber  (Spiritus 
von  mindestens  88°  mit  5  Procent  Holzgeist  von  den  im  Deutschen  Reiche  vor- 
geschriebenen Eigenschaften).  J.  Mauthner. 

Dengue  ist  eine  fieberhafte  Infectionskrankheit ,  welche  namentlich  im  tropi- 
schen Amerika  verbreitet,  in  neuerer  Zeit  auch  in  Ostindien  uud  Aegypten,  bisher 
nicht  in  Europa  aufgetreten  ist. 

Denltriren.  Mit  Denitriren  bezeichnet  man  im  Allgemeinen  eine  Befreiung 
oder  Reinigung  gewisser  Producte  von  Salpetersäure,  salpetriger  Säure  und  niedrigeren 
Oxydationsstufen  des  Stickstoffs.  Im  engeren  Sinne  bezeichnet  es  einen  bei  der 
Schwefelsäurefabrikation  regelrecht  sich  abspielenden  Process:  die  Befreiung  der 
neugebildeten  Schwefelsäure  von  Salpetersäure-  und  Salpetrigsäuredämpfen.  Dieses 
geschieht  durch  einen  Kühlapparat,  in  welchem  die  Temperatur  der  Dämpfe  durch 
kaltes  Wasser  erniedrigt  wird  und  dann  in  den  unteren  Theil  des  Apparates,  den 


*)  Sowie  ans  dem  Bundesrat hsbeschluss  vom  7.  Juli  1S81. 
**)  Chem.  Zeit.  1885,  pag.  911. 

Digitized  by  Google 


432  DENITRIREN.  —  DENTITION. 

sogenannten  Denitrificateur,  einen  von  Gay  Lcssac  in  die  Technik  eingeführten 
Apparat,  gelangt.  Derselbe  besteht  aus  Bleiplatten;  über  der  unteren  leeren  Ab- 
theilung befindet  sich  ein  mit  Blei  überzogener  Eisenrost,  auf  welchem  sich  die 
Cokessäule  erhebt,  über  welche  von  oben  herab  die  durch  eine  Brause  zerstäubte, 
mit  salpetriger  Saure  beladene  Schwefelsäure  hinabrieselt,  während  von  unten  durch 
den  Rost  Dämpfe  einströmen.  Bei  der  in  der  Cokessäule  eintretenden  Wechsel- 
wirkung von  Flüssigkeiten  und  Dämpfen  gibt  erstere  alle  salpetrige  Säure  an  die 
Dämpfe  ab,  welche  in  die  Bleikammer  entweichen  und  dort  von  Neuem  oxydirend 
wirken.  Ganswind  t. 

Denmark,  volksth.  Bez.  für  Radix  Valeri  anae  mmoris. 

Dennler's  Eisenbitter,  s.  Bd.  i,  Pag.  264. 

Dens  Cani8  ist  der  von  Tournefort  aufgestellte,  mit  Erythronium  L. 
synonyme  Gattungsname  einer  Liliacee  aus  der  Gruppe  Ttdipoideae. 

Die  Zwiebel  von  Erythronium  Dens  canis  L.y  einer  im  mittleren  und  südlichen 
Enropa  vereinzelt  vorkommenden  Art,  dient  in  Sibirien  als  Nahrungsmittel,  angeb- 
lich auch  („Kardyk")  zu  Heilzwecken.  Sie  ist  länglich  eiförmig,  zugespitzt,  am 
Querschnitte  fast  stielrund  und  enthält  nach  Dragexdorff  51.2  Procent  Stärke, 
14.3  Procent  Zucker,  12.3  Procent  Gummi  und  Dextrin,  1.0  Harz,  aber  keine 
eigenartigen  Stoffe. 

Dentaria,  Gattung  der  Cruciferae,  Cnterfam.  Arabideae.  Kräuter  mit  kriechen- 
dem, fleischigem,  beschupptem  Wurzelstock,  im  Blüthenbau  mit  Cardamine  überein- 
stimmend, von  ihr  wesentlich  nur  durch  die  am  Rande  eingebogenen  Cotyledonen 
verschieden. 

Von  Dentaria  bulb  i  f er  a  L.,  einer  durch  zwiebelähnliche  Brutknospen 
in  den  Blattachseln  ausgezeichneten  Art,  wurde  das  Rhizom  als  Radix  Dentariae 
minoris  s.  Antidysentericae  arzneilich  verwendet. 

Radix  Dentariae  ist  auch  ein  Synonym  von  Pyrethrum. 

Rad  ix  Dentariae  major  is  hiess  das  jetzt  obsolete  Rhizom  von  Lathraea 
Squamaria  L. 

Dentin.  Zahnbein,  Elfenbein,  Ebur,  ist  die  eigentliche  Zahnsubstanz, 
durchzogen  von  den  Zahncanalchen,  welche  sämmtlich  in  die  Zahnhöhle  münden. 
An  dem  oberen ,  freien  Theile  des  Zahnes  ist  das  Dentin  in  der  Regel  von 
„Schmelz"  überzogen,  an  dem  Wurzeltheile  von  „Cement". 

Dentine  ist  der  Name  einer  ganzen  Anzahl  Zahntincturen,  Zahnwässer,  auch 
Tropfen  gegen  Zahnschmerz  verschiedenster  Zusammensetzung. 

Dentition,  Zah  n  e  n.  Schon  im  dritten  Monate  des  embrvonalen  Lebens  be- 
ginnt beim  Menschen  die  Anlage  der  Zähne.  Im  knöchernen  Kiefer  des  Neuge- 
borenen findet  man  die  Kronen  der  Milchzähne  schon  mit  Schmelz  versehen :  auch 
die  Keime  der  bleibenden  Zähne  sind  in  demselben  schon  vorgebildet.  Der  Durch- 
bruch der  Zähne  durch  das  Zahnfleisch,  das  eigentliche  Zahnen  nimmt  durch- 
schnittlich die  Zeit  vom  7.  bis  24.  Leben sraonatc  in  Anspruch.  Zuerst  erscheinen 
die  mittleren  unteren  Schneidezähne  (3. — 10.  Monat,  Mittel  7.  Monat),  daun  die 
mittleren  oberen  (!>. — 16.  Monat),  die  äusseren  oberen  (10. — HJ.  Monat),  die 
äußeren  unteren  (13. — 17.  Monat);  dann  folgen  nicht  die  Eckzähne,  sondern 
früher  als  diese  die  vorderen  Backenzähne  (16. — 21.  Monat; .  die  Eckzahne 
(16.— 25.  Monat),  die  hinteren  Backenzähne  (23.-36.  Monat,  Mittel  24.  bis 
30.  Monat).  Die  Reihenfolge  ergibt  sich  am  übersichtlichsten  aus  folgendem  Schema. 


V.)  n  I*  r>  3_ 
US)  Vi  15  7  1 


4  6  14  _9  17 
2    8    16  10  18 


in  welchem  die  Ziffern  die  Stellung  der  Zähne  in  den  Kiefern  bedeuten.  Im 
Einzelnen  kommen  jedoch  erhebliche  Verschiedenheiten  auch  unter  normalen  Vcr- 


Digitized  by  Google 


DENTITION.  —  DEPILATOKIA. 


bflltnissen  vor.  Rhachitis  lind  Syphilis  verspaten  den  Durchbruch  der  Milchzähne. 
Nach  der  ersten  Zahnung  hat  das  Rind  20  (Milch-)  Zähne.  Im  7.  Jahre  beginnt 
«las  /.weite  Zahnen.  Zunächst  brechen  die  ersten  (bleibenden)  Stock-  oder  Mahl- 
zähne in  beiden  Kiefern  hervor.  Dann  beginnt  der  Zahn  Wechsel ;  in  derselben 
Ordnung,  in  welcher  die  Milchzähne  durchgebrochen  waren,  fallen  sie  aus  und 
bleibende  Zähne  treten  an  ihre  Stelle.  Nach  vollendetem  Zahnwechsel  wachsen  die 
zweiten  Mahlzähne  in  beiden  Riefern.  Die  letzten  Mahlzähne ,  die  sogenannten 
Weisheitszähne,  durch  welche  die  Zahl  der  bleibenden  Zähne  auf  32  gebracht  wird, 
folgen  erst  im  18.  bis  25.  Lebensjahre  oder  noch  später. 

DeodOroleYü,  Synonym  für  Vaselin. 

Dephlegmator,  ein  Apparat  zur  fractionirten  Destillation,  der  zwischen 
Destillirblase  und  Kühlapparat  eingeschaltet  aus  Gemischen  verschiedener  Dämpfe 
die  schwerer  flüchtigen  condensirt  und  in  die  Blase  zurückfliessen  lässt.  Nur  die 
leichter  fluchtigen  gelangen  in  den  Kühlapparat  und  werden  dort  condensirt.  Das 
in  der  Blase  verbleibende  wird  Phlegma  oder  Lutter  genannt.  Inder  Spiritus- 
rectification,  Petroleumdestillation  und  Rectification  der  Steinkohlentheeröle  (Benzol 
n.  b.  w.)  finden  unter  dem  Namen  Colonnenapparat  oder  Säule  viele  ver- 
schieden construirtc  Dephlegmatoren  Anwendung. 

Auch  für  chemische  Laboratoriumszwecke  sind  verschiedene  Dephlegmatoren 
cfnstruirt  worden  und  in  Gebranch.  Diese  werden  auf  eine  Rochflasche,  als 
Destillirblase,  aufgesetzt  und  tragen  am  oberen  Ende  ein  Thermometer  sowie  seit- 
lich ein  Abflussrohr.  Die  am  häufigsten  benutzten  Vorrichtungen  bestehen  in 
einer  Füllung  des  Dephlegmators ,  einer  entsprechend  langen,  angemessen  weiten 
Glasröhre,  mit  Glasperlen  (Hempel)  oder  darin,  dass  in  jenem  Rohr  in  Zwischen- 
räumen mit  oder  ohne  Erweiterung  des  Rohres,  kleine  Körbchen  von  Platin- 
drahtnetz angebracht  sind  (Brown,  Belohoubeck,  Linnemann').  Die  ersten 
Theile  der  Dampfe  condensiren  sich  in  jeueui  Apparat  und  verschliesscn  die 
Zwischenräume  zwischen  den  Glasperlen,  beziehentlich  im  Drahtnetz;  wenn 
nun  weiterhin  ein  Dampfgemisch  durch  jene  Flüssigkeitsschichten  hindurch  dringt, 
wird  der  schwerer  flüchtige  Antheil  desselben  condensirt ,  währeud  der  leichter 
flüchtige  weiter  geht.  Zu  gleichen  Zwecken ,  allerdings  weniger  wirksam ,  sind 
auch  sich  mehrfach  bauchig  erweiternde  Glasröhren  (Fractiousaufsätze)  in  Ver- 
wendung. Hier  bewirkt  die  äussere  Luft  die  Kühlung  und  die  in  den  kugeligen 
Erweiterungen  condensirte  Flüssigkeit  fliesst  durch  ein  seitlich  angebrachtes  Knie- 
rohr nach  der  nächst  unteren  Kugel  zurück.  —  S.  auch  Destilliren  und 
Fraetioniren,  und  Fig.  72,  pag.  448.  Schneider. 

DepilatOria  (pilus,  das  Haar),  Enthaarungsmittel,  sind  entweder  mechanisch 
oder  chemisch  wirkende  Mittel.  Bei  der  Application  der  ersteren,  das  sind  stark 
klebende  Pechpflaster  (s.  a.  P  s  i  1  o  t  h  r  o  n)  werden  die  zu  entfernenden  Haare  ausge- 
rissen, eine  barbarische  und  schmerzhafte  Procedur.  Die  chemisch  wirkenden 
Depilatorien  sind  Aetzkalk  und  Aetzalkalicn,  besonders  aber  die  Sulfide  und  Sulf- 
hydrate  derselben,  ferner  Auripigment  (dreifach  Schwefelarseu)  mit  Aetzkalk.  Diese 
Verbindungen  —  auch  bei  der  Anwendung  von  Auripigment  mit  Aetzkalk  entsteht 
Sehwefelcalcium  —  erweichen  die  Hornsubstanz,  also  auch  die  Haare  so  sehr,  dass 
diese  mit  eiuem  Falzbein,  Hornlöffel  oder  Messerrücken  von  der  Haut  abgelöst 
werden  können. 

Die  Depilatorien  werden  als  Cosmetica  zur  Entfernung  von  Haaren,  welche  au 
gewöhnlich  unbehaarten  Stellen  vorkommen ,  verwendet ;  nur  das  Rhusma  findet 
bei  Orientalen  und  bei  orthodoxen  Juden  auch  zur  Entfernung  der  Kopf-  und 
Barthaare  Anwendung.  Alle  reizen  die  Haut  und  dürfen  deshalb  nicht  zu  lange 
auf  derselben  belassen  werden ;  nach  dem  Abwaschen  des  Mittels  ist  auf  die 
gewöhnlich  geröthete  und  etwas  empfindliche  Haut  Fett ,  Cold-cream  oder  Puder 
aufzutragen.    Das  Auripigment  kann  auch ,   zumal  wenn  es  kein  natürliches  ist, 

Baal-Encyclopidie  der       Phannade.  III.  28  Djgitize<J  by  Googk 


434 


DEPILATORIA.  —  DEP03ITION. 


sondern  aus  chemischen  Fabriken  bezogen  wird,  durch  den  Gehalt  an  arseniger 
Säure  schädlich  wirken. 

In  neuester  Zeit  benützt  man  den  elektrischen  Strom  zum  Depiliren. 


Depilatoria,  Enthaarungsmittel.  Das  am  längsten  bekannte  und  im  Orient 
auch  jetzt  noch  fast  ausschliesslich  angewendete  Depilatorium,  Rhusma  Turcarum, 
ist  eine  Mischung  aus  1  Tli.  Auripigment  (gelbes  Schwefelarsen)  und  5  Th.  Atter 
kalkpulver  mit  heissem  Wasser  zu  einem  Brei  augerührt;  dieser  wird  auf  die 
mit  Haaren  besetzten  Stellen  der  Haut  messerrückendick  aufgetragen  und  sobald 
die  Schicht  zu  trocknen  beginnt,  mit  einem  Holzspahn  wieder  entfernt.  —  Auri- 
pigment  ist  ferner  Bestandtheil  des  Oepilatorium  DelcrolX  (4  Th.  Auripigment, 
30  Th.  Calcaria  usta  und  60  Th.  Gummi  arabicum),  des  Depilatorium  Plenck 
(5  Th.  Auripigment,  50  Th.  Calcaria  usta  und  30  Th.  Amylum  Tritici)  und 
des  Rhusma  Bühligen  (3  Th.  Auripigment  und  15  Th.  Calcaria  usta) ,  die 
sämmtlich  in  der  oben  angegebenen  Weise  zur  Anwendung  gelangen. 

R.  Boettger  war  der  Erste,  der  auf  die  depilatorische  Wirkung  der  Schwefel- 
alkalien aufmerksam  machte;  das  Depilatorium  Boettger  wird  in  der  Weise 
bereitet  ,  dass  mau  aus  Aetzkalk  uud  Wasser  einen  dünnen  Brei  macht  und  in 
diesen  so  lange  Schwefelwasserstoff  einleitet,  bis  die  Masse  völlig  damit  gesättigt 


und  Conchae  praeparatae  30  Th.  —  Depilatorium  Boudet  ist  eine  Mischung 
von  3  Th.  Natrium  sulfhydratum,  10  Th.  Calcaria  usta  und  10  Th.  Amylum. 

—  Das  Mexicanieche  und  das  Orientalische  Enthaarungsmittel,  zwei  Berliner 

Specialitäten,  stellen  eiuen  Brei  dar,  aus  Schwefel kalium  und  Wasser  bestehend. 

—  Poudre  depilatoire  von  Brüning  ist  gepulvertes  Schwefelkalium,  mit  etwas 
Moschus  versetzt,  welches  beim  Gebrauch  mit  Wasser  zu  einem  Brei  anzurühren 
ist.  —  Auch  Schwefelhary  um  gibt  ein  gutes  Depilatorium,  z.  B.  1  Th.  Schwefel- 
bar y um,  1  Th.  Aetzkalk  und  2  Th.  Amylum.  —  Alle  die  vorstehend  genannten 
trockenen  Mischungen  werden  beim  Gebrauch  mit  Wasser  zu  einer  weichen  Paste 
angerührt  und  wie  oben  angegeben  verwendet. 

Endlich  sollen  sich  auch  durch  folgende  Salbe  die  Haare  schmerzlos  entfernen 
lasseu :  4  Th.  Natrium  carbon.,  2  Th.  Calcaria  usta,  5  Th.  Carbo  Ligni,  5  Tb. 
Glycerin  und  30  Th.  Adeps.  G.  Hofmann. 

Deplaciren.  Wörtlich:  Verdrängen.  Bei  der  Deplaeirungsmethode  handelt  es 
sich  um  ein  Verdrängen  einer  mehr  oder  minder  gesättigten  Lösung  durch  eine 
minder  gesättigte  oder  ungesättigte.  So  ist  z.  B.  das  Auswaschen  von  Nieder- 
schlägen, das  Entfernen  der  Mutterlauge  von  den  Kry  stallen  eine  Deplacirung. 
Die  Deplaeirungsmethode  wird  ferner  überall  da  angewendet,  wo  es  sich  um  Ex- 
traction  eiues  Körpers  durch  irgend  ein  Lösungsmittel  handelt.  Das  eigentlich 
Charakteristische  für  die  Deplaciruug  ist  die  Schichtung  des  zu  erschöpfenden 
Materials  in  mehr  oder  minder  hohe  cylindrische ,  nach  unten  sich  verjüngende 
Formen ,  das  unveränderte  Liegenbleiben  dieses  Materials  bis  nach  beendigter 
Operation  und  das  Aufgiessen  der  deplacirenden  (percolirenden  oder  extrahirenden) 
Flüssigkeit  (Wasser,  Alkohol .  Aether ,  Benzol ,  fettes  Oel  und  dergl.)  auf  den  zu 
erschöpfenden  Körper.  Die  Flüssigkeit  durchdringt  den  zu  erschöpfenden  Körper, 
löst  das  in  ihm  Lösliche  und  kommt  ziemlich  concentrirt  unten  an.  Die  Deplacirung 
wird  durch  Aufgiessen  neuer  Meugen  Flüssigkeit  und  Ablassen  der  concentrirten 
bewirkt.  Sie  ist  mithin  eine  Methode  der  Extraction.  Für  die  Zwecke  der  Deplacirung 
sind  verschiedene  Apparate  construirt  worden,  von  denen  der  ROBlQUEi'sche  Ver- 
drängungsapparat der  bekannteste  ist.  Ueber  diese  Apparate  vergl.  Verdrän- 
gungsapparate. Ganswindt. 

DepOSition  (deponere,  ablegen),  s.  Ablagerung  (Bd.  I,  pag.  24). 


Paschkig. 


Th.  Hngemann. 


Digitized  by  Google 


DERBY  CONDITION  POWDER.  -  DERMATODECTE3.  435 

Derby  CoilditiOn  POWder,  ein  amerikanisches  Fabrikat,  ist  ein  ,, Universal- 
heilmittelu  bei  Krankheiten  der  Pferde  etc.  and  besteht  (nach  Schädler)  ans 
circa  40  Tb.  Foenum  graecum,  je  20  Th.  Wachholderbeeren  und  Antimonium  crudum, 
je  10  Th.  8chwefel  und  Salpeter,  und  2  Th.  Brechweinstein. 

Derivate.  Das  Wort  entstammt  dem  lateinischen  derivare  =  ableiten,  und 
man  bezeichnet  in  der  Chemie  als  Derivate  solche  Verbindungen ,  die  von  einer 
als  Prototyp  aufgestellten  sich  ungezwungen  ableiten  lassen.  So  spricht  man  von 
den  Derivaten  der  Alkohole  und  elassilicirt  als  solche  eine  ganze  Reibe  von  Ver- 
bindungen, denen  allen  aber  das  für  die  Alkohole  besonders  charakteristische 
Alkoholradical  gemeinsam  ist:  Einige  Derivate  des  gewöhnlichen  Aethylalkohols 
mögen  das  Gesagte  veranschaulichen : 

H>U       CSH0>U          Ha>N       C2H30>U  H>ö 

Aethylalkohol     Aether        Aethylamin      Essigsäure-  Aethylsulf- 

äthylester  hydrat 

u.  s.  w.  Alle  diese  Derivate  des  Aethylalkohols  enthalten  das  Radical  C2H6 
desselben. 

Analog  lassen  sich  u.  A.  auch  von  den  organischen  Sauren  sehr  viele  Derivate 
ableiten,  so  z.  B.  von  der  Essigsäure: 

CsHSH>°  C,h!o>°  °hS°>S  C8H30.C1  etc. 

Essigsäure    Essigsäureanhydrid      Sulfoessigsäure  Acetylchlorid 

Wie  der  erste  Blick  zeigt,  ist  auch  in  allen  diesen  Derivaten  das  gemeinsame 
Radical  Cä  H3  0  enthalten. 

Ausser  den  vorerwähnten  Derivaten ,  welche  intact  das  Alkohol-,  resp.  das 
Säureradical  enthalten ,  kennt  man  jedoch  auch  noch  solche  Derivate ,  bei  denen 
in  diesen  Radicalen  eine  Substitution  stattgefunden  hat,  indem  ein,  zwei  oder  mehr 
Atome  Wasserstoff  ersetzt  sind  durch  ein  ,  zwei  oder  mehr  Halogenatome  oder 
durch  ein,  zwei  oder  mehr  ein  werthige  Radicalgruppen.  Man  bezeichnet  diese 
Derivate  als  Substitutionsderivate  uud  erhält  als  solche  beispielsweise  von  der 


Monochloressigsäure    Dichloressigsäure    Trichloressigsäure  Cyanessigsäure. 

Jehn. 

Derivation,  Derivantia,  Derivativ a,  derivative  Methode  (Me- 
tkodus  derivahva) ,  von  derivare,  ableiten  (rivus ,  Bach),  s.  Ableitung 
(Bd.  I,  pajr.  25).  Th.  Husemann. 

Dermasot,  ein  Mittel  gegen  Fussschweiss,  ist  eine  etwa  8procentige  Lösung 
von  essigsaurer  Thonerde  in  Wasser,  mit  einigen  Tropfen  E*3igather  versetzt  uud 
mit  Kosanilin  schwach  roth  gefärbt. 

Dermatica  (&paa,  Haut),  Hautmittel,  Bezeichnung  für  die  auf  die  Haut- 
thätigkeit  und  besonders  auf  deren  hauptsächlichste  Function,  die  Schweisssecretion, 
vennehrend  oder  herabsetzend  wirkende  Mittel.  Andere  wenden  den  Ausdruck  auch 
auf  alle  bei  Hautkrankheiten  verwendeten  Medicamente  an.       Th.  Husemann. 

Dermatine  wird  ein  neues  Isolirmaterial  genannt,  welches  Kautschuk  und 
Guttapercha  zu  ersetzen  bestimmt  ist.  Ueber  die  Art  der  Herstellung  desselben 
ist  znr  Zeit  etwas  Näheres  nicht  bekannt. 

DermatodecteS,  zur  Ordnung  der  Acarina  (Milben)  gehörige  Spinne nthiere, 
welche  auf  der  Haut  leben,  kahle  Stellen  uud  Borken  verursachen,  ohne  Gänge 
zn  bohren.  Dermatodectes  eqtri  Gerlach  wird  bis  1  3  mm  laug,  lebt  auf  Pferden, 
I  i  Indern,  Schafen. 

28* 

Digitized  by  Google 


436 


DERMATOGKN.  —  DESHYDRATION. 


Dermatosen  (U^x  Haut,  yvtxta  erzeuge),  ist  derjenige  Theil  des  Meristems 
am  Stammscheitel  angiogpermischer  Phanerogamen  aus  dem  die  Epidermis  hervor- 
geht. Er  bildet  eine  oberflächliche  Zellreihe,  deren  Zellen  sich  nur  durch  Scheide- 
wände rechtwinklig  zur  Oberfläche  theilen,  also  als  einfache  Zellreihe  verbleiben. 
Man  braucht  den  Ausdruck  im  Gegensatze  zuPeriblem  und  Plerom  (s.d.). 

Tschirch. 

DermatOmyCOSen  heissen  jene  Hautausschläge,  deren  Entstehung  auf  die 
Ansiedelung  pflanzlicher  Parasiten  zurückgeführt  wird,  z.  B.  Herpes  tonsurans, 
Favus. 

DermatOZOeil  (oe-ax,  Haut  und  *öov,  Thier)  können  nur  die  ausschliesslich 
oder  doch  zeitweise  in  der  menschlichen  Haut  selbst  wohnenden  Parasiten  bezeichnet 
werden ;  die  blos  an  Haaren  oder  an  Kleidern  haftenden  sind  E  p  i  z  o  e"  n. 

Zu  den  Dermatozoen  gehören:  Acorus  folliculorum  (Haarsaekmilbe) ;  Sar- 
copfes  scabiei  (Krätzmilbe) ;  Cysticercus  Cellulosae  (Finne) ;  Filaria  medinensis 
(Medinawurm);  Ixodes  Ricinus  (Zecke);  Leptus  autumnalis  (Herbst-Grasmilbe); 
Palt>x  pcrietrans  (Sandfloh). 

OermenchysiS  (&p|Mt,  Haut  und  fryy&o,  eingiessen),  von  Rezek  vorgeschla- 
gener  Nanie   für    Subcutaninjection*  Th.  Husemann. 

DermerethistiCa  (&pox,  Haut,  scsft&o,  reizen),  hautreizende  Mittel,  Ab 
tneilung  der  Acria  (Bd.  I,  pag.  116\  wozu  ausser  den  Acria  epispastira  noch 
verschiedene  bei  chronischen  Hautkrankheiten  örtlich  angewendete ,  gelinder 
wirkende  Reizmittel  aus  den  Abtheilungen  der  ätherischen  Oele,  Harze  und 
Balsame,  Chrysarobin  und  diverse  empyreuinatische  Producte  (verschiedene  Theer- 
arten,  Naphthol,  Pyrogallol  u.  A.)  gehören.  T^h.  Husemann. 

Dermoid,  s.  Baig,  Bd.  n,  Pag.  122. 

Dermophylla,  eine  Cucurbitaceen-Gattnng.  —  Dermophylla  pend  uli  nn 
Munso  (Bryonia  fieifolia  Law. ,  JB.  Toyuya  Vell.,  Trianosperma  ßcifolia 
Hart.)  ist  ein  brasilianischer  Strauch,  dessen  fleischige  Wurzel  neben  Stärke  ein 
bitteres  Harz  enthält.  Sie  dient  in  der  Heimat  zu  Heilzwecken ,  besonders  als 
Purgans. 

Derosnes  Salz  war  lange  Zeit  hiudurch,  am  Anfaugc  dieses  Jahrhunderts, 

die  Bezeichnung  des  1803  vom  Derosxe  dargestellten  Narcotins,  dessen  basische 
Natur  und  Verschiedenartigkeit  vom  Morphium  erst  14  Jahre  später  erkannt 
wurden.  Durchschnittlich  wurde  es  als  mckonsaures  Morphium  betrachtet  und  da- 
her denn  auch  der  Name  Dekosne's  Salz;  vergl.  auch  Narcotin. 

G  a  n  g  w  i  n  it  t. 

Desaga's  Keuchhustensyrup  ist  (nach  Hager)  nichts  weiter  als  ein  mit 
Rosanilin  gefärbter,  etwas  Alkalicarbonat  enthaltender  Zuckersyrnp. 

Desault's  Unguentum  ophthalmicum.  ,  Pommade  de  Desault,  ist  (nach 

Dokvault)  eine  Mischung  von  je  1  g  Hydrargyrum  oxydatum ,  Zincum  tur»/- 
datum,  Plumbum  aceticum,  Alutnen  ustum,  0.15  g  Hydrargyrum  bichloratum 
corros.  mit  8  g  Unguentum  rosatum  rubrum. 

DeshydrattOn.  Wörtlich:  Entwässerung.  Man  bezieht  diesen  Ausdruck  ge- 
meinhin nur  auf  Weingeist ,  welchen  man  von  dem  mit  grosser  Zähigkeit  festge- 
haltenen, keineswegs  chemisch  gebundenen  Wasser  befreien  will.  Der  höchste  von 
den  Spritfabriken  in  den  Handel  gebrachte  Weingeist,  der  Spiritus  rectißentissimus 
der  Pharmacopöen,  enthält  9<>  Procent  Aethylalkohol  und  4  Procent  Wasser.  Durch 
Deshydration  kann  man  noch  21,3 — 3  Procent  Wasser  entfernen  und  erhält  da- 
durch den  Alcohol  ahsohttus  von  i>8.5 — 1)9  Procent  Aethylalkohol.  Dieses  letzte 
Procent  Wasser  hat  man  dem  Aethylalkohol  auf  keine  bis  jetzt  bekannte  Weise 


Digitized  by  Google 


DESHYDRATIOK.  —  DESINFECTION. 


437 


entziehen  können.  Zur  Dehydration  bedient  man  sich  des  sogenannten  Colonnen- 
Apparates,  einer  kugelförmigen  Destillirblase  mit  Dampfmantel  und  hohem  cylin- 
drischem  Rohr  an  Stelle  des  Helms;  dieses  Rohr  (die  Colonne)  besitzt  eine  grosse 
Anzahl  von  Etagen,  welche  circa  15  cm  von  einander  abstehen  und  mit  frisch 
geschmolzenem  Chlorcalcium  beschickt  sind,  Aber  welches  der  Dampf  zickzackförmig 
streichen  muss,  ehe  er  in  den  Kühler  gelangt.  Ganswindt. 

Desfiydrogenation.  Ein  chemischer  Process,  bei  dem  von  einem  Körper 
oder  einer  Verbindung  durch  Einwirkung  von  Oxydationsmitteln  oder  von  Halogenen 
Wasserstonatome  abgespalten  werden ,  ein  Process ,  den  man  gemeinhin  mit 
Oxydation  bezeichnet,  was  jedoch  thatsächlich  falsch  ist.  Als  Oxydation  kann  man 
nur  denjenigen  Process  anerkennen,  bei  welchem  der  dem  Oxydationsmittel  unter- 
worfene Körper  Sauerstoff  aufnimmt,  wo  also  dem  ursprünglichen  Körper 
ein  oder  mehrere  Sauerstoffmoleküle  binzuaddirt  werden.  In  allen  den  Fällen 
aber,  wo  der  behandelte  Körper  keinen  Sauerstoff  aufnimmt,  vielmehr  aus  dem 
bisherigen  Verbände  Wasserstoff- Atome  abgespalten  werden,  kann  von 
Oxydation  doch  füglich  keine  Rede  sein.  Erklären  lässt  sich  die  Bezeichnung 
„Oxydation"  nur  so,  dass  man  sagt,  die  Abspaltung  von  Wasserstoff-Atomen  habe 
stattgefunden  durch  Einwirkung  oxydirender  Substanzen.  Nun  ist 
aber  bekannt,  dass  wir  in  vielen  Fällen  das  gleiche  Resultat  erzielen  durch  Be- 
handeln mit  Chlor.  Man  sagt  daher  wohl  auch  „das  Chlor  wirke  oxydireud",  was 
doch  thatsächlich  nicht  der  Fall  ist.  Wir  erhalten  nur  durch  Einwirkung  von 
Chlor  in  vielen  Fällen  das  gleiche  Resultat ,  wie  durch  Einwirkung  oxydirender 
Agenden;  aber  die  Bezeichnung  Oxydation  ist  hier  doppelt  unzulässig,  weil  hier 
eine  Abscheidung  von  Wasserstoffmoleküleu  erfolgt ,  welche  keineswegs  durch  Ein- 
wirkung von  Sauerstoff  und  Bildung  von  Wasser  bedingt  ist.  Die  einzig  richtige 
Bezeichnung  für  diesen  Process  der  Abspaltung  von  Wasserstoff  ist  jedenfalls 
Deshydrogenation,  wie  wir  nach  geuau  denselben  Principien  doch  auch  von 
Desoxydation  sprechen. 

Am  schönsten  lässt  sich  der  Unterschied  dieser  beiden  verschiedenen  Pro- 
oesse  erkennen  bei  dem  Uebergange  der  bekannteu  Alkohole  der  Fettreibe  von 
der  Formel  CnH3n  +  1  .OH  in  die  entsprechenden  Säuren.  Dieser  Process  wird 
gemeinhin  als  Oxydationsprocess  bezeichnet,  bei  dem  im  ersten  Stadium  der  Oxy- 
dation ein  intermediäres  Produet:  Aldehyd,  entsteht,  während  sich  bei  fortgesetzter 
Oxydation  die  correspondirende  Säure  bildet.  Thatsächlich  verhält  sich  die  Sache 
aber  so,  dass  die  Aldehydgruppe  sich  bildet  aus  dem  Alkohol  durch  Deshydro- 
genation; dagegen  bildet  sich  die  Säure  aus  dem  Aldehyd  durch  Oxydation. 
Z.  B.  Aethyl-Alkohol  =  Ca  Hö  OH  =  C2  H„  0. 

Aethylaldehyd  (Acetaldehyd)  =  C  H„  0  —  2  H  =  Cs  H4  0  =  CH3  .  COH. 

Aethylsäure  (Essigsäure)  =  C2  H,  02  =  C2  H,  0  -4-  0  =  CHS  .  COOH. 

Ganswindt. 

Designolles  Pulver,  s.  Pikrinsäure. 

DesinfeCtiOn,  DesinfeCtiOnSmittel.  Der  jetzt  so  vielgebrauchte  Auadruck 
„Desinfection"  tritt  zunächst  gegen  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  bei  einigen 
englischen  Schriftstellern  mehr  nebensächlich  in  der  Zusammensetzung  „Disinfectants" 
(■=  Desinfectionsmittel),  als  Buchtitel  im  Jahre  1801  in  Guyton  Morveau's 
Werk  „Desinfection  de  l'air"  (Paris)  auf.  In  begrifflicher  Beziehung  stellt  sich 
das  „Desinficiren"  selbstverständlich  dem  „Inficiren"  gegenüber,  ohne  jedoch  dem 
Sprachgebrauche  nach  das  präcise  Gegentheil  des  letzteren  vollgiltig  auszudrücken. 
Vielmehr  steht  das  „.Inficireh"  zunächst  noch  immer  in  einer  schwer  löslichen 
Verbindung  zum  Begriffe  der  Vergiftung,  uicht  weniger  bezieht  es  sich,  wenn 
man  das  Wort  mit  „Anstecken"  übersetzen  will,  gleichzeitig  auf  die  Verbreitungs- 
art der  in  Frage  kommenden  Krankheiten.  Jedenfalls  bezweckt  die  Desinfection, 
Anstecknngsstoffe  —  sie  mögen  in  ihrer  Gestalt  bereits  erkannt  oder  hypothetisch 


Digitized  by  Google 


418 


DES1NFF.CTI0N. 


a  d genommen  sein  —  an  ihrer  Uebertragung  auf  empfängliche,  gesunde  Menschen 
zu  bindern,  die  gefährlichen  Stoffe  zu  zerstören,  resp.  bis  zur  Unschädlichkeit  zu 
verändern,  endlich  auch ,  sie  an  solche  Orte  zu  schaffen ,  wo  sie  Ansteckungen 
nicht  mehr  hervorzubringen  im  Stande  sind. 

Es  liegt  durchaus  in  der  Entwicklung  dieser  unter  sich  verschiedenen  Auf- 
gaben, dass   die  verschiedenen  praktisch  interessirten  Kreise  sich  nicht  gleich- 
roässig  mit  den  Mitteln  beschäftigt  haben,  welche  dem  einen  oder  dem  anderen 
Ziele  dienen.  Die  verschiedenen  Methoden  der  Reinhaltung  des  Bodens  (Beseitigung 
der  Fflcalien),  der  Zerstörung  durch  Feuer,  der  Anwendung  der  trockenen  oder 
feuchten  Hitze  zu  Desinfectionszwecken  —  sie  werden  als  ferner  liegende  anzusehen 
sein,  wo  es  sich  —  wie  hier  —  in  erster  Reihe  darum  handelt,  einen  Ueberbliek  der- 
jenigen Desinfectionsaufgaben  zu  geben,  welche  mittelst  chemischer  Agenden  zu 
erreichen  sind.  Bei  diesem  Bestreben  ist  es  nicht  zu  umgehen,  Stellung  zu  jenen 
Mitteln  zu  nehmen,  welche  man  in  früheren  Perioden  der  Forschung  als  geruchs- 
verändernde Desinfectionsmittel  oder  als  antimiasmatische  Mittel  bezeichnet  hat, 
welche  dagegen  zur  Zeit  vielfach  als  „Desodorantie  n"  den  wirklichen  Des- 
infectionsmitteln  gegenübergestellt  werden.  Die  Entwicklung  der  Lehre  von  den 
Miasmen,  wie  sie  sich  wahrend  des  Mittelalters  durch  eine  Reihe  von  Jahr- 
hunderten vollzog,  führte  darauf,  der  den  Menschen  umgebenden  Luft,  mit  welcher 
er  in  unvermeidlicher  intimer  Berührung  lebt ,   einen  Hauptantheil  an  der  Ver- 
breitung der  ansteckenden  Krankheiten  zuzuerkennen.   Es  bildete  sich  folgender 
Gedankengang :  „Die  Ansteckungsstoffe  entwickeln  sich  in  Folge  von  Zersetzungs- 
processen.   Zu  den  schlimmsten  Zersetzungsprocessen  gehört  die  ammoniakalische 
Fäulniss,  und  als  Richter  über  das  Vorhandensein  von  Fäulniss  entscheidet  das 
Geruchsorgan."  So  wurden  in  weiteren  Schlüssen  alle  diejenigen  Mittel ,  welche 
üble  Gerüche  vertrieben ,  verhinderten  oder  übertäubten ,  als  Desinfectionsmittel 
erster  Classe   angesehen,  die  Desinfection  mit  der  Desodorisation  vollkommen 
identificirt,  wiewohl  es  nichts  weniger  als  erwiesen  war,  dass  übelriechende  Gase 
ansteckten  oder  auch  nur  die  stetigen  Begleiter  der  gefürchteten  Ansteckungs- 
stoffe bildeten. 

Gegen  sämmtliche  gasige  Verunreinigungen  der  Athemluft  erscheint  die  Zu- 
führung neuer  Luft,  die  dadurch  zu  bewirkende  Verdünnung  und  mechanische 
Entfernung  aller  dieser  Gase  als  das  rationellste  (weil  innerhalb  physikalischer 
Beweisführung  liegende)  Mittel.  Allein  man  hat  noch  bis  in  die  neueste  Zeit  eine 
Reihe  von  chemischen  Mitteln  gegen  offensive  Gase  und  Miasmen  in's  Feld  geführt 
und  besonders  der  oxydirenden  Wirkung,  wie  sie  dem  Ozon,  dem  Chlor,  dem 
Brom,  Jod,  der  salpetrigen  und  schwefligen  Säure,  dem  über- 
mangansauren Kali  innewohnt,  eine  zerstörende  Einwirkung  auf  die  prä- 
sumirt  schädlichen  Luftverunreinigungen  zugeschrieben.  Ozon  sollte,  als  Riech- 
und  Farbstoff  zerstörend,  mittelst  Abgabe  des  in  ihm  locker  gebundenen  dritten 
Atoms  Sauerstoff,  kräftig  oxydirend  auch  auf  Miasmen  wirken ;  bei  Jod,  Brom  und 
Chlor  sollte  diese  hypothetische  Wirkung  auf  dem  grossen  Vereinigungsstreben 
zum  Wasserstoff  beruhen,  so  dass  der  freiwerdende  Sauerstoff  des  Wassers  für  fähig 
gehalten  wurde,  die  gewünschten  energischen  Oxydationen  auszuführen.  Dem 
Chlor  wurde  seine  souveräne  Herrschaft  in  der  Desodorisation  und  Antimias- 
matik  noch  durch  die  Kraft  gesichert,  mit  der  es  die  Kohlenwasserstoffe,  den 
Schwefelwasserstoff,  das  Ammoniak  und  nahezu  alle  wasserstoffhaltigen,  organischen 
geruchausströmenden  Stoffe  thatsächlich  zerlegt. 

Als  leicht  Sauerstoff  abgebend  genoss  die  salp etrige  8 äure,  als  denjenigen 
chemischen  Verbindungen,  welche  locker  gebundenen  Sauerstoff  enthalten,  diesen 
entziehend,  die  Bchweflige  Säure  den  Ruf  eines  Antimiasmaticum.  Unter  de« 
nicht  flüchtigen  oxydirenden  Mitteln  wurde  namentlich  das  übermangansaure 
Kali  zur  riiKchädliehmachung  gasförmiger  Zersetzungsproducte  verwandt,  weil 
es  in  Berührung  mit  leicht  oxydablen  Stoffen  zu  Manganoxydul  reducirt  wird  und 
durch  theilwei.se  Abgabe  seines  Sauerstoffes  stinkende  Körper  zersetzt.  Auf  chemi- 


Digitized  by  Google 


DESINFECTION. 


439 


scher  Grandlage  beruhte  ferner  die  Anwendung  der  Mineralsäuren  als  Des- 
odorißationsmittel ,  da  sie  Ammoniak  zersetzen,  eine  Wirkung,  die  ferner  unter 
den  organischen  Säuren  besonders  der  Essigsäure  zukommt.  In  Flüssigkeits- 
gemischen bewirkten  Eisenvitriol  und  andere  sauer  reagirende  Salze  diesen 
Effect,  in  Abfallsflflssigkeiteu  bildeten  Eisen,  Zink  und  verschiedene  ihrer 
Verbindungen  mit  dem  darin  befindlichen  Schwefelwasserstoff  und  Schwefel- 
ammonium, Schwefelmetalle  und  desodorisirten  derartige  Flüssigkeiten  auf  diese 
Weise. 

Demnächst  wurden  als  Antimiasmatica  noch  legitimirt  jene  festen ,  porösen 
Körper,  welche  das  Vermögen  besitzen ,  Gase  in  bedeutender  Menge  zu  absorbiren 
und  gleichzeitig  die  Oxydation  der  gebundenen  Gase  zu  bewirken,  wie  der  Platina- 
moor,  die  frisch  geglühte  thierische,  die  Holz-  und  Torfkohle,  und  die 
FäUnngsmittel,  Chemikalien,  welche  dem  Ablauf  der  Zersetzungsprocesse  durch 
Entfernung  eines  der  für  die  Zersetzung  unbedingt  nothwendigen  Factorcn 
unterbrechen :  Aetzkalk,  der  mit  der  in  faulenden  Flüssigkeiten  reichlich  vor- 
handenen Kohlen-  und  Phosphorsflure  die  entsprechenden  unlöslichen  Niederschläge 
bildet ,  und  Aluminiumsalze,  welche  sich  mit  Alkalien ,  Ammoniak  und 
Schwefelammonium  leicht  zu  Thonerdehydraten  niederschlagen,  sind  hier  in  erster 
Reihe  zu  erwähnen.  Dagegen  kann  für  die  Möglichkeit,  dass  die  Luft  durch 
Räucherungen  mit  wohlriechenden  Harzen,  ätherischen  Oelen  oder  mit  Essig 
aus  einer  schädlichen  Luft  in  eine  unschädliche  verwandelt  werde,  kein  plau- 
sibler Grund  angeführt  werden.  Selbst  der  noch  zuweilen  von  Anhängern  der 
Räucherungen  vorgeschützte  Zweck:  alle  derartigen  Operationen  riefen  Bewegun 
gen  der  Luft  und  vermehrten  Austausch  derselben  mit  äusseren  Luftschichten 
hervor,  kann  durch  Ventilation,  durch  Beschleunigung  des  Luftaustausches  auf 
mechanische  Weise  viel  sicherer  und  vollständiger  erreicht  werden.  Ausserdem  ist 
mit  Recht  geltend  gemacht  worden,  dass  überall  da,  wo  wohlriechende  Gase 
die  übelriechenden  verdecken  uud  übertäuben,  eine  gewisse  Schwierigkeit  ein- 
tritt, die  Quellen  der  letzteren  schnell  aufzuspüren,  resp.  die  Unreinigkeiten  selbst 
zu  entfernen. 

Das  eigentliche  Urtheil  über  die  Desodorantien  wurde  jedoch  erst  gesprochen, 
als  die  Desinfectionsforschung  sich  in  der  sogenannten  bacterioskopischen 
Methode  eine  ganz  neue  Grundlage  schuf.  Nachdem  zuerst  das  Kriterium  der 
Geruchsempfindung  verdrflngt  worden  war  durch  die  gröberen  Reactionen ,  welche 
das  Leben  kleinster  Organismen  bei  der  Berührung  mit  chemischen  Desinfections- 
mitteln  entfaltet,  gelang  es  bald,  die  Anforderungen  an  diese  Reactionen  immer 
schärfer  zu  präcisiren.  Die  Verfärbungen ,  das  Aufhören  der  Eigenbewegung, 
das  Eintrocknen  wurden  als  unzureichend  erkannt,  und  es  gilt  jetzt  wohl 
unwidersprochen  als  nothwendige  Anforderung  an  ein  Desinfectionsmittel,  dass  es 
kräftig  genug  sei ,  bestimmte ,  sehr  lebenszähe  Krankheitsorganismen  so  zu  ver- 
ändern und  zu  beeinflussen,  dass  sie  ihre  Fortpflanzungsfähigkeit 
verlieren. 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  die  meisten  Krankheitserreger,  besonders  aber 
die  bereits  in  Bacillenform  entdeckten  (Rauschbrand-,  Lepra-,  Tuberkel-,  Typhus- 
bacillen)  ebenfalls  Dauerformen  haben  dürften,  hat  R.  Koch  die  Abtödtuug  einer- 
seits der  Stäbchenform,  andererseits  der  Dauersporen  des  Milzbrandes  als 
Minimalforderungen  an  die  Mittel  zur  Desinfection  aufgestellt.  Die  bei  seinen 
Versuchen  befolgte  Methode  bestand  darin ,  dass  Seidenfäden ,  welche  mit  milz- 
brandsporenhaltiger  Flüssigkeit  reichlich  getränkt  und  dann  getrockuet  waren,  in 
Lösungen  des  zu  prüfenden  Desinfektionsmittels  gethan  wurden,  und  darin  längere 
Zeit  verweilten.  In  Nährgelatine  (Blutserum  Gelatine)  zur  Züchtung  angesetzt, 
wuchsen  nicht  abgetödtete  Sporen  unter  den  geeigneten  Brutbedingungen  zu 
charakteristischen  Milzbrandfflden  aus,  wahrend  abgetödtete  Sporen  absolut  reactions- 
loa  verharrten  und  die  Nflhrgelatine  klar  und  unverändert  Hessen.  Die  Inficirung 
geeigneter  Thiere  wurde  häufig  als  Parallelversuch  vorgenommen. 


Digitized  by  Google 


440 


DESLXFECTION. 


Eine  Desinfection  —  im  Sinne  dieser  Sporentödtung  —  erzielten  nach 
eintägiger  Einwirkung: 

Frischbereitetes  Chlorwasser, 
Bromwasser  von  2  Proeent  Bromgehalt, 
Jod  w  asser, 

Sublimatlösung  von  1  Procent  Sublimatgehalt, 
Lösung  von  Kali  hypermang.  (5  Procent), 
0 8 miumsäure- Lösung  von  1  Procent  Gehalt, 
Carbolsäure  (nicht  unter  10  Procent  in  Lösung). 
Nach  fünftägiger  Dauer  der  Einwirkung  erreichten 
Terpontiuöl, 

Chlorkalk  in  öprocentiger  Lösung, 

Schwefelammonium  —  den  Tödtungseffect. 

Sechs  Tage  bedurften  zu  gleicher  Wirkung: 

Eisenchlorid]:  T » 

~,  ,       ...      }  in  oprocentiger  Lösuug. 

Chlorpikrin  | 

Nach  lOtägiger  Wirkung  waren  die  Milzbrandsporen  durch 

Chinin  (1  Procent  mit  Salzsäure). 

Salzsäure  (2  Procent  in  Wasser), 

Arsenik  (1  Procent  in  Wasser), 

Ameisensäure  (von  1.120  spec.  Gewicht); 
nach  30tägiger  Einwirkung  noch  durch 

A  et  her  —  getödtet. 
Ohne  Tödtungseffect  blieben  (nach  beliebig  langer  Einwirkung) :  Destillirtes 
Wasser,  Alkohol,  Aceton,  Glycerin,  Buttersäure,  Oel,  Schwefel  koh  1  eil- 
st off,  Chloroform,  Benzol,  Petroleumäther,  Ammoniak,  Chlorammonium,  Koch- 
salzlösung (concentrirt) ,  Chlorcalciumlösung ,  Chlorbarium  (5  Procent  in 
Wasser) ,  Bromkalium ,  Jodkalium ,  Kalkwasser ,  Schwefelsäure,  Cblor- 
z  i  n  k,  Zink-  und  Kupfervitriol,  schwefelsaures  Eisenoxydul ,  schwefelsaure  Thon- 
erde, Alaun,  chromsaures  und  doppeltchromsaures  Kali,  Chromalaun,  Chrom- 
säure, chlorsaures  Kali,  Borsäure,  Borax,  Schwefelwasserstoffwasser,  Schwefel- 
ammonium, Senföl  mit  Wasser,  Essigsäure,  essigsaures  Kali,  essigsaures  Blei, 
Kaliseife ,  Milchsäure ,  Tannin ,  Triäthylamin,  Benzoesäure  und  benzoe- 
s a u r e 8  Natron,  Zimmtsäure,  Indol.  Skatol,  Leucin,  Chinin  (ohne  Salz- 
säure), Jod  in  Alkohol,  Valerian-,  Palmitin-,  Stearin-,  Oleinsäure  (sämmtliche  in 
Aether),  Xylol,  Thymol,  Salicylsäure  (diese  drei  in  Alkohol) ,  Salicylaänre, 
in  Oel,  Oleum  animale  und  Oleum  Menthae  pip.  (in  Alkohol). 

Die  indifferente  Haltung  dieser  Stoffe  (die  besonders  seitens  der  gesperrt  ge- 
druckten viel  Auffälliges  hat)  bezieht  sich  —  wie  betont  werden  muss  —  lediglich 
auf  Milzbrands poren.  Auf  der  anderen  Seite  bedürfen  manche  wirksame 
Mittel  einer  viel  zu  langen  Einwirkungsdauer,  um  für  praktische  Desinfectionszwecke 
noch  brauchbar  zu  sein.  Denn  es  kommt  in  der  Praxis  oft  vor,  dass  die  zu  des- 
inficirenden  Gegenstände  mit  dem  in  flüssiger  Form  vorhandenen  Desinfections- 
mittel  nur  flüchtig  angefeuchtet ,  besprengt  oder  gewaschen  werden  können  :  in 
solchen  Fällen  soll  das  Mittel  in  wenigen  Minuten  seinen  Zweck  erfüllen.  Von 
Mitteln,  welche  zur  Erreichung  des  Desinfectionszwecke»  mehrere  Stunden  in  An- 
spruch nehmen,  wird  sich  sagen  lassen,  dass  ihre  Anwendung  eine  sehr  schwerfällige, 
von  Mitteln,  welche  sporentödtend  erst  in  mehr  als  24  Stunden  wirken,  dass  die 
Procedur  mit  ihnen  im  Grossen  kaum  noch  ausführbar  ist.  Somit  würden  sich 
nach  diesen  Koch 'sehen  Ermittlungen  als  brauchbare  Desinfectionsmittel  nur 
Chlor,  Brom,  Jod  und  Sublimat  herausstellen. 

Dieses  letztere  Mittel  war  es  nun  auch,  welches  seine  enorm  desinficirende 
Kraft  des  Weiteren  in  der  Reihe  von  Versuchen  bewährte,  welche  Koch  über 
die  Frage  nach  der  Entwicklungshemmung  der  Milzbrandfäden  (nach  gleicher 
Methode)  anstellte.  Für  diesen  Zweck  erwies  sich  Sublimat  bereits  im  Verhältnis« 


Digitized  by  Google 


DESINFFXTION. 


441 


einer  Lösung  von  1 :  lOOOOOO  als  wirksam ,  da  es  bei  dieser  Verdünnung  schon 

einen  unverkennbar  hemmenden  Einfluss  auf  das  Wachsthum  der  Milzbrandbacillen 

ausübte;  in  einem  Lösungsverhältnisse  von  1:300000  hob  es  ihre  Entwicklung 

vollständig  auf.  Sehr  einflussreioh  erwiesen  sich  in  gleichem  Sinne 

der  Aethylalkohol  in  Verdünnung  von  1 : 167000  Wasser 
das  Senfol             „          r  „    1 : 330000  „ 

das  Terpentinöl      „  „  „    1 : 75000  n 

das  Thymol  „  „  „    1 : 80000  „ 

Bei  einer  Reihe  weiterer  untersuchter  Körper  lag  der  Maassstab  der  Verdünnung, 
in  welcher  sie  eine  erkennbare  Beeinflussung  des  Bacillenwachsthums  ent- 
falteten, weit  entfernt  von  demjenigen ,  in  welchem  sie  kräftig  genug  waren,  das- 
selbe ganz  aufzuheben.  So  bei 


Arscnigsaurem  Kali :         die  Behinderung  bei  1 : 100000, 

die  Aufhebung  bei  1 

10000 

fhromsäure : 

•• 

r 

„  1:10000, 

•• 

'< 

r  1 

:5000 

Pikrinsäure : 

•• 

„  l :  lowo, 

„  1 

:5000 

lihtiuäure : 

n 

•■ 

r    1 : 40000, 

- 

„  1 

:8Ö00 

rebermangansaurem  Kali :  „ 

„  1:30000. 

•• 

*  1 

:1400 

Borsänre : 

„  1:1250, 

„  1 

:S00 

Borax: 

« 

r     1 :  2UOO, 

•■ 

V 

-  1 

:700 

Salzsäure : 

•• 

r    \  :  251 X), 

T! 

•• 

„  1 

:17O0 

Salicylsäure : 

„    1 : 3*00, 

r 

*  1 

:1500. 

Jod  Hess  erE 

it  im  Verhältniss 

von 

1 : 5000,  Brom 

und  Chlor 

bei 

1 :  1500, 

Carbolsäure  bei  1  :  1250  eine  merkliche  Beeinflussung  des  Bacillenwachsthumes 
erkennen.  Merkwürdig  und  für  praktische  Desinfectionszwecke  vielleicht  von  weit- 
tragender Bedeutung  ist  die  ebenfalls  gelegentlich  dieser  Versuchsreihe  ermittelte 
Tbatsaehe,  dass  K  aliseife  bei  1  : 5000  bereits  eine  Behinderung,  bei  1  :  1000 
vollständige  Aufhebung  des  Wachsthumes  der  Milzbrandbacillen  bewirkt.  Von  nicht 
unbedeutend  hemmender  Wirkung,  aber  zur  völligen  Aufhebung  der  Entwicklung 
doch  zu  schwach  erwiesen  sich  noch  Kampfer,  Eucalyptol,  Chloralhydrat,  chlor- 
saures Kali,  Essigsäure  und  roher  Holzessig,  Alkohol  und  Kochsalz. 

Seit  der  allgemeineren  Einführung  der  oben  dargelegten  Methoden,  die  Des- 
infectionsmittel  und  die  ihnen  zugetrauten  Wirkungen  an  Keinculturen  bestimmter 
Mikroben  auszuprobiren,  haben  sich  im  Wesentlichen  z  wei  Richtungen  der  Forschung 
geltend  gemacht;  die  eine  geht  darauf  aus,  für  jede  neuentdeckte  pathogene 
Mikroorganismenart  ein  specifisches  Desinficiens  zu  entdecken,  wie  es  etwa  das 
8ublimat  den  Milzbrandsporen  gegenüber  darstellt,  und  möglichst  eben  auch  die 
am  meisten  gefürchteten  Dauerzustände  der  pathogenen  Bacillen  zu  bekämpfen. 
In  diesem  Sinne  haben  Koch  und  seine  Schüler  an  Tuberkel-  und  Cholera-Bacillen, 
andere  Forscher  (8ternberg)  an  Diphtherie-  und  Pockenorganismen,  an  Lepra- 
bacillen,  Gonorrhoecoccen  etc.  zahlreiche  Versuche  angestellt,  von  denen  —  als 
von  actueller  Bedeutung  —  noch  die  hinsichtlich  der  Cholera  erhaltenen  hier 
Platz  finden  mögen.  Eine  Entwicklungshemmung  der  Cholerabacillen  bewirkten  am 
entschiedensten  : 

('hinin  bei  einem  Lösungsgehalt  von  1 :  5000 

Kupfersulphnt  „  „ '  „  1:jTi00 

Pfefterminzöl    „       „  „  „  1:2O»0 

(Karbolsäure      r       „  ..  ..  1:400 

Kampfer  n       m  „  „  1:300 

Alaun  -       r  -  r  1:100 

Eisenxnlfat       r  „  „1:50 

Jedoch  erwies  sich  auch  den  Cholerabacillen  gegenüber  unter  allen  chemischen 
Mitteln  das  Quecksilbersublimat  am  wirkungsvollsten  (nebenbei  sterben  gerade 
diese  Bacillen  leicht  und  schnell  durch  Trocknen  ab;. 

Die  zweite  Richtung  in  der  Erforschung  neuer  Desinfectiousmittel  (beziehungs- 
weise in  der  Werthbestimraung  bereits  bekannter)  nimmt  als  Object  die  wider- 
standsfähigsten Bacterien:  so  neben  den  Sporen  des  Milzbrandes  noch  besonders 
einen  grössere  Sporen  bildenden  Bacillus,  der  sich  in  jeder  Gartenerde  vorfindet. 
Ein  Mittel,  welches  diese  Mikroorganismen  tödtet  (so  deducirt  man)  wird  auch 


Digitized  by  Google 


442 


DESINFECTION. 


ein  unfehlbarer  Beweger  aller  noch  unbekannten  krankheitserzeugenden  Mikroben 
sein.  Nach  diesem  Schema  sind  ganz  neuerdings  Brom  und  Chlor  (das  letztere 
mit  relativ  besseren  Ergebnissen)  und  vor  Allem  (mit  sehr  zufriedenstellendem 
Resultat)  der  strömende  Wasserdampf  —  die  feuchte  Hitze  —  auf  ihre  bacterien- 
tödtende  Kraft  erforscht  worden. 

Bei  dieser  Lage  der  Desinfectionsfrage  würde  es  nur  verwirrend  wirken  können, 
wollte  man  an  dieser  Stelle  die  so  oft  wiederholten  Uebersichten  derjenigen  Stoffe 
reproducireu,  welche  den  Fäcalien,  um  sie  angeblich  zu  desinficiren,  beigemischt 
worden  sind.  Eine  reelle  Mikroorganismentödtung  ist  innerhalb  der  Fäcalmasaen 
nahezu  unausführbar;  zur  Desodorisirung  dienen  am  rationellsten  die  billigsten 
noch  wirksamen  Mittel:  Eisenvitriol,  Chlorkalk,  rohe  Carbolsäure. 

Für  alle  sonstigen  Desinfectionsz wecke  sind  als  unentbehrlich  zu  bezeichnen: 
a)  Ein  billiges  Haushaltungsmittel  zur  Erfüllung  der  primitiven  Anforderungen 
im  Grossen,  zur  Keiniguug  von  Böden,  Möbeln,  Gerätschaften,  benutzter  Kranken- 
wasche. Dieses  Mittel  scheint  gefunden  in  der  K  a  1  i  s  e  i  f  e  (auf  10  Liter  lauwarmes 
Wasser  15  g  grüne  Seife),  da  eine  Lösung  von  1  : 1000  bereits  eine  vollständige 
Aufhebung  des  Wachsthumes  der  Milzbrandbacillen  bewirkt. 

Ii)  Ein  Mittel,  welches  bestimmte  Krankheitserreger  (besonders  die  der  Wund- 
infectionen)  sicher  tödtet,  mit  den  menschlichen  Körperflächen  (Operationsfeld, 
operirende  Hand)  in  unschädliche  Berührung  gesetzt  werden  kann  und  auch,  in 
die  Luft  verstäubt,  einer  Wirkung  auf  dort  etwa  vorfindliehe  Krankheitserreger 
fähig  ist,  ohne  die  Luft  unathembar  zu  machen:  Die  Carbolsäure,  Concen- 
tration  3 — 5  Procent ,  wovon  die  erstere  zu  Sprühvorrichtungen  und  körperlichen 
Reinignngszwecken,  die  zweite  zur  Desinfection  von  Instrumenten  und  Vermischung 
mit  Excreten; 

c)  erschien  noch  neuerdings  ein  Mittel  unentbehrlich,  welches  die  Aufgabe  erfüllen 
sollte,  jene  Keime  abzutödten,  welche  man  sich  vom  Kranken  auf  die  Begrenzungs- 
flächen des  Krankenraumes  und  in  die  Luft  des  Krankenzimmers  übergegangen, 
in  derselben  suspendirt  denkt.  Ganz  treffend  nennt  ein  amerikanischer  Forscher 
dieses  aus  einer  laienhaften,  aber  noch  nicht  widerlegten  Hypothese  hervorge- 
gangene Bestreben :  additional  precaution.  Bei  der  notorischen  Unzulänglichkeit 
der  früher  zu  diesem  Zweck  benutzten  schwefligen  Säure  (in  15  g  auf  1  cbm)  and 
Angesichts  einiger  dem  Brom  in  stärkerem  Maasse  anhaftenden  Unzuträglichkeiten 
war  man  für  diesen  Zweck  wieder  zum  Chlor  (gleiche  Theile  Chlorkalk  und  Sah- 
säure innig  gemischt)  zurückgekehrt. 

(I)  Bei  besonders  gefährlichen  Infectionskrankheiten  dürfte  das  Sublimat  nicht 
entbehrt  werden  können,  nachdem  seine  ausserordentlich  aicher  abtödtende  Wirkung 
an  so  vielen  resistenten  Bacterienarten  erprobt  worden  ist.  In  Laienkreisen  wie 
bei  Behörden  stösst  seine  Einführung  noch  vielfach  auf  Hindernisse  wegen  seiner 
Giftigkeit.  Jedoch  ist  eine  Sublimatlösung,  wie  sie  für  die  meisten  Desinfections- 
zwecke  vollkommen  ausreicht :  von  1 : 5000  noch  nicht  so  giftig,  wie  eine  fünf- 
procentige  Carbollösung.  Unvorsichtigem  Gebrauch  bei  der  Anfeuchtung  von 
Wäsche  und  Kleidern ,  beim  Zusatz  zu  verdächtigen  Ausscheidungen ,  bei  der 
Hände-  und  Körperreinigung  Hesse  sich  dadurch  vorbeugen,  dass  von  einer  durch 
den  Arzt  zu  verschreibenden ,  als  „Gift"  zu  signirenden  und  aufzubewahrenden 
SuMimatlösung  von  1:1000  erst  im  Momente  der  Anwendung  ein  Theil  mit 
fünf  Theilen  (kalten)  Wassers  zur  schwächeren  Lösung  verdünnt  würde. 

Als  fünftes  unentbehrliches  Desinfection smittel  ist  die  Hitze  (in  besonderen 
Anstalten  applicirt)  anerkannt. 

Was  schliesslich  die  in  der  Praxis  auszuführenden,  von  den  polizeilichen 
Orgauen  zu  überwachenden  Desinfeetionsanweisungen  anlangt,  so  sind 
neueren  und  neuesten  Datums  sehr  vereinfachte  Vorschriften  pnblicirt  worden. 
Während  die  seitens  der  Statthaltern  in  Böhnieu  vom  16.  April  1880  (und  in 
geringerem  Grade  auch  die  Verordnung  des  Berliner  Polizei-Präsidiums 
vom  15.  August  1883;  noch   besondere  Verfahrungsweisen   für  Luftdesinfectionen 


Digitized  by  Google 


DESINFKCTION. 


443 


und  ihnen  nahestehende  Aufgaben  enthalten,  beschrankt  sich  die  neueste  An- 
weisung der  letztgenannten  Behörde  vom  7. — 8.  Februar  1887  auf  peinlichste 
Reinlichkeit  für  den  Kranken  selbst,  seine  lebende  und  todte  Umgebung,  das 
Krankenzimmer  und  dessen  gesammten  Inhalt;  ausgiebige  und  häufige  Erneuerung 
der  Luft  im  Krankenzimmer;  schleunigste  Entfernung  und  Unschädlichmachung 
aller  Ansteckungastoffe  und  werthloser  Gegenstände. 

Als  Desinfectionsmittel  dienen:  a)  strömender  überhitzter  Wasser- 
dampf in  den  von  der  Stadt  Berlin  eingerichteten  Desinfektionsanstalten ; 
b)  halbstündiges  Kochen  in  Wasser;  c)  eine  öprocentige  Carbol- 
säurelösung, hergestellt  durch  sorgfältige  Mischung  (Umrühren)  von  1  Theil 
sogenannter  lOOprocentiger  Carbolsäure  (Acidum  carbolicum  depuratum)  mit 
18  Theilen  Wasser;  d)  eine  2procen  tige  Carbolsäurelösung,  hergestellt 
aus  l  Theil  derselben  Carbolsäure  mit  45  Theilen  Wasser;  e)  Verbrennung 
werthloser  Gegenstände. 

Neben  der  Reinigung  der  Ciosetsitze  (mit  öprocentiger  Carbolsäure- 
lösung), dem  Verbot  des  Essens  und  Trinkens  im  Krankenzimmer,  der  Ver- 
brennung von  Verband  stücken  und  der  Reinigung  der  Instrumente 
(ebenfalls  mit  5procentiger  Carbollösung)  und  der  Beseitigung  übler  Gerüche  durch 
Lüftung  allein  (nicht  durch  Räuchern)  ordnet  diese  Desinfectionsanweisung  an : 
„Nach  Ablauf  der  Krankheit  bringe  man  benutzte,  nicht  waschbare  K 1  e  i  d  u  n  g  8- 
stücke,  Betten,  Kissen,  Matratzen,  Decken,  seidene  Stoffe, 
Teppiche,  Pelzwerk,  Polstermöbel  ohue  fournirtes  äusseres  Holzgestell 
vorsichtig,  d.  h.  ohne  viel  zu  rühren,  beziehungsweise  gar  zu  schütteln  oder  aus- 
zuklopfen, in  ein  mit  2procentiger  Carbolsäurelösung  angefeuchtetes  Leinentuch 
eingebunden,  in  eine  der  städtischen  Desinfectionsanstalten  mittelst  deren  Trans- 
portwagen." 

„Besudelte  Ledersachen  (Schuhwerk)  siud  mit  öprocentiger  Carbolsäure- 
lösung zu  reinigen." 

„Alle  werthlosen  Gegenstände  (Bettstroh,  unbrauchbar  gewordene 
Kleider  und  dergleichen)  werden  verbrannt,  und  zwar,  soweit  nach  Umfang 
möglich,  im  Heiz-  oder  Kochherd ,  welcher  zur  Zeit  mit  Speisen  nicht  besetzt 
sein  darf;  grössere  Gegenstände  aber,  wie  grosse  Mengen  Bettstroh,  gefüllte 
oder  leere  Bettsäcke  und  dergleichen  werden  durch  die  Revierpolizei  den 
städtischen  Desinfectionsanstalten  zur  Unschädlichmachung  überwiesen." 

In  Bezug  auf  Räume  und  deren  Grenzflächen  beschränkt  sich  ferner 
die  Berliner  Anweisung  auf  das  Folgende : 

„Polirte  und  geschnitzte  Möbel,  Bilder  mit  Rahmen,  Metall-  undKuust- 
gegenstände  werden  mit  trockenen  Lappeu  scharf,  Tapeten  wie  gestrichene 
Wände  mit  Brod  trocken  und  scharf  abgerieben,  nachdem  der  Fussboden  des 
Zimmers  vorher  mit  öprocentiger  Carbolsäurelösung  stark  angefeuchtet  ist." 

„Von  den  Wand  flächen,  welche  mit  Auswurfsstoffeu  des  Kranken  besudelt 
sind,  müssen  Tapeten,  beziehungsweise  Anstrich  nach  Anfeuchten  mit  öprocentiger 
Carbolsäurelösung  durch  Abkratzen  in  entsprechender  Ausdehnung  entfernt  werden." 

„Alle  Fussböden  ohne  Unterschied,  Thflren,  Fenster,  sowie  alle  Holz- 
bekleidungen ohne  Politur  sind  nach  Cholera,  Pocken,  Diphtherie,  Fleck-  und 
Rückfalltyphus  mit  öprocentiger  Carbolsäurelösung  sorgfältig  abzuscheuern  ;  letztere 
lässt  man  in  etwaige  Dielenfugen  einziehen  nnd  wäscht  die  gereinigten 
Flächen  mit  reinem  Wasser  nach." 

„Das  zum  Abreiben  verwendete  Brod,  beziehungsweise  die  Lappen  werden  ver- 
brannt, etwa  noch  brauchbare  Tücher  in  2procentiger  Carbolsäurelösung  auf  24  Stunden 
eingeweicht,  dann  in  Wasser  gekocht  und  in  heisser  Kali-Seifenlösung  gewaschen." 

„Nachdem  so  jeder  Gegenstand  im  ehemaligen  Krankenzimmer,  wie  jeder  Theil 
des  letzteren  .selbst,  vorschriftsmäßig  und  sorgfältig  gereinigt  ist,  lüfte  man  das 
Kraukenzimmer  nach  Cholera,  Pocken,  Diphtherie,  Fleck-  und  Rückfall- 
Typhus  24  Stunden  hindurch." 


Digitized  by  Google 


414 


DESINFECTION. 


Es  wird  also  das  Verbreiten  von  gasförmigen  Emanationen  (Brom,  Chlor, 
schweflige  Säure)  ganz  vermieden.  —  Verdächtig«  Leichen  sollen  —  ohne  sie 
zu  waschen  —  in  mit  Carbol  getränkte  Leinentücher  eingehüllt  und  baldmöglichst  in 
die  Leichenhalle  geschafft  werden.  Alle  der  Ansteckung  ausgesetzten  Personen 
sollen  die  Hände  in  2procentigc  Carbollösung,  Pfleger  auch  Bart-  und  Haupthaar 
sorgfältig  reinigen,  die  Desinfeotoren  einen  besonderen  Arbeitsanzug  bei 
ihrem  Dienst  tragen. 

Es  ist  zu  erwarten,  dass  die  Sanitätspolizeibehörden  durchwegs  dieses  sehr 

vereinfachte  Reglement  adoptiren  werden,  sobald  dasselbe  erst  einmal  praktisch 

bewährt  und  in  seiner  Leistungsfähigkeit  probehaltig  befunden  sein  wird. 

Literatur.  (Es  »ind  nur  Haupt  werke  aufgeführt ;  ein  vollständiges  Verzeichnis 
findet  sich  in  Eulenburg' s  Real-Encyclop&die,  Art.  Desinfection):  Angus  Smith,  Desinfectants 
and  Desinfection.  Edmburg  1869.  —  Faye,  Queis  sont  les  vrais  agenta  chimiques  etc. 
Compt.  rend.  ltiTO.  —  H.  Eulenberg  und  H.  Vöhl,  Die  Kohle  als  Desinfectionsmittel 
und  Antidot.  Vierteljahrschr.  f.  gerichtl.  Med.  1^70.  —  C.  Esse.  Die  Desinfection  von 
Kleidungsstacken,  Matratzen  etc.  in  öffentl.  Krankenhäusern.  Vierteljahrschr.  f.  öffentl.  Ge- 
sundheitspflege. 1871.  —  Reinigung  und  Entwässerung  Berlins.  Hefte  von  1871  und  folgende.  — 
Liebreich,  Ueber  präcipitirende  Desinfectionsmittel.  Bert.  klin.  Wochenscbr.  1872.  — 
Devergie,  De  la  desinfection  de  la  morgue  de  Paris.  Ann.  d'hyg.  1873.  —  Adams.  On 
the  use  of  desinfectants.  London  1873.  —  Camer  er,  Ueber  Desinfection  und  D  esodorisirung 
der  Excremente.  Württemb.  Corr.-Bl.  1874.  —  öalkowski,  Ueber  einige  Desinfectionsmittel 
Vierteljahrschr.  f.  gerichtl.  Medic.  1875.  —  Vallin.  De  la  desinfection  par  lair  chaud. 
Ann.  d'hyg.  1877  und  1878.  —  Merke,  Die  DesinfectionseinrichtunRen  in  Moabit.  Vircbow's 
Archiv  1879  und  1880.  —  v.  Pettenkofer,  Bericht  über  die  Desinfection  von  Schiffen. 
Berlin  1879.  —  Mehlhausen,  Versuche  über  die  Desinfection  geschlossener  Räume. 
Ebenda.  —  A.  Wer u ich,  Grundriss  der  Desinfectionslehre.  Wien  1880.  Zweite  Auflage, 
1882.  —  F.  Hoff  mann,  Ueber  Deainfectionsmaaseregeln.  Vierteljahrschr.  f.  öffentl.  Gesund- 
heitspflege. 1880.  —  Pasteur  et  Collin,  Etablissements  ä  Paris  etc.  Ann.  d'hyg.  1880. 

—  Wolffhügel,  Koch,  Gaffky,  Löffler,  Htippe.  Knorre,  Mittheilungen  ans  dem 
kaiserl.  Gesundheitsamte.  Berlin  1881,  Nr.  5  6,  8,  9.  10,  11.  —  G.  M.  Stern berg.  Ex- 
periments with  Desinfectants.  Nat  Board  of  Health.-Bull.  1881.  —  E.  Vallin,  Traite  des 
desinfectants  et  de  la  desinfection.  Paris  1882.  —  Hoppe,  Ueber  einige  Vorfragen  zur 
De*infectionslehre.  Militärarzt!.  Zeitschr.  1882.  —  B.Fischer  und  B.  Pros  kauer.  Ueber 
die  Desinfection  mit  Chlor  und  Brom.  Mitheilnngen  d.  kaiserl.  Gesundheits-Amtes.  1884.  — 
Conferenz  zur  Erörterung  der  Cholerafrage.  II.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1885.  —  M.  Wolff. 
Ueber  die  Desinfection  durch  Temperaturerhöhung.  Virchow  a  Archiv  1885.  —  Ueber  städt. 
Depinfectionsanstalten.  Verband],  des  d.  Vereines  f.  öffentl.  Gesundheitspflege  in  Breslau.  18S6. 

W  e  r  n  i  c  h. 

Von  den  vom  Publikum  in  den  Apotheken  häufig  verlangten  Desinfection*- 
mittein  (die  aber,  wie  aus  der  vorstehenden  Abhandlung  ersichtlich  ist ,  ihrem 
grö»8teu  Theile  nach,  nur  „Desodorirungsraittel"  sind)  mögen  folgende 
genannt  sein: 

Desinfectionsmittel,  a)  pulverförmige.  10  Th.  rohe  Carbolsäure,  mit  90  Tb. 

Torfgrus,  Sägespähnen,  Steinkohlenasche  oder  dergl.  gut  gemengt.  —  20  Th.  rohe 
Carbolsäure ,  30  Th.  Kalkhydrat,  50  Th.  Torfgrus.  —  10  Th.  Steinkohlentheer, 
90  Th.  Sägespähne ,  Torfgrus ,  Asche  oder  dergl.  —  10  Th.  rohe  Carbolsäure 
unter  DO  Th.  Torfgrus  gemischt,  dann  mit  100  Th.  grob  gepulvertem  Eisenvitriol 
vermengt.  —  10  Th.  rohe  Carbolsäure.  15  Th.  Kalkhydrat,  75  Th.  Gyps.  — 
Chlorkalk  für  sich  allein  oder  mit  gelöschtem  Kalk  oder  Gyps  gemischt.  —  80  Tb. 
angekohlte  Sägespähne  mit  20  Th.  concentrirter  roher  Eisenchloridlösung  besprengt. 

—  Alle  Torfgrus  (Torfmull,  Torfspreu)  enthaltenden  Mischungen  eignen  sich  be- 
sonders zum  Kiustreuen  in  Abtritte,  Nachtstuhle,  Pissoirs  etc.,  weil  Torf  ausser- 
ordentlich aufsaugefähig  ist;  auch  da9  zuletzt  aufgeführte  Gemisch  ist  sehr  wirk-  * 
sam  und  findet  beispielsweise  auf  allen  Stationen  der  sächsischen  Eisenbahnen  Ver- 
wendung. Zum  Aufstellen  in  Krankenzimmeru  wählt  man  eine  Mischung  von  10  Tb. 
reiner  Carbolsäure  mit  90  Th.  Sägespan uen. 

Desinfectionsmittel,  b)  flüssige.  Schmierseifenlauge,  durch  Lösen  von  ITh. 
Schmierseife  in  100  Th.  weichen  Wassers  hergestellt.  — Carbolwasser,  aus  2  Th.  roher 
«►der  1  Th.  reiner  Carbolsäure  mit  100  bis  50  Th.  Wasser  hergestellt;  das  aus 
reiner  Carbolsäure   hergestellte  Wasser,    1 : 100.  kann   auch  zum  Verstäuben  in 


Digitized  by  Google 


DESINFECTION.  —  DESORGANISATION.  445 

Krankenzimmern  u.  8.  w.  benutzt  werden.  —  Chlorkalklösung,  ans  1  Th.  Chlor- 
kalk zu  100  big  50  Th.  Wasser.  —  Eisen vitriollösung,  aus  1  Th.  Eisenvitriol  zu 
4  Th.  Wasser.  —  Sublimatlösung,  1:1000,  das  allerbeste  Mittel,  aber  nur  bei 
Ueberwachung  durch  einen  Sachverständigen!  —  Ausserordentlich  desodorisirend 
wirken  Lösungen  von  Kaliumpermanganat  (1  Th.  zn  100  bis  50  Th.  Wasser),  be- 
sonders auf  Flüssigkeiten,  bei  festen  Massen  nur  an  der  Oberflache.  —  Die 
SüVERN'sche  Desinfectionsflüssigkeit  besteht  aus  100  Th.  gelöschtem  Kalk,  15  Th. 
Chlormagnesium,  15  Th.  Steinkohlentheer  und  300  Th.  Wasser. 

Desinfectionsmittel,  c)  gasförmige.  Hierher  sind  zu  rechnen  die  Räucherungen 
mit  Chlor,  Brom,  schwefliger  8äure  u.  dergl. ;  werden  solche  in  der  Apotheke  ver- 
langt, so  empfiehlt  es  sich,  immer  erst  mit  dem  betreffenden  Arzte  Rücksprache  zu 
nehmen.  Zur  Ausführung  der  Räucherung  geben  die  in  allen  Staaten  erlassenen 
amtlichen  Verordnungen  Anleitung  (ebenso  die  MYLius'sche  „  Anweisung  zur  Des- 
infection  in  Krankheitsfällen",  Pharmac.  Centralhalle,  Jahrg.  25,  pag.  323,  auch 
als  Separatabdruck  erschienen). 

Desinfectionsspiritus.  Kölnisch- Wasser  mit  1  bis  2  Prooent  Carbolsflure ;  zum 
Verstauben  in  Krankenzimmern,  auch  als  Zusatz  zum  Waschwasser. 

Desinfectionsseife  ist  Seife  mit  einem  Zusätze  von  10—20  Procent  Carbol- 
säure;  wirklich  desinflcirend  wirkt  aber  nur  die  S  ublima  t seife,  vorausgesetzt, 
dass  sie  kunstgerecht  hergestellt  ist,  was  sich  Äusserlich  dadurch  kundgibt,  dass  sie 
weiss  oder  fast  weiss,  aber  nicht  grau  oder  gar  schwärzlich  ist.         G.  Hof  mann. 

Desinficientia  (Desinfectants),  Desinfectionsmittel,  die  zur  Zerstörung 
der  Erreger  contagiöser  Krankheiten  in  Anwendung  kommenden  Mittel ,  welche 
eine  Abtheilung  der  Antiseptica  (Bd.  I,  pag.  446)  bilden.    Th.  Hu  Bemann. 

DesmobaCterien.  Mit  diesem  Ausdrucke  bezeichnete  F.  Cohn  jene  Bat- 
terien (s.  Bd.  II,  pag.  78),  bei  denen  die  einzelnen  Zellen  die  Form  von  längeren 
Stäbchen  oder  Faden  besitzen,  während  er  die  aus  ganz  kurzen  Stäbchen  be- 
stehenden Baeterien  Mikrobacterien  nannte.  Andere  Autoren  fassen  aber 
sowohl  die  kürzeren  als  die  längeren  stäbchenförmigen  Baeterien  unter  der  Be- 
zeichnung Bacillen  zusammen.  Weichselbanin. 

DeSIIOS'  Bandwurmmittel  ist  eine  der  DEBOUT'schen  Emulsion  taenifuge 
(8.  d.)  ähnliche  Emulsion  aus  Semen  Cucurbitae. 

DeSOdOrisantia,  Deodorisantia  (franz.  desodorisants  in  Analogie  mit  Des- 
infectants neugebildet).  Bezeichnung  einer  Abtheilung  namentlich  früher  bei  Des- 
infection  viel  benutzter  Mittel,  deren  Angriffspunkt  die  bei  Fäulnissprocessen  und 
nicht  selten  auch  bei  infectiösen  Processen  sich  entwickelnden  fötiden  Gase  (vor- 
waltend Schwefelwasserstoff  und  flüchtige  Fettsäuren)  bilden,  indem  sie  entweder 
deren  Geruch  durch  ihren  eigenen,  stärkeren,  aber  relativ  angenehmeren  verdecken 
(Räucherungen  mit  Harzen ,  Acetum  aromaticum ,  Carbolsäure ,  Jodoform)  oder  die 
Gase  selbst  mechanisch  binden  (Kohle)  oder  sie  durch  Oxydation  zerstören  (Chlor, 
Brom,  Jod,  Chlorkalk,  JavellescIio  Lauge,  Kaliumpermanganat,  Ozon  und  Ozonide, 
Wasserstoffsuperoxyd  u.  a.).  Obsehon  die  Deodorisantien  in  der  Desinfection  (s.  d.) 
jetzt  eine  untergeordnete  Rolle  spielen ,  da  nur  weuige  auch  auf  die  organisirten 
Erreger  von  Fäulnis«  und  Infectiou  energisch  deletär  wirken  (s.  Bd.  I,  pag.  448  ), 
sind  sie  dennoch  bei  fötiden  Secreten,  Ulcerationen  u.  s.  w.  nicht  eutbehrlich. 

T h.  Hoiemann. 

Desorganisation  bedeutet  die  Umbildung  geformter  Bestandteile  der  Pflanze 
in  ungeformte.  Die  Desorganisation  ist  also  stets  mit  einem  Verluste  der  Stmctur, 
oft  auch  mit  einer  chemischen  Metamorphose  verbunden.  Sie  kann  Zellinhalts- 
bestandtheile  betreffen ,  z.  B.  die  Stärke-  oder  die  Chlorophyllkörner  —  dieselben 
verlieren  dabei  ihre  charakteristische  Form  und  innere  Structur  und  verwandeln 
sieb  in  formlose  Klumpen  —  oder  die  Zellmembran ,  die  alsdann  ebenfalls,  oft 
unter  chemischer  Veränderung,  in  ungeformte  Massen  übergeht.  Eine  Desorgani- 

Digitized  by  Google 


446 


DESORGANISATION.  —  DESTILLATION. 


»ation  unter  chemischer  Veränderung,  beziehungsweise  Auflösung  erleidet  die  Stärke 
beim  Keiniungsprocess  nnd  die  Chlorophyllkörner  in  den  Blättern  im  Herbst ;  eine 
Desorganisation,  verbunden  mit  Ueberftthrung  in  Gummi,  erfährt  die  Zellmembran 
bei  der  Gummibildung  bei  den  Akazien  und  Aniygdalaceen.  Desorganisation  ist 
also  meist  gleichbedeutend  mit  rückschreitender  Metamorphose.  Tschirch. 

DeSOXyCOdeill,  C18Hj,NOat  bildet  sich  beim  Erwärmen  von  Codein  mit 
Bromwasserstoffsäure  auf  100«  neben  Bromcodid  und  Bromtetracodein.  Unlöslich 
in  Wasser,  färbt  sich  rasch  an  der  Luft.  Ganswind t. 

DeSOXydatiOII.  Ein  chemischer  Process,  dessen  Endresultat  Abspaltung  von 
Sauerstoflmolekttlen  ist.  Wird  dieser  Process  an  Körpern  vollführt,  welche  zuvor 
erst  durch  Aufnahme  von  Bauerstoff  in  die  Sauerstoffverbindung  übergeführt  waren, 
so  bezeichnet  man  denselben  wohl  auch  mit  Reduction.  Letztere  Bezeichnung 
gebraucht  man  vornehmlich  bei  der  Desoxydation  von  Metalloxyden  entweder  im 
Wasserstoffstrom  oder  mittelst  der  Reductionsflamme  des  Löthrohrs.      Ganswind t. 

DeSOXymOrph'm,  C17H,9NOs.  Bildet  sich  bei  der  Einwirkung  von  Brom- 
wasserstoff auf  Bromcodein  und  gleicht  ganz  dem  Desoxycodein.     Ganswind t. 

Destillation.  Man  versteht  unter  Destillation  im  Allgemeinen  ein  Verfahren, 
durch  welches  eine  Flüssigkeit  durch  Zuführung  von  Wärme  in  Dampf  und  dieser 
durch  zweckmässige  Abkühlung  wieder  in  Flüssigkeit  zurQckverwandelt  wird. 

Eine  besondere  Art  ist  die  trockene  Destillation,  durch  welche  aus  nicht 
flüssigen,  meist  kohlenwasserstoffhaltigen  Körpern  theils  gasartige,  theils  tropfbar 
flüssige,  theils  feste  Stoffe  erhalten  werden. 

Die  Destillation  ist  ein  Process,  welcher  auf  dem  Gebiete  der  Phannacie,  der 
wissenschaftlichen  und  praktischen  Chemie,  der  Technologie  und  der  Hygiene  die 
grösste  Verbreitung  und  die  mannigfachste  Anwendung  gefunden  hat. 

Ueberall  wird  entweder  die  Reindarstellnng  der  flüchtigen  Stoffe  oder  eine  Ab- 
scheidung  derselben  von  minder  flüchtigen  Stoffen  bezweckt. 

Den  einzelnen  Zwecken  entsprechend  sind  besondere  Apparate  construirt 
worden.  Sämmtlichen  Apparaten  sind  drei  Haupttheile  gemeinsam  eigentümlich : 
das  Destillationsgefäss,  in  welchem  die  betreffende  Substanz  erhitzt  wird, 
die  Kühlvorrichtung,  in  welcher  die  Verdichtung  der  Dämpfe  stattfindet  und 
die  Vorlage,  in  welcher  das  Destillat  gesammelt  wird  (in  welche  es  herab- 
tröpfelt, destillere).  Für  wissenschaftliche  Untersuchungen  und  bei  der  De- 
stillation im  Kleinen  bedient  man  sich  gewöhnlich  gläserner ,  selten  irdener  oder 
metallener  Destillationsgefässe  und  verwendet  als  solche  Kolben  oder  Retorten. 
Erstere  müssen  mit  einem  mit  Abfflhrungsrohr  verbundenen  Aufsatz,  dem  Helm, 
oder  mit  Kork  verschluss,  durch  welches  ein  Abzugrohr  für  die  Dämpfe  geht,  ver- 
seheu  sein.  Letztere  sind  für  gewisse  Zwecke  mit  einem  Tubus  versehen,  durch 
welchen  Thermometer,  Gasleitungsröhren  und  andere  Gegenstäude  in  die  Flüssig- 
keit eingeführt  werden  können ;  auch  ist  die  Füllung  der  Retorten  durch  den 
Tubus  derjenigen  durch  den  Hals  vorzuziehen.  Die  Erhitzung  dieser  Gefässe  ge- 
schieht bei  niedrig  siedenden  Flüssigkeiten  auf  dem  Dampf-  oder  Wasserbade,  bei 
höher  siedenden  Stoffen  auf  dem  Oel-  oder  Sandbade,  oder  über  freiem  Feuer  mit 
untergelegtem  Drahtnetz.  Glasgefässe ,  welche  über  freiem  Feuer  erhitzt  "werden, 
müssen  möglichst  gleichmässige  Wandstärke  besitzen.  Bei  Retorten  muss  der  Hals 
schön  gebogen  sein  und  der  Tubus  einen  richtigen  Sitz  haben.  Um  das  Stossen, 
d.  h.  das  plötzliche  Auftauchen  grösserer  Dampfblasen ,  zu  vermeiden ,  legt  man 
Gegenstände  in  die  Flüssigkeit,  die  eine  möglichst  grosse  Oberfläche  darbieten, 
z.  B.  gewaschenen,  scharfkörnigen  Sand,  Bimssteinstückchen,  Platinspiralen,  oder  be- 
deckt, wo  es  angebracht  ist,  die  Flüssigkeit  mit  einer  dünnen  Schicht  von  Paraffin. 
Als  Kühlgefäss  wendet  man  entweder  lange  gerade  oder  sehlangenförmig  gebogene 
Röhren  an ,  welche ,  innerhalb  eines  zweiten  Gefässea  ruhend ,  von  zuflie&sendem 
Wasser  umspült  werden  können.   Die  erstbezeichneten,  in  compendjöse,  leicht  be- 


Digitized  by  Google 


DESTILLATION. 


447 


wegliche  Form  gebracht,  sind  unter  dem  Kamen  LiEBia'sche  Kühler  (Fig.  70) 
bekannt ;  kleine  Schlangenrohrktihler  sind  Bestandteile  der  Salleeon- A  p  p  a  r  a  t  e. 
8eltener  bedient  man  sich  einfacher  Zwischenrohre,  die  mit  Fliesspapier  oder  Zeug 
umwickelt  sind,  welches  von  Zeit  zu  Zeit  mit  frischem  Wasser  betröpfelt  wird. 
Wohl  aber  findet  öfter  unter  völliger  Weglassung  eines  besonderen  Apparates  ein 
directes  Kühlen  der  Vorlage  statt,  sei  es  durch  Einlegen  derselben  in  Eiswasser, 
oder  sei  es  durch  Belegen  derselben  mit  Textilatoffen  und  ununterbrochene  Be- 
feuchtung derselben  mit  kaltem  Wasser.  In  den  LiEBiG'schen  Kühler  muss  das 
Wasser  von  unten  eintreten  und  nach  oben  zu  emporsteigen;  der  Zufluss  musB 
so  geregelt  sein,  dass  es  nicht  über  20—25°  warm  ablauft.  Als  Recipient 
oder  Vorlage  kann  jedes  passende  Gefäss  Verwendung  finden;  gewöhnlich  nimmt 
man  Kolben  oder  Flaschen  dazu.  Bisweilen  fehlt  es  an  einer  passenden  Verbindung 
zwischen  Destillationsgefäss,  Kühlapparat  und  Vorlage ;  entweder  es  ist  der  Retorten- 
hals zu  kurz  oder*  zu  weit,  oder  es  bedarf  eines  Zwischengliedes  zwischen  Kühlrohr 

und  Vorlage.  Man  behilft  sich  in 
Fl*- 70  diesen  Fällen  mit  V  o  r  s  t  Ö  s  s  e  n 

oder  Allongen,  die  in  den  ver- 
schiedensten Formen,  meist  oben 
weit,  bauchig,  uuten  spitz  zu- 
laufend, bisweilen  gebogen,  oder 
aus  mehreren  Theilen  bestehend, 
construirt  sind.  Sie  werden  mit 
Hilfe  durchbohrter  Korke  in  oder 
über  die  entsprechenden  Theile 
geschoben,  oder  mit  feuchter 
Thierblase  dampfdicht  mit  dem 
Apparatein  Verbindung  gebracht. 

Zu  gewissen  Zwecken  ist  eine 
Destillation  im  luft verdünn- 
ten Raum  nothwendig,  und 
zwar  dann ,  wenn  entweder  die 
Dämpfe  bei  gewöhnlicher  Siede- 
temperatur eine  Zersetzung  er- 
leiden, oder  wenn  der  Rückstand, 
auf  dessen  Gewinnung  alsdann 
der  Hauptwerth  gelegt  ist,  nicht 
anders,  als  durch  Anwendung 
unter  dem  Siedepunkt  der  Flüssig- 
keit liegender  Temperaturen  un- 
zersetzt  zu  erhalten  ist  (conden- 
sirte  Milch ,  Zucker ,  Malz-  uud 
Fleischextract).  Der  luftverdünnte  Raum  lässt  sich  durch  Anbringung  einer  Wasser- 
luftpumpe,  deren  Saugrohr  durch  einen  Tubus  der  doppelt  tubulirten  Vorlage 
geführt  wird,  und  vorausgesetzt ,  dass  alle  Theile  des  Apparates  luftdicht  unter 
einander  verbunden  sind,  erzeugen.  Wo  eine  Luftpumpe  nicht  vorhanden  ist ,  lässt 
sich  ein  Vacuum  dadurch  erzeugen,  dass  man  durch  Erhitzen  der  Flüssigkeit,  ohne 
zu  kühlen,  zunächst  die  Luft  durch  Dampf  vertreibt  und  nun  erst  anfängt  zu  kühlen. 
Man  kann  hierzu  dem  Apparate  eine  Einrichtung  geben,  welche  ermöglicht,  die 
OerTnung,  aus  welcher  die  Luft  entwichen,  zu  schliessen  (durch  Glashahn  oder 
Znschmelzen) ;  oder  man  lässt  die  Luft  durch  ein,  durch  den  zweiten  Tubus  der 
Vorlage  luftdicht  geführtes  zweischenkliges ,  mit  seinem  längeren  Schenkel  in 
Quecksilber  tauchendes  Rohr  durch  das  Quecksilber  hindurch  entweichen.  Im 
letzteren  Falle  steigt,  so  wie  die  Kühlung  beginnt,  das  Quecksilber  im  Rohr  so  weit 
in  die  Höhe,  als  dem  verminderten  Dampfdrucke  im  Innern  des  Apparates  ent- 
spricht und  dient  somit  gleichzeitig  als  Manometer  und  als  Sicherheitsvorrichtung. 

Digitized  by  Google 


448 


DESTILLATION. 


Um  Flüssigkeitsgeinische,  deren  einzelne  Theile  bei  verschiedenen  Temperaturen 
flüchtig  sind ,  von  einander  zu  trennen,  bedient  man  sich  der  fractionirten 
Destillation.  Diese  besteht  darin,  dass  man  die  Destillation  in  gewissen 
Zwischenräumen,  z.  B.  von  10  zu  10  Grad,  unterbricht  und  die  einzelnen  Fractionen 
wieder  fractionirt  destillirt,  bis  man  constant  siedende  Flüssigkeiten  erhält.  Man 
hat  hierbei  mit  der  Thatsache  zu  rechnen,  dass  in  Mischlingen  Flüssigkeiten  mit 
höherem  Siedepunkt  bereits  anfangen ,  mit  den  niedriger  siedenden  Flüssigkeiten 
zu  verdunsten ,  und  dass  die  Verdunstung  umso  schneller  von  statten  geht ,  als 
die  Uber  der  Flüssigkeit  befindliche  Atmosphäre  wechselt.  Deshalb  geben  die  ersten 
Fractionen  keine  constant  siedenden  Elicte,  sondern  bedürfen,  wie  bereits  angegeben, 
mehrfacher  Rectification.  Günstigere  Erfolge  lassen  sich  erzielen,  wenn  Vorkehrungen 
getroffen  werden,  dass  ein  Theil  der  verdichteten  Dämpfe,  und  zwar  vorzugsweise 
die  schwerer  siedenden  Flüssigkeiten  entsteigenden  Dämpfe,  in  das  Destillationsgefäss 
wieder  zurückfliesscn  kann,  was  schon  zum  Theil  dadurch  zu  erreichen  ist,  da» 
man  die  Retorte  hoch,  d.  h. 

mit  dem  Halse  nach   oben  F»g-  7i-  Fi<?-  72- 

gerichtet ,  stellt.  Ungleich 
bessere  Resultate  werden 
durch  Anwendung  von  Kngel- 
röhren,  die  dem  Destillations- 
gefäss aufgesetzt  werden  und 
als  Kühler  wirken,  erhalten. 
Unter  diesen  Röhren  wird 
eine  von  Linnemann  ange- 
gebene Form  besonderer  Be- 
achtung empfohlen.  Diese 
Röhren,  welche  mit  zwei  bis 
drei  kugelförmigen  Ausbla- 
sungen  und  einem  seitlichen 
Abzugsrohr  versehen  sind, 
sind  an  beiden  Seiten  offen. 
Durch  die  obere  Oeffnung 
wird  ein  Thermometer  luft- 
dicht bis  zur  ersten  Kugel 
eingeführt,  mit  dem  unteren 
Ende  wird  das  Rohr  selbst 
dein  Kork  verschluss  des 
Destillirkolbens  eingefügt ; 
das  Abflussrohr  wird  mit 
dem  Kühler  verbunden.  In 
den  cylindrisehen  Theil  der  Kugclröhre  werden  mehrere  Körbchen  von  geflochtenem 
Platindraht  etagenförmig  über  einander  geschoben  ;'  dieselben  werden  durch  ihre  eigene 
Federkraft  festgehalten.  (Fig.  71  und  72.)  Von  den  die  Maschen  der  Drahtnetze 
passirenden  Dämpfen  werden  durch  Luftkühlung  die  schwerer  flüchtigen  zunächst 
verdichtet,  füllen  die  Körbchen  mit  Flüssigkeit  an  und  bewirken  ,  dass  die  nach- 
strönienden  Dämpfe  zunlekirchalten  und  ebenfalls  gezwungen  werden,  sich  ihrer 
schwerer  flüchtigen  Autheile  zu  entledigen.  In  ähnlicher  Weise  wirken  die  kugel- 
förmigen Erweiterungen  der  Röhre,  während  das  in  der  obersten  Kugel  selbst 
befindliche  Thermometer  den  genauen  Siedepunkt  des  Destillates  angibt. 

Unter  Rectification  versteht  man  wiederholte  Destillation,  um  ein  Destillat 
von  grösserer  Reinheit  zu  erhalten,  aber  auch  ein  Verfahren ,  nach  welchem  eine 
Flüssigkeit  durch  Einführung  von  Dämpfen,  welche  einer  gleichen  Flüssigkeit 
entstammen,  zur  Destillation  gebracht  wird.  Den  im  Destillationsgefäss  ver- 
bleibenden Rückstand,  den  schwerer  flüchtigen  Theil  des  Inhaltes,  nennt  man  das 
Ph  1  egin  a. 


Digitized  by  Google 


DESTILLATION. 


449 


Aach  behufs  Ausführung1  umfassenderer  Destillationen  werden  in  pharmaceu- 
tischen  Laboratorien  und  chemischen  Fabriken  Glasapparate  benutzt.  Insbesondere 
zur  Destillation  von  Säuren  oder  solchen  Stoffen,  welche  anderes  Material  angreifen 
würden,  verwendet  man  Destillationsgefässe  von  Glas  oder  gebranntem  Thon.  Der- 
artige Retorten  haben  entsprechende  Dimensionen  und  werden  in  eigens  construirten 
Oefen,  Capellen-  oder  Galeerenöfen,  seltener  über  Gasöfen  erhitzt.  Kühlvorrichtung 
und  Vorlage  sind  den  übrigen  Grössenverhältnissen  angepasst.  Für  andere  Destilla- 
tionen  bedient  man  sich  mehr  oder  weniger  grosser  metallener  Kessel  —  Blasen 
—  die  mit  einem  helmartigen  Aufsatz,  dem  Helm,  versehen  sind,  von  welchem 
ein  seitliches  Abzugsrohr  in  das  Ktihlrohr  führt. 

Die  Blasen  sind  entweder  eingemauert  und  werden  direct  erhitzt,  oder  sie  liegen 
in  einem  besonderen  Behälter  und  werden  von  aussen  her  durch  Dampf,  gewöhn- 
lich durch  gespannte  Dämpfe  erhitzt,  oder  es  wird  durch  einen  im  oberen  Theil 
der  Blase  befindlichen  Tubus  Dampf  in  dieselbe  eingeführt  und  so  der  Inhalt  zur 
Destillation  gebracht.    Der  Helm ,   welcher  auflutirt  oder  aufgeschraubt  wird  ist 


Fig.  TU. 


ebenso,  wie  das  Kühlrohr  von  Metall.    Nur  bei  älteren  und  kleineren  Apparaten 
findet  ein  Lutiren  mit  einem  Kitt  von  Leinmehl,  Bolus  und  Wasser  statt;  bei 
grösseren  Apparaten  verriehtet  ein  zwischen  den  Rändern,  die  zusammengeschraubt 
werden,  befindlicher  Gummireifen  die  Diehtung;  zinnerne  Apparate  bedürfen  über- 
haupt keiner  Dichtung,  wenn  alle  beweglichen  Theile  eonisch  passend  zu  einander 
geschliffen  sind.  Blase,  Helm  und  Kühlrohr  können  die  verschiedenste  Gestalt  haben. 
Man  gibt  den  Blasen  eine  kugelförmige,  ovale  oder  zwiebeiförmige  Gestalt,  je 
nachdem  man  glaubt,  die  vorhandene  Wärmequelle  am  besten  ausnutzen  zu  können. 
Sie  sind  meist  von  Kupfer,   innen  verzinnt,   seltener  von  anderem  Metall  (Blei, 
Platin,   Guss-  und  Schmiedeeisen,  letztere  meist  nur  zur  trockenen  Destillation). 
Der  Helm  ist  meist  von  demselben  Metall ,   aus  welchem  die  Blase  gefertigt  ist, 
bisweilen  von  Zinn.  Er  ist  klein  oder  gross,  kalbkugel-,  glockeu-  oder  kegelförmig, 
stets  mit  einem  seitlichen  Abzugrohr  versehen.   Das  Kühlrohr  ist  fast  stets  von 
Kupfer  und  ruht  in  dem  Ktthlfass,  in  welchem  es  vom  Kühlwasser  umspült 
wird.    Schlangen  förmig  gebogene  Kühlrohre  sind  schwer  zu  reinigen ;   man  zieht 
ans  diesem  Grunde  aus  zickzackförmig  aneinander  gereihten  Einzelröhren  con- 

Keal-ivucyclupadie  der  «es.  Pharinacie.  III.  29 


450 


DESTILLATION. 


struirte  Kühlrohre  vor.  Die  Anschlüsse  liegen  ausserhalb  des  Kühlfasses  und  ge- 
statten durch  Abnahme  des  Schraubenverschlusses  ein  leichtes  Reinigen  der  einzelneu 
Röhrentheile.  Für  gewisse  Zwecke ,  z.  B.  zum  Zweck  der  Alkoholgewinnung,  sind 
den  Destillirapparaten  noch  Nebeneinrichtungen  gegeben,  die  allerdings  für  den 
betreffenden  Zweck  selbst  als  Haupteinrichtungen  erscheinen  müssen.  Man  wünscht 
die  fluchtigen  Bestandtheile  des  Blaseninhaltes  möglichst  vollständig  und  in  reinster 
Form  zu  gewinnen  und  sucht  dies  dadurch  zu  erreichen,  dass  man  die  Dämpfe 
des  Destillates  wiederholt  der  Einwirkung  kühler  Metallflachen  aussetzt  und  da- 
durch die  schwerer  flüchtigen,  leichter  condensirbaren  Bestandtheile  derselben  (das 
P  h  1  e  g  m  a)  veranlasst,  verdichtet  in  die  Blase  zurückzufliessen.  Die  hierzu  dienen- 
den Apparate  werden  Dephlegmatoren  oder  R ect if icatoren  genannt.  Eine 
andere  Modifikation  ist  die  Anbringung  des  Vorwärmers,  in  welchem  die  später 
zur  Füllung  der  Blase  dienende  Flüssigkeit  durch  die  in  der  Blase  entwickelten 
Dämpfe  erhitzt  wird,  wodurch  einmal  die  Dämpfe  selbst  wasserarm  werden, 
der  Flüssigkeit  Alkohol  entzogen  und  eine  Menge  Brennmaterial  gespart  wird. 
Grosse  Spiritusbrennereien  sind  für  Dampfbetrieb  eingerichtet ;  die  vollkommensten, 
in  Deutschland  am  meisten  benutzten  Apparate  sind  die  von  Pistorius  und  der 
Colonnenapparat  von  Savalle. 

Auch  in  pbarmaccutiseben  Laboratorien  bedient  man  sich  mit  Vorliebe  der 
Dampfdcstillation.  Ein  diesem  Zwecke  dienender,  sehr  compendiöser  und 
weit  verbreiteter  Apparat  ist  der  von  Bkindorff  construirte.  —  S.  Dampf- 
apparate. 

Soll  mit  der  Destillation  eine  Extraction  verbunden  werden,  so  wendet  man 
gespannte  DMmpfe  an,  die  in  einem  getrennt  vom  Destillirapparat  aufge- 
stellten Dampfkessel  entwickelt,  und  mit  welchen  gewöhnlich  mehrere  Apparate 
gleichzeitig  gespeist  werden.  Dieses  Verfahren  wird  vorzugsweise  bei  der  Dar- 
stellung aromatischer  Wässer  und  ätherischer  Oele  angewandt.  Die  zerkleinerten 
Substanzen,  aus  denen  die  flüchtigen  Bestandtheile  gewonnen  werden  sollen,  werden 
locker  auf  ein  den  Boden  der  Blase  bedeckendes  Sieb  geschüttet.  Die  100°  heissen 
Dämpfe  treten  durch  eine  im  Boden  der  Blase  befindliche  Oeffnung  ein  und  durch- 
dringen das  Material  in  kräftig  lösender  Weise. 

Die  Destillation  wird  so  lange  fortgesetzt,  bis  ein  färb-  und  geruchloses  Destillat 
erhalten  wird.  In  Fabriken  ätherischer  Oele  ist  zwischen  Kühler  und  Blase  eine 
Florentiner  Flasche  eingeschaltet,  aus  welcher  das  noch  ölhaltige  wässerige  Destillat 
durch  ein  bis  fast  auf  don  Boden  der  Blase  gehendes  Rohr  immer  wieder  in  diese 
zurückgeführt  wird,  bis  völlige  Entölung  stattgefunden  hat. 

Eine  andere  Methode  zur  Erlangung  kräftiger  aromatischer  Wässer  oder 
Spirituse  nennt  man  Cohobiren.  Sie  besteht  darin,  dass  man  das  Destillat  in 
die  Blase  zurückgibst  und  entweder  wiederholt  über  denselben  Destillationsrtick- 
stand  oder  über  neue  Mengen  derselben  Substanz  abzieht.  Auf  diese  Weise  werden 
die  in  der  Pharmacie  gebräuchlichen  zehu-  und  mehrfach  concentrirten  Wässer 
hergestellt. 

Die  Destillation  im  luftverdünnten  Raum  findet  mannigfache  Anwendung 
in  pharmaceutischen  Laboratorien  und  in  der  Grossindustrie.  Das  Hauptaugenmerk 
ist  hierbei  weniger  auf  das  Destillat,  als  wie  auf  Gewinnung  des  Destillationsrtirk- 
standes  gerichtet.    Man  bedient  sich  hierzu  eigens  construirter ,  sogenannter  Va 
cuumapparate  (Fig.  74). 

Die  Blase  bildet  hier  ein  verzinnter  Kessel,  welcher  in  einen  grösseren  Kessel 
so  eingelassen  ist,  dass  der  Zwischenraum  mit  Dampf  gespeist  werden  kann.  Ein 
anderes  Dampfrohr  führt  in  den  Kessel  hinein,  um  den  zur  Austreibung  der  Luft 
benöthigten  Dampf  zulassen  zu  können.  Ferner  ist  ein  mit  Hahn  und  Sangrobx 
versehener  Tubus  an  dem  Kessel  angebracht ,  um  während  des  Arbeitens  neue 
Flüssigkeit  aus  dem  Vorrathsgefäss  nachziehen  zu  können.  Endlich  iBt  noch  eine 
zur  Einführung  eines  Thermometers  befindliche  Oeffnung  in  demselben  vorhanden. 
Den  Helm  bildet  eine  mittelst  Gummiringes  luftdicht  aufgesetzte  Glasglocke,  welche 

!      .  Digitized  by  Google 


DESTILLATION. 


451 


im  oberen  Tbeil  eine  mit  Manometer  und  Vierwegehahn  versehene  Hülse  trägt,  an 
welche  gleichfalls  das  nach  dem  Condensator  führende  Abzugsrohr  angeschraubt 
ist.  Der  Condensator,  innerhalb  dessen  ein  mit  Wasserleitung  in  Verbindung  zu 
Hetzender  Kühler  liegt,  dient  zur  Wiedergewinnung  der  oft  werthvollen  Flüssig- 
keiten (Aetber,  Alkohol  etc.),  die  aus  einem  am  unteren  Theil  des  Apparates  an- 
gebrachten Hahn  abgelassen  werden  können.  Ein  am  oberen  Theil  des  Apparates 
angebrachter  Hahn  kann  mit  einer  Luftpumpe  in  Verbindung  gebracht  werden, 
die  in  Betrieb  gesetzt  wird,  wenn  nicht  vorgezogen  wird,  die  Luft  durch  Dampf 
auszutreiben. 

In  chemischen ,  Mineralwasser-  und  in  Eisfabriken ,  sowie  auf  Kriegsschiffen 
fuuctioniren  Apparate  zur  schnellen  Darstellung  grosser  Mengen  von 
destillirtem  Wasser.  Sie  bestehen  in  der  Hauptsache  aus  zwei  sehr  grossen, 
durch  Dampfrobr  mit  einander  verbundenen  Cylindern ,  von  denen  der  eine  als 


Fi«.  74. 


Danipfentwickler,  der  andere  als  Condensator  dient.  Der  eine  ist  bis  zur  zulässigen 
Höhe  mit  vorgewärmtem  Wasser  gefüllt ,  welches  durch  ein  innerhalb  desselben 
liegendes  System  von  Danipfröhren  zum  Sieden  gebracht  wird.  Der  Heizdampf 
wird  in  einem  besonderen  Kessel  entwickelt.  Die  aus  dem  Entwickler  in  den 
Condensator  entweichenden  Dämpfe  passiren  mehrere  in  demselben  liegende  Systeme 
von  Kühlröhren,  die  von  continuirlich  frisch  zulaufendem  Wasser  umspült  werden, 
und  werden  hier  condensirt.  Das  ablaufende  Wasser  wird  in  einem  Bassin  ge- 
sammelt und  von  hier  abgelassen.  Derartige  Apparate  vermögen  täglich  60  b 
destillirtes  Wasser  und  darüber  zu  liefern. 

Völlig  verschieden  von  der  Destillatiou  der  Flüssigkeiten  mit  verhältnismässig 
niedrigem  Siedepunkt  ist  die  nur  bei  hohen  Temperaturen  ausführbare  trockene 
Destillation,  die  in  der  Technik  eine  hervorragende  Rolle  spielt.  Während 
dort  chemisch  fertige,    nur   in  ihren  äusseren  Kigeusehaften  verschiedene  Körper 

29* 


452 


DESTILLATION. 


von  einander  getrennt  werden,  oder  doch  nnr  chemische  Zersetzungen  niederer 
Grade  stattfinden,  finden  hier  tiefeingreifende  Zersetzungen  statt.  Der  trockenen 
Destillation  werden  gewöhnlich  nur  organische  Körper,  d.  h.  solche,  die 
in  der  Hauptsache  aus  Kohlenstoff,  Wasserstoff,  Sauerstoff  und  ßtickstoff  bestehen, 
unterworfen.  Beim  Erhitzen  derselben  entweicht  zunächst  das  in  ihnen  vorhandene 
hygroskopische  Wasser.  Bei  weiterer  Erhitzung  findet  eine  Lockerung  der  Atome, 
eine  Spaltung  der  Moleküle  und  eine  Umlagerung  derselben  statt,  die  zur  völligen 
Autlösung  des  bisherigen  Bestandes  und  zur  Neubildung  der  verschiedensten  und 
complicirtesten  Verbindungen  führt.  Die  Gestaltung  derselben  wird  stets  von  der 
Natur  des  Materiales,  von  der  Höhe  der  angewandten  Temperatur  und  der  Art 
ihrer  Steigerung,  von  dem  im  Destillationsgefass  befindlichen  Druck,  von  der  Form  und 
Grösse  der  Destillationsgefässe  selbst  und  von  der  Art  der  Dampfverdichtung 
abhängig  sein.  Im  Allgemeinen  wird  sich  ein  Theil  des  gelockerten  Sauerstoffes 
mit  äquivalenten  Mengen  Wasserstoff  und  Kohlenstoff  zu  Wasser  und  Kohlensäure 
verbinden.  Wasserstoff-  und  Kohlenstoffatome  werden  sich  zu  Kohlenwasserstoffen 
aneinander  lagern.  Stickstoffatome  werden  zur  Bildung  von  Ammoniak-  oder  Am- 
moniurobasen  oder  Cyanverbindnngen  Verwendung  finden.  Während  bei  der  Destil- 
lation kohlenstoffarmer  Körper,  wie  Oele,  Harze,  die  Gesammtmenge  des  Kohlen- 
stoffes zur  Bildung  flüchtiger  Stoffe  verbraucht  und  entfernt  wird,  bleibt  von 
kohlenstoffreicheren  Körpern,  von  Brennmaterialien,  Brandölen,  ein  grosser  Theil 
des  Kohlenstoffes  in  Form  von  Coaks  oder  Brandharzen  u.  s.  w  in  der  Retorte 
zurück.  Je  mehr  Wasserstoff  im  Destillationsmaterial  vorhanden  ist,  um  so  grösser 
wird  im  Allgemeinen  die  Menge  der  complicirteren  Zersetzungsproduete  sein. 

Als  Destillationsgefäss  pflegt  man  gusseiserne,  seltener  irdene  Retorten  zu  ver- 
wenden ;  noch  seltener  werden  aus  Platten  oder  Blechen  zusammengenietete  Kästen, 
die  in  Gefässöfen  eingesetzt  werden,  benützt.  Die  Retorten  haben  entweder  Kessel- 
form, oder  es  sind  liegende,  seltener  stehende,  mit  Mannloch  versehene  Oylinder ;  sie 
sind  zu  mehreren  neben-  und  übereinander  einem  Ofen  eingebettet  und  werden, 
entweder  jede  für  sich,  oder  mehrere  gemeinsam  durch  eine  Feuerung  erhitzt. 

Was  die  Condensationsvorrichtungen  anbetrifft,  so  sind  sie  den  Destillations- 
produeten  entsprechend,  und  es  sind  häufig  für  diejenigen,  welche  als  die  werth- 
vollsten gelten,  noch  besondere  Neben-  und  Reinigungeapparate,  wie  z.  B.  bei  der 
Bereitung  von  Leuchtgas,  angebracht.  Meistens  sind  die  Abzüge  der  einzelnen 
Retorten  zu  einem  grösseren  Hauptrohr  vereinigt ;  seltener  werden  die  Destülations- 
produete  der  einzelnen  Retorten  für  sich  aufgefangen.  Wenn  nicht  etwa  das  Haupt- 
augenmerk auf  die  Gewinnung  des  festen  Destillationsrückstandes,  wie  bei  der  Ver- 
coakung  der  Kohlen,  gerichtet  ist,  so  wird  man  auf  die  ergiebigste  Ausbeute  von 
flüssigen  oder  gasförmigen  Producten  zu  sehen  haben.  Den  flüssigen  Theil  bilden 
zwei  Schichten,  eine  wässerige  und  eine  ölige  Schicht.  Die  wässerige  Flüssig- 
keit reagirt  alkalisch,  wenn  Ammoniak  und  Stickstoffverbindungen  vorwalten 
(z.  B.  in  dem  bei  der  Verkohlung  der  Knochen  und  bei  der  Darstellung  des  Leucht- 
gases enthaltenen  Destillat)  oder  sie  reagirt  sauer,  wenn  sie  Essigsäure  und  von 
der  Reihe  der  fetten  Körper  ableitbare  Verbindungen  enthält  (z.  B.  in  dem  bei 
der  trockenen  Destillation  des  Holzes  erhaltenen  Destillat).  Die  ölige  Flüssigkeit, 
aus  welcher  eine  Anzahl  wichtiger  Stoffe  abgeschieden  werden  kann  (wie  Paraffin, 
Naphthalin,  Kreosot,  Benzol  u.  s.  w.)  und  welche  den  Ausgangspunkt  für  eine 
höchst  wichtige  Farbenindustrie  bildet,  wird  Theer  genannt.  Der  bei  der  Ver- 
kohlung der  Knochen  gewonnene  Theer  ist  als  rohes  ThierÖl  (Oleum  animale 
f'oftidum)  in  Apotheken  usuell.  UeberaU,  besonders  aber  bei  der  Gewinnung  des 
Holzessigs,  sind  Vorkehrungen  getroffen,  dass  beide  Arten  von  Flüssigkeiten  ge- 
trennt von  einander  aufgefangen  werden  können.  Es  geschieht  dies  durch  Ein- 
schaltung grosserer  Gefässe  zwischen  Retorte  und  Kühlvorrichtung,  in  welcher  sich 
die  schwerer  flüchtigen,  leichter  condensirbaren  Stoffe  absetzen.  Als  eigentliche  Con- 
densationsvorrichtungen dienen  entweder  wirkliche,  mit  Schlaugenrohr  etc.  versehene 
Kühlfäaaer  oder  mau  bedient  sich  einer  Anzahl  durch  Blei-  oder  irdene  Rohre  unter 

Digitized  by  Google  ; 


DESTILLATION.  —  DEVONISCHES  SYSTEM. 


453 


einander  verbundener,  mit  Abzughahn  versehener  kleinerer  GefHssc,  die  man  einfach 
der  Einwirkung  der  kühlen  Luft  überlässt.  Die  gasförmigen  Producte  werden, 
wenn  ihre  Gewinnung,  wie  die  des  Leuchtgases,  nicht  Hauptzweck  ist,  entweder 
Leuchtzwecken  nutzbar  gemacht  und  bei  ihrem  Anstritt  aus  dem  für  sie  bestimmten 
Abzugrohr  direct  verbrannt  oder  sie  werden  in  die  Feuerung  geleitet  und  kommen 
der  Heizung  zu  Gute.  Sie  bestehen  ans  einer  Mischung  von  brennbaren  (Kohlen* 
Wasserstoffen ,  Kohlenoxyd  u.  s.  w.)  und  nicht  brennbaren  Gasen  (Kohlensäure)  und 
müssen,  wenn  sie  allgemeinen  Brennzwecken  dienen  sollen,  von  allen  Uureinig- 
keiten  durch  einen  besonderen Reinigungsprocess  befreit  werden.  —  S.  Leuchtgas. 

Eisner. 

Determination,  d.  h.  Bestimmung,  nennt  man  das  Hinzufügen  besonderer 
Merkmale  zu  einem  allgemeinen  Begriffe,  wodurch  dieser  an  Inhalt  gewinnt, 
dagegen  an  Umfang  abnimmt;  so  wird  der  weite  Begriff  „Mensch"  durch  die 
Bestimmung  „alt"  zum  engeren  Begriffe  „Greis".  Der  Gegensatz  zu  Determination 
ist  Abstraction,  d.  L  die  Ausdehnung  oder  Verallgemeinerung  eines  Begriffes 
dureh  Hinweglassen  besonderer  Merkmale. 

Detonation  ist  der  Knall,  welcher  hervorgerufen  wird  durch  das  Hinein- 
stürzen von  Luft  in  einen  durch  plötzlich  eintretende  chemische  Zersetzungen 
(Pulver,  Dynamit)  oder  Verbindungen  (Knallgas,  Chlorwasserstoffgas)  erzeugten 
luftleeren  Raum.  Meist  ist  eine  Detonation  von  Licht-  oder  Wärmeentwickelung 
begleitet,  welche  indessen  nicht  zum  Wesen  der  Detonation  gehören.  Detonation 
ist  also  nicht,  wie  in  einigen  Lehrbüchern  zu  lesen,  „eine  chemische  Trennung 
oder  Vereinigung  unter  Verpuffung",  auch  nicht  „der  unter  starkem  Geräusch 
verlaufende  Act  einer  chemischen  Verbindung",  sondern  lediglich  das  Verpuffen 
oder  der  Knall  selber,  also  nur  eine  secundäre  akustische  Erscheinung  in  Folge 
einer  chemischen  Zersetzung  oder  Verbindung.  Ganswind t. 

Deuteropin,  ein  wenig  gekanntes  Opiumalkaloid,  s.  d. 

DeutO-  (aus  dem  Griechischen)  bezeichnet  die  höhere  Oxydationsstnfe  und 
war  früher  in  der  pharmazeutischen  Nomenclatur,  jetzt  noch  in  Frankreich,  in 
Gebrauch.  Deutochloruretum  Hydrargyri,  Deutochlorure  de  mercure  sublim  £  — 
Hydrargyrum  bichloratum;  Deutojoduretum  Hydrargyri,  Deutojodure  de  mer- 
cure —  Hydrargyrum  bijodatum.  Ferner:  Deutochromas,  Deutomnrias,  Deuto- 
nitras,  Deutooxydum.  Die  niedrigere  Oxydationsstufe  wird  dieser  Nomenclatur 
entsprechend  mit  Proto-  bezeichnet. 

Deutsch- Kreutz  in  Ungarn  besitzt  einen  viel  versendeten  alkalischen  Säuerling. 
Derselbe  enthält  in  1000  Th.  NaH003  0.877,  CaH^CO^  0.963.  MgH^rCO,), 
0.319,  NaCl  0.093. 

Deutscher  Kaffee,  ein  Wurzelsurrogat,  s.  Cichorienkaffee,  Bd.  III, 
pag.  133. 

Devay's  Pilulae  Zinci  valerianici.  ig  Zhcum  mierian.,  o.ig  Extr. 

Belladonna« ,  je  1  g  Extr.  Chinae  und  Extr.  Gentianae  zu  20  Pillen,  welche 
versilbert  werden. 

Devergie's  Solutio  arsenicalis.  o.ig  Addum  arsenicosum  und  O.ig 

Kalium  carbonicum  werden  in  500  g  Aqua  gelöst,  dann  0.5  g  Spiritus  Melitta* 
compo8.  hinzugefügt  und  mit  Tinctura  GoccioneVae  gefärbt.  1  g  Solutio  enthält 
O.OO02g  arsenige  Säure. 

Devildora,  *.  Debr  e  e  (1  w  a. 

DeVOniSCheS  System  ist  eine  auf  dem  silurwehen  System  auflagernde 
mächtige  Schichtengruppe  sedimentärer  Gesteine;  en  trennt  das  silurisehc  System 
von  der  Steinkohlengruppe. 


Digitized  by  Google 


454 


DEXTKAN.  —  DEXTRIN. 


Dextran,  C,  H10  Oö,  ist  ein  durch  Gährung  gewonnenes  Gummi  und  bildet  sieb 
bei  der  Milchsäuregährung  des  Zuckers  neben  Milchsflure  und  Mannit,  kann 
auch  bei  der  Milchsflurebereitung  als  Nebenproduct  gewonnen  werden.  Es  findet 
sich  oft  in  grosser  Menge  in  der  Melasse  und  wird  daraus  gewonnen  durch  Zusatz 
von  40 — 50  Procent  Wasser,  Ansfluern  mit  HCl,  und  Zumischen  von  Alkohol. 
—  Amorphe,  in  Wasser  zu  einer  klebrigen  Flüssigkeit  leicht  lösliche  Masse, 
welche  von  Alkohol  als  elastische,  fadenziehende  Masse  gefällt  wird.  8tark  reehts- 
drehend ;  reducirt  FEHLiXG'sehe  Lösung  nicht,  gibt  aber  mit  derselben  /einen  hell- 
blauen Niederschlag.  Geht  durch  Kochen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  langsam 
in  GlukoBe  Über.  Ganswind t. 

Dextrin,  Stflrkegummi,  C„Hl0OB.  Das  Dextrin  gehört  zur  Gruppe  der 
Kohlehydrate,  deren  aus  Kohlenstoff,  Wasserstoff  und  Sauerstoff  bestehende  Glieder 
die  letztgenannten  Elemente  im  wasserbildenden  Verbflltninse  besitzen.  —  Vor- 
kommen und  Bildung:  Das  Dextrin  ist  zuerst  von  Vaitquelix  1811  erkannt, 
von  Persoz  und  Payen  1833  naher  untersucht  und  von  verschiedenen  Forschern 
in  Getreidekörnern  (Fürstkxberg,  vox  Plaxta,  Stein)  und  in  den  aus  solchen 
hergestellten  Nahrungsmitteln,  wie  Bier  und  Brod,  gefunden  worden;  auch  ist  das- 
selbe (von  Llmpricht,  Bkrxhard  und  Saxsox)  in  Blut,  Muskeln,  Milz  und  Leber 
von  körnerfressenden  Thieren  nachgewiesen  worden.  Es  ist  im  Allgemeinen  als 
ein  bei  der  Umwandlung  der  8tärke  in  Zucker  entstehendes  Zwischenproduct  zu 
betrachten.  Diese  Umwandlung  kann  auf  mannigfache  Art  bewirkt  werden :  durch 
Rösten  des  Stärkemehls ,  durch  Einwirkung  von  Säuren  oder  von  'Diastase  auf 
Stärkemehl.  Gewinnung:  Das  Rösten  der  Stärke  geschieht  entweder  in  flachen 
Kästen  oder  in  rotirenden  Cylindern .  die  einer  Temperatur  von  180 — 200°  aus- 
gesetzt werden.  Bei  höherer  Temperatur  findet  leicht  Verbrennuug  der  Stärke 
statt,  während  feuchtem  Stärkemehl  niedrigere  Temperaturen  (160°)  der  Umbildung 
günstig  sind.  In  manchen  Fabriken  wird  beliebt .  das  Stärkemehl  unter  Zusatz 
geringer  Mengen  fremder  Hilfsmittel  (Milch ,  Alaun;  mit  Wasser  zu  formbarer 
Masse  anzurühren ,  diese  in  Stücke  zu  schneiden ,  zu  rösten  und  zu  sieben.  Das 
durch  den  Röstprocess  gewonnene  Dextrin  wird  im  Handel  Leiocom  oder  Lei o- 
gomme  (Röstgummi)  genannt.  —  Bei  der  S  äu  r  e  b  eh  an  d  1  ung  kommen  Salz- 
säure ,  Schwefel- ,  Salpeter-  und  Oxalsäure  in  Betracht.  Sowohl  Menge,  wie  Ver- 
dünnung und  auch  Zeit  der  Einwirkung  werden  durch  praktische  Betriebserfah- 
rungen ermittelt  und  festgestellt.  Nach  einem  von  Payen  mitgetheilten  Verfahren 
werden  1000  kg  Kartoffelstärke  mit  3001  Wasser  und  2  kg  concentrirter  Salpeter- 
säure durchfeuchtet:  die  getrocknete  uud  gesiebte  Masse  wird,  auf  flache  Schub- 
laden in  3 — 4  cm  hohe  Schichten  ausgebreitet,  1 — 1.5  Stunden  in  einem  110» 
warmen  Luftbade  erhitzt.  Die  Säuren  müssen  arsen-  und  chlorfrei  sein;  arsenfrei 
aus  hygienischen  Grüudeu,  chlorfrei,  weil  bei  der  Anwenduug  chlorhaltigen  Dex- 
trins in  der  Textilindustrie  das  Chlor  die  Wirkung  der  Druckfarben  etc.  beein- 
trächtigen würde.  Wird  Oxalsäure  verwendet,  so  muss  dieselbe,  wenn  die  Einwirkung 
vollendet  ist,  mittelst  Calciumcarbonates  wieder  entfernt  werden.  Eine  von  Ficixrs 
herrührende  Vorschrift  ftlr  das  früher  officinelle  Präparat  Hess  300  g  Kartoffel- 
stärke mit  1.51  kaltem  Wasser  und  £  g  Oxalsäure  anrühren  und  im  Wasserbade  s» 
lange  erhitzen ,  bin  eine  herausgenommene  Probe  durch  Jodlösung  nicht  mehr 
gebläut  wurde.  Sodann  wurde  die  Lösung  mit  gefälltem  Calciumcarbonat  nea- 
tralisirt,  nach  zweitägigem  Stehen  tiltrirt  und  das  Filtrat  zur  Trockne  gebracht. 
Bei  der  Einwirkung  der  Diastase  auf  Stärkemehl,  von  der  zur  fabriksmässigen 
Gewinnung  des  Dextrins  nur  selten  Gebrauch  gemacht  werden  dürfte,  ist  zu  be- 
obachten ,  dass  .die  umwandelnde  Wirkung  dieses  Fermentes  fast  ausschliesslich 
zwischen  60  und  75«  stattfindet.  Bei  niedrigerer  Temperatur  wird  sie  unverhält- 
nissmässig  stark  vermindert,  bei  höherer  hört  sie  ganz  auf.  Nie  wird  Diastase  in 
Substanz,  sondern  stets  Malzanfguss  oder  Malzschrot  verwendet.  —  Eine  praktisch© 
Anwendung  des  Rö st \ erfahren«  wird  auch  bei  der  Darstellung  der  Kindernähr- 


Digitized  by  Googl 


DEXTRIN". 


455 


mehle  ausgeübt,  während  das  Diastaseverfahren ,  welches  hier  allerdings  bis  zur 
fast  vollendeten  Verzuckerung  fortgesetzt  wird,  einen  Hauptprocess  in  der  Bier- 
brauerei repräsentirt.  —  Dasjenige,  was  bisher  als  Dextrin  bezeichnet 
wurde ,  ist  als  ein  reines ,  scharf  eharakterisirtes  Präparat  nicht  anzusehen  ;  es 
wird  vielmehr  stets  mit  mehr  oder  weniger  grossen  Mengen  von  Stärke,  Trauben- 
zucker und  denjenigen  Substanzen  verunreinigt  sein,  welche  zur  Darstellung  des 
Fabrikates  dienten.  Dazu  kommt,  dass  bei  der  Verzuckerung  der  Stärke  nicht  ein 
bestimmtes  Zwischenproduct,  sondern  eine  Menge  solcher  entstehen ,  die  alle  mit 
dem  Namen  „Dextrine"  belegt,  aber  durch  ihr  Verhalten  gegen  Jodlösung  von 
einander  unterschieden  werden.  So  werden  die  ersten  ümsetzungsproducte ,  deren 
Losungen  durch  Jodtinctur  noch  blau  gefärbt  werden,  als  Amy logen  und 
Amy  lodextr  in ,  ein  durch  Jod  rothbraun  gefärbtes  als  Erythrodextrin 
oder  a-Dextrin,  ein  anderes ,  welches  durch  Jodlösung  nicht  mehr  sichtbar 
verändert  wird ,  als  Achroodextrin  oder  -  D e x t r i n  bezeichnet ,  während 
die  vollendete  Maltose  als  Maltadextrin  oder  v- Dextrin  aufgefasst  werden 
soll.  —  Reines  Dextrin >  ist  aus  dem  Handelspräparat  durch  mehrmaliges  Auf- 
lösen in  Wasser  und  Fällen  mit  Alkohol  zu  erhalten:  das  Trocknen  des  Nieder- 
schlages muss  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  am  besten  Uber  Schwefelsäure  nnter 
dem  Recipienten  einer  Luftpumpe,  geschehen,  da  feuchtes  Dextrin  bei  höherer 
Temperatur  grosse  Neigung  hat,  sich  in  Traubenzucker  zu  verwandeln. 

Eigenschaften:  Das  im  Handel  vorkommende  Dextrin  bildet  entweder  ein 
weisses  (durch  den  Säureprocess  gewonnenes)  oder  ein  gelbes  bis  bräunliches  Pulver 
(durch  den  Röstprocess  gewonnen)  oder  gummiartige  Stücke  mit  muschligem  Bruch 
oder,  wasserhaltig,  einen  dicken  grauen  Syrup.  Das  reine  Dextrin  ist  ein  weisses, 
gerueh-  und  geschmackloses  Pulver  vom  spec.  Gew.  1.52.  Reines  Dextrin  löst  sich 
in  gleichen  Theilen  Wasser  zu  einem  neutral  reagirenden,  klebrigen  Syrup,  während 
die  Handelspräparate  einen  erheblichen  Rückstand  ungelöst  lassen.  Die  wässerige 
Lösung  lenkt  die  Ebene  des  polarisirten  Lichtstrahles  erheblich  nach  rechts  ab, 
(a)j  =  176°.  In  absolutem  Alkohol  und  in  Aether  ist  das  Dextrin  unlöslich. 
Diastase  führt  Dextrinlösungen  bei  60 — 75°  in  Maltose  über,  jedoch  nicht  voll- 
ständig, und  bei  verschiedenen  Temperaturen  verschiedene  Mengen.  Dextrin  ist 
nicht  direct  gährungsfähig ;  weil  bei  der  Bierbrauerei  durch  den  Zusatz  des  Hopfens 
die  zuckerbildende  Wirkung  der  Diastase  zu  einer  Zeit  aufgehoben  wird,  wahrend 
welcher  noch  unzersetztes  Dextrin  in  der  Würze  vorhanden  ist,  so  wird  solches 
aueh  im  fertigen  Biere  noch  zu  finden  sein.  Verdünnte  Säuren  führen  das 
Dextrin  in  Traubenzucker  über;  als  Nebenproduct  entsteht  ein  unverjährbarer 
Körper,  den  Bechamp  Amyloid  genannt  hat  und  welcher  ebenfalls,  wenn 
auch  minder,  die  Ebene  des  polarisirten  Lichtes  nach  rechts  hinablenkt.  Bei  Ein- 
wirkung heisser  concentrirter  .Salpetersäure  entsteht  in  Wasser  lösliche  Oxalsäure 
(Unterschied  vom  Gummi,  welcher  in  Schleimsäure  übergeführt  wird ,  die  sich 
beim  Erkalten  der  Lösung  ausscheidet  j :  bei  Einwirkung  rauchender  Salpeter- 
schwefelsäure entsteht  in  Wasser  unlösliches,  in  Weingeist  lösliches  Diu it ro- 
de x  tri  n  C6n8(NOa)205.  Beim  Erhitzen  mit  Essigsilureanhydrid  entsteht  Tri- 
aeetyldextrin  H7  (C2  H3  0)s  05.  FEHLiXG'sche  Lösung  wird  in  der  Kälte 
nicht,  wohl  aber  bei  längerem  Erhitzen,  von  Dextrinlösung  reducirt :  BARFOKo'sche 
Lösung  (essigsaure  Lösung  von  essigsaurem  Kupfer)  wird  auch  beim  Erhitzen 
nicht  reducirt  (Unterschied  vom  Traubenzucker).  Bleizuckerlösuug  fällt  Dextrin- 
lösung nicht,  wohl  aber  auf  Zusatz  von  Ammoniak  (Unterschied  von  Gummi). 
Durch  Kalk-  und  Barytwasser  werden  DextrintÖsungcn  gefällt,  durch  Borax,  Gerb- 
säure und  Eisenchlorid  aber  nicht. 

Prüfung:  Die  Prüfung  des  Dextrins  kann  umfassen  die  Bestimmung  der 
Feuchtigkeit,  des  Aschengehaltes,  der  löslichen  und  unlöslichen  Bestandteile,  des 
Gebaltes  an  reinem  Dextrin.  Die  Feuchtigkeit  wird  durch  Austrocknen  einer 
gewogenen  Menge  bei  110°,  am  besten  in  einer  im  Oelbadc  liegenden  U-förmigen 
Röhre  unter  Durchleiten  von  getrockneter  Luft,  bestimmt.   Der  Gehalt  an  an- 

Digitized  by  Google 


456 


DEXTRIN. 


organischen  Körpern  wird  durch  Einäscherung  einer  gewogenen  Menge  im 
Platintiegel  ermittelt.  Den  Gehalt  an  löslichen  Stoffen  findet  man  durch  Be- 
bandeln einer  gewogenen  Menge  lufttrockenen  Dextrins  mit  der  lOfachen  Menge 
Wasser ;  man  verdampft  einerseits  das  Filtrat  zur  Trockne  mit  Nachtrocknen  bei  110°, 
andererseits  wird  das  ungelöst  Gebliebene  im  gewogenen  Filter  bei  110°  getrocknet, 
um  gegenseitig  Controle  auszuüben.  Der  Gehalt  an  reinem  Dextrin  wird  nach 
Rodssin  folgendermaassen  ermittelt:  Eine  gewogene  Menge  des  Rohdextrins  wird 
mit  Wasser  zur  ßyrupconsistenz  angerührt;  die  Mischung  wird  mit  dem  zehn- 
fachen  Volumen  90procentigem  Weingeist  vermischt;  der  Niederschlag  wird  mit 
Weingeist  gewaschen ,  getrocknet  und  gewogen.  1  g  dieses  getrockneten  Dextrins 
wird  in  lOccm  Wasser  gelöst;  die  Lösung  wird  mit  30ccm  56procentigem  Wein- 
geist, 4  Tropfen  26procentiger  Eisenchloridlösung  und  0.3  g  Kreide —  zur  Fällung 
von  etwa  vorhandenem,  mit  Eisentrihydroxyd  sich  verbundenem  Gummi  —  versetzt, 
gut  geschüttelt  und  filtrirt.  Das  Fütrat  wird  mit  95procentigem  Alkohol  gefällt; 
nach  24  Stunden  wird  die  überstehende  Flüssigkeit  abgegossen,  das  Dextrin  in 
wenig  Wasser  gelöst  und  zur  völligen  Trockne  gebracht.  Der  gewogene  Rückstand 
entspricht  dem  in  1  g  enthaltenen  reinen  Dextrin  und  ist  alsdann  auf  die  Menge 
des  in  Angriff  genommenen  Rohdextrins  zu  berechnen. 

Bestimmung:  Behufs  Ermittelung  des  Dextrins  für  analytische  Zwecke  pflegt 
man  dasselbe  in  Traubenzucker  überzuführen  und  diesen  nach  Soxhlet  mit  Fbhling- 
scher  Lösung  zu  bestimmen.  Die  Ueberführung  geschieht  durch  6stttndiges  Erhitzen 
mit  2procentiger  Schwefelsäure  im  Oel-,  Salz-  oder  Luftbade  bei  110°  in  zuge- 
schmolzenen Glasröhren  oder  in  REiscHAUER'schen  Druckfl&schchen.  Nach  Allihn 
soll  durch  l1  2stündiges  Kochen  einer  lOprocentigen  Dextrinlösung  mit  2procentiger 
Salzsäure  über  freiem  Feuer  unter  Anwendung  eines  Rückflusskühlers  dasselbe 
Resultat  zu  erreichen  sein.  10  Th.  Traubenzucker  werden  9  Th.  Dextrin  bei  der 
Berechnung  gleich  erachtet.  Dextrin  neben  Traubenzucker  ist  mit  FEHLiNG'scher 
Lösung  zu  bestimmen ,  da  diese  zunächst  nur  von  letzterem ,  vom  Dextrin  aber 
erst  nach  längerer  Zeit  redncirt  wird.  Die  Bestimmung  des  Dextrins  neben 
Rohrzucker  unterliegt  grösseren  Schwierigkeiten.  Sie  geschieht  nach  Sachse 
durch  Ueberführung  beider  in  die  entsprechenden  Zuckerarten  (Invertzucker  und 
Dextrose)  und  Ermittelung  ihres  Verhaltens  gegen  FEHLiNG'sche  und  SACHSK'sche 
Lösung.  Während  sich  die  erstere  gegen  beide  Zuckerarten  gleich  verhält,  reducirt 
die  letztere  ungleiche  Mengen  derselben,  und  zwar  sollen  nach  Sachse  40  ccm  seiner 
Lösung  (18  g  Quecksilberjodid  und  25  g  Kaliumiodid  in  Wasser  gelöst  unter  Zusatz 
von  80  g  Kaliumbydroxyd  in  Wasser  gelöst  zu  11  aufgefüllt)  0.1342  g  Dextrose, 
aber  nur  0.1072  g  Invertzucker  entsprechen.  Würden  nun  z.  B.  25  ccm  der 
invertirten  Lösung  gerade  genügen,  um  die  in  40 ccm  der  SACBSE'schen  Lösung 
enthaltene  Menge  (0.72  g)  Jodquecksilbers  zu  zersetzen  und  hätte  dieselbe  Menge, 
mit  FEHLiNG'scher  Lösung  geprüft,  0.125  g  Zucker  ergeben,  so  würde  die  Berechnung 
folgendermaassen  sein: 

x  +  y  =  0.125  (x  Dextroae,  y  Invertzucker) 

x- =  *•  5.36  K.J  und  y .  ^  -  T .  6.71  Ka  J 

5.36  z  +  6.71  y  =  0.72 
x  +  y  =0.l¥5 

x  =  U.0S7 
v  =  0.137 

Die  Mischung  bestand  also  aus  87  Th.  Dextrin  und  37  Tb.  Rohrzucker 
(J.  König,  Die  menschl.  Nahrungs-  und  Gcnussmittel.  Berlin,  Julius  Springer). 
—  Anwendung:  Das  Dextrin  wird  vorzugsweise  in  der  Technik  gebraucht,  al* 
Verdickungsniittel  der  Beizen  für  Zinkdruck,  zur  Herstellung  der  Farben  in  Kattun- 
und  Tapetendruckereien .  in  der  Medicin  zur  Anlegung  von  Trockenverbänden, 
früher  auch  zur  Darstellung  trockener  Extracte.  Eisner. 


Digitized  by 


DEXTRO-QÜININE.  —  DIACAUSTICA. 


457 


Dextro-Üuinine  =  Diconchinin,  Ct0  Ht6  N4  09 ,  ist  unter  erstgenan ntem 
Namen  als  Ersatz  des  Chinins  in  Amerika  in  Gebrauch.  —  8.  C  hin  aal  kaloide, 
Bd.  II,  pag.  696. 

Dextrogyr  =  den  polarisirten  Lichtstrahl  nach  rechts  drehend. 

Dextrose  =  Traubenzucker.  S.  Glukose. 

dg  =  Decigramm.  Officiell  sind  die  Maassbezeichnungen  Deci-  (Vto)  und 
Deka-  (10/,)  nicht  gebräuchlich,  sondern  nur  die  Bezeichnungen  für  den  1  ,00 
(Centi-),   Sooo  (Milli-)  oder  den  (Hekto-)  und   »<"><>  \  Th.  (Küo-).  —  S. 

Gewichte. 

Di-  (griechische  Vorsilbe  =  doppelt),  in  gleicher  Weise  in  Verwendung,  wie" 
die  aus  dem  Lateinischen  entlehnte  Vorsilbe  B  i  -  (s.  d.),  z.  B.  Diacetas,  Distdfat. 
Die  neue  chemische  Nomenclatur  wendet  ausschliesslich  die  Vorsilbe  Di-  an,  um 
zu  bezeichnen,  dass  im  Derivat  zwei  gleiche  Substituenten  enthalten  sind ,  z.  B. 
Diäthyl,  Diphenylamin,  DioxybernsteinsSure,  Diazoverbindungen,  Diamine  u.  s.  w. 

Di,  das  chemische  Symbol  von  Didym. 

Diabetes  (o\xßxivi«>,  bindurcbfliessen).  Jede  mit  andauernder  Ausscheidung 
ungewöhnlich  grosser  Harnmengen  einhergehende  Krankheit  wurde  von  den  Alten 
als  Diabetes  bezeichnet.  Diabetes  bedeutete  also  Polyurie.  Gegenwärtig  wendet 
man  den  Namen  Diabetes  nur  auf  zwei  Formen  von  Polyurie  an  und  unterscheidet 
sie  als  Diabetes  mellitus  und  Diabetes  insipidus ;  beide  entstehen  nicht  in  Folge 
von  Nierenerkrankung.  Beim  Diabetes  mellitus  wird  mit  dem  Harne  Trauben- 
zucker ausgeschieden;  deshalb  wird  die  Krankheit  auch  Zuckerbarnruhr  genannt. 
Der  Zuckergehalt  variirt  von  Spuren  bis  10,  ja  bis  25  Procent ;  die  ausgeschiedene 
Zuckermenge  beträgt  im  Mittel  200 — 300  g,  in  extremen  Fällen  1000  g  täglich. 
Der  Zucker  ist  auch  im  Blut  und  in  sämmtlichen  Secreten  nachweisbar;  so  im 
8peioheI.  im  Schweiss,  in  den  Thränen,  im  Magensaft,  im  Lungenauswurf,  in 
diarrhoischen  Stuhlentleerungen  und  auch  in  Transsudaten.  Der  Krankheitsverlauf 
ist  ein  chronischer. 

Beim  Diabetes  insipidus  beobachtet  man  eine  abnorm  gesteigerte  Harn- 
menge ohne  gleichzeitigen  Zuckergehalt ;  die  Stickstoffausscheidung  ist  nicht  immer 
vermehrt.  Die  Krankheit  verläuft  chronisch  und  kommt  im  Gegensatz  zu  D.  mellitus 
meist  bei  jüngeren  Individuen  vor.  Die  täglichen  Harnmengen  belaufen  sich  auf 
mehrere  Liter. 

Beide  Arten  von  Diabetes  können  bei  Thieren  künstlich  erzeugt  werden. 
Ein  Stich,  der  eine  bestimmte  Stelle  am  Boden  der  vierten  Gehirnkammer 
trifft,  verursacht  Diabetes  mellitus,  man  hat  diese  Stelle  das  Diabetescentrum 
genannt.  Wenn  eine  Stelle  am  Boden  des  vierten  Ventrikels  unmittelbar  vor 
diesem  eigentlichen  Diabetescentrum  verletzt  wird,  entsteht  einfache  Polyurie  ohne 
Zucker,  also  ein  dem  Diabetes  insipidus  gleicher  Zustand. 

Diabetes  bark  wird  von  englischen  Drogisten  die  Rinde  von  Anacardium 
occidentale  L.  genannt. 

DiaCaUStica  (xsuw,  ich  brenne)  nennt  man  die  Figur,  welche  ein  cylindrisches 
Lichtbflndel  bildet,  nachdem  es  durch  eine  stark  gekrümmte  Sammellinse  hindurch- 
gegangen und  gebrochen  worden  ist.  Von  einer  schwach  gekrümmten  Linse  wird 
dieser  Lichtcylinder  in  einen  Lichtkegel  umgewandelt ,  dessen  8pitze  im  Brenn- 
punkte der  Linse  liegt.  Bei  stark  gekrümmten  Linsen  sind  die  Brennpunkte  der 
Randstrahlen  und  der  centralen  Strahlen  merklieh  von  einander  entfernt;  es  ent- 
steht somit  eine  Reihe  aufeinander  folgender  immer  mehr  spitz  werdender  Licht- 
kegel, deren  gemeinsame  Berührungsfläche  die  Diacaustica  oder  die  diacaustische 
Fläche  ist ;  sie  hat  die  Gestalt  eines  Zeltdaches  mit  einwärts  geschweiften  Conturon. 

Digitized  by  Google 


458 


DIACAUSTICA.  —  DIÄTHYLACETAL. 


Ein  durch  die  Axe  der  diacaustischen  Flüche  gelegter  Schnitt  gibt  eine  diacauatische 
Linie.  Die  Diacaustica  ist  die  Ursache,  dass  stark  gekrümmte  Linsen  undeutliche 
Bilder  geben.  —  8.  Aberration,  Bd.  I,  pag.  10,  und  Katacaustica. 


Diacetsäure  =  Acetessigsäure,  s.  d.  Bd.  I,  pag.  50. 

Diachel  (Oder  Diakel),  verstümmelte  Abkürzung  von  Diachylon  (owt  und 
Wik).  Weisser  Diachel  oder  weisses  Diachylonpflaster  ist  Emplastrum 
Lithargyri;  gelber  Diachel  ist  Empl.  Lithargyri  compositum;  brauner  Diachel 
ist  das  vorige,  mit  Ocker  braun  gefärbt.  Diachylonsalbe ,  b.  Unguentum 
"diachylon. 

DiaCOdiOn,  von  o*ti  und  xoÄix  (Mohnkopf),  ein  aus  Mohuköpfen  bereitetes 
Mittel,  daher  Syrupus  diacodion  u.  s.  w. 

DiaCridium  Oder  DiagridiOn  ist  ein  altes  Synonym  für  Scammonium. 

Diadelphia  doppelt  und  ix>g/$*S;,  Bruder),  XVII.  Classe  des  LiNXE'schen 
PflanzensystemB.  Die  zu  derselben  gehörenden  Pflanzen  besitzen  Zwitterblüthen, 
deren  Staubgefässe  iu  zwei  Bündel  verwachsen  sind  oder  ein  Staubgefäss  ist  frei 
und  die  übrigen  sind  verwachsen.  Die  Staubbeutel  sind  frei. 

Je  nach  der  Zahl  der  Staubgefilsse  (4 — 6 — 8 — 10,  von  den  letzteren  9  ver- 
wachsen, 1  frei)  unterscheidet  man  die  Ordnungen:  1.  Tetrandria,  2.  Hexandria, 
3.  Octandria,  4.  Decandria.  Die  Blumenkrone  ist  schmetterlingförmig ,  daher  die 
hierhergehörigen  Pflanzen  Papüionaceae  genannt  werden.  Sydow. 

Diaetetica  (Siam^?,  zur  Lebensweise,  zur  Diät  gehörig),  Mittel,  welche, 
ohne  hervorragende  Arzneiwirkung  zu  zeigen,  vorzugsweise  zur  Ernährung  der 
Kranken  dienen  und  aus  den  zur  Erhaltung  des  gesunden  Körpers  dienenden 
Naturproducten  oder  aus  denselben  gemachten  Zubereitungen,  welche  der  Digestion 
geringen  Widerstand  darbieten,  bestehen.  Die  am  meisten  benutzten  Diaetetica 
sind  Fleisch  und  Milch  und  die  zahlreichen  Präparate  aus  diesen  (Fleischextract, 
Pepton,  Serum  lactis,  Kumys,  Kefir  u.  a.  m.),  aus  dem  Pflanzenreiche  die  Cerealieu 
und  Hülsenfrüchte  nebst  ihren  nicht  minder  zahlreichen  Zubereitungen  (  Kindermehle, 
Malzextracte,  Leguminosen  u.  s.  w.).  Auch  die  zum  Theil  den  Genussmitteln  zu- 
fallenden gebräuchlichen  Getränke  iKaffee,  Thee,  Chocolade,  Bier,  Weinj  werden 
den  Diaetetica  zugezählt.  Die  alte  Eintheilung  der  Medicamente  in  diätetische, 
chirurgische  und  medicinische  (Celscs)  ist  gegenwärtig  nicht  mehr  durchzu- 
führen. Th.  Huaemann. 

Diäthylacetal  Und  DimethylaCetal  haben  Verwendung  als  Ersatz  des 
Chloralhydrats  gefunden.    Das  erstere,  Diäthylacetal,  kurzweg  Acetal  genannt, 

OCH 

Aethylidendiäthylftthcr,  CöH140ä  =  CH3  .  CH<\  findet  sich  im  Verlauf  der 

U  L/a  Jd,. 

Branntweindestillation  und  entsteht  durch  Oxydation  von  Alkohol  mittelst  Braun- 
stein und  Schwefelsäure.  Es  ist  in  Wasser  schwer  löslich,  nach  Alkohol  riechend, 
siedet  bei  104°  und   besitzt  ein  spec.  Gew.  =  0.8314  bei  20°.  Das  Dimethyl- 

OCH 

acetal,  Aethylidendiraethyläther ,  C4  H,0  02  =  C  H,  .  CH«^,^«1  findet  sich  im 


rohen  Holzgeist  und  bildet  sich  bei  der  Oxydation  eines  Gemenges  von  Aethyl- 
alkohol  und  Methylalkohol ;  es  ist  eine  ätherische  Flüssigkeit,  siedet  bei  64°  und 
besitzt  ein  spec.  Gew.  vou  0.867  bei  1°.  Vermuthlich  durchlaufen  beide  den  Orga 
nisuius  uuzersetzt.  Als  Form  der  Darreichung  empfiehlt  sich  eine  Emulsion,  zum 
Inhaliren  eignet  sich  Diäthylaeetal ,  seines  höheren  Siedepunktes  wegen ,  weniger 
gut  als  Diuiethylacetal.  Die  Dosen  sind  noch  nicht  sicher  festgestellt.  —  S.  auch 
Acetale,  Bd.  I,  pag.  10.  .Schneider. 


Diacetin.  Ein  Essigsäureester  des  Glycerins  C8 


- 


Digitized  by  Google 


D1ÄTHYLAM1N.  —  DIAGRAMM. 


Diäthylamin,  NH<ca  *  stellt  ein  Ammoniak  vor,  in  dem  2  Atome  Wasser- 
stoff durch  2  Aethylgruppen  ersetzt  sind.  Man^gewinnt  es  durch  Einwirkung  von 
Bromäthyl  auf  Aethylamin,  wobei  sich  bromwasserstoflsaures  Diäthylamin  in  gelben 
Nadeln  abscheidet.  Brennbare,  bei  57.5°  siedende,  in  Wasser  leicht  lösliche 
Flüssigkeit.  Starke  Base,  welche  wohlcharakterisirte  Salze  bildet.       Ganswind t. 

Diagnosis  (&  ayiyvtocxti),  genau  erkennen,  unterscheiden)  nennt  man  das  Er- 
kennen eines  Naturobjectes  oder  eines  Zustandes  aus  der  8umme  seiner  charakteri- 
stischen Merkmale.  In  der  Naturgeschichte  stellt  man  die  Diagnose  über  ein  Thier, 
eine  Pflanze,  ein  Mineral,  indem  man  die  allgemeinen  und  eigentümlichen  Merkmale 
des  Gegenstandes  zusammenfasst  und  daraus  Familie,  Gattung  und  Art  bestimmt. 

Die  Diagnose  gibt  die  zur  Unterscheidung  erforderlichen  Merkmaie  in  mög- 
lichster Kürze  an  und  wird  daher  meist  nur  einige  Organe  zu  berücksichtigen 
haben,  während  im  Gegensatz  hierzu  die  Beschreibungen  sowie  die  zwischen 
Diagnose  und  Beschreibung  stehenden  Charaktere  ein  vollständiges  Bild  geben 
sollen.  Man  kann,  der  Eintheilung  der  Naturreiche  entsprechend,  Classen-,  Familien-, 
Gattung»-.  Artdiagnosen  unterscheiden,  die  sich  in  der  Regel  auf  einzelne  be- 
stimmte Organe  erstrecken.  So  hat  man  es  bei  den  Gattungsdiagnosen  der  Pflanzen 
wesentlich  mit  den  Eigenschaften  der  Blüthentheile,  einschliesslich  der  Frucht,  bei 
den  Artdiagnosen  aber  mit  denen  der  vegetativen  Organe  zu  thun.  Zur  Abfassung 
der  Diagnosen  bediente  man  sich  früher  ausschliesslich  und  bedient  man  sich  auch  jetzt 
noch  in  den  meisten  wissenschaftlichen  systematisch-botanischen  Werken  der  lateini- 
schen Sprache,  die  sich  hier,  wo  Missverständnisse  durchaus  vermieden  werden  müssen, 
ihrer  internationalen  Verständlichkeit  wegen  namentlich  empfiehlt.  Mylins. 

In  der  Heilkunde  stellt  man  die  Diagnose  einer  Krankheit  aus  ihren  Symptomen. 
Bei  der  Stellung  der  Diagnose  muss  von  der  medicinischen  Zcichenlehre,  S  e  m  i  o  t  i  k, 
Gebrauch  gemacht  werden ;  doch  ist  man  häufjg  genug  genöthigt,  die  Modalität 
des  Auftretens,  sowie  den  Verlauf  der  Krankheit  mit  in  Betracht  zu  ziehen  um 
zu  einer  bestimmten  Diagnose  zu  gelangen.  Besonders  im  Beginne  einer  Erkran- 
kung muss  die  Diagnose  häufig  in  suspenso  gelassen  und  in  der  Behandlung  blos 
auf  die  Bekämpfung  lästiger  Krankheitssymptome  hingearbeitet  werden.  Die  Wissen- 
schaft, welche  die  Kunst  lehrt,  Krankheiten  richtig  zu  erkennen,  nennt  man 
Diagnostik. 

Diagometer  sind  von  Rousseau  und  Palmikri  construirte  Apparate,  die 
dazu  bestimmt  sind,  das  elektrische  Leitungsvermögen  fetter  Oele  rasch  und  sicher 
zu  messen.  Es  sollen  sieh  damit  besonders  leicht  Verfälschungen  des  Olivenöles 
erkennen  lassen ,  da  das  elektrische  Leitungsvermögen  desselben  weit  kleiner  ist. 
als  das  der  anderen  Oele.  Benedikt. 

Diagramm.  Um  die  Zahl  uni  die  Anordnung  der  Blüthentheile  in  einfacher 
Weise  zu  versinulichen  und  viele  Blüthen  in  dieser  Hinsicht  vergleichen  zu  können, 
bedient  man  sich  des  Blüthengrundrisses  oder  des  Diagramms.  Es  ist  dies  ein 
Schema,  in  welchem  die  Blüthentheile  im  Grundriss  nach  Zahl  und  Stellung  zu 
einander  durch  Zeichen  dargestellt  sind,  die  ungefähr  ihrem  Querschnitt  entsprechen. 
Ea  werden  hierbei  die  einzelnen  Blüthenblattkrcise,  so  namentlich  Kelch-  und  Kron- 
blfltter,  zur  besseren  Unterscheidung  mit  verschiedener  Schraffirung  versehen.  Um 
den  Werth  des  Diagramms  noch  zu  steigern,  wird  auch  wohl  die  Lage  der  Blüthe 
zu  den  vorausgehenden  Blättern,  sowie  bei  Seitenbltithen  zur  Abstammungsachse 
angemerkt.  Schwierige  und  abnorme  Erscheinungen  in  der  Bildung  einer  Blüthe 
können  durch  die  schematische  Zeichnung  eine  Erklärung  finden ,  und  zwar  wird 
ein  solches  Diagramm,  bei  dessen  Composition  auch  theoretische  Erwägungen  statt- 
finden, ein  theoretisches  genannt,  während  es  andererseits,  wenn  es  nur  die 
Äussere  Erscheinung  ohne  Erklärungsversuch  wiedergibt ,  als  empirisches  be- 
zeichnet wird. 

Digitized  by  Google 


460 


DIAGRAMM. 


Die  Vergleichung  der  Diagramme  ergibt,  dass  die  Anordnung  der  Blätter 
der  einzelnen   Kreise   zweifacher   Art    sein   kann    und   darnach  unterscheidet 

Fig.  75. 


Diagramm  der  Diagramm  der  Diagramm  der  Diagramm  einer 

Lifienblüthe.  Cruciferenblüthe.  Leinhlüthe.  Schmetterlingsbluthe. 

Die  auf  einanderfolgenden  Kreise  bedeuten  von  aussen  nach  innen:  Kelch,  Blumenkrone, 
Staubgefässkreise,  Pistill.  Der  Punkt  deutet  die  Stellung  der  Blüthenstaudsaxe  an.  (Nach 

£  i  c  h  1  e  r  und  Leunis-Frank.) 


man  zwei  grosse  Gruppen  von  Bltlthenformen ,  nämlich  cyclische  und  acyc- 
1  i  s  c  h  e. 


Diagramme  der  Scrophulnrineenblüthe. 
A  von  Vtrlnttcum  mgrum.  B  von  Linaria  vuigarit  mit  gespornter 
Unterlippe,  C  von  OratMa  of/lcinalu. 


Diagramme  der  Labiatenblüthe. 
I>  von  Irmina  a'bnm  mit  4  didynamiscben 
Stanbgofässen,  K  von  Sa! via  orjtdnatis  mit 
8  Staubgefässen  (nur  die  eine  Antheren- 
hälfte  ausgebildet)  und  2  Staminodien. 
*  Unterdrücktes  Staubgeflw. 


Fig. 

o 


C  y  c  1  i  8  c  h  e  Blttthen  sind  solche,  deren  Kreise  Quirle  bilden,  wobei  jedoch  bemerkt 
werden  muss,  dass  aus  der  Deckung  der  Kelch-  und  Kronenblätter  in  der  Knospe 
bei  vielen  auf  eine  ursprünglich  spiralige 
Anordnung  geschlossen  werden  kann.  Nach 
der  gewöhnlich  für  jede  Blüthe  charakteri- 
stischen Anzahl  von  Blättern  in  jedem  Blüthen- 
kreise  unterscheidet  man  von  letzteren  z  w  e  i-, 
drei-,  vier-,  fünf-  etc.  gl  ie  der  ige  (di- 
mere,  trimere,  tetramere,  pentamere  etc.). 
Dimere  Bl  Athen  kreise  haben,  z.  ß.  Circaea  und 
Majauthemum.  trimere  die  meisten  Monocotyle- 
donen,  tetramere  Oenothera  und  viele  Rubia- 
ceen,  pentamere  viele  Dicotyledonen,  hexamere 
Lythrum,  heptamere  Trientalis.  Das  Androe- 
ceum  und  Gynaeceum  von  Sempervivum  zeigt 
bis  zu  zwanzig  Blätter  in  cyclischer  Anord- 
nung. Obwohl  meist  sämmtliche  Blüthenkreise 
gleichgliederig  sind ,  tritt  doch  auch,  nament- 
lich im  Gynaeceum  eine  andere  An/.ahl  —  in 
der  Regel  eine  geringere  —  auf  (z.  B.  üm- 
bellifercn),  während  sich  andererseits  die  er- 
wartete Anzahl  eines  Kreises  vervielfältigt.  Der 
letztere  Fall  wird  vorzugsweise  durch  Auftreten  mehrerer  übereinander  stehender 
Quirle  (z.  B.  das  sechsblätterige,  aus  zwei  dreigliederigen  Quirlen  bestehende  Perigon 


Acyclischer  Blüthengrundrisa  der  See- 
rose fSvphar  tarnt«/. 
t-6 Kelchblätter ;  t—ts  Kronenblätter  : 
mehrere  ISgliederige  Wirtel  von  Staub- 
gefässen;    ein   «»fächeriger  Frucht 
knoten.  (.Vach  K  i  c  h  1  e  r.) 


Google 


DIAGRAMM.  —  DIALYSE. 


461 


vieler  Monocotyledonen)  oder  durch  Chorise  (s.  Bd.  III,  pag.  102)  oder  durch 
Dedoubl ement  (s.  pag.  422)  hervorgerufen.  Die  aufeinanderfolgenden  Quirle 
alterniren  ziemlich  ausnahmslos,  und  wenn  bei  einer  Blüthe  die  Blatter  zweier 
Kreise  superponirt  sind,  pflegt  man  anzunehmen,  dass  zwischen  beiden  Kreisen 
ein  Quirl  normal  unterdrückt  ist. 

Acyclische  Blüthen  (Fig.  77)  sind  solche,  bei  deren  Formationen  die  Blätter  nicht 
in  Kreisen  oder  Quirlen,  sondern  spiralig  angeordnet  sind,  wobei  die  Blätter  in  der 
Kegel  in  sehr  grosser  und  nicht  bestimmter  Anzahl  auftreten.  Hierher  gehören  z.  B.  die 
Blflthen  der  Nymphaeaceen,  Magnoliaceen,  Calycanthecn,  Cacteen.  Siud  einzelne 
Kreise  einer  Blüthe  cyclisch,  andere  derselben  aber  aeyclisch,  so  nennt  man  die 
Hlüthe  hemi  eye  lisch,  so  z.  B.  bei  Anemone,  Hepatica,  Banunculus,  deren  Kelch 
und  Krone  sich  cyclisch,  Staubgcfässe  und  Carpelle  aber  aeyclisch  zeigen.  — 
Vergl.  auch  Blüthen  formein,  Bd.  II,  pag.  318.  C.  Mylius. 

Diagrydium.  a.  Scammonium. 

DialOSe,  eine  von  Payen  aus  Dialiumfrtichten ,  die  in  China  statt  der 
Seife  zum  Waschen  benutzt  werden ,  dargestellte ,  im  höchsten  Grade  quellbare 
Substanz. 

Dialysate.  Diai  ysirte  Tincturen  sind  in  Amerika  aufgetauchte  alkoho- 
lische Tincturen,  vorwiegend  alkaloidhaltiger  Drogen,  die  der  Dialyse  unterworfen 
werden ,  um  Harze ,  Fett  und  Farbstoffe  etc.  zu  entfernen.  Die  erhaltenen 
dialysirten  Tincturen  sollen  sich  aus  diesem  Grunde  auch  mit  Wasser,  Syrup, 
Salzlösungen  ,  Glycerin  ohne  Trübung  oder  Niederschlag  klar  mischen.  D  i  a  1  y- 
sirtes  Ki  sen  =  Liquor  ferri  dialysati.  Dialysirtes  Mutterkor n- 
extract  =  Extractum  iSecalis  cornuti  dialysatum.  Dialysirte  Seife  =  Sapo 
dialysatus. 

Dialysator,  s.  D  i  a  1  v  g  e. 

Dialyse  ist  die  Bezeichnung  für  einen  ganz  eigenthümlichen  Trennung« Vor- 
gang zwischen  verschieden  gearteten,  in  der  gleichen  Lösung  befindlichen  Stoffen 

mittelst  Diffusion  durch  eine  Scheidewand  von 
vegetabilischem  Pergament.  Man  bedient  sich 
für  Zwecke  der  Dialyse  gemeinhin  eines 
Apparates ,  bestehend  aus  einem  Glasgefäss, 
dessen  Boden  aus  Pergamentpapier  besteht 
(am  besten  einer  weithalsigen  Flasche  oder 
eines  Pulverglases,  dessen  Boden  man  mit 
Sprengkohle  absprengt  und  dessen  Halsöffnung 
man  dann  mit  Pergamentpapier  umbiudet ,  und 
einem  grösseren  mit  Wasser  gefüllten  Cylin- 
der.  Senkt  man  dann  das  Pergaraentpapier- 
gel'äss  s<»  weit  in  den  mit  dcstillirtem  Wasser 
gefüllten  Cylinder ,  dass  die  Flüssigkeiten  in 
beiden  Gefassen  in  gleichem  Niveau  stehen, 
so  ist  damit  der  dialytische  Apparat,  der 
Dialysator,  fertig.  Die  Trennung  auf 
dem  Wege  der  Dialyse  beruht  auf  dem  ver- 
schiedenen 1  >iti'usiuns\  ermögen  verschiedener 
Körper  durch  vegetabilische  Membranen ;  bei 
einer  grossen  Anzahl  von  Körpern,  vornehm- 
lich solcher,  welche  krystallisationsfHhig  sind ,  ist  das  Diffusionsvermögen  ein  be- 
sonders grosses,  bei  anderen  hingegen  ist  die  Diffusibilitflt  eine  höchst  geringe 
oder  gleich  Null.  Man  hat  auf  Grund  dieses  Verhaltens  die  Körper  in  zwei  Kate- 
gorien gebracht,  und  die  erstereu  KrystalLoide,  die  letzteren  dagegen,  welche 


Fig.  78. 


Google 


DIALYSE.  -  DIAMANT 


durchgehend  amorph  und  nicht  selten  gallertartig  sind,  Colloide  genannt.  Die 
Dialyse  dient  also  zur  Trennung  der  Krystalloide  und  Colloide ;  so  z.  B.  von 
Alkaloiden  (welche  diffundiren)  und  Extractivbestandtheilen,  wie  Harz,  Chlorophyll, 
Farbstoff  (welche  zurückbleiben).  Der  Vorgang  der  Trennung  mittelst  Pergament- 
papier wird  als  Dialyse  bezeichnet,  der  Vorgang  der  Diffusion  aber,  also  das 
Diffundiren  selbst,  als  Osmose  oder  Diosmose.  Gans  w  in  dt. 

Dialysirte  Kieselsäure  ist  Kieselsäurebydrat  in  reiner  wässeriger  Lösung, 
mittelst  der  Dialyse  gewonnen.  Setzt  man  zu  einem  Ueberschuss  von  verdünnter 
Salzsäure  eine  Lösung  von  kieselsaurem  Natron,  so  entsteht  kein  Niederschlag 
und  das  Kieselsäurehydrat  bleibt  gelöst.  Diese  Lösung  enthält  aber  noch  Chlor- 
natrium und  Salzsfture.  Bringt  man  dieselben  in  einen  dialytischen  Apparat,  wie 
derselbe  unter  Dialyse  beschrieben  wurde,  so  diffundiren  die  letzteren  durch  die 
Membran  und  die  Kieselsäure  bleibt  gelöst  als  dialysirte  Kieselsäure  zurück. 

Ganswind  t. 

DialytiSCher  Apparat  dient  zur  Trennung  von  Körpern  durch  Dialyse 
und  ist  unter  Dialyse  beschrieben. 

Diamagnetismus,  vom  Eisen  sowie  vom  Nickel  und  vom  Kobalt  wusste  mau 
schon  vor  langer  Zeit,  dass  sie  von  einem  Magnetpole  angezogen  werden.  Die 
übrigen  Körper,  bei  welchen  man  eine  solche  Anziehung  nicht  bemerkte,  bezeichnete 
man  als  nicht  magnetisch.  Faraday  hat  1845  gezeigt,  dass  ein  kräftiger  Magnet- 
pol auf  jeden  Körper  eine  Wirkung  ausübt ;  dass  die  Reihe  der  magnetischen, 
oder  von  ihm  paramagnetisch  genannten  Körper  viel  grösser  ist ;  das»  Mangan, 
Chrom,  Palladium,  Platin,  Cerium,  Osmium,  Titan  und  auch  verschiedene  nicht 
metallische  Substanzen ,  wie  Turmalin ,  Flussspat ,  Graphit,  Holzkohle  und  manche 
Sorten  von  Papier  und  Siegellack  sich  einem  Magnetpole  gegenüber  ähnlich  ver- 
halten, wie  Eisen,  d.  h.  kugelförmige  Stücke  (nicht  geometrisch  kugelförmig,  son- 
dern nur  in  dem  Sinne,  dass  keine  Dimension  besonders  vorherrscht)  dieser  Sub- 
stanzen werden  von  jedem  Pole  angezogen ;  in  Stäbchenform  zwischen  zwei  Magnet- 
pole aufgehängt,  stellen  sie  sich  axial,  es  fällt  nämlich  die  Längenachse  des 
Stäbchens  zusammen  mit  der  Verbindungslinie  beider  Pole.  Kugelförmige  Stücke 
anderer  Stoffe  hingegen  werden  von  jedem  Magnetpole  (Faraday  verwendete  die 
Polo  kräftiger  Elektromagnet«)  abgestossen :  in  Stäbchenform  zwischen  den  Polen 
aufgehängt,  stellen  sie  sich  äquatorial,  d.  h.  senkrecht  auf  die  Verbindungs- 
linie beider  Magnetpole.  Diese  Eigenschaft  einer  grossen  Reihe  von  Körpern,  von 
einem  Magnetpole  abgestossen  zu  werden,  nannte  Faraday  Diamagnetis- 
mns.  Besonders  ausgezeichnet  ist  der  Diamaguctismus  des  Wismutes  und  des 
Antimons. 

Auch  Flüssigkeiten  und  Gase  sind  dem  Magnetismus  unterworfen.  Zur  Prüfung 
auf  Paramagnctismus  oder  Diamagnetismus  worden  Flüssigkeiten  in  eine  dünn- 
wandige Glasröhre  gefüllt,  das  Rohr  horizontal  zwischen  den  Magnetpolen  aufge- 
hängt und  nachgesehen,  ob  es  sich  axial  oder  äquatorial  stellt.  Die  Flammen 
brennbarer  Gase  erhalten  durch  die  Magnetpole  eine  äquatoriale  Stellung.  Nach 
Plücker's  Versuchen  ist  Sauerstoff  paramagnetisch  und  Wasserstoff  diamagnetisch. 

Diamant  (Demant,  engl.  Diamond,  franz.  Diamant  —  vom  griechischen 
a.bzy.zt;  =  unbezwingbar  abgeleitet  —  russ.  und  pers.  Almas),  der  im  Verhältnis« 
zu  seinem  Gewicht  und  seiner  Grösse,  sowie  seiner  Seltenheit  und  ausgezeichneten 
Eigenschaften  wegen  werthvollgte  aller  Edelsteine. 

Die  wichtigsten  Fundorte  des  Diamanten  liegen  in  Vorderindien  zwischen  dem 
14°  und  26°  n.  Br. ,  auf  Borneo  und  Sumatra,  in  Brasilien,  besonders  in  den 
Provinzen  Minas-Geraes,  Matto- Grosso  und  Bahia,  in  Südafrika  zwischen  dem  Oranje- 
und  Vaalfluss  mit  Kinrechnung  des  Nordufers  des  letzteren ,  im  Ural ,  in  Nord- 
amerika (im  südlichen  Alleghany-Gebirge  in  den  Staaten  Nordcarolina  und  Georgia), 
in  Califoruien  u.  s.  w. 


Digitized  by  Google 


DIAMANT. 


463 


Der  Diamant  findet  sieh  allermeist  in  einem  eigenartigen  Alluvium ,  in  den 
sogenannten  Diamantseifen,  in  bis  6m  und  darüber  tiefen,  mannigfache  Gemeng- 
theile ,  wie  Lehm ,  Thon  ,  Sand ,  Grand ,  Geschiebe ,  Conglomerate  und  Breccien 
führenden  Schuttablagerungen  der  Flussbette  oder  am  Fusse  oft  hoher  Berggipfel. 
In  Indien  und  Brasilien  haben  die  hier  und  da  mehrere  Meter  tief  liegenden 
diamantführenden  Schichten  dieser  Ablagerungen  nur  selten  eine  Mächtigkeit  von 
1  m.  Merkwürdigerweise  ist  immer  nur  eine  solche  Schicht  vorhanden.  Ihre  Grund- 
masse oder  „Matric"  besteht  in  Indien  aus  einem  hier  und  da  durch  Lehm  oder 
Thon  verbundenen  Gemenge  von  Sand  und  Grand  aus  Sandstein,  Quarz,  Jaspis, 
Chalcedon  und  Carnool  mit  Einmengungen  grösseren  Geschiebes  von  Hornstein, 
Granit,  Kalkconglomerat  u.  s.  w.    Auf  der  Westseite  des  Ratoos-Gebirges  auf 
Borneo  liegon  die  aus  Serpentin,  Diorit,  Quarzgeschieben  und  verhärtetem  Mergel 
bestehenden  diamantführenden  Seifen  unter  mächtigen  Dammerdeschichten ;  die 
IH.nuanten  sind  hier  von  Gold  und  Platin  begleitet.  In  Brasilien,  in  Nordamerika 
und  im  Ural  ist  der  Itacolumit  das  Muttergestein.  Auch  hier  wird  der  Diamant  heute 
nur  noch  durch  Wäscherei  aus  den  Geröllablagerungen  und  Sanden  der  Fluss- 
thäler,  in  denen  er  lose  neben  anderen  Edelsteinen  und  oft  auch  neben  Gold  vor- 
kommt ,    gewonnen.    Die  Diamantgruben  Südafrikas,  welche  die  durchschnittlich 
ziemlich  grossen,  fast  immer  aber  etwas  gelblich  gefärbten  sogenannten  Cap  Diamanten 
liefern,  liegen  entweder  unmittelbar  an  den  Ufern  der  Flüsse  (River  Diggings)  oder 
in  beträchtlicher  Entfernung  von  Wasserläufen  (Dry  Diggings).  In  jenen  ist  Vor- 
kommen nnd  Gewinnung  der  Diamanten  ähnlich  wie  in  Indien  und  Brasilien.  Die 
gesammten  diamantf Uhrenden  Massen  haben  eine  Mächtigkeit  bis  zu  12  m;  die 
Diamanten  liegen  in  einem  mit  lehmigem  Sand  oder  Thon  gemengten  buntfarbigen 
Gerölle  und  Geschiebe  von  mancherlei  Quarzvarietäten,  versteinertem  Holz,  von 
solchen  Gesteinen,  die  im  oberen  Flusslaufe  anstehen  und  in  den  „Dry  Diggings" 
vorkommen.  Die  letzteren  bilden  etwa  den  Maren  der  Eifel  vergleichbare  krater- 
artige Vertiefungen,  welche  nach  oben  hin  mit  einer  lichtgelblichen  mürben,  von 
15 — 20  m  Tiefe  ab  mit  einer  dunkelbläulichgrauen,  sehr  festen,  einem  veränderten 
vulcani8irten  Tuff  gleichenden  Masse  ausgefüllt  sind.  Nur  in  dieser  tuffigen  Masse, 
welche  zahlreiche  Bruchstücke   und   oft   gewaltige  Felsmassen  der  angrenzenden 
GeBteine  einschließt,  werden  Diamanten  gefunden.  In  diesen  Vertiefungen  ist  man 
selbst  bei  150  m  Tiefe  nicht  auf  anstehenden  Fels  gestossen.    An  der  Oberfläche 
wird  der  diamantführende  Boden  in  einer  Mächtigkeit  von  bis  1  m  von  porösem 
Kalktuff  und  darauf  lagerndem  rothem  Sande  bedeckt,  welche  Ablagerungen  durch 
die  Atmosphärilien  oft  tief  in  die  Unterlage  hinabgeführt  wurden  und  dabei  aus- 
nahmsweise und  zufällig  Diamanten  einschlössen.  E.  Cohn  .  welcher  die  Diamant- 
felder Südafrikas  eingebend   studirt  hat,   hält  die  „Dry  Diggings"  für  Producte 
vulcanischer  Thätigkeit,  die  isolirten  k  rater  förmigen  Becken  für  wirkliche  Krater ; 
er  nimmt  an,  es  sei  ihre  Ausfflllmasse  in  Form  einer  durch  wässerten  Asche ,  den 
Auswurfsmassen  der  Schlammvulcaue  ähnlich,  zur  Eruption  gelangt,  die  eingebetteten 
Bruchstücke  und  Felsmassen  aber  seien  Theile  der  bei  der  Eruption  gehobenen, 
durchbrochenen  und  zertrümmerten  Schichten  der  Schiefer  und  Sandsteine  mit  den 
eingeschalteten  Diabaslageru,  welche  das  Plateau  der  sogenannten  Karooformation 
bilden,  auf  dem  die  „Dry  Diggings"  liegen. 

Die  Diamantenwäscherei  ist  eine  vielfach  mit  den  einfachsten  Hilfsmitteln  be- 
triebene Sehlämmarbeit.  Alle  leichteren  Theile,  wie  Lehm,  Thon  und  Sand ,  werden 
auf  schiefer  Ebene,  am  Maharadi  in  Vorderindien  z.  B.  nur  ein  etwa  2  m  langes, 
mit  etwa  8  cm  hohem  Rande  versehenes  Brett,  durch  Wasser  weggeschwemmt,  hier- 
auf die  groben  Theile  ausgelesen  und  nun  der  Rückstand  auf  Diamanten  durch- 
sucht. In  Brasilien  erfolgt  das  Sammeln  der  diamantführenden  Flussablagerungen 
in  der  trockenen  Jahreszeit  nach  vorheriger  Ableitung  des  Wassers  durch  Dämme, 
das  Waschen  aber  während  der  Regenzeit.  Unter  fortwährendem  Umrühren  werden 
hier  in  Trögen  die  diamanthaltigen  Massen  so  lange  ausgeschlämmt,  bis  das  Wasser 
völlig  klar  abläuft,  worauf  der  Rückstand  in  der  Hand  durchsucht  wird.  Die  „Dry 


Digitized  by  Google 


464 


DIAMANT. 


Diggings"  Süd-Afrikas  werden  seit  etwa  zehn  Jahren  in  sehr  regelmässiger  Weise 
und  sorgfältig  ausgebeutet ;  die  Wäsche  erfolgt  mit  Hilfe  von  Maschinen ,  welche 
täglich  bis  zu  500000  kg  und  mehr  des  diamantfahrenden  Bodens  zu  waschen 
gestatten.  Seit  jener  Zeit  hat  man  auch  in  Afrika  viel  kleine  Diamanten  unter 
1  Gran  Gewicht,  die  früher  meist  verloren  gingen,  gefunden. 

Die  ältesten,  freilich  sehr  mangelhaften  Nachrichten  Uber  den  Diamant  rühren 
von  Plato  her.  Weit  ausführlichere  Mittheilungen  über  ihn  machte  Plixiüs,  dem 
schon  die  indischen  Diamanten  und  die  Thatsache  bekannt  waren,  dass  mit  Diamant 
andere  Edelsteine  geschnitten  werden  können.  In  Indien  ist  der  Diamant  jeden- 
falls schon  im  grauen  Alterthume  bekannt  gewesen.  In  Brasilien  hatte  man  glänzende, 
beim  Goldwaschen  gefuudene  Steine,  die  erst  im  Jahre  1727  als  Diamanten  erkannt 
wurden,  bisher  weggeworfen  oder  als  Spielmarken  benützt.  In  Nordcarolina  wurden 
Diamanten  im  Jahre  1845  aufgefunden,  nachdem  lange  vorher  A.  v.  Humboldt 
auf  die  Wahrscheinlichkeit  ihres  Vorkommens  hingewiesen  hatte  und  kurz  vorher 
Itacolumit  aufgefunden  worden  war.  Auch  für  den  Ural  war  aus  den  bestehenden 
geologischen  Verhältnissen  das  Vorkommen  von  Diamanten  durch  mehrere  Forscher 
und  zuletzt  durch  A.  v.  Humboldt  vorbergeaagt  worden.  Die  ersten  Diamanten 
wurden  hier  im  Jahre  1829  gefunden.  Die  Anzahl  und  das  Gewicht  der  im  Ural 
gefundenen  Steine  ist  nur  unbedeutend.  In  Südafrika  entdeckte  man  das  Vor- 
kommen von  Diamanten  1867,  auf  Sumatra  1840. 

Der  Diamant  ist  ziemlich  reiner  Kohlenstoff.  Er  stellt  die  eine  der  drei  ätio- 
tropen Modifikationen  des  Kohlenstoffs  dar.  Alle  Krystallformen ,  in  denen  der 
Diamant  gefunden  wird,  gehören  dem  regulären  oder  Tesseralsysteme  an.  Die 
Formen,  in  denen  er  am  häufigsten  auftritt,  sind  das  Octaeder  (vorzugsweise  bei 
den  indischen)  und  das  Rhombendodekaöder  (besonders  häufig  bei  den  brasilianischen 
Diamanten) ;  doch  kommen  auch  audere  abgeleitete  Formen ,  Combinationen  und 
Zwillingsformen  (schwer  zu  verarbeiten),  selten  der  Würfel  und  das  Tetraeder  vor. 
Auch  Zusammenhäufungen  und  Verwachsungen  sind  gefunden  worden.  Viele,  selbst 
grosse  Rohdiamanten  lassen  kaum  deutlich  ausgebildete  Krystallflächen  erkennen, 
zumal  die  letzteren  selbst  bei  regelmässigen  Formen  allermeist  gekrümmt  sind; 
es  haben  dann  solche  Rohdiamanten  oft  eine  recht  unansehnliche  Gestalt. 
Meist  ist  die  Oberfläche  der  Diamanten  glatt ,  bisweilen  aber  auch  rauh  und 
gestreift  und  selbst  von  einer  schuppigen  oder  höckerigen  und  rissigen  Rinde 
bedeckt. 

Die  Diamanten  sind  entweder  völlig  durchsichtig  oder  weniger  durchsichtig  bis 
undurchsichtig,  ganz  farblos  (vom  hohen  ersten  Wasser)  oder  mehr  oder  weniger 
und  in  mehreren  Schattirungen  roth,  gelb,  grün,  blau,  braun  und  selbst  schwarz 
gefärbt.  Auch  Diamanten  mit  gefärbten  Punkten ,  Flecken ,  wolkigen  oder  moos- 
artigen Zeichnungen  in  der  meist  farblosen  Hauptmasse  und  mit  Sprüngen  (soge- 
nannten Federn)  kommen  vor.  „Wasser"  ist  der  technische  Ausdruck  für  die 
höheren  Grade  der  Durchsichtigkeit  und  Farblosigkeit. 

Der  Diamant  ist  durch  ausserordentlichen,  eigentbümlichen  Glanz,  durch  hohes 
Liehtbrechungsvermögen  (Brechungacoeffieient  =  2.487)  und  prächtiges  Farbenspiel 
(Feuer),  das  heisst  durch  bedeutende  Farbeuzerstreuung  ausgezeichnet;  sein  Feuer 
ist  um  so  grösser,  je  höheren  Grades  sein  Wasser,  je  vollkommener  seine  Durch- 
sichtigkeit und  Farblosigkeit  ist. 

Trotz  seiner  grossen  Härte  (10.  und  höchster  Grad  der  Härtescala)  besitzt  er 
weuig  Festigkeit ;  er  ist  spröde  uud  leicht  pulverisirbar.  Parallel  den  Flächen  des 
regulären  Octaeders  Iässt  sich  der  Diamant  leicht  spalten  und  so  für  die  nach- 
folgende Bearbeitung  vorbereiten.  Er  zeigt  einen  muscheligen,  hin  und  wieder 
auch  splitterigen  Bruch. 

Das  speeitische  Gewicht  der  Diamanten  schwankt  zwischen  3.33  (ein  nord- 
amerikanischer  Steinj  und  3.55  (orangefarbener  indischer  Diamant). 

Der  Ausdehn uugseoefficient  des  Diamauten  ist  nach  Fitzeau  sehr  klein  (Verlänge- 
rung der  Längeneinheit  von  0 — 100°  =  0.000132 ;  gewöhnliches  Glas  =  0.000861) 


Digitized  by  Google 


DIAMANT. 


465 


und  nimmt  mit  sinkender  Temperatur  rasch  ab  (bei  —  42.3°  =  0,  wonach  also 
hier  der  Diamant  seine  grösste  Dichte  erreicht). 

Die  specifische  Wärme  des  Diamanten  beträgt  nach  Regnault  zwischen  +  9» 
nnd  98°  =  0.1469;  sie  wird  nach  Weber  erst  bei  985°  constant:  0.459. 

Der  Diamant  leitet  die  Wärme  schlecht,  die  Elektricität  nicht;  durch  Reibung 
wird  er  positiv  elektrisch,  verliert  aber  seine  Elektricität  schon  nach  kurzer  Zeit 
wieder  vollständig. 

Plinius  hielt  noch  den  Diamant  für  unverbrennlioh,  Newton  aber  sc  bloss  aus 
dem  starken  Lichtbrechungsvermögen  und  der  Dichte  des  Diamanten,  dass  er  ver- 
brennlich  sein  müsse.   Experimentell  wurde  seine  VerbrennUchkett  zuerst  1694 
seitens  der  Akademie  del  Cimento  zu  Florenz  dar^ethan;  im  Focus  eines  sehr 
grossen  Brennspiegels  bekam  der  Diamant  Risse  und  verschwand  ohne  vorheriges 
Schmelzen   unter  starkem  Funkeusprtthen.  Später  wurden  wiederholt  Diamanten 
bei  Luftzutritt  verbrannt;   es  ergab  sich,  dam  dazu  bereits  die  Schmelzhitze 
des  Silbers  (etwa  1000°)  ausreicht    Mehrere  Beobachter  stimmen  darin  über- 
ein, dass  der  Diamant  beim  Verbrennen  im  Focus  des  Brenn.spiegels  oder  vor  dem 
Knallgasgcblflse  sich  schwärzt,  als  wäre  er  berusst  und  dann  abfärbt.  Beim  Ver- 
brennen von  Diamant  in  einer  mit  Gas  geheizten  Muffel  und  von  Diamantsplittern 
auf  Platinblech  vor  dem  Löthrohre  konnte  wohl  nur  deshalb  niemals  Schwärzung 
beobachtet  werden,  weil  hier  die  Hitze  zur  Graphitbildung  nicht  ausreichte  (G.  Rosb). 
Bei  völligem  Luftabschlüsse . scheint  er  selbst  noch  in  der  Schmelzhitze  des  Roh- 
eisens vollständig  unveränderlich  zu  sein,  dagegen  in  heftigster  Weissgluth  (Schmiede- 
eisenschmelzhitze) mit  Beibehaltung  der  Form  allmälig  in  Graphit  flberzugehen 
(G.  Rose).    Obwohl  schon  früher  Lavoisiee  nachgewiesen  hatte,  dass  das  Ver- 
brennungsproduct  der  Diamanten  Kohlendioxyd  ist,  zeigte  doch  erst  H.  Davy,  dass 
der  verbrennliche  Tbeil  desselben  nur  aus  Kohlenstoff  besteht.  In  Sauerstoff  zum 
Glühen  erhitzt  verbrennt  der  Diamant  unter  lebhafter  Feuererscheinung.  Mit 
schmelzendem  Kalisalpeter  liefert  er  kohlensaures  Kalium.  Im  feingepulverten  Zu- 
stande kann  er  sogar  durch  Erhitzen  mit  einer  Lösung  von  chromsaurem  Kalium 
in  mit  einem  Fünftel  Volumen  Wasser  verdünnter  Schwefelsäure  langsam  zu  Kohlen- 
dioxyd oxydirt  werden.  Zwischen  den  in  Kohlenspitzen  endigendeu  Polen  einer  aus 
100  Elementen  bestehenden  BüNSEN'schen  Batterie  wandelt  sich  Diamant  unter 
ausserordentlich  lebhafter  Lichtentwickelung  nach  vorher  »er  Erweichung  in  eine 
coaksähnliche  Masse  um  und  Dbspeetz  beobachtete,  dass  er  im  luftleeren  Räume 
oder  in  einem  indifferenten  Gase  unter  dem  Einflüsse  einer  aus  500—600  Bunskn- 
schen  Elementen  bestehenden  Batterie  sich  verflüchtigt,  in  Graphit  verwandelt  und 
Schmelzung  zeigt.  Beim  Verbrennen  hinterlässt  er  eine  Kleinigkeit  einer  röthlichen, 
bisweilen  aus  glänzenden*  Theilchen  zusammengesetzten,  Kieselsäure  und  etwas 
Eisenoxyd  enthaltenden  Asche. 

Seit  etwa  fünfzig  Jahren  kommt  von  Brasilien  her  ein  aschgrauer  bis  bräunlich- 
schwarzer derber  Diamant  in  den  Handel,  der  in  der  Provinz  Bahia,  und  zwar 
ebenfalls  im  8eifengebirge,  in  Gestalt  rundlicher  Körner  oder  in  rundlichen  Stücken 
von  bis  Wallnussgrösse,  ja  selbst  bis  zum  Gewichte  von  1  kg  gefunden  wird. 

Die  Edelsteinschneider  nennen  diese  Diamantvarietät  Garbonado  oder  Gar- 
bo n  a  t.  Trotz  seiner  porösen  Beschaffenheit  hat  er  doch  eine  ausserordentliche 
Härte.  Sein  Bpecifisches  Gewicht  wurde  zu  3.01—3.42  gefunden.  Beim  Erhitzen 
verhält  er  sich  insofern  vom  Diamant  verschieden ,  als  er  bei  Weissgluth  in  der 
Muffel  staubartige  Theilchen  umherspritzt  und  sich  mit  kleinen  Auswüchsen  be- 
deckt (G.  Rose)  Er  hinterliess  0.27 — 2.03  Procent  gelbliche  Asche,  welche  aus 
eisenhaltigem  Thon  und  sehr  kleinen  durchsichtigen  Kryställchen  bestand.  Des- 
Cloiskaüx  fand  zwei  kleine  Exemplare,  welche  Octaöder  und  Hexaeder  mit  ab- 
gerundeten Kanten  und  rauhen  Flächen  waren,  Göfpebt  aber  beschrieb  ein  Korn, 
dessen  eine  Seite  abgerundet  war,  während  die  andere  drei  Kanten  zeigte,  welche 
zu  einer  Ecke  zusammenstiessen ,  die  wie  die  dreiflächige  Ecke  eines  Rhomben- 
dodekaöders  aussah.  G.  Rose  vermuthet  deshalb,  es  sei  der  Carbonat  eine  Pseudo- 
Keal-Encyelop&dle  der  ges.  Pbarm&cie.  III.  30 

Digitized  by  Google 


466 


DIAMANT. 


morphose.  Nach  Cohen  ist  er  durch  innige  Verwachsung1  zahlreicher  kleiner  Indi- 
viduen entstanden,  die  sich  gegenseitig  in  ihrer  Ausbildung  gehemmt  haben. 
Mancher  Carbonat  ist  so  dicht,  dass  er  sich,  wegen  der  grossen  Härte  aber  nur 
mit  seinem  eigenen  Pulver,  schleifen  lässt  und  dann  schöne  Steine  mit  voll- 
kommenem Diamantglanz  liefert.  Gepulvert  wird  er  zntn  Schleifen  der  Diamanten 
und  anderer  Edelsteine,  sowie  zu  Felsbohrungen,  zum  allerfeinsten  Abdrehen  und 
Egalisiren  von  Stahl-  und  Porzellanwalzen  (z.  B.  in  Müllereien)  u.  s.  w.  verwendet. 

Wegen  seiner  starken  lichtbrechenden  und  verhältuissmässig  nicht  grossen 
farbenzerstreuenden  Kraft  (=  0.38)  hat  man  einige  Male  versucht,  aus  Diamant 
von  sphärischer  Aberration  möglichst  freie  und  möglichst  achromatische  Linsen  für 
Mikroskope  herzustellen.  Kleine,  zu  Schmucksteinen  nicht  mehr  verwendbare  Dia- 
manten mit  nicht  allzuscharfen  Naturspitzen,  geben  die  sogenannten  Glaserdiamanten ; 
sie  ritzen  das  Glas  nicht  blos,  sondern  veranlassen  bei  richtiger  Führung  und  unter 
massigem  Druck  einen  zusammenhängenden,  etwa  bis  auf  0.1  mm  Tiefe  eindringenden 
Sprung.  Zu  Schreib-  oder  lithographischen  Diamanten,  sowie  zu  Diamantbohrern 
(für  Stahl,  Glas,  Gestein  u.  8.  w.)  und  zum  feinsten  Abdrehen  von  Metall  und  anderen 
harten  Stoffen  (Rand  der  Taschenuhrjrlaser,  Stahl-  und  Porzellanwalzen)  verwendet 
man  dagegen  die  beim  Zurichten  der  Diamanten  durch  das  Spalten  mit  dem  Stahl- 
meissel  abfallenden  Bruchstücke,  soweit  sie  passende,  scharfe  Spitzen  und  Kanten 
haben. 

Die  Kunst  der  Diaroantschneiderei  reicht  mindestens  bis  in's  vierzehnte  Jahr- 
hundert zurück.  Berühmt  durch  grossartige  Diamantschneidereien  (mit  Dampfbetrieb) 
ist  Amsterdam.  Die  Hauptarbeiten  des  Diamantschneiders  sind  das  Spalten  oder 
Klieven  zur  Beseitigung  fehlerhafter  Stellen  und  zur  Herstellung  der  Flächen 
(Facetten)  im  Rohen  mit  Hilfe  eines  feinen,  messerförmigen  Meisseis,  das  Schneiden. 
Formen  oder  Grauen ,  ein  Schleifen ,  durch  welches  dem  Steine  seine  allgemeine 
Form  gegeben  wird  und  die  grösseren  Flächen  mit  annähernder  Genauigkeit  her- 
gestellt werden  und  endlich  das  Schleifen  oder  Polire»,  die  Herstellung  sämmt- 
licher  Flächen  in  der  rechten  Grösse,  Form  nnd  gegenseitigen  Neigung.  Das 
Schneiden  und  Schleifen  kann,  ausser  mit  gepulvertem  Carbonat,  nur  mit  mehr  oder 
weniger  feinem  Diamantpulver,  welches  im  Stahlmörser  aus  den  Abfällen  vom 
Spalten  und  aus  für  Schmuckgegenstände  unbrauchbaren  Steinen,  aus  dem  soge- 
nannten Diamantbrot,  hergestellt  wird ,  bewerkstelligt  werden.  Das  Schleifen  er- 
folgt auf  der  mit  Diamantpulver  und  Olivenöl  bestrichenen,  mit  grosser  Geschwindig- 
keit in  horizontaler  Richtung  sich  drehenden  ,  aus  Gusseisen  oder  weichem  Stahl 
bestehenden  flachen  Scheibe  der  Schleifmühle.  Für  das  Schneiden  und  Schleifen 
wird  der  Stein  mit  Hilfe  einer  leichtflüssigen  Legirnng  in  dem  sogenannten  Kitt- 
stock oder  Kegel,  beziehungsweise  in  einer  Hülse  oder  Doppe,  diese  letztere  aber 
mit  ihrem  Stiel  in  einer  Zange  befestigt;  eine  Beschwerung  der  letzteren  (2kg) 
drückt  den  Stein  an  die  Scheibe  der  Mühle  an. 

Die  häufigste  und  geschätzteste  Form  der  Schmuckdiamanten  ist  die  Brillant- 
form, welche  auf  zwei  abgestutzte,  an  ihren  Grundflächen  verbundene  Pyramiden 
zurückzuführen  ist.  Die  oberste  Schliffflache  heisst  Tafel,  die  unterste,  ihr  gegen- 
überliegende und  mit  ihr  parallel  verlaufende  heisst  Kalette  (cnlasse).  Ausser  dem 
Brillant  sollen  noch  der  Halbbrillant  (nur  nach  oben  als  Brillant  geschliffen,  Unter- 
teil fehlend)  und  die  Rosette  (Raute  oder  Rose),  der  Hauptform  nach  eine  Pyramide 
(Untertheil  fehlt)  mit  zwei  Reihen  Flächen,  von  welchen  die  der  oberen  in  eine 
gemeinsame  Spitze  zusammenlaufen  und  Sternfacetten  heissen,  angeführt  werden.  Zur 
Schönheit  der  Schmuckdiamanten  gehört  unter  Anderem  ein  richtiges  Verhältniss  der 
Dimensionen  (Höhe  des  Ober-  und  Uutertheils,  Grösse  von  Tafel  und  Kalette  u.  s.  w.). 
Diamanten  werden  fast  immer  „ä  jour"  gefasst,  das  heisst  so,  dass  der  Stein  frei 
schwebend  nur  durch  einzelne  Krallen  der  Fassung  gehalten  wird,  seine  ganze 
Ober-  und  beziehungsweise  auch  seine  Unterseite  also  völlig  freiliegt. 

Der  Werth  der  Diamanten  richtet  sich  nach  deren  Grösse,  nach  dem  Grade 
der  Reinheit  und  Fehlerlosigkeit ,   nach  der  Schönheit  und  Gleichartigkeit  der 

Digitized  by  Google 


DIAMANT.  -  DIANENBAUM. 


Färbung,  nach  der  Art  und  Vollkommenheit  des  Schnittes  und  nach  dem  Feuer 
der  Steine.    Kauf  und  Verkauf  der  Diamanten  erfolgt  nach  dem  Gewichte.  Die 
Gewichtseinheiten  sind  Gran  und  Karat  (=  4  Gran  =  dem  Gewichte  des  trockenen, 
bohnenförmigen  Samens  einer  in  Oatafrika  vorkommenden,   Kuara  genannten 
Papilionacee) ;  das  Karat  entspricht  einem  Gewichte  von   197.0  (Amboina)  bis 
215.99  mg  (Livorno),   meist  einem  Gewichte  von  205.0  (Batavia,   Borneo  und 
Leipzig)  bis  206.13  mg  (Wien).  Der  Preis  der  Diamanten  ist  ein  ausserordentlich 
verschiedener.  Er  wächst  bei  sonst  gleicher  Fehlerlosigkeit,  bei  gleicher  Farbe  und 
gleichem  Feuer,  weit  rascher  als  das  Gewicht.    Wenn  z.  B.  20  Diamanten  von 
je  1  Karat  Gewicht  6000  Mark  kosten,  dann  wird  ein  Stein  gleicher  Güte  von 
20  Karat  Gewicht  einen  Preis  von   120000  Mark  und  darüber  haben.  Roh- 
diamanten gewinnen  in  der  Regel  bedeutend  an  Werth  durch  den  Schnitt;  ihr 
Werth  kann  sich  aber  auch  erheblich  vermindern ,   wenn  beim  Schnitt  Fehler 
sichtbar  werden,  wenn  dabei  sehr  viel  entfernt  werden  muss  oder  wenn  der  Schnitt 
ein  mangelhafter  ist.  So  verminderte  sich  das  Gewicht  des  durch  seinen  herrlichen 
Brillantschliff  ausgezeichneten  „Pitt"  oder  „Regent"  im  französischen  Kronschatze  bei 
dem  zwei  Jahre  in  Anspruch  nehmenden  Schneiden  von  410  bis  auf  137  Karat; 
trotzdem  wurde  der  Werth  dieses  Brillanten  im  Jahre  1791  auf  12  Millionen  Francs 
geschätzt.  Ulbricht. 

DiamantfUCh$in  heissen  sehr  reine  Fuchsinsorten  (s.  Fuchsin). 

Diamantine  GllignOt'8  ist  (nach  Hagbb)  eine  Mischung  aus  Gummi  Arabi- 
cum, Dextrin,  Traganth  und  Gelatine  und  wird  bei  der  Fabrikation  künstlicher 
Blumen  gebraucht. 

Diamantkitt  Den  Namen  Diamantkitt  führen  verschiedene,  insbesondere  zum 
Kitten  von  Metallen  oder  von  Glas  und  Steineu  auf  Metalle  verwendete  Kitte. 
Nach  Hagbh  erhält  man  einen  guten  Diamantkitt ,  wenn  man  1 6  Tb.  Bleiglatte, 
15  Th.  Schlämmkreide  und  50  Tb.  geschlämmten  Graphit  mit  so  viel  Leinölfirniss 
zusammenarbeitet,  bis  eine  plastische  Masse  entsteht.  Die  Mischung  wird  vor  dem 
Gebrauche  erwärmt.  Benedikt 

Diamantleim  ist  ein  zum  Kitten  von  Glas,  geschliffenen  Steinen,  Korallen  etc. 
verwendeter  Kitt.  Zu  seiner  Bereitung  lässt  man  4  Th.  Hausenblase  in  Wasser 
oder  verdünntem  Weingeist  quellen,  erwärmt  auf  dem  Wasserbade  bis  zur  Lösung 
und  setzt  eine  Lösung  von  '  a  Th.  Ammoniakharz  und  1  /,  Th.  Galbanum  in  2  Th. 
mögliehst  schwachem  Spiritus  hinzu.  Benedikt. 

Diamantmörser  sind  kleine  Mörser  von   polirteni  Stahl  und  dienen  zum 
Zerkleinern  von  Erzen. 

Diamidobenzol  =  Phenvi  endiamin,  b.  d. 

Diamidotripheny ImethanfarbstofFe.  s.  Triphenyimethanfarbsto f f e. 

Diamine,  s.  Amine,  Bd.  I,  pag.  295. 

Diandria  (fK;  und  xv^,  gen.  avo*pö;,  Mann),  Name  der  Ii.  Classe  dos  Lixnb- 
sehen  Pflanzensystemes ,  die  Pflanzen  mit  zweimännigen ,  d.  h.  zwei  freie  Staub- 
gefäsae  besitzenden  Zwitterblüthen  umfassend.  Die  Classe  gliedert  sich  nach  der 
Zahl  der  vorhandenen  Griffel  (1,  2,  3)  in  die  Ordnungen :  Monogynia,  Digynia, 
Trigynia. 

In   den  LlNNK'schen  Pflanzenclassen  Gynandria  (XX) ,   Monoeeia  (XXI)  und 
Dioecia  (XXII)  ist  Diandria  ferner  Name  der  2.  Ordnung  derselben.  Sydow. 

Dianenbaum,  Silberbaum,  Arbor  Dianae,  Veraltete  Bezeichnung  für  die 
baumartigen  Ausscheidungen  von  metallischem  Silber,  welche  sich  bilden,  wenn 
man  elektropositive  Metalle ,  z.  B.  Zink  oder  Quecksilber,  mit  Silbernitratlösungen 
von  bestimmter  Concentration  übergiesst.  Benedikt. 

^0*Digitized  by  Google 


DIANTHUS.  -  DIAPHRAGMA. 


DlänthllS,  Gattung  der  Caryophyllaceae,  Unterfamilie  Süeneae.  Kräuter  mit 
knotig  gegliedertem  Stengel,  gegenständigen  schmalen  Blättern  und  fdnfzähligen 
Blöthen,  deren  Kelch  an  der  Basis  mit  Deckblättern  umgeben  ist. 

Die  Blumenblätter  der  bekannten  Gartennelke  (Dianthus  Caryopkyllus  L.) 
waren  ehemals  als  Flore*  Tunicae  s.  Caryophyllorum  rubrorum  in  arzneilicher 
Verwendung. 

Diapensia,  Gattung  einer  nach  ihr  benannten  kleinen  Familie  der  Bicornes. 
Es  sind  kleine,  dichte  Rasen  bildende  Sträucher  mit  sich  deckenden,  schmalen, 
ganzrandigen  Blättchen  und  einzelnen,  gipfelständigen  Blüthen,  welche  regelmässig, 
zwitterig,  fttnfzählig  sind  und  sich  zu  fachspaltig-dreiklappigen  Kapselfrüchten 
entwickeln. 

Herba  Diapensiae  ist  eine  durch  nichts  gerechtfertigte  synonyme  Bezeichnung 
für  Herba  Saniculae. 

DiaphaeniX,  ein  aus  aromatischen  Pulvern  und  Dattelnmus  bereitetes  Electua- 
rium  der  Ph.  Gall.,  enthält  Scammonium. 

Diaphal!  (ö\x,  durch  und  <pa(vo{x.xi,  ich  scheine)  ist  soviel  wie  durchscheinend. 
Glasgemälde  auf  Fenstern  sind  Diaphanbilder,  weil  sie  beim  Hindurchsehen  gegen 
helles  Licht  ihren  Effect  zeigen.  Gewöhnlich  bezeichnet  man  mit  dem  Namen 
Diaphanbilder  eine  Nachahmung  der  Glasgemälde,  bestehend  in  illuminirten  oder 
buntfarbig  gedruckten  Lithographien,  welche  mittelst  eines  klaren  Firnisses  (Diaphan- 
lack)  durchscheinend  gemacht  und  auf  eine  oder  zwischen  zwei  Glastafeln  geklebt 
werden. 

Diaphonometer,  Durchsichtigkeitsmesser,  ist  ein  in  verschiedener  Form 
ausgeführter  Apparat ,  um  aus  dem  Grade  der  Durchsichtigkeit  die  Concentration 
einer  Flüssigkeit  zu  ermitteln.  Das  Auge  ist  zu  quantitativen  Schätzungen  dieser 
Art  nicht  befähigt,  wohl  aber  bei  wechselnder  Dicke  der  Schicht  einen  bestimmten 
Grad  der  Beleuchtung,  bei  welcher  das  Bild  einer  Lichtflamme  sichtbar  wird  oder 
erlischt,  festzustellen ,  wobei  dann  die  Länge  des  ausziehbaren  Rohres  umgekehrt 
proportional  der  Concentration  der  in  demselben  enthaltenen  Flüssigkeit  ist.  Solche 
Instrumente  sind  zum  Prüfen  der  Milch  auf  Wasserzusatz  im  Gebrauche,  aber  bei 
dieser  so  sehr  wechselnden  Waare,  deren  Durchsichtigkeit  von  der  nicht  immer 
gleichen  Grösse  der  Butterkflgelchen  beeinflusst  wird,  nicht  zuverlässiger  als  so 
manche  andere  Vorschläge.  Höchst  empfindlich  ist  das  Auge  beim  Vergleiche  der 
Lichtstärke  zweier  aneinander  grenzender  Objecte  und  ist  bei  Stoffen,  deren  Durch- 
sichtigkeit, Farben  Intensität  und  Concentration  sgrad  einander  proportional  sind, 
weit  sicherer  und  ebenso  einfach  das  Colorimeter  von  Wolff  und  die  Photometrie 
durch  quantitative  Spectralanalyse  zu  empfehlen.  Gänge. 

Diaphoretica  (von  o\a<po;^op.xi ,  verdunsten),  ursprünglich  Mittel,  welche  die 
gesammte  Hautausdünstung  (otac^opjGi?)  befördern,  im  Gegensatze  zu  den  die  gas- 
förmige Ausdünstung  (o\x7r>o$),  s.  Perspiratio  insensibilis)  fördernden  D  i  a  p  n  o  i  c  a 
und  zu  den  die  Wasserausscheidung  auf  der  Haut  vermehrenden  H  i  d  r  o  t  i  c  a ,  jetzt 
als  Synonym  der  letzteren  sehr  gebräuchliche  Bezeichnung  für  sc h weiss- 
treibende  Mittel  (s.  Hidrotica).  Brcnton  beschränkt  die  Bezeichnung 
Diaphoretica  auf  Stoffe,  welche  nur  unbedeutende  Vermehrung  der  Schweisssecretion 
bedingen  und  stellt  sie  den  Sudorifica  als  den  stark  schweisserregenden  Mitteln 
gegenüber.  Th  Huaemann. 

Diaphragma  oder  bi  ende  bedeutet  eine  gewöhnlich  ringförmige  Scheibe, 
welche  einen  Theil  der  in  ein  dioptrisches  System  einfallenden  Lichtstrahlen  auf- 
zufangen und  nur  so  viele  und  solche  Strahlen  durch  die  Oeffnung  im  Centmm 
hindurchzulassen  bestimmt  ist,  wie  zu  einer  zweckdienlichen  Beleuchtung  und  zu 
der  correcten  Wiedervereinigung  des  vom  Objecte  refleetirten  Lichtes  zu  sym- 
metrisch gelegenen  Bildpunkten  erforderlich  und  geeignet  sind.    Ein  natürliches 


Digitized  by  Google 


DIAPHRAGMA.  -  DIASTASE. 


•IM 


automatisches  Diaphragma  ist  die  Regenbogenhaut  des  Auges,  welche  die  Netzhaut 
gegen  zu  starke  Lichtreize  durch  Zusammenziehen  der  Oeffnung  schützt.  In  fast 
allen  dioptrischen  Apparaten  findet  Bich  in  der  Entfernung  der  Brennweite  vor 
dem  Collectivglase  eine  Blende.  In  der  Camera  des  Photographen  gehören  zu 
federn  Objective  mehrere  besondere  Blenden,  deren  richtige  Wahl  zur  Erzielung 
guter  Beleuchtungseffecte  das  geübte  Auge  des  Künstlers  und  des  Technikers 
erfordert.  —  Vergl.  auch  Mikroskop.  Gänge. 

Di&pilOiCä  (omcttv^u,  ausdünsten),  Mittel,  welche  die  gasförmige  Hautausdünstung 
(JPerspiratio  inaensibtlis)  vermehren.  Dieselben  entsprechen  wesentlich  den  sch  weiss  - 
treibenden  Mitteln  (s.  Hidrotica).  Th.  Hasemann. 

Di<Urh06  ($txp-p&o,  durch fli essen)  nennt  man  einen  krankhaften  Zustand,  bei 
welchem  die  Stuhlentleerungen  der  Zahl  nach  vermehrt  und  von  flüssiger  Beschaffen- 
heit sind.  Die  Ursache  der  Diarrhoe  ist  entweder  ein  Darmcatarrh  oder  eine  Ent- 
zündung der  Darmschleimhaut  (Typhus,  Ruhr,  Cholera).  —  S.  auch  Abführ- 
mittel, Bd.  I,  pag.  18. 

DiaSCOrdilim,  eine  nur  wenig  mehr  gebräuchliche  adstringirende  Latwerge, 
Electuarium  Diaseordium.  Es  werden  1  Th.  Opium,  5  Th.  Bolus  Armena,  je 
10  Th.  Flores  Rosae  und  Radix  Tormentillae,  je  71,',  Th.  Oortex  Cinnamomt 
und  Rhizoma  Zingxberis  (sämmtliche  Ingredienzien  in  fein  gepulvertem  Zustande) 
mit  59  Th.  Met  lege  artis  zur  Latwerge  gemischt  100  Th.  enthalten  1  Th.  Opium. 

DiaspOT  ist  das  in  der  Natur  krystallisirt  vorkommende,  Basen  gegenüber 
als  Saure  auftretende  Aluminiumhydrat,  H,A1S04. 

Diastase,  ein  in  den  Pflanzen  viel  verbreitet  vorkommendes,  in  Wasser  lös- 
liches, ungeformtes  Ferment-Enzym,  welches  die  Fähigkeit  besitzt,  in  wässeriger 
Lösung  Starke  zunächst  in  Dextrin  und  weiter  in  Traubenzucker  oder  in  Maltose 
umzuwandeln.  Der  chemische  Vorgang  der  diastatischen  Einwirkung  ist  der  der 
Wasseranlagerung,  wobei  es  zur  Spaltung  eines  wasserfreien  Moleküls  (Anhydrids) 
in  einfachere  und  in  wasserhaltige  Moleküle  kommt.  So  kann  man  sich  die  Bildung 
von  Dextrin  und  Maltose  aus  Stärke  nach  folgendem  Schema  verlaufend  vorstellen  : 
3  C6 II10  Oft  +  2  Ha  0  =  C,  H10  06  -i-  C12  Has  Ou  +  Ha  0 
Stärke  Dextrin  Maltose. 

Da  das  bei  der  Einwirkung  der  Diastase  entstehende  Dextrin  bald  weiter  zu 
Zucker  hydratisirt  wird,  lässt  sich  der  Verlauf  des  Processes  quantitativ  sehr 
schwer  nachweisen.  (Im  Thierkörper  sind  diastatisch  wirkende  Fermente  im  Speichel 
und  im  Secret  der  Pancreasdrüse  enthalten). 

Wie  schon  oben  angedeutet,  ist  die  Diastase  im  Pflanzenreiche  allgemein  ver- 
breitet, nur  ruhende  Pflanzenorgane,  welche  keine  Vegetationserscheinungen  zeigen, 
sind  manchmal  frei  davon.  So  wurde  die  Diastase  im  ruhenden  Samen  der  meisten 
Pflanzen  nachgewiesen,  gleiohgiltig,  ob  sie  Stärke  besitzen  oder  nicht,  jedoch  wurde 
sie  in  Samen  von  Lupinen  und  Mandeln  vermiest,  ebenso  im  Sclerotium  des 
Mutterkorns.  Im  keimenden  Gerstenkorn  entwickelt  sich  die  grösste  Menge  dieses 
Enzyms  vom  dritten  bis  zum  siebenten  Tage,  bis  zum  dreifachen  der  ursprünglich 
vorhandenen  Menge.  Indem  im  keimenden  Samen  die  unlösliche  Stärke  durch 
Diastase  in  lösliche  Verbindungen  übergeführt  wird,  erhält  der  Samen  die  Fähig- 
keit Wasser  aufzunehmen,  womit  der  zur  Weiterentwicklung  des  Keimes  führende 
Vegetationsprocess  eingeleitet  wird. 

Die  Darstellung  der  Diastase  aus  den  zerkleinerten  Pflanzentheilen  gelingt 
nach  allen  für  die  Isolirung  der  ungeformten  Fermente  des  pflanzlichen  und 
thierigehen  Organismus  angegebenen  Metboden.  Aus  Wickensamen ,  gekeimter 
Gerste  isolirte  v.  Gorup-Besanez  durch  Extraction  mit  Olycerin  und  nach- 
herige Fällung  mit  Alkohol  ein  in  Wasser  lösliches  Ferment,  welches  nicht 
nur  Stärke  in  Zucker  umwandelte ,  sondern  auch  Eiweiss  in  verdünnter  Salzsflure 


Digitized  by  Google 


470 


DIASTASE.  -  DIATHERMAN. 


in  Pepton  überführte ;  dieses  Ferment  wirkte  daher  diastatisch  und  zugleich  pepto- 
nisirend  (über  andere  Darsteliungsmethoden  der  Diastase  s.  bei  Enzyme).  Die 
Reindarstellung  der  ungeformten  Fermente  ist  mit  grossen  Schwierigkeiten  ver- 
bunden ,  es  ist  daher  über  ihre  elementare  Zusammensetzung  bis  jetzt  wenig 
Brauchbares  bekannt,  so  schwankt  z.  B.  der  Kohlenstoffgehalt  von  nach  ver- 
schiedenen Methoden  isolirter  Diastase  zwischen  45.7  und  65.9  Procent  C. 

Von  praktischer  Bedeutung  —  schon  wegen  des  Brauprocesses ,  bei  welchem 
die  Diastase  des  Malzes,  die  darin  vorkommende  Stärke  und  Dextrin  in  Maltose 
umwandelt  —  ist  das  Verhalten  der  Diastase  bei  verschiedenen  Temperaturgraden. 
In  wässeriger  Lösung  wirkt  die  Diastase  von  20 — 60°  am  besten,  als  optimale 
Wirkungstemperatur  werden  60°  angegeben,  bei  65°  ist  die  Schwächung  der 
zuckerbildenden  Eigenschaften  deutlich,  etwas  Uber  75°  erhitzt,  wird  sie  wirkungs- 
los. Jedoch  lehrt  schon  die  Praxis  der  Darrmalzbereitung,  dass  im  trockenen 
Zustande  die  Diastase  ohne  Schädigung  ihrer  Fermentwirkung  bis  120°  erhitzt 
werden  kann.  Das  Gefrierenlassen  diastatischer  Lösungen  mindert  die  Wirksamkeit 
derselben  nicht  im  Geringsten.  Die  Wirkung  der  Diastase  wird  durch  Anwesen- 
heit kleiner  Mengen  von  Säuren  (bis  zu  0.25  pro  Mille  8äurehydrat),  ferner  durch 
4procentige  Kochsalzlösung  befördert,  höhere  Säuremengen  und  concentrirtere  Koch- 
salzlösungen (8  Procent  und  darüber)  wirken  nachtheilig. 

Wie  bei  allen  enzymotischen  Processen  die  Producte  derselben  durch  ihre  An- 
wesenheit die  Processe  selbst  benachtheiligen ,  so  ist  dies  auch  bei  der  Wirkung 
der  Diastase  der  Fall;  auch  hier  werden  die  letzten  Mengen  Dextrin  erst  dann 
von  der  Diastase  angegriffen,  wenn  man  vorher  die  schon  gebildete  Maltose 
entfernt  hat.  Loe bisch. 

Diastole  (öix-gt&Xü)  ,  auseinanderschicken ,  ausdehnen)  nennt  man  in  der 
Physiologie  die  Erschlaffung  des  Herzmuskels  und  die  Ausdehnung  der  Herzhöhlen, 
welche  nach  jeder  Herzcontraction  eintritt.  Nur  einen  sehr  kurzen  Moment,  in  der 
sogenannten  Herzpanse,  befindet  sich  das  ganze  Herz  in  Diastole;  während  die 
Herzkammern  noch  in  Diastole  verbleiben,  contrahiren  sich  schon  die  Vorhöfe  — 
sie  treten  in  die  8ystole  —  und  pressen  das  Blut  in  die  noch  erschlafften  und 
geräumigen  Herzkammern.  Sind  dieselben  mit  Blut  gefüllt,  dann  beginnt  die  Zu- 
sammenziehung —  Systole  —  der  Kammern.  Durch  die  Systole  wird  das  Blut  aus 
der  rechten  Herzkammer  in  die  Lungenarterien  und  aus  der  linken  Herzkammer 
in  die  Aorta  getrieben. 

DiateSSerOn.  Electuarium  Diatesseron  und  Emplastrum  Diatesseron,  beide 
stellenweise  noch  gebräuchlich.  Das  Electuarium  ist  eine  Mischung  von  gleichen 
Theilen  Pulv.  Gentianae,  —  Galangae,  —  bacc.  Lauri,  —  bacc.  Juniperi 
und  —  Myrrhae  mit  so  viel  als  nöthig  Mel  despumatum.  —  Das  Emplastrum 
wird  bereitet  durch  Zusammenschmelzen  von  40  Th.  Adeps ,  80  Th.  Cera  flava, 
10  Tb.  Terebinthina  und  10  Th.  Resina  Pini  und,  nachdem  die  Masse  halb 
erkaltet  ist,  Hinzufügen  von  je  71  2  Th.  Pulv.  bacc.  Lauri,  —  bacc.  Juniperi, 
—  rad.  Galangae  und  —  Myrrhae. 

Diatherman  nennt  Melloni  solche  Körper,  welche  Wärmestrahlen  durch- 
lassen, die  sieh  also  gegen  Wärmestrahlen  so  verhalten,  wie  die  durchsichtigen 
Körper  gegen  Lichtstrahlen  (s.  auch  Äther  man).  Die  Luft  ist  ein  diathermaner 
Körper  und  ebenso  sehr  viele  flüssige  und  feste  Körper,  wenn  auch  in  sehr  un- 
gleichem Maasse.  Es  ist  nämlich  zwischen  den  Wärmestrahlen  ein  ganz  ähnlicher 
Unterschied,  wie  zwischen  den  gefärbten  Lichtstrahlen.  Eine  Platte  von  Citronen- 
säure  lässt  Wflrmestrahlen  durch,  wenn  auch  in  nicht  sehr  grosser  Menge;  fallen 
die  durch  Citronensäure  hindurchgegangenen  Wärmestrahlen  auf  eine  Alaunplatte, 
so  werden  sie  von  der  Alaunplatte  fast  gänzlich  durchgelassen ;  derselbe  Alann 
lässt  hingegen  gar  nichts  von  den  Wärmestrahlen  durch,  die  durch  eine  Glas- 
platte hindurchgegangen  sind.  Diese  Erscheinung  hat  die  grösste  Aehnlichkeit  mit 
dem  Durchgang  des  Lichtes  durch  gefärbte  Mittel;  Lichtstrahlen,   welche  durch 

i 

Digitized  by  Google  i 


DIATHERMAN.  —  DIATOMEAE.  471 

\ 

ein  grünes  Glas  gegangen  sind,  werden  bekanntlieh  von  anderen  grünen  Gläsern 
leicht  durchgelassen ;  sie  werden  aber  absorbirt ,  wenn  man  sie  anf  ein  rothes 
Glas  fallen  lässt.  Mklloni  nannte  die  Eigenschaft  der  Körper,  gewisse  Wärme- 
strahlen vorzugsweise  zu  absorbiren,  Diathermansie  (Podillet's  Thermanismus). 
8teinsalz,  welches  in  hohem  Grade  diatherman  ist,  besitzt  keine  Diathermansie; 
es  lässt  alle  Wärmestrahlen  gleich  gut  durch. 

Diathese  (o\£  und  fKhjpit,  bestimmen;  wörtlich  also  dem  latein.  Disposition 
entsprechend)  ist  nach  dem  jetzigen  medicinischen  8prachgebraucbe  eine  individuelle, 
angeborene  (ererbte)  oder  acquirirte  Krankheitsanlage,  bestehend  in  vermehrter 
Empfänglichkeit  oder  in  verminderter  Resistenz  gegen  die  Krankheitsursache.  Unter 
hämorrhagischer  Diathese  versteht  man  die  Neigung  zu  Blutungen.  Nervöse  oder 
neuropathische  Diathese  ist  die  grosse  Neigung  zu  Erkrankungen  des  Nerven- 
systems. Unter  syphilitischer,  carcinomatöser  und  tuberculöser  Diathese  versteht 
man  die  Neigung  zur  Vervielfältigung  der  Krankheitsherde ,  nachdem  einmal  ein 
Krankheitsherd  entstanden  ist.  Harnsäurediathese  ist  die  Neigung  zur  Ablagerung 
harnsaurer  Salze,  auf  verminderter  Oxydation  stickstoffhaltiger  Substanzen  beruhend. 

Diatomeae,  eine  Familie  der  Algae.  Die  Diatomeen,  früher  auch  Bacterien, 
Stabthiereben  genannt,  sind  einzellige,  durch  Diatomin  gelb  oder  braun  gefärbte, 
symmetrische,  mit  verkieselter  Zellhaut  versehene  Algen.  Sie  leben  theils  einzeln, 
theils  in  linearer  Vergesellschaftung  zu  Bändern  oder  Tafeln  verbunden.  Vor  fast 
allen  anderen  Algen  sind  sie  durch  die  verkieselte  Zellenmembran ,  den  Kiesel- 
panzer, ausgezeichnet.  Derselbe  ist  weder  durch  Feuer  noch  Verwesung  zerstörbar. 
Die  Oberfläche  des  Kieselpanzers  zeigt  die  mannigfachsten  Sculpturen,  welche  für 
die  Charakteristik  der  Gattungen  wichtige  Momente  darbieten.  Der  Panzer  selbst 
besteht  aus  2  schachtelartig  übereinander  greifenden  Seiten.  Die  Form  der  Zellen 
ist  sehr  regelmässig.  Stets  lassen  sich  2  differente  Seiten  „Schalen-  und  Gürtel- 
seite" oder  auch  „Haupt-  und  Nebenseite"  erkennen.  Die  beiden  symmetrischen 
Hälften  der  Zelle  sind  von  etwts  ungleicher  Grösse,  die  eine  greift ,  gleichsam 
wie  der  Deckel  einer  8chachtel,  über  die  Ränder  der  anderen  hinweg.  Viele 
Diatomeen  leben  freischwimmend  im  Wasser,  andere  sind  festsitzend.  Einige  Arten 
zeigen  eine,  meist  in  der  Richtung  ihrer  Längsachse  vor-  und  rückwärts  gleitende 
Eigen bewegung.  Die  Vermehrung  geschieht  durch  Theilung  der  Mutterzellen  in 
nur  einer  Richtung.  Die  Theilung  der  Zelle  wird  dadurch  eingeleitet,  dass  die  beiden 
symmetrischen  Hälften,  die  „Schalen",  ihre  umschliessenden  Ränder,  „Gürtel- 
bänder", von  einander  abschieben.  Hierdurch  zerfällt  der  Zellinhalt  in  2  Theile, 
indem  sich  an  die  Gflrtelbänder  eine  Scheidewand  angetzt,  welche  die  Mutterzelle 
halbirt.  Jede  Hälfte  ergänzt  nun  die  durch  die  Theilung  verloren  gegangene 
andere  Hälfte.  Das  Gürtelband  der  neuen  Hälfte  wird  nun  stets  in  dasjenige  der 
älteren  eingeschoben.  Hieraus  erhellt,  dass  jede  neue  Zellhälfte  entsprechend  kürzer 
sein  muss  als  die  zugehörige  ältere,  dass  also  stets  kleinere  Individuen  gebildet 
werden.  Diese  Abstufung  in  der  Grösse  der  Zellen  lässt  sich  z.  B.  sehr  schön  an 
den  zu  Bändern  vereinigten  Individuen  wahrnehmen,  doch  hat  diese  allmälige  Ver- 
kleinerung der  Zellen  ihre  Grenze.  Ist  dieselbe  erreicht,  so  bilden  sich  eigen- 
tümliche Organe,  Auxosporeu  (s.  Bd.  U,  pag.  61),  welche  die  ursprüngliche 
Grösse  wieder  herstellen.  Ausser  dieser  ungeschlechtlichen  Vermehrung  findet 
auch  eine  geschlechtliche  Fortpflanzung  durch  Conjugation  statt,  mit  bald  1,  bald 
2  auxosporenähnlichen  Zygoten. 

Die  Diatomeen  wurden  zuerst  von  Nitzsch  1817  genauer  beschrieben;  er 
stellte  die  beweglichen  zu  den  Thieren ,  die  unbeweglichen  zu  den  Pflanzen. 
Ehrknbero  reihte  sie  den  Infusorien  an.  Agardh  und  späterhin  Kützing  erklärten 
sie  für  Pflanzen,  wohin  sie  jetzt  auch  allgemein  gestellt  werden. 

Die  Verbreitung  der  Diatomeen  ist  unermesslich.  Sie  kommen  wohl  in  allen 
Gewässern,  sowohl  in  süssen,  wie  in  salzigen  vor.  Vorzugsweise  finden  sie  sich  in 
stehenden,  flachen  Wasseransammlungen,  doch  sind  auch  Arten  aus  bedeutenden 


Digitized  by  Google 


472 


DIATOMEAE.  -  DIAZOKORPER. 


Tiefen  der  Meere  heraufgezogen  worden.  Sie  setzen  sich  meist  am  Boden  als  zarte, 
schleimige  Haut  von  brauner  Farbe  ab.  Oft  reissen  diese  Lager  ab  und  schwimmen 
dann  in  grosseren  oder  kleineren  Flocken  an  der  Oberfläche.  Ferner  findet  man 
Diatomeen  an  den  Randern  der  Flusse ,  in  Quellen  ,  Rinnsteinen ,  an  feuchten 
Felsen ,  Bergabhängen  ,  Mauern ,  in  Wasserleitungen ,  Pumpen ,  Wassertrögen ,  in 
den  Polstern  der  Moose ,  an  anderen  fadenförmigen  Algen  etc.  Beim  Aus- 
trocknen der  Wasseransamminngen  gelangen  sie  mit  dem  Staub  in  die  Luft  und 
werden  so  tiberall  hingeweht.  Man  findet  sie  daher  auch  ebensowohl  auf  Dflehern 
und  Baumen,  auf  Berg-  und  Thurmspitzen,  als  in  dem  Bflcherstaube.  Viele  Arten 
sind  als  wahre  Kosmopoliten  Aber  die  ganze  Erde  verbreitet,  andere  sind  hingegen 
an  bestimmte  Localitäten  gebunden.  Die  chemische  Beschaffenheit  der  Gewässer 
ist  hierbei  von  grossem  Einfluss. 

Wie  schon  oben  hervorgehoben  wurde,  ist  der  Kieselpanzer  der  Diatomeen 
unverweslich.  Durch  diese  Eigentümlichkeit  erlangen  dieselben  eine  hohe  geologische 
Bedeutung.  Als  zweiter  Factor  tritt  hierzu  ihre  grenzenlose  Vermehrung.  Die 
losen  Schalen  sinken  zu  Boden  und  häufen  sich  allmälig  an.  So  besteht  z.  B.  der 
Schlamm  der  Häfen  von  Wismar,  Cuxhafen  und  Pillau  bis  Aber  l/a  seiner  Volumens 
aus  solchen  Diatomeenschalen.  So  wird  es.  auch  erklärlich,  dass  diese  Wesen  im 
Laufe  der  Jahrtausende  mächtige  Ablagerungen,  ja  Felsen  und  ganze  grosse 
Gebirgslager  erzeugen  konnten.  Man  kennt  eine  grosse  Anzahl  solcher  vorwelt- 
licher Diatom eenlager.  Zu  den  grössten  derartigen  gehören  die  Lager  bei  Bilin 
in  Böhmen,  in  der  Lttneburger  Haide  und  in  und  um  Berlin.  —  Vergl.  Kiesel- 
guhr. 

In  technischer  Hinsicht  gewähren  die  fossilen  Diatomeen  mancherlei  Nutzen. 
Sie  liefern  ein  gutes  Polirmittel,  finden  Verwendung  bei  der  Glas-,  Steingut-  und 
Dynamitfabrication  und  dienen  zur  Verfertigung  der  „FaBRONi'schen  Ziegel".  Die 
sogenannten  essbaren  Erden  's.  Geophagie)  enthalten  nach  Ehrenbbro's  Unter- 
suchungen ebenfalls  Diatomeen.  Sydow. 

Diatomiru  Endochrom,  der  gelbbraune  Tarbstoff  der  Diatouiaceen ,  wird 
durch  Säuren  wie  durch  Alkalien  grünlich,  durch  concentrirte  Schwefelsäure  schön 
spangrün. 

Diazokörper  oder  Diazoverbindungen. 

Lässt  man  auf  die  primären  Monamine  der  Fettreihe  salpetrige  Säure  einwirken, 
so  wird  die  Amidogruppe  durch  eine  Hydrozylgruppe  ersetzt,  indem  die  Reaetion 
nach  folgendem  Schema  verläuft :  C8  H6 .  NH,  +  HNO,  =  N,  +  C,  H6  OH  +  H,  0. 

Es  entsteht  also  unter  Entwickelung  von  Stickstoff  und  Bildung  von  Waaser 
der  entsprechende  Alkohol. 

Wendet  man  dieselbe  Reaetion  auf  die  primären  Monamine  der  aromatischen 
Reihe  an,  »o  verläuft  die  Reaetion  in  zwei  Phasen,  indem  zunächst  die  sogenannten 
Diazoverbindungen  entstehen,  welche  erst  bei  längerer  Berührung  mit  Waaser 
oder  beim  Erwärmen  mit  Wasser  in  die  betreffenden  Hydroxylverbindungeu  — 
Phenole  —  Übergehen: 

C„  H,  .  NHa,  HNO,  +  HNO,  =  C8  H,  .  N,  .NO,  t  2  H,  0 ; 
Salpetersäure?  Anilin  Salpetersaures  Diazobenzol 

C,  Hs .  N, .  NO,  +  H,  0  =  C,  H6 .  OH  +  N,  +  HNO,. 

Phenol. 

Structurtheoretisch  betrachtet  man  die  Diazokörper  als  stickstoffhaltige,  aro- 
matische Verbindungen,  welche  sich  dergestalt  von  der  zweiwertbigen  Gruppe 
—  N  =  N  —  ableiten  lassen ,  dass  die  eine  Valenz  durch  einen  einwerthigen 
aromatischen  Kohlenwassorstoffrest ,  die  andere  durch  eine  einwerthige  eiektro- 
negative  Gruppe  gesättigt  ist :    C„  H6  .  N  =  N  .  NO,. 

Wie  bereits  erwähnt,  gehen  die  Diazoverbindungen  beim  Erwärmen  mit  Wasser 
in  die  entsprechenden  Phenole  über ,  erhitzt  man  dieselben  jedoch ,  besonders  in 
Gestalt  ihrer  schwefelsauren  Salze,   mit  starkem  Alkohol,  so  wird  die  Stickstoff- 


Digitized  by  Google 


DIAZOKÖRPER.  —  DICHOPSIS. 


473 


gruppe  durch  Wasserstoff  ersetzt  und  ein  Kohlenwasserstoff  gebildet  nach  folgendem 
allgemeinen  Schema : 

CeHj.l^.HSO,  +  CaH6OH  zzCeH«  +  N,  +  H,S04  +  C8HtO. 

Benzol  Aldehyd. 

Die  Salze  der  Diazoverbindungen  sind  meist  krystallisirbare,  farblose,  in  Waaser 
leicht  lösliche  Körper,  welche  ziemlich  unbeständig  sind  und  beim  Erhitzen  oder 
durch  Schlag  heftig  explodiren.  In  der  Theerfarbenindustrie  spielen  sie  eine  nicht 
unbedeutende  Rolle,  indem  eine  Reibe  der  schönsten  Farbstoffe  der  Einwirkung 
von  Diazoverbindungen  auf  Phenole  oder  aromatische  Amine,  sowie  der  Umsetzung 
von  Diazoamidoverbindungen  sein  Dasein  verdankt ,  z.  B.  Tropäolin ,  Safranin, 
Nigrosin,  Bismarckbraun  u.  s.  w. 

Diazoamidoverbindungen.  Sie  entstehen  durch  Einwirkung  der  Salze 
der  Diazoverbindungen  auf  primäre  oder  secundäre  aromatische  Monamine: 

C,H6.N«  .NO,  +  2C9He.NHs  =  0,  H*  .  N,  .  NH  .  C  H5  +  C,  H8 .  N  H„  HN08, 

Anilin  Diazoamidobenzol       salpetersaures  Anilin 

oder  aueh  direct  durch  Einwirkung  von  salpetriger  Säure  auf  eine  ätherische 
oder  alkoholische  Lösung  der  erwähnten  Monamine: 

2  C„  H5 .  NH,  +  HNO*  =  2  H,  0  +  C6  H6 .  Na .  NH  .  C,  H6. 

Das  so  erhaltene  Diazoamidobenzol  bildet  goldgelbe,  in  kaltem  Alkohol  schwer 
lösliehe,  in  Wasser  unlösliche  Nadeln,  welche  bei  91°  schmelzen  und  bei  höherer 
Temperatur  verpuffen. 

Auch  aus  dem  Toluidin ,  dem  Xylidin  u.  s.  w.  lassen  sich  auf  analoge  Weise 
Diazoamidoverbindungen  darstellen.  Jehn. 

DiazOreSOrCin,  s.  Resorcinblau. 

DiaZOreSOnifin,  s.  Resorcinblau. 

DibenZOylhydrOCOton,  C>aH38Oa.  Ein  Bestandteil  der  Cotorinde  neben 
Lencotin,  Cotoin,  Dicotoin  und  Piperonylsäure,  findet  sich  im  Rob-Leueotin,  dem 
Hauptbestandteil  der  Cotorinde.  Ganswind t. 

Dicamale  ist  der  indische  Name  für  ein  von  Gardenia  lucida  Rxb.  (Rubiaceae) 
stammendes  Gummi.  Es  erhärtet  zu  einer  dunkelbraunen  Masse,  welche  auf  frischen 
Brnehflächen  oder  beim  Erwärmen  nach  Katzenharn  riecht.  In  der  Heimat  Ost- 
indien dient  es  als  Heilmittel.  Fflr  uns  hat  es  nur  Interesse  wegen  seines  Gehaltes 
an  Gardenin  (s.  d.). 

Dicentra,  eine  Gattung  der  Fumariaceae,  von  welcher  mehrere  asiatische 
und  amerikanische  Arten  wegen  ihrer  schön  gefärbten  und  eigentümlich  geformten 
Blüthen  bei  uns  cultivirt  werden. 

Die  Einöllen  von  Dicentra  canadensis  DC.  (Diclytra  eximia  Pursh.),  Turkey 
Com,  Squirrel  com,  sind  in  Nord- Amerika  ein  Volksmittel  wie  bei  uns 
Corydalis. 

Dichasium  (te,  zweifach  und  Trennung)  ist  ein  cymöser  drei- 

blüthiger,  besonders  bei  den  Caryophyllaceen  häufiger  BlOthenstand,  bei  dem  die 
Gipfelblöthe  von  zwei  gleich  hoch  inserirten,  also  gegenständigen,  gleich  langen, 
blüthentragenden  Seitenachsen  ttbergipfelt  wird  (Fig.  66,  Bd.  II,  pag.  321).  Oft 
ist  das  Dichasium  zusammengesetzt,  d.  h.  die  Seitenachsen  verzweigen  sich  wieder 
dichasial.  Tschirch. 

DichopSIS,  Gattung  der  Sapotaceae.  Bäume  des  tropischen  Asien  mit  lederigen 
Blättern,  in  deren  Achseln  oder  an  den  Knoten  der  Zweige  die  BlOthenbflschel 
sitzen.  Kelch  und  Krone  sechslappig,  Fruchtknoten  sechsfächerig,  zu  einer  oft  nur 
ein*  oder  zweisamigen  Beere  sich  entwickelnd. 


Digitized  by  Google 


474 


DICH0P8IS.  —  DICHR01SMÜS. 


Dichopsis  Gutta  Benth.  (honandra  Gutta  Hook.)  ist  ein  Baum  mit 
rostroth  behaarten  Zweigen  und  kurz  gestielten  Blüthen,  deren  Kelch  die  zwei- 
samige  Beere  stützt.  Sie  ist  die  wichtigste  Stammpflanze  der  Guttapercha  (s.d.). 

Dichotomie  (%a,  zweifach  und  Tefxvw ,  schneide) ,  oder  dichotomische  Ver- 
zweigung kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  der  .Hauptspross  nicht  weiter  wächst, 
der  Stammscheitel  sich  vielmehr  in  zwei  Theile  theilt  und  aus  jedem  derselben 
sich  ein  Seitenspross  entwickelt.  Die  Seitensprosse  sind  gleich  lang  und  auf  gleicher 
Höhe  inserirt  (bei  den  höheren  Cryptogamen  häufig).  Unter  falscher  Dichotomie 
ist  meist  ein  Dichasium  (s.  d.)  zu  verstehen  (z.  B.  Vt#cum).  Tschirch. 

Dichotomische  Methode.  Das  Bestimmen  der  Pflanzen  und  Tbiere,  oder 
das  Aufsuchen  des  Namens  einer  uns  unbekannten  Art  wird  durch  die  von 
Lamarck  zuerst  in  „Flore  francaise,  Paris  1778"  angewandte  analytische  oder  dicho- 
tomische Methode  sehr  erleichtert.  Von  zwei  Bich  gegenseitig  ausschliessenden 
Charakteren  muss  immer  einer  auf  die  zu  bestimmende  Art  passen.  Der  Suchende 
wird  nun  durch  eine  Ziffer  oder  ein  Zeichen  so  lange  auf  neue  Gegensätze  ver- 
wiesen, bis  sich  der  Name  der  Art  ergibt  Sydow. 

DichfOä,  eine  Gattung  der  Saxtfragaceae  mit  nur  einer  Art: 
D  ichroa  febrifuga  Low.  ist  ein  im  südöstlichen  Asien  heimischer  immer- 
grüner Strauch,  dessen  Blätter  für  fieberwidrig  gelten.  8ie  sitzen  gegenständig, 
sind  lanzettlich,  bis  10  cm  lang,  kahl.  Die  Inflorescenzen  sind  terminal,  dolden- 
traubig.  In  einem  fast  kugeligen,  fünfzähnigen  Kelch  sind  die  5  dicklichen, 
aussen  weissen ,  innen  blau  gefärbten  Blumenblätter  inserirt.  8tanbgefäs.se  15, 
ungleich,  mit  blauen  Antheren.    Frucht  eine  4fächerige,  vielsamige  Beere. 

Dichroismus,  Zweil'arbi^keit,  nennt  man  die  Eijreuschaft  fester  oder  flüssiger 
Stoffe,  in  verschiedenen  Richtungen  ungleiche  Farben  zu  zeigen.  Dieses  geschieht 
bei  zahlreichen  farbigen  durchsichtigen  Körpern  in  der  Art ,  dass  das  hindurch- 
gelassene Licht  in  anderer  Farbe  erscheint,  als  das  reflectirte  Licht.  Wenn  keine 
weiteren  bestimmenden  Umstände  hinzutreten,  beruht  dieses  nur  auf  electiver 
Absorption  der  verschiedenen  Strahlen  des  zusammengesetzten  Lichtes  der  Be- 
leuchtungsquelle von  Seiten  des  Körpers.  Z.  B.  von  Sonnen-  oder  Lampenlicht 
refleetirt  weingeistige  Chlorophylllösung  grünes  und  lässt  rothes  Licht  hindurch, 
Lackmustinctur  refleetirt  blaues  und  lässt  violettes  Licht  hindurch.  Selbstverständlich 
muss  die  Lichtquelle  die  betreffenden  beiden  homogenen  Farben  enthalten,  welche 
als  die  herrschenden  erscheinen  sollen.  Bei  einfarbiger  homogener  Beleuchtung 
kann  jeder  Körper  nur  in  dieser  einen  Farbe  erscheinen  und,  wenn  er  dieselbe 
weder  durchzulassen  noch  zurückzustrahlen  vermag ,  in  gar  keiner  Farbe.  Das 
rothe  Quecksilberjodid  z.  B.  erscheint  im  Lichte  der  gelben  Natriumflamme 
schwarz. 

Wenn  zu  der  Absorption  noch  Fluorescenz  hinzukommt  oder  auch  ohne  die 
erstere,  so  wird  die  Zweifarbigkeit  der  Stoffe  weit  auffälliger.  Unter  Fluorescenz 
verstehen  wir  die  durch  die  Molekularanordnung  mancher  Stoffe  bewirkte  Um- 
wandlung der  Lichtwellen  von  schnellerer  in  solche  von  kürzerer  Schwingungs- 
dauer. Es  werden  dadurch  selbst  die  sonst  unsichtbaren,  über  das  violette . Ende 
des  Speetrums  hinausreichenden,  ultravioletten  Wärmestrahlen  sichtbar  gemacht 
und  scheinen  violett  oder  blau.  Z.  B.  eine  farblose  Chininsulfatlösung  oder  eine 
Aescnlinlösung  fluorescirt  auf  der  Oberfläche  hellblau,  das  grüne  Uranglas  grün- 
gelb, die  gelbe  Eosinlösung  rosenroth.  Auch  die  scheinbar  umgekehrte  Erscheinung, 
die  Verwandlung  der  Strahlen  von  grösserer  Wellenlänge  in  solche  von  kleinerer 
Wellenlange  und  .Schwingungsdauer,  ist  beobachtet  und  Calorescenz  genannt 
worden,  wodurch  die  das  äusserste  rothe  Spectralende  überragenden,  unsichtbaren 
ultrarotben  Wärmestrahlen  in  Spectralfarben  übergeführt  werden.  So  erscheinen 
die  gelbe  FluoresceYnlösung  und  die  Curcumatinctur  auf  der  Oberfläche  gelbgrün, 
das  gelbe  Petroleum  blau.  Dieses  Iasst  sich  bis  in  grosse  Verdünnung  der  Lösungen 


Digitized  by  Google 


DICHROISMUS.  —  DICHTE. 


475 


verfolgen  and  tritt  mit  besonderem  Glänze  in  dem  elektrischen  Leuchten  der 
GEissLEfi'schen  Röhren  hervor.  Als  Ursache  der  Fluorescenz  und  der  Calorescenz 
wird  das  Zusammentreffen  von  Lichtwellen  verschiedener  Länge  angenommen, 
welche  sich  zu  gemeinsam  schwingenden  Wellen  von  niedrigerer  oder  höherer 
Schwingungszahl  vereinen,  ähnlich  wie  durch  Resonanz  die  Combinationstöne 
entstehen. 

Speciell  bezeichnet  man  mit  Dichroismus  die  Eigenschaft  aller  doppelbrechenden 
farbigen  Körper,  in  der  Richtung  ihrer  Hauptaxe  eine  andere  Farbe  zu  zeigen, 
als  in  den  senkrecht  auf  die  letztere  gerichteten,  übrigen  Richtungen.  Es  kommt 
dieses  daher,  dass  nur  in  der  Richtung  der  Hauptaxe  keine  Doppelbrechung 
stattfindet,  also  senkrecht  zu  derselben  schwingendes,  unpolarisirtes  Licht  hin- 
durch geht,  in  allen  anderen  Richtungen  jeder  Strahl  aber  doppelt  gebrochen, 
d.  n.  in  zwei  polarisirte,  einen  ordentlichen  und  einen  ausserordentlichen  Strahl 
getheilt  wird ,  von  denen  der  erstere  senkrecht ,  der  letztere  parallel  zur  opti- 
schen Hauptaxe  schwingt.  Von  diesen  zeigt  der  ordentliche  Strahl  dieselbe 
Absorption  wie  das  unpolarisirte  Licht,  wie  man  sich  vermittelst  eines  Polarisations- 
apparates überzeugen  kann,  der  ausserordentliche  Strahl  eine  abweichend  ausge- 
wählte Absorption  seiner  homogenen  Bestandteile,  daher  dort,  wo  derselbe  auftritt, 
die  veränderte  Gesammtmischung  der  Farbe  des  Krystalles  im  durchfallenden 
Lichte.  In  auffallender  Weise  zeigen  dieses  Verhalten  der  Turmalin,  viele  Platin- 
doppelsalze, der  Herapatbit,  das  Morphiumtetrajodid  und  die  Doppelsalze  zusammen- 
gesetzter Ammoniumbasen,  wie  das  Tetramethylammoniumtrijodid  und  das  Penta- 
jodid,  Gange. 

Dichromsäure.  eine  polymere  Modifikation  der  Chromsäure.  Vergl.  Bd.  III, 
pag.  118,  Saures  chromsaures  Kali. 

Dichromsaures  Kali  =  Kaliuni  btchromicum, 

Dichte.  Die  Dichtigkeit  eines  Körpers  hängt  von  der  Quantität  der  in  dem 
Volumen ,  welches  derselbe  einnimmt ,  angehäuften  materiellen  Masse  ab  und ,  da 
die  Anziehung,  also  die  Schwere  und  somit  das  Gewicht  des  Körpers  seiner  Masse 
proportional  und  das  specinsche  Gewicht  ein  vergleichendes  Maas«  der  Gewichte 
gleicher  Volumina  der  Masse  ist,  bo  bietet  das  letztere  einen  Maassstab  für  die 
Dichtigkeit.  Wie  bei  dem  speeifischen  Gewichte  wird  daher  als  Einheit  der  Dichtig- 
keit für  feste  und  flüssige  Körper  das  Wasser,  für  gasförmige  Körper  die  Luft 
angenommen  und,  wo  ausnahmsweise  feste  oder  flüssige  Körper  mit  Gasen  ver- 
glichen werden,  ist  zu  berücksichtigen,  dass  1  cem  Wasser  von  +4°  lg,  1  cem 
Luft  von  0°  bei  760  mm  Druck  0.00121)3  g  wiegt. 

Das  Volumen ,  also  auch  die  Dichtigkeit ,  wird  verändert  durch  Ausdehnung 
oder  Znsammenziehung  der  Körper  und  diese  werden  durch  von  aussen  einwirkende, 
mechanische  Kräfte,  Zug  oder  Druck,  durch  Aufnahme  oder  Abgabe  von  Wärme 
und  durch  innere  molekulare  Veränderungen  bewirkt,  wie  sie  der  ücbergang  aus 
einem  Aggregatzustande  in  einen  anderen  und  derjenige  aus  dem  amorphen  in  den 
kristallinischen  Zustand  oder  aus  einer  Krystallform  in  eine  andere  begleiten. 
Diese  genannten  Ursachen  der  Veränderungen  der  Dichtigkeit  treten  selten  einzeln, 
sondern  meist  zu  mehreren  zusammen  auf,   begreiflich  am  meisten   an  festen 
Körpern  und  machen  dadurch  die  Zu-  und  Abnahme  der  Dichte  derselben  zu 
keiner  regelmässigen,  der  einen  oder  anderen  einzelnen  Einwirkuog  proportionalen. 
Es  hat  daher  besonders  für  feste,  aber  auch  für  flüssige  Körper  kein  allgemein 
giltiges  Gesetz  der  Dichtigkeitszu-  und  -Abnahme  aufgestellt  werden  könuen, 
sondern  die  Kenntniss  des  Verbaltens  jedes  einzelnen  gründet  sich  auf  die  Er- 
fahrung in  den  vielfachen  Beobachtungen  an  den   Stoffen,  welche  in  gleichem 
Grade  den  Naturforscher,  den  Physiker  wie  den  Techniker  interessiren.  Wir  kennen 
daher  keinen  normalen  Zustand  zum  Vergleiche  für  feste  Stoffe.  Nicht  einmal  dem 
allgemeinen  Gesetze  der  Materie,  nach  welchem  das  Atomgewicht  das  Product  aus 
dem  speeifischen  Gewichte  und  dem  Atomvolumen  sein  müsste,  so  dass  das  letztere 

Digitized  by  Google 


1 


476  DICHTE. 

durch  Division  des  Atomgewichtes  durch  das  .specifische  Gewicht  als  stets  constante 
Grösse  resultirt,  ordnen  sich  die  festen  Stoffe  unter;  denn  nur  bei  wenigen  wird 
diese  constante  Grösse  beobachtet,  bei  manchen  annähernd,  bei  anderen  gar  nicht. 

Bei  den  festen  Körpern  verhindern  die  durch  den  starren  Zustand  erschwerte 
Beweglichkeit  der  Moleküle  und  die  grosse  Cohäsion,  dass  dieselben  aus  der  durch 
bestimmte  Kräfte,  als  mechanischen  Druck  (Pressen,  Walzen,  Hämmern)  bewirkten, 
veränderten  Dichte  freiwillig  in  den  Zustand  der  früheren  Dichte  zurückkehren,  nach- 
dem die  Einwirkung  dieser  Kräfte  aufgehört  hat.  Hier  müssen  erst  andere  entgegen 
wirkende  Kräfte  mithelfen,  z.  B.  mechanische  Erschütterung  kann  amorphe  Stoffe 
(nach  dem  Schmelzen  erstarrte  Bichromate)  plötzlich  in  Krystalle  umwandeln,  die 
Wärme  durch  Reibung,  die  durch  Schmieden  und  Strecken  amorph  gemachten  eisernen 
Wagenaxen  krystallinisch  machen,  das  Erwärmen  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
(sogenannte«  Anlassen)  die  Dichte  des  Stahles  und  des  Glases  reguliren. 

Die  Leitungsfähigkeit  der  Stoffe  für  Wärme,  Licht  und  Elektricität ,  also  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  und  die  Länge  der  Wellen  ihrer  schwingenden 
Atome,  während  die  Schwingungsdauer  eine  stets  constante  Grösse  bleibt,  sind 
gleichfalls  von  der  Dichte  derselben  abhängig,  stehen  aber  auch  in  keinem  geraden 
Verhältnisse  zu  derselben,  weil  die  molekulare  Structur  nicht  allein  von  ihnen  ab- 
hängt Dieses  zeigt  sich  namentlich  an  dem  nicht  proportionalen  Verhalten  des 
specifischen  Gewichtes  zu  dem  Brechungsexponenten,  dem  Ausdrucke  der  ungleichen 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes  in  verschiedenen  Medien,  welche  als  die 
optische  Dichte  der  Stoffe  bezeichnet  werden  kann.  Die  Art  des  Stoffes  nnd 
die  chemische  Zusammensetzung  ist  hier  mehr  entscheidend  als  das  specitische 
Gewicht  desselben.  Es  gibt  homologe  Reihen  von  Verbindungen  (Kohlenwasserstoffe, 
Aether,  Alkohole,  Säuren),  in  denen  mit  stufenweise  wiederholtem  Eintreten  der 
Gruppe  CH2  das  specifische  Gewicht,  der  Brechungsexponent  und  der  8iedepunkt 
proportional  wachsen.  Dagegen  haben  ohne  nachweisbaren  Zusammenhang  oft  spe- 
eiflsch  schwerere,  oft  specifisch  leichtere  Stoffe  einen  höheren  Brechungsexponenten 
als  andere,  wie  folgende  Zusammenstellung  zeigt: 


Name 

Zusammen- 
setzung 

1    Siedepunkt  ^SSSST 

Brechungs- 
exponente 

Methylalkohol  

cn4o 

66" 

0.796 

1.333 

C4H60 

78.7" 

0.801 

1.366  , 

C^O 

88  -  92° 

0.804 

1.386 

C4  Hl0  0 

1(36-108° 

0.807 

1.401 
1413 

Cf  Ht,  0 

131.8° 

0.813 

34  8° 

0.717 

1.357 

103° 
46.2° 

r   

1.000 

1.335 

Schwefelkohlenstoff  

1.272 

1.643 

Crownglaa  (Dollond)    .  .  . 

2.484 

1.615 

Flintglas  (Fraonh  o  f'er)   .  . 

fr 

2.135 

1.713 

Z 

1  _ 

1 

3500 

2.487 

Die  Abnahme  der  Dichte  der  Flüssigkeiten  beim  Erwärmen  ist  nur  für  wenige 
derselben  der  steigenden  Temperatur  proportional  und  auch  hier  nur  zwischen  be- 
stimmten Temperaturgrenzen.  In  der  Nähe  des  Siedepunktes  nimmt  die  Ausdehnung 
schneller  zu  als  die  Temperatur.  Ein  eigentümliches  abweichendes,  für  die  Wärme- 
vertheilung  auf  der  Erdoberfläche  höchst  wichtiges  Verhalten  zeigt  das  Wasser. 
Seine  grögste  Dichtigkeit  Hegt  nicht  bei  dem  Gefrierpunkte ,  sondern  bei  +4°. 
Bis  —  10°,  welcher  bei  Vermeidung  jeglicher  Erschütterung  ohne  Gefrieren  zu 
erreichen  ist,  dehnt  sich  dasselbe  wieder  aus.  Die  kälteren,  schliesslich  zu  Eis 
erstarrenden  Schichten  schwimmen  daher  oben  auf  der  Meeresfläche,  wo  sie  von 
der  Frühlingssonne  wieder  geschmolzen  werden,  was  nicht  möglich  sein  würde, 
wenn  das  Wasser  von  0°  das  dichteste  wäre,  an  den  Grund  sänke  nnd  die 
wärmeren  Schichten  so  lange  nach  oben  verdrängte,  bis  die  ganze  Wassermasse 
den  Gefrierpunkt  erreicht  hätte  und  dann  bis  auf  den  Grund  erstarrte.  Die  Eis- 


Digitized  by  Google 


DICHTE. 


477 


massen  würden  so  überhand  nehmen,  das«  die  arktischen  Zonen  die  gemässigten 
verdrängen  und  bis  an  die  tropischen  Zonen  grenzen  würden.  Für  die  Fauna  und 
Flora  des  Meeres  nicht  minder  bedeutsam  ist  diese  Lage  des  Dichtigkeitsmaximums 
desselben,  in  Folge  deren  in  allen  Zonen  in  grossen  Tiefen  die  gleiche  Dichtigkeit 
und  die  gleiche  Temperatur  sich  behaupten. 

In  Flüssigkeiten  aufgelöste  Stoffe  verändern  die  Lage  des  Dichtigkeitsmaximums, 
des  Gefrierpunktes  und  des  Siedepunktes.  l>a»  Meerwasser  ist  am  dichtesten  bei 
+  3.67°,  das  destillirte  Wasser  bei  +4°  und  dehnt  sich  letzteres  beim  Erw&rmen 
von  dort  bis  100°  um  nahezu  4!/3  Procent  aus,  denn  aus  1.000000  werden  1.043114 
Volumina.  Eine  sehr  gleichmassige  Ausdehnung  hat  das  Quecksilber.  Diese  im 
Vereine  mit  dem  grossen  Abstände  seines  Erstarrungs-  und  Siedepunktes,  semer 
grossen  Wärmeleitungsiiihigkeit  und  seinem  hohen  Bpecifischen  Gewichte  machen 
dasselbe  zu  dem  geeignetsten  Materiale  als  Füllung  vieler  Messinstrumente  (Thermo- 
meter, Barometer,  Manometer)  und  zum  Bestimmen  der  Volumina  von  Hohlräumen, 
welche  es  erfüllt,  aus  seinem  Gewichte. 

Die  Dichte  der  Gase.  Dieselbe  harmonirt  nach  zwei  Richtungen  mit  hoch- 
wichtigen chemischen  und  physikalischen  Gesetzen,  welche  zwar  nur  innerhalb 
gewisser  Grenzen  gelten ,  aber  auch  die  Abweichungen  von  denselben  sind  auf 
gesetzliche  Ursachen  zurückgeführt  worden. 

1.  Ist  nach  Avogadro  unter  gleichen  Umstünden  (Druck  und  Temperatur) 
in  gleichen  Volumina  desselben  Gases  stets  die  gleiche  Anzahl  Moleküle  enthalten 
und  ist  daher  das  Gewicht  dieses  Volumens  der  Quotient  aus  der  Division  des 
Molekulargewichtes  durch  das  specifische  Gewicht  des  Gases  und  der  Ausdruck 
de»  Molekularvolumens.  Das  Volumen  einer  Verbindung  aus  gleich  grossen  Volumina 
der  Bestandteile  ist  gleich  der  Summe  der  letzteren  ,  z.  B.  1  Vol.  Wasserstoff 
und  1  Vol.  Chlor  verbinden  sich  zu  2  Vol.  Chlorwasserstoff.  Sind  die  Volumina 
der  Bestandtheile  ungleich,  so  verdichten  sich  dieselben  in  der  Verbindung  nach 
ermittelten  einfachen  Proportionen,  z.  B.  2  Vol.  Wasserstoff  und  1  Vol.  Sauerstoff 
zn  2  Vol.  Wasserdampf,  3  Vol.  Wasserstoff  und  1  Vol.  Stickstoff  zu  2  Vol. 
Ammoniak. 

2.  Ist  nach  dem  MARiOTTK'schen  Gesetze  die  Dichtigkeit  eines  Gases  pro- 
portional dem  Drucke  und  das  Volumen  desselben  umgekehrt  proportional  dem 
letzteren. 

Die  erwähnten  Abweichungen  beziehen  sich  darauf  r  dass  die  proportionalen 
Besiehungen  zwischen  Dichtigkeit,  Volumen  und  Druck  nicht  bei  allen  Temperaturen 
gelten ,  sondern  sowohl  in  niedrigen ,  welche  dem  Verdicbtungspunkte  in  einen 
anderen  Aggregatzustand  nahe  rücken,  als  auch  in  hohen  Temperaturen  sich  ver- 
schieben.  Man  unterschied  bis  vor  Kurzem  Dämpfe,  coercibele  und  vollkommene 
Gase.  Die  ersteren  sind  bei  gewöhnlicher  Temperatur  fest  oder  flüssig,  die  zweiten 
werden  das  Eine  oder  Andere  durch  Druck  oder  Abkühlung,  bei  den  dritten  hielt 
man  letzteres  für  unmöglich.  Seitdem  Caillktet  und  Pictkt  sogar  den  Wasser- 
stoff eondensirt  haben,  müssen  alle  Stoffe  unter  einem  allgemeineren  Gesichtspunkte 
betrachtet  werden,  von  welchem  aus  alle  Dichtigkeitsverhaltnisse,  deren  drei  Haupt- 
stufen die  Aggregatzustände  sind,  aU  das  Resultat  der  verschiedenen,  sich  theils 
verstärkenden,  theils  einander  entgegen  wirkenden  Aeusserungen  der  Energie,  der 
Schwere,  der  molekularen  Anziehung,  der  Wärme,  des  Lichtes,  der  Elektricität  und 
de«  Magnetismus,  betrachtet  werden.    Wir  können  hier  nur  auf  das  Wichtigste 
eingeben,  um  die  Abweichungen  zu  erklären.    8o  lange  man  vollkommene  Gase 
und  die  unbeschränkte  Herrschaft  des  MARiOTTE'schen  Gesetzes  annahm,  bezeichnete 
man  die  ersteren  als  solche,  deren  Moleküle  gar  keine  Anziehung  auf  einander 
ausübten.  Man  vergass,  dass  der  Begriff  Materie  ohne  Anziehung  (Schwere,  Ge- 
wicht) nicht  haltbar  ist.    Richtig  ist,  dass  in  geringerer  Dichtigkeit  (niedrigem 
Drucke,  hoher  Temperatur,  grosser  Ausdehnung)  die  im  Quadrate  der  Entfernung 
der  Moleküle  von  einander  abnehmende  Anziehung  unter  diesen  Bedingungen  eine 
verschwindend  kleine  Grösse  wird,  bei  verstärktem  Drucke  (niedriger  Temperatur) 


Digitized  by  Google 


478 


DICHTE.  —  DIC  KENWACHSTHUM. 


mit  Annäherung  der  Moleküle  au  einander  im  Quadrate  derselben  so  wachsen 
mnss,  dass  dieselbe  ihre  Wirkung  zu  derjenigen  des  Druckes  addirtT  so  dass  das 
Volumen  ein  kleineres,  die  Dichte  eine  grössere  wird,  als  dem  Drucke  und  der 
Temperatur  entspricht.  Die  Abweichungen  der  Proportionalität  «wischen  Druck, 
Volumen  und  Dichtigkeit  der  Gase  in  hohen  Temperaturen  können  ihren  Grnnd 
in  der  veränderten  Anziehung  oder  Dissociation  der  Atome  in  den  Molekülen  haben, 
durch  welche  auch  entsprechende  8pectralerscheinungen  erklärt  werden.  Gänge. 

DicfltersteinÖl,  volksth.  Bezeichnung  des  Oleum  philosophorum. 

DiCinChOnin,  s.  China-Alkaloide,  Bd.  II,  pag.  696. 

Dfck'S  Wundersalbe,  eine  in  vielen  Gegenden  Deutschlands  sehr  beliebte 
Spezialität,  ist  ein  Pflaster  ähnlich  dem  Emplaatrum  fuscum  campkorotum. 

Dickdarm  nennt  man  den  1.2 — 1.5  m  langen  letzten  grösseren  Darmabschnitt ; 
er  besteht  aus  dem  Blinddarm  (Coecum),  aus  dem  Grimmdarm  (Colon),  welcher 
in  einen  aufsteigenden  (Colon  ascendens),  in  einen  quer  gelagerten  (Colon  trans- 
versum)  und  in  einen  absteigenden  Theil  (Colon  descendens)  unterabgetheilt  wird ; 
an  den  letzteren  schliesst  sich  das  schon  zum  Theil  im  kleinen  Becken  gelegene 
8  romanum,  eine  s- förmig  gekrümmte  Schlinge,  welche  unmittelbar  in  den  Mast- 
darm tibergeht.  Der  aufsteigende  Theil  des  Dickdarmes  liegt  rechts,  der  absteigende 
links  in  der  Bauchhöhle;  beide  haben  nur  geringe  Beweglichkeit. 

Das  Quercolon  besitzt  ein  gekröseartiges  Aufhängeband  von  Seite  des  Bauch» 
feiles  und  ist  dadurch  sehr  verschiebbar. 

Der  Dickdarm  ist  viel  weiter  als  der  Dünndarm;  seine  Oberfläche  ist  vielfach 
ausgebuchtet.  In  diesen  Ausbuchtungen,  Haustra  genannt,  wird  der  Koth  dnreh 
Aufsaugung  seiner  flüssigen  Bestandteile  härter  und  beginnt  sich  zu  ballen. 

Der  Dickdarm  ist  überhaupt  mehr  für  die  Aufsaugung  verdauter  Nahrungs- 
bestandtheile  als  für  die  Verdauung  eingerichtet;  absolut  ausgeschlossen  ist  jedoch 
die  Verdauung  sogar  von  Eiweissstoffen  im  Dickdarme  nicht;  man  ist  auch  im 
Stande  Kranke  durch  Klystiere,  wenn  auch  unvollkommen  und  nicht  für  sehr  lange 
Zeit,  zu  ernähren. 

DiCkeriWaChsthum  wird  bei  den  Pflanzen  sowohl  bei  der  Membran  der 
einzelnen  Zellen  wie  bei  ganzen  Organen  beobachtet.  Das  Dickenwachsthum 
der  Membran  beginnt  für  gewöhnlich  erst  dann,  wenn  die  Zelle  ihre  endgiltige 
Gestalt  angenommen  hat,  also  nicht  mehr  in  die  Fläche  wächst.  Es  erfolgt  durch 
Intn8susception  neuer  Cellulosetheilchen,  für  gewöhnlich  nur  auf  der  Innenseite 
(centripetal) ,  ist  aber  sehr  selten  ein  gleichmässiges.  Bisweilen  ist  es  so  stark, 
dass  die  Zelihöhle  fast  ganz  verschwindet  (Bastzellen ,  Steinzellen).  Die  bei  der 
ungleiehmässigen  Verdickung  düonbleibenden  Membranstellen  nennt  man,  falls  sie 
im  Verhältnis«  zu  den  verdickten  zurücktreten,  Tüpfel  (s.  d.).  Die  Verdiekungs- 
art  der  Zellwand  ist  eine  sehr  mannigfaltige.  Man  findet  warzige  und  leistenartige 
Verdickungen  (letztere  z.  B.  bei  den  Endospermzellen  der  Kaffeebohne,  wo  die 
Membran  im  Querschnitt  ein  rosenkranzförmiges  Aussehen  besitzt),  ferner  ring- 
und  spiralförmige  (bei  den  Ring-  und  Spiralgefässen)  und  netzförmige  (sowohl  bei 
Parenchymzellen ,  z.  B.  in  der  Fencbelfrucht ,  als  bei  Gefässen),  sowie  leitor-  und 
treppenförraige  (bei  Gefässen).  Bisweilen  ist  die  Verdickung  auch  nicht  allseitig 
vorhanden  oder  doch  nicht  allseitig  gleich  stark,  so  z.  B.  bei  den  Epidermiszellen. 
die  aussen  stärker  als  innen  und  bei  den  Zellen  der  Endodermis,  die  meist  innen 
starker  als  aussen,  und  den  Collenchymzellen,  die  nur  in  den  Ecken  verdickt  sind. 
Fast  immer  besitzt  die  Verdickung  eine  mechanische  Bedeutung,  nur  bei  einigen 
Palmsaraen  geschieht  sie  behufs  Aufspeicherung  von  Reservecellulose. 

Das  Dickenwachsthum  ganzer  Organe  wird  in  seiner  Form  durch  Tangentialtheilungeu 
in  den  Zellen  bedingt.  Es  erlischt  mit  der  definitiven  Ausbildung  des  Organs. 

Die  Stämme  und  Wurzeln  der  Dikotylen  und  Gymnospermen  besitzen  aber 
ausserdem  noch  die  Eigenthflmlichkeit.  ihren  Umfang  durch  sogenanntes  secundäres 

Digitized  by  Google 


DICKEN  WACHSTHUM.  —  DICOTYLEAE. 


479 


Dicken  wach  sthum  vergrftssern  zu  können.  Dieses  secundäre  Diekenwaehsthum  wird 
durch  das  Vorhandensein  eines  dauernd  bildongsthätig  bleibenden,  ringförmig  den 
Holzkörper  umgebenden  Meristems  bedingt.  Dieses  Meristem  ist  das  C  a  ra  b  i  u  m 
(s.  Bd.  II,  pag.  505.).  Es  fehlt  den  Monocotylen  in  der  typischen  Form  ganz. 
Bei  einigen  Monocotylen  (Dracaena,  Aloö,  Yucca)  jedoch,  die  gleichfalls,  wenn  schon 
in  beschränktem  Maasse,  in  die  Dicke  zu  wachsen  vermögen ,  findet  sich  in  der 
Peripherie  eine  cambiumähnliohe  Zone,  die  sowohl  Grundparenchym  als  Procambium- 
stränge  erzeugt.  Tschirch. 

DickmaiSChverfahren.  Eine  bei  der  Brauerei,  besonders  schwerer  Biere, 
übliche  Methode,  s.  Bier,  Bd.  II,  pag.  293. 

Dicksaft.  Eine  in  der  Zuckerfabrikation  übliche  Bezeichnung  für  den  durch 
Piltriren  und  Verdampfen  concentrirten  Dttnnsaft  (s.  d.). 

DiCÜnUS  doppelt  und  xlivrj,  Lager,  Bett),  bezeichnet  Pflanzen,  deren 

beiderlei  Befruchtungsorgane  —  Staubgefässe  und  Griffel  —  nicht  beisammen, 
sondern  in  verschiedenen  Blüthen  getrennt  vorkommen,  also  getrennt  geschlechtig. 
Die  hierher  gehörenden  Pflanzen  bilden  die  Dicltnta,  eine  Hauptabtheilung  des 
LiNNE'schen  Pflanzensystemes ,  die  Classen  Monoecia  (XXI) ,  Dioecia  (XXÜ)  und 
Bdygamia  (XXIII)  umfassend.  Sydow. 

DiCOnchinin,  s.  China-Alkaloide,  Bd.  II,  pag.  696. 

Dicotoin,  cuH34on,  ist  ein  indifferenter  Bestandteil  der  echten  Cütorinde, 
der  Rinde  einer  aus  Bolivia  stammenden  Rubiacee,  welche  neben  Cotoin  (vergl. 
auch  dieses)  Dicotoin  und  Piperonylsäure  enthält.  Das  Dicotoin  wird  erhalten  aus 
den  Mutterlaugen  beim  Umkrystallisiren  des  Cotoins,  wobei  sich  das  Dicotoin  in 
glänzenden,  fast  weissen  Blättchen  abscheidet.  Schmelzpunkt  74 — 77°.  Wenig 
löslich  in  kochendem  Wasser,  leicht  in  Alkohol,  Aether,  Chloroform  und  Alkalien. 
Die  alkoholische  Lösung  gibt  mit  Eisenchlorid  eine  tief  braunrothe  Färbung. 

Ganswind  t. 

DiCOtyleae,  Hauptgruppe  der  Angiospermae,  welche  allgemein  als  die  höchst 
entwickelte  des  Pflanzenreiches  angesehen  wird.  Wie  der  Name  (o\;  zwei  und 
xoTv).T)Otov,  Keimblatt)  andeutet,  gehören  zu  den  Dicotyledonen  alle  diejenigen  Ge- 
wächse, deren  Keimling  mit  (fast)  stets  zwei  gegeuständigen  Keimblättern 
versehen  ist,  zwischen  denen  die  Endknospe  liegt.  Diese  Keimblätter  sind  oft 
gestielt,  laubartig  über  den  Boden  tretend,  nur  wenn  sie  sehr  dick  und  fleischig 
sind,  in  der  Samenschale  bleibend.  Es  gibt  jedoch  Ausnahmen  von  dieser  Regel 
und  genügt  es  daher  nicht,  allein  auf  Grund  der  morphologischen  Verhältnisse  der 
Keimblätter  entscheiden  zu  wollen,  ob  eine  Pflanze  zu  der  Dicotyleae  oder  zu 
der  dieser  gegenüber  stehenden  Gruppe  der  Monocotyleae  zu  rechnen  ist. 

So  ist  z.  B.  bei  der  Abtheilung  ßulbocapnua  der  Gattung  Corydalü ,  ferner 
bei  Rannuclus  Ficara  nur  ein  Keimblatt  ausgebildet.  Bei  den  Hypopytiaceae, 
Orbancheae,  Balanophoreae,  Raffiesiaceae  und  anderen  Schmarotzern  sind  beide 
Keimblätter  verkümmert,  den  meisten  Arten  der  Gnscuteae  fehlen  sie  vollständig. 
Treten  mehr  als  zwei  Keimblätter  (drei  oder  vier)  auf,  wie  dies  bei  einzelnen 
Gattungen  (Acer,  Delphinium,  Tilta  etc.)  nicht  selten  der  Fall  ist,  so  sind  diese 
Bildungen  jedoch  nur  als  abnorme  zu  betrachten.  Aus  diesen  Anführungen  erhellt 
cor  Genüge,  dass  nur  eine  Untersuchung  der  ganzen  Pflanze  —  Habitus,  Bau  der 
Blfithe,  Waehsthums Verhältnisse  des  Stengels  und  der  Wurzel  —  die  Frage,  ob 
dicotvledonisch  oder  monocotyledonisch  beantworten  kann.  Der  Stengel  der  Dicotyle- 
donen zeigt  auf  seinem  Querschnitt  meist  nur  einen,  zwischen  Rinde  und  Mark 
liegenden  Kreis  von  Gefässbündeln,  nur  bei  wenigen  Arten  (Nympkaea,  Papaaer) 
liegen  dieselben  zerstreut.  Die  Gefässbttndel  selbst  haben  unbegrenztes  Wachsthum. 
Blätter  meist  mit  verzweigten,  oft  zierlich  netzförmig  anastomosirenden  Nerven.  In 
den  Blüthentheilen  ist  die  Zahl  fünf  vorherrschend,   seltener  vier  oder  ein  Viel- 


Digitized  by  Google 


D1C0TYLEAE.  —  DICYPELLIUM. 


facbes  dieser  beiden  Zahlen.  Gewöhnlich  lässt  sich  ein  äusserer  (Kelch)  und  innerer 
(Krone)  deutlich  verschiedener  Kreis  von  Blflthenhttllen  erkennen.  Das  Würz  eichen 
des  Embryos  verlängert  sich  stets  zu  einer  wenigstens  einige  Zeit  bleibenden 
Hauptwurzel. 

Die  zahlreichen  Familien  der  Dicotyleae  hat  man  zur  besseren  Orientirung  in 
einige  grössere  Unterabtheilungen  gebracht.  So  unterschieden  de  Candolle  und 
Endlicher  Polypetalae  (Kronbl&tter  mehrere,  getrennt),  Oamopetalae  (Kronblfttter 
verwachsen)  und  Apetalae  (Krone  vollständig  fehlend  oder  nur  der  Kelch  blumenkron- 
artig  ausgebildet).  Bentham  und  Hooker  lassen  die  Apetalae  fallen  und  ver- 
einigen unter  dem  Namen  Monochlamydeae  alle  die  Pflanzen,  welche  eine  einfache 
Blöthendecke  oder  ein  Perigon  haben.  Al.  Braun  stellte  die  meisten  Apetalae  zu 
den  Polypetalae.  Eichler  endlich  unterscheidet  nur  noch  zwei  Unterabtheilungen : 
Choripetalae  (inclusive  Apetalae)  und  Sympetalae.  Sydow. 

DictamnUS,  Gattung  der  Rutaceae  mit  einer  einzigen  Art: 
Dictamnus  albus  L.  (D.  Fraxinella  Pers.) ,  Dictam,  Asch-  oder 
Eschwurz,  Spechtwurz , ^ Hirschpoley,  ist  durch  ganz  Mitteldeutschland  auf  kal- 
kigem, bewachsenem  Boden  verbreitet,  fehlt  aber  in  Westphalen  und  im  Norden 
der  Rheinprovinz.  Der  Stengel  ist  etwa  Im  hoch,  drüsig  behaart,  ebenso  auch 
die  Blumenblätter  und  Staubfäden.  Blätter  unpaarig  gefiedert,  mit  eiförmig,  spitzen, 
gesagten  Fiedern,  durchscheinend  punktirt.  Blflthen  in  einer  endständigen  Traube. 
Blttthe  schwach,  unregelmässig;  Kelch  ötheilig,  abfällig;  Kronblätter  5,  rosa  oder 
mit  weissen  Streifen,  selten  weiss  und  meist  etwas  ungleichmässig  gestaltet ;  Staub- 
fäden 15,  frei;  Fruchtknoten  oberständig;  Frucht  aus  5,  am  Grunde  verwachsenen, 
borstig-rauhen  Kapseln  bestehend,  welche  an  der  inneren  Naht  2klappig  auf- 
springen. 

Angewendet  wurde  die  jetzt  obsolete  Radix  Dictamni.  Richtiger  ist  Cortex 
radicis  Dictamni,  denn  zum  officinellen  Gebrauch  dient  nur  die  von  den  inneren 
Holztheilen  befreite  Wurzel  nach  vorherigem  Abschälen  der  Aussenrinde. 

Die  Droge  bildet  daher  rinnenförmig  zusammengerollte  Stücke,  von  weisser 
Farbe.  Der  eigentümliche  Geruch  und  der  scharfe  Geschmack  der  frischen,  finger- 
dicken fleischigen  Wurzel  verliert  sich  fast  ganz  beim  Trocknen. 

Im  Handel  finden  sich  nur  Bruchstücke  von  einigen  Centiroeter  Länge. 

Als  Bestandteile  sind  ätherisches  Oel,  Harz  und  Extractivstofle  aufgefunden. 

Von  der  früher  behaupteten  Wirkung  als  Antihystericum ,  Emmenagogum  und 
Diureticum  ist  die  heutige  Medicin  zurückgekommen. 

Herba  Dictamni  er  etici  stammt  von  Oriqanum  Dictamnus  L.  (Beringeria 
Pseudo  Dictamnus  Berth.,  Marrubium  Pneudo  Dictamnus  L.),  einer  auf  Kreta  ein- 
heimischen Labiate,  ausgezeichnet  durch  4zeilig  gestellte,  an  der  Spitze  röthliche 
Bracteen. 

Die  gewürzig  riechende  und  schmeckende  Pflanze  ist  bei  uns  obsolet,  in  ihrer 
Heimat  wird  sie  noch  jetzt  als  verdauungsbefördernd  gebraucht.  Prollias. 

Dicyail,  freies  Cyan  C8N,  oder  (CN)2;  s.  Cyan. 

DiCypelHum,  Gattung  der  Lauraceae,  Gruppe  Oreodaphneae,  mit  einer  ein- 
zigen, in  Brasilien  heimischen  Art: 

D  icypellium  caryophyllatum  Nees ,  ein  aromatischer  Baum  mit 
alternirenden,  schwach  lederigen,  kahlen  Blättern  und  seitenständigen  diöcischen 
Inflorescenzen.  Die  Q  Blflthen  haben  ein  lederiges,  sechstheiliges  Perigon  und 
12  Staminodien  in  vier  verschieden  entwickelten  Wirtein,  indem  die  drei  äussersten 
Staubfädenrudimente  corollinisch,  die  inneren  schuppenförmig,  die  beiden  mittleren 
Wirte!  zungenförmig  sind.  Die  Frucht  ist  eine  trockene,  von  dem  Perigon  und 
den  äusseren  Staminodien  gestützte  Beere.  Der  Bau  der  cJ  Blüthe  ist  unbekannt. 

Die  Rinde  kommt  als  Nelkenzimmt,  Cortex  caryophyl  latus ,  Ca  ssia 
caryoph yllala  (Bd.  II,  pag.  575),  in  den  Handel. 


Digitized  by  Google 


DIDIER'S  WEISSE  GESUNDHEITSKÖRNER.  —  DIDYMIUM. 


481 


Didier'8  weisse  Gesundheitskörner  sind  nichts  weiter  als  sorgfältig  aus- 
gesuchter und  gereinigter  weisser  Senfsamen. 

Didymilim.  Symbol  Di.  Vierwerthig.  Sein  Atomgewicht  ist  nicht  genau  bekannt 
und  zu  142.1  (P.  T.  Cleve)  bis  147.1  (B.  Braunes)  bestimmt  worden. 

Nachdem  Mosander  in  der  bis  dahin  für  einen  einheitlichen  Körper  gehaltenen 
Ceriterde  1839  das  Lanthan  nachgewiesen  hatte,  fand  er  darin  als  zweiten  Be- 
gleiter des  Ceriums  im  Jahre  1841  das  Didyra,  welches  später  als  ein  regelmässiger 
Begleiter  des  Lanthans  in  zahlreichen  Mineralien,  in  Kalksteinen,  im  carrarischen 
Marmor,  in  Koprolithen,  Pflanzen,  Knochen  und  im  Menschenharn  nachgewiesen 
wurde.  Bereits  im  Jahre  1882  glaubte  B.  Brauner  die  Existenz  dreier,  dem 
Didym  sehr  nahe  stehender,  aber  unter  sich  verschiedener  Metalle  im  Didymoxyde 
annehmen  zu  müssen ,  von  denen  er  das  eine  als  das  eigentliche  Didymium  mit 
dem  Atomgewichte  145.4  ansah,  das  zweite  als  Diß  (Atomgewicht  etwa  141), 
das  dritte  als  Diy  (Atomgewicht  über  145.4)  bezeichnete.  Im  Jahre  1885  nun  ist 
es  C.  Auer  v.  Welsbach  gelungen,  durch  mehrhundertfaches  ümkrystallisiren  eines 
Gemenges  von  Lanthan-  und  Didymammoniumnitrat  aus  stark  salpetersaurer  Lösung 
zunächst  das  Lanthan  vom  Didym  zu  trennen  und  darzuthun  ,  dass  letzteres  aus 
zwei  Metallen,  aus  dem  dem  Lanthan  nahestehenden,  lauchgrüne  Verbindungen 
liefernden  Praseodym  (Pr;  Atomgewicht  143.6)  und  aus  dem  in  verhältniss- 
mässig  grösserer  Menge  vorhandenen,  rosa-  oder  amethystfarbene  Verbindungen 
liefernden  Neodym  (Nd;  Atomgewicht  140.8)  besteht. 

Zur  Darstellung  des  Didymiums  und  seiner  Verbindungen  geht  man  von  deu  bei 
der  Gewinnung  des  Ceriums  ausCerit  verbleibenden  Mutterlaugen  (Bd.  II,  pag.  634)  aus. 
Zunächst  sind  dieselben ,  besonders  die  zuletzt  erhaltenen ,  auf  einen  etwaigen 
Ceriumgehalt  zu  prüfen  und  nötigenfalls  davon  zu  befreien.  Eine  kloine  Menge 
der  Flüssigkeit  wird  in  der  Platinschale  eingedampft  und  der  Rückstand  über  kleiner 
Flamme  vorsichtig  erhitzt;   bleibt  die  Schmelze  selbst  bei  andauerndem  Erhitzen 
klar,  so  ist  jedenfalls  nur  sehr  wenig  Cerium  vorhanden.  Nun  wird  das  Erhitzen 
fortgesetzt,   bis  der  Innenraum  der  mit  einem  Uhrglase  bedeckten  Schale  sich  tief- 
gelb färbt,  und  die  rasch  abgekühlte  Schmelze  mit  wenig  Wasser  anhaltend  ge- 
kocht; tritt  hierbei  eine  Trübung  nicht  ein,  so  ist  Cerium  nicht  vorhanden.  Bei 
halbwegs  reichlicherer  Anwesenheit  von  Cer  hat  man  zur  Abscheidung  desselben 
einen  Theil  der  betreffenden  Mutterlauge  mit  Oxalsäure  auszufällen ,  den  ausge- 
waschenen Niederschlag  zu  glühen,  gut  mit  Wasser  zu  einem  dicklichen  Brei  zu 
verreiben,   diesen  der  kochenden,  ziemlich  concentrirten  Mutterlauge  zuzusetzen 
(um  so  mehr,  je  mehr  Cerium  vorhanden ;  ein  Ueberschuss  schadet  in  concentrirten 
Lösungen  nicht;  und  das  Kochen  unter  Umrühren   kurze  Zeit  fortzusetzen.  Die 
cerfreien  Mutterlaugen  werden  mit  Oxalsäure  ausgefällt.  Damit  der  Niederschlag 
nicht  zu  dicht  werde,  trägt  man  anfänglich   die  heisse,   stark   verdünnte  Nitrat- 
lösung unter  Umrühren  in  die  ebenfalls  stark  verdünnte   und  heisse  Oxalsäure- 
lösung ein ;  sobald  die  Flüssigkeit  ganz  von  Niederschlag  erfüllt  erscheint,  können 
allmälig  concentrirtcre  Lösungen  zugesetzt  werden.  Der  ausgewaschene  und  ge- 
trocknete Niederschlag  wird  in  Platin  so  lauge  und  so  stark  geglüht,  bis  er  eine 
rothbraune  Farbe  angenommen  hat.  Die  Hälfte  dieses  Oxydgemenges  wird  nun  in 
mässig  verdünnter  Salpetersäure  gelöst,   mit  der  erkalteten  Lösung  die  andere 
Oxydhälfte  in  einer  dicken  Schale  gut  verrieben  und  die  ganze  Masse  in  einem 
geeigneten  Glasgefässe  so  lange  gut  umgerührt,  bis  ihre  Farbe  in  Folge  der  ein- 
tretenden Selbstcrwärmung  in  ein  schmutziges  Blassroth  übergegangen  ist.  Tritt 
diesmr  Farbenwechsel  nicht  ein,  so  ist  die  Lösung  entweder  zu  verdünnt,  in  welchem 
Falle  man   die  Masse  im  Wasserbade  zu  erwärmen  hat,  oder  zu  concentrirt,  in 
welchem  Falle  die  ganze  Masse  erstarrt.  In  jedem  Falle  lässt  man  erkalten,  um 
dann  durch  Decautiren  und  Ausziehen  mit  Wasser  das  Lösliche  vom  Unlöslichen 
zu  scheiden ,  und  das  Verfahren  sowohl  bei  dem  fast  (las  ganze  Didym  enthalten- 
den Rückstände,  als  auch  bei  der  lanthanhaltigen  Lösung  mit  dem  Unterschiede 

R«al-Encyclop&die  der  Ses.  Pharmacie.  III.  31  Digiti; 


4^ 


ÜIDYMIÜM.  —  UIERVILLA. 


zu  wiederholen,  dass  man  jetzt  statt  der  Hälfte  nur  ein  Viertel  der  ans  den 
Oxalaten  dargestellten  Oxyde  mit  der  Lösung  der  Hauptmenge  verreibt;  die 
Lanthanlösung  sei  jetzt  etwas  verdünnter  als  die  Lösung  für  die  erste  Scheidung. 
Eine  nochmalige  Wiederholung  des  Verfahrens,  wobei  nur  ein  Achtel  der  Oxyde  mit 
der  Nitratlösung  verrieben  wurde ,  gab  C.  Al'Ek  v.  Welsbach  (Monatshefte  d. 
Chem.  5,511)  nach  Beseitigung  von  etwas  Calcium  eine  reine  Lanthaulösung  und 
einen  Didymniederschlag,  der  nur  noch  eine  geringe  Menge  von  Ytteritmetallen  und 
sehr  wenig  Cer  enthielt  und  davon,  da  die  basischen  Nitrate  der  Ytteriterden  und 
des  Ceriums  in  der  concentrirten  wässerigen  oder  in  einer  verdünnten  alkoholischen 
Didymnitratlösung  unlöslich  sind,  durch  wiederholte  fractiouirte  Fällung  befreit 
werden  konnte  (a.  a.  0.  4,  630). 

Metallisches  Didym  lässt  sich  in  gleicher  Weise  wie  das  Ceriummetall  durch 
Elektrolyse  des  geschmolzenen  Didymchlorids  darstellen;  es  ist  weiss,  mit  einem 
ßtioh  in's  Gelbe.  Sein  specifisches  Gewicht  beträgt  6.54.  An  trockener  Luft  oxydirt 
es  sich  leichter  als  Cerium.  In  der  Flamme  verbrennt  es  gleich  diesem  mit  ausge- 
zeichneter Lichtentwickelung.  Es  ist  gleich  dem  Cerium  vierwerthig.  Seinem  Oxyde 
kommt  die  Formel  Diä  Os  zu  (Pr2  08  und  Nd208  nach  C.  Auer  v.  Welsbach). 

Ulbricht. 

DidymsaEze  Sie  sind  rosenroth  oder  roth  mit  einem  Stich  in's  Violett  (zur 
Farbe  der  Praseodym-  und  Neodymsalze  (vergl.  pag.  481).  Ihre  wässerigen 
Lösungen  reagiren  neutral  und  schmecken  süss  zusammenziehend.  Aus  denselben 
fällen  Aetzkali  und  -Natron,  sowie  Schwefelammonium,  gallertartiges,  feucht 
rosafarbenes  Didymhydroxyd  (Di2  [H0]6) ,  die  Carbonate  der  Alkalimetalle  volumi- 
nöses rosenrothes  kohlensaures  Didym  (Di8  [COä]j,  H3  0).  Die  Sulfate  der  Alkali- 
metalle (auch  des  Ammoniums)  erzeugen  blassrothe ,  krystallinische ,  im  Ueber- 
schusse  des  Fällungsmittels  schwer  lösliche,  in  Wasser  löslichere  Doppelsabte 
(z.  B.  K2S04,  Dia  (8008  +  2HsO).  Oxalsäure  bewirkt  eine  nur  bei  Gegenwart 
von  viel  freier  Säure  nicht  vollständige  Ausfällung.  Das  Didym  ist  durch  eigen- 
tümliche Absorptionsspectra  charakterisirt ,  welche  die  Lösungen  seiner  Salze, 
diese  selbst,  sowie  das  Didymglas  zeigen.  Abbildungen  derselben  sind  in  Bd.  6 
der  Monatshefte  f.  Chem.  enthalten.  Die  Spoctra  des  Didyms  setzen  sich  aus  denen 
des  Praseodyms  und  Neodyms  zusammen.  Ein  Cer-  und  Lanthangehalt  der  Didym- 
verbindungen  beeinflusst  die  Absorptionsspectren  nicht,  wohl  aber  in  hohem  Grade 
ein  Gehalt  der  Lösungen  an  freier  Salpetersäure  (s.  auch  Spectralanalyse). 

Didynamia  (&{;,  doppelt  und  ouvxui;,  Kraft;,  Name  der  XIV.  Classc  des 
LiNXF.'schen  Pflanzen systemes.  Die  derselben  angehörenden  Pflanzen  besitzen 
Zwitterblüthen  mit  4  freien  Staubgefässen,  von  denen  2  länger  und  2  kürzer  sind, 
wie  dies  bei  der  Mehrzahl  der  Labiatae  und  Scrophulariaceae  vorkommt.  Die 
XIV.  Ciasse  zerfällt  in  die  Ordnungen:  Gymnospermia ,  Früchte  in  4  einsamige 
Klausen  zerfallend  und  Angiospermia,  Früchte  sich  nicht  in  4  Klausen  theilend. 

S  y  d  o  w. 

Diefenbach^  SpetieS  diliretiCae  bestehen  aus  1  Th.  Baccae  Junipri, 
2  Th.  Radix  Levütici  und  4  Th.  Berba  Violae  tricol. 

Dfeffenbachia,  Gattung  der  Ä  raceae,  Unterfamilie  Aglaonemoideae.  — 
Dieffenbaehia  Seguine  Schott  (Galadium  Segumum  Vent.,  Arum 
Sequinum  L.)  aus  dem  tropischen  Amerika  enthält  in  allen  Theilen  einen  höchst 
giftigen,  heftige  Entzündung  erregenden  Saft,  dessen  Wirkung  nach  Hagek  noch 
gesteigert  wird  durch  zahlreiche  in  ihm  suspendirte  mikroskopische  Krystallnadeln. 
Eine  Abkochung  und  eine  Tinctur  des  Krautes  sowohl  wie  des  Rhizoms  scheint 
in  Amerika  arzneilich  versucht  worden  zu  sein;  jetzt  ist  die  Pflanze  verschollen. 

Diervilla,  eine  Gattung  der  Gapn'foliaceae ,  welche  in  mehreren  Arten  bei 
uns  als  Zierstrauch  gezogen  wird.    Von  Symphoricarpos  Mönch  unterscheidet  sie 

Digitized  by  Google 


DIEBVILLA.  —  DIFFEBENZIRÜNGSSYSTEME. 


483 


sich  durch  die  einfächerige,  nicht  vom  Kelche  gekrönte  Fracht.  —  Stipitts  Dier- 
villae  waren  früher  in  Nordamerika  als  üiureticum  in  Gebrauch. 

DieSbaCher  BlaU  ist  ein  durch  Auskochen  mit  verdünnter  Schwefelsaure 
und  Salpetersäure  gereinigtes  Pariserblau.  Benedikt. 

Diefee'8  Krällter-BrUStSyrUp  ist  Zuckersyrup,  mit  etwas  Saccharum  tostum 
braun  gefärbt;  Dietze's  UniV6r8alkräutere8SenZ  ist  ein  aromatisch  bitterer  Schnaps. 

Differentialmanometer,  Manometer. 

Differenzanalyse.  Als  Differenzanalyse  sind  diejenigen  quantitativen  Be- 
stimmungen zu  bezeichnen,  bei  denen  eiu  Einselresultat  nicht  durch  directe 
gewichte-  oder  maassanalytische  Bestimmung,  sondern  indirect  durch  die  Differenz 
zwischen  einem  Gesammtresultat  und  einem  direct  bestimmbaren  Einzelresultate 
bestimmt  wird.  Es  wird  sich  dabei  vornehmlich  um  die  Bestimmung  solcher  Körper 
handeln,  welche  entweder  keine  oder  doch  für  Wägungen  nicht  geeignete  Nieder- 
schläge geben ,  oder  um  dio  Trennung  flüchtiger  von  nicht  flüchtigen  Stoffen.  — 
So  wird  z.  B.  das  Natrium  neben  Kalium  in  der  Hauptsache  durch  Differenz  bestimmt, 
indem  man  die  Chlormetalle  zunächst  wägt  und  dann  das  Chlor  bestimmt.  Aus 
diesen  zwei  gewonnenen  Zahlen  lässt  sich  dann  durch  Differenzrechnung  der  Gehalt 
an  Kalium  und  Natrium  feststellen.  Es  verhält  sich  nämlich  die  Differenz  D  zwischen 
dem  Gewicht  G  der  Chlormetalle  und  derjenigen  Menge,  die  mau  hätte  erhalten 
müssen ,  wenn  alles  Chlor  als  Chlorkalium  vorhanden  wäre ,  zu  dem  gesuchten 
Chlornatrium,  wie  die  Differenz  zwischen  den  Molekulargewichten  des  Chlorkaliums 
und  Chlornarriums  (16.04)  zu  dem  Molekulargewicht  des  Chlornatriums  (58.36); 

also  D  :  x  =  16.04  :  58.36,  und  x  =  - *-?f-3-. 

Betrachtet  man  nun  die  Chlormetalle  als  reines  Chlorkaliuni,  so  lässt  sich  der 
Chlorgehalt  daraus  durch  Rechnung  finden.  Die  Differenz  zwischen  dem  berechneten 
und  dem  dnreh  Wftgung  oder  Titration  bestimmten  Chlor  gibt  die  Grösse  D.  Durch 
Einsetzen  dieses  Werthes  in  die  obige  Formel  ermittelt  man  leicht  das  Chlor- 
natrium. Die  Differenz  des  Gesammtge wicht«  G  und  des  gefundenen  Chlornatriums 
gibt  das  Chlorkalium. 

Ein  Beispiel  der  anderen  oben  erwähnten  Methode  bietet  die  Bestimmung  des 
Broms  neben  dem  Chlor  durch  Differenz.  Hat  man  ein  Gemenge  von  Brom-  und 
Chlorsilber,  so  glüht  man  dasselbe  und  wägt  c?  in  einer  Kugelröhre.  Lässt  man 
nuu  unter  beständigem  Erhitzen  eiueu  Chlorstrom  so  lauge  durch  die  Kugelröhre 
gehen,  bis  keine  Abnahme  des  Gewichts  mehr  erfolgt  und  alles  Brom  durch  Chlor 
subfltituirt  ist ,   so   ist  das  Brom  durch  den  Gewichtsverlust  leicht  zu  bestimmen. 

Derartige  Differenzanalysen  sind  jedoch  nur  dann  zulässig,  wenn  zuvor  durch 
qualitative  Bestimmuug  die  Anwesenheit  nur  zweier  Körper  festgestellt  ist,  und 
wenn  dieselben  als  solche  in  reinem  Zustande  vorhanden  sind.        Ganswind t. 

Differenzirungssysteme.  Unter  den  Systemen  der  Reinigung  und  Ent- 
wässerung von  Städten  figuriren  auch  die  Differenzirungssysteme.  welche  nicht,  wie 
die  Sehwemrocanalisation,  sämmtliche  Abfallstoffo.  Abfall-  und  Niedersehlagswässer 
einheitlich  und  uugetrennt  entfernen,  sondern  eine  Ditferenziruug  in  der  ßehandluug 
der  verschiedenen  Stoffe  eintreten  lassen.  Wir  haben  wesentlich  2  Differenzirungs- 
systeme zu  unterscheiden. 

.  Das  von  Lierntr  eingeführte  Differenzirungssystein  Cm  Verbindung  mit  einer 
pneumatischen  Canalisation  und  das  von  Waeixg  vorgeschlagene  sogenannte 
Separate-System. 

I.  LiKRNUR'd  Differeuzirungssystem  setzt  folgeude  Einrichtungen  voraus. 

a)  Die  Anlage  eines  möglichst  wasserdichten ,  glasirten  Röhren  ,  respective 
Canalnetzes  für  filtrirtes  Strassen-  und  Hauswasser,  sowie  gereinigtes  Gewerbe- 
abwasser, mit  porösen  Tributarien  für  das  Grundwasser  und  die  Lüftung  des  Bodens ; 
Ausntttzung  dieses  filtrirten  Canalwassers    mittelst  Wiesenbau,    falls  geeignete 

31*  Google 


DIFFERENZIRUNGSSYSTEME. 


Felder  dazu  vorhanden  und  keine  Bedenken  des  Abiaufens  etwa  unbenutzter 
Quantitäten  in  den  betreffenden  Fluss  im  Wege  stehen ;  —  sonst  aber  weitere 
Reinigung  desselben  mittelst  „unterbrochener  Filtration"  durch  eine  als  Brenn- 
material brauchbare  oder  sonst  verwerthbare  Filtrirsubstanz. 

b)  Die  Anlage  einer  von  der  äusseren  Atmosphäre  völlig  abgeschlossenen 
eisernen  Röhrenleitung,  mit  Luftdruck  anstatt  Wasser  als  Bewegkraft,  zur  unter- 
irdischen Wegschaffung  von  Abort-  und  Waterclosetstoflen  u.  s.  w.  nach  einer  Stelle 
ausserhalb  der  Stadt  hin,  woselbst  deren  Verwandlung  in  einen  trockenen,  trans- 
portablen und  aufbewahrungsfähigen  Dünger  vorgenommen  werden  kann. 

Zur  Verwirklichung  dieses  Programmes  kommen  drei  gesonderte  Canalnetze  in 
Anwendung;  a)  ein  absolut  dichtes,  aus  glasirtem  Steingut  hergestelltes  Netz  für 
Haus-  und  Regenwasser,  das  zuvor  mittelst  Filtrationen  von  allen  darin  suspen- 
dirten  Stoffen,  wie  Küchenabfällen,  Strassenkoth  etc.  gereinigt  ist;  b)  ein  poröses 
Netz  für  die  Trockenlegung  des  Bodens,  respective  für  das  Gleicherhalten  des 
G  rund  Wasserstandes ;  c)  ein  luftdichtes,  eisernes  Netz  für  gährungsfähige  Stoffe, 
wie  Fäcalien,  Küchenabfälle,  Speisereste  etc.  (pneumatisches  System). 

Das  Resultat,  nur  filtrirtes  Hans-  und  Regenwasser  in  das  Canalnetz  aufzu- 
nehmen, wird  durch  folgende  Einrichtung  angestrebt :  „Zunächst  wird  das  Strassen- 
wasser  in  einem  Gully  aufgefangen,  in  welchen  ein  beweglicher  Eimer  zur  Auf- 
nahme des  mitgeführten  Schlammes  verwendet  wird;  in  dem  oberen  Theil  dieses 
Eimers  ist  nun  eine  zwischen  Rosten  festgehaltene  Strohmatte  angebracht ;  dieselbe 
hat  in  der  Mitte  eine  Oeffnung,  durch  welche  sich  das  Strassenwasser  direct  in 
den  Eimer  ergiesst,  während  sich  das  Ablaufrohr  des  Gully  oberhalb  der  Matte 
befindet.  Das  Strassenwasser  muss  sich  deshalb,  aufwärts  steigend,  durch  die  Matte 
filtriren  und  lässt  somit  unter  allen  Umständen  die  suspendirten  Schlammstoffe  im 
Eimer  zurück,  bis  derselbe  gefüllt  ist. 

Wie  das  Strassenwasser,  so  wird  auch  das  Haus-  und  Küchenwasser  zum 
Behufe  der  Ausscheidung  aller  suspendirten  Stoffe  (als  Speisereste  und  sonstige 
Küchenabfälle)  nach  einem  Scblammkasten  hinabgeführt.  Dieser  Kasten  hat  einen 
Rost  von  feinem  Kupferdrahtgeflecht,  unterhalb  dessen  das  Schmutzwasser  einge- 
leitet wird,  während  oberhalb  die  Abflussöffnung  angebracht  ist.  Das  Wasser  kann 
also  tagsüber  immer  nach  dem  Canal  hin  ablaufen ,  aber  nur ,  nachdem  es  durch 
das  Geflecht  biudurch  gegangen  ist  und  seine  suspendirten  Stoffe  in  einer  Tasche 
am  Boden  des  Kastens  durchgelassen  hat.  Diese  Tasche  steht  mit  der  pneumatischen 
Röhrcnleituug  in  Verbindung  und  wird  täglich  durch  den  nämlichen  Luftstrom, 
welcher  die  Abortstofle  hinwegführt,  entleert. 

Das  Wasser,  das  für  Industriezwecke  gebraucht  war,  wird  beim  Differenzirnngs- 
system  nur  nach  vorhergegangener  Reinigung  zugelassen. 

Zur  Entfernung  der  fäulnissfähigen  Stolle ,  d.  h.  der  Abortstoffe  und  Küchen- 
abfälle, dient  die  pneumatische  Röhrenleitung.  In  einem  bestimmten  Gebäude 
arbeitet  eine  Luftpumpmaschine,  welche  in  gewissen  unter  dem  Boden  des  Ge- 
bäudes angebrachten  (gusseisernen  und  luftdicht  verschlossenen)  Reservoirs  einen 
luftleeren  Raum  von  etwa  8  \  'Vacuum  während  der  Tageszeit  unterhält. 

Von  diesen  Hauptreservoirs  aus  laufen  Röhren  (sogenannte  Magistralrohre  i 
durch  die  Hauptstrassen  in  allen  Richtungen,  wie  Radii  von  einem  gemeinschaft- 
lichen Ceutrum  ausgehend.  Diese  Magistralröhren  dieuen  dazu,  um  das  in  dem 
Ilauptreservoir  erzeugte  Vacuum  nach  gewiesen  Stellen  des  Weichbildes  der  Stadt 
hin  fortzupflanzen.  Eine  solche  Stelle  wird  von  der  Mitte  eines  Stadtviertels  von. 
etwa  200 — 250  m  Radius  gebildet.  Es  wird  also  das  Weichbild  der  Stadt  in 
Häusercomplexe  von  400 — 500  Meter  Länge  und  Breite  eingetheilt. 

In  der  ungefähren  Mitte  einer  jeden  solchen  Häusergruppe  liegt  unter  dem 
Strassenpflaster  ein  gusseisernes,  luftdicht  verschlossenes  Reservoir,  ähnlich  dem 
Hauptreservoir. 

Ein  solches  Strassenreservoir  dient  als  gemeinschaftlicher  Entleerungsapparat 
aller  in  dessen  Bezirk  vorhandenen  Aborte  und  Küchenschlammkasten. 

Digitized  by  Google 


DIFFERENZ  IKUNGSSYSTEME. 


185 


Die  Strassenreservoirs  liegen  entlang  den  vorerwähnten  Magistralröhren  etwa 
wie  Stationen  an  Eisenbahnlinien  und  können  mittelst  Absperrhähnen  mit  den- 
selben nach  Belieben  in  Verbindung  gebracht  werden. 

Durch  Oeffnen  eines  solchen  Hahnes  wird  das  Vacuum,  welches  in  den 
Magistralröhren  vorhanden  ist,  augenblicklich  auf  das  betreffende  Strassenreservoir 
ausgedehnt.  Es  kann  deshalb  ein  jeder  mit  solch'  einem  Reservoir  versehener 
Häusercomplex  gesondert  von  allen  anderen  bedient  werden. 

Gewisse  sogenannte  Hauptröhren  laufen  zu  diesem  Zwecke  von  den  Reservoirs 
ab  der  Strasse  entlang  und  von  diesen  Hauptröhren  zweigen  sich  rechts  und  links 
wieder  Seitenröhren  ab,  welche  mit  den  Aborten  der  Häuser  des  betreffenden 
Complexes  in  Verbindung  stehen. 

Wenn  nun  einer,  der  auf  dem  Hauptrohre  dicht  neben  dem  Reservoir  befind- 
lichen Hähne  geöffnet  wird,  so  entleeren  sich  säraratliche  Aborte  der  umliegenden 
Häuser  zu  gleicher  Zeit  in  dieses  Reservoir. 

Die  Aborte  sind  aus  folgenden  Bestandteilen  zusammengesetzt: 

1.  Ein  Aborttrichter  aus  glasirtem  hartem  Steingut,  aus  welchem  Material  der 
Syphon  und  die  verschiedenen  Formen  von  Einlassrohren  zur  Abführung  der 
Fäcalien  in  das  gleichfalls  aus  Steingut  fabricirte  Fallrohr  verfertigt  sind. 

2.  Ein  kurzer  innerer  Aborttrichter  ohne  Boden,  entweder  aus  emaillirtera 
Eisen  oder  aus  weissem  Steingut. 

3.  Das  Urinirbecken  und  dessen  bleierner  Syphon,  zum  Luftabschluss  des  ab- 
laufenden Harnes;  letzterer  sammelt  sich  in  einem  ebenfalls  ans  Blei  verfertigten 
Rohr  und  wird  von  dort  aus  mittelst  kleinerer  Bleiröhren  in  die  verschiedenen 
Abortsvphons  vertheilt,  damit  dieselben  auf  diese  Weise  mit  der  andernfalls 
mangelnden  Urin-  oder  FlOssigkeitsmenge  versehen  werden. 

Ventilatoren  und  Luftreinigung.  Eiu  aus  Zink  verfertigtes  Venti- 
lationsrohr dient  zur  Ableitung  der  im  Syphon  etwa  sich  entwickelnden  übelrie- 
chenden Gase  in  die  äussere  Luft.  Zur  Beförderung  des  Luftzuges  ist  das  über 
das  Dach  des  betreffenden  Gebäudes  hervorragende  Ventilationsrohr  mit  einem 
WoLPERT'schen  Luftaauger  versehen. 

Das  obere  Ende  eines  jeden  Fallrohres  ist  mit  einem  Luftreiniger  versehen : 
derselbe  besteht  aus  einem  Gefässe  aus  Zink,  von  innen  mit  einem  perforirten 
Cylinder  versehen  und  mit  Holzkohlenstückchen  aufgefüllt.  Die  im  Fallrohr  be- 
findliche Luft  kann  deshalb  nur  in  die  änssere  Atmosphäre  entweichen,  nachdem 
sie  durch  die  Löcher  des  perforirten  Cylinders  und  durch  die  Kohlenstücke  durch- 
gegangen und  somit  desodorisirt  worden  ist. 

Was  nun  das  endliche  Schicksal  der  Abfallstoffe  beim  LiERNUR'schen  System 
anbelangt ,  so  können  die  Fäcalien  und  der  Küchenspülichtschlamm ,  die  zu- 
sammen per  pneumatische  Röbrenleitung  entfernt  werden,  entweder  in  flüssiger 
Gestalt  auf  den  Feldern  verwerthet  werden  oder  eingedickt  und  zu  Poudrette 
verarbeitet  werden.  Für  die  Haus-  und  Strassenwässer  ist  auch  bei  Likrnur  die 
Berieselung  vorgesehen ;  tritt  diese  jedoch  nicht  ein ,  so  erfolgt  ein  Einleiten  in 
die  öffentlichen  Ströme  oder  aber  es  geht  diesem  eine  Filtration  durch  Coaks 
vorher. 

Es  ist  sicher,  dass  ein  solches  System,  wenn  vollständig  nach  dem  Programm 
durchgeführt,  vor  dem  der  Abfuhr  grosse  Vorzüge  besitzt,  mit  diesem  gestattet 
eR  ja  die  Vcrwerthung  der  Düngstofle,  sorgt  aber  doch  für  rasche  Entfernung 
aller  Abfälle  und  sucht  sogar  auch  den  Grundwasserstand  zu  reguliren.  Wohl 
werden  von  Technikern  diesem  System,  was  die  Durchführbarkeit  an  allen  Orten 
betrifft,  Einwenduugen  gemacht,  die  aber  vom  Vertreter  desselben  als  nichtig 
angesehen  werden. 

II.  Ein  zweites  Differenzirungssystem,  das  sogenannte  „Separate-System",  auch 
System  Waring  oder  System  von  Memphis  genannt,  das  1849  zuerst  von  E. 
Chadwick  und  Philii«  vorgeschlagen  wurde ,  wurde  in  neuester  Zeit  besonders 
von  Waring    wieder  aufgenommen,    da  in  den  Jahreu  1879 — 18SO  die  wegen 


Digitized  by  Google 


486 


DIFFFJJ  ENZIB  UNG  SS  YSTEME.  —  DIFFRACTION. 


ihrer  Gelbfieberepidemien  bekannte  Stadt  Memphis  damit  versehen  wurde.  Das 
Princip  besteht  darin ,  dass  zwei  von  einander  unabhängige  Leitungen  bestehen, 
die  eine  für  die  Entfernung  des  natürlichen  oder  Oberflächenwassers  und  die 
andere  für  die  Abfuhr  der  künstlichen  oder  Haus-  und  Bodendrainage.  In  Folge 
der  Ausschliessung  des  Regenwassers  können  die  Caliber  der  Röhren  und  Canäle 
kleiner  ausfallen. 

Der  Durchmesser  der  Abortröhren  ist  auf  9cm  vermindert,  die  Abtrittrohre 
haben  einen  Durchmesser  von  10  cm  und  der  Hauscanal  einen  solchen  von  15  cm. 

Nach  Warixg  ist  ein  Gefälle  von  2  auf  1000  hinreichend,  nach  Poxtzex 
5  zu  1000.  Die  Röhren  sind  innen  gcfirnisst  und  in  Memphis  an  ihren  Kopf- 
enden mit  automatisch  sich  entleerenden  Wasserbassins  (flushing  tanks)  versehen, 
von  denen  ungefähr  180  auf  68  km  Canalisation  entfallen. 

Nach  diesem  Systeme  sind  verschiedene  kleine  Städte  der  Vereinigten  Staaten 
von  Amerika  canalisirt:  Omaha  (Nebraska),  Norfolk  (Virginien),  Kalamazoo 
(Michigan),  Keene  (New  Hampshire),  Pittsfield  (Massachusetts),  Birmingham 
(Alabama),  Buffalo  (New- York).  Im  Jahre  1883  wurde  sodann  in  einem  begrenzten 
kleinen  Theile  von  Paris,  im  Quartier  du  Marais,  ein  Versuch  nach  diesem 
Systeme  gemacht. 

Literatur:  Ch.  T.  Liernur,  Ueber  die  Canalisation  von  Städten  auf  getrenntem 
Wege  —  Premiere  Application  ä  Paris  en  1883  de  l'a^gainissement  suivant  le  Systeme 
Waring  par  Erncst  Pontzon.  Paris  188-1.  Soyka. 

Diffractio  II.  Unter  Diffraction  oder  Beugung  des  Lichtes  versteht  man  die 
Abweichung  eines  Lichtstrahles  von  der  geradlinigen  Fortpflanzungsrichtung ,  wenn 
derselbe  eine  enge  Oeffnung  passirt.  Lässt  man  ein  Lichtbündel  durch  eine 
schmale  Spalte  in  ein  verfinstertes  Zimmer  treten  und  bringt  einen  weissen 
Schirm  in  seinen  Weg ,  dann  sieht  man  wohl  das  Bild  des  Spaltes  auf  dem  Schirm 
in  weisser  Farbe,  aber  es  ist  viel  breiter  als  bei  geradliniger  Fortpflanzung  des 
Lichtes,  das  der  Spaltenbreite  entsprechen  würde  und  überdies  ist  dieses  Bild  an 
seinen  Rändern  von  farbigen  Säumen  eingefasst.  Diese  farbigen  Säume  bestehen 
aus  Farbenfeldern  in  derselben  Aufeinanderfolge,  wie  in  einem  Spectrum,  welches 
durch  ein  Prisma  entworfen  wird.  Man  nennt  jenes  durch  eine  feine  Spalte  erzeugte 
Spectrum  ein  Diffractionsspectrum  oder  Beuguugsspectrum.  Das  Speerrum 
ist  umso  breiter,  je  schmäler  die  Spalte  ist.  Besonders  schöne  Beugungsspectra 
erhält  man,  wenn  das  Licht  anstatt  durch  eine  feine  Spatye  durch  eine  Glas- 
platte geht,  in  welche  zahlreiche  Parallelliuien  eingeritzt  sind. 

Die  Bcugungsspectra  kommen  durch  Interferenz  der  Lichtwellen  zu  Stande. 
Die  Lichtäthertheilchen.  welche  sich  in  der  Spalte  befinden ,  können  als  Mittel- 
punkte von  Lichtwellcnsystcmen  betrachtet  werden.  An  solchen  Stellen  des 
Schirmes,  welche  von  Strahlen  getroffen  werden ,  deren  Gangunterschied  eine  halbe 
Wellenlänge  betrügt,  vernichten  diese  Strahlen  sich  in  ihrer  Wirkung  gegenseitig 
in  Folge  entgegengesetzter  Schwinguugsphasen.  Der  Punkt  würde  dunkel  er- 
scheinen, wenn  mit  monochromatischem  Lichte  experimentirt  worden  wäre ;  im 
weissen  Lichte  hingegen  sind  alle  Lichtsorten  vertreten  und  an  dem  Punkte  z.  B., 
wo  für  violette  Lichtstrahlen  der  Gangunterschied  eine  halbe  Wellenlänge  aus- 
macht und  violettes  Licht  ermittelt  wird,  erreicht  der  Gangunterschied  aller  anders 
gefärbten  Lichtstrahlen  keine  halbe  Wellenlänge;  dieser  Punkt  wird  in  der  eora- 
plementaren  Farbe  zu  violett,  also  gelb  erscheinen.  Weil  bei  einem  solchen  Ver- 
suche alle  ausschlaggebenden  Grössen :  die  Breite  der  Spalte,  ihre  Entfernung  vom 
Lichtschirme,  die  Breite  der  Spectralbänder,  resp.  der  Abstand  einzelner  FttAUX- 
HOFEu'schen  Linien  vom  Bilde  der  Spalte,  genau  gemessen  werden  können ,  so 
dient  ein  solches  Experiment  auch  dazu,  um  die  Wellenlänge  der  Lichtstrahlen 
zu  berechnen. 

Die  Erscheinungen  der  Diffraction  wurden  zuerst  von  Grimaldi  1665  beob- 
achtet ;  sie  .sind  für  die  Theorie  des  Lichtes  von  grösster  Bedeutung  geworden ; 
hier  wurde  zuerst  gezeigt,  das  zwei  Lichtstrahlen  einauder  auslöschen  können,  dass 


Digitized  by  Google 


DIFFKACT10N.  —  DIFFUSION. 


487 


Lieht  zn  Liebt  summirt  den  Effect  dunkel  geben  kann ,  eine  Thatsacbe ,  welche 
als  mit  der  Emissionshypothese  vollständig  unvereinbar  der  Undulationstheorie  zum 
Durchbruche  verholfen  hat. 

Diffusion  ist  die  gegenseitige  Durchdringung  von  zwei  oder  mehreren  flüssigen 
oder  gasförmigen  Körpern.  Bei  den  Flüssigkeiten  erfolgt  dieselbe  ohne  Rücksicht 
auf  ihre  verschiedenartige  Dichtigkeit  nur  dann,  wenn  die  Moleküle  heterogener 
Flüssigkeiten  eine  grössere  Anziehung  auf  einander  ausüben  als  die  Moleküle 
jeder  derselben  unter  sich,  z.  B.  diejenigen  •  des  Wassers  und  des  Spiritus.  Ueber- 
wiegt  aber  die  Anziehung  der  gleichartigen  Moleküle  unter  einander,  so  entsteht 
keine  Diffusion  und  nach  gewaltsamer  Mischung  durch  Schütteln  eine  freiwillige 
Trennung,  wie  beim  Wasser  und  Oel.  Graham  untersuchte  das  Diffusionsvermögen 
verschiedener  Stoffe,  indem  er  conceutrirte  Lösungen  derselben  auf  den  Boden 
einer  Wassersäule  brachte,  und  fand  für  dieselben  sehr  ungleiche  Werthe.  Nament- 
lich ergab  sich  ein  grosser  Unterschied  zwischen  krystallisirten  und  amorphen 
Stoffen,  von  welchen  die  ersteren  reichlich  und  schnell,  die  letzteren  wenig  und 
langsam  diffundiren.  Er  nannte  jene  Krystalloide,  diese  Colloide  (Leim, 
Gummi,  Schleim). 

Die  Erscheinungen  der  Diffusion  der  Flüssigkeiten  werden  oft  im  Vereine  mit 
denjenigen  der  Endosmose  geschildert,  ohne  den  Unterschied  zwischen  beiden 
in  das  rechte  Licht  zu  setzen.  Die  Endosmose  oder  Diosmose  ist  allerdings 
stets  von  Diffusion  begleitet,  enthält  aber  noch  ein  neues  Element,  eine 
Scheidewand  besonderer  Art  zwischen  beiden  Flüssigkeiten ,  welche  ihrerseits 
auch  eine  ungleiche  Molekularanziehung  auf  dieselben  ausübt,  dieselben  in  ungleicher 
Menge  aufnimmt  und  nun  an  den  entgegengesetzten  Seiten  in  Berührung  mit 
den  heterogenen  Flüssigkeiten  durch  Diffusion  austauscht.  Solche  Scheidewände 
sind  die  pflanzlichen  und  thierischen  Zellenwandungen,  thierische  Blase,  Leder, 
Pergamentpapier,  Kautscbukplatten  etc.  Liemg  hat  bewiesen,  dass  jede  solche 
Membran  bestimmte,  unter  einander  sehr  abweichende  Mengen  von  Wasser,  Salz- 
lösungen, Alkohol  und  anderen  Flüssigkeiten  aufnehmen  kann,  welche  sie  nur 
dureh  starken  mechanischen  Druck,  durch  Diffusion  an  andere  Flüssigkeiten  oder 
.  durch  Verdunsten  wieder  abgibt.  Eine  Blase  vermag  viel  mehr  Wasser  als  Alkohol 
aufzunehmen.  In  Folge  dessen  wird  der  Alkohol  in  einer  mit  demselben  gefüllten 
Blase  in  Wasser  getaucht,  durch  Aufnahme  des  letzteren  schwächer,  in  trockener 
Luft  aufgehängt,  durch  grossere  Wasserimbibition  und  Verdunsten  desselben  an  der 
Ausscnseite  stärker.  Kautschuk  nimmt  mehr  Alkohol  als  Wasser  auf.  In  einem 
Kautachukbeutel  unter  Wasser  vermindert  sich  Alkohol  durch  Diffusion,  in  der 
Luft  durch  Verdunsten.  Die  Capillargefässe  dieser  Membranen  sind  so  eng 
nnd  der  durch  Adhäsion  bewirkte  Reibungswiderstand  der  Flüssigkeit  in  dem- 
selben ist  so  gross,  dass  ein  hydrostatischer  Druck  von  eiuigen  Metern  Höhe  die 
Endosmose  nicht  beeinträchtigt,  sondern  von  der  letzteren  überwunden  wird.  In 
einem  unten  durch  Blase  geschlossenen,  mit  Alkohol  gefüllten,  in  Wasser  ge- 
tauchten Rohre  steigt  durch  Wasseraufnahme  die  Flüssigkeit  meterhoch.  Wasser 
in  einem  Rohre  in  gleicher  Weise  in  Alkohol  getaucht,  sinkt  schnell  und  beträcht- 
lich unter  das  äussere  Niveau  des  letzteren  herab. 

Die  Diffusionsanalyse  oder  Dialyse  ist  eine  eudosmotische  Trenuung 
von  Colloiden  und  Krystalloiden  aus  ein  und  derselben  Lösung,  in  welcher  erstere 
zurückbleiben,  während  letztere  leicht  und  vollständig  in  Wasser  diffundiren  und 
aus  diesem  rein  abgeschieden  werden  können.  Eine  thierische  Blase,  mit  einer 
Lösung  von  Rohrzucker  und  Schleimzucker  gefüllt,  gibt  nur  ersteren  an  Wasser 
ab,  bis  der  Gehalt  an  demselben  innerhalb  und  ausserhalb  der  Blase  sich  aus- 
geglichen hat  und  verliert  bei  Erneuerung  des  Wassers  denselbeu  gänzlich.  Diese 
Methode  hat  wichtige  Verwendung  zu  Präparaten  (Syr.  Frrri  oxydati)  und  in 
der  gerichtlichen  Analyse  gewonnen  (Trennung  von  Arsenigsäureanhydrid  und 
vou  Alkaloiden  aus  Magen-  und  Darminhalt).  Die  Apparate  zu  diesem  Zwecke, 
mit  Pergamentpapier  überspannte  flache  Trommeln,  heissen  Dialysatoren. 

Digitized  by  Google 


488 


DIFFUSION.  —  DIGESTIV  A. 


Unter  endosm  otis  ehern  Aequivalent  versteht  man  die  Wassennengen. 
welche  bei  der  Dialyse  durch  thierische  Blase  mit  anderen  Substanzen  von  dem 
Gewichtswerthe  1  ausgetauscht  werden.  Dasselbe  ist  aber  keine  constante  Grösse, 
sondern  wächst  mit  der  Temperatur  und  findert  sich  mit  dem  Concentrationsgrade 
der  Lösungen. 

Die  Diffusion  der  Gase.  Ganz  anders  als  die  Flüssigkeiten  verhalten  sich 
die  Gase.  Sie  durchdringen  sich  sämmtlich  gegenseitig.  In  einem  Gasgemische 
erfüllt  jedes  einzelne  Gas  den  gebotenen  Raum ,  als  ob  die  anderen  gar  nicht 
vorhanden  seien.  Die  Schnelligkeit  dieser  Ausbreitung  ist  umgekehrt  proportional 
der  Dichtigkeit  des  Gasgemenges.  Die  Diffusion  zweier  heterogener,  durch  eine 
poröse  Scheidewand  getrennter  Gase  erfolgt  durch  die  letztere  hindurch  und  wird 
Transfusion  genannt.  Die  Geschwindigkeit  derselben  für  die  einzelnen  Gase  fand 
Graham  umgekehrt  proportional  den  Quadratwurzeln  aus  ihren  speeifisehen  Gewichten. 
B Unsen  corrigirte  dieses  Gesetz  auf  Grund  eigener  Experimente,  nach  welchen 
jedem  Gase  ein  besonderer  Reibungscoefficient  beim  Durchdringen  capillarer  Röhren 
zukommt,  welcher  seine  Ausflussgeschwindigkeit  erheblich  verlangsamt.  Wasserstoff 
in  einem  unten  in  Quecksilber  getauchten,  oben  durch  Gyps  oder  Thon  geschlossenen 
Rohre  diffundirt  durch  letzteren  so  viel  schneller  als  die  von  oben  eindringende 
Luft,  dass  das  Gasvolumen  abnimmt  und  das  Quecksilber  in  dem  Rohre  steigt. 
Ein  mit  Luft  erfülltes  Rohr  in  einer  Wasserstoffatmosphäre  bewirkt  das  Gegen- 
theil:  eine  Volum  Vermehrung  des  Gasgemisches  und  Depression  der  Quecksilber- 
säule. Die  Bewegung  der  letzteren  wird  in  Bergwerken  zum  Schliessen  und  Oeffnen 
eines  elektrischen  Stromes  verwendet  an  Läutewerken  zur  Warnung  vor  schlagen- 
den Wettern.  Schon  ein  geringer  Gehalt  an  Grubengas  in  der  Atmosphäre  diffundirt 
schleunig  durch  eine  in  Quecksilber  tauchende  Thonzelle  des  Apparates.  Gänge. 

DiffusionSVerfahren.  Das  in  der  Zuckerindustrie  übliche  Auslaugen  des 
Rübenbreies  auf  dem  Wege  der  Dialyse.  Der  Rübenbrei  und  die  in  Scheiben 
geschnitteneu  Rüben  werden  dann  D i  flu sionsschnitzel,  die  dazu  verwendete 
Maschine  wird  Diffusionsbatterie  genannt. 

DifflJSionS-OenOSkop  ist  ein  Instrument,  um  zu  prüfen,  ob  Wein  echt  oder 
gefälscht ,  resp.  künstlich  gefärbt  sei :  an  diesem  Apparate  ist  der  hochgelehrte 
Name  übrigens  noch  das  Beste,  denn  sonst  liegt  demselben  kein  wissenschaftliches 
Priucip  zu  Grunde,  und  er  ist  darum  von  problematischem  Werth. 

Gans  windt. 

DigallUSSäure  =  Tannin.  Gallusgerbsäure,  s.d. 

Digeriren,  ciuc  Substanz  mit  einer  Flüssigkeit  bei  einer  Wärme  von  50  bis 
60°  eine  Zeit  lang  in  bedecktem  Gefäsae,  unter  bisweiligem  Umrühren  oder  Um- 
schütteln, sich  selbst  überlassen.  Das  Digeriren  (die  Digestion)  bezweckt 
die  Extractiou  der  in  der  betreffenden  Flüssigkeit  löslichen  Stoffe  der  Substanz 
oder  eine  für  fernere  Verarbeitung  vorbereitende  Erweichung  oder  Aufquellung. 

DigeStlVa  (digero,  verdauen),  heissen  alle  die  Verdauung  befördernden  Arznei- 
mittel, als  welche  theils  der  normalen  Verdauung  betheiligte  oder  nach  Art  von 
Verdauungfermenten  wirkende  Substanzen  ^Salzsäure,  Diastase,  Pepsin,  Pancreatin, 
Ochsengalle,  Milchsäure  und  andere  Säuren,  PapaTn),  theils  Stoffe  angewendet 
werden,  welche  durch  Steigerung  der  Secretion  des  Magensaftes  die  Peptonisirung 
der  Eiweisskörper  steigern.  Zu  den  letzteren,  welche  man  auch  Stomnchica  oder 
Magen  mittel  nennt,  gehören  Kochsalz,  verschiedene  Gewürze  (Senf,  Pfeffer, 
Capsicum)  und  die  Amarn  (Bd.  I.  pag.  287),  welche  wahrscheinlich  neben  der 
reflectorisch  durch  Reizung  der  Magennerven  hervorgerufenen  Steigerung  der 
Pepsin-  und  Salzsäureabscheidunsr  auch  noch  eine  in  gleicher  Weise  zu  Stande 
kommende  Vermehrung  der  Speichel-  und  Darmsaftsecretion  zu  Stande  bringen, 
endlich  die  Alkalien  und  Alkalicarbonate,  deren  günstige  Wirkung  bei  Verdanungs- 


Digitized  by  Google 


i 


DIGESTIV A.  -  DIGITALIN.  489 

Störungen  übrigens  auch  von  neutralisirender  Wirkung  auf  die  bei  Magencatarrh 
häufig  auftretende  Vermehrung  normaler  und  Bildung  abnormer  Säuren  (Essigsäure, 
Buttersaure)  abhängt,  wobei  das  gebildete  Chlornatrium  oder  Chlorkalium  wiederum 
anregend  auf  die  Magensaftsecretion  wirkt.  Besondere  beschleunigende  Wirkung 
auf  die  Magenverdauung  wird  auch  dem  Dextrin  zugeschrieben,  das  nach  Schiff 
geradezu  die  Ladung  der  Pepsindrttsen  im  Magen  veranlasst,  nach  Anderen  durch 
die  aus  ihm  gebildete  Milchsäure  digestiv  wirkt. 

In  der  älteren  Chirurgie  wird  der  Ausdruck  Digestiva  auf  Stoffe  übertragen, 
welche  die  Eiterung  befördern  und  ist  synonym  mit  Maturantia  und  Suppurantia : 
daher  die  Namen  Unguentum  digesttvnm,  Digestif  animJ,  Digestif  mercuriel. 

Th.  Huseraann. 

Digestive  lOZengeS  RoWOrthS  sind  dem  „Tamar-Indien"  ähnliche  Conserven. 

—  Digestivpastillen  sind  mit  Oleum  Menthae  pip.  aromatisirte  Trochisci  Natrii 
bicarbonici  (Vichy-Pastillen).  —  Oigestivpulver  ist  Natrium  bicarbonicum.  — 
Digestivsalbe  oder  schlechtweg  Digestiv  ist  Unguentum  Terebintbinae  compos. 

—  Digestivsalz  (Sal  digestivum  Sylvii)  ist  ein  altes  Synonym  des  Chlorkalium 
=  K  Cl ;  jetzt  pflegt  man  meist  Natrium  bicarbonicum  als  Digestivsalz  zu  dis- 
pensiren.  —  Digestivwein  ist  Vinum  Pepsini.  • 

DigeStOT,  DigeStOrium.  Als  Digestoren  bezeichnet  man  alle  jene  Gefosse, 
in  welchen  entweder  Flüssigkeiten  allein ,  meist  jedoch  feste  Körper  mit  Flüssig- 
keiten zusammen  der  Wirkung  der  Wärme  ausgesetzt  werden,  gleichviel,  ob  dieses 
durch  Kochen  über  directem  Feuer,  durch  Einleiten  von  gespanntem  Dampf  oder  durch 
indirectes  Erhitzen  mittelst  Dampfmantels  oder  Dampfschlange  geschieht.  Obgleich  der 
Begriff  des  Digerirens  das  Sieden  eigentlich  ausschliesst,  dienen  die  Digestoren  in 
der  Grossindustrie  meist  zum  anhaltenden  Kochen  unter  erhöhtem  Druck,  sie  sind 
daher  meist  von  Schmiedeeisen  construirt,  auf  Atmosphärendruck  probirt  und  mit 
allen  dem  entsprechenden  Vorrichtungen  versehen.  —  Das  pharmaceutische  Dige- 
storium  ist  dagegen  meist  nur  ein  einfaches  Dampfbad  und  bezweckt  ein  längeres 
Erwärmen  durch  directen  nicht  gespannten  Dampf  bei  einer  den  Siedepunkt  des 
Wassers  keinesfalls  übersteigenden,  meistens  aber  denselben  überhaupt  nicht  er- 
reichenden Temperatur.  Ganswind  t. 

Digitalin.  Mit  dem  Gesammtnamen  Digitalin  bezeichnet  man  das  wirksame 
sehr  giftige  Princip  der  kurz  vor  der  Blüthe  gesammelten  Blätter  der  wildwachsenden 
Digitalis  purpurea,  welches  zuerst  von  Homo  J.E  im  Jahre  1845  isolirt 
wurde.  Bald  nachher  zeigte  sich  schon ,  dass  das  Digitalin  von  Homolle  kein 
einheitlicher  Stoff,  sondern  ein  Gemenge  verschiedener  Körper  war ;  auch  die  heute 
diesen  Namen  führenden  Präparate  des  Handels  sind  keine  einheitlichen  chemischen 
Individuen,  sondern  Gemenge  verschiedener  Bestandtheile  der  Digitalis  oder  deren 
Zersetzungsproducte,  welche  von  den  verschiedenen  Autoren  nicht  immer  mit  dem- 
selben Namen  belegt  worden  sind.  Je  nach  der  Darstellungsweise  wechseln  die 
in  dem  käuflichen  Digitalin  enthaltenen  Bestandtheile  nach  Art  und  Quantität,  in 
Folge  dessen  auch  die  chemischen,  physikalischen  und  physiologischen  Eigenschaften 
der  Handelsdigitaline  sehr  von  einander  abweichen.  Ihrer  chemischen  Natur  nach 
gehören  die  Bestandtheile  des  Fingerhuts  zum  Theil  den  Glykosiden,  zum  Theil 
den  Bitterstoffen  an.  Nach  ihren  physikalischen  Eigenschaften ,  Löslichkeit  in 
"Wasser  und  Chloroform,  nach  dem  krystallinischen  und  nicht  krystallinischen  Zu- 
stande, nach  ihrer  Provenienz,  ja  selbst  nach  dein  Namen  des  Fabrikanten  unter- 
scheidet man  die  Handelsdigitaline,  welche  im  Wesentlichen  in  deutsches 
Digitalin,  ein  amorphes  Präparat,  welches  in  Wasser  und  Alkohol  leicht,  in 
Chloroform  aber  schwer  löslich  ist  uud  in  französisches  Digitalin  oder 
Digitalin  von  Homolle  und  Digitalin  von  Nativellk,  amorphe  und  krystal- 
linische  Präparate,  welche  in  Wasser  und  Alkohol  schwer,  in  Chloroform  leicht 
löslich  sind,  zerfallen. 


Digitized  by  Google 


490 


DIGITALIN. 


Digitalin  von  Nati  volle.  Darstellung.  1000  g  gepulverter  Digitalia- 
blätter  werden  mit  1000  g  Wasser,  in  welchem  250  g  Bleiacetat  gelöst  sind,  innig 
gemischt  und  Dach  24sttlndigem  Stehen  in  einem  Verdrängungsapparat  mit  Alkohol 
von  50  Procent  erschöpft.  Der  Auszug  wird  mit  einer  gesättigten  wässerigen 
Lösung  von  40  g  doppeltkohlensaurem  Natrium  versetzt,  vom  Alkohol  befreit  und 
auf  2000  g  eingedampft  und  mit  dem  gleichen  Volumen  Wasser  vermischt.  Die 
nach  vollständiger  Klärung  ausgeschiedene  Masse  wird  gesammelt,  abgepresst, 
in  1000  g  Alkohol  von  80  Procent  suspendirt  und  zu  der  heissen  Mischung  10  g 
Bleiacetat  hinzugefügt. 

Das  Filtrat  wird  mit  50  g  Thierkohle  versetzt,  eingedunstet  und  der  Rückstand 
mit  Chloroform  erschöpft.  Der  beim  Verdunsten  des  Chloroforms  bleibende  Rück- 
stand enthält  unreines  Digitalin.  Man  löst  es  in  100g  Alkohol,  setzt  lg  essig- 
saures Blei  und  10  g  Thierkohle  hinzu,  lässt  das  Gemisch  10  Minuten  lang  sieden 
und  filtrirt.  Von  dem  klaren  Filtrat  wird  der  Spiritus  abdestillirt ,  der  Rückstand 
—  Digitalin  mit  etwas  Fett  —  wird  in  10g  90procentigem  Spiritus  gelöst,  die 
Lösung  mit  5  g  Aether  und  15  g  Wasser  versetzt  und  kräftig  umgeschüttelt.  Es 
bilden  sich  in  der  Ruhe  zwei  Schichten ,  von  denen  die  obere  gefärbte  das  Fett, 
die  untere  nicht  gefärbte  das  Digitalin  enthält.  Beim  freiwilligen  Verdunsten 
letzterer  Lösung  scheidet  sich* das  Digitalin  in  Krvstalleu  aus,  welche  durch  Waschen 
mit  weuig  Aether  gereinigt  werden.  Um  das  Digitalin  in  vollkommen  reinem  Zu- 
stande zu  erhalten,  löst  man  es  nochmals  in  der  20faehen  Menge  Chloroform,  ver- 
dunstet die  filtrirtc  Lösung  zur  Trockne,  löst  hierauf  den  Rückstand  in  30g 
Alkohol  von  90  I*rocent,  setzt  Thierkohle  hinzu,  kocht  10  Minuten,  filtrirt  und 
lässt  das  Filtrat  von  Neuem  freiwillig  verdunsten.  Ergibt  sich  auch  nach  dieser 
Reinigung  noch  ein  schwach  gelb  gefärbtes  Digitalin,  so  löst  man  dieses  warm  in 
der  genau  ausreichenden  Menge  Spiritus  von  1*0°,  setzt  der  erkalteten  Lösung 
halb  so  viel  Aether  und  doppelt  so  viel  Wasser  zu,  als  man  dem  Gewichte  nach 
Spiritus  gebraucht  hat,  verschliesst  und  schüttelt. 

Das  Digitalin  scheidet  sich  in  Krystallen  aus.  Die  Ausbeute  beträgt  etwa 
0.1  Procent  der  von  der  zweijährigen  Pflanze  unmittelbar  vor  der  BlUthe  ge- 
sammelten Blätter. 

Eigenschaft eu.  Leichte  weisse  Krystalle  von  der  Form  kurzer  feiner 
Nadeln,  welche  um  dieselbe  Axe  gruppirt  sind.  Es  ist  geruchlos,  sehr  bitter,  in 
Wasser  kaum  löslich,  leicht  löslich  in  Alkohol  von  00°  und  Chloroform,  weniger 
löslich  in  absolutem  Alkohol,  fast  unlöslich  in  Aether.  Concentrirte  Schwefelsäure 
löst  es  mit  grüner  Farbe  auf,  welche  durch  Bromdampf  in  Roth  übergeht.  Auch 
Salz-  oder  Phosphorsäure  löst  es  mit  schön  smaragdgrüner  Farbe. 

Das  N.vnvELLE'sche  Digitalin  (Digital  ine  cristallisee  Gall.)  besteht 
neben  geringen  Mengen  Paradig itogenin  undToxiresin  nahezu  vollständig 
aus  dem  Digitoxin  Schmiedeberg's  ,  dem  am  stärksten  wirkenden  Digitalis- 
bestandtheile  (s.  unten). 

Digitalin  von  Horn  Olle.  Darstellung.  Gepulverte  Digitalisblätter  werden 
mit  Alkohol  von  40 — 50  Procent  erschöpft,  die  Auszüge  werden  mit  Bleiesaig  in 
geringem  Ueberschusse  versetzt,  filtrirt,  das  Filtrat  wird  mit  Sodalösung  alkalisch 
gemacht.  Aus  dem  Filtrate  wird  der  Alkohol  durch  Destillation  entfernt,  der 
Rückstand  mit  Gerbsäure  versetzt  ,  der  Niederschlag  nach  dem  Auswaschen  mit 
lauwarmem  Wasser  mit  Bleiglätte  innig  gemischt,  im  Wasserbade  getrocknet  und 
mit  Alkohol  von  dO  Procent  extrahirt.  Der  gelb  gefärbte  Auszug  wird  mit  Tbier- 
koble  entfärbt  und  die  nach  dem  Verdunsten  des  farblosen  Filtrates  zurückbleibende 
gelblichweisse  krvstallinische  Masse  durch  Ausziehen  mit  Aether  noch  von  geringen 
Mengen  Fett  etc.  befreit. 

Eigenschaften.  Gelblichweisse  geruchlose  Warzen  oder  Schuppen  ohne 
krvstallinische  Structur  von  neutraler  Reaction  und  höchst  bitterem  Geschmaeke, 
welche  sich  wenig  in  kochendem  Wasser,  schwer  in  Aether,  leicht  in  Alkohol  und 
Eisessig  lösen. 


Digitized  by  Googl 


DIGITALIN. 


491 


Es  besteht  ans  dem  Digital  in  Schmied  eberg's  neben  wenig  Digitoxin 
und  Digitogenin.  Das  Digitalinum  der  Ph.  Brit.  soll  im  Wesentlichen  nach 
der  Vorschrift  von  Homolle  dargestellt  werden. 

Nach  der  Ph.  Gall.  wird  ein  amorphes,  in  Chloroform  lösliches  Digitalin 
(Digitaline  amorphe)  in  folgender  Weise  bereitet:  1000g  gepulverte 
Digitalisblätter  werden  in  einem  Verdrängungsapparate  mit  1 1  Wasser  befeuchtet 
und  nach  und  nach  kleine  Mengen  Wasser  nachgegossen,  bis  3 1  Flüssigkeit  erhalten 
sind,  deren  Dichte  mindestens  1.05  betragen  muss.  Diese  werden  mit  250  g  Blei- 
essig  vom  spec.  Gew.  1.32  gemischt,  der  Niederschlag  wird  abfiltrirt,  das  Filtrat 
mit  den  Lösungen  von  40  g  Natriumcarbonat  und  20  g  Natriumamraoninmphosphat 
versetzt  und  filtrirt.  Das  Filtrat  wird  mit  40  g  Gerbsäure  gefällt  und  der  Nieder- 
schlag auf  einem  Filter  gesammelt,  mit  25  g  Bleioxyd  und  50  g  Kohle  gemischt, 
getrocknet  und  mit  Spiritus  von  90°  erschöpft.  Der  zur  Trockne  verdunstete 
alkoholische  Auszug  wird  mit  Wasser  ausgezogen,  dann  mit  Spiritus  von  90° 
aufgenommen ;  die  weingeistige  Lösung  wird  eiugcdunstet  und  der  Rückstand  mit 
Chloroform  erschöpft.  Durch  Verdampfen  der  Chloroformlösung  erhält  man  schliesslich 
das  Digitalin  in  Form  einer  harzigen  zerreiblichen  Masse.  Es  bildet  ein  leicht 
gelblich  w  eisses  Pulver  von  einem  eigen thümlichen  aromatischen  Gerüche  und  grosser 
Bitterkeit,  und  unterscheidet  sich  von  dem  nach  der  englischen  Pharmakopöe 
gewonnenen  Präparate  durch  grössere  Wirksamkeit,  indem  das  auf  ähnlichem  Wege 
gewonnene  Product  noch  mit  Chloroform  ausgezogen  wird. 

Deutsches  Digitalin.  Die  Darstellung  desselben  entspricht  im  Grossen  und 
Ganzen  der  des  HoMOLLE'schcn  Digitalins.  Man  zieht  das  nach  jener  Vorschrift 
beim  Verdunsten  der  weingeistigen  Lösung  erhaltene  Präparat  noch  mit  Wasser 
aus ;  das  beim  Verdunsteu  dieses  wässerigen  Auszuges  hinterbleibende  Digitalin  — 
der  in  Wasser  lösliche  Antheil  des  HoaiOLLiVscben  Digitalins  —  bildet  das 
„deutsche  Digitalin". 

Gelblichweisses ,  amorphes  Pulver  von  neutraler  Reaction  und  sebr  bitterem 
Gesehmacke.  Leicht  iu  Wasser  und  Alkohol,  wenig  in  Aether  und  Chloroform 
löslich.  Die  wässerige  Lösung  schäumt  beim  Schütteln.  Concentrirte  Schwefelsäure 
löst  es  mit  röthl  ich  brauner,  später  kirschrot!»  werdeuder  Farbe.  Die  frisch  bereitete 
Lösung  in  Schwefelsäure  färbt  sich  sofort  violettroth ,  wenn  sie  mit  einem  zuvor 
in  Bromwasser  eingetauchten  Glasstabe  unigerührt  wird.  Concentrirte  Salzsäure 
löst  es  mit  smaragdgrüner  Farbe.  Den  Hauptbestandteil  bildet  nach  Schmikde- 
BERC»  das  Digitaleiu,  das  Digitonin  neben  geringen  Mengen  Digitalin 
und  Digitoxin. 

Ausser  diesen  wichtigsten  Haudelsdigitalinen  unterscheidet  man  noch  einige 
andere  Digitalinpräparate.  Man  spricht  vom  Digitalinum  amorph  um, 
Digitalinum  crystallisatum,  von  Merk's  und  FF.LTt-N's  Digitalin  etc. 
Alle  diese  Digitaline  sind  wechselnde  Gemenge  von  sehr  verschiedenem  pharmako- 
dynamischem  Werthe. 

Die  sich  vielfach  widersprechenden  Angaben  über  die  verschiedenen  Bestand- 
teile der  Handelsdigitaline  sind  durch  die  schon  erwähnte  Arbeit  Schmiedeb-rg's 
wesentlich  geklärt  worden.  Schmiedebkhg  isolirte  aus  den  Handelsdigitalinen  vier 
Verbindungen,  welche  gut  charakterisirte  Körper  in  den  Digitalisblättern  bereits 
vorkommen.  Es  sind  dieses  die  von  ihm  als  Digitonin,  Digitalin,  Digitalein 
und  Digitoxiu  bezeichneten  stickstofffreien  Körper.  Neben  diesen  wurden  die 
Zersetzung8producte  derselben  in  den  verschiedenen  käuflichen  Digitalinen  auf- 
gefunden. 

Digitonin,  C31  H68  0I7(V).  Weisses  amorphes,  nicht  hygroskopisches  Pulver,  in 
Wasser  und  Weingeist  leicht,  schwerer  in  absolutem  Alkohol  löslich,  unlöslich  in 
Aether,  Benzol,  Chloroform.  Es  wird  dem  ,,deutscben  Digitalin"  durch  ein  Ge- 
misch gleicher  Volumtheile  Chloroform  und  absolutem  Alkohol  entzogen  und  aus 
dieser  Lösung  durch  Aether  gefällt.  Die  wässerige  Lösung  schäumt  stark  und 
wird  durch  Bleiessig  und  Gerbsäure  gefällt.    Beim  Kochen  mit  starker  Salzsäure 


Digitized  by  Google 


492 


DIGITAL  IX. 


entsteht  eine  granatrothe  Färbung.  Digitonin  ist  ein  Glykosid.  Verdünnte  Sänren 
spalten  es  in  Zucker,  Digitoresin  und  DigitoneYn.  Das  Digitonin  macht 
den  Hauptbestandteil  des  käuflichen,  leicht  löslichen  Digitalins  (deutsches  Digitalin) 
aus.  In  physiologischer  Beziehung  ist  es  dem  Saponin  sehr  ähnlich.  Die  charak- 
teristische Digitalinwirkung  zeigt  es  nicht.  Dem  Gemische  von  Digitoresin  und 
DigitoneYn  entzieht  Aether  das  Digitoresin.  Beim  Kochen  einer  alkoholischen 
DigitoneYnlösung  mit  verdünnter  Salzsäure  entsteht  ein  Digitonin  genannter,  in 
farblosen  Nadeln  oder  vierseitigen  Prismen  krystallisirender  Körper.  Paradigito- 
g  en  i  n,  ein  aus  Benzol  in  Nadeln  krystallisirender  Körper,  entsteht  vielleicht  in  Folge 
einer  Gährung  aus  der  wässerigen  Lösung  des  Digitonins  bei  längerer  Aufbewahrung 
desselben  neben  dem  Digitoresin.  Es  findet  sich  in  dem  „krystalliairten 
Digitalin"  von  Nativelle  und  dürfte  mit  der  Digitalose  von  Homolle  und 
Qu even NE  identisch  sein. 

Digitalin  (C5H80.2)n.  Der  wesentliche  Bestandteil  des  Digitalins  von 
Homolle  und  Qitevennf.  Bedingt  neben  dem  Digitalein  auch  bei  dem  in  Wasser 
und  Spiritus  leicht  löslichen  Digitalin  die  eigentümliche  Wirkung  auf  das  Herz. 
Zu  peiner  Darstellung  wird  käufliches  Digitalin  mit  alkoholfreiem  Aether  möglichst 
extrahirt,  der  Rückstand  wird  mit  absolutem  Alkohol  ausgezogen,  unreines  Digitonin 
bleibt  zurück  und  die  alkoholische  Lösung  mit  1  3 — 1  2  Volumen  Aether  versetzt, 
wodurch  Digitonin  und  etwas  Digitalein  gefällt  werden ,  während  Digitalin  neben 
nicht  unerheblichen  Mengen  DigitaleYn  in  Lösun?  bleibt.  Nach  dem  Abdestilliren 
des  Aethers  scheidet  sich  beim  Verdunsten  des  mit  etwas  Wasser  versetzten 
Destillationsrückstandes  das  Digitalin  ab.  Es  wird  durch  Waschen  mit  Wasser 
von  der  Digitalein  enthaltenden  Mutterlauge  befreit  und  durch  Auflösen  in  Alkohol 
und  Verdunsten  der  alkoholischen  Lösung  weiter  gereinigt.  Es  bildet  farblose, 
stark  lichtbrechende,  kugelförmige  Körperchen  ohne  krystallinische  Struetur,  welche 
in  kaltem  Wasser  kaum  löblich  sind ,  sehr  wenig  sich  in  Aether  und  Chloroform, 
leicht  in  Alkohol  lösen.  In  eoncentrirter  Schwefelsäure  löst  sich  das  Digitalia 
mit  goldgelber  Farbe,  welche  durch  eine  Spur  Brom  in  eine  prachtvoll  rosenrothe 
Färbung  übergeht.  Mit  einer  Mischung  gleicher  Theile  Weingeist  und  Schwefel- 
säure bis  zur  Gelbfärbung  erwärmt,  färbt  es  sich  auf  Zusatz  eines  Tropfens  sehr 
verdünnter  Eisenchloridlösung  blaugrttn.  Das  Digitalin  ist  ein  Glykosid.  Beim 
Kochen  seiner  alkoholischen  Lösung  mit  sehr  verdünnter  Salzsäure  wird  es  in 
Glykose  und  Digitaloresin  gespalten. 

Digitalein.  Bildet  neben  dem  Digitonin  einen  Hauptbestandteil  des  käuflichen 
löslichen  Digitalins  (deutsches  Digitalin).  de*  Digitalins  von  Walz,  des  Digitalein* 
von  Nativelle  und  von  Goerz.  Bei  der  Darstellung  des  reinen  Digitalins  bleibt 
es  in  der  wässerigen  Mutterlauge  und  wird  durch  Eintrocknen  derselben  im  Vacuum, 
Lösen  in  Alkohol  und  Fällen  mit  Aether  gewonnen.  Es  bildet,  so  dargestellt,  eine 
gelbe  amorphe,  leicht  in  Wasser,  auch  in  Alkohol,  kaum  in  Aether  und  Chloro- 
form lösliche  Masse,  welche  in  wässeriger  Lösung  stark  schäumt,  die  Reactionen 
des  Digitalins  gibt,  die  physiologische  Wirkung  des  Digitalins  besitzt  und  sich 
beim  Kochen  in  Glykose  und  Digitaliresin  spaltet. 

Digitoxin,  C2l  H33  07  (?).  Dieser  am  giftigsten  wirkende  Bestandtheil  der  Digitalis, 
welcher  nicht  zu  den  Glykosiden  gehört,  bildet  den  Hauptbestandteil  des  krystal- 
lisirten  Digitalins  von  Nattvki.lk  ,  in  welchem  auch  das  schon  erwähnte  Para- 
digitojrenin  vorkommt.  Zur  Darstellung  des  reinen  Digitoxins  werden  die  gepulverten 
Digitalisblätter  mit  Wasser  und  darauf  mit  öOprocentigem  Weingeist  erschöpft,  die 
weingeisthaltigen  Auszüge  mit  Bleiessig  und  Ammoniak  gefällt.  Von  dem  nach 
Möglichkeit  neutral  gehaltenen  Filtrat  wird  der  Alkohol  abdestillirt.  Der  beim  Er- 
kalten aus  dem  Destillationsrückstande  sich  absetzende  Bodensatz  wird  mit  ver- 
dünnter Sodalösung,  dann  mit  Wasser  gewaschen,  getrocknet  und  mit  Chloroform 
ausgezogen.  Der  beim  Verdunsten  des  Chloroforms  bleibende  Rückstand  wird  so 
lanjrc  mit  Petroleumäther  oder  Aether  behandelt ,  als  diese  gefärbt  werden ,  der 
Rückstand  sodann  aus  heisseni  tfOproeentigera  Alkohol  umkrystallisirt. 


Digitized  by  Google 


DIGITAL!  X. 


Farblose,  perlmutterglänzende  Nadeln  oder  vierseitige  Blättchen,  unlöslich  in 
Wasser,  wenig  löslieh  in  Aether,  leicht  löslieh  in  hoissein  Alkohol  und  Chloroform. 
Schmelzpunkt  =  240°.  Die  Lösung  in  concentrirter  Salzsäure  färbt  sich  beim 
Erwärmen  gelb  bis  grlin.  Mit  concentrirter  Schwefelsäure  und  Brom  färbt  es  sich 
nicht.  Die  durch  Erwärmen  mit  einer  Mischung  von  gleichen  Theilen  Weingeist 
und  Schwefelsäure  erhaltene  gelbe  Lösung  färbt  sich  durch  wenig  Eisencblorid 
blaugrfln.  Beim  Kochen  seiner  alkoholischen  Lösung  mit  sehr  verdünnten  Mineral- 
säuren wird  das  Digitoxin  in  Toxiresin,  eine  harzartige,  farblose,  in  Wasser 
unlösliche  Substanz,  Ubergeführt. 

Mit  dem  Namen  Digitin,  passives  Digitaliu,  oder  „Substance  crystallisee 
inerte"  bezeichnet  Nativelle  einen  in  farblosen,  geschmacklosen  Nadeln  krystal- 
lisirenden  Digitalisbestandtheil,  welcher  keine  Wirkung  auf  den  Organismus  ausübt. 
Das  Digitin  ist  in  Wasser,  Aether  und  Chloroform  kaum  löslich,  leicht  löst  es  sich 
in  heissem  Alkohol.  Die  Lösung  in  concentrirter  Schwefelsäure  ist  roth  gefärbt. 
Die  von  Walz  als  Digitalin,  Digitaloin  oder  Digitaloinsäure,  Digi- 
tal a c r i n  und  Digitalosamin  bezeichneten  Digitalisbestandtheile  ,  auch  die 
Spaltungsproducte  des  Digitalins,  das  Digitaletin,  Paradigitaletin  dürfen 
wohl  ebenso  wie  das  Digitaline  von  Kosmaxx  Anspruch  auf  reine  chemische 
Individuen  nicht  machen. 

Von  den  durch  Schmiedeberg  aus  den  Digitalisblättern  isolirten  charakteristischen 
Körpern  besitzen  drei,  nämlich  das  Digitalin,  DigitaleSn  und  das  Digitoxin  die  für  die 
Digitalis  eigentümliche ,  die  Herzthätigkeit  regulirende  Wirkung.  Von  diesen  unter- 
scheidet sich  das  Digitoxin  in  quantitativer  Hinsicht,  da  es  bedeutend  stärker  wirkt, 
sehr  von  den  beiden  anderen  Körpern.  In  den  verschiedenen  Handelsdigitalinen  sind, 
je  nach  Herstellungsart  und  je  nach  Beschaffenheit  der  zur  Herstellung  dienenden 
Digitalis,  die  vier  von  Schmiedrbebg  isolirten  Digitalisbestandtheile  und  deren 
Zersetzungsproducte  in  variirender  Menge  enthalten,  in  Folge  dessen  die  Wirkung 
derselben  eine  sehr  verschiedene  ist.  Die  Einführung  eines  der  reinen  Digitalis- 
bestandtheile in  den  Arzneischatz  begegnet  noch  manchen  Schwierigkeiten.  Der 
Verwendung  des  Digitoxins  steht  die  Unlöslichkeit  in  Wasser  entgegen,  welche 
eine  unregelmässige  Resorption  des  giftigen  Stoffes  befürchten  lässt;  das  Digitalin 
und  das  Digitalem,  welche  wegen  ihrer  geringeren  Giftigkeit  die  Wirkung 
erst  in  grösseren  Gaben  zeigen ,  sind  für  die  praktische  Verwendung  noch  zu 
schwer  in  reinem  Zustande  darzustellen.  Auch  der  Gebrauch  der  Digitalisblätter 
ist  nicht  unter  allen  Umständen  ein  sicherer,  da  die  verschieden  wirkenden 
Bestandteile  nicht  immer  in  demselben  Mengenverhältniss  in  den  Blättern  vor- 
kommen und  bei  ihrer  verschiedenen  Löslichkeit  in  Wasser,  Alkohol,  auch  in  sehr 
wechselnder  Menge  in  den  Digitalispräparaten  (Infusion ,  Tinctur ,  Extract  etc.) 
zugegen  sind.  Die  Wirkung  de«  Digitalins  und  der  Digitalispräparate  ist  demnach 
quantitativ  eine  unsichere. 

Unter  den  geschilderten  Verhältnissen  bereitet  die  Werthbestimmung  der 
Digitalisblätter  und  der  aus  diesen  hergestellten  Präparate  grosse  Schwierigkeiten. 
Eine  chemische  Werthbestimmung  hat  sich ,  soll  sie  Bedeutuug  haben ,  auf  die 
Einzelbestimmung  der  vorhandenen  Mengen  jener  drei  Bestandteile,  des  Digitalins, 
DigitaleYns  uud  Digitoxins,  zu  erstrecken,  die  Methoden  müssen  auf  die  Eigenschaften 
dieser  Stoffe  begründet  werden. 

Zum  Nachweise  in  forensisch -chemischen  Fällen  bedient  man 
sich  des  Verfahrens  von  Stas-Otto  oder  Duagendobff  (s.  Gerichtliche 
Chemie)  und  erkennt  das  nach  einem  dieser  Verfahren  abgeschiedene  Digitalin 
an  dem  physiologischen  Verhalten  und  demjenigen  -gegen  Schwefelsäure  und  Brom- 
wasser. 

Die  Aufbewahrung  des  Digitalins  in  Apotheken  geschieht  höchst  vorsichtig. 
Die  Kinzelgabe  wird  zu  0.001 — 0.003  angegeben,  erheblich  geringer  ist  sie  jeden- 
falls für  das  krystallisirte ,  wesentlich  aus  Digitoxin  bestehende  Präparat  zu  be- 
messen. H.  Beckurts. 


Digitized  by  Google 


494 


DIGITALINGRUPPE.  —  DIGITALIS. 


DigitflHngrUppe.  Man  fässt  unter  dieser  Bezeichnung  eine  Reihe  von  Pflanzen 
und  Pflanzenstoffen  zusammen,  welche  die  für  Digitalis  charakteristische  Wirkung 
auf  die  Herzthätigkeit  besitzen.  Es  gehören  hierher: 

Adonidin  im  blähenden  Kraute  von  Adonis  vernalis  L.  (Ranunculaceae). 

Antiar  in  in  dem  als  Pfeilgift  verwendeten  Milchsafte  von  Antiaris  toxicaria 
Lesch.  (Artocarpeae). 

Apocynin  und  Apocyneln  in  der  Wurzel  von  Apocynum  cannabinum  L. 

Convallamarin  in  Conrallaria  majalis  L.  (LMaeeae). 

Digital  in  im  Kraute  von  Digitalis  purpurea  L. 

ErythrophleTn,  ein  Alkaloid  (das  einzige  in  dieser  Gruppe)  aus  der 
Sassyrinde  von  Erythrophlaeum  guinecnse  O.  Don  (L^guminosae). 

Evonymin  in  der  Rinde  von  Eoonymus  atropur purem  Jqu  (Celastraceae). 

Hellebor  ein  im  Rhizom  und  den  Wurzelblättern  der  Helleborus-Arten 
(Ranunculaceae) . 

Neriin,  NeriodoreTn  und  Neriodorin,  ersteres  aus  Nerium  Oleander  L.f 
letzteres  aus  N.  odorum  IV.  ( Apocynaceae) . 

Oleandrin  neben  Neriin  in  Nerium  Oleander  L. 

Scillaen  (Scillitoxin)  in  der  Zwiebel  von  Scilla  maritima  L  (Liliaceae). 

Strophanthin  in  den  Samen  von  Strophanthns  hispidus  DC.  (Apocynaceae) . 

Tanghinin*)  in  den  Früchten  von  Tanghinia  venenifera  Poir,,  einem  mada- 
gassischen Baume  (Apocynaceae). 

Thevetin  in  den  Samen  von  Thevetia  neret'folia  Jus*.  (Apocynaceae). 

Ein  thierisches  Secret,  das  von  Fornara  aus  der  Haut  einiger  Kröten  (Bufo- 
Arten)  dargestellte  Phrynin  oder  Bufidin,  scheint  ebenfalls  in  grossen  Gaben 
Ähnlich  wie  Digitalin  zu  wirken. 

DigitclIiS,  Gattung  der  Scrophulariaceae,  Unterfamilie  Digitaleae.  Zwei-  oder 
mehrjährige  Kräuter  mit  einfachem  oder  ästigem,  meist  hohem  Stengel,  alternireu- 
den,  ganzrandigen  oder  gekerbten,  beziehungsweise  gesägten  Blättern,  grossen, 
vorblattlosen,  in  eine  terminale  Traube  vereinigten  Blüthen  und  eiförmiger,  wand- 
spaltig  aufspringender  Kapsel. 

D  ig  it  a  l  is  pur  pur  ea  L.,  rother  Fingerhut,  Digitale,  Foxglove. 
Durch  ganz  Westeuropa  bis  Sudskandinavien  (Throndhjem)  und  auf  Cornea  und 
Sardinien  verbreitet ,  aber  nur  stellenweise ,  besonders  in  Bergwäldern ,  dort  an 
liebten  Stellen,  gern  auf  Basalt  und  Porphyr.  Häufig  in  dem  rheinischen  Schiefer- 
gebirge, dem  Schwarzwald,  den  Vogesen,  Thüringen.  Sachsen,  dem  Harz.  Im  Süden 
häufiger.  Fehlt  dem  Jura,  der  schweizerischen  Hochebene,  den  Alpen  etc.  Bisweilen 
der  schönen  Blüthen  wegen  und  (seltener)  zu  Heilzwecken  auch  angebaut.  Besonders 
im  Harz  nnd  in  Thüringen  wird  Digitalis  zu  arzneilichen  Zwecken  gesammelt. 

Die  Pflanze  ist  zweijährig  und  entwickelt  im  ersten  Jahre  eine  grosse  Kosette 
von  bodenständigen  Blättern.  Dieselben  verschmälern  sich  ziemlich  bald  in  den 
geflügelten,  bis  20  cm  langen,  kantigen  Blattstiel.  Die  Spreite  ist  stumpf  eiförmig 
und  erreicht  eine  Länge  von  30  cm  bei  einer  Breite  von  17  cm.  Sie  sind  schwach 
behaart.  Im  zweiten  Jahre  entwickelt  sich  der  bis  2  m  hohe,  ja  noch  höhere  (meist 
30 — 150  cm),  meist  einfache,  selten  oberwärts  ästige,  stielrunde,  durch  zahlreiche 
einfache  Haare  sammtartig-graufilzige  Stengel.  Die  Stengelblätter  sind  alternirend,  weit 
von  einander  entfernt,  eiförmig  bis  eilanzettlich,  zugespitzt,  durchschnittlich  5 — 20  cm 
lang,  gekerbt,  oberseits  kurzhaarig,  unterseits  graufilzig ;  besonders  längs  der  Nerven 
stehen  dicht  gedrängte,  weiche  Haare.  In  der  Cultur  verschwindet  der  Haarüberzug 
oftmals  jranz  oder  nahezu  ganz..  Die  untersten  Stengelblätter  laufeu  an  der  Basis 
allmülig  in  den  langen  geflügelten,  mit  breiter  Basis  dem  Stengel  ansitzenden  Blatt- 
stiel aus,  die  mittleren  sind  kurz  gestielt,  die  obersten  sitzend.  Die  Deckblätter  der 
Blüthen  sind  klein,  ungestielt  und  lang  zugespitzt.  Alle  Blätter  sind  mit  in  spitzem 
Winkel  schwach   bogig  aufsteigenden  Seitennerven  und  reichem,  kleinmaschigem, 

*)  Nicht  „Janjrhinin",  wie  in  Folge  eines  vererbten  Drtickfehlors  allenthalben  za  lesen  ist. 

Digitized  by  Google 


DIGITALIS. 


■195 


auf  der  Unterseite  stark  ausgeprägtem  und  hervortretendem  Adernetze  versehen. 
Durch  dieses  reich  entwickelte  Adernetz  erscheint  das  Blatt  uneben  und  etwas  Bteif. 

Die  ansehnlichen  zygomorphen  Blüthen  stehen  in  grosser,  einseitswendiger  Traube, 
deren  Axe  ebenfalls  drüsig  filzig  ist.  Sie  sind  von  Deckblättern  behüllt.  Kelch 
ötheilig,  oberster  Kelchzipfel  lanzettlich,  spitz  und  kurzer  als  die  übrigen  ver- 
kehrt eiförmigen,  stumpfen  Segmente.  Corolle  4  cm  gross,  abwärts  geneigt,  bauchig- 
glockig, oberhalb  des  Fruchtknotens  etwas  eingeschnürt,  aussen  kahl  und  bellpurpuni, 
innen,  besonders  an  der  Basis,  bärtig  mit  dunkelrothen ,  oft  weiss  gesäumten 
Flecken,  selten  ganz  weiss.  Saum  schief,  fast  zweilippig,  kurzlappig.  Oberlippe 
sehr  stumpf,  zuweilen  ausgerandet ,  kurz  und  breit,  durch  Verwachsung  zweier 
Petala  entstanden,  die  abgerundeten  Lappen  der  Unterlippe  kurz-eiförmig,  der  nach 
unten  geschlagene  Mittellappen  breiter  als  die  Seitenlappen  und  länger  als  diese 
und  die  Oberlippe.  Die  zwei  langen  und  zwei  kurzen,  bogenförmig  aufsteigenden 
Staubfäden  (Didynamia)  sind  der  Kronenröbre  oberseits  angedrückt  und  im 
Antherentheile  paarweis  genähert,  die  spreizenden  Antherenhälften  fliessen  an 
der  Spitze  zusammen.  Sie  sind  gelb  und  mit  rothen  Punkten  versehen.  Der  eben- 
falls bogenförmig  aufsteigende  und  angedrückte  Griffel  spaltet  sich  in  2  Narben. 
In  dem  spitzkegelförmigen  Fruchtknoten  sitzen  an  herzförmiger  Placenta  zahlreiche 
Ovula.  Die  eiförmige  Kapsel  springt  wandspaltig-zweiklappig  auf,  die  eingebogenen 
Ränder  der  Klappen  lösen  sich  nicht  vollständig  von  der  Placenta.  Die  zahlreichen 
Samen  sind  klein,  länglich  bis  kugelig. 

Folia  Digitalis  (in  allen  Pbarmakopöen)  sind  nur  von  der  wildwachsen- 
den blühenden  oder  eben  aufblühenden  Pflanze,  also  im  zweiten  Jahre  (Ph.  Brit., 
Un.  St.)  im  August  und  September,  von  trockenen  Standorten  (Ph.  Belg.,  Rom.) 
zu  sammeln.  Man  soll  sie  vor  dem  Blühen  fPh.  Gall.),  bei  Beginn  desselben  (Ph. 
Austr.,  Belg.,  Hung.,  Norv.,  Rom.,  Suec.)  oder  während  der  Blüthezeit  (Ph.  Fenn., 
Genn.,  Neerl.),  wenn  etwa  zwei  Drittel  der  Blüthen  sich  geöffnet  haben  (Ph.  Brit.) 
sammeln  (Hirsch)  und  mit  peinlicher  Sorgfalt  rasch  im  Schatten  (Ph.  Hung.,  Neerl.) 
trocknen.  Vor  der  Blüthezeit  (Mai ,  Juni)  oder  nach  derselben  (im  Herbst)  ge- 
sammelte Blätter  sind  weniger  wirksam.  Ganz  zu  verwerfen  sind  die  im  ersten 
Jahre  gebildeten  Wurzelblätter  (Berxbkck,  Dannenberg,  Reusch,  Schneider, 
W.  Mayer).  Die  cultivirten  werden  für  weniger  wirksam  gehalten  (v.  Schroff 
bestreitet  dies).  Es  scheint,  das*  es  nicht  unzweckmässig  ist ,  die  starken  Mittel- 
rippen vor  dem  Gebrauche  zu  beseitigen.  Im  Himalaya  gezogene  Blätter  haben 
sich  wirkungslos  gezeigt  (Flückiger). 

Die  officinellen  (also  kleineren  Stengel-)  Blätter  sind  dünn  ,  unregelmässig  ge- 
kerbt, eiförmig  länglich,  10 — 30  cm  lang  und  5 — 10  cm  (bis  15)  breit  (Ph.  Germ., 
Fenn.)  —  nach  der  Ph.  Hisp.  sind  sie  10 — 15  cm,  nach  Ph.  Un.  St.  10—30  cm 
nach  der  Ph.  Brit.  10 — 12.5  cm  lang  —  zugespitzt,  doppelt  gekerbt,  runzelig, 
oben  mattgrün,  weichhaarig  (nicht  sternhaarig;,  unten  weisslich  und  weichfilzig.  Das 
reich  verzweigte  Adernetz  ist  besonders  auf  der  Unterseite  ausgeprägt  und  trägt 
daselbst  einen  Filz  von  nicht  verästelten,  weichen  Haaren  iPh.  Germ.).  Gegen 
das  Licht  gehalten  sieht  man  innerhalb  des  gröberen  Adernetzes  noch  ein  feineres. 
Die  untersten  Stengelblätter  verlaufen  in  einen  laugen  geflügelten  Blattstiel ,  die 
oberen  sind  sitzend  (Ph.  Austr.,  Neerl.).  Die  durch  ein  helles  Drüschen  gekrönten 
Kerbzähne  des  Randes  sind  an  den  untersten  Blättern  sehr  breit  und  sanft  ge- 
wölbt, an  den  oberen  Blättern  kleiner,  etwas  eckiger,  aber  ebenfalls  nicht  sehr 
scharf  hervortretend  (Flückiger). 

Die  Anatomie  der  Blätter  ist  sehr  einfach.  Die  Epidermis  der  Oberseite  besitzt 
gar  keine  oder  nur  wenige  Spaltöffnungen,  die  der  Unterseite  viele  von  typischem 
Bau.  Die  Epiderraiszollen  sind  oberseits  polygonal  unterseits  wellenförmig  im  Um- 
riss.  Auf  beiden  Seiten  finden  sich  Trichome  (Fig.  79),  die  bald  ein-,  bald  mehr- 
seitig (oft  vierzellig)  sind ;  sie  endigen  entweder  in  eine  stumpfe  Spitze  oder  in  ein 
rundes  Köpfchen.  Auch  Köpfchenhaare  mit  mehrzelligen  Köpfchen  finden  sich  da  und 
dort.   An  den  Nerven  tritt  die  Behaarung  stärker  hervor  (Fig.  79).  Krystallablage- 


Digitized  by  Google 


496  DIGITALIS. 

rungen  fehlen  (Unterschied  von  Belladonna  und  Hyoscyamus).  Die  BlattUmint 
ist  sehr  dünn,  etwa  O.lmm. 

Da  die  Blätter  von  der  blühenden  Pflanze  zu  sammeln  sind,  so  besteht  die 
Droge  meist  aus  den  oberen,  fast  sitzenden  Blattern  (die  unteren  sind  zu  der  Zeit 
meist  schon  abgestorben),  oft  hangen  ihnen  noch  Reste  der  Stengelepidermis  an 
der  Basis  an,  da  sie  flüchtig  abgerissen  werden. 


Frisch  riechen  die  Blätter  widerlich ;  dieser  Gerach  verliert  sich  beim  Trocknen 
fast  ganz.  Der  Geruch  der  Droge  ist  charakteristisch  und  deutlich,  nicht  unange- 
nehm, besonders  beim  Infus  sehr  gut  hervortretend,  nach  der  Ph.  Brit.  angenehm,  der 
Ph.  Germ,  eigenartig,  aber  uieht  aromatisch.  Geruchlose  Waare,  die  die  Ph.  Austr. 
und  Hung.  fordern,  ist  zu  verwerfen.  Der  Geschmack  ist  widerlich  ekelhaft  bitter 
(Ph.  Dan.,  Graec.,  Hisp.,  Hung.,  Xeerl.,  Norv.,  Un.  St.),  sehr  bitter  (Ph.  Austr., 


Digitized  by  Google 


DIGITALIS. 


497 


Belg.,  Brit.,  Gall.),  auch  scharf  (Bei?.,  Graec.,  Rom.),  unangenehm  (Hirsch)  und 
nicht  aromatisch.    Er  tritt  bei  einem  Aufgusse  besonders  charakteristisch  hervor. 

Das  Infusum  (1  :  10)  röthet  Lackmus  und  wird  durch  Eisenchlorid  dunkel  ge- 
färbt. Nach  einigen  Stunden  entsteht  ein  brauner  flockiger  Bodensatz.  Gerbsäure- 
löeung  (l  :  10)  erzeugt  in  dem  erkalteten  Infus  einen  starken  Niederschlag.  Das 
Infusum  (1:10)  mit  dem  dreifachen  Gewichte  Wasser  verdünnt  gibt  mit  Gerbsäure 
eine  Trübung  (Ph.  Germ.,  Fenn.) ;  verdünnt  man  mit  Wasser,  so  wird  die  Lösung 
wieder  klar.  Ferrocyankalium  trübt  innerhalb  15  Minuten  das  Infus.  Ammoniak 
darf  keine  grüne  Färbung  hervorrufen  (Unterschied  von  Inula  Conyza).  Bisweilen 
gelatiniren  die  Digitalisinfuse.  Die  Digitalisblätter  enthalten  Di gi talin,  Digi- 
tal e* in,  Digitoxin  (8chmiedeberg),  Paradigitogenin,  Digitonin  (dem  Saponin 
ähnlich),  Digitasolin,  Digitalacrin,  Digitalsäure,  Antirhinsäure  (Morix),  Digitalosmin, 
ein  Stearopten  (Walz),  Digitaleinsäure  (Kosmann),  Inosit  (Marme). 

Ob  alle  diese  Stoffe  oder  noch  andere  in  den  Blättern  selbst  vorgebildet  sind, 
erscheint  noch  fraglich  (s.  Digital  in). 

Die  Asche  beträgt  10.56  Procent  (Flück[GEr). 

Das  frische  Kraut  wird  entweder  sofort  zu  Extract  verarbeitet  oder  auf 
schattigem  Boden  im  Dunkeln  rasch  getrocknet,  bei  30°  nachgetrocknet,  geschnitten 
oder  gepulvert,  und  vor  Licht  geschützt  (Ph.  Austr. ,  Belg.,  Graec.),  unter 
den  stark  wirkenden  Substanzen  in  gut  verschlossenen  Glas-  oder  Thongefässen 
aufbewahrt.  5  Th.  frische  Blatter  geben  1  Th.  trockene  (Hager).  Man  erneuert 
den  Vorrath  alljährlich  (Ph.  Germ.,  Austr.,  Fenn.,  Helv.,  Hang.,  Norv.,  Russ.). 

Das  Pulver  wird  nur  in  geringer  Menge  vorräthig  gehalten  (Ph.  Dan.,  Russ.) ; 
nach  der  Ph.  Dan.  sind  die  zu  seiner  Herstellung  verwendeten  Blatter  zuvor  von 
ihren  Rippen  zu  befreien  (Ph.  Dan.). 

Die  Digitalis  ist  ein  souveränes  Mittel  zur  Regulirung  der  Herzthätigkeit  und 
bei  bestimmten  Erkrankungen  des  Herzens  und  ihren  Folgezustäuden  geradezu 
unersetzlich.  Bei  ihrer  Anwendung  und  Dispensirung  ist  die  entschieden 
cumulative  Wirkung  zu  beachten. 

Am  häufigsten  verwendet  man  sie  im  Infus  (0.2!  pro  dosi  ad  1.0!  pro  die 
Ph.  Germ. ,  0.6  pro  die  Ph.  Austr.).  Die  Digital isprAparate  sind  weniger  zuver- 
lässig. Man  gibt  das  E  x  t  r  a  c  t  zu  0."  '3 — 0.2  (!  ,  das  A  c  e  t  u  m  zu  10 — 30  Tropfen 
(2.0!  pro  dosi,  ad  10.0!  pro  die),  die  alkoholische  Tinctur  zu  10  bis 
30  Tropfen  (1.51  pro  dosi,  ad  5.0!  pro  diej,  die  ätherische  Tinctur  zu 
5—15  Tropfen  (1.0!  pro  dosi,  3.0!  pro  die). 

Als  Verwechslungen  der  Digitalisblätter  können  gelten:  Die  Blätter  von 
Digitalis  ambig ua  Murr.  (D.  grandiflora  Lam.,  I).  ochroUuca  Jacq.).  Die- 
selben sind  stiellos,  schmäler,  laug  eiförmig,  mehr  zugespitzt,  minder  behaart,  nicht 
runzlig  (weniger  hervortretendes  Adernetz),  höchstens  6  cm  breit.  Die  Stengelblätter 
mit  sehr  scharfen  Sägezähnen.  Die  borstliche  Behaarung  spärlicher.  Aehnlich  wie 
diese  sind  auch  die  Blätter  von  1)  lutea  L  (länglich-lanzettlich,  gesägt,  kahl, 
gewimpert)  und  D.  parvißora  Lam.  Wenn,  wie  es  vorgeschrieben  ist,  die 
Digitalisblätter  von  der  blühenden  Pflanze  gesammelt  werden,  so  ist  eine  Ver- 
wechslung mit  denen  der  eben  erwähnten  nicht  roth.  sondern  gelb  blühenden  Arten 
ausgeschlossen. 

Die  Blätter  von  Verbaacum  nigrum  L.  sind  unten  länglich-eiförmig,  am  Grunde 
herzförmig  und  nicht  in  deu  Blattstiel  verschmälert,  oberseits  fast  kahl,  unterseits 
dünnfilzig.  Die  oberen  eiförmig-länglich,  fast  sitzend.  Verbascum  Lychm'tis  L.  hat 
oberseits  fast  kahle,  unterseits  staubig-filzige,  graue,  steife  Blätter.  Die  unteren  sind 
elliptisch-länglich,  in  den  Stiel  verschmälert,  die  oberen  sitzend,  eiförmig,  zugespitzt. 
Verbascum  Thapaus  L.  hat  kleingekerbte,  beiderseits  mit  gelblichem  Filze  dicht 
bedeckte  Blätter,  ebenso  V.  thapsi forme  Schrad.  und  Phlomoides  L.  Alle  Ver- 
bascumblätter  sind  dicker  als  Digitalis,  nicht  bitter  und  mit  Stern  haaren  versehen. 

Die  Blätter  von  Inula  Conyza  DC.  (Conyza  squarrosa  L.)  sind  lebhaft 
grün ,   brüchig ,  elliptisch,   spitzlich,   oberseits  weichhaarig,   unterseits  dünnfilzig, 

Re*I-Encyclop&die  der  jce«.  Pharmacie.  III.  32 

Digitized  by  Google 


4U8 


DIGITALIS.  —  DILATOMETER. 


gesägt  oder  ganzrandig.  Haare  abstebeud.  Innerhalb  des  groben  Fasernetzes 
der  Nerven  bei  durchfallendem  Licht  kein  feineren  durchscheinend.  Frisch  etwa* 
aromatisch.  Kaum  bitter.  Bei  Inula  Helenium  Seiteunerven  unter  fast  rechtem 
Winkel  abgehend. 

Die  Blätter  von  Symphytum  ofßcinale  L.  sind  herablaufend,  untere  eilanzett- 
förmig.  in  den  Blattstiel  verschmälert,  obere  lanzettlich,  rauhhaarig,  ganzrandig, 
nicht  bitter. 

Die  Blätter  von  Teucrium  Scorodonia  L.  sind  nicht  filzig,  gestielt  und  herz- 
förmig. 

Häufiger  als  auf  diese  Verwechslungen  kommt  es  auf  eine  schnelle  Unterscheidung 
der  geschnittenen  Digitalisblätter  von  den  in  der  Apotheke  daneben  stehenden 
Fol.  Belladonnae  und  Hyoscyatni  &n.  Dieselbe  ist  mikroskopisch  leicht  auszuführen. 
Die  mit  Alkohol  entfärbten  Blattabschnitte  lassen  schon  in  der  Flächenansicht 
bei  Belladonna  die  mit  körnigem  Kalkoxalat  erfüllten  Zellen  und  bei  Hyoscyamus 
die  Kalkoxalatkry stalle  erkennen.    Bei  Digitalis  fehlen  alle  Krystallbildungen. 

Tschirch. 

DiQltäricl,  Gattungsname  mehrerer  Gramineae.  Digitaria  Scop.  ist  synonym 
mit  Panicum  L.,  Digitaria  Jus»,  synonym  mit  Cynodon  Rieh.,  Digitaria  Adans. 
synonym  mit  Tripsacum  L. 

Digitaria  sanguinalis  Per*.,  die  Bluthirse,  ist  synonym  mit  Panicum  san- 
guinale  L.,  deren  stärkereiche  Früchte  (Semen  Ischaemi  s.  Graminis  sangui- 
nariij  als  Nahrungsmittel  dienen.  —  S.  Hirse. 

Digitaria  stolonifera  Schrad.  ist  synonym  mit  Cynodon  Dactyhn  Rieh. 

Digne  in  Frankreich  (Dep.  Basses  Alpes)  besitzt  6  Thermen  von  32 — 45°, 
welche  Schwefelwasserstoff  und  ziemlich  viel  Chlornatrium  enthalten. 

Digynia  (JH;,  doppelt  und  yv>v^,  Weib).  Name  der  II.  Ordnung  der  Clausen 
I  bis  XU  des  LiNNE'schen  Ptianzensystemes.  Die  zur  Ordnuug  Digynia  gehörenden 
Pflanzen  besitzen  Blüthen  (flores  digyni)  mit  zwei  Griffeln  oder  Staubwegen. 

Sydow. 

DihomOCinChonidin  =  Homocinchonidiu. 

DihydrOStrychnifl,  C31  H,„N2  04,  bildet  sich  (neben  Trihydrostryehnin)  beim 
Erhitzen  von  Strychnin  mit  dem  lOfachen  Volumen  kalt  gesättigten  Barytwa&sers 
im  Druckrohr  auf  135 — 140°.  Mikroskopische  Nadeln,  wenig  löslich  in  Wasser. 
Gibt  mit  Kaliumdichromat  und  Schwefelsäure  nicht  die  Strychninreaction. 

Gans  winde 

Dikafett,  DikablJtter  ein  aus  den  Samen  von  Irmngia  Barteri  Hook,  ge- 
wonnenes Fett,  welches  in  der  Seifenfabrikation  und  als  Ersatz  der  Cacaobntter 
Verwendung  findet.  Benedikt. 

DikällUlId  heisst  in  Ostindien  das  aus  dem  Stamme  von  Gardenia  lucida  Rxb. 
(Rubiaceae)  fliessende  Harz.  Es  Ist  gelb,  krystallinisch,  fast  vollständig  in  Alkohol 
löslich  und  riecht  nach  Lauch.  Stexhoüsk  stellte  aus  demselben  goldgelbe  Kry- 
stalle  eines  von  ihm  Garden  in  benannten  Harzes  und  gegen  0.2  Proeent 
ätherisches  Oel  dar. 

Dilatation  ist  eine  über  das  physiologische  Maass  hinausgehende  Erweiterung 
einer  Höhlung  des  Körpers,  wie  z.  B.  der  Herzhöhlen,  des  Magens  oder  eines 
Darmabschnittes.  Eine  solche  Erweiterung  entsteht  entweder  durch  EreehlalVung 
der  Musculatur  oder  durch  behinderte  Eutlcerung  des  Inhaltes.  Dilatiren  nennt 
man  künstliches  Erweitern  einer  Verengerung  in  den  Körpercanälen ,  z.  B.  einer 
Strictur  der  Speiseröhre,  der  Harnröhre  oder  des  Mastdarmes.  —  8.  auch  Bougie. 

Dilatometer  ist  ein  Apparat,  der  zum  Messen  der  Ausdehnung  von  Flüssig- 
keiten durch  die  Wärme  dient.  Von  Silbekmaxn  wurde  ein  solcher  Apparat  zur 


Digitized  by  Google 


DIL ATOMETER.  -  DIMKTHYLANILIN. 


499 


Bestimmung  des  Alkohols  in  wässerigen  Mischungen  angegeben.  Derselbe  besteht 
im  Wesentlichen  aus  einem  von  25°  bis  50°  reichenden  Thermometer  und  einem 
mit  einer  empirisch  festgestellten  Scala  versehenen  Glasrohr,  in  welches  bis  zu 
einer  Marke  die  zu  prüfende  auf  25»  erwärmte  Flüssigkeit  eingefüllt  wird.  Hierauf 
senkt  man  den  Apparat  in  Wasser  von  50°  und  beobachtet,  bis  zu  welcher:  Theilstrich 
die  Flüssigkeit  steigt.  Die  Grösse  der  Ausdehnung  ist  verschieden  je  nach  dem 
Alkoholgehalt  der  Mischung.  Zucker  und  Salze  beeinflussen  das  Resultat  nicht 
wesentlich.    Der  Apparat  findet  gegenwartig  keine  Anwendung  mehr. 

J.  Mauthner. 

Dill  ist  Anethum  graveolens  L.  —  Toller  Dill  ist  Hyoscyamus. 

Dilleniaceae,  Familie  der  Gistifl  orae.  Bäume,  Stmuclwr  oder  Halbstrflucher, 
seltener  krautartige  Gewächse;  viele  derselben  sind  Blätterpflanzen,  ausschliesslich 
der  wärmeren  Zone  angehörend.  Charakter :  Blüthen  zwitterig.  Kelch  4 — öblätterig, 
bleibend,  in  der  Knospenlage  dachig ;  Krone  4 — öblätterig ;  Staubgefässe  zahlreich, 
frei  oder  zu  Bündeln  verwachsen,  Antheren  niemals  aufspringend;  Griffel  5—13; 
Fruchtblätter  zahlreich ;  Frucht  eine  Beere  oder  zweiklappige  Kapsel,  ein-  bis 
vielsamig.  .  Sydow. 

DillÖl.  Das  ätherische  Oel  der  Früchte  von  Anethum  graceolens,  durch  Dampf- 
destillation gewonnen,  stellt  frisch  ein  farbloses  oder  schwach  gelbliches,  ziemlich 
dünnflüssiges  Oel  vor,  von  dem  eigentümlichen  Geruch  des  Dillsamcns  und  corre- 
spondirendem  Geschmack.  Es  gehört  zu  den  zusammengesetzten  ätherischen  Oelen 
und  enthält  nach  Nietzki  als  Hauptbestandteile  60  Procent  Kohlenwasserstoff,  bei 
170—175°  siedend,  30  Procent  Carvol,  bei  225—230°  siedend,  und  10  Procent 
eines  Terpens  CI0H19,  bei  155 — 160°  siedend.  Ganuwindt. 

DÜUVialgebilde,  Diluvium.  Als  solche  bezeichnet  man  Meeresablagerungen, 
welche  der  Zeit  nach  unter  den  vorhistorischen  die  letzten  waren,  somit  die  aller- 
jüngsten  sind.  Sic  bestehen  meist  aus  lockeren ,  nicht  sehr  deutlich  geschichteten 
Anhänfungen  von  Lehm,  Sand,  Kies,  Geschieben  und  grösseren  Felsblöcken 
(erratische  Blöcke).  Im  Diluvium  werden  verhältnissmässig  nur  wenige  organische 
Reste  gefunden :  man  glaubt  deshalb,  dass  die  Bildungsperiode  des  Diluvium  eine 
kurze  gewesen  sei.  Diluvialgebilde  werden  bis  zu  einer  absoluten  Höhe  von  300  m 
angetroffen.  Da  die  Diluvialgebilde  in  den  tief  gelegenen  Theilen  der  alten  und 
der  neuen  Welt  ein  ausgedehntes  Terrain  occupiren,  so  muss  angenommen  werden, 
dass  ein  grosser  Theil  des  jetzigen  trockenen  Landes  früher  von  Meeren  bedeckt 
war.  Die  Ursache  für  die  abwechselnde  Ueberfluthung  und  Trockenlegung  so  grosser 
Ländergebiete  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  in  der  Hebung  und  Senkung  der  Erd- 
kruste zu  suchen.  Die  erratischen  Blöcke  sind  sicher  durch  schwimmende  Eisfelder 
von  ihrer  ursprünglichen  Lagerstätte  weggeführt  worden. 

Dimethyl-PrOtOCateChUSäure,  C„  H,  (CHs  0)a .  COOH.  Auch  als  Veratrum- 
siinre  bekannt;  findet  sich  im  Sabadillsamen.  Nadeln  von  ISO0  Schmelzpunkt,  kaum 
loslich  in  Wasser,  leicht  dagegen  in  Alkohol  und  Aether.  Ganswind t. 

Dimethylamin  s.  C  a  d  a  v  e  r  a  1  k  a  l  o  i  d  e,  Bd.  II,  pag.  445  und  Methylamin. 

Dimethylanilin,  Cg h,, n  oder  c6h5.n(Ch,)s. 

Zur  Darstellung  des  Dimethylanilins,  welches  im  Handel  schlechtweg  Methyl- 
anilin genannt  wird,  erhitzt  man  in  mit  Rührwerk  versehenen  Autoclaven  reines 
Anilin  (Blauanilin)  mit  der  berechneten  Menge  Natronlauge  auf  100°  und  lässt 
Chlormethyl  einfliessen.  Die  Reaction  vollzieht  sich  nach  der  Gleichung: 

C,  H6 .  NHS  +  2  Na  HO  +  2  CH3  Cl  =  2  NaCl  +  2  H,  0  +  C6  H5  N  (CH8)2 ; 
oder  man  erhitzt  salzsaures  Anilin  mit  Methylalkohol  auf  180 — 200°. 

Das  Product  wird  durch  Destillation  gereinigt  und  enthält  sodann  noch  einige 
Procente  Monomethylanilin,  C„  Hö .  NH .  CH3 . 

32* 

Digitized  by  Google 


50u 


DIMKTH  YLANIL1N.  —  DIMORPHIE. 


Reines  Dimethylanilin  ist  eine  farblose  Flüssigkeit,  die  sich  an  der  Luft  all- 
niälig  bräunt.  Es  siedet  bei  192°  und  erstarrt  bei  +0.öw.  Specifisches  Gewicht 
O.HG  bei  15°. 

Pas  technische  Methylanilin  bildet  eines  der  wichtigsten  Materialien  in  der 
Farbenindustrie,  indem  es  zur  Darstellung  von  Bittermandelölgrün ,  Methyl  violett, 
Methylenblau,  Methylorange,  Aurarain  etc.  Verwendung  findet. 

Zur  Prüfung  des  Methylanilins  auf  einen  Gehalt  an  Anilin  oder  Monomethyl- 
anilin  verfahrt  A.  W.  Hofmann  in  folgender  Weise: 

Das  Oel  wird  in  Aether  gelöst  und  vorsichtig  mit  verdünnter  Schwefelsaure 
versetzt,  so  lange  sich  noch  ein  Niederschlag  bildet,  welcher  aus  schwefelsaurem 
Anilin  besteht.  Dann  wird  abfiltrirt,  die  ätherische  Lösung  verdunstet  und  der 
Rückstand  mit  Essigsäureanhydrid  gekocht.  Dabei  verwandelt  sich  das  Monomethyl- 
anilin  in  Acetmethylanilin,  H5 .  N .  CHS .  Ca  H30.  Bei  der  nun  folgenden  Destil- 
lation geht  zuerst  Dimethylanilin,  zum  Schlüsse  das  bei  245°  siedende  Acetmethyl- 
anilin über. 

Reines  Dimethylanilin  erwärmt  sich  nicht,  wenn  man  es  mit  dem  gleichen 
Volumen  Essigsäureanhydrid  mischt.  Tritt  beim  Vermischen  von  je  4ccm  der 
beiden  Flüssigkeiten  eine  Temperatursteigerung  ein,  so  ist  Monomethylanilin  vor- 
handen, und  zwar  für  jeden  Grad  der  Temperaturerhöhung  circa  1  2  Procent. 

NÖLTINO  und  Boas  Boasson  bestimmen  den  Gehalt  an  Monomethylanilin  in 
folgender  Weise:  30g  Dimethylanilin  werden  in  80g  concentrirter  Salzsäure  und 
V9  Liter  Wasser  gelöst,  gut  gekühlt  und  mit  einer  wässerigen  Lösung  von  38  g 
Natriumnitrit  vermischt.  Dabei  geht  das  Monomethylanilin  in  Methylphenylnitrosamin 
C„  H6  .  N  (NO) .  CIL  ,  das  Dimethylanilin  in  salzsaures  Nitrosodiraethylanilin, 
NO .  C6  Ht .  N  fCHa  ja .  H  Cl,  über.  Man  schüttelt  wiederholt  mit  Aether  aus,  wobei  nur 
die  erstere  Verbindung  aufgenommen  wird,  verdunstet  den  Aether,  trocknet  den 
öligen  Rückstand  und  wägt.  Aus  dem  Gewichte  des  Nitrosamins  findet  man  die 
Menge  des  Monomethylanilins  durch  Multiplication  mit  0.786.  Benedikt. 

Dimethyloxychinicin  =  Antipyrin. 

DimethylpyirOl.  Eine  Base  von  der  Formel  C(j  H9  N.  Bildet  sich  bei  der 
trockenen  Destillation  der  Knochen.  Unangenehm  riechendes  Oel.  Siedepunkt  165°. 

Ganswind  t. 

Dimethylxanthin  s.Cadaveralkaloide,  Bd.  II,  pag.  443. 

Dimorphie  wird  die  Eigenschaft  einfacher  oder  zusammengesetzter  Stoffe  ge- 
nannt ,  in  zwei  Krystallformen  aufzutreten ,  welche  nicht  auf  dieselbe ,  sondern 
auf  zwei  ungleiche  Grundformen  zurückzuführen  sind.  Solche  Ungleichheiten  sind 
entweder  in  ein  und  demselben  oder  in  zwei  verschiedenen  Kry Stallsystemen 
möglich.  Der  erste  Fall ,  dass  beide  solcher  Grundformen  in  demselben  Systeme 
bleiben,  ist  nur  bei  dem  regulären  Systeme,  in  welchem  unter  allen  Umständen 
die  Axen  unter  einander  gleich  lang  sind  und  sich  rechtwinkelig  in  ihren  Halbirungs- 
punkten  schneiden,  ausgeschlossen.  In  den  anderen  Systemen  sind  entweder  nur 
die  Axen  oder  auch  noch  die  Kreuzuugswinkel  derselben  ungleich.  Die  hierdurch 
bedingte  Grösse  der  Neigung  der  Kry  stallflächen  gegen  einander  ist  für  jeden 
nicht  dimorphen,  einfachen  oder  zusammengesetzten  Stoff  eine  ganz  bestimmte 
charakteristische  uud  bietet  den  einzigen  Anhalt  bei  der  Erkennung  desselben  an 
Winkelmessungen ,  da  die  meist  unsymmetrische  Ausbildung  der  verschiedenen 
Flächen  die  Gestalt  der  Grundform  verhüllt.  Ein  beliebiges  Längen-  oder  Neigungs- 
verhältniss  der  Axen  kommt  bei  einem  und  demselben  Stoffe  also  nicht  vor,  wohl 
aber  unter  Umständen  eine  bestimmte  Abweichung  von  dem  normalen  Verhältnisse, 
indem  eine  Axe  um  eine  gewisse  Grösse  verlängert  oder  verkürzt  wird,  woraus 
innerhalb  desselben  Systemes  für  die  Grundform  wie  für  die  abgeleiteten  Formen 
Dimorphie  folgt.  Wenn  dieses  z.  B.  die  Hanptaxe  des  quadratischen  Systemes 
betrifft,  so  kommen  als  Grundform  Qnadratoetaeder  mit  zwei  verschieden  starken 


Digitized  by  Google 


DIMORPHIE.  —  DIOECIA. 


501 


Zuspitzungen  an  den  Endpunkten  der  Hauptaxe  und  von  denselben  abgeleitet 
quadratische  Säulen  von  zwei  verschiedenen  Längenverhältnissen  zu  dem  Querschnitte 
der  Krystalle  vor.  Diese  Art  der  Dimorphie  ist  weniger  in  die  Augen  fallend 
und  seltener  beobachtet  worden,  als  der  zweite  von  Mitscherlich  am  Schwefel 
entdeckte  Fall  der  Dimorphie  in  zwei  verschiedenen  Krystallsystemen.  Der  Schwefel 
zeigt  nach  dem  Erstarren  aus  dem  geschmolzenen  Zustande  oder  aus  heissen 
Lösungen  krystallisirt  dem  monoklinischen  Systeme  angehörende  rhombische  Säulen, 
natürlich  vorkommend  oder  aus  kalten  Lösungen  ausgeschieden  Rhoinben- 
octaöder  des  rhombischen  Systeme».  Das  Calciumcarbonat  erscheint  als  Aragonit 
oder  aus  heissen  Lösungen  gefällt  in  rhombischen  Säulen,  als  Kalkspath  oder  kalt 
gefällt  in  hexagonalen  RhomboCdern. 

Wenn  be\  zwei  isomorphen  (gleiehgestaltigen)  Stoffen  der  eine  derselben 
Dimorphie  zeigt,  so  ist  dieselbe  auch  für  den  anderen  wahrscheinlich  und  wird 
Isodimorphie  genannt.  Wo  die  Ueberführung  des  letzteren  in  die  zweite  Form 
künstlich  noch  nicht  gelungen  ist,  wird  diese  Lücke  mitunter  durch  natürliches 
Vorkommen  ausgefüllt.  Antimonigsäureanhydrid  z.  B.  kommt  sublimirt  und  natür- 
lich als  Senarmontit  in  regulären  Octaödern,  sublimirt  und  als  Weissspiessglanzerz, 
Antimonblüthe  in  rhombischen  Säulen,  das  Arsenigsäureanhydrid  sublimirt  nur  in 
regulären  Octaödern,  durch  unbeabsichtigte,  der  natürlichen  ähnliche  Bildung  in 
einem  Hochofen  der  Halsbrückener  Hütte  bei  Freiberg  in  rhombischen  Tafeln  vor. 

Ein  Fall  von  Trimorphie  ist  bei  dem  Nickelsulfat  bekannt.  Dasselbe 
kryBtallisirt : 

mit  7  H20  unter  15°  in  rhombischen  Säulen, 

mit  6  HjO  über  15°  in  quadratischen  Octaßdern, 

mitunter  über  30°  in  monoklinischen  Formen. 

Die  Mehrgestaltigkeit ,  im  Allgemeinen  mit  Polymorphie  oder  Hetero- 
morphie  bezeichnet,  beruht  auf  verschiedener  Moleknlarstructur  der  gleichen 
Stoffe  und  ist  ähnlich  wie  zwischen  dem  amorphen  und  krystallinischen  Zustande 
derselben  mit  abweichendem  specifisehen  Gewichte  uud  ungleichem  Leitungsver- 
mögen für  Wärme,  Licht  und  Elektricitat  verknüpft.  Einwirkung  verschiedener 
Grade  von  Licht  und  Würme  bedingen,  wie  wir  sahen,  bestimmte  Bildungsforinen 
und  vermögen  auch  die  eine  Form  in  die  andere  überzuführen.  Durch  Erwiirmen 
zerfallen  die  monokliuischon  Krystalle  des  Schwefels  in  RhombenoctaPder,  die  rhom- 
bischen Säulen  des  Aragon its  in  dem  Kalkspathe  ähnliche  Rhomboeder,  die  gelben 
monoklinischen  Krystalle  des  Quecksilber jodids  in  rothe  quadratische  Octaöder. 
Was  bei  schnellem  Erwärmen  plötzlich,  erfolgt  allrafllig  meist  ebenso  durch  frei- 
willige Wärmeaufnahme.  Die  rhombisehon  Säulen  des  Nickelsulfat  zerfallen  im 
Lichte  in  quadratische  Octaeder.  Gänge. 

DinitrOCellulOSe,  vergl.  Collodium,  Bd.  III,  pag.  214,  und  Nitrocellu- 
lose. 

Dinitronaphtol,  *.  Martiusgeib. 

Dinkel,  Dinkelweizen,  auch  Spelt  oder  Spelz  genannt,  Tritte  um 
Spelta  L.,  ist  eine  vorzüglich  in  Süddeutschland  und  in  der  Schweiz  als  Sommer- 
und  Winterfrucht  gebaute  Weizenart,  deren  reife  Kürner  von  den  Spelzen  um- 
hüllt bleiben,  daher  von  denselben  in  besonderen  Mühlen  befreit  werden  müssen. 
Die  Halme  werden  in  Italien  zu  Strohhüten  verarbeitet. 

DinnefOrt'S  Fluid  Magnesia,  eine  englische  Specialitilt.  ist  eine  concentrirte 
Aqua  Magnesia?  carboniene. 

DiOeCia  doppelt  und  oi/.o:.  Haus),  Name  der  XXII.  Classe  des  Li xxk  sehen 
Pflanzensystems.  Die  Pflanzen  dieser  Classe  besitzen  getrenntgeschlechtige  I  dielinlsehe) 
Blüthen,  bei  welchen  männliche  und  weibliche  Blllthen  auf  verschiedene  Individuen 
vertheilt  sind ,   so  dass  letztere  selbst  als  männliche  und  weibliche  unterschieden 


Digitized  by  Google 


b02 


DIOECIA.  —  DIOSCOKEACEAE. 


werden,  im  Gegensatz  zu  den  einhäusigen  (monöcischen)  bei  denen  beiderlei  BKtthen 
auf  demselben  Individuum  auftreten. 

Die  Classe  JJioecia  zerfällt  nach  Zahl ,  Stellung  und  Bau  der  Staubgefässe 
wieder  in  14  Ordnungen:  Monandria,  Diandria,  Triandria,  Tetrandria,  Pent- 
andria, Hexandria,  Octandria,  Enneandria,  Decandria,  Dodecandria  (11  bis 
20  Staubgefässe),  Icosandria  (20  und  mehr  dem  Reiche  eingefügte  Staubgefässe), 
Polyandria  (20  und  mehr  der  Blflthenachse  eingefügte  Staubgefässe),  Mona- 
delphia  (Staubfäden  verwachsen)  Syngenesia  (Staubbeutel  verwachsen). 

Dioecia  ist  bei  Lijtne  ferner  der  Name  einer  Ordnung  der  Classe  Poly- 
gamia  (XXIII).  Sydow. 

DiOOll,  Gattung  der  Cycadeen-F&aaUe  Zamieae,  mit  einer  einzigen  in  Mexico 
heimischen  Art :  Dioon  edule  Lindl.  Die  wallnussgrossen  Samen  werden  gegessen 
und  dienen  zur  Bereitung  von  Mehl  und  Stärke. 

Dioptrie.  Eine  Methode  der  numerisch  genauen  Bestimmung  des  Vermögens 
einer  Brille,  Lichtstrahlen  zu  sammeln  oder  sie  zu  zerstreuen,  würde  bereits  Bd.  II, 
pag.  386,  besprochen.  Wie  dort  angegeben,  ist  die  Brenn  weite  der  Brillengläser 
das  Maass  für  die  Stärke  der  Brille;  als  Einheit  gilt  nach  dieser  Bezeichnung 
eine  Linse,  deren  Brennweite  1  Zoll  beträgt;  je  grosser  die  Brennweite  eines 
Brillenglases,  desto  höher  die  Nummer  der  Brille  und  desto  geringer  ihre  Wirkung. 
In  neuerer  Zeit  wurde  ein  anderes  System  für  die  Numerirung  der  Brillen  ziem- 
lich allgemein  adoptirt.  Die  Stärke  der  Brille  wird  nicht  nach  der  Brennweite 
ihrer  Gläser,  sondern  nach  ihrer  B  rech  kraft  gemessen.  Die  Brechkraft  einer 
Linse,  deren  Brennweite  1  m  beträgt,  wurde  als  Einheit  für  die  Brechkraft  fest- 
gesetzt und  als  Dioptrie  bezeichnet.  Brennweite  und  Brechkraft  stehen  zu  ein- 
ander in  einem  umgekehrten  Verhältnisse ,  je  grösser  die  Brennweite,  desto  kleiner 
die  Brechkraft.  Eine  Brille  Nr,  2  ist  eine  solche  von  2  Dioptrien  (=2  D),  d.  h. 
von  der  doppelten  Brechkraft,  wie  die  Normalbrille,  die  Brennweite  ihrer  Gläser 
beträgt  0.5  m.  Eine  Brille  Nr.  10  oder  eine  solche  von  10  D  hat  Gläser  von  der 
Brennweite  0.10  m.  Eine  halbe  Dioptrie  (—  0.5  D)  entspricht  einer  Brennweite  von 
2  m.  Je  höher  also  die  Nummer  der  Brille,  desto  stärker  ist  sie.  Mit  Ausnahme 
des  Umstandes,  dass  dieser  neuen  Bezeichnung  das  metrische  Maass  zu  Grunde 
gelegt  ist ,  hat  das  System  vor  dem  älteren  nichts  besonderes  voraus.  Da  man 
aus  der  Anzahl  der  Dioptrien  leicht  die  Brennweite  in  Centimeter  ausrechnen  kann, 
so  hat  man  nur  die  Anzahl  dieser  Centimeter  in  Zolle  umzuwandeln  um  die 
Nummer  zu  finden,  welche  der  Brille  nach  der  älteren  Bezeichnungsweise  zu- 
kommen würde.  Noch  einfacher  erhält  man  das  Resultat,  wenn  man  37  (Im  hat 
nahezu  37  Zoll)  durch  die  Anzahl  der  Dioptrien  dividirt.  Eine  Brille  von  5  Dioptrien 
ist  also  37:5  =  1-  6  nach  alter  Ausdrucksweise. 

DiOrrexin,  ein  aus  Pikrinsäure,  Schwefel,  Kalium-  und  Natriumnitrat,  Säge- 
spänen und  Holzkohle  bestehendes  Sprengmittel. 

DiOSCOrea,  Gattuug  der  nach  ihr  benannten  Familie.  Etwa  1G0  Arten,  welche 
meist  in  den  Tropen  Asiens  und  Amerikas,  einige  auch  in  Neuholland  und  Afrika 
vorkommen.  D  sativa  L.   und  1>.  alata  L.  werden   durch  die  ganzen  Tropen 
cultivirt.  Die  bis  zu  20  k  schweren  Knollen  dienen  als  Yamswurzeln  ihres  Stärke 
gehaltes  wegen  als  Nahrung. 

Die  frischen  Knollen  wirken  betäubend  und  schmecken  bitter.  Durch  Einweichen 
in  Wasser  und  Kochen  werden  sie  essbar. 

Die  Ignamen-  oder  Dioscoreenstärke  bildet  ein  sehr  weisses  feines  Pulver  aus 
eiförmigen  abgeflachten  Körnern  bestehend.  Dieselben  sind  am  spitzen  Ende  keil- 
förmig und  haben  dort  einen  Kern.  —  S.  Arrowroot,  Bd.  I,  pag.  579. 

Prollius. 

D'lOSCOreaceae,  Familie  der  Lih\  'floiae.  Meist  krautartige,  perennirende 
Pflanzen ,  seltener  Halbstrflucher  oder  Sträucher ,   mit  windendem   Stengel  und 

Digitized  by  Google 


DIOSCOREACEAE.  -  DIOX1NDOL. 


503 


knolligem  Wurzelstocke ,  fast  sämmtlich  den  tropischen  Gegenden  eigentümlich, 
in  Deutschland  nur  eine  Art  (Tamm).  Charakter:  Blüthen  in  Aehren  oder  Trauben, 
klein,  2 hänsig.  Perigon  6spaltig.  (5  Blüthen  mit  6  Staubgefäaaen ,  deren  Antheren 
einwärts  aufspringen,  Q  mit  3  Griffeln.  Fruchtknoten  3fächerig,  1— 2eiig,  unter- 
Htiindig.  Frucht  eine  geflügelte  Kapsel  oder  Beere.  Sydow. 

DiOSITia,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Rutaceae,  in  neuerer 
Zeit  theils  zu  Barosma  (s.  Bd.  II,  pag.  153),  theils  zu  Empleurum  (s.d.) 
gezählt. 

Dl'OSmeae,  Gruppe  der  Rutaceae.  Kleine  Bäume  oder  Sträucher,  seltener 
perenirende  Kräuter ,  die  grösstenteils  im  aussertropischen  Afrika  und  in  Neu- 
holland einheimisch  sind.  8ie  unterscheiden  sich  von  den  verwandten  Gruppen 
hauptsächlich  durch  den  Bau  der  Frucht,  von  den  Ruteae  durch  das  meist  elastisch 
vom  Epicarp  abspringende  Endocarp,  von  den  Aurantieae  durch  die  Kapselfrucht. 

S  y  d  o  w. 

Diosmin,  ein  aus  den  Bnccoblättern  isolirter,  nicht  näher  charakterisirter  Stoff. 
Diosmose.  s.  Endosmose. 

Diospyrinae  ,  Abtheilung  der  Sympetalae,  zu  welcher  die  Sapotaceae,  Ehe- 
naceae  und  Styracaceae  gehören,  sämmtlich  Holzpflanzen.  Blüthen  regelmässig. 
8taubgefässe  von  sehr  verschiedener  Anzahl ,  zuweilen  zahlreich ,  in  2  Kreisen. 
Kelchstaubgefässe  nicht  selten  fruchtbar.  Ovar  gefächert.  Sydow. 

DiOSpyPOS,  Gattung  der  Ebenacenp  mit  ineist  tropischen  Arten.  Es  sind  Holz- 
gewächse mit  alternirenden  Blättern,  in  deren  Achseln  die  meist  diöcischen  Blüthen 
sitzen.  Kelch  und  Krone  sind  behaart,  oft  4  bis  dspaltig.  In  der  (5  Blüthe  sind 
4  oder  zahlreiche  Staubgefässe.  in  der  Q  neben  einer  geringeren  Zahl  von  Stami- 
nodien  ein  4fächeriger,  oft  wieder  untergetheilter  Fruchtknoten,  welcher  sich  zu 
einer  kugeligen  oder  eiförmigen  Beere  entwickelt. 

Diospyros  Lotus  L.,  Dattelpflaume,  die  einzige  auch  im  südlichen 
Europa  vorkommende  Art,  besitzt  kirschgrosse,  bläulich-schwarze  Beeren,  welche 
gegessen  und  zur  Branntweinbereitung  verwendet  werden.  Schon  Plinius  gedenkt 
ihrer  als  Fabae  graecae.  Das  Holz  war  einst  als  Lignum  Guajacan  s.  Guajaci 
patatn'ni  in  arzneilicher  Verwendung. 

In  den  Vereinigten  Staaten  sind  die  unreifen  Früchte  von  Diospyros  virginiana 
L.y  Persimmon,  Plaqueminier,  ofticinell,  und  man  benützt  sie  als  Adstringens  und 
Amarnm  in  Gaben  von  15 — 60  g. 

Dieselbe  Verwendung  finden  in  Ostindien  die  Beeren  von  D.  Embryopteris  Pers. 

Wichtiger  als  die  bisher  genannten  sind  die  im  Tropeugürtel  verbreiteten  Arten, 
welche  das  echte  Ebenholz  liefern.    Als  solche  werden  genannt. 

In  Ostindien:  Diospyros  Ebenuni  Retz. ,  D.  Ebenaster  Reiz.,  D.  Me- 
lanoxylon  Rxb  ,  D  Royiii  Wall. ,  D.  tomentosa  Rxb. ,  D.  glutinosa  Koen., 
D.  lan-ceolata  Rxb.,  D.  Mnbolo  Rxb.,  D.  silvatica  Rxb.,  D.  kirsuta  L.  ßl. 

In  Hinterindien  und  auf  den  ostasiatischen  Inseln:  Diospyros  nigra 
DC,  D.  lobata  Lour..  D.  decandra  Lour.,  D.  mahibarica  Koen.,  D.  Kaki  L.fil. 

Auf  den  ostafrikanischen  Inseln:  Diospyros  Mtlanida  Poir.,  D.Tesse- 
laria  Poir.,  D.  Uu  com  eins  Poir.,  D.  Sapota  Rxb.,  D.  Ebenum  Retz.,  D.  Kaki 
L.,  D.  Mabolo  Rxb.,  D.  exculpta  Hamilt. 

In  Westafrika:  Diospyros  Ebenum  Retz. 

Im  tropischen  Amerika:  Diospyros  Mabolo  Rxb.,  T).  obnvata. 

Dioxindol,  cH  h7no„  ist  ein  Derivat  des  Isatins  und  wird  aus  demselben 
erhalten  durch  Kochen  einer  mit  etwas  Salzsäure  versetzten  wässerigen  Lßsung 
desselben  mit  Zinkstaub  und  Ausziehen  de«  gebildeten  Dioxindol»  mit  Acther.  Das 
Dioxindol  ist  eine  Säure  und  wird  auch  H  y  d  r  i  n  d  i  n  s  ä  ur  e  genannt.  Es  krystallisirt 
in  grossen  rhombischen  Prismen  ans  Alkohol  farblos,  aus  Wasser  gelblich ;  löslich 


Digitized  by  Google 


504 


DIOXIKDOL.  —  DIPHTHEIUTIS. 


in  Wasser  und  Alkohol.  Schmilzt  bei  180°  zur  violetten  Flüssigkeit  und  zersetzt 
sich  bei  195°  unter  Bildung  von  Anilin.  Die  wässerige  Lösung  geht  beim  Stehe« 
an  der  Luft  wieder  in  Isatin  über.  Es  verbindet  sich  mit  1  At.  Metall  zu  wobl- 
charakterisirten  Salzen ,  geht  aber  auch  mit  S&uren  Verbindungen  ein.  Die  alko- 
holische Lösung  wird  durch  Ammoniak  violett  gefärbt  und  gibt  beim  Rochen  einen 
violetten,  in  Salzsäure  löslichen  Niederschlag.  Ganswind  t. 

Dioxybernsteinsäure  =  Weinsäure,  s.d. 

Diphenylamitl.  C1SH,,N,  wird  im  Grossen  durch  Erhitzen  von  salzsaurem 
Anilin  mit  Anilin  auf  circa  230°  dargestellt.  Die  Operation  wird  in  Autoclaven 
vorgenommen,  deren  Ventil  man  von  Zeit  zu  Zeit  ein  wenig  öffnet,  um  das  frei- 
gewordene Ammoniak  entweichen  zu  lassen.  Die  Reaction  vollzieht  sich  nach 
der  Gleichung: 

CG  H,,  .  NH2 .  H  Cl  +  Cfl  H6  .  NH2  =  C6  H*   N  .  HCl  +  NH3 

 '  H  I 

Anilinchlorhydrat         Anilin         .  ,  . 

Diphenylaminchlorhydrat. 

Man  verdünnt  sodann  mit  Wasser,  wobei  sich  das  Diphenylaminchlorhydrat  in 
freies  Diphenylamin  und  Salzsaure  zerlegt,  bebt  das  Diphenylamin  ab  und  reinigt 
es  durch  Destillation. 

Das  Diphenylamin  bildet  in  reinem  Zustande  farblose  Krystalle,  welche 
in  Wasser  unlöslich,  in  Alkohol  und  Aethcr  leicht  löslich  sind.  Es  schmilzt  bei 
54°  und  siedet  bei  310°. 

Das  Diphenylamin  ist  eine  secundäre  Base,  die  sich  mit  Säuren  zu  losen  Ver- 
bindungen vereinigt.  Es  ist  sehr  reactionsfähig  und  findet  in  der  Farbenfabrikation 
Anwendung  zur  Herstellung  eines  sehr  reinen  Anilinblau,  des  Diphenylaniin- 
blau  (s.  Anilinblau). 

Seine  Nitroproductc,  insbesondere  das  Tetra-  und  Hexanitroproduct  sind  schöne 
gelbe  bis  orangegelbe  Farbstoffe,  welche  aber  technisch  nicht  verwendet  werden 
(b.  A  n  r  a  n  t  i  a).  Schmilzt  man  Diphenylamin  mit  Schwefel .  so  entsteht  Thiodi- 
phenylamin  ,  welches  als  die  Muttersubstanz  des  Methylenblau  (s.d.)  anzu- 
sehen ist. 

Die  Lösung  von  Diphenylamin  in  Schwefelsäure  ist  eiu  sehr  empfindliches 
Reagens  auf  Salpc  ter säure  und  andere  oxydirende  Substanzen,  wie  salpetrige 
Saure,  Chlorsäure,  unterchlorige  SiSure,  Chromsäure,  Eisenoxydsalze  etc.  Man  über- 
giesst  10  mg  Diphenylamin  mit  einer  geringen  Menge  concentrirter  Schwefelsäure, 
fügt  Wasser  bis  zur  Lösung  hinzu  und  verdünnt  mit  Schwefelsäure  auf  lOOecm. 
Von  dieser  Lösung  bringt  man  circa  0.5  cem  in  ein  kleines  Porzellanschälchen 
und  lässt  einen  Tropfen  der  auf  Salpetersäure  zu  prüfenden  Lösung  hineinfallen. 
An  der  Berührungsstelle  der  Flüssigkeiten  bildet  sich  ein  Ring  von  prächtig  blauer 
Farbe.  Diese  Reaction  kann  natürlich  auch  umgekehrt  zum  Nachweise  von  Diphenyl- 
amin dienen  (Kopp,  Laar).  Benedikt. 

Diphenylaminblau,  s.  a  n  i  1  i  n  b  I  a  u. 

Diphenylrosanilin,  8.  Phenyi violett. 

DiphtheriÜS  (Sictfspx,  Haut,  Membran)  nennt  man  eine  Erkrankung,  durch 
welche  ein  gerinnbares  Exsudat  zwischen  den  Gewebsbestandtheilen  der  Schleimhaut 
und  auf  der  Oberfläche  der  Schleimhaut  entsteht.  Solche  diphtherische  Membranen 
lassen  sich  demzufolge  von  ihrer  Unterlage  nicht  abziehen  oder  wegwischen.  Nach 
einigem  Bestände  zerfallen  diese  Membranen  unter  gleichzeitigem  brandigen  Zer- 
fall der  erkrankten  Schleimhaut.  Beim  Croup  ist  die  ausgeschwitzte  Membran  von 
der  Schleimhaut  abhebbar;  doch  ist  die  Grenze  zwischen  Croup  und  Diphtberitis 
nicht  immer  scharf  zu  bestimmen.  Fast  jede  Schleimhaut  des  Körpers  kann  diph- 
therisch erkranken.  Am  häufigsten  beobachtete  man  in  den  letzten  Jahrzehnten  die 


Digitized  by  Google 


DIPHTHERITIS.  —  DIPSACUS.  505 

Rachendiphtheritis,  namentlich  bei  Kindern.  Die  Betheiligung  zahlreicher  Lymph- 
drüsen und  die  schwere  Alteration  des  Allgemeinbefindens  beweisen,  dass  die 
Rachendiphtheritis  eine  Allgemein erkrankung  des  Organismus  und  nicht  blos  ein 
locales  Leiden  vorstellt.  Höchst  wahrscheinlich  ist  ein  Mikroorganismus  die  Ursache 
der  Erkrankung ;  doch  ist  es  trotz  zahlreicher  und  eifriger  Bemühungen  noch  nicht 
gelungen ,  den  krankmachenden  Pilz  mit  Sicherheit  zu  bestimmen ,  was  umso  be- 
greiflicher ist,  als  der  Mund  auch  im  normalen  Zustande  zahlreiche  Bacillen  und 
Coccen  beherbergt. 

Dipikrylamin,  NH<£«  [js  j^1,  ist  Dipheuylamin,  in  dessen  beiden  Pbenyl- 

gruppen  je  3  At.  H  durch  3  At.  NO,  substituirt  sind.  Man  erhalt  es  nach  Mertens 
(Ber.  d.  d.  ehem.  Gesellsch.  Bd.  11,  pag.  845)  durch  Lösen  von  Diphenylaroin  in 
concentrirter  Schwefelsflure  und  Eingießen  dieser  Lösung  in  rauchende  Salpeter- 
säure. Hellgelbe  Prismen  fast  unlöslich  in  Wasser  und  Aether.  Verhalt  sich  wie 
eine  Saure;  die  Salze  finden  als  orange  Farbstoffe  Verwendung.     Ganswind t. 

Diplom  (oV^Xdo;,  doppelt,  zweifach  zusammengelegt).  Das  Wort  wird  gegen- 
wartig für  eine  beschrankte  Anzahl  von  Urkunden  gebraucht,  so  für  Adelsbriefet 
für  Urkunden  über  die  Ertheilung  akademischer  Würden  und  Aufnahme  in  ge- 
lehrte Gesellschaften.  Bei  den  Römern  bedeutete  es  ein  aus  zwei  Blattern  zu- 
sammengelegtes ,  von  den  Kaisern  selbst  oder  von  höheren  Staatsbeamten  ausge- 
fertigtes Schreiben ,  durch  welches  einzelnen  Personen  gewisse  Vorrechte  oder 
Vortheile  zuertheilt  wurden. 

Diplopie,  Doppeltsehen.  Ein  Gegenstand  erzeugt  auf  der  Netzhaut  eines  jeden 
Auges  ein  Bild.  Wenn  diese  Bilder  auf  identische  Stellen  der  Netzhaut  fallen,  so 
sind  wir  im  Stande,  beide  Bilder  zu  einem  Gesammteindrucke  zu  verschmelzen; 
im  entgegengesetzten  Falle  erhalten  wir  Doppelbilder.  Wenn  wir  einen  Punkt  mit 
beiden  Augen  fixiren ,  so  sehen  wir  vor  und  hinter  ihm  liegende  Gegenstande 
doppelt.  Man  fixire  die  Spitze  eines  in  der  rechten  Hand  gehaltenen  Bleistiftes 
und  bringe  den  linkeu  Zeigefinger  das  eine  Mal  vor,  das  andere  Mal  hinter  den 
Bleistift.  ('S.  auch  Horopter.;  Die  Doppelbilder  sind  gleichnamig,  wenn 
das  Bild  auf  derselben  Seite  liegt,  wie  das  Auge,  dem  es  angehört;  sie  sind  ge- 
kreuzt, wenn  das  Bild  des  rechten  Auges  links  und  dasjenige  des  linken  Auges 
rechts  liegt.  Beim  Sehen  mit  einem  Auge  entstehen  in  manchen  Fallen  von  einem 
Gegenstände  mehrere  Bilder:  so  wird  die  Mondsichel  von  Vielen  mehrfach  gesehen. 
Man  nennt  diese  Erscheinung  DipUrpia  oder  Polyopia  monocularis ;  sie  beruht 
auf  Unregelmässigkeiten  in  der  Krümmung  der  Augenlinse. 

Dippel  S  Oel  ist  Oleum  animale  aethereum. 

Dipsacaceae,  eine  Familie  der  Aggregate?.  Meist  einjährige  oder  perennirende 
krautartige  Pflanzen,  seltener  Sträucher,  durch  ganz  Europa,  Asien  und  Afrika 
zerstreut.  Durch  die  Form  ihres  Blüthenstandes  criunern  die  bipmeueeen  sehr 
an  die  Gompwtitrn,  denen  sie  auch  in  systematischer  Beziehung  nahe  stehen.  — 
Charakter:  Blätter  ohne  Nebenblätter.  Bltlthcu  in  A ehren  oder  Köpfchen,  auf  einem 
nackten  oder  mit  Spreublättehen  besetzten  Blüthenboden  stehend.  Tragblatter  der 
unteren  Bliithen  eine  Hülle  bildend.  Unterste  Hüllblätter  öfter  ohne  Blüthen  in 
ihren  Achseln.  Blüthen  zwitterig,  mit  einer  kelchartigeu  Hülle  versehen.  Eigent- 
licher Kelch  öfter  mit  borsteuförmigen  Abschnitten.  Krone  unregelmässig,  öspaltig, 
fast  2Iippig,  seltener  durch  Verschmelzung  der  beiden  oberen  Abschnitte  4 spaltig. 
Staubgefässe  4  das  5.  fehlschlagend).  Fruchkuoten  unterständig,  lfacherig  und 
einsamig.  Sydow. 

DipsaCUS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie.  Borstige  oder  stachelige 
Kräuter  mit  kugeligen  Blüthenköpfen ,  deren  Hüllkelch  vielblätterig  stachel- 
ppitzig  ist. 


Digitized  by  Google 


506  DIPSACUS.  -  DJPTEROCARPUS. 

Dips  actis  Fu  l  Ion  um  MM.,  Weberkarde,  Kardendistel,  ist  durch 
die  starken,  zurückgekrümmten  Deckblätter  ausgezeichnet.  Die  getrockneten  ßlüthen- 
köpfe  werden  deshalb  in  der  Tuchfabrikation  zum  Rauhen  des  Lodens  allgemein 
benützt,  und  die  Pflanze,  deren  Heimat  das  südliche  Europa  ist,  wird  im  Grossen 
angebaut.  Als  Arzneipflanze  ist  sie  obsolet. 

Dipsomanie  (ou^a,  Durst)  ist  periodisch  auftretende  Trunksucht. 

Diptam   ist  Dictamnus  albus  L. 

Dipteren  sind  Insecten  mit  zwei  glasartigen  Flügeln ,  welche  radiär  geädert 
sind,  und  mit  zwei  zu  Schwingkölbchen  verkümmerten  Hinterflügeln;  ihre  Mund- 
theile  sind  saugend.  Sie  haben  eine  vollständige  Verwandlung ;  ihre  Larven  heissen 
Maden.  Von  den  21000  Species  gehören  8000  zn  den  Fliegen  (Muscida). 

DipteHx,  von  Schrebkr  aufgestellte,  jetzt  gewöhnlich  zu  Goumerouna  Aubl. 
gezogene  Gattung  der  Papilionaceae.  Bäume  des  tropischen  Amerika.  Mit  gegen- 
ständigen, paarig  oder  unpaarig  gefiederten  Blättern,  die  Blüthen  in  endständigen 
Rispen,  die  beiden  oberen  Kelchzähne  gross,  flügeiförmig,  die  drei  unteren  zu  einer 
kleinen  Lippe  verwachsen,  Fahne  und  FKlgel  ausgerandet  zweispaltig.  Staub- 
gefässe  monadelphisch.  Hülse  zusammengedrückt,  steinfruchtartig,  mit  holzigem 
Endocarp. 

Dipterix  odorata  Willd.,  in  Guyana,  Venezuela  (Angostura)  und  Brasilien  (Para) 
liefert  die  „holländischen  Tonkabohnen". 

Dipterix  oppositifolia  Willd.  liefert  die  aus  Cayenne  und  Brasilien  kommenden 
kleineren  und  weniger  geschätzten  „englischen  Tonkabohnen". 

Dipterix  Pteropus  Mart.  in  Brasilien  hat  ebenfalls  wohlriechende  Samen,  die 
aber  nicht  auf  den  europäischen  Markt  gelangen.  Hart  wich. 

DipterOCarpaCeae,  Familie  der  Cistiftorae,  fast  säramtlich  der  Flora  Ost- 
indiens angehörig,  einige  wenige  im  tropischen  Afrika.  Es  sind  meist  hohe 
Bäume ,  seltener  kletternde  Sträucher ,  die  reichlich  balsamisch  -  harzige  Säfte 
und  ätherische  oder  fette  Oele  führen.  Charakter:  Blüthen  in  achselständigen 
Trauben.  Kelch  röhrig  oder  glockenförmig,  5theilig,  bleibend,  zuletzt  die  Frucht 
umschlicssend.  Krone  öblätterig.  Staubgefässe  in  mehreren  Kreisen,  zahlreich, 
frei  oder  nur  etwas  verwachsen.  Griffel  1.  Fruchtknoten  gewöhnlieh  3fächerig, 
einsamig.  Sydow. 

DipterOCarpilS,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie.  Hohe  Baume  des 
tropischen  Asien  mit  ganzrandigen  oder  buchtig  gekerbten  Blättern.  Nebenblätter 
sehr  gross  und  abfallend,  eine  ringförmige  Narbe  hinterlassend.  Die  Blüthen  sind 
gross  und  zu  Trauben  vereinigt.  Krone  5blätterig  mit  vielen  Staubfäden.  Von 
den  5  Kelchspalten  oder  Zähnen  wachsen  2  zu  grossen  Flügeln  aus.  Frucht- 
knoten 3fächerig.  Frucht  nicht  aufspringend. 

Von  den  etwa  25  Vertretern  der  Gattung,  welche  in  Indien  zu  den  Charakter- 
bäumen der  Wälder  gehören,  werdeu  eine  Anzahl  zur  Gewinnung  eines  Balsams 
benützt,  der  an  Stelle  des  Copaivabalsains  in  der  asiatischen  Medicin  und  vor 
Allem  als  Lackmaterial  benützt  wird. 

Dieser  „Gurjun-"  oder  „Gardschanbal  sam"  (Bd.  II,  pag.  131),  auch 
von  den  Engländern  als  „Wood-oil"  bezeichnet,  ist  wohl  in  geringerer  Menge 
in  den  meisten  Dipterocarpus- Arten  enthalten,  deren  bis  3 — 4  in  im  Umfange 
dicken  Stämme  oft  vollständig  damit  angefüllt  sind. 

Zur  Gewinnung  dienen  insbesondere  folgende  Arten : 

D.  ceylanicus  Thw-titw  auf  den  Bergen  Ceylons; 

D.  triner  ei*  Bl.,  D.  gracilis  Bl.  und  D.  retusus  Bl.  in  West-Java,  ersterer 
auch  auf  den  Philippinen : 

D.  litoralifs  BL  auf  der  stldjavaiiisehen  Küste  und  der  daran  liegenden  Insel 
Nusa  Kambangan  : 


Digitized  by  Google 


DIFfEROCARPÜS.  —  DISPERSION. 


507 


D.  incanus  Roxb.  und  D.  costatus  Roxb.  an  der  nordwestlichen  Küste  Hinter- 
indiens,  insbesondere  in  den  Wäldern  von  Pegu  und  Tschittagon.  In  letzterer 
Provinz  auch  D.  costatus  Roxb. ; 

D.  turbinatus  Gaert.  ßl.  und  D.  alatus  Roxb.  sind  ausser  im  eigentlichen 
Hinterindien  auch  auf  den  Andamaninseln ,  in  Siam,  Tenasserim,  Birma  und 
Tschittagon  einheimisch.  Eretere  Species  findet  sich  auch  noch  in  den  angrenzenden 
Theilen  Bengaleus.  Prollius. 

DtrCft,  eine  Gattung  der  Thymelaeaceae ,  charakterisirt  durch  Zwitterblüthen 
mit  hinfälligem  Perigon  und  8  ungleich  langen  Staubgefässen.  Die  Frucht  ist 
eiusamig. 

Von  Dirca  palustris  L.,  einem  kleinen  nordamerikanischen  Strauche,  benutzt 
man  die  Rinde  als  Brech-  und  Abführmittel  in  Gaben  von  0.3 — 0.4  g.  Auch  die 
übrigen  Theile  der  Pflanze  haben,  wenngleich  in  geringerem  Grade,  dieselbe 
Wirkung. 

DiSCOlTiyceteS,  eine  Familie  der  Ascomycetes.  Theils  fleischige,  weiche,  leicht 
vergängliche,  theils  leder-  bis  hornartige,  dauerhafte  Pilze.  Sie  wachsen  theils  auf 
blosser  Erde ,  theils  als  Saprophyten  auf  verwesenden  Pflanzentheilen ,  theils  als 
Parasiten  auf  lebenden  Pflanzen.  In  letzterem  Falle  bildet  sich  ein  endophytes, 
freiftdiges  Mycelium,  und  die  Fruchtkörper  entstehen  auf  der  Oberfläche  des 
Substrates,  oder  brechen  aus  derselben  hervor.  Die  Fruchtkörper  selbst  sind  sehr 
mannigfach  gestaltet.  Wir  finden  bald  gestielte,  köpf-,  keulen-  oder  hutförmige, 
bald  sitzende ,  becher- ,  kelch- ,  napf-  oder  schüsseiförmige  Träger  (Apothecien). 
Andere  stellen  kleine,  meist  schwarze  oder  braune,  gestreckte,  strichförmig  gerade 
oder  gewundene,  sich  verschiedenartig  öffnende  Behälter  dar,  welche  entweder 
ihrer  ganzen  Länge  nach  dem  Substrat  aufgewachsen  oder  theilweise  demselben 
eingesenkt  sind,  so  dass  nur  die  obere  Seite  frei  liegt.  In  noch  anderen  Fällen 
sehen  wir  grosse,  zusammengesetzte,  polsterförmige  Stromata,  welche  die  einzelnen 
Gehäuse  enthalten.  Die  Discomyceten  unterscheiden  sich  von  der  nahe  verwandten 
Familie  der  Pyrenomyceten  (Kernpilze)  hauptsächlich  durch  die  Bildung  der 
Hymeniumschicht.  Dieselbe  tritt  nicht,  wie  bei  den  Pyrenomyceten,  angiocarp  auf, 
sondern  sie  wird  auf  einem  wenigstens  zur  Fruchtreife  weit  offenen,  Scheiben-  oder 
becherförmigen  Träger  (Cupula,  Discus) ,  oder  auch  auf  der  ganzen  Oberfläche 
des  Fruchtkörpers  gebildet.  Zuweilen  bildet  das  Mycel  Sclerotien,  aus  denen  die 
Fruchtkörper  hervorwaehsen. 

Die  Discomyceten  sind  in  zahlreichen  Arten  über  die  ganze  Erde  verbreitet. 
Mehrere  der  grösseren  sind  essbar.  Eigentlich  giftige  gibt  es  nicht.  Sydow. 

DiSCUS  (Scheibe),  nennt  man  bei  den  Phanerogamen  eine  Scheiben-  oder  polster- 
artige Verbreiterung  der  Achse,  d.  h.  des  Blflthenbodens  innerhalb  der  Blüthe  selbst, 
(Citrus,  Acer).  Der  Discus  ist  entweder  hypogyn  (unterweibig)  oder  epigyn  (ober- 
weibigj.  Im  ersteren  Falle  sitzt  der  Fruchtknoten  auf  dem  Discus,  im  zweiten 
unter  demselben  (Cornus).  Der  Discns  kann  sowohl  innerhalb  (Terebinthinae), 
wie  ausserhalb  der  Staubfadeukrcise  (Aesculina?)  liegen  (intra-,  beziehungsweise 
extrastaminaler  Discus).  Für  gewöhnlich  trägt  der  Discus  Drüsen. 

Bei  einer  Abtheilung  der  Pilze,  den  Discomyceten,  die  ihre  Asci  in  einer  Schicht 
an  der  Oberfläche  tragen,  nennt  man  den  mit  dem  Hymenium  versehenen  Theil 
den  Discus.  Tschirch. 

Dispensation,  die  Abgabe  der  Arzneien  seitens  des  Apothekers  au  das  Publikum, 
s.  unter  Arzneiabgabe,  Bd.  I,  pag.  623. 

Dispersion  (dispersere ,  zerstreuen),  Farbenzerstreuung,  nennt  man 
die  durch  Brechung  bewirkte  Zerlegung  einer  Lichtart  in  ihre  nicht  weiter  zerleg- 
baren Bestandtheile.  Das  Mittel  zu  einer  solchen  Zerlegung  bietet  der  Durchgang 
des  Lichtes  durch  ein  Prisma ,  wobei  sich  ein  schmales  Bündel  ursprünglich 
paralleler  Strahlen  in  einen  divergirenden  Büschel  ausbreitet ,   welcher  auf  einem 


Digitized  by  Google 


I 

508  DISPERSION. 

entgegengehaltenen  weissen  Sehinn  ein  farbiges  Band ,  ein  8  p  e  c  t  r  u  ra  (s.  d.), 
erzeugt.  Unabhängig  von  der  Quelle,  aus  welcher  das  unzerlegte  Lieht  stammte, 
zeigen  sich  im  Spectrum  immer  nur  einige  oder  alle  der  sieben  Hauptfarben  Roth, 
Orange,  Gelb,  Grün,  Blau,  Indigoblau,  Violett  mit  den  dazwischen  liegenden 
Nuancen  und  es  wächst  die  durch  die  Brechung  hervorgerufene  Ablenkung  der 
farbigen  Strahlen  von  der  ursprünglichen  Richtung  in  derselben  Reihenfolge.  Läset 
man  durch  eine  kleine  Oeffnung  im  Aufl'angschirm  einen  Theil  dieser  Strahlen 
noch  weiter  geben  und  neuerdings  auf  ein  Prisma  treffen,  so  wird  er  durch  das- 
selbe zwar  von  seiner  Richtung  abgelenkt ,  d.  h.  gebrochen  ,  aber  nicht  weiter 
zerlegt.  Licht  von  solcher  Beschaffenheit  nennt  man  homogen  oder  elementar. 

Ursache  der  Zerstreuung  ist  die  verschiedene  Brechbarkeit  der  homogenen  Licht- 
sorten, die  sich  subjectiv  durch  ihre  Farbe,  objectiv  durch  ihre  Schwingungsdauer 
(s.  Licht)  unterscheiden ,  so  das»  dem  rothen  Lichte  die  grösste ,  dem  violetten 
die  kleinste  Schwingungsdauer  zukommt.  Im  leeren  Räume  pflanzen  sich  alle 
Strahlen  mit  gleicher  Geschwindigkeit  fort,  in  durchsichtigen  Körpern  aber  wird 
die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  durch  die  Anwesenheit  der  Körpermoleküle  ge- 
stört, und  zwar  derart,  dass  sie  für  schneller  schwingende  Strahlen,  also  für  solche 
mit  kleinerer  Schwingungsdauer,  kleiner  wird  als  für  Strahlen  mit  grösserer 
Schwingungsdauer.  Diese  Verschiedenheit  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  be- 
dingt dann  auch  eine  verschiedene  Ablenkung  der  Strahlen  vom  ursprünglichen 
Weg  (s.  Brechung,  Bd.  II,  pag.  374). 

Die  Dinerenz  der  Brechungsquotienten  einer  Substanz  für  die  äussersten  Strahlen 
des  Sonnenspectrums,  nämlich  jenen ,  welche  den  FRAUNHOFER'schen  Linien  A 
und  H  entsprechen ,  bezeichnet  man  als  totale  Dispersion  der  Substanz,  als 
partielle  hingegen  die  Differenz  der  Brechungsquotienten  für  irgend  zwei  Strahlen. 
Die  totale  Dispersion  gibt  ein  Maass  für  die  Länge  des  ganzen  Speetruma.  die 
partielle  nur  für  die  Ausdehnung  der  zwischen  den  angenommenen  Grenzstrahlen 
liegenden  Farben.  Für  ein  und  dieselbe  brechende  Substanz  bleibt  das  Verhältnis« 
der  Ausdehnung  einer  Farbe  zur  Ausdehnung  des  ganzen  Spectrums  constant,  wie 
sich  auch  die  Länge  beider  in  Folge  eiuer  Aenderung  des  brechenden  Winkels  ändern 
mag.  Für  verschiedene  Substanzen  erlangt  aber  sowohl  die  partielle  wie  die  totale  Dis- 
persion sehr  verschiedene  Wcrthe.  So  ist  letztere  beispielsweise  für  Crownglas  Nr.  U : 
0.02073,  für  Flintglas  Nr.  13 :  0.04331,  also  bei  der  zweitgenannten  Glassorte  ungefähr 
doppelt  so  gross  als  bei  der  erstgenannten,  während  die  Brechungsquotienten  ftlr 
gleiches  Licht  bei  beiden  verbilltnissmässig  wenig  von  einander  abweichen.  Diese 
Verschiedenheit  der  Dispersion  bei  ungefähr  gleichem  Brechungsquotienten  ermög- 
licht es,  durch  Combination  von  Prismen  oder  Linsen  beider  Glassorten  eine 
Brechung  des  Lichtes  ohne  Farbenzerstreuung  zu  erzielen  (s.  Achromatische 
Linsen,  Bd.  I,  pag.  64). 

In  neuester  Zeit  wies  Gladstoxe  darauf  hin,  dass  die  Länge  des  durch  eine 
brechende  Substanz  unter  sonst  gleichen  Umständen  gelieferten  Spectrums  sehr  be- 
deutend von  Beimengungen  oder  Verunreinigungen  beeinflusst  wird,  während  der 
Brechungsexponent,  der  ja  in  ausgedehntem  Maasse  zn  solcbeu  Prüfungen  heran- 
gezogen wird,  sich  hierbei  wenig  ändert.  Gladstone  bezeichnet  deshalb  das  Ver- 
hältniss  der  Länge  des  Spectruins  zur  Dichte  der  Substanz  (das  speci fische 
Dispersionsvermögen)  als  ein  sehr  empfindliches  Erkenuongsmittel  der  Rein- 
heit, durch  das  beispielsweise  bei  Alkohol  schon  eine  Beimenguug  von  1  Pro- 
cent Benzin  oder  dergleichen  mit  Leichtigkeit  entdeckt  werden  kann. 

Manche  Substanzen  brechen  Strahlen  von  grösserer  Schwingnngsdauer  stärker 
als  solche  von  kleinerer  Schwingungsdauer.  Eine  derartige  Farbenzerstreuung  be- 
zeichnet man  als  anormale  Dispersion.  Sie  kommt  bei  Lösungen  von  Körpern 
mit  lebhaften  Oberflächenfarben,  wie  z.  B.  Anilinblau,  Anilingrüu ,  Aniünviolett, 
übermangansaurem  Kali  u.  a.  vor.  Die  V ersuche  zeigten ,  dass  ein  solches  Ver- 
halten bei  jenen  Stoffen  eintritt .  die  für  gewisse  Strahlen  ein  besonders  starke« 
Absorptionsvermögen  besitzeu.    Bei  jeder  solchen   Absorption   von  Strahlen  wird 


Digitized  by  Google 


DISPERSION.  —  DISTELN. 


509 


nämlich  der  Brechungsquotient  der  benachbarten  Strahlen  von  grösserer  Schwingungs- 
dauer vergrößert ,  jener  für  Strahlen  von  kleinerer  Schwingungsdauer  verkleinert, 
und  zwar  um  so  mehr,  je  näher  ihre  Schwingungsdauer  jener  der  absorbirten 
Strahlen  kommt. 

Bei  krystallinischen  Körpern  spricht  man  auch  von  einer  Dispersion  der  Elaati- 
citäta-  und  optischen  Axen  und  versteht  darunter  die  Veränderung  ihrer  Lage  je 
nach  der  Farbe  des  zu  den  Experimenten  angewendeten  Lichtes.  Pitsch. 

Disposition,  9.  Diathese. 

Diserfieston,   mit  Ihrema  Don.  synonyme  Gattung  der  Umbelliferae. 

DiSS  ist  der  arabische  Name  von  Ampelodesmos  tenax  Lk.  (Gramineae, 
Amndineae) ,  welche  in  Nordafrika,  aber  auch  in  Italien,  Spanien,  auf  Sicilien 
und  Corsiea  vorkommt.  Das  auf  den  Blttthen  desselben  sich  bildende  Mutterkorn 
kommt  als  Ergo t  de  Diss  aus  Algier  nach  Frankreich.  Es  ist  zwei-  bis 
dreimal  länger  als  Seeale  cornutum,  schmächtiger  und  gedreht.  Lallemand 
gewann  aus  demselben  2.3  Procent  WifiGER'sches  Ergotin  und  30.6  Procent 
fettes  Gel. 

DiSSimUÜrte  Krankheiten  sind  verheimlichte  Krankheiten  im  Gegensatze 
zu  den  simulirten  oder  vorgeschützten  Krankheiten.  Durch  die  hohe  Ausbildung 
der  objectiven  Untersuchungsmethode  ist  das  Verheimlichen  einer  Krankheit  ziem- 
lieh schwer  gemacht. 

DiSSOCiatiOn.  Mit  Dissociation  bezeichnet  man  eine  durch  Wärme  herbei- 
geführte Zersetzung,  welche  dem  Streben  der  chemischeu  Kräfte  zuwiderläuft  uud 
durch  Abkühlung  oder  Wärmeentziehung  wieder  rückgängig  gemacht  wird.  Die  Zer- 
setzung einer  chemischen  Verbindung  wird  dabei  als  Wirkung  der  Wärme  be- 
trachtet, sobald  dieselbe  uuter  Wärmeabsorption  stattfindet,  als  eine  Leistung  von 
Arbeit  gegen  das  Streben  der  chemischen  Kräfte.  Dass  hier  die  Wärme  allein  die 
zersetzende  Kraft  ausübt,  geht  am  besten  daraus  hervor,  dass  die  Wirkung  nach 
dem  Erkalten  wieder  rückgängig  gemacht  wird,  worin  das  eigentliche  Kriterium  der 
Dissociationserscheinungen  zu  suchen  ist.  Beispiele  hierfür  bietet  am  besten  das 
Phosphorpentaehlorid ,  PC15,  welches  sich  beim  Erhitzen  in  Phosphortrichlorid  und 
Chlor  zerlegt,  welches  letztere  durch  seine  Farbe  deutlich  die  Zersetzung  kenn- 
zeichnet. Aehnlich  verhalten  sich  fast  säiumtliche  Verbindungen  des  Stickstoffes, 
die  aus  Ammoniak  oder  aus  Substitutionsproducten  desselben  durch  directe  Ver- 
einigung mit  anderen  Bestandteilen,  mit  Chlor-,  Brom-  oder  Jodwasserstoff,  mit 
Schwefelwasserstoff  und  mit  Kohlensäure  entstehen ;  aber  auch  eine  Menge  anderer 
Körper  zeigen  die  Erscheinung  der  Dissociation  ,  z.  B.  Schwefelsäure  in  Schwefel- 
säurcanhydrid  und  Wasser,  Chloralhydrat  in  Chloral  und  Wasser  u.  s.  w.  Die 
Erscheinungen  der  Dissociation  gestatten  eine  Erklärung  der  sogenannten  abnormen 
Dampfdichten,  d.  h.  derjenigen  Dampfdichten,  welche  sich  dem  AvoGADROsehen 
Gesetze  nicht  unterordnen ;  betrachtet  man  in  diesen  Fällen  den  Dampf  als  ein 
durch  Dissociation  entstandenes  Dampfgemisch,  so  gestattet  dieses  die  Unterordnung 
unter  das  genannte  Gesetz. 

Nicht  immer  erstreckt  sich  die  Dissociation  gleich  über  die  ganze  Masse  des 
Dampfes,  nicht  selten  verflüchtigt  sich  ein  Theil  unzersetzt  und  mischt  sich  mit 
den  Zersetzungsproducten ;  die  Zersetzung  schreitet  aber  in  solchen  FäUen  mit 
steigender  Temperatur  fort,  bis  bei  genügend  hohen  Wärmegraden  der  Dampf  nur 
noch  ein  Gemisch  der  Zersetzungsprodncte  enthält.  In  Folge  dessen  ändert  sich 
das  Volumgewicht  mit  der  Temperatur  und  wird  erst  nach  vollendeter  Zersetzung 
ein  constantes.  Gaaswindt. 

Disteln,  Cardveae,  sind  eine  Unterfamilie  der  Compositae  mit  den  Gattungen 
Carduus,  Cirsium,  Cynara,  Silybum.  Ihre  Blätter  sind  stachelig  gezähnt,  ihre 
vielblüthigen  Köpfchen  haben  einen  dachziegeligcn  Hüllkelch,  eineu  mit  borstigen 


Digitized  by  Google 


510 


DISTELN.  —  DISTOMA. 


Spreublattern  besetzten  Blüthenboden ,  durchaus  röhrige  Blüthen ,  deren  Pappus 
mehrreihig  am  Grunde  zu  einem  Ringe  verwachsen  und  abfällig  ist. 

DlStichiasiS  fäb.  doppelt  und  TTtyo;.  Reihe),  Zweiwuchs  der  Wimpern.  Dar- 
unter versteht  man  das  Hervorwachsen  einer  zweiten  Reihe  von  Wimpern  an  der 
inneren  Lefze  des  Augenlidrande«.  Wirklicher  Zweiwuchs  ist  sehr  selten  und  dann 
angeboren ;  gewöhnlich  ist  der  Zweiwuchs  nur  ein  scheinbarer ,  entstanden  durch 
krankhafte  Schwellung  und  Verbreiterung  des  Bodens,  auf  dem  die  Wimperu 
sitzen,  so  dass  sie  in  zwei  Reihen  zu  wachsen  scheinen.  —  S.  auch  Trichiasis. 

Distoma.  WUrmer  aus  der  Classe  Cotyloidea  (Napfwürmer),  Ordnung  Trema- 
toda  (Saugwürmer),  haben  eineu  Saugnapf  am  vorderen  Ende,  einen  zweiten 
ventralen  in  verschiedener  Entfernung,  doch  nie  am  Ende  des  Körpers.  Sie  sind 
Zwitter  mit  Ausnahme  des  Gynaecophorus. 

Die  aus  den  Eiern  entstandenen  Larven  wandern  zunächst  in  Molluskeu  oder 
in  Schnecken  ein:  diese  Thiere  sind  die  provisorischen  Wirthe;  in  ihnen  bilden 
sich  geschlechtslose  Formen,  welche  dann  in  definitive  Wirthe  einwandern  und  sich 
zu  echten  Distomen  umbilden.  Bei  den  Distomen  ist  also  der  Generationswechsel 
noch  complicirter  wie  bei  den  Cestoden. 

Distoma  hepatic  u  m  Rud.,  L  e  b  e  r  e  g  e  1,  ist  blattförmig,  oval,  28  mm  lang, 
12  mm  breit,  hat  die  Saugnäpfe  in 
kurzer  Entfernung  hintereinander ; 
zwischen  beiden  die  Geschlechts- 
öfTnung ;  lebt  in  den  Gallengängen, 
manchmal  auch  im  Darm,  selten 
im  Innern  der  Hohlvene  oder  in 
anderen  Venen  und  kann  dadurch 
in  verschiedene  Körpertheile  ge- 
langen; daraus  erklärt  sich  das 
Auftreten  von  Distoma  hepaticum 
in  Abscessen.  Der  Parasit  kommt 
vor  bei  Schafen ,  bei  anderen 
Wiederkäuern,  auch  beim  Pferd, 
Esel ,  Elefanten  ,  Schwein ,  Eich- 
hörnchen ,  Kaninchen ,  Känguruh, 
seltener  beim  Menscheu,  und  zwar 
besonders  im  Inundationsgebiet  der 
Narenta  in  Dalmatien.  Bei  den 
Wiederkäuern  erfolgt  die  An- 
steckung massenweise,  gewöhnlich 

-  „  ,         -  ,  IHitnna  lanetolatvm  8mal  Vergr.  Distoma  hepaticum 

auf  sumpfigen  oder  Überschwemmt  (Nach  Leukart  nndJaksch.)  *mal  vergr. 

gewesenen     Weideplätzen.  Die 

Seuche  ist  als  Leberfäule  oder  Egelseuche  bekannt;  sie  tritt  besonders 
häufig  bei  Schafen,  bei  Hasen  und  Hirschen  auf. 

Distoma  lanceolatum  Mehlis,  nur  8mm  lang  und  2mm  breit,  lebt  in 
den  engeren  Gallengängen,  ist  weniger  gefährlich ;  findet  sich  im  ungarischen  Rind- 
vieh häufig,  seltener  beim  Menschen. 

Distoma  heterophyes  v.  Siebold,  nur  1  —  1.5  mm  lang,  wird  im  Darme 
der  Einwohner  Egyptens  gefunden. 

Distoma  haemato  b  i  u  m  Bilharz  ( Gynaecophorus  haematobius,  Büharzia 
haematob.)  wurde  von  Bilharz  in  Egypten  entdeckt.  cJ  12 — 14mm  lang,  ist 
platt  und  hat  vorstehende  Bauchränder,  welche  eine  Rinne  bilden ;  Q  ist  schlanker, 
cylindrisch  und  länger,  16 — 19  mm,  und  liegt  zum  Theile  in  der  Bauchrinne  des 
CJ.  Der  Parasit  ist  iu  Egypten  so  häufig,  dass  vielleicht  nur  die  Hälfte  der  Be- 
wohner frei  von  ihm  ist;  lebt  in  der  Pfortader  und  auch  in  anderen  Unterleibs- 
venen ;  kommt  ausser  im  Menschen  auch  bei  afrikanischen  Affen  vor.  Durch  Ein- 


Fig.  80.  Fig.  81. 


Digitized  by  Google 


DISTOMA.  —  DITHIONSÄÜRE. 


511 


dringen  in  die  Harnletter  und  in  die  Blase  wird  er  besonders  gefährlich ;  auch  die 
in  Egypten  häufige  Steinkrankheit  soll  durch  in  die  Blase  gelangende  Eier  dieser 
Thiere  hervorgerufen  werden.  Ebenso  beruht  eine  am  Vorgebirge  der  guten  Hoff- 
nung und  auch  in  anderen  Gegenden  Afrikas  bei  Kindern  häufig  vorkommende 
Hämaturie  auf  der  Anwesenheit  des  Oynaecophorus,  denn  man  findet  im  entleerten 
Harn  dessen  Eier  und  Embryonen.  Die  Art  der  Infection  ist  nicht  bekannt. 

DiStorSiOn  (torqueo),  Verstauchung,  ist  eine  durch  mechanische  Gewalt 
herbeigeführte  Verletzung  in  Gelenken,  durch  welche  ihre  Bänder  gezerrt  werden. 

Ditäl'n,  C„  HaeN,  04,  auch  Echitamin  genannt,  ist  eines  der  Alkaloide  der 
Dita rinde  (cf.  Ditamin).  Die  alkalisch  gemachte  Lösung  des  alkoholischen  Rück- 
standes, aus  welchem  durch  Schütteln  mit  Aether  das  Ditamin  gewonnen  ist,  gibt 
nach  Zusatz  von  festem  Kali  und  Chloroform  Ditatn  oder  Echitamin  ab ;  die  Chloro- 
forrolösung  wird  verdunstet,  der  Rückstand  mit  concentrirter  Salzsäure  aufgenommen. 
Es  scheidet  sich  salzsaures  Echitamin  aus,  das  man  umkrystallisirt  und  mit  con- 
centrirter Kalilauge  zerlegt.  —  Dicke,  glasglänzende  Prismen  mit  4  Mol.  Krystall- 
wasser.  Ditatn  ist  eine  starke  Base,  ziemlich  leicht  löslich  in  Wasser,  noch  leichter 
in  Alkohol,  sehr  wenig  löslich  in  Benzol;  wird  aus  der  Lösung  saurer  Salze  durch 
Ammoniak  nicht  gefällt  (Unterschied  von  Ditamin).  Concentrirte  Schwefelsäure  löst 
Echitamin  intensiv  purpurroth.  Ganswind  t. 

Ditamin,  cj9h19nOj,  ist  eines  der  3  Alkaloide  der  Ditarinde.  Die  Rinde 
wird  durch  Extraction  mit  Petroleumäther  vom  Fett  befreit,  mit  Alkohol  aus- 
gekocht, die  alkoholische  Flüssigkeit  abgedampft,  der  Rückstand  mit  kohlen- 
saurem Natron  übersättigt  und  mit  Aether  ausgeschüttelt,  die  ätherische  Ditamiu- 
lösung  durch  Schütteln  mit  Essigsäure  in  essigsaures  Salz  umgewandelt,  das 
schliesslich  mit  Amnion  zerlegt  wird.  Amorphes  Pulver,  leicht  löslich  in  Alkohol, 
Aether,  Chloroform,  Benzol;  schmilzt  bei  70 — 75°.  Löst  sich  leicht  in  verdünn- 
ten Säuren  und  wird  daraus  durch  Ammoniak  in  Flocken  gefällt.  Concentrirte 
Salpetersäure  färbt  Ditamin  gelb,  später  dunkelgrün,  zuletzt  orangeroth. 

Ganswindt. 

Ditarinde  ,  Cortex  Alstoniae,  Cortex  Tabernaemontanae,  stammt 
von  Alstonia  scholarin  B.  Br.  (Apocynaceae),  einem  grossen,  in  Hinterindien, 
auf  den  Sunda  Inseln,  Molukken  und  Philippinen  heimischen  Baume.  Sie  ist  gegen 
0.6  cm  dick,  leicht,  hellfarbig,  aussen  über  dem  schwammigen  Kork  thcilweise 
noch  silberglänzende  Schüppchen  tragend,  innen  körnig.  Unter  dem  Mikroskope 
erweist  sich  der  Kork  durch  einseitig  verdickte  Steinzellen  geschichtet;  die  Mittel- 
rinde enthält  Steinzellen,  MilchsaftBchläuche  und  Krystallzellen ,  ebenso  der  Bast, 
welcher  von  meist  dreireihigen  Markstrahlen  durchzogen  ist.  Ihr  Geschmack  ist 
bitter,  schwach  aromatisch.  —  In  den  Heimatländern  gilt  die  Ditarinde  als  Fieber- 
mittel. Das  Extract  derselben,  welches  toxische  Eigenschaften  zeigt,  kam  als 
rohes  Ditatn  in  den  Handel  und  man  nahm  in  demselben  ein  Alkaloid  an.  Durch 
die  Untersuchungen  von  Jobst,  Hesse  und  Habnack  ist  das  Vorhandensein  dreier 
Alkaloide:  Ditamin,  Echitenin  und  Ditam  (gleichbedeutend  mit  Echitamin)  fest- 
gestellt, neben  noch  5  anderen  indifferenten  Stoffen :  Echikautschin ,  Echicerin, 
Echitin,  Ecbitem  und  Echiretin.    Das  Ditain  (s.  o.)  wirkt  ähnlich  wie  Curare. 

Die  Rinde  von  A.  constricta  F.  Müll.,  einer  neuholländischen  Art,  ist  der 
vorigen  sehr  ähnlich. 

L  ite  ratur:  Fl ückiger  und  Hanbnry,  Pharroacogr.  —  Hesse,  Liebig's  Ann.  Bd.  CHI. 
—  Harnack,  Arcb.  f.  eiper.  Path.  u.  Pharma kol.  Bd.  VII.  —  Vogl,  Commentar. 

J.  Moeller. 

Dithionsäure  oder  Unterschwefelsäure.  Empirische  Formel :  H2 Sa 08 ; 

SO  OH 

Struoturformel  nach  Mendelejbff:  gQa*Qjj-  Sie  wurde  1879  von  Gay-Lussac 
und  Welter  entdeckt.  Dir  Anhydrid  ist  nicht  bekannt. 


Digitized  by  Google 


512 


DITHIONSÄURE.  -  DITTMANN'S  KRAFTPULVER. 


Sie  bildet  sich  bei  der  Einwirkung;  von  feingepulvertem  Braunstein  auf  eine 
kalt  erhaltene  Lösung  von  Schwefeldioxyd  in  Wasser:  Mn  Os  +  2SOa  =  Mn 8,0,5. 
Leitet  man  in  Wasser,  worin  frisch  gefälltes  Eisenoxydhydrat  vertheilt  ist,  Schwefel- 
dioxyd, so  erhalt  man  eine  rothe  Lösung  von  Ferrisulfit,  welche  beim  Stehen  sich 
entfärbt  nnd  dann  Ferrosulfit  und  Ferrodithionat  enthält,  Fe*  (SOs)3  =  Fe  S03  + 
FeSaO0.  Untersehwefligsäure,  Dithionsäure  und  schwefligsaure  Salze  geben  in  saurer 
Lösung  mit  Uebermangansäure  ebenfalls  Unterschwefelsaure ,  aber  wohl  nur  in 
Folge  der  Einwirkung  entstandenen  Schwefeldioxyds  auf  gebildetes  Mangan- 
hyperoxyd. 

Zur  Darstellung  des  Säurehydrate«  und  der  Dithionate,  welche  übrigens  bis 
heute  ohne  praktische  Bedeutung  sind,  leitet  man  in  stets  kalt  zu  erhaltendes 
Wasser  (bei  eintretender  Erwärmung  bildet  sich  fast  nur  Sulfat),  in  welchem  fein 
gepulverter  Braunstein  durch  fortwährendes  Umrühren  aufgeacblämmt  erhalten 
wird,  mittelst  Schwefelsäure  und  Kohle  (die  gleichzeitig  entwickelten  Oxyde  des 
Kohlenstoffes  sind  unschädlich)  dargestelltes  Schwefeldioxyd.  Die  filtrirte  Lösung 
des  gebildeten  Mangandithionates  wird  bis  znr  gerade  alkalischen  Reaction  mit 
Aetzbaryt  ausgefällt.  Mit  Hilfe  der  abermals  ültrirten  Lösung  (des  Baryutnditbio- 
natea)  gelangt  man  tu  den  übrigen  unterschwefelsauren  Salzen  durch  Wechsel- 
zersetzung mit  den  äquivalenten  Mengen  der  Sulfate  jener  Metalle,  deren  Salze 
dargestellt  werden  sollen.  Zur  Darstellung  der  Dithionate  der  Alkalimetalle  kann 
man  auch  die  neutrale  Lösung  des  betreffenden  schwefligsauren  Salzes  mit  fein- 
gepulvertem Braunstein  kochen  und  durch  Krystallisation  etwa  gebildetes  Sulfat 
vom  unterschwefelsauren  Salze  trennen. 

Daa  Unterschwefelsäurehydrat  wird  erhalten,  wenn  man  die  Lösung 
des  unterschwefelsauren  Baryums  mit  der  äquivalenten  Menge  Schwefelsäure  zer- 
setzt, aus  der  geklärten  Flüssigkeit  etwa  unzersetztes  Salz  durch  eine  Kleinigkeit 
Schwefelsäure ,  einen  etwaigen  Ueberschuss  von  Schwefelsäure  aber  durch  zurück- 
gehaltene Lösung  des  Barytsalzes  entfernend,  nnd  schliesslich  die  völlig  klare  Lösung 
im  Vacuum  über  Schwefelsäure  verdunsten  lässt.  Es  gelingt  so ,  das  Säurehydrat 
in  Gestalt  eines  Syrups  vom  spec.  Gew.  1.347  zu  erhalten.  Versucht  man  die 
freie  Säure  weiter  zu  concentriren,  so  zerfällt  sie  in  Schwefelsäure  und  Schwefel- 
dioxyd ;  dieselbe  Zersetzung  erleidet  das  Säurehydrat  beim  Erwärmen  seiner  wässe- 
rigen Lösung.  An  der  Luft  bildet  sich  in  letzterer  langsam  Schwefelsäure;  rascher 
wird  die  Untersebwefelsäure  durch  Salpetersaure ,  Chlor  und  andere  Oxydations- 
mittel in  Schwefelsäure  umgewandelt.  Wasserstoff  in  statu  uascendi  reducirt  die 
Unterschwefelsäure  zu  Schwefeldioxyd. 

Die  unterschwefelsauren  Salze  (Dithiouate)  sind  sämmtlich  in  Wasser 
löslich  und  auch  in  Lösung  sehr  beständig.  Beim  Glühen  zerfallen  sie  zunächst 
in  Schwefeldioxyd  und  neutrales  Sulfat.  Dieses  Verhalten  und  die  Oxydirbarkeit 
der  freien  Unterschwefelsäure  zn  Schwefelsäure  gestatten  die  Nachweisuug  der 
Dithionsäure  und  ihre  quantitative  Bestimmung  (nach  vorheriger  Oxydation  mit 
mässig  verdünnter  Salzsäure  und  Kaliumchlorat  aus  der  Menge  des  nach  Zusatz 
von  Chlorbarynm  gebildeten  Baryumsnlfates k  Ulbricht. 

Ditolyl,  CUHU.  Ein  Kohlenwasserstoff  der  aromatischen  Reihe  von  der  allge- 
meinen Formel  Cn  Ha  n  _  u.  Es  sind  zwei  Ditolyle  bekannt,  ein  0-  und  ein  p-Ditolyl, 
beide  erhältlich  aus  dem  correspondirenden  o-  oder  p-Bromtolnol :  erstercs  eine 
bei  277 — 288°  siedende  Flüssigkeit,  letzteres  bei  121 u  schmelzende  Prismen. 

Dftten'8  aperient-toniC  Pills  enthalten  Cotoquinthen,  Nuces  vomicae,  Rha- 
barber, Aloe\  Ferrnm  sesquichloratum,  Enzianpulver  etc. 

Dittl's  Species  amaricantes  sind  ein  Gemenge  von  1  Th.  Cortex  Cinna- 

momi,  1  Th.  Ilerba  Menthae  piper.  und  2  Th.  Herba  Centaurii  min. 

Dittmann'S  Kraftpulver  ist  Gerstenmehl  mit  Dextri  n  und  Eichenrinden- 
extract.   —   Dittmann'S  Lohecur  besteht  im  Baden  in  Gerberlohe  und  im  Ein- 


Digitized  by  Googl 


DITTMANN'S  KRAFTPULVER.  —  DIURETICA. 


513 


nehmen  des  „Kraftpulvers".  —  Dittmann's  elektrische  Waschseife  ist  eine 
Natronseife ,  der  so  viel  Wasserglas  zugesetzt  ist ,  dass  die  Seife  bald  steinhart 
and  anbrauchbar  wird. 

DillUsi8,  ein  angeblich  aus  Hausenblase  und  Natriumbicarbonat  bestehendes 
(französisches)  Bierklärmittel. 

DiuretiCä  (oioupijTucö;,  den  Harn  befördernd,  von  5ioupeo|xai ,  auf  den  Harn 
wirken),  harntreibende  Mittel.  Als  solche  bezeichnet  man  eine  beträchtliche 
Anzahl  von  Medicamenten,  die  vorzugsweise  bei  hydropischen  Ansammlungen  (Wasser- 
sucht) benutzt  werden,  um  durch  Steigerung  der  Urinabsonderung  den  Körper 
von  jenen  zu  befreien.  Die  Dinretica  sind  die  wichtigsten  aller  Hy dragoga 
(s.  d.),  entfernen  aber  nicht  allein  Wasser,  sondern  auch  die  stickstoffhaltigen 
Umsatzproducte  des  Stoffwechsels,  die  sie  in  verstärktem  Maasse  zur  Ausscheidung 
bringen,  und  deren  Anhäufung  im  Organismus  sie  vorbeugen.  So  erklärt  sich  ihr 
Nutzen  nicht  allein  bei  gestörter  Nierenfunction ,  sondern  auch  bei  Gicht  und 
Lithiasis,  und  da  sie  auch  andere  im  Organismus  angehäufte  oder  abgelagerte 
Stoffe,  soweit  deren  Entfernung  durch  den  Urin  möglich  ist,  zur  Ausscheidung 
bringen,  ihr  Gebrauch  bei  chronischen  Metallvergiftungen.  Die  auf  ihren  Ge- 
brauch folgende  Verdünnung  des  Harns  kann  ausserdem  auf  bestehende  Reizungs- 
zustände  der  Harnwege  (catarrbalische  und  eiterige  Entzündung  des  Nierenbeckens 
und  der  Blase  u.  s.  w.)  günstig  influiren  und  auf  diese  Weise  palliativ  bei  Stein 
nnd  Gries  wirken ,  mitunter  auch  zur  Lösung  derartiger  Concretionen  beitragen. 

Dass  die  Wirkungsweise  der  einzelnen  Diuretica  eine  verschiedene  sei,  haben 
schon  die  Alten  erkannt,  welche  dieselben  in  zwei  Hauptabtheilungen,  Diurettca 
calida  und  JHuretica  frigida,  brachten,  die  von  Einzelnen  bis  in  die  neueste 
Zeit  festgehalten  wurden.   Erst  ganz  neuerdings  aber  ist  man  dabin  gelangt,  im 
Anschlüsse  an  die  Erweiterung  unserer  Kenntnisse  Aber  die  physiologischen  Ver- 
hältnisse der  Harnabsonderung  und  die  Function  der  Niere,  überhaupt  der  Kenntniss 
der  Wirkung  einzelner  Diuretica  näher  zu  treten  und  dabei  auch  die  Frage  positiv 
zu  beantworten,  ob  es  Mittel  gibt,  welche  auch  beim  Gesunden  eine  Vermehrung 
der  Harnabsonderung  zu  Wege  bringen.    Nachdem  Khahmer  bei  Selbstversuchen 
mit  einer  Anzahl  der  beliebtesten  Diuretica  aus  beiden  Abtheilungen  keine  Ver- 
mehrung der  täglichen  Harnmenge  erhalten  und  Buchheim  und  Megevand  zu 
demselben  Resultate  gelangt  waren,   bewies  zuerst  Münch   für  Natriumcarbonat 
am    Menschen  und  C.  Ph.  Falck  für  Kochsalz  am  gesunden  Thiere  das  Vor- 
handensein einer  derartigen  Wirkung,  und  Brunton  erhielt  an  sich  bei  Versuchen 
mit    Digitalis  eine  solche  Vermehrung  der  Diurese,  dass  die  vermehrte  Wasser- 
ausscheidung ein  erhebliches  Durstgefflhl  veranlasste.  Auf  alle  Fälle  aber  ist  die 
Wirkung  der  Diuretica  weit  prägnanter  bei  Kranken  (Wassersüchtigen^,  bei  denen 
die  Steigerung  der  Harnabsonderung  oft  so  gross  ist,  dass  sie  das  1'  8 — 3fache 
der  normalen  Urinmenge  beträgt.   Dass   der  Betrag  beim  Gesunden  geringer  ist, 
hat  nichts  Auffallendes,  da  ja  hier  die  durch  die  Nieren  fortgeführte  Wassermenge 
aus  dem  Blute  stammt,  dem  ja  nur  ein  beschränktes  Wasserquantum  entzogen  werden 
kann,    ohne  dass  es  eine  Eindickung  erfährt ,  die  überhaupt  das  Bestehen  einer 
normalen  Harnabsouderung  nicht  mehr  zulässt. 

Obschon  die  Verhältnisse  der  einzelnen  Diuretica  noch  keineswegs  völlig  er- 
schöpfend studirt  sind,  kann  man  doch  dieselben  in  zwei  Abtheilungen  zerlegen, 
je  nachdem  sie  direct  auf  die  bei  der  Harnabsonderung  betheiligten  Gewebs- 
bestandtheile  (Epithel  der  gewundenen  Harncanälchen)  wirken  oder  eine  Verän- 
rung-  der  Circulation  bedingen ,  durch  welche  die  Diurese  gesteigert  wird.  Als 
.Stoffe  der  ersten  Art,  welche  die  Secretionszellen  der  Niere  so  modificiren,  dass 
vermehrte  Wasserabscheidung  erfolgt,  sind  Harnstoff  (Abeles)  und  Coffein 
(v.  Schkokdkr)  erwiesen;  verniuthlich  wirken  in  analoger  Weise  auch  die  salini- 
schen Diuretica,  wohin  vor  Allem  die  fixen  kohlensauren  Alkalien,  besonders 
die  Bicarbonate  den  Kalium,  Natrium  und  Lithium,  und  diejenigen  pflanzensauren 

Real-Encyclopadie  der  gea.  Pbarmacie.  LH.  33 

Digitized  by  Google 


51-1 


DIURETICA. 


Salze,  welche  nach  ihrer  Resorption  in  Carbonate  Übergehen  (Tartrate ,  Aeetate, 
Citrate),  ausserdem  Chloride  nnd  niilchsaure  und  Salpetersäure  Alkalisalze  gehören. 
Kohlensaures  Natrium  bedingt  nach  Versuchen  von  Münch  zunächst  Retention  von 
WaBser  im  Organismus  und  Verminderung  der  taglichen  Harumenge ;  nach  Aufhören 
der  Zufuhr  steigt  die  Wasserausscheidung  so.  dass  mehr  abgegeben  wird  als 
ingerirt  und  in  den  ersten  Versuchstagen  zurückgehalten  wurde.  Die  Vermehrung 
der  Diurese  durch  Natriumsalpeter  und  noch  weit  mehr  durch  Coffein  findet  auch 
bei  Äusserst  niedrigem  Blutdrucke  statt,  wo  sonst  keine  oder  nur  eine  sehr 
geringe  Abscheid  ung  besteht.  Die  Filtrationsgeschwindigkeit,  welche  Weikabt 
als  Ursache  der  diuretischen  Wirkung  der  Alkaliverbindungen  ansah,  reicht  nicht 
ans,  da  die  vou  Weikart  aufgestellte  Reihe  solcher  Verbindungen  nach  ihrer 
Filtrationsgeschwindigkeit  (Natriumcarbonat ,  Chlorkalium,  Natriumsulfat,  Kalium- 
nitrat, Chlornatrium  und  Natriumphosphat)  keineswegs  der  Reihenfolge  der 
diuretischen  Wirksamkeit  dieser  Mittel  entspricht.  Dagegen  lässt  sich  nicht  in  Abrede 
stellen,  dass  bei  gewissen  Nierenleiden  die  Wiederherstellung  grösserer  Harnmengen 
damit  im  Zusammenhange  steht,  dass  der  Harnentleerung  im  Wege  stehende  Wider- 
stände in  den  Harncanälchen  (Faserstoffcylinder,  Schleim)  durch  die  stärkere  Secre- 
tion  weggeschafft  werden.  Bei  den  Kalisalzen  ist  übrigens  die  Wirkung  auf  Herz 
und  Blutdruck  ein  nicht  zu  unterschätzender  Umstand ;  dasselbe  gilt  von  den  als 
Diureticum  viel  gebrauchten  alkalischen  Säuerlingen  und  alkalisch-muriatischen 
Wässern,  bei  denen  die  eingeführte  Wassermenge  durch  Verstärkung  des  Blut- 
druckes die  Action  steigert.  Der  Gehalt  an  Alkalisalzen  und  die  Wassermengen 
bei  der  Anwendung  in  Tisanenform  sind  übrigens  auch  die  einzigen  oder  doch 
wesentlichsten  Factoren  der  gesteigerten  Diurese  bei  Anwendung  einzelner  vege- 
tabilischer, der  Volksmedicin  angehöriger  Mittel,  wie  Arenaria  rubra,  Statte*' 
Armeria,  Carex  arenaria,  Bardana f  Parietaria,  Linaria,  Linum,  Heiichrysum 
arenarium,  Panicum,  Juncus,  Stigmata  Maydü,  Asparagus,  und  anderer  als 
THuretica  emollientia  zusammengefasster  Medicamente.  Das  Gleiche  gilt  von  der 
neuerdings  mit  Recht  bei  Wassersucht  dringeud  empfohlenen  Milch.  Mit  der  Wirkung 
der  pflanzensauren  Alkalien  harmonirt  der  diuretische  Effect  der  an  citronen- 
saurem  Kalium  und  Calcium  reichen  Citronen  und  des  Presssaftes  der  Johannis- 
beeren, neben  welchem  auch  andere  Presssäfte ,  z.  B.  von  Wassermelonen, 
Mohrrüben,  sowie  die  der  zu  Frllhlingscuren  angewendeten  Kräuter  aus  gleichem 
Grunde  diuretisch  wirken.  Ob  die  auch  als  solche  bei  Wassersucht  verwendeten 
organischen  Säuren  (Weinsäure,  Milchsäure)  noch  durch  eine  steigernde  Wirkung 
auf  den  Blutdruck  die  Diurese  fördern,  steht  dahin;  gewiss  ist,  dass  nach  dem 
Genüsse  kohlensäurehaltigen  Wassers  die  Harnmenge  in  den  ersten  Stunden  weit 
reichlicher  ist,  als  nach  der  gleichen  Menge  gleich  temperirten  gewöhnlichen  Wassers. 

Die  auf  die  Circulation  wirkenden  Diuretica  weichen  auch  darin  unter  einander 
ab,  dass  ihr  Einfluss  entweder  auf  den  Kreislauf  im  Allgemeinen  oder  auf  die 
Circulation  in  die  Nieren  sich  richtet.  Das  erstere  ist  der  Fall  bei  den  soge- 
nannten Diuretica  dynamica,  zu  welchen  die  beiden  gepriesensten  harntreibenden 
Mittel,  die  Scilla  und  die  JJigitali«  gehören,  welche  durch  Erregung  kräftigerer 
Contractionen  des  Herzmuskels  und  gleichzeitig  auch  durch  Verengerung  der 
Gefässe  den  allgemeinen  Blutdruck  steigern.  Ganz  wie  diese  wirken  Adonis. 
Convallaria  und  verschiedene  physiologisch  nach  Art  des  Digitalins  wirkende 
Mittel,  die  bei  Hydrops  im  Gefolge  von  Herzkrankheiten  ihre  Hauptverwendang 
finden.  VerBuche  erwiesen,  dass  die  von  dieser  Gruppe  der  Diuretica  mit  Aus- 
nahme von  Strophanthus  (Fräser)  verursachte  Gefässverengerung  in  der  Niere 
so  stark  sein  kann,  dass  es  zur  gesteigerten  Diurese  nicht  oder  erst  dann  kommt, 
wenn  der  Gefässkrampf  nachlässt:  auch  kann  die  Wirkung  der  Digitalis  am 
Krankenbett  mitunter  durch  ein  stark  auf  die  Gefässe  Erweiternd  wirkendes  Mittel 
(Amylnitrit,  Nitroglycerin)  wesentlich  gesteigert  werden  (Brunton),  indem  dadurch 
stärkere  Gefässfüllung  in  den  Nieren  stattfindet.  Auf  die  Erzeugung  der  letzteren 
ist  zum  Theile  auch  der  diuretische  Effect  des  Alkohols,  ganz  besonders  aber 


Digitized  by  Google 


DIURETICA.  —  DIVIDIRTE  PULVER. 


515 


derjenige  der  Diuretica  calida  8.  acria  zurückzufahren,  welche  bei  ihrer  Elimina- 
tion als  solche  oder  in  Form  verschiedener  ümwandlungsproducte  direct  auf  das 
Gefässsystem  der  Niere  wirken ,  ohne  die  Secretionszellen  wesentlich  zu  beein- 
flussen. Zu  diesen  8toffen,  welche  bei  Application  grosser  Mengen  geradezu  Nieren- 
entzündung unter  Abnahme  der  Harnmenge,  Abstossung  von  Nierenepithel  und 
Auftreten  von  Eiweiss  und  Blut  im  Harn  bedingen  können,  gehören  namentlich 
diverse  ätherische  Oele  (Terpentinöl ,  Wachholderöl ,  Copaivaöl ,  Senföl) ,  Harze 
(Guajakharz)  und  Balsame  (Terpentin-,  Copaivabalsam),  sowie  Vegetabilien,  welche 
solche  enthalten,  wie  Turiones  Pini,  Baccae  et  Lignurn  Juniperi,  Thuja,  Sabina, 
Sem.  Sinapis,  Sem.  Erucae,  Meerrettig,  Sedum  acre  und  namentlich  eine  Menge 
von  Pflanzen  aus  der  Familie  der  Umbelliferen  (Ligusticum,  Petroselinum,  Apium, 
Anethum,  Cerefolium  u.  A.  m.);  ferner  Cantharidin  und  cantharidinhaltige  Käfer. 

Mit  Unrecht  zählt  man  zu  den  Diuretica  solche  Mittel,  welche  nur  durch  Be- 
seitigung pathologischer  Zustände,  sei  es  der  Niere  selbst,  sei  es  anderer  Organe, 
welche  durch  Druck  auf  die  Niere  die  Harnabsonderung  hemmen ,  sei  es  des 
ganzen  Organismus,  die  normale  Diurese  wieder  herstellen  könneu.  Dahin  gehören 
die  bei  Nierenhyperämie  und  Albuminurie  oft  recht  werthvollen  Adstringentien 
(Tannin,  Bleizucker,  Zinkvitriol;,  das  durch  Wegräumung  von  Milzschwellung  und 
als  allgemeines  Tonicum  oft"  wirksame  Chinin ,  das  Eisencitrat  u.  A.  m.  Auch  die 
sogenannten  Diurttica  drastica  (Outti,  Coloquinthen,  Elaterium),  wirken  wohl  nur 
indirect  durch  Beseitigung  von  Compression  oder  Blutuberfüllung.  Sieht  man  aber 
auch  von  diesen  Diuretica  indirecta  #.  symptomatica  ab,  so  bleibt  in  der  Classe 
der  harntreibenden  Mittel  noch  eine  8erie  übrig,  die,  obschon  mitunter  sehr 
wirksam,  nach  dem  gegenwärtigem  Stande  der  Pharmakodynamik  mit  Bestimmtheit 
keiner  der  besprochenen  Abtheilungen  zugewiesen  werden  können.  Solche  Diuretica 
incertae  sedis  sind  z.  B.  Spart ium  Scoparütm,  Geniata  tinetoria,  (Monis,  Cainca, 
Pareira  brava ,  Cimicifuga  racemoaa ,  Rhododendron  chri/mnt/iutn ,  Pyrola 
umbellata,  Ballota  lanata,  von  denen  die  letztgenannten  möglicherweise  durch 
ätherisches  Oel  wirken.  Th.  HuBemann. 

DiVBrgenZ  (diu,  auseinander  und  cergete,  wenden).  Wenn  au  eiuem  Pflanzen- 
theil eine  Mehrzahl  seitlicher  Organe  entspringt,  wie  namentlich  Blatter  an  Stengeln, 
so  sind  in  Bezug  auf  die  Anordnung  dieser  Organe  zwei  Fälle  möglich.  Entweder 
liegen  die  Anheftungspunkte  dieser  Seitenglieder  gerade  Übereinander,  dann  fallen 
ihre  M  e  d  i  a  n  e  u  ,  d.  h.  die  die  Achse  des  Hauptgliedcs  enthaltenden ,  die  Seiten- 
glieder symmetrisch  theilendcn  Ebenen ,  zusammen ,  oder  die  Anheftungspunkte 
liegen  nicht  gerade  übereinander,  dann  schneiden  sich  die  Medianen  unter  irgend 
einem  Winkel.  Dieser  Winkel  heisst  die  Divergenz  der  Seitenglieder  und  wird 
gewöhnlieh  in  Bruehtheilcn  des  Umfanges  des  Haupt organes  angegeben.  Es  würden 
sich  also  z.  B.  bei  1  3  Divergenz  die  Medianen  zweier  Seitenglieder  in  einem 
Winkel  von  120°  schneiden.  C.  Mylius. 

DiVluirte  PulVBr  (dispensirte  Pulver)  sind  in  gefaltete  Papierkapseln 
(Palverkapseln)  eingehüllte ,  in  der  zum  directen  Gebrauch  bestimmten  Menge 
abgewogene,  medicamentöse  Pulver  oder  Pulvermischungen.  Das  Gewicht  dividirter 
Pulver  ist  verschieden  und  schwankt  etwa  zwischen  50  mg  bis  5 — 10  g:  die 
am  häutigsten  angewendeten  Gewichtsmengen  sind  0.3 — 0.5  g.  Bei  Verwendung 
sehr  geringer  Mengen  stark  wirkender  Körper  (Oentigramm  bis  Bruchtheile  von 
einem  Milligramm)  wird  ein  Zusatz  von  Zucker,  Milchzucker,  Gummipulver  u.  s.  w. 
gemacht,  mit  dem  erstere  fein  verriebeu  werdeu.  Zur  Anfertigung  der  dividirteu 
Pulver  bedient  man  sich  der  sogenannteu  Pulverkapseln  oder  Pulverschiffchen, 
von  Horn  gefertigt,  in  welche  die  einzelnen  abgewogenen  Dosen  geschüttet  werden, 
um  von  hier  aus  in  die  Papierkapseln  gefüllt  zu  werden.  Für  hygroskopische 
Substanzen  (Extract.  Opii)  oder  flüchtige  Stoffe  fCamphora,  Chloral.  hydratum) 
verwendet  man  Papierkapseln  aus  Wachs-  oder  Paraftiupapier ;  für  schleeht- 
sebmeckeude  Substanzen  essbare  Oblaten,  s.  Oblaten. 

33» 

Digitized  by  Google 


516 


DIVIDIVI.  —  D0CT0R.1  ^it« 


Dividivi,  Libidibi,  Samak,  N  anacascalote,  Ouatta-pana,  sind  die 
gerbstoffreichen  Hülsen  der  in  8lld-  und  Mittelamerika  heimischen  Caesalpinia 
corian'n  Wil/d.,  eines  4 — 5  m  hohen  Strauches  mit  6 — 7  paarigen  Fiederblättern, 
rispigem  Blüthenstand  mit  gelben  Blüthen.  Die  Holsen  sind  S-  oder  schnecken- 
förmig eingerollt,  in  diesem  Zustande  1.5 — 3.0cra  lang;  auseinandergerollt  würde 
die  Lftnge  bis  zu  10  cm  betragen.  Die  Breite  betragt  2— 3  cm,  die  Dicke  bis 
0.5  cm.  Beide  Hälften  sind  mit  einander  fast  völlig  verwachsen,  die  Aussenseite 
ist  etwas  glänzend  kastanienbraun,  das  innere  Gewebe  ockergelb.  Jede  Hülse  ent- 
hält 2—8  linsenförmige,  5mm  lange,  glänzend  braune  Samen.  Ein  Strauch 
liefert  bis  50  k  Hülsen. 

Die  Hülsen  enthalten  30 — 50  Procent  Tannin  und  finden  zum  Gerben  und 
Färben  ausgedehnte  Verwendung;  ihr  medicinischer  Gebrauch  ist  auch  in  ihrer 
Heimat  unbedeutend.  Der  Hauptsitz  des  Gerbstoffes  ist  im  Parenchym  unmittelbar 
unter  der  Epidermis.  In  Honduras  stellt  man  aus  ihnen  mit  einem  natürlich 
vorkommenden  Eisensulfat  Tinte  dar,  die  als  Nacascolo  zum  Färben  dient. 

Die  Rinde  der  Pflanze,  obscho'n  sie  nur  3  Procent  Gerbstoff  enthält,  wird  in 
Nicaragua  zum  Gerben  benutzt.  Hart  wich. 

DiXOll'S  antibiÜOUS  PHl8  sind  0.15g  schwere  Pillen,  aus  je  8  Tb.  Aloe, 
Scammonium,  liheum  und  0.6  Th.  Tartarus  stibiatus  bereitet. 

Doberaner  Zahntropfen,  eine  Mischung  aus  gleichen  Theilen  Tinctura  Opn 
crocata,  Spiritus  aethereus  und  Oleum  Menthae  piper. 

DOChmiUS,  Gattung  der  Nematoda.  —  S.  Anchylostoma,  Bd.  I,  pag.  368. 

DOCtOr  ist  der  Titel,  mit  welchem  das  Publikum  in  Deutschland  den  ausüben- 
den Heilkünstler,  Arzt,  Chirurg  oder  selbst  Thierarzt  anzureden  pflegt,  gleichviel 
ob  derselbe  die  zur  Erlangung  der  Doctorwürde  vorgeschriebenen  Bedingungen 
erfüllt  bat  oder  nicht.  Diese  Würde  wird  jetzt  ausschliesslich  von  den  Facultäten 
der  Universitäten ,  in  Amerika  auch  von  gewissen  Colleges  ertheilt.  8ie  findet 
sich  zuerst  in  der  Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts  in  Bologna  als  eine  Auszeich- 
nung für  Juristen,  denen  damit  die  Fähigkeit  zu  lehren  zugesprochen  wurde.  Zu 
den  Doctoren  des  Civilreehtes  (Doctores  legum)  und  des  kanonischen  Rechtes 
(Ihctores  decretorum j  kamen  im  dreizehnten  Jahrhunderte  noch  eigene  Doctoren 
des  Notariats,  die  Doctores  medicinae  oder  physicae,  solche  der  Grammatik,  der 
Logik  und  Doctores  philosojihiae  et  aliarum  artium,  auch  Doctoren  der  Theologie. 
Bis  dahin,  und  in  Italien  noch  weiter  hinaus,  mussten  sich  die  bei  den  Univer- 
sitäten gradnirten  Nichtjuristen  mit  dem  Titel  TMagistri"  begnügen,  der  für 
die  philosophischen  Graduirten  noch  bis  in  dieses  Jahrhundert  hinein  in  Sachsen 
festgehalten  wurde  und  noch  jetzt  in  Oesterreich  und  Russland  an  Pharraaceuten 
nach  abgelegter  Prüfung  an  der  Universität  als  ein  dem  Doctortitel  nicht  völlig 
gleicher  (Magister  pharmaciae)  ertheilt  wird.  Auch  in  den  Vereinigten  Staaten 
wird  der  Titel  Magister  pharmaciae  (Ph.  M.)  von  den  Colleges  of  Pharmacy  als 
eine  höhere  Würde  an  früher  Examinirte,  sogenannte  Graduated  in  Pharmacy 
<Pb.  G.),  auf  Grund  einer  Dissertation  (vom  National  College  in  Washington 
unmittelbar  nach  der  Prüfung)  verliehen.  Von  Alters  her  knüpfte  man  in  allen 
Facultäten  mit  Ausnahme  der  theologischen  die  Erwerbung  des  Doctorgrades  an 
eine  verschieden  bemessene  Studirzeit,  ein  oder  mehrere  Examina,  eine  öffentliche 
Disputation,  einen  feierlichen  Act,  die  sogenannte  Promotion,  bei  welcher 
letzteren  dem  die  Doctorwürde  Suchenden  eine  auf  Pergament  gedruckte  Urkunde, 
das  sogenannte  Doctordiplom,  überreicht  wurde,  und  die  Zahlung  einer  Geld- 
summe. Für  Diejenigen,  welche  nur  die  Examina  absolvirt  hatten,  wurde  die  nicht 
eben  classisclie  Bezeichnung  Doctorandus  üblich,  in  der  theologischen  Facultit 
auch  der  Name  Licentiat,  der  früher  auch  als  akademischer  Grad  Solchen 
gegeben  wurde,  welche  nur  einzelne  Examina  gemacht  hatten  und  aueh  heute  in 
Spanien  fLiccnciadu  en  farmacia)  eine  Zwischenstufe  zwischen  dem  Doctor  der  Phar- 


Digitized  by  Google 


DOCTOR. 


517 


macie  und  dem  Baccalaureus  (Backiller  &n  farmacie)  bildet,  wie  der  Phar- 
maceut  nach  absolvirten  Studien  dort  genannt  wird.  In  einzelnen  Staaten  hat 
man  auch  Doctordiplome  nur  auf  Grnnd  einer  Arbeit  ohne  vorheriges  Examen 
ertheilt,  doch  ist  diese  „Promotto  in  absentia"  mehr  und  mehr  abgekommen, 
weil  wiederholt  Betrügereien  mit  Unterschiebung  fremder  Arbeiten  vorkamen,  und 
an  preussischen  Universitäten  abgeschafft.  Dagegen  wird  mitunter  der  Doctortitel 
wissenschaftlich  verdienten  Männern ,  namentlich  häufig  bei  Jubiläen ,  „honoris 
causa",  ohne  Gebühren  verliehen ,  hochverdienten  Pharmaceuten  namentlich  auch 
das  Doctorat  der  Medicin. 

In  der  älteren  Zeit,  besonders  im  15.  und  16.  Jahrhundert,  war  das  Doctorat 
mit  besonderen  Ehren  und  Privilegien  verbunden.  Es  gewährte  den  persönlichen 
Adel ,  die  8tiftsfähigkeit ,  die  Freiheit  von  Steuern  und  Kopfgeld ,  die  Befreiung 
von  der  FoUer  in  Criminalprocessen  u.  A.  m.  Diese  hohe  Achtung  verlor  sich  jedoch 
im  Laufe  der  Jahrhunderte,  und  schon  1762  konnte  man  in  Hessen  Cassel  bei 
Aufstellung  einer  Rangordnung  es  wagen,  die  Doctoren  in  eine  Rangclasse  mit 
den  Kammerdienern,  Hausconditoren ,  Büchsenspannern  und  Küchenschreibern  zu 
setzen,  aus  der  man  sie  allerdings  1786  um  zwei  Stufen  in  die  Gesellschaft  der  Hof- 
prediger  und  Superintendenten  promovirte.  Jetzt  ist  das  Doctorat  in  Deutschland  ein 
blosser  Titel  ohne  Rechte,  nothwendig  nur  für  die  akademische  Carriere ;  aber  auch 
hier  ist  die  ursprüngliche  Berechtigung  jedes  Doctors,  an  der  Universität  als  Doctor 
legen»  Vorlesungen  zu  halten ,  aufgegeben  und  die  Venia  legendi  von  weiteren 
Studien  und  Examina  abhängig  gemacht.  Dies  Sinken  der  Achtung  des  übrigens 
noch  immer  sehr  gesuchten  Titels,  und  zwar  nicht  blos  des  ohne  Examen  erlangten 
sogenannten  Doctor  bullutus,  sondern  auch  wenn  solcher  durch  Examina  .erworben 
wurde,  ist  zum  grossen  Theile  darin  zu  sucheu,  dass  an  mauchen  Universitäten 
besonders  Ausländern  gegenüber  das  als  Rigorosum  bezeichnete  Doetorexamcn 
sehr  gelinde  genommen  wurde  (nSumimus  pecuniam  et  mittimus  asinum  in 
^mtriam").  Dem  in  der  neuesten  Zeit  von  Buchanan*  in  Philadelphia  betriebenen 
Schwindel,  ausschliesslich  gegen  Zahlung  einer  bestimmten  Summe  Doctortitel  zu 
vergeben,  wodurch  selbstverständlich  dem  Doctorat  jede  Bedeutung  geraubt  worden 
wäre,  ist  durch  die  Gesetzgebung  des  Staates  Pennsylvania  ein  Riegel  vorgeschoben 
worden.  In  einzelnen  deutschen  Staaten,  z.  B.  in  Sachsen,  ist  in  Folge  dieses 
Schwindels  mit  dem  sogenannten  Dr.  Philadelphiae  die  Führung  des  Doctortitels, 
welcher  vou  Universitäten  ausserhalb  des  Deutschen  Reiches  verliehen  wordeu.  nur 
mit  Genehmigung  der  Landesregierung  gestattet.  Ob  die  unbefugte  Führung  des 
Doctortitels  in  Deutschland  unter  den  §  360  des  Strafgesetzbuches  fällt ,  welcher 
die  unbefugte  Annahme  von  Titeln  ,  Würden  oder  Adelaprädicaten  mit  Geldstrafe 
zu  150  Mark  oder  mit  Haft  belegt,  ist  juristisch  zweifelhaft;  dagegen  ist  die 
Führung  des  Titels  seitens  eines  Curpf uschers  (s.  Bd.  III.  pag.  355)  strafbar, 
weil  dadurch  der  Glaube  erweckt  werden  kann ,  dass  der  Betreffende  die  Bedin- 
gungen zur  Approbation  als  Arzt  erfüllt  habe. 

Der  Titel  eines  Doctor  i>harmaciae  existirt  in  Deutschland  nicht ,  vielmehr 
müssen  die  Pharmaceuten ,  wenn  sie  einen  akademischen  Grad  erlangen  wollen, 
denselben  bei  der  Facultät,  der  die  Pharmacio  zugeordnet  ist,  erwerben.  Dies  ist 
nicht  die  medicin ische,  sondern  die  philosophische,  oder  die  von  letzterer  abgezweigte 
naturwissenschaftliche  Facultflt.  Auf  einzelnen  Hochschulen ,  z.  B.  Göttingen ,  ist 
die  Pharmacie  als  Prüfungsgegenstand  bei  dem  Doctorexameu  statutarisch  ausge- 
schlossen. Die  Vorbedingungen  sind  in  Preussen  Absolvirung  der  Maturitätsprüfung 
und  dreijähriges  Studium. 

In  Oesterreich  ist  die  Erwerbung  des  Doctorates  der  Pharmacie  (häufig 
auch  Doctorat  der  Chemie  genannt)  an  die  Bedingungen  geknüpft .  dass  alle  zur 
Erlangung  des  Magister  iums  (s.d.)  vorgeschriebenen  Erfordernisse  erfüllt  und 
die  drei  strengen  Prüfungen  mit  ausgezeichnetem  Erfolge  abgelegt,  überdies  in 
einem  dritten  Universitätsjahre  die  Collegien  über  allgemeine  unorganische  und 
organische,  dann  über  analytische  und  pharmaceutische  Chemie  als  ordentlicher 


Digitized  by  Google 


518 


DOCTOR.  —  DÖBEREINER  S  FEUERZEUG. 


Hörer  (wag  ein  Gymnasial-Maturitätszeugniss  voraussetzt)  frequentirt  worden.  Am 
Ende  des  dritten  Jahres  hat  der  Candidat  zwei  durch  das  Los  zu  bestimmende 
chemische  Operationen  vorzunehmen,  darüber  zugleich  einen  mündlichen  Vortrag 
zu  halten,  wahrend  dieser  Prüfung  eine  Dissertation  Uber  irgend  einen  chemischen 
und  verwandten  Gegenstand  vertheilen  zu  lassen  und  da,  wo  es  bisher  üblich  war, 
einige  Streitsatze  zu  vertheidigen.  Hinsichtlich  der  Promotion,  der  Beeidigung  und 
der  Diplomausfertigung  gelten  die  Normen  der  medicinischen  Facultät  (Min. 
Erl.  v.  14.  Juni  1859,  Z.  8759). 

Auch  in  den  Staaten ,  wo  der  Titel  eines  Doctor  der  Pharmacie  existirt ,  wie 
in  Russland  (hier  neben  dem  Magistertitel,  welche  beide  ihrem  Inhaber  eine  Be- 
vorzugung bei  der  Besetzung  von  Staatsapothekerstellen  und  die  Fähigkeit  zur 
Bekleidung  von  Lehrerstellen  an  Universitäten  verschaffen,  wobei  jedoch  der  Magister- 
titel nur  zur  Erlangung  eines  Extraordinariats  qualificirt),  Holland  und  Italien  ist 
die  durch  Maturitätsprüfung  bekundete  höhere  Allgemeinbildung  eine  der  wesent- 
lichen Vorbedingungen. 

Literatur:  Dieck,  Art.  Doctor  in  Ersch  und  Grnber,  Encyclop.  Bd.  XXVI.  —  H.  J. 
Moeller,  Den  uuvaerende  pharmacentiske  Uddannelse.  Kopenh.  1881.       Th.  Husemann. 

Dodecaeder  (kita«,  zwölf)  ist  ein  von  zwölf  congruenten  Flüchen  begrenzter 
Körper.  Dag  Rhombendodecae*der  findet  sich  in  schöner  Ausbildung  bei  den 
Kryetalleu  des  Granates,  Rothkupfererzes  und  Boracits;  die  Begrenzungsfliichen 
sind  Rhomben  (Rauten).  Die  Trigonaldodccaeder,  von  gleichschenkeligen 
Dreiecken  gebildet,  bei  den  Krystallen  vou  Fahlerz  und  Kieselwismut.  Die  Del- 
toiddodecaeder,  von  Deltoiden ,  das  ist  Vierecken  mit  2  Paareu  gleicher 
Seiten  und  einem  Paar  gleicher  Winkel  gebildet  (man  denke  sich  über  dieselbe 
Grundlinie  nach  oben  und  nach  unteu  mit  verschiedenen  Schenkeln  je  ein  gleich- 
schenkeliges  Dreieck  construirt)  kommt  beim  Fahlerz  etc.,  aber  nicht  als  selbst- 
ständige Form,  sondern  in  Coinbinationen  vor.  Die  Pentagondodeca  i;derr 
von  12  symmetrischen  Fünfecken  (ein  symmetrisches  Pentagon  hat  vier  gleiche 
Seiten  und  2  Paare  gleicher  Winkel  i  beim  Pyrit  und  Glauzkobalt.  Das  reguläre, 
d.  h.  von  gleichseitigen  und  gleichwinkligen  Pentagonen  begrenzte  Dodecaeder 
kommt  als  Krystall  nicht  vor,  weil  die  Parameter  seiner  Flächen  kein  rationales 
Verhültniss  bilden.  Mit  Ausnahme  des  Rhombendodecaöders  sind  sümmtliche  ange- 
führten Dodecaeder  Halbgestalten  oder  hemiedrische  Gestalten. 

Dodecandria,  XI.  Classe  des  Linne' scheu  Pflanzensystems.  Dodecandrische, 
zwölfraännige  Blflthcn  besitzen  12—20  freie  Staubgefässe. 

Die  Classe  gliedert  sich  nach  der  Zahl  der  Stempel  (1 ,  2,  3 ,  12)  in  die  Ord- 
nungen: Monogynia,  Digynia,  Trigynia,  Dodecagynia. 

Dodecandria  ist  bei  Linne  auch  Name  der  10.  Ordnung  der  Classe  Dioecia 
(XXII)  Sydow. 

Dodekail.    Ein  Acther  von  der  Formel  C13HJ6,  bei  200°  siedend. 

DÖbereiner  S  Feuerzeug.  Diese  interessante  Zündmaschine  beruht  auf  der 
Eigenschaft  des  Platinschwammes ,  durch  darauf  strömendes  Wasserstoffgas  in's 
Glühen  gebracht  zu  werden  und  dann  den  Wasserstoff  zu  entzünden.  Das  auf 
diesen  Principien  basirte  DöBKREJNEB'sche  Feuerzeug,  auch  Wasserstofflampe  genannt, 
reprä.scntirt  einen  perpetuirlich  wirkenden  Wasserstoff  Entwickelungsapparat,  der  in 
oft  «ehr  elegantem  Gewände  in  feinen  Salons  sich  vorfindet.  Das  Wesentliche 
dieses  Salonfeuerzeuges  ist  der  durch  den  Deckel  oder  eine  Platte  verschließbare, 
zum  grftssten  Theil  mit  verdünnter  Schwefelsäure  gefüllte  Cylinder.  In  diesen 
taucht  ein  zweiter,  oben  und  unten  offener,  kürzerer  und  engerer  Cylinder,  oder 
eine  nach  oben  verjüngte  Glasflasche  ohne  Boden,  ziemlich  bis  auf  den  Boden  des 
ersten  Cylinders  hinab.  Der  Hals  des  zweiten  Cylinders  wird  durch  den  Deckel 
des  ersten  Cylinders  hermetisch  geschlossen.  In  diesen  zweiten  Cylinder,  reep.  die 
Flasche,  ragt,  im  Deckel  befestigt,  ein  Zinkkolben.  Durch  den  Deckel  geht  in- 

Digitized  by  Google 


DÖBEREINEBS  FEUERZEUG.  —  DOGWOOD.  519 

mitten  des  Verschlusses  der  zweiten  Flasche  eine  feine,  durch  einen  Metallhahn 
verschliessbare  Oeffnnng.  Wird  dann  das  Feuerzeug  zusammengestellt,  so  taucht 
man  den  mit  dem  Zinkkolben  versehenen  Cylinder  in  das  Schwefelsäuregefäss  unter 
gleichzeitiger  Oeffnung  des  Hahnes.  Steht  die  Schwefelsäure  in  beiden  Gefässen 
gleich  hoch,  so  wird  der  Hahn  geschlossen.  Der  sich  dann  entwickelnde  Wasser- 
stoff sammelt  sich  in  dem  innern  Gefasse,  und  da  er  durch  den  Hahn  nicht  ent- 
weichen kann,  drangt  er  die  Flüssigkeit  abwärts  so  lange,  bis  dieselbe  unter  dem 
Zinkkolben  steht,  womit  die  weitere  Gasentwickelung  sofort  aufhört.  Damit  ist  das 
Feuerzeug  zu  continuirlichem  Gebrauche  fertig.  Oeflhet  man  nun  den  Hahn,  so 
strömt  das  Wasserstoffgas  aus,  die  Flüssigkeit  steigt  im  zweiten  Gefasse  wieder, 
der  Zinkkolben  taucht  wieder  in  die  Saure  und  die  Wasserstoffentwickelung  beginnt 
von  Neuem.  Das  aus  dem  Metallhahn  ausströmende  Gas  wird  auf  einen  Platin- 
Bchwamm  dirigirt,  der  die  Entzündung  des  Gases  veranlasst.  Die  Art  und  Weise, 
wie  das  Platin  hier  eigentlich  wirkt,  ist  bis  heute  noih  nicht  recht  erklart,  und 
wird  als  katalytische  Wirkung  bezeichnet.  Gauswindt. 

DÖglingsälire  nennt  Scharling  eine  aus  dem  Döglingthran  gewonnene, 
flüssige,  der  Oelsäure  sehr  ähnliche  Fettsäure.  Sie  ist  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
flüssig  und  wird  bei  einigen  Graden  über  0  fest.  Salpetrige  Säure  verwandelt  sie 
in  DöglingelaYdiusäure.  Ob  sie,  wie  Scharling  meint,  das  nächst  höhere  Homologe 
der  Oelsäure  0,6H85O2  ist,  oder  ein  Gemenge  verschiedener  Säuren,  ist  noch  nicht 
entschieden.  Benedikt. 

Döglingthran.  Hnile  de  Rorqual  rostre,  Doegling  oil,  Bottlenose  oil.  Dieses 
Fett  stammt  vom  Dögling,  Hypercodon  rostratus,  einem  der  Familie  der  Cetaceen 
angehörigen  Fische.  Der  Döglingthran  nähert  sich  in  seiner  Zusammensetzung 
dem  Pottwalthran  und  setzt,  wie  dieser,  in  der  Kälte  reichlich  Spermacet  ab.  Der 
flüssige  Antheil  besteht  zum  grossen  Theile  aus  dem  Döglingsäureester  des  Dodecatyl- 
alkohols,  C1B  H89  09  .  Cta  H26. 

In  Bezug  auf  sein  spec.  Gew. ,  auf  die  Löslichkeit  in  Eisessig ,  auf  das  Ver- 
halten gegen  Schwefelsäure,  salpetrige  Säure,  zeigt  dieser  Thran  die  grosste 
Aehnlichkcit  mit  dem  Pottwalthran,  zu  dessen  Verfälschung  er  dient,  indem 
er  bedeutend  niedriger  im  Preise  steht.  Der  Döglingthran  hat  häufig  einen  un- 
angenehmen Geruch ,  welcher  daher  rührt ,  dass  der  Speck  meist  erst  nach  der 
Rückkehr  der  Schiffe  zur  Fettgewiunung  ausgekocht  wird  (Allen).  Benedikt. 

DOQ-ballS  (Hundepillen)  von  Boldt  in  Genf  sind  0.15  g  schwere  Pillen,  aus 
2  Th.  Aloe  und  1  Th.  Radix  Gentianae  bestehend. 

Dogwood  ist  der  engl.  Name  für  Comus,  von  welchem  drei  Arten  (C.  cir- 
cinata L'Herit. ,  C.  Horida  L. ,  C.  sericea  II Herit.)  von  Ph.  Un.  St.  aufge- 
nommen sind.  Man  verwendet  die  Rinde  als  Tonicum  und  Autitypicum. 

Anatomisch  ist  sie  cbarakterisirt  durch  den  grosszelligen  Kork ,  welcher  nach 
aussen  durch  eine  Reihe  hufeisenförmig  verdickter  Zellen  abgeschlossen  ist,  durch 
den  Mangel  der  Bastfasern  in  der  Innen  rinde ,  welche  erst  im  Alter  Steinzellen- 
gruppen bildet,  endlich  durch  Einzelkrystalle  im  Bastparenchym  und  in  den  Mark- 
strahlen. 

In  neuerer  Zeit  kommt  als  J  a  m  a  i  c  a  D  o  g  w  o  o  d  die  Wurzelrinde  von  Pis- 
cidia  Erythrina  L.  (Papilionacrae)  in  den  Handel  und  wird  als  Hypnoticum 
und  Anodynum  gerühmt.  Die  Rinde  ist  sehr  hart,  am  Bruche  blätterig-splitterig. 
Der  Bast  ist  durch  Bastfaserbündel ,  welche  allseitig  von  Krystallkammerfasern 
umgeben  sind,  geschichtet.  Auch  die  Siebröhren  treten  regelmässig  in  tangentialen 
Strängen  auf.  Die  Markstrahlen  sind  meist  dreireihig.  Steinzellen  fehlen.  Zerstreute 
Zellen  enthalten  eiue  harzartige  Substanz. 

Als  wirksamen  Bestandteil  betrachtet  mau  das  P  i  s  c  i  d  i  n  ,  einen  in  fast 
farblosen  Prismen  krystallisirenden ,  in  Wasser  unlöslichen  Körper  von  der  Zu- 
sammensetzung C2„  H2,  08  (Hart).  j.  Moeiier. 


Digitized  by  Google 


520 


D0K1MASIE.  —  DONKERKRAUT. 


Dokimasie,  DokimaStik,  die  in  der  metallurgischen  Technik  benutzte 
Prüfung  und  quantitative  Bestimmung  des  Metallgehaltes  der  Erze  und  Legirungen 
(Probirkunst). 

Die  Ausführung  der  dokinietrischen  Bestimmungen  geschieht  auf  trockenem 
Wege,  durch  Schmelzprocesse  in  zum  Theil  eigentümlichen,  nur  dazu  verwendeten 
Gefässen  und  erfordert  grosse  technische  Fertigkeit. 

Die  Metalle,  um  welche  es  sich  hierbei  handelt,  sind  vorwiegend  Gold,  Silber, 
Kupfer,  Blei,  Wismut,  Zinn,  Nickel,  Kobalt,  Quecksilber.  Dieselben  werden  bei 
den  Processen  entweder  in  reiner  metallischer  Form  als  Kflgelchen  gewonnen, 
oder  durch  Zusatz  gewogener  Mengen  anderer  Elemente  (Silber)  als  Legirung 
erhalten  und  gewogen. 

Als  Reductionsmittel  dienen  Borax,  Soda,  Stärkemehl,  Graphit  u.  a.,  als  Schmelz- 
gefftsse  Knochenschälchen  (aus  weiss  gebrannten  Knochen),  kelchförmige  Thontiegel, 
Kobleprisraeu  u.  s.  w. 

In  der*  technischen  Sprache  bedeutet  1  Centner  =  100mg,  s.  Probir- 
kunst. 

Dolde  (Umhella)  ist  ein  racemöBer  (botrytischer) ,  d.  h.  in  acropetaler  Folge 
sich  entwickelnder  Blflthenstand ,  bei  welchem  aus  dem  Gipfel  der  unterdruckten 
Bluthenspindel  annähernd  gleich  lange  Blüthenstiele  sich  entwickeln  (z.  B.  Gornwt 
mas).  Trageu  die  letzteren  statt  einzelner  BlUthen  Döldchen,  so  entsteht  eine 
zusammengesetzte  Dolde  (z.  B.  die  meisten  Um  belli  ferne).  Dolde  und 
Doldchen  pflegen  von  Nebenblättern  gestutzt  zu  sein,  welche  man  als  Hülle 
( involucrum )  und  H  ü  1 1  c  h  e  n  ( involucellum )  unterscheidet. 

Es  können  in  derselben  Inflorescenz  auch  Aehren  und  Köpfchen  doldig  gruppirt 
sein  oder  aus  Dolden  können  sich  in  basipetaler  Entwicklungsfolge  Wickel  und 
Schraubel  zusammensetzen.  Gemeinbin  nimmt  man  aber  auf  diese  complicirten 
Verhältnisse  in  der  beschreibenden  Botanik  keine  Rücksicht;  man  geht  in  der 
Bequemlichkeit  häufig  sogar  weiter  und  spricht  vou  doldigen  Blüthenständen,  wenn 
nur  der  Habitus  einer  Dolde  vorhanden  ist. 

DoÜChOCephalen,  s.  Brachycephalen,  Bd.  II,  pag.  365. 

DOÜChOS,  LiNXE'sche  Gattung  der  Papilxonace.ae,  Gruppe  der  Phaseoloideae, 
deren  Arten  jetzt  zu  anderen  Gattungen  gezogen  werden. 

Doli  cli  os  Soja  L.,  s.  8oja,  Dolichos  urena  L.  und  1).  pruriens  L., 
s.  Mucuna.  Hartwich. 

Dolomit  ist  eine  aus  kohlensaurem  Kalk  und  kohleusaurer  Magnesia  bestehende 
Gesteinsart.  Durch  Ablagerung  von  Talk  und  Glimmer  erhalten  die  Dolomite  häufig 
ein  schiefrigea  Aussehen.  Sie  verwittern  leicht. 

Dom  nennt  man  den  für  Bünden 'sehe  oder  MASTE'sche  Brenner  und  Lampen 
auf  dem  an  der  oberen  Mündung  des  Gasrohres  aufgeschraubten  Sternring  ruhenden 
Flammenmantel .  der  also  lediglich  den  Zweck  hat .  eine  zu  grosse  Ausstrahlung 
vou  Wärme  zu  verhindern ,  und  die  letztere  möglichst  auf  den  zu  erwärmenden 
Körper  zu  concentrireu.  Ganswind t. 

DonaX  ist  eine  von  Pallas  aufgestellte,  mit  Arundo  L.  synonyme  Gattung 
der  Gramineae.  —  Donax  Lour.  ist  synoym  mit  Maranta  Fluni. 

DofHie'S  Probe  auf  Eiter  (im  Harn)  besteht  darin,  dass  man  zu  dem  Harn- 

sediment  ein  Stückchen  Actzkali  gibt  und  umrührt,  wobei  der  Eiter  grünlich  und 
dichter  wird  und  zuletzt  einen  Klumpen  bildet. 

Donnerkeil  oder  Oonner8tein,  s.  Dactylus  Idaeus. 

Donnerkraut  ist  Herba  Sempervivi.  —  Donnerrebe  ist  Herba  Hederae 
terrestri*.  —  DonnerWUTZel  ist  Radix  Aristolochiae  cavae. 

Digitized  by  Google  , 


DONOVAN'S  LIQUOR  ARSENICALIS.  —  DOPPELBRECHUNG. 


521 


DonOVan  S  Liquor  arsenicaÜS  ist  eine  Jodarsenik  enthaltende  Lösung 
(Liqueur  jodoarsenicale  de  Donovan).  Nach  Boüchaedat  wird  dieser  Liquor  be- 
reitet durch  Lösen  von  0.2g  Arsenicum  jodatum,  0.4g  Hydrargyrum  bijodatum 
und  4  g  Kalium  jodatum  in  120  g  Aqua  destill.  —  Hebra  hat  den  Liquor  abge- 
ändert und  lässt  ihn  folgendermaassen  bereiten:  1.25 g  Aeid.  arsenicosum,  3.25g 
Hydrargyrum  und  2.5  g  Jod  werden,  mit  Spiritus  befeuchtet,  in  einer  Reibschale 
verrieben,  bis  ein  gleichmässiges  Pnlver  entstanden  ist ;  dieses  wird  in  einer  Mischung 
von  40g  Jodwasserstoffsäure  (aus  lg  Jod  bereitet)  und  540g  Aqua  destill,  durch 
Schütteln  gelöst. 

Doppeladler,  auch  Salzburger  Vitriol  genannt.  Ein  durch  Zusammenkrystal- 
lisiren  erhaltenes  Vitriolgemisch  aus  76  Procent  Eisen-  und  24  Procent  Kupfer- 
vitriol. 

Doppelbrechung.  Die  Brechung  des  Lichtes  nennt  man  die  Eigenschaft  des- 
selben, in  Folge  seiner  ungleichen  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  in  verschiedenen 
Medien  beim  Eintritt  in  ein  neues  Medium ,  wenn  der  Einfallswinkel  kleiner  als 
90°  ist,  an  der  Grenze  unter  einem  Winkel  abgelenkt  zu  werden.  Bei  dieser  ein- 
fachen Brechung,  welche  in  allen  strncturlosen  amorphen  und  in  den  krystallislrteu 
8toffen  des  regulären  Systemes  stattfindet,  bleiben  nach  dem  SNELL'schen  Brechungs- 
gesetze der  einfallende  und  der  gebrochene  Strahl  in  derselben  Ebene  und  die 
Sinus  des  Einfalls-  und  des  Brechungswinkels  verhalten  sich  zu  einander  wie  die 
Geschwindigkeiten  des  einfallenden  und  des  gebrochenen  Strahles ,  so  dass  wir 
letztere  aus  ersteren  und  umgekehrt  bestimmen  können.  Die  Doppelbrechung 
beruht  in  der  Hauptsache  auf  denselben  Grundsätzen,  aber  mit  der  Abweichung, 
dass  an  der  Grenze  des  zweiten  Mediums  der  einfallende  Strahl  in  zwei  ge- 
brochene Strahlen  getheilt  wird,  von  denen  nur  einer  die  beiden  Bedingungen 
des  SNELL'schen  Gesetzes  erfüllt,  der  andere  aus  der  Ebene  des  einfallenden 
Strahles  abweicht  und  eine  andere,  schnellere  oder  langsamere  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit hat,  welche  zu  derjenigen  des  einfallenden  Strahles  nicht  in  dem 
geraden  Verhältnisse  der  Sinus  von  Einfalls-  und  Brechungswinkel  steht.  Der 
erstere  gebrochene  Strahl  wird  der  ordentliche  oder  gewöhnliche,  der 
letztere  der  ausserordentliche  oder  ungewöhnliche  genannt. 

Als  Ursache  dieser  Erscheinung  müssen  wir  eine  besondere  molekulare  oder 
atomistische  Strnctur  annehmen,  welche  das  Licht  nöthigt,  in  dieser  besonderen 
Weise  zu  schwingen;  denn  sowohl  das  entstehende  wie  das  sich  fortpflanzende 
Licht  besteht  in  Schwingungen  materieller  Atome.  Wir  sind  zu  dieser  Annahme 
umsomehr  berechtigt,  als  die  Art  des  atomistischen  Aufbaues  unzweifelhaft  auf 
das  Engste  mit  der  äusseren  Strnctur  zusammenhängt,  namentlich  bei  den  kry- 
stallisirten  Stoffen.  Es  zeigen  die  letzteren  mit  Ausnahme  derjenigen  des  regulären 
Systemes  sowie  viele  Gebilde  des  pflanzlichen  und  thierischen  Organismus  Doppel- 
brechung. 

Huyghens,  der  Entdecker  der  Doppelbrechung,  charakterisirt  die  Wellenober- 
flfiche  des  ordentlichen  und  des  einfach  gebrochenen  Lichtes,  welches  von  jedem 
Punkte  aus  sich  allseitig  strahlenförmig  radial  gleich  schnell  ausdehnt,  als  eine 
Kugel,  diejenige  des  ausserordentlichen  Strahles  als  ein  Ellipsoid  (eine  abgeplattete 
oder  nach  den  Polen  ausgezogene  Kugel) ,  in  dessen  längerer  Achse  das  Licht 
sich  schneller,  in  dessen  kürzerer  Achse  dasselbe  sich  langsamer  fortpflanzt.  Treffen 
nun  bei  der  Doppelbrechung  zwei  so  abweichend  gestaltete  Wellenoberflachen  in 
der  Art  zusammen,  dass  die  elliptische  Welle  die  kugelförmige  umsckliesst  (Fig.  82), 
so  fallen  der  Kugeldurchmesser  und  der  kleinste  Durchmesser  cd  des  Ellipsoids 
zusammen  und  nur  in  dieser  Richtung  findet  keine  Doppelbrechung  statt,  dagegen 
in  allen  anderen ,  und  der  ausserordentliche  Strahl  pflanzt  sich  schneller  als  der 
ordentliche  Strahl  fort,  am  schnellsten  in  der  Richtung  des  längsten  Durchmessers 
ab.  Dieses  ist  in  der  Tbat  bei  den  negativen  Kry stallen  des  quadratischen 
Systemes  der  Fall ,  dessen  Grundform  das  Rhomboeder  (isländischer  Doppelspat), 


Digitized  by  Google 


DOPPELBRECHUNG. 


dessen  Hauptachse  kürzer  als  die  Nebenachsen  ist.  Umachliesst  dagegen  die  kugel- 
förmige Welle  des  ordentlichen  die  ellipsoidische  des  ausserordentlichen  Strahles 
(Fig.  83),  so  fällt  der  Kugeldurchmesser  mit  dem  langen  Durchmesser  des  Ellipsoids 
zusammen  und  der  sich  in  der  Richtung  a  £>,  des  kleinen  Durchmessers  des  Ellip- 
soids, fortpflanzende  ausserordentliche  Strahl  ist  langsamer  als  der  ordentliche 
Strahl  ef.  Nur  in  der  Richtung  cd  laufen  beide  Strahlen  zusammen  und  findet 
keine  Doppelbrechung  statt.  Solches  zeigen  die  positiven  Erystalle  des  hexa- 
gonalen  Systemes  (Bergkrystall),  in  welchen  die  Hauptachse  langer  ist  als  die  drei 
Nebenachsen.  Die  Krystalle  der  genannten  beiden  Systeme  heissen  daher  ein- 
achsige doppelbrechende,  weil  nur  in  einer  Achse  keine  Doppelbrechung 
erfolgt.  In  den  Krystallen  der  anderen  drei  Systeme,  des  rhombischen,  des  mono- 
klinischen und  des  triklinischen,  gehorchen  beide  Strahlen,  der  ordentliche  wie  der 
ausserordentliche,  dem  SNELL'schen  Gesetze  nicht  und  sind  beide  durch  ellipsoidische 
Wellenoberflächen  charakterisirt  (  Fig.  84),  welche  sich  in  ihren  langen  Durchmessern 
a  b  und  c  d  kreuzen.  Hier  gibt  es  zwei  Richtungen ,  in  welchen  der  ordentliche 
und  der  ausserordentliche  Strahl  gleich  schnell  zusammen  laufen  nnd  keine  Doppel- 
brechung stattfindet.  Es  sind  dies  die  diagonalen  Verbindungslinien  ef  und  g  h 
der  >ier  Schnittpunkte  der  Ellipsen.  Diese  Krystalle  werden  zweiachsige 
doppelbrechende  genannt. 


Flg.  82.  Fig.  83.  Fig.  84. 

C   C 


d  d 

Stark  ausgeprägte  Doppelbrechung,  also  grosse  Wegdifferenz  zwischen  dem 
ordentlichen  und  ausserordentlichen  Strahle,  gibt  sich  bei  durchsichtigen  Medien 
dadurch  zu  erkennen,  dass  in  allen  Richtungen  ausser  iu  der  Hauptachse  von 
durch  dieselben  betrachteten  Objecten  zwei  Bilder  erscheinen.  Bei  grossen  Bildern 
ist  nur  eine  Verschiebung  der  sich  nicht  deckenden  Conturen  bemerkbar.  Kleine 
Bilder  erscheinen  ganz  getrennt  und  rotiren  um  einander  beim  Drehen  des  Kry- 
stalle» um  den  einfallenden  Strahl ,  wobei  das  Bild  des  schnelleren ,  weniger  ge- 
brochenen Strahles  die  Mitte  einnimmt,  eventuell  den  kleineren  inneren  Kreis  be- 
schreibt. Schwache  Doppelbrechung  entzieht  sich  so  der  Beobachtung. 

Die  Doppelbrechung  zeigt  besondere  Beziehungen  zu  der  Polarisation  des  Lichtes. 
Jeder,  auch  der  einfach  gebrochene  Strahl  ist  mehr  oder  weniger  polarisirt,  d.  h. 
die  unzähligen  Schwingungsebeuen  desselbeu ,  welche  die  Fortpflanzungsrichtung 
senkrecht  kreuzen,  sind  in  eine  einzige  vereinigt. 

In  diesem  Falle  bewegen  sich  die  Schwingungen  in  derjenigen  Ebene,  welche 
der  einfallende  und  der  gebrochene  Strahl  mit  einander  machen.  Bei  der  Doppel- 
brechung gilt  dieses  nur  fflr  den  ordentlichen  Strahl,  der  ausserordentliche  Strahl 
wird  auch  polarisirt,  seine  Schwingungsebene  steht  aber  rechtwinklig  auf  der  ge- 
nannten Ebene  und  auf  den  Schwingungen  des  ordentlichen  Strahles.  Je  stärker 
die  Doppelbrechung,  desto  vollständiger  die  Polarisation.  Ausgezeichnet  sind  der 
isländische  Doppelspat,  der  Turmalin .  der  Herapathit,  Doppelsalze  des  Platins, 
die  meisten  Alkatoide. 

Das  p  o  1  a  r  i  s  i  r  t  e  Licht  (»«.Licht  und  Polarisation)  vermag  die  Doppel- 
brechung auf  zweierlei  Art  sichtbar  zu  machen,  wenn  die  letztere  stark  ausgeprägt 

Digitized  by  Google 


DOPPELBRKCHUNG.  —  DOPPEL  VITRIOL. 


523 


ist,  durch  eine  Drehung  der  Polarisationsebene  des  Analysators  des  Polarisations- 
apparates, in  Folge  dessen  nicht  wie  ohne  das  Object  die  grösste  Verdunklung  des 
Gesichtsfeldes  bei  rechtwinklig  gekreuzten  und  die  grösste  Helligkeit  bei  parallel 
gestellten  NicOL'scheu  Prismen,  sondern  bei  anderen  Winkeldrehungen  des  Analy- 
sators eintritt.  Ein  weiter  reichendes  Mittel  bieten  die  Interferenzfarben ,  welche 
bei  geeigneten  Dicken  des  Objectes  nur  doppelbrechende  Körper  zeigen,  wodurch 
das  Polarisationsmikroskop  dem  gewöhnlichen  Mikroskope  an  Fähigkeit  der  Diffe- 
renzirung  von  Structurtheilen  der  Objecte  weit  überlegen  ist.  Die  farbigen  doppel- 
brechenden Körper  zeigen  sämmtlich  Dichroisrous,  eine  andere  Farbe  im  durch- 
fallenden  als  im  auffallenden  Lichte.  Bei  der  Doppelbrechung  verschwindet  der 
eine  Strahl  durch  Absorption,  der  andere  wird  durchgelassen. 

Die  Doppelbrechung  gibt  auch  der  Mineralogie  ein  Mittel,  in  zweifelhaften 
Fallen,  in  denen  die  äussere  Gestalt  der  Mineralien  nicht  ausgebildet  oder  zer- 
stört worden  ist,  um  zu  entscheiden,  welchem  Kryetallsysteme  dieselben  angehören. 
Bei  geeigneter  Durchsichtigkeit  und  seukrecht  zur  Hauptachse  abgespalten  oder 
geschliffen,  zeigen  solche  Krystalie  symmetrische  Figuren  in  den  Farben  der  Newton- 
sehen  Ringe,  und  zwar  die  einachsigen  doppelbrechenden,  durch  ein  rechtwinkliges 
Kreuz  unterbrochene  concentrisebe  Kreise,  die  zweiachsigen  doppelbrechendeu  zwei 
neben  einander  liegende  ovale  Ringsysteme  von  einigen  elliptischen  Ringen  zu- 
sammen umschlossen. 

Das  Polarisationsmikroskop  eignet  sich  nicht  zu  solchen  Beobachtungen  wegen 
zu  starker  Vergrößerung  der  Figuren  und  Vertheilung,  also  Schwächung  der 
Farben,  wohl  aber  die  Turmalinzange  und  eigens  zu  diesem  Zwecke  hergerichtete 
Polarisationsapparate. 

Auch  doppel brechende  organische  Gebilde,  wie  die  Stärkekörner,  zeigen  ähnliche 
Erscheinungen,  nicht  die  Ringfiguren,  wohl  aber  die  Unterbrechungen  derselben 
in  Gestalt  für  die  Stammpflanzen  charakteristischer  Kreuze  oder  Curven,  welche 
bei  parallelen  Nicols  farblos,  bei  gekreuzten  Nicoig  schwarz  erscheinen.  Giuge. 

Dopp6lCyanid6  sind  Verbindungen  der  in  Wasser  unlöslichen  Cyanide  der 
Schwermetalle  mit  Cyankalium.  Derartige  Doppelverbindungen  sind  in  Wasser 
meist  löslich  und  gut  krystallisirbar ;  vergl.  auch  Cyanverbindungen. 

Doppelmuffe,  ein  zur  Ausrüstung  der  als  Apparatenhalter  dienenden  Stative 
gehöriges  Requisit.    S.  Muffe  und  Stative. 

Doppelsalz  fAreanum  duplicatum,  Sal  de  duobus,  Tartarus  vitriolatus »,  ein  alter, 
ans  der  frtlheren  Art  der  Darstellung  hergeleiteter  Name  fttr  Kalium  sulfuricum. 

Doppelsalze  sind  solche  Salze  mehrbasischer  Säuren,  in  welchen  die  Wasser- 
stoffatome  durch  verschiedene  Metalle  vertreten  sind,  wie  z.  B.  Kaliumnatriumsulfat 
KNaSO,,  Natriumammoniumphosphat  H  Na  (N  H4  )  P  04  u.  s.  w.  Diese  Salze  stehen 
mit  den  Forderungen  der  Werthigkeitstheorie  durchaus  im  Einklaug.  Dasselbe  lässt 
sich  jedoch  nicht  sagen  von  den  ebenfalls  als  Doppelsalze  bezeichneten  Verbin- 
dungen, welche  ihre  Existenz  der  Vereinigung  sogenannter  Haloidsalze  verdanken : 
AgCI,NaCl  Silberchloridchlornatrium,  2 KCl, PtCl4  Kaliumplatinchlorid;  da  hier 
die  einfachen  Salze  schon  gesattigte  Moleküle  sind,  so  betrachtet  man  diese  Doppel- 
salze als  moleculare  Verbindungen  und  nimmt  an,  dass  hier  andere  Anziehuugs- 
kräfte  thätig  sind,  als  die,  welche  in  der  Wertigkeit  der  Elemente  ihren  Aus- 
druck finden.  Jehn. 

Doppelte  Buchführung,  s.  Apotheker-Buchführung,  Bd.  I,  pag.  471. 

Doppelvitriol  oder  gemischter  Vitriol  ist  kein  eigentliches  Doppelsalz,  sondern 
mir  ein  durch  Zusamraenkrystallisiren  von  Eisen-  und  Kupfervitriol  erhaltenes 
Salzgemisch  von  verschiedener  Zusammensetzung.  Hierhin  zählen  der  sogenannte 
Salzburger  mit  76  Procent,  der  Admouter  mit  83  Procent  und  der  Doppeladmonter 
mit  80  Procent  Eisenvitriol. 


Digitized  by  Google 


5*4 


DOPPEL  WASSERGLAS.  —  DORONlCUiL 


DoppelwaSSerglaS  ist  ein  Gemisch  aus  Kalium-  und  Natriumwasserglas  und 
wird  nach  Döbereinbr  erhalten  durch  Zusammenschmelzen  von  152  Th.  Quarz- 
pulver, 57  Th.  calcinirter  Soda  und  30  Th.  Pottasche. 

Dorailt,  volksth.  Bezeichnung  für  verschiedene  Pflanzen,  so  für  Marrubium, 
Ptarmica,  Antirrhinum,  Doronicum,  Gentiana. 

Dorema,  Gattung  der  Umhelliferae ,  Unterfam.  Peucedaneae ,  Charakter- 
pflanzen des  persischen  Hochlandes.  Der  dicke,  nur  Blattscheiden  und  Grundblatter 
tragende  Stengel  wird  über  mannshoch.  Die  halbe  Höhe  der  Pflanze  nimmt  der 
rispige  Blflthenstand  ein ,  auf  dessen  Zweigen  die  hüllenlosen ,  einfachen  Dolden 
wie  Köpfchen  sitzen.  Die  Blüthen  sind  zwitterig,  weiss  oder  gelb.  Die  Frucht  ist 
sehr  flach,  länglich  eiförmig,  schmal  geflügelt,  schwach  gerippt,  in  den  Thälchen 
einstriemig,  auf  der  Fugenseite  zwei-  bis  vierstriemig. 

Dorema  Ammoniacum  Don  besitzt  einen  grossen,  rübenförmigen,  ander 
Spitze  Ästigen  Wurzelstock ,  welcher  frühestens  im  5.  Jahre  den  Blütheuschaft 
treibt.  Dieser  wird  bis  2.5m  hoch,  ist  hohl,  durch  Scheidewände  gegliedert,  in 
der  Jugend  weissflaumig,  später  ganz  kahl,  gestreift,  in  der  oberen  Hälfte  einfach 
verzweigt.  Die  grossen  dreizähligen  Grundblätter  umscheiden  die  Stengelbasis,  ihre 
Abschnitte  sind  einfach-  oder  doppelttiedertheilig,  die  Blättchen  ganzrandig,  lederig, 
etwas  herablaufend.  Die  Blüthen  sind  weiss,  weichhaarig,  die  Früchte  mit  starken, 
die  Rippen  überragenden  Striemen. 

Der  in  allen  Theilen  der  Pflanze  reichlich  enthaltene  Milchsaft  (Gummiharz) 
ist  das  Ammoniacum  (s.  Bd.  I,  pag.  298). 

Dorema  Aucheri  Boiss.  und  I).  robust  um  Loßus  haben  dreifach- 
fiedertheilige  Grundblätter  mit  schmalen  Blättchen ,  gelbe  Blüthen  und  undeutlich 
gestriemte  Früchte. 

Dorema  aureum  Stocks  ist  nicht  näher  bekannt.  Die  drei  letztgenannten 
Arten  liefern  ebenfalls  Gummiharz,  doch  gelangt  es  entweder  nicht  in  den  Handel 
oder  es  wird  von  Ammoniacum  nicht  unterschieden. 

Dorn  (spinn)  heisst  in  der  beschreibenden  Botanik  ein  in  eine  stachelige  Spitze 
umgewandeltes  Stengel-  oder  Blattgebilde.  Zweigdornen  hat  z.  B.  die  Schlehe, 
Blattdornen  der  Sauerdorn,  die  Robioie.  Von  den  Stacheln  unterscheiden 
sie  sich  wesentlich  dadurch ,  dass  die  letzteren  Oberhautgebilde  sind,  daher  keine 
Gofässbündel  euthalteu  und  leicht  von  ihrer  Unterlage  abgebrochen  werden  können. 

Domapfel,  volksth.  Bezeichnung  für  Datum  Strammonium  L. 

Domstein  bildet  sich  bei  der  DorngrafJirung  oder  Tröpfelgradirung  der  Salz- 
Soole  als  harter,  gelblich-  bis  graulich  -  weisser  krystallinischer  Ueberzug  auf  den 
Zweigen  der  Dornwände,  welche  meist  aus  Prunus  spinosa  gebaut  werden.  Die 
Zusammensetzung  des  Dornsteins  ist  zwar  abhängig  von  der  der  Quellsoole  ,  doch 
weichen  die  Dornsteine  in  den  verschiedensten  Sooleu  nur  wenig  von  einander  ab. 
In  der  Hauptsache  besteht  er  aus  krystallinisckem  Gyps  mit  grösseren  oder  geringeren 
Mengen  von  kohlensaurem  Kalk.  Wenn  uach  einigen  Jahren  der  Dornstein  zu 
stark  wird,  müssen  die  Dornen  herausgenommen  und  durch  neue  ersetzt  werden. 
Der  Dornstein  gibt  getrocknet  und  gemahlen  ein  vorzügliches  Düngemittel  und 
eignet  sich  wegen  seiner  Härte  und  seiner  leichten  Durchlässigkeit  zum  Be- 
streuen von  Wegen,  die  durch  ihre  helle  Farbe  einen  sehr  freundlichen  Eindruck 
machen.  Ganswind  t. 

DorOniCUm.  Gattung  der  Compositae,  l'nterfam.  Senecioneae ,  charakterisirt 
durch  den  nackten  Blütbenboden,  dio  kopfig  abgestutzten  Griffelschcnkel  und  den 
haarigen  Pappus,  welcher  jedoch  den  randständigen  Früchten  fehlt. 

Doronicu  m  Parda  Manches  L.,  Gamswurz,  Kraft-  oder  Schwindel- 
würz,  ist  eine  ausdauernde  rauhhaarige  Pflanze  des  Hochgebirges.  Das  höchstens 


Digitized  by  Google 


DORONICUM.  —  DOSIMETRIE. 


525 


kleinfingerdicke  Rhizom  treibt  Ausläufer,  langstielige,  herzförmige  Grundblätter  und 
einen  bis  über  meterhohen  Stengel  mit  nach  oben  zu  umfassenden  und  sitzenden 
Blättern.  Die  terminalen  gelben  Blflthen  erinnern  an  Amica. 

Radix  D&ronici  galt  mit  Unrecht  für  giftig.  Sie  schmeckt,  wie  übrigens  die 
ganze  Pflanze,  bitter  und  scharf. 

Die  Aehnlichkeit  mit  ^Irntca-Blüthen  lässt  eine  Verwechslung  zu.  Alle  Doro- 
nicum  Arten  haben  aber  viernervige  Zungenblttthen  und  sind  daran ,  sowie  an 
dem  abgestutzten  Griffelschenkel  und  an  den  pappusfreien  Randblttthen  leicht  zu 
erkennen. 

DOrSCh   heissen  mehrere  Gadus-  Arten  (s.  d.  und  Oleum  Jecoris). 

DOPStsniä,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Moraceae,  aus- 
gezeichnet durch  ein  achselständiges,  lang  gestieltes  Receptaculum,  auf  welchem 
Blütheu  beiderlei  Geschlechtes  sitzen,  und  zwar  die  mit  2  Staubgefässen  wenig 
eingesenkt,  die  Q  mit  zweispaltigem  Griffel  in  tiefen  Gruben.  Aus  den  letzteren 
entwickeln  sich  Steinfrüchte. 

Dorstenia  GontrajervaeL.  im  tropischen  Amerika,  besitzt  einen  cylin- 
drischen ,  ein-  oder  zweiköpfigen  Wurzelstock ,  aus  welchem  langgestielte ,  fieder- 
schnittige, buchtig  gezähnte  Grundblätter  entspringen.  Das  Receptaculum  ist 
schildförmig-quadratisch,  am  Rande  gelappt. 

Das  Rhizom  dieser  und  anderer  Arten  gilt  in  den  Heimatländern  als  Mittel 
gegen  Schlangenbiß  und  Fieber. 

Dosimetrie.  ÄTs  Dosimetrie  oder  dosimetrische  Medicin  wird  ein  von 
dem  Genter  Chirurgen  Burggrakve  eingeführtes  und  jetzt  in  Belgien,  Frankreich, 
Holland ,  Italien  und  Spanien  verbreitetes  Verfahren  der  Krankheitsbehandlung 
bezeichnet,  dessen  Grundlage  die  ausschliessliche  Verwendung  chemisch  reiner  und 
meist  stark  wirkender  Arzneistoffe  in  steigender  Dosis  bis  zur  Erzielung  physio- 
logischer Wirkungen  ist.  Der  Name  (von  o*6fft;,  Gabe  und  uirpov,  Maas»)  ist 
gewählt,  weil  die  Medicameute  in  genau  abgemessenen  Gaben  dargereicht  werden, 
wozu  sich  die  Anhänger  der  Methode  der  homöopathischen  Streukügelchen  (Granules) 
aus  Milchzucker,  die  mit  einer  Lösung  der  activen  Stoffe  imprägnirt  sind,  ausnahms- 
weise auch  aus  indifferenten  Materialien  dargestellter  Pillen,  Pulver,  sowie  der 
Leimformen  bedienen.  Die  Materia  mediea  der  dosimetrischen  Medicin,  wie  sie  von 
Burggraeve  aufgestellt  wurde,  besteht  mit  Ausnahme  von  wenigen  mehr  indiffe- 
renten Pflanzenstoffen  (Cubebin,  Quercin,  Asparagin,  baldriansaure  Salze)  vor- 
waltend aus  den  Alkaloiden  (Aconit  in,  Atropin ,  Brucin ,  Col  chicin,  Coniin, 
Daturin,  Hyoscyamin,  Picrotoxin,  Strychnin,  Veratrin)  und  Glycosidon  (Bryonin, 
Digitalin,  Eiaterin ,  Sc  Mit  inj  ,  ausserdem  aus  verschiedenen,  mehr  oder  minder 
stark  wirkeuden  unorganischen  Stötten ,  wie  Jod ,  Calciummouosulfat  (das  Haupt- 
mittel der  Dosimetrie  bei  Diphtheritis)  und  eine  reiche  Suite  vou  Arsenikalien. 
Neuerdiugs  hat  Renterghhm  den  fraglichen  Arzneisehatz  noch  bedeutend  erweitert. 
Die  stärksten  Mittel  werden  zu  \,  2,  andere  zu  1  mg,  die  schwächeren  zu  1  cg  im 
Anfange  gegeben,  welche  Mengen  auch  die  in  der  auf  Bdrggkaeve's  Veranlassung 
in  Paris  gegründeten  Fabrik  des  Apothekers  Chanteaid  gefertigten  Granulös 
dosimetriques,  welche  die  fragliche  Firma  in  Schachteln  mit  10  Röhren  &  20  Granules 
ihren  Abnehmern  liefert,  enthalten  sollen.  Die  einzelnen  Mittel  werden  ent- 
weder für  sich  oder  combinirt,  in  letzterem  Falle,  um  neben  dem  Hauptfactor  der 
Krankheit  (Dominaute  der  Dosimetriker)  aueh  die  mitwirkenden  Ursachen 
( Variante)  zu  bekämpfen,  gegeben,  in  fieberhaften  Affeetionen  namentlich  im 
Beginne  in  sehr  kurzen  Intervallen  (  l:t  — 1  2  Stunde),  um  dem  Entstehen  örtlicher 
Veränderungen  vorzubeugen.  Eine  Kritik  der  Methode  selbst  gehört  nicht  hierher; 
dagegen  muss  bezüglich  der  von  Burggkaeve  eingeführten  Form  der  Streu- 
kügelchen geltend  gemacht  werden,  dass  dieselbe  für  die  wirklich  exaete  Dosirung 
sehr  ungünstige  Chancen  bietet,  wie  denn  auch  Wefers  Bettink  die  Ch a N T ka u  p*  seh  en 
Granules  ganz  ungenau  dosirt  fand,  und  dass  ausserdem  manche  der  in  Chantkaud's 

Digitized  by  Google 


DOSIMETRIE.  —  DOSIS. 


Granules  vorhandenen  chemischen  Pflanzenstoffe  (Scillitin,  Elaterin)  nach  der  hohen 

Dosirung  keine  reinen  Stoffe  sind. 

Literatur:  Van  Rentorgbem,  Corapendium  de  medecine  dosimetrique  (Preisschrift). 
Paris  1886.  Th  Husemann. 

DoSirungsflaSChe,  eine  für  den  Gebrauch  des  Patienten  bestimmte  Flasche, 
die  bei  Umkehrung  und  gewisser  Stellung  des  Stöpsels  erlaubt,  dass  der  hohle 
Stöpsel,  der  gerade  den  Inhalt  eines  Esslöffels  oder  Kaffeelöffels  fasst ,  sich  füllt. 
Nactj  Drehung  des  Stöpsels  um  seine  Axe  wird  die  Verbindung  zwischen  Stöpsel 
und  Flasche  unterbrochen  und  der  Patient  kann,  nachdem  die  Flasche  in  ihre 
richtige  Stellung  zurückgebracht  und  der  Kork  von  dem  Tubus  im  Stöpsel  entfernt 
worden  ist,  direet  aus  dem  Stöpsel  der  Flasche  die  Medicin  nehmen. 

Dosirungsgläser,  Ei  nnehmegläser,  sind  kleine  etwas  conische  Trink- 
gläser mit  glattgeschliffenem  Rand,  die  in  der  Wandung  Striche  und  die  betreffen- 
den Bezeichnungen  „Esslöffel,  Kaffeelöffel"  oder  „5ecm,  lOccm"  tragen  und  zum 
bequemeren  und  sicheren  Eingeben  von  Arzneien  dienen. 

DosiS  (von  &ou>fu,  geben)  oder  Gabe  bezeichnet  die  Menge,  in  der  ein 
Arzneimittel  oder  Gift  in  den  Organismus  gelangt. 

Man  neunt  die  Quantität,  in  der  ein  Medicament  unter  gewöhnlichen  Verhalt- 
nissen beim  Erwachsenen  gegeben  wird,  die  medicinale  Gabe  oder  Mittel- 
gabe, Dosts  medicinalis  s.  media.  Mengen  von  Arzneimitteln  welche  bestimmte 
Erscheinungen  bei  Gesunden  und  Kranken  hervorrufen,  heissen  im  Gegensatze  zu 
kleineren  Mengen  derselben,  welche  dies  nicht  thun,  physiologische  Dosis, 
Dosis  physiologica.  Bei  Ueberschreitung  dieser  Quantitäten,  resultiren  toxische 
Mengen,  welche  in  der  Therapie  nur  ausnahmsweise  zulässig  sind  und  von 
bestimmten  Stoffen  nur  auf  ausdrückliche  Vorschrift  des  Arztes  dispensirt  werden 
dürfen.  Diejenigen  Dosen ,  welche  der  Arzt  ohne  Gefahr  für  das  Wohl  seiner 
Patienten  nicht  überschreiten  darf  und  welche  ohne  besonderen  A'ormerk  auf  dem 
Recepte  nicht  expedirt  werden  dürfen,  heissen  Maximaldosen,  Dosis  maxima. 
Von  toxicologischem  Gesichtspunkte  aus  unterscheidet  man  eine  giftigeDosis, 
Dosis  toxica,  als  eine  solche,  welche  Vergiftungserscheinungen  mit  nicht  tödt- 
lichem  Ausgange  hervorruft,  von  der  tödtlichen  Dosis,  Dosis  letalis,  als 
derjenigen  Menge,  welche  gewöhnlich  den  Tod  bedingt,  wobei  man  auch  noch  die 
geringste  Menge  eines  Giftes,  welche  den  Tod  herbeiführen  kann,  als  minimal 
letale  Gabe,  Dosis  letalis  minima,  bezeichnet.  Die  Franzosen  halten  diese  Unter- 
schiede nicht  fest,  insofern  sie  unter  Dose  toxique  häutig  die  letale  Giftmenge  verstehen. 

Die  Dosis  ist  vou  allen  Bedingungen  der  Arznei-  und  Giftwirkuug  die  aller- 
wichtigste.  Selbst  die  giftigsten  Substanzen,  die,  wie  Aconitoxin,  Blausäure,  Nicotin, 
in  Dosen  von  weniger  als  1  mg  toxisch  werden  können,  verlieren  in  noch  geringeren 
Mengen  jede  Spur  einer  Wirkung  auf  den  Organismus.  Die  Annahme,  dass  solche 
infinitesimale  Mengen  eines  activen  Stoffs  diejenigen  Krankheitserscheinungen  be- 
seitigen, welche  grosse  Mengen  desselben  hervorrufen,  ist  eine  Fabel.  Die  Gaben- 
grösse  hat  übrigens  nicht  allein  auf  das  Quantum  des  Effects,  sondern  auch  auf  die 
Qualität  der  Wirkung  besonderen  Kinfluss.  Es  rührt  dies  manchmal  davon  her,  dass  ein 
Arzneikörper  mehrere  active  Substanzen  von  verschiedenartiger  Wirkung  ein- 
schliesst,  vou  denen  die  Wirkung  des  erneu  sich  bei  geringen  Gaben  nicht  geltend 
macht,  weil  er  in  solchen  nicht  wirkt,  z.  B.  die  purgirenden  Stoffe  des  Rhabarbers 
bei  kleinen  Dosen  desselben.  In  vielen  Fällen  zeigt  sich  aber  auch  erhebliche 
Wirkungsverschiedenheit  bei  differenten  Mengen  desselben  Körpers,  und  insbesondere 
kommt  es  häufig  vor,  dass  Stoffe,  welche  in  mittleren  Dosen  erregend  wirken,  in 
grösseren  die  Function  desselben  Körpertheils  schwächen  (Alkohol,  Aether,  Kampher. 
Veratrin  u.  a.  m.  i.  In  anderen  Fällen  tritt  bei  grossen  Dosen  eine  besondere  Wirkung 
auf  bestimmte  Organe  hervor.  So  bedingt  Brechweinstein  in  einer  gewissen  Dosis  durch 
Reizung  der  Magenschleimhaut  und  der  Darmperistaltik  Erbrechen  und  Abführen, 
während  kleinere  Dosen  dies  nicht  thun ,  dagegen   zur  Resorption  gelangen  und 


Digitized  by  Googl 


DOSIS.  527 

auf  Kreislauf  und  Athmung  wirken ;  ebenso  bleiben  bei  erheblichen  toxischen  Gaben, 
hier  aber  in  Folge  von  Lähmung  der  Darmnerven,  die  Brechdurchfälle  aus  und 
resultiren  nur  entfernte  Vergiftungserscheinungen.  Der  Brechweinstein  bildet  auch 
ein  schlagendes  Beispiel  für  den  Satz,  das»  es  keineswegs  gleichgiltig  ist,  ob  man 
dieselbe  Menge  des  Medicamentes  auf  einmal,  oder  in  vertbeilten  Gaben  im  Laufe 
des  Tages  verabreicht.  Man  hat,  von  der  Hauptwirkung  ausgehend,  in  älterer  Zeit 
beim  Tartarus  stibiatus  u.  a.  analog  wirkenden  Stoffen  eine  brechenerregende  oder 
volle  Gabe,  Dosis  plena,  und  in  verschiedene  Bruchtheile  zerlegte  oder  ge- 
brochene Gabe,  Dosh  refracta,  unterschieden;  doch  kann  man  ebenso  gut 
von  kleben  und  grossen  Einzelgaben  reden,  zumal  wenn  man,  wie  es  bei  uns 
üblich  ist,  die  Einzeldosis  als  diejenige  Menge  betrachtet,  von  welcher  aus  man 
die  Gesammtgabe  für  den  Tag,  die  Tagesgabe,  berechnet.  Bei  angemessenen 
Zwischenräumen  zwischen  den  Einzelgaben  ist  selbst  in  Bezug  auf  Maximaldosen 
nur  bei  Stoffen  mit  cumulati  verWirkung  (s.  Bd.  III,  pag.  331)  die  besondere 
Bestimmung  einer  Tagesgabe  nothwendig. 

Die  mittlere  Dosis  medicamentöser  und  toxischer  Substanzen  wird  durch  eine 
Anzahl  von  Umständen  wesentlich  alterirt;  namentlich  gilt  dies  von  Stoffen  mit 
Resorptionswirkung  (Bd.  I,  pag.  657),  bei  welcher  alle  Momente,  welche  das  Ver- 
halfcniss  der  Menge  des  zu  einer  gegebenen  Zeit  im  Blute  und  in  den  Geweben 
vorhandenen  Arzneimittels  zu  der  Masse  des  Körpers  alteriren ,  in's  Gewicht 
fallen.  Dahin  gehören  in  erster  Linie  Grösse  und  Körpergewicht,  worauf  auch 
wesentlich  die  Einflüsse  des  Lebensalters  und  des  Geschlechts  zurückzufahren  sind, 
insofern  selbstverständlich  in  dem  Körper  eines  Erwachsenen  das  von  einem  Medica- 
mente oder  Gifte  beeinflusste  Organ  von  diesen  geringere  Menge  erhält  als  bei  einem 
halb  so  grossen  und  halb  so  schweren*  Kinde.  So  erklärt  auch  der  Umstand,  dass 
Frauen  leichter  als  Männer  sind,  die  Thatsaehe,  dass  die  mittlere  medicinale  Dosis 
sich  bei  ersteren  niedriger  (auf  etwa  Dreiviertel)  stellt.  Das  Gewicht  ist  für  die 
toxische  und  letale  Dosis  von  solcher  Bedeutung,  dass  in  wissenschaftlichen  Unter- 
suchungen nur  die  relative  Dosis,  d.  h.  die  für  ein  Kilogramm  giftige,  be- 
ziehungsweise tödtliche  Menge  angegeben  wird,  die  allerdings  für  verschiedene 
Thierspecies  sehr  different  aasfällt  Man  hat  für  das  Verhältniss  der  medicinalen 
Dosis  in  den  einzelnen  Jahren  des  kindlichen  Lebensalters  bestimmte  Dosen- 
scalen  aufgestellt,  die  jedoch  vielfache  Modifikationen  erleiden  müssen,  wenn, 
wie  so  häufig,  das  Kind  durch  ungewöhnliche  Grösse  oder  Schwere  oder  umge- 
kehrt durch  Kleinheit  und  Magerkeit  von  den  Altersgenossen  abweicht.  Die  älteste 
Scala  von  Juncker,  gewöhnlich  als  diejenige  von  Ganbiüs  bezeichnet,  normirt  die 
Dosis  für  das  Lebensalter  von  weniger  als  1  Jahr  auf  1  15 — 1  14,  von  1—2  Jahren 
auf  1  e,  von  2 — 3  Jahren  auf  1  „,  von  3 — 4  Jahren  auf  J/4,  von  4 — 7  Jahren  auf 
1  3,  von  7 — 14  Jahren  auf  1  3  und  von  14 — 20  Jahren  auf  4;3  der  Normaldose 
für  den  Erwachseneu  (=  1).  Young  berechnet  die  Dosis  für  Kinder  unter 
12  Jahren  so,  dass  er  dem  Alter  des  Kindes  12  Jahre  hinzuzählt  und  die  Summe 

durch  das   Lebensalter   dividirt ,   so   für   2  Jahre       0 — =  ^'   für   3  Jahre 

3  4- 12      1  £t 

-  -    ■■  =  5  u.  s.  w. ,  Cholmley  so,  dass  er  die  Zahl  des  nächsten  Geburtstages 

mit  25  dividirt,  so  für  ein  4jähriges  Kind  ft  25 ,  für  ein  6jahrigea  7, 15,  eine  Be- 
rechnungsweise, welche  namentlich  für  das  metrische  Gewichtssystem  (bei  Multipli- 
cation  mit  4)  sehr  bequem  ist  (Brunton*).  In  Deutschland  ist  die  Scala  von 
HüFKLAND  am  gebräuchlichsten,  welche,  wenn  man  die  Normaldosis  (25 — 50  Jahre) 
»uf  100  setzt,  folgende  Ziffern  gibt: 

V,—  2  Monat  1.25-  5  1-  *  Jahre  25  -32.5 

1-  2  „                              5-10  2-3  „   32.5-40 

2-  3  „   10-12.5  3-  4  „   40-45 

3-  5  „   12.5—15  4-5  „   45  -50 

5—7  „   15-17.5  5-10  „   50  —«2-5 

7-  9  „   17.5^  20  10-20  „    62.5-87.5 

9-11  „    22.5-25     :  20-25  „   S7.5-10O 

Digitized  by  Google 


DOSIS.  —  DOSOLOGIA. 


Diese  Scala  bat  den  Vorzug,  dass  sie  namentlich  für  die  jüngsten  Lebens- 
perioden unter  keinen  Umstanden  schädliche  Normaldosen  gibt,  ist  aber  ebenso 
wenig  wie  eine  der  anderen  auf  rationelle  Principien  basirt.  Allerdings  entspricht 
das  Verhältniss  des  Körpergewichts  des  Neugeborenen  (1 :  20)  zu  dem  des  Er- 
wachsenen ganz  gut  der  HuFELANü'schen  Zahl,  namentlich  wenn  man  hinzunünmt, 
dass  die  Blutmenge  beim  Neugeborenen  1/10,  beim  Erwachsenen  1  I3  des  Gesammt- 
gewichtes  ausmacht :  ebenso  ist  die  Ziffer  für  den  2.  Lebensmonat  annähernd  richtig, 
da  bis  dahin  das  Körpergewicht  sieh  verdoppelt  hat.  dagegen  ist  die  Zunahme  in 
den  ersten  Lebensmonaten  keineswegs  eine  so  gleichmäsaige,  wie  sie  Hüfelaxd's 
Scala  voraussetzt,  und  in  Bezug  auf  die  späteren  Jahre  ist  kein  Parallelismus  der 
Zunahme  des  Körpergewichts,  das  sich  vom  ersten  bis  zum  siebenten  Jahre  wieder 
und  bis  zum  13.  Lebengjahre  noch  einmal  verdoppelt,  ersichtlich.  Es  muss  übrigens 
hervorgehoben  werden,  dass  die  allgemeinen  Regeln  der  Scalen  viele  Abweichungen 
bei  einzelnen  Mitteln  erleiden.  Besonders  niedrig  ist  bei  Kindern  die  Dosis  des 
Morphins  und  Opiums,  offenbar  entsprechend  der  geringeren  Schwere  und  Ent- 
wicklung des  Gehirns,  auf  welche  sie  wirken;  die  nach  den  Scalen  sich  berech- 
nenden Maximaldosen  für  Neugeborene  bedingen  heftige  Vergiftungserscheinungen. 
Drastica  können  in  sehr  niedrigen  Dosen  bei  Kindern  Gollaps  erzeugen.  Merk- 
würdig sind  nach  Versuchen  von  G.  A.  Falck  die  ebenfalls  mit  Differenzen  der 
Nervencentren  zusammenhängenden  Dosenverhältnisse  des  Strychnins,  das  bei  neu- 
geborenen Thieren,  wo  es  nur  schwierig  Tetanus  erzeugt,  etwa  dieselbe  Giftigkeit 
wie  beim  erwachsenen  zeigt,  vom  10 — 40.  Tage  aber  weit  heftiger  wirkte. 
Hufeland  hat  auch  für  die  höheren  Lebensalter  (von  50 — 70  Jahren  100 — 75, 
von  70 — 80  Jahren  70 — 62.5)  Dosenverhältnisse  aufgestellt,  die  indeas  auch 
häufige  Ausnahmen  erfahren,  indem  in  allen  •Lebensperioden  ein  sehr  geschwächter 
Zustand  Erniedrigung,  dagegen  relativ  kräftige  Constitution  Erhöhung  der  Arznei- 
gaben bedingt. 

Andere  Modification  der  Dosis  bedingende  Momente  verdanken  ihren  Einfluß 
ihren  Beziehungen  zu  den  beiden  Factoren ,  von  denen  die  Grösse  der  zu  einer 
gegebenen  Zeit  im  Blute  vorhandenen  heilsamen  oder  giftigen  Substanz  abhängt, 
zur  Aufsaugung  und  Elimination.  Was  die  Resorption  fördert,  erniedrigt,  was  jene 
bindert,  steigert  die  Gabengrösse;  bei  der  Elimination  ist  es  umgekehrt.  So 
erklären  sich  die  Dosenverhältnisse  bei  den  verschiedenen  Applieationsweisen. 
Setzen  wir  die  interne  medicinale  Mitteldosis  =  1 ,  so  ist  die  Dosis  medic.  bei 
directer  Einführung  iu's  Blut  =  1  s — 1  4  ,  bei  intraperitonealer  Injeetion  =  1 
dagegen  bei  endermatischer  Application  =  2,  bei  epidermatischer  Application  =  3—6, 
überall  entsprechend  der  vennehrten,  beziehungsweise  veringerten  Aufsaugung.  Bei 
der  Subcutaninjection  gleicht  die  beschleunigte  Elimination  wieder  die  beschleunigte 
Resorption  aus ,  so  dass  die  Dosis  hier  ziemlich  genau  der  internen  entspricht. 
Die  alte  Ansicht,  dass  bei  Application  in  das  Rectum  die  Dosis  doppelt  so  hoch 
wie  bei  interner  Application  zu  geben  sei,  ist  durch  neuere  Untersuchung  wider- 
legt. Die  Bedeutung  der  Elimination  zeigt  sich  besonders  in  dem  Eintlusse  von 
Nierenkrankbeiten  auf  die  Dosen  narcotischer  Stoffe  und  demjenigen  der  Nieren- 
exstirpation  auf  interne  Curaredosen  (Bd.  I,  pag.  (567),  die  Bedeutung  der  Re- 
sorptionsgeschwindigkeit  in  demjenigen  der  Darreichungsformen  und  des  Magen- 
inhalts auf  Arznei-  und  Giftmenge  im  Allgemeinen  (Bd.  1,  pag.  665;. 

Der  modificirende  Eiufluss  verschiedener  Krankheitszustände  auf  die  Doseu 
wurde  bereits  bei  der  Arzneiwirkung  (Bd.  I,  pag.  667)  besprochen;  den  Eiufluss  der 
Gewöhnung  und  der  Immunität  s.  in  den  betreffenden  Artikeln. 

Th.  Husemann. 

D0Si8  letaÜ8,  D08I3  tOXiCa,  siehe  den  vorigen  Artikel. 

DOSOlogia  (Mcu;,  Gabe;  aovo;.  Lehre),  die  auch  als  PomJogie  bezeichnete 
Abtheilung  der  Pharmakologie,  welche  die  Arzneigaben  behandelt. 

Th.  Husemann. 


Digitized  by  Googl 


1 


DOSTEN.  —  DOüNDAKE.  529 

Dosten,  volksth.  Name  für  Origanum.  —  Brauner  oder  gemeiner 
Dosten  ist  Origanum  vulgare  L.t  kretischer  oder  spanischer  Dosten 
ist  Origanum  smyrnaeum  L.  oder  Origanum  hirtum  Lk. 

D08t6n Öl.  Das  ätherische  Gel  von  Origanum  vulgare  L.,  dnreh  Destillation 
aus  dem  frischen  blühenden  Kraut  mit  Wasserdampf  gewonnen ,  ist  nach  der 
Bereitung  ein  schwach  hellgelbes,  mit  der  Zeit  durch  Sauerstoffaufnahme  dunkler 
gelb  werdendes  Oel  von  charakteristischem  starkem  Geruch  und  scharfem  Geschmack, 
hat  ein  spec.  Gew.  von  0.87—0.97  und  siedet  constant  bei  161°.  Es  gehört  zu 
der  Classe  der  lediglich  aus  Terpenen  C10  H16  oder  Polyterpenen  (Cl0H,e)D  be- 
stehenden ätherischen  Oele,  wogegen  Kabe  (Journal  f.  prakt.  Chemie)  die  Formel 
C50Hl0O  angibt.  Gans  wind  t. 

Dotter  ist  jener  Theil  des  thierischen  Eies ,  welcher  zur  Bildung  oder  auch 
zur  Ernährung  des  Embryo  bestimmt  ist :  Bildungsdotter  und  Nahrungsdotter.  Bei 
den  Eiern  der  Vögel,  Amphibien  und  Fische  macht  der  Nahrungsdotter  (das  Ei- 
gelb) den  überwiegenden  Bestandteil  aus.  Beim  Vogelei  stellt  der  sogenannte 
„Hahnentritt",  ein  nahe  der  Oberfläche  des  Dotters  gelegener  weisser  Fleck,  den 
Bildungsdotter  vor.  Der  Nahrungsdotter  betheiligt  sich  nicht  morphologisch,  son- 
dern nur  durch  Abgabe  seiner  chemischen  Bestandtheile  am  Aufbau  des  Embryo. 
Als  Nahrungsmittel  hat  der  Dotter  einen  hohen  Werth  wegen  seines  Reichthumes  an 
Eiweisskörpern ;  er  enthält  51.8  Wasser,  16.8  Vitellin,  1.5  NucleYn,  20.3  Fette 
(Palmitin,  8tearin,  Olero),  0.4  Cholesterin,  1.2  Glycerinphosphorsäure ,  7.2  Leci- 
thin, 0.3  Cerebrin,  0.5  Farbstoffe,  1.0  8alze. 

Dotterbllimenkraut  ist  Herba  Oalendulae.  —  Dotterkraut  ist  Gamelina 
tativa. 

DotterÖl.  Die  Bezeichnung  Dottertfl  wird  meist  für  das  Oel  aus  Camelina 
sativa  Crz.,  dem  Leindotter,  zuweilen  auch  für  Eieröl  gebraucht  (s.  Leindotteröl 
und  Eieröl). 

Doublet.  Das  Doublet  besteht  aus  zwei  fest  miteinander  verbundenen  plan- 
convexen  Linsen,  welche  entweder  wie  bei  dem  WoLLASTON  schen  Doublet  mit 
ihren  convexen  Seiten  nach  uuten  geweudet  erscheinen,  oder  wie  bei  den  ueueren 
diese  einander  zugekehrt  haben.  Dasselbe  hat  vor  der  einfachen  Lupe  den  Vortheil, 
dass  es  unter  sonst  gleichen  Umständen  eine  vollkommenere  Verbesserung  der 
beiden  Abweichungen  gestattet ,  während  es  zugleich  eine  grössere  Oeffnung  und 
damit  in  Verbindung  stehend  grössere  Lichtstärke  und  ein  ausgedehnteres  und 
mehr  geebnetes  Sehfeld  besitzt. 

Die  Fassung  des  Doublet*  ist  schon  wegen  der  erforderlichen  Annäherung  des 
Auges  an  die  obere  Linse  am  besten  eine  schüsseiförmige  Messingfaasung ,  in 
welcher  die  einzelnen  Linsen  fest  eingesetzt  und  durch  Verschraubung  in  bestimm- 
tem Abstände  miteinander  verbunden  sind,  während  die  zur  Abhaltung  der  schäd- 
lichen Randstrahlen  dienende,  mit  der  Fassung  fest  verbundene  Blendung  entweder 
dicht  hinter  der  vorderen  oder  vor  der  vorderen  Linse  liegen  kann.  Dippel. 

DOUChe,  s.  Bad,  Bd.  II,  pag.  110. 

DoUfldake,  aueh  Njimo,  Quinquina  africain  und  Quinquina  de 
Rio-Nunez  genannt,  ist  die  Kinde  einer  west-afrikanischen  Rubiacee  (Sarco- 
cep/ialus  escnlentu8  Afz.) ,  in  welcher  Rochefontaine,  Feris  und  Marcus  ein 
fieberwidriges  Alkaloid,  Donndakin.  gefunden  haben  wollen. 

Nach  den  neuesten  Untersuchungen  von  Haeckel  und  Schlag denhauffen 
(Journ.  de  Pharm,  et  de  Chimie,  1885,  Nr.  8),  enthält  sie  jedoch  kein  Alkaloid, 
sondern  zwei  bittere,  in  Alkohol  und  Wasser  verschieden  lösliche,  stickstoffhaltige, 
gelbe  Farbstoffe,  welche  tonische  uud  fieberwidrige  Eigenschaften  besitzen.  Den 
Namen  Doundakin  übertragen  sie  auf  diesen  Farbstoff. 

Itaal-Eueydoptdi.  der  ge*.  Ph.rn.de.  tili.  ^jgitized  by  Google 


530 


DOUNDAKfe.  —  DRACHENBLUT. 


Das  Holz  ist  nach  Niederstadt  (Ph.  Centralh.  1887)  gelb  gefärbt,  stellenweise 
röthlich  geflammt,  grobporig,  von  bitterem  Geschmack  und  an  Moschus  erinnern- 
dem Geruch.  Es  enthält  einen  aromatischen  Bitterstoff  und  einen  fluorescirenden 
Farbstoff,  aber  keine  Alkaloide. 

DOWer'SCheS  Pulver  =  Pulvis  DoverTPh.  Austr.,  und  Pulvis  Ipecacuanhae 
opiatus  Ph.  Germ.;  beide  Mischungen  entsprechen  aber  dem  eigentlichen  Doweb- 
schen  Pulver  nicht,  insofern  die  Ph.  Austr.  das  schwefelsaure  Kali  der  alten 
Vorschrift  durch  Saccharum  albnm,  die  Ph.  Germ,  durch  Saccharum  lactis  er- 
setzen läS8t. 

dr.  DräChmC,  früher  gebräuchliches  Apothekergewicht.  Das  Zeichen  war  3 ; 
eine  Drachme  ist  abgerundet  (laut  Ministerialverfügung)  =  3.75  g.  —  fl.  ,drm  = 
Fluid  drachin.,  in  England  und  Amerika  gebräuchliches  Maass,  ist  in  England  — 
3.549 ccm,  in  Amerika  =  3.70 ccm.  —  S.  Gewichte  und  Maasse. 

Dracaena,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Gruppe  der  Liliaceae,  Unter 
familie  Asparagacme.  Ihr  geringelter  Stamm  mit  einer  Krone  schilfartiger  Blnitt  r 
erinnert  an  Palmen.  Die  Blüthen  sind  zwitterig  und  stehen  in  Rispen.  Das  Perigon 
ist  röhrig  sechstheilig,  im  Schlünde  sind  die  6  Staubgefässe  mit  introrsen  Antheren 
in  einer  Reihe  inserirt  Der  Fruchtknoten  ist  dreifächerig  mit  je  einer  Samen- 
knospe, die  reife  Beere  jedoch  enthält  häufig  nur  einen  oder  zwei  Samen  mit 
hornigem  Eiweiss. 

Dracaena  Draco  L.,  der  Drachenbaum  der  Canarischen  Inseln,  wird 
über  20  m  hoch  und  trägt  fast  3  m  lange  Blätter.  Die  endständige  Blüthenrispe 
ist  unscheinbar  gefärbt,  auffallend  ist  aber  der  Fruchtstand  durch  die  orangegeltan 
kirschgrossen  Beeren.  Aus  dem  angeschnittenen  Summe  fliesst  eine  Art  Drachen- 
b  1  u  t  (s.  d.),  welches  aber  nicht  in  den  Handel  kommt. 

Eine  nahe  verwandte,  mit  ihr  vielleicht  identische  Art,  D  r  a  caena  Ombet 
Kotschy,  in  Ostindien  und  an  der  Ostküste  Afrikas,  liefert  das  Drachenblut 
von  Socotora. 

Drachenblut,  Sanguis  Drnconis,  ist  das  rothe  harzartige  Product  einer  An- 
zahl Bäume  der  alten  und  neuen  Welt  von  sehr  verschiedener  Faimlienange- 
hörigkeit. 

1.  Die  jetzt  kaum  noch  medicinisch  verwendete,  aber  in  der  ersten  Ausgabe 
der  Ph.  Germ,  noch  angeführte  Resina  Drnconis  stammt  von  der  Rotang-Palme, 
Galamus  Draco  Wüld.  und  wird  auf  Borneo,  Sumatra  und  Penang  gesammelt, 
ist  auch  als  indisches  oder  Palmendrachenblut  bezeichnet. 

Diese  Droge  ist  das  an  den  Früchten  der  Rotang-Palme  sitzende  Harz,  von 
welchen  es  durch  Abklopfen  befreit  wird.  Durch  Sonnenwärme  oder  heisse  Wasser- 
dämpfe erweicht,  wird  es  zu  fingerdicken,  etwa  viertelmeterlangen  Cylindern  oder 
flachen  Kuchen  geformt  und  in  Palmblätter  eingewickelt,  mitunter  werden  aas  der 
Masse  auch  Kugeln  von  etwa  30.0  Gewicht  geformt  und  in  Reihen  in  Palmblätter 
eingewickelt.  Die  als  Sanguis  Drnconis  in  granis  bezeichnete  Sorte  gehört  auch 
zu  dieser  Handelsform,  bildet  aber  kleinere  bis  haselnussgrosse  Körner  und  kommt 
ebenso  wie  die  Kugel  form  wohl  nur  noch  selten  vor. 

Weniger  reinos  Harz  mit  Staub  und  vielen  Ueberresten  der  Fruehtaehuppen 
vermischt  wird  als  S.  Draconis  in  massis  bezeichnet. 

Es  ist  auf  dem  Bruche  earminroth,  aussen  braunroth  und  liefert  hochrothes 
Pulver.  Kleinere  Splitter  sind  durchscheinend.  Geschmack  kratzend,  Geruch  fehlt. 

Als  Anhaltspunkt  zur  Benrtheilung,  ob  Palmendrachenblut  vorliegt,  kann  die 
Gegenwart  von  Fruchtschuppenresten  gelten,  von  welchen  auch  die  beste  Waare 
nicht  ganz  frei  zu  sein  pflegt. 

2.  Canarisches  Drachenblut,  heute  nur  noch  selten  im  Handel,  besteht 
stets  aus  unregelraässigen  Stücken  und  bildet  das  eingetrocknete  harzartige  Pro- 
duct verschiedener  Dracaena- Arten  (Liliaceeu). 


Digitized  by  Google 


DRACHENBLUT. 


531 


Von  Dracaenen  stammt  auch  das  Drachenblut  der  Somaliküste  und  der  Insel  Socotra, 
welche  Gegenden  das  Draehenblut  des  Alterthums  lieferten.  Ebenso  das  von  Madeira. 

Die  muthmassliohen  Stammpflanzen  sind  Dracaena  Ombet  Kotschy,  D.  schizantha 
Baker  und  D.  Cinnabari  (?).    Das  Harz  von  Madeira  stammt  von  D.  Draco  L. 

3.  Amerikanisches  Drachenblut.  Stammt  von  Fterocarpus  Draco  L. 
(Papüionaceae)  in  Westindien,  Groton  Draco  Schlechtend.  in  Mexico,  Dalbergia 
monetär ia  L.  in  Surinam  und  Croton  hibiscifolius  Müll.  Arg.  in  Nicaragua;  doch 
haben  diese  Sorten  für  den  europäischen  Markt  keine  Bedeutung. 

Alle  Sorten  werden  in  der  Technik  zur  Lackfabrikation  vielfach  benutzt  und 
nach  der  Rothe  des  auf  Papier  mit  ihnen  erzeugten  Striches  beurtheilt. 

Bei  Beurtbeilung  der  Handelssorten  kommt  es  weniger  auf  die  Abstammung 
als  auf  die  Verunreinigungen  an,  welche  im  Zusatz  von  Harzen,  Gummiarten  und 
Farbstoffen ,  z.  B.  Fernambukholz  und  rothem  Eisenoxyd  bestehen.  Insbesondere 
werden  solche  Zusätze  zu  Harz  geringerer  8orte  gemacht,  welches  durch  Aus- 
kochen der  letzten  Reste  aus  den  Früchteri  gewonnen  wird. 

Zur  Beurtbeilung  der  Abstammung  ist  auf  die  Form  der  Droge  kein  zu  grosser 
Werth  zu  legen,  denn  Körner,  Kuchen  und  vor  Allem  Massendrachenblut  wird 
von  den  verschiedensten  Stammpflanzen  in  deu  Handel  gebracht,  z.  B.  liefert 
Pteroearpus  Draco  sehr  schönes  Renna  Draconis  in  Körnern,  die  man  leicht 
für  ostindisches  Palmenharz  halten  könnte. 

Das  Harz  von  Calamm  Draco  ist  löslich  in  Alkohol,  concentrirter  Essigsäure, 
Benzol,  Schwefelkohlenstoff,  Petroleum,  Chloroform,  indem  es  hierbei  etwa  20  Pro- 
cent Verunreinigungen  (Sand,  Holz,  Fruchtschuppen)  hinterlässt. 

Gutes  Drachenblut,  nicht  nur  das  Palmenharz,  darf  gepulvert  zwischen  den 
Fingern  nicht  zusammenkleben.  Unverfälschte  Sorten  gebeu  auf  Zusatz  von 
Eisenchlorid  zur  spirituösen  Lösung  einen  gelbbraunen,  nicht  braunen  Nieder- 
schlag. Ammoniak  gibt  mit  reinem  Harz  eine  blutrotbe  Färbung.  Chloroform 
darf  keinen  gelben  Auszug  liefern,  sondern  entweder  eine  rothe  oder  farblose 
Lösung.  Concentrirte  Schwefelsäure  darf  das  reine  Harz  nicht  rothbraun  lösen, 
sondern  nur  gelbbraun.  Petroleumäther  löst  Draehenblut  fast  gar  nicht,  wohl 
aber  beigemengtes  Harz  der  Coniferen,  daher  sind  Sorten,  welche  mehr  als  etwa 
8  Procent  an  Petrolätber  abgeben,  verdächtig,  sicher  aber  verfälscht,  wenn  sich 
diese  Zahl  bedeutend  erhöht. 

Das  Palmenharz  besteht  aus  einem  Gemisch  mehrerer  Harze  und  enthält  nach 
verschiedenen  Untersuchungen  Zimmtsäure,  was  aber  nicht  immer  der  Fall  zu  sein 
scheint,  wenigstens  konnte  Flückiger  dieselbe  nicht  autfinden. 

Tabelle  zur  Unterscheidung  des  ostindischen  Palmenbarzes  von  Dracaenenharz 
nach  Flückiger's  Untersuchungen. 


1 

\ 

Farbe  der 
||  Lösung 

Bleizucke  r- 
löHung  gibt 

Kochung 
mit  Aetz- 
kalk  gibt 

Filtrat  der 
Aetrkalk- 
kochung 
mit  Kohlen- 
säure be- 
handelt 

Das  Harz 

mit  wiia-e- 
riger  Soda- 
lösiiug  ge- 
kocht 

Salzsäure 
fallt  aus  der 
Lösung  in 
Soda 

Verdun- 
stungsrück 
staud  der 
Sodalösung 
in  Alkohol 
gelöst 

Palmen-  brnunroth, 
Draehenblut    stark  ver- 
in   «eingeigt  dünnt 
gelöst      ,  gelbroth 

'1 

,  löst 

gelbrothen  Zinnober-    """^eT  '  "ich  mit 
Nieder-  :    rothes       »t-  i       '<  schwach 
schlag       Filtrat                   ,  brauner 

branne 
Flocken 

rothe 
Färbung 

^  carmin- 
Dracaenen-        fc  fc 

Drachenblut  • 

in  Weingeist    ker  Yer. 

*e,Ö8t  dttntmng 

r 

blass- 
violetten 
Nieder- 
schlag 

dunkel- 
braunes 
Filtrat 

grau- 
brauner 
Nieder- 
schlag 

1 

löst  sich 
mit  dun- 
kelbrau- 
ner Farbe 

fallt  erst 

gelben 
Farbstoff  vfH„nir 
und  dann  Farbnng 
rotb.  Harz 

Prollius. 
34* 

Digitized  by  Google 


532 


DRACHENWÜRZ.  —  DRAHTDREI  ECK. 


DraChenWUrZ  ist  Radix  Bistortae. 

DraCO   ist  der  Speciesname  mehrerer,  verschiedenen  Familien  angehöriger 

Pflanzen,  welche  Drachenblut  liefern,  so  ist  Galamus  Draco  Willd.,  die  Mutter- 
pflanze des  echten  Sanguis  Draconis,  eine  Palme;  Dracaena  Draco  L.,  von 
welcher  das  afrikanische  Drachenblut  stammt,  eine  Liliacee;  Pterocarpus  Draco 
L ,  die  Stammpflanze  des  amerikanischen  Drachenblutes,  eine  Leguminose ;  Croton 
Draco  Schlecht.,  die  das  mexikanische  Drachenblut  liefert,  eine  Euphorbiacee.  — 
Vergl.  die  betreffenden  Gattungen. 

DraCO  mitigatuS,  ein  alter,  aus  alchemistischer  Zeit  herstammender  Name 
für  Hydrargyrura  chloratum ;  DraCO  VOlanS  dagegen  für  Hydrargyrum  bichtoratum. 

DraCOCephalum,  Gattung  der  Labiaiae,  Unterfamilie  Nepeteae,  charakterisirt 
durch  den  zweilippigen  Kelch  und  die  gewölbte  Oberlippe  der  Blumenkrone. 

Dracocephalum  moldavicd  L.,  ein  ©  Kraut  mit  grob  gesagten,  lan- 
zettlichen Blättern  und  blattwinkelständigen  Scheinquirlen ,  war  oinst  als  tür- 
kische Melisse  (Herba  Moldavicae  8.  Melissa«  turcicae  s.  Cedronellae)  eio 
beliebter  Thee. 

DraCOntium,  Gattung  der  Araceae,  Unterfamilie  Lasioideae.  Früher  umfasste 
die  Gattung  auch  Arten  von  Calla  und  Symplocarpus. 

Rhizoma  Dracontii  (Ph.  U.  St.) ,  Skunk-cabbage  root,  stammt 
von  Symplocarpus  foetulus  Salüb.  (Dracontium  foetidum  L.),  aus  der  Cnter- 
familie  Rothoideae.  Das  im  ersten  Frühjahr  zu  sammelnde  Rhizom  ist  knollig, 
oberseits  mit  zahlreichen  langen  Wurzeln  besetzt,  welche  lichter  gefärbt  sind  und 
weniger  bitter  schmecken  ata  der  Wurzelstock. 

gilt  als  Antispasmodicum  und  wird  in  Pulverform  (0.6 — 1.2  g  pro  dosi), 
auch  als  Infus  oder  Tinctur  gegeben. 

Radix  Dracontii  minoris  ist  ein  veralteter  Name  für  Rhizoma  Ari. 

DraCUnClllllS,  Gattung  der  Araceae,  Unterfamüie  Aroideae. 

Radix  Dra  cunculi  s.  Serpmtariae  majori«  ist  das  knollige  Rhizom  des 
im  Mediterranprebiete  wachsenden  Dracuncidus  vulgaris  Schott.,  einer  durch  fuss- 
förmig  getheilte  Blätter  charakterisirten  Art.  Obsolet. 

Die  von  Rüpp  aufgestellte  Gattung  Dracuncidus  ist  synonym  mit  Artemisia  L. 

DragendOrffS  Reagens  iSt  Kaliuniwismutjodidlösung  und  dient  zum  Nach- 
weis von  A 1  k  a  1  o  i  d  e  n  ,  s.  Bd.  I,  pag.  221). 

Iren  heisst  diejenige  Operation  in  der  pharmaceutischen  Technik,  womit 
den  Pillen  ein  Leberzug  von  Zucker  gegeben  wird  (Pilulae  saccharo  obductae, 
Pilulae  candidae.  Dragees  der  Franzosen).  Die  äusserste  Eleganz  solcher  Pillen 
wird  nur  bei  Verarbeitung  grösserer  Massen  erreicht ;  wie  im  Nothfall  am  Receptir- 
tisch  Pillen  mit  Zucker  überzogen  werden  können,  soll  unter  „Pillen"  besprochen 
werden. 

Dragoneregel  ist  Hirudo  interrupta  Moq.  Tandon,  s.  B 1  uteg  el,  Bd.  II,  pag.  337. 

Th.  Husemann. 

Dragiin  ist  der  volksth.  Name  für  Artemisia  Dracunculus  L.,  auch  für  Achillea 
Pffirmica  L. 

Drahtdreieck.  Kin  aus  drei  gleich  langen ,  dünnen  Metalldrähten  (Eisen, 
«elten  Platin)  durch  Zusammenlegen  im  Winkel  von  66.66  und  Zusammendrehen 
der  überschießenden  Huden  gebildetes  gleichschenkliges  Dreieck,  dazu  dienend, 
kleineren  Gcfilssen  (insbesondere  Tiegeln)  einen  Stützpunkt  zu  gewähren,  um  sie 
über  der  Flamme  erhitzen  oder  der  Wirkung  austrocknender  Körper  aussetzen 
zu  können.  Manchmal  werden  auch  die  Schenkel  des  Drahtdreiecks  mit  Thonröhren 
verseben  oder  mit  Platinblech  umwickelt. 


Digitized  by  Google 


DRAHTNETZ.  —  DREHKRANKHEIT. 


Drahtnetz,  Drahtsieb,  Gewebe  aus  Metalldraht  von  grösserer  oder  geringerer 
Dichte,  welche  zu  sehr  verschiedenen  Zwecken  dienen  können.  Als  Drahtnetz 
wird  ein  feineres  Messinggewebe,  seltener  Eisendrahtgewebe  verwendet ;  der  Zweck 
ist  hierbei,  die  directe  Einwirkung  der  Flamme  auf  ein  Kochgefftss  (Becherglas  etc.) 
abzuhalten ;  das  Drahtgewebe  drückt  die  Flamme  nieder,  es  verflacht  sie  und 
erzeugt  somit  eine  gleichmässige  Vertheilung  der  Wärmeeinwirkung  auf  den  Boden 
des  zu  erhitzenden  Gefässes ;  bei  Weglassung  des  Drahtnetzes  kann  eine  derartige 
Wärmevertheilung  nicht  erreicht  werden;  die  Spitzflamme  bewirkt  dann  eine  Er- 
hitzung an  einer  einzigen  Stelle  in  weit  höherem  Masse  als  in  der  Umgebung 
und  das  Resultat  ist  dann  gemeinhin  ein  Springen  des  Gefässes.  Das  Drahtnetz 
wird  deshalb  stets  beim  Kochen  von  Flüssigkeiten  in  gläsernen  Gefässen  als  Unter- 
lage bentltzt  und  dient  direct  als  Schutz  gegen  Glasbruch  beim  Erhitzen.  —  Als 
Drahtsieb  dient  es  je  nach  der  Feinheit  der  einzelnen  Maschen  als  mechanisches 
Trennungsmittel  der  feiner  zertheilten  Substanzen  von  den  gröberen  (vergl.  auch 
Siebe).  Ganswindt. 

DrainirUfig  nennt  man  in  der  Chirurgie  das  Abführen  von  Flüssigkeiten  ans 
Abscessen  oder  Wunden.  Die  Drainirung  wurde  schon  von  den  ältesten  Chirurgen 
geübt.  Sie  legten  dünne  Wieken  von  Charpie  oder  Werg,  schmale  Streiten  von 
Leinen  oder  Wolle  (Haarseil)  in  die  zu  drainirende  Höhle.  Die  neuere  Chirurgie 
verwendet  fast  ausschliesslich  kleine  Höhrchen,  Drains.  Der  Gebrauch  von  Drain- 
röhrchen  aus  Metall  reicht  bis  in's  graue  Alterthum  zurück;  gelangte  aber  so 
sehr  in  Vergessenheit,  dass  Chassaigxac  (1859)  als  der  Wiedererfinder  der 
Drainage  angesehen  wird.  Man  wendet  jetzt  fast  ausschliesslich  Röhrchen  aus 
Kautschuk  an,  von  der  Dicke  einer  Stricknadel  bis  zu  der  eines  Daumens;  sie 
werden  mit  zahlreichen  seitlichen  Oeffnungen  versehen  und  am  besten  in  5pro- 
centiger  Carbolsäure  aufbewahrt.  Spröde  gewordene  Röhrchen  verwende  man  nicht. 
Resorbirbare  Drains  werden  aus  deoalcinirten  und  desinticirten  Thierknochen  her- 
gestellt (durch  10  Stunden  in  einer  Salzsäurelösung  [1  : 2]  entkalkt,  in  öprocentiger 
Carbollösung  gewässert  und  in  lOprocentiger  aufbewahrt).  Sie  werden  in  etwa  zehn 
Tagen  bis  auf  das  aus  der  Wunde  hervorragende  Ende  vollständig  resorbirt. 

DrastlCa.  Der  Na  me ,  vou  ftpiu ,  thun ,  wirken ,  thätig  sein  ,  also  active 
Stoffe  im  Allgemeinen  bedeutend,  dient  ausschliesslich  zur  Bezeichnung  der  am 
heftigsten  und  in  den  kleinsten  Dosen  wirksamen  Abführmittel  (M.  I,  pag.  18). 

Tb.  Husernaiin. 

DreChSerS  Reaction,  eine  Modifikation  der  PETTENKOFEE'schen  Reaction 
auf  Gallensäuren,  bestehend  in  der  Verwendung  von  Phosphorsflure  (statt  Schwefel- 
säure) und  Erwärmen.  Die  eintretenden  Farbenerscheinungen  sind  dieselben  wie 
bei  der  PETTENKOFEE'schen  Reaction  selbst,  s.  d. 

Drehers  Mittel  gegen  TollWUttl,  vor  einigen  Jahren  viel  besprochen  und 
zu  enorm  hohem  Preise  verkauft ,  ist  ein  Gemisch  von  zerstossenen  Maiwürmern 
eloe  proscarabaeus  L.)  und  einem  indifferenten  Pflanzenpulver. 

Drehkrankheit  ist  eine  bei  Schafen,  und  zwar  fast  ausschliesslich  bei  Lämmern 
im  ersten  Jahre ,  den  sogenannten  Jährlingen ,  in  Folge  der  Einwanderung  von 
Coenurus  cerehrali*  (s.  Bd.  III ,  pag.  li>7)  auftretende  Erkrankung  des 
Gehirns.  Durch  den  Druck  des  Parasiten  auf  die  motorischen  Centra  des  Gehirnes 
machen  die  Thiere  Drehbewegungen.  Bei  ausgebildeter  Drehkrankheit  werden  die 
Schädelknochen  stellenweise  ausserordentlich  verdünnt ;  man  hat  diesen  Umstand 
benutzt,  um  die  Thiere  durch  Trepanation,  d.  h.  durch  Eröffnung  der  Schädelhöhle 
von  den  Parasiten  zu  befreien.  Doch  gestaltet  sich  die  Prognose  bei  der  Drehkrank- 
heit noch  immer  ausserordentlich  schlecht  und  man  thut  am  besten,  die  Thiere  zu 
schlachten,  sobald  die  Krankheit  constatirt  ist,  da  das  Fleisch  unbedenklich  ge- 
nossen werden  kann.  Die  Köpfe  der  geschlachteten  Thiere  vergrabe  man  tief; 
lasse  sie  ja  nicht  von  Hunden  fressen. 


Digitized  by  Google 


534 


DREIBLATT.  —  DROGE. 


Dreiblatt  ist  der  volksth.  Name  für  Menyanthes  trxfoliata  L.,  der  Stamm- 
pflanze  der  Folia  Trifolii  fibrini. 

Dreifaltigkeitskraut  ist  Viola  tricdor  L. 

Dreifll88.  Einfaches,  vielfach  unentbehrliches  Instrument,  um  Schalen,  Becher- 
gläser  und  andere  dergleichen  Gefässe  Aber  der  Spiritus-  oder  Gasflamme  erhitzen  zu 
können,  ohne  dieselben  mit  der  Hand  oder  einer  Klemme  halten  zu  müssen.  Drei- 
fftBse  werden  am  besten  von  Schwarzblech,  häufig  auch  von  starkem  um  einander 
gewundenem  Eisendraht  gefertigt. 

Dreiweghahn  nennt  man  einen  Metallhahn,  dessen  Conus  so  durchbohrt  ist, 
da8s  er  von  drei  dem  äusseren  Gewinde  zufuhrenden  Leitungen  oder  Röhren  je 
2  mit  einander  in  Verbindung  setzt,  wodurch  gleichzeitig  die  dritte  abgeschlossen 
wird.  Ein  Wechsel  in  der  Directive  wird  durch  eine  einfache  Drehung  um  120° 
bewirkt. 

DrepanOCarpUS,  eine  von  C.  F.  W.  Meyer  aufgestellte  Papiltonaceen- 
Gattung,  synonym  mit  Pterocarpus  L. 

Driburg,  Westphalcn  in  Deutschland,  besitzt  8  Quellen,  deren  Temperatur 
von  9.4"  bis  15°  beträgt.  Die  wärmste  ist  die  Satzer  Schwefelquelle, 
welche  in  1000  Th.  Na2  S  0.051,  Na,  SO,  0.372,  Mg  SO,  0.569,  CaS04  0.541 
und  CaHa(COs)2  0.586  enthält.  Die  übrigen  Quellen,  die  Bade-,  Hanpt trink-, 
Hörster-,  Kaiser  Wilhelms  Bade-  und  Stahlqnelle  und  die  städ- 
tische Quelle,  zeichnen  sich  durch  ihren  grossen  Gehalt  an  doppeltkohlensaurem 
Kalk ,  schwefelsauren  Erden  und  etwas  Eisen  aus.  Die  an  fixen  Bestandtheilen 
reichste,  die  Badequelle,  enthält  in  1000  Th.  NaCl  0.107,  Na2  SO,  0.395, 
MgS04  0.956,  CaSO,  0.845,  CaH3(003)2  1.812,  FeH^COs),  0.105.  Der  Ge- 
halt der  anderen  Quellen  an  den  zwei  letztgenannten  Hauptbestandtheilen  schwankt 
innerhalb  geringer  Grenzen  (0aH,(C0s)?  von  1.105  bis  1.591,  FeHj(COs)2  von 
0.023  bis  0.074].  Die  Wiesen  quelle  wird  nicht  mehr  gebraucht. 

Drimy8,  Gattung  der  Maynoliaceae ,  Unterfamilie  Wintereoe.  Immergrüne, 
aromatische  Holzgcwächse  der  Tropengebiete  Amerika«  und  Australiens. 

Das  Holz  der  Drimya- Arten  Ut  das  einzige  der  Dicotyledonen ,  welches  blos 
aus  TracheTden  besteht,  daher  nach  dem  Typus  der  Nadelhölzer  gebaut  ist. 

Drimys  IV  int  er  i  Forst.,  ein  von  Mexico  durch  ganz  Südamerika  ver- 
breiteter Baum  mit  länglichen,  dunklen  Blättern,  kleinen  weissen  Blüthen  und  vicl- 
samigen  Beerenfrüchten,  ist  die  Stammpflanze  des  echten  Gortex  Wintert  s.  Ma- 
cj  eil  n  nie  u.s. 

J)  rimyx  y  rannt enn  is  L.  fi  l.  ( D.  Winten  Mart.)  ist  vielleicht  nur  eine 
Varietät.  Von  ihr  stammt  die  von  Cod.  med.  als  Ersatz  für  die  im  Handel  nicht 
mehr  vorkommenden  echten  Rinden  vorgeschriebene  Droge.  Mo  eil  er. 

Drittelsilber.  Eine  Legirung  aus  59  Th.  Kupfer,  27.56  Th  Silber,  9.57  Th. 
Zink  und  3.42  Th.  Nickel,  von  silberähnlichem  Aussebeu,  aber  gelblichem  Bruche, 
härter  als  Silber;  dient  zu  Tafelgeschirren.  —  Auch  eine  Legirung  aus  1  Th. 
Silber  und  2  Th.  Aluminium  wird  bisweilen  als  Drittelsilber  (tiers-argent)  be- 
zeichnet. 

Droge.  Bezeich  nung  für  Arzneiwaaren  überhaupt  oder  für  Rohproducte ,  die  zur 
Darstellung  von  Arzneien  dienen,  daher  der  Name  Drogenkunde  als  Synonym  von 
Pharmakognosie.  Die  Ableitung  des  Namens  vom  deutschen  „trocken"  (niederdeutsch 
drögej.  im  Zusammenhange  mit  dem  Umstände,  dass  die  fraglichen  Arzneiwaaren 
im  trockenen  Zustande  in  den  Handel  kommen,  ist  nicht  zu  erweisen.  Das  Wort 
findet  sieh  zunächst  in  don  romanischen  Sprachen,  am  ersten  im  Französischen 
(148  Ij  ohne  nähere  Definition,  dann  lateinisch  (1488)  als  „Drogua"  in  der 
Pharmakopoe  des  Nicola t;s  Praepositus  als  Name  theuerer,  exotischer  Arzuei- 


Digitized  by  Googl 


DROGE.  —  DRUCKPUMPE. 


535 


waaren,  im  16.  Jahrhundert  im  Portugiesischen  und  Englischen.  Im  Deutschen 
ist  das  damals  in  Frankreich  ganz  allgemein  gebräuchliche  Wort  vor  Mitte  des 
18.  Jahrhunherts  nicht  üblich  nnd  selbst  den  Gelehrten  unbekannt,  so  dass 
Hoernigk  (1636)  die  för  die  Detailhändler  mit  Arzneiwaaren  aufgekommene 
Benennung  Drogisten  („Trochisten")  von  den  „Trochisci  viperini",  die  sie 
in  ihren  Läden  fahrten,  ableitet,  und  noch  1736  in  Zedler's  Universallexicon 
das  Wort  „Droge"  nicht  vorkommt,  sondern  nur  das  von  Drogist  abgeleitete 
„Drogisterei"  (Droguister ei).  Die  sehr  häufige  Schreibweise  Drogue  ist 
zu  verwerfen,  da  das  u  im  Französischen  nur  ein  phonetisches  Zeichen,  um  dem 
g  vor  e  den  Zischlaut  zu  nehmen,  ist  (wie  das  k  im  Italienischen  Plural  Droghe, 
Sing.  Droga).  Die  Ableitungsversuehe  auB  dem  Persischen  (Drogua,  Betrug)  und 
IUyrischen  (drug ,  kostbar)  sind  gewiss  verfehlt ;  ein  Zusammenhang  mit 
keltischen  oder  bretonischen  Wörtern,  welche  Substanzen  mit  schlechtem  Geschmacke 
bedeuten  (Littre)  ,  liegt  zwar  näher,  ist  aber  auch  nicht  erweislich.  —  Vergl. 
Arzneihandel,  Bd.  I,  pag.  629.  Th.  Hnsemann. 

DrotlObyCZ  in  Galizien  besitzt  Soolquellen  mit  25  Procent  Chlornatrium.  In 
der  Nähe  die  „Kaiser  Wilhelm  Quelle"  mit  schwachem  Eisen-  und  Kohlensäure- 
gehalt. 

Drosera,  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Familie  der  Cystiflorae.  Peren- 
nirende  Kräuter  mit  einer  grundständigen  Rosette  reizbarer,  mit  Drüse n- 
haaren  besetzter  Blätter,  selten  auch  mit  Stengelblattern.  Die  Inflorescenz  ist 
ein  ährenartiger  Wickel.  Blüthen  actinomorph,  zwitterig,  Kelch  5theilig,  5  Kronen- 
blätter und  mit  ihnen  alternirend  5  Staubgefässe.  Fruchtknoten  einfäeherig,  aus 
3  Carpellen  gebildet,  zu  einer  fachapaltigen,  vielsamigen  Kapsel  sich  entwickelnd. 

Drosera  rot  und  i/o  l  ia  L. ,  D.  intermedia  Hat/ne  und  D.  anglica 
Huds.,  auf  Torfmooren  Europas  und  Nordamerikas  vorkommende  Sonnonthau- 
Arten ,  waren  früher  als  Ilerba  Rosellae  s.  lioris  solis  in  arzneilicher  Ver- 
wendung. In  neuerer  Zeit  sind  sie  durch  Darwin  berühmt  gewordeu ,  welcher  in 
ihnen  „fleischfressende"  Pflanzen  erkannte.  Durch  den  Reiz  eines  auf  die  Blatt- 
spreite sich  niederlassenden  Iusectes  schliesst  sich  jene  und  die  DrfJsenhaare 
secerniren  einen  sauren  Saft,  welcher  gleich  dem  Magensaft  Eiweissstoffe  in 
Peptone  umzuwandeln  vermag,  daher  die  gefangenen  Insecten  auflöst  und 
verdaut. 

Rees  und  Will  (Bot.  Ztg.  1875)  haben  die  Ersten  das  peptonisireude  Ferment 
durch  Glycerin  aus  den  Droserablüttern  extrahirt  und  an  Blutfibrin  dessen  ver- 
dauende Wirkung  ausser  Zweifel  gestellt. 

Drouot'sches  Pflaster.  8.  Emplastrum  Mezerei  cantharidatum. 

Druckerschwärze  ist  eine  mit  einem  steifen,  schnell  eintrocknenden  Leinöl- 
firnis* bereitete  Verreibung  von  höchst  fein  vertheiltem  Russ ;  der  Firniss  ist  ein 
halbfertiges  Ol.  Lini  coct.,  welches  mit  16  Procent  Lampenruss  abgerieben,  leicht 
und  schnell  trocknet,  ohne  Oelfkcke  zu  geben.  Je  nach  der  Feinheit  der  Schwärze 
unterscheidet  man  Zeitungsfarbe  (die  billigste),  Werkfarbe  (zu  Büchern),  Accidenz- 
farbe  (eine  feine  Werkfarbe),  Illustrationsfarbe  und  Praehtdruckfarbe. 

Druckpumpe  Oder  CompreSSiOnSpumpe.  Dieselbe  hat  den  Zweck,  einen 
Druck  auf  Flüssigkeiten  oder  Gase  auszuüben,  und  zwar  bei  den  ersteren  entweder 
um  dieselben  auf  eine  gewisse  Höhe  zu  heben  oder  vermöge  des  nach  allen  Dimen- 
sionen gleichmassig  sich  ausbreitenden  hydrostatischen  Druckes  als  Medium  der 
Kraftübertragung  zu  den  verschiedensten  Zwecken  der  Industrie,  z.  B.  in  (Testalt  der 
hydraulischen  Press,  ezu  verwerthen,  welche  bekanntlich  in  chemischen  Laboratorien 
und  Fabriken,  in  Eisenwerken  zur  Pressung  von  glühenden  Massen  in  bestimmte 
Formen,  wie  der  Schiflspanzerstahtplatten,  sowie  zum  Hin  austreiben  der  Fischtorpedos 
Verwendung  findeu.  Der  auf  Gase  durch  Druckpumpen  ausgeübte  Druck  bezweckt 


Digitized  by  Google 


536 


DRUCKPUMPE.  —  DRUCKREGULATOR. 


die  Verwerthang  der  Expansion  derselben  zu  zahlreichen  Kraftleistungen,  z.  B. 
in  den  pneumatischen  Pressen  der  Laboratorien  zum  Deplaciren  von  extrahirenden 
Flüssigkeiten  aus  trockenen  Substanzen,  zum  Entgegenwirken  bei  Bremsvorrich- 
tungen ,  zum  Laden  der  Windbüchse,  zum  Uebertragen  der  Kraft  auf  Stanz- 
vorrichtungen und  vielen  anderen  mechanischen  Arbeiten  in  Fabriken.  Anderseits 
sind  die  Druckpumpen  zur  wissenschaftlichen  Erforschung  der  Gase  von  Bedeu- 
tung geworden,  indem  sie  im  Verein  mit  Temperaturerniedrigung  zur  Erkenntniss 
der  Verhältnisse  der  Verdichtung  der  Gase  und  der  Lage  der  Siedepunkte,  unter 
welcher  die  Oondensation  zu  tropfbaren  Flüssigkeiten  stattfindet ,  beigetragen 
haben.  Die  Leistungen  aller  Arten  Druckpumpen  beruhen  auf  Uebertragung  der 
Muskelkraft  von  Menschen  oder  Zugthieren  oder  des  Druckes  von  Kraftmaschinen 
der  verschiedensten  Art,  die  scheinbare  Verstärkung  des  Druckes  durch  dieselben 
auf  der  zweckdienlichen  richtigen  Vertheilung  mit  Hilfe  von  ungleicharmigen. 
Hebeln  zwischen  der  bewegten  Masse  und  der  Länge  des  Weges,  deren  Product, 
wie  überall  in  der  Mechanik,  stets  der  ursprünglich  gegebenen  Kraft  und  der  von 
derselben  geleisteten  Arbeit  proportional,  eine  unveränderliche  Grosse  bleibt. 

Die  Einrichtung  der  Druckpumpe  unterscheidet  sich  von  derjenigen  der  Saug- 
pumpe wesentlich  durch  die  Lage  und  Oeffnungsrichtung  ihrer  Ventile.  Während 
die  letztere  als  Wasserpumpe  die  erste  Arbeit  dem  Druck  der  atmosphärischen 
Luft  auf  die  Wasserfläche  im  Brunnen  überlässt,  wobei  erst  die  Luft  im  Pumpen- 
stiefel, dann  das  Wasser  durch  ein  nach  oben  sich  öffnendes  Ventil  im  Kolben 
austritt,  so  ist  der  Kolben  der  Druckpumpe  massiv,  ohne  Ventil.  Der  Pumpeu- 
stiefel  hat  im  unteren  Boden  oder  seitwärts  ein  Zuflussrohr  mit  einem  nach  innen 
sich  öffnenden  Ventile,  welches  beim  Aufwärtsgehen  des  Kolbens  Flüssigkeit  oder 
Gas  in  den  verdünnten  Raum  einströmen  lässt,  beim  Niedergange  desselben  durch 
den  vermehrten  Druck  sich  schliefst,  und  ein  Abflussrohr  mit  einem  nach  aussen 
mündenden  Ventile,  welches  umgekehrt  bei  vermindertem  Drucke  im  Stiefel  durch 
Wasser-  oder  Luftdruck  von  aussen  sich  schliesst ,  bei  vermehrtem  Drucke  die 
gepressten  Medien  hindurchlässt.  Diese  einfachste  Form  der  Druckpumpe  ist 
vielfach  modificirt  worden.  Die  wichtigste  Druckpumpe  ist  das  Herz,  welches 
die  genannten  Vorgänge  mit  Hilfe  der  Herzklappen  durch  abwechselndes  Verengern 
und  Erweitern  der  beiden  Ventrikel  vermittelst  des  Druckes  des  Herzmuskels 
bewirkt,  um  das  Blut  durch  die  Arterien  zu  treiben.  Eine  abweichende  Form  ist 
die  Centrifugalpumpe,  welche  im  Centrum  einer  flachen  Trommel  bestäudig 
Wasser  einsaugt  und  durch  Schleuderung  vermittelst  eines  Schaufelrades  aus  einer 
Oeffnung  an  der  Peripherie  unter  Druck  heraustreibt.  Eine  genial  erdachte  und 
complicirte  Vorrichtung  ist  die  Wassersäulenmaschine  zur  Weiterbeförderung 
von  Salzsoolen  über  bedeutende  Höhen,  in  welcher  der  Druck  eines  gegebenen 
Wassergefälles  auf  den  grossen  Kolben  einer  Druckp  urape  wirkt  und  die  Arbeit 
auf  einen  kleineren  Kolben  an  derselben  Leitstange  fortpflanzt,  welcher  die  Soole 
um  so  höher  zu  heben  vermag,  je  grösser  der  Unterschied  im  Querschnitte  der 
beiden  Kolben  ist.  Doppelt  wirkende  Druckpumpen  wie  bei  der  Feuer- 
spritze bestehen  aus  zwei  Oy  lindern,  in  welchen  gleichzeitig  und  abwechselnd  der 
eine  Kolben  saugt,  der  andere  drückt.  Auch  gibt  es  solche  mit  einen  Cylinder, 
welche  gleichzeitig  und  abwechselnd  beide  Verrichtungen  auf  den  entgegen- 
gesetzten Seiten  des  Kolbens  leisten.  In  den  Cylinder  münden  seitlich  oben  und 
unten  je  zwei  Kohre  mit  den  entsprechenden  Ventilen  für  Zu-  und  Abflugs.  Derart 
sind  die  Cylindergebläse  der  Schmelzöfen.  Eine  Luftcompression  8- 
p  urape  unterscheidet  sich  von  der  Saugpumpe  nur  durch  die  nach  entgegen- 
gesetzten Seiten  sich  öffnenden  Ventile.  Die  besseren  Luftpumpen  sind  anstatt  mit 
Ventilen  mit  durchbohrten  Hähnen  versehen,  durch  deren  rechtzeitige  Oeffnung 
oder  Schliessung  dieselbe  Pumpe  zum  Saugen  oder  zum  Comprimiren  verwendet 
werden  kann.  Gang;«. 

DrUCkregillatOr.  Instrumente,  welchen  die  Aufgabe  zufällt,  den  Ausfluss  von 
Wasser  oder  Gas  unter  bestimmtem  constantem  Drucke  stattfinden  zu  lassen  oder 


Digitized  by  Googl 


DRUCK REGULATOR. 


537 


Flg.  »5. 


den  Druck  innerhalb  eines  geschlossenen  Gefässes  auf  beliebiger,  aber  constanter 
Höhe  zu  erhalten,  sind  in  grosser  Anzahl  construirt  und  beschrieben  worden. 
Als  einfachste  derartige  Vorrichtung  kann  die  „MARiOTTE'sche  Flasche"  betrachtet 

werden  (s.  auch  Aspirator),  bei  welcher  das  Aus- 
flössen von  Wasser  unter  constantcm  Drucke  erfolgt. 
Fig.  85  zeigt  diese  Vorrichtung,  das  Wasser  flieset  — 
so  lange  das  Niveau  sich  über  der  Oeffnung  a  des 
Rohres  befindet  —  aus  der  Oeffnung  c  des  Gefasses 
unter  einem  Drucke  aus,  welcher  durch  die  Hohe  der 
Wassersäule  n  h  gemessen  wird  ;  durch  geeignetes  Ein- 
stellen der  in  dem  Kautschukstopfen  verschiebbaren 
Röhre,  kann  man  daher  den  Druck  variiren.  Um 
den  Druck  in  einer  Wasserleitung  möglichst  constant 
zu  erhalten,  fügt  man  zwischen  Hauptreservoir  und 
Verbrauchsstelle  in  einer  dem  gewünschten  Drucke 
entsprechenden  Höhe  ein  Zwischenreservoir  ein ,  aus 
welchem  die  Verbrauchsstelle  gespeist  wird  und  in  wel- 
chem das  Wasser  dadurch  auf  constantem  Niveau 
erhalten  wird,  dass  sich  durch  einen  auf  dem  Wasser 
befindlichen  Schwimmer  und  einem  mit  diesem  in  Ver- 
bindung stehenden  Ventile  der  Zufluss  des  Wassers  aus 
dem  Hauptreservoir  selbstthätig  regulirt.  Sinkt  bei 
Wasserverbrauch  der  Schwimmer,  so  öffnet  sich  das  Ventil  und  es  tritt  Wasser 
ein,   bis  der  Schwimmer  wieder  die  geforderte  Höhe  erreicht  hat ,   worauf  sich 

da»  Ventil  schliesst  und 
der  Wasserzufluss  unter- 
brochen wird ;  durch  un- 
unterbrochenes Spiel  die- 
ser Vorrichtung  bleibt  das 
Niveau  und  somit  der 
Druck  constant.  Derartige 
Vorrichtungen  werden 
auch  oft  aus  Ersparniss- 
rücksichten in  die  Druck- 
leitungen eingeschaltet. 

Um  gewisse  Heizvor- 
richtungen (z.  B.  bei 
Trockensi'hränken,  Brut- 
öfeu,  Wasserbildern  etc.) 
auf  constanter  Tempera- 
tur zu  erhalten,  benutzt 
man  sogenannte  T  h  e  r- 
m  o  r  e  g  u  1  a  t  o  r  e  n  (s. 
d.),  welche  aber  nur 
dann  zur  Erzielung  des 
gewünschten  Resultates 
geeignet  sind  .  wenn  der 
Gasdruck  nicht  zu  grossen 
Schwankungen  unterliegt; 
handelt  es  sich  daher  um 
Erlangung  ganz  constan- 
ter Temperatur  für  län- 
gere  Zeit   hindurch,  so 

schaltet  man  in  die  Gasleitung  vor  dem  Thermoregulator  einen  besonderen  Gasdruck- 
regulator ein.    Diese  Apparate  beruhen  zum  grössten  Theile  auf  dem  bereits  von 


538 


Mi  UCK REGULATOR. 


Samuel  Clepp  in  Anwendung  gebrachton  Principe,  bei  welchem  eine  in  einer  Flüssig- 
keit schwimmende  Glocke  durch  den  Gasdruck  gehoben  wird  und  durch  ein  mit  ihr 
in  Verbindung  stehendes  Ventil  die  Gaseinströmungsöffnung  in  einem  dem  Drucke  ent- 
gegengesetzten Sinne  verkleinert  oder  vergrößert.  Sehr  zweckmässige,  haltbare, 
handliche  Druckregulatoren  sind  die  von  H.  Girond  construirten  und  als  „rheometre 
humide  n  depense  arbitraire"  im  Handel  leicht  zu  erlangenden  Apparate,  von  denen 
Fig.  86  den  Durchschnitt  eines  Exemplares  in  natürlicher  Grösse  wiedergibt.  Das  Gas 
tritt  bei  a  ein  und  gelangt  in  die  durch  Glyeerin  abgeschlossene  kleine  Glocke, 
aus  dieser  sowohl  durch  die  kleine  Oeffhung  b,  als  durch  das  mittelst  des  Hahnes  « 
beliebig  zu  öffnende  Rohr  c  in  den  Süsseren  Mantel  und  aus  diesem  durch  das 
Rohr  d  zur  Verbranchsstelle.  Die  kleine  Glocke  besitzt  oben  in  der  Mitte  einen 
Conus;  wird  der  Gasdruck  stärker,  so  wird  die  Glocke  in  die  Höhe  gehoben  und 
das  Gasableitungsrohr  dementsprechend  durch  den  Conus  verengert;  der  Hahn  e 
wird  dem  Gasverbrauche  entsprechend  geöffnet.  Eine  einfachere,  unter  dem  Namen 
„rheonietre  humide"  im  Gebrauche  befindliche  Form,  besitzt  daB  Hahnrohr  c  nicht, 
das  Gas  tritt  dann  nur  durch  die  Oeffhung  b  der  kleinen  Glocke  aus  und  die 
Quantität  Gas ,  welche  durch  den  Apparat  treten  kann ,  ist  abhängig  von  der 
Grösse  dieser  Oeffnung ;  man  kann  deshalb  einen  solchen  Apparat  immer  nur  für 
eine  bestimmte  Temperatur  benutzen,  und  muss  daher  eine  grössere  Anzahl  der- 
selben besitzen. 

Einen  vollständig  ans  Glas  verfertigten  Regulator ,  welchen  man  sich  leicht 
selbst  herstellen  kann,  hat  H.  Schiff  (Ber.  XVIII,  2833)  beschrieben ;  bei  diesem 
wird  durch  eine  mit  Wasser  abgesperrte  bewegliche  Glocke  ein  Hebel,  welcher 
die  Gasausströmungsöftnung  verengert,  in  Bewegung  gesetzt. 

Einen  ebenfalls  mit  leichter  Mühe  herstellbaren  Druckregulator ,  welcher  anf 
dem  Principe  beruht,  dass  die  Ausflussgeschwiudigkcit  der  Gase,  besonders  durch 
enge  Rohren ,  mit  Verlängerung  der  Röhre  sehr  rasch  sich  vermindert ,  hat  V. 
Krkcssler  (Chem.-Ztg.  VIII,  1322)  construirt.  —  Weitere  Gasdruckregnlatoren 
sind  beschrieben  worden  von:  Crafts,  Matlky,  Moitessieb,  Nicolle  u.  A. 

Apparate,  welche  dem  Zwecke  dienen,  den  Druck  innerhalb  eines  geschlossenen 
GefHsses  constant  zu  erhalten ,  werden  besonders  bei  Siedepunktsbestiromungen 
(Destillation)  von  Flüssigkeiten  unter  verschiedenem  Drucke  angewendat.  Derartige 
Vorrichtungen,  welche  gestatten,  einen  beliebigen  Druck  unter  einer  Atmosphäre 
herzustellen  und  coustant  zu  erhalten, 
gind  beschrieben  worden  von  L.  Go- 
pefroy  (Annales  de  ebim.  et  pbys.  [6] 
I,  138}  und  von  L.  Meyer  (Annalen 
Chem.  Pharm.  lGo,  303). 

Ein  Apparat,  welcher  gestattet, 
sowohl  einen  bestimmten  beliebigen 
reberdruck,  als  auch  Pnterdruck  in 
einem  GefJlsse  constant  zu  erhalten, 
ist  in  sehr  zweckmassiger  Gestalt 
(hervorgegangen  aus  L.  Meyer's 
Regulator)  von  0.  Schümann  con- 
struirt und  beschrieben  worden  (An- 
nalen Chem.  Pharm.  195,  218,  und 
PcNtGENDORFF's  Annaleu.  Neue  Folge, 
12,  44).  Bei  allen  diesen  Apparaten 
wird  der  Druck  —  bis  auf  die  durch 
Schwankungen  im  Barometerstande 
bedingten  Veränderungen  —  constant 
erhalten. 

Im  bei  Kiedepunktsbestimmungen  den  Druck  im  Destillationsgefässe  genau  auf 
den  Normalbarometerstand  von  700  mm  zu  bringen  und  constant  auf  dieser  Höbe 


Digitized  by  Googl 


1  »RÜCK  REGULATOB.  —  DRÜSEN. 


539 


zu  erhalten,  ist  von  Bcnte  ein  geeigneter  Apparat  construirt  worden  (Ann.  Cbem. 
Pharm.  168,  140);  derselbe  besteht  aus  einer  Druckflasche  von  20  cm  Durchmesser 
und  5 — 61  Inhalt  A  i'Fig.  87),  welche  durch  einen  dreifach  durchbohrten  Kant- 
schnkstopfeu  geschlossen  ist;  die  eine  Durchbohrung  trägt  das  rechtwinklig  ge- 
bogene Rohr  er,  welches  durch  einen  Gmnmischlauch  mit  dem  Chloroalciumrohr  B 
und  der  Vorlage  des  Destillirapparates  C  luftdicht  verbunden  ist,  der  anderen 
Durchbohrung  ist  ein  mit  Gummischlauch  und  Quetschhahn  verschliessbares  recht- 
winklig gebogenes  Rohr  b  eingefügt,  die  mittlere  Durchbohrung  enthält  ein  weite« 
Glasrohr,  welches  bis  auf  den  Boden  der  Flasche  reicht  und  circa  10cm  über 
den  Gummistopfen  hervorsteht;  an  seinein  oberen  Ende  ist  es  mit  einem  Stück 
Gummischlauch  verseben ,  in  welchem  das  engere  Rohr  c  von  circa  60  cm  Lange 
auf-  und  abgeschoben  werden  kann.  Dieses  Rohr  hat  (etwas  unterhalb  seines 
oberen  Endes)  zwei  seitliche  Ansätze  d  und  e,  von  denen  d  mit  der  Wasserleitung 
und  e  mit  dem  Ablauf  verbunden  wird.  In  die  Flasche  schüttet  man  Wasser,  stellt 
sodann  das  Steigrohr  c  in  einer  Höhe  ein.  dass  der  Ansatz  e  vom  Niveau  des 
Wassers  in  der  Flasche  gerade  so  viel  Millimeter  entfernt  ist,  als  die  Höhe  einer 
Wassersäule  betragen  müsstc,  welche  den  augenblicklich  herrschenden  Atmosphären- 
druck auf  760  mm  ergänzt,  füllt  dieses  Steigrohr  durch  Einblasen  von  Luft  durch 
das  Rohr  b  und  Scbliessen  des  Quetschhahnes  vollständig  mit  Wasser  an  und 
lässt  aus  einer  Wasserleitung  beständig  Wasser  von  d  nach  e  fliessen. 

Ehrenberg. 

DrUCkstein,  s.  Calciumcarbonat,  Bd.  II,  pag.  482. 

DrildenfllSS,  Pentagramm,  ist  ein  dreifach  in  einander  verschlungenes 
Dreieck,  oder  ein  Fünfeck,  auf  dessen  Seiten  gleichschenkelige  Dreiecke  construirt 
sind  (*&).  Bei  den  Pythagoräern  galt  das  Pentagramm  als  Zeichen  der  Gesundheit. 
Der  Drudenfuss  findet  sich  auf  den  Abraxasgemmen  des  Mittelalters.  Noch  gegen- 
wärtig gebraucht  der  Aberglaube  dieses  Zeichen,  um  Hexen  abzuhalten. 

DrÜSen  sind  Organe  für  Absonderung  und  Ausscheidung.  Sie  bestehen  aus 
einem  secernirenden  Antheile  und  aus  einem  Ausführungsgange,  durch  welchen 
das  Secret  entleert  wird.  Ihr  anatomischer  Bau  ist  höchst  verschieden;  es  lassen 
sich  jedoch  zwei  Typen  unterscheiden :  acinöse  und  tubulöse  Drüsen ;  von  beiden 
Formen  gibt  es  einfache  und  zusammengesetzte.  Jede  Drüse  hat  eine  blutzuführende 
Arterie  und  eine  abführende  Vene,  zwischen  beiden  ein  Capillargefässsystem,  welches 
die  Drllsenelemente  umspinnt.  Ans  dem  durchströmenden  Blute  werden  Stoffe  auf- 
genommen und  durch  das  Drüsenepithel  zu  den  speeifiseben  Secreten  verarbeitet. 
Durch  die  Niere  werden  im  Blute  bereits  vorfindliche  Stoffe,  die  im  Organismus 
keine  weitere  Verwendung  haben,  wie  z.  B.  der  Harnstoff,  ausgeschieden;  solche 
Absonderungen  nennt  man  Kxcrete.  Auch  die  von  der  Leber  abgesonderte  Galle 
besteht  zum  Theil  aus  Excreten,  die  mit  den  Fflces  abgehen.  Diese  physiologische 
Tkätigkcit  der  grossen  Drüsen  Leber  und  Niere  war  schon  frühzeitig,  wenigstens 
in  ihren  Umrissen,  erkannt,  und  das  führte  zu  der  falschen  Vorstellung,  dass  die 
Drüsen  blosse  Filtrirapparate  seion ,  für  Stoffe ,  welche  im  Blute  bereits  vorge- 
bildet sind.  Diese  Verallgemeinerung  hat  sich  als  irrthümlich  erwiesen.  Die  meisten 
Drüsen  produciren  Stoffe,  die  im  Blute  noch  nicht  vorkommen.  Auch  ist  die 
Thätigkeit  der  Drüsen  kein  Filtrationsprocess ;  deun  die  Secretion  in  den  Drüsen 
geht  nachgewiesenermaßen  unter  einem  bedeutend  höheren  Drucke  vor  sich,  als 
der,  welcher  dem  durch  die  Drüsen  circulireuden  Blute  zukommt.  Davon  kann 
man  sich  durch  die  Vergleiehung  des  Standes  zweier  Manometer  überzeugen,  von 
denen  eines  in  einen  Drüsenansitthrungsgang,  das  andere  in  das  arterielle  Gefäss 
der  Drüse  eingebunden  ist.  —  S.  auch  Lymphdrüsen.  M.  Möller. 

In  der  Botanik  nennt  man  Drüsen,  Honigdrüsen,  Nectarien,  alle 
diejenigen  Blüthentheile,  welche  (behufs  Anlockung  der  Insecten)  zuckerhaltige  Säfte 
gecerniren.  An  ihrer  Bildung  können  sich  sehr  verschiedene  Theile  der  Blütho 
betheiligen,  sowohl  der  Blüthenboden ,   besonders  der  Discus,  als  das  Perigon 

Digitized  by  Google 


540  DRÜSEN.  —  DRÜSENÖL. 

(Honiggrübchen  bei  Ranunculus,  Sporn  bei  Orchis),  wie  auch  die  Staubfäden 
(Laurineen).  Man  hat  aber  auch  ganz  allgemein  alle  Secretionsorgane  der  Pflanzen 
mit  dem  Namen  Drüsen  belegt,  also  sowohl  die  im  Innern  liegenden  Secretbehälter 
(schizogen en  und  lysigenen  Ursprunges),  sogenannte  „innere  Drüsen",  als  auch 
die  von  der  Epidermis  gebildeten  „äusseren  Drüsen".  Jetzt  wendet  man  die  Be- 
zeichnung Drüse,  wenn  überhaupt,  nur  für  die  äusseren  Secretionsorgane  noch  an, 
also  z.  B.  für  die  Oeldrüsen  der  Labiaten  und  Compositen ,  für  die  sogenannten 
Leimzotten  oder  Colleteren  der  Blattknospen  und  ähnliche  Bildungen.  Diese  Drüsen 
sind  epidermale  Bildungen,  also  Trichome.  Mau  nennt  sie  Drüsenhaare  und  unter- 
scheidet wohl  den  Drüsenstiel  und  das  Drüscnköpfchen.  Letzteres  secernirt  meist 
zwischen  die  Membran  und  die  blasig  aufgetriebene  Cuticula  das  Secret.  VergL 
auch  Haare.  Tschircb. 

Drüsenpest  b  u b o n e n -  oder  Beulenpest  ist  eine  acute ,  meist  fieber- 
hafte Infectionskrankheit,  bei  der  es  zur  Entzündung  von  Lymphdrüsen  mit  Nei- 
gung derselben  zur  Vereiterung  kommt.  Bei  schwereren  Fällen  bilden  sich  Blut- 
austritte uud  Carbunkel  auf  der  Haut ;  von  dieser  Erscheinung  erhielt  die  Krank- 
heit im  Mittelalter  den  Namen  der  „schwarze  Tod".  Am  ärgsten  wüthete  die 
Seuche  in  Europa  im  14.  Jahrhundert.  Seit  Mitte  dieses  Jahrhunderts  blieb  Europa 
verschont,  obwohl  im  Jahre  1878  —  79  die  Gefahr  nahelag,  dass  sich  von  den 
Ufern  der  Wolga  aus  die  Pest  verbreite.  Indien  und  Vorderasien  werden  als  die 
Heimat  der  Drüsenpest  angesehen.  Als  wirksames  Vorbeugungsmittel  gegen  die 
Ausbreitung  der  Pest  hat  sich  das  Verbrennen ,  sowohl  der  Leichen  Pestkranker, 
als  auch  aller  Effecten ,  welche  mit  den  Kranken  in  Berührung  waren ,  erwiesen. 
Wo  es  immer  angeht,  soll  auch  das  Wohnhaus  des  Erkrankten  durch  Feuer  zer- 
stört werden. 

DrummOndSCheS  Licht,  Hydrooxygenlicht,  Kalklicht,  nennt  man 
jenes  Licht,  welches  durch  das  Weissgltihen  eines  Kreidekegels  in  der  Knallgas- 
flamme erzeugt  wird  und  sich  durch  grosse  Intensität  auszeichnet.  Es  wurde  von 
Drummoxd  im  Jahre  1826  erfunden  und  früher  häufig  zu  Signaleu,  ferner  auf 
Bühnen,  bei  Nebel bilderapparaten  und  Mikroskopen ,  sogar  zur  Beleuchtung  von 
Gebäuden  und  Strassen  angewendet.  Gegenwärtig  ist  es  vollständig  vom  elektrischen 
Licht  verdrängt.  Pitsch. 

Dl*Up&  ist  eine  Schliessfrucht ,  charakterisirt  durch  ein  steinhartes  Endo- 
carp,  welches  den  Samen  als  Gehäuse  umgibt.  Das  Mesocarp  ist  nieist  dick, 
fleischig,  von  einem  häutigen  Endocarp  bedeckt.  Beispiele  geben  alle  Arten 
Steinobst. 

DrUSenaSChe,  die  durch  Verbrennen  der  Weiutrester  und  Weinhefe  (1)  r  u  se) 
erhaltene  Asche,  ist  stark  kaliuiuhaltig  und  bildet  deshalb  eiu  gutes  Material  zur 
Herstellung  von  Pottasche. 

Drusenbranntwein.  Drusenschnaps,  das  durch  Destillation  der  Weinbefe 
gewonnene  alkoholhaltige  Product. 

DrusenÖl,  Wein  öl,  Cognacöl,  ein  zum  grossen  Theil  Oenanthäther  ent- 
haltendes ,  aus  der  Weinhefe  durch  Zusatz  von  Schwefelsäure  und  Destilliren  mit 
Wasserdauipf  erhaltene«  Product.  Es  bildet  eine  bei  225 — 230°  ciedeude  farblose 
Flüssigkeit  von  0.86  spec.  Gew.  uud  wird  zur  Bereitung  von  künstlichem  Cognac 
benützt. 

Dni8ensch  warz ,  Rebenschwarz,  Frankfurterschwarz,  Hefen- 
schwarz, heisst  die  durch  Verkohlen  des  Dcstillationsrückstandes  der  Coguacöl- 
Bereitung  in  geschlossenen  eisernen  Gefässen  erhaltene  Kohle,  welche  entweder 
unter  den  obigen  Namen  als  schwarze  Farbe  verwendet .  oder  durch  Auslaugen 
mit  Wasser  auf  Pottasche  weiter  verarbeitet  wird. 


Digitized  by  Googl 


DRUSEN  PULVER. 


—  DUALISTISCHE  THEORIE. 


Drusenpulver  (für  Pferde  bei  Drüsen,  Kropf,  Mangel  an  Fresslust  n.  s.  w.) 
wird  fast  in  jeder  Apotheke  nach  eigenem  Recept  bereitet ,  in  allen  Mischungen 
aber  ist  Antimoniuvi  crudum  ein  Bestandteil.  Nachstehend  zwei  erprobte  Vor- 
schriften :  Je  5  Th.  Flore»  Sulfuris ,  Frtictus  Foeniculi,  Radix  Carlinae  und 
Anttmonium  crudum,  je  1  Th.  Radix  Asari  und  Herba  Hyoscyami,  15  Th. 
Fructus  Juniperi.  —  Je  1  Th.  Herba  Absinthii,  Fructus  Juniperi,  Radix 
Gentianae ,  Radix  Calami ,  Kochsalz  und  Glaubersalz ,  je  2  Th.  Semen 
Faenugraeci  und  Anttmonium  crudum. 

DrVObalanOpS,  Gattung  der  Dipterocarpaceae  mit  nur  einer  Art: 
Dryobalanops  Camphora  Colebr,  (D.  aromatica  Gaert.J.  Der  auf 
den  malayischen  Inseln  (Sumatra ,  Borneo ,  Labuan)  heimische  Baum  besitzt  ge- 
stielte, eiförmige,  dicht  fiedernervige  Blätter  und  kleine,  lineal-lanzettliche,  hinfällige 
Nebenblätter.  Die  rispigen  Infloresccnzen  bestehen  aus  actinomorphen  Zwitter- 
blüthen.  Kelch  öspaltig,  5  weisse,  den  Kelch  überragende  Kronenblätter,  zahl- 
reiche Staubgefässe,  Fruchtknoten  3fächerig,  zu  einer  3klappigen  Kapsel  sich  ent- 
wickelnd ,  welche  am  Grunde  von  den  vergrößerten  Kelchzipfeln  eingeschlossen 
ist.  Der  (durch  Abort)  einzige  Same  besitzt  fleischige  Cotyledonen,  von  denen  das 
grössere  um  das  kleinere  herumgewunden  ist. 

In  den  Höhlen  und  Spalten  alter  Stämme  finden  sich  krystallinische  Massen 
eines  eigentümlichen  Kamphers,  welcher  von  den  Eingeborenen  herausgeschabt 
und  in  unvollkommen  gereinigtem  Zustande  in  den  localen  Handel  gebracht  wird. 
Nach  Europa  gelangt  dieser  sogenannte  Borneo-  oder  B  a  r  o  8  -  Kampher  nicht. 
—  Vergl.  Camphora,  Bd.  II,  pag.  511. 

Dualin  ist  ein  von  Dittmar  erfundenes,  dem  Dynamit  nahestehendes  Spreng- 
mittel. Es  ist  ein  Gemenge  von  Nitroglycerin  mit  Sägespähnen  oder  dem  Holzstoff 
der  Holzstoffpapierfabriken,  welcher  vorher  mit  einem  Gemißch  von  Schwefelsäure 
und  Salpetersäure  behandelt  wurde.  Das  zum  Tränken  mit  Trinitroglycerin  ver- 
wendete Vehikel  ist  also  nicht  so  indifferent  als  beim  NoBKL'schen  Dynamit, 
insofern  es  Nitrocellulose  enthält.  (Vergl.  auch  Explosivstoffe.) 

Gauswind  t. 

Dualistische  Theorie.    Dieselbe  war  die  Vorläuferiu  der  atomistisch-mole- 
kularen  Theorie,   und  lag  bis  vor  etwa  20 — 25  Jahren  allen  üblichen  Formeln 
der  anorganischen  Chemie  zu  Grunde.  Man  ging  von  der  Ansicht  aus,  dass  stets, 
mit  Ausnahme  der  Elemente  selbst ,  jeder  chemische  Körper  aus  zwei  gleich 
einfach   oder  gleich  complicirt  zusammengesetzten  Stoffen  oder  Körpern  bestehe. 
Man  theilte  zu  dem  Ende  die  chemischen  Verbindungen  in  binäre:  Verbindungen 
von  Element  mit  Element  (z.  B.  Kohlensäure  C02  oder  Kali  KO),  tertiäre:  Ver- 
bindungen  zweier   binärer   Verbindungen  (z.  B.  Schwefelsäurehydrat  S03  .  HO; 
kohlensaures  Natron  NaO  .  C03):  quaternäre:  Verbindungen  zweier  tertiärer  Ver- 
bindungen (z.  B.  Alaun  Ala  Oä,  3  S03  ;  KO,  S08)  und  so  fort.  Es  rauss  zugestanden 
werden ,  dass  dieses  dualistische  System ,  zumal  wenn  es  consequent  durchgeführt 
wurde,  fast  alle  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  anorganischen  Chemie  zu 
erklären  vermag.    Zur  Zeit  der  Herrschaft  des  dualistischen  Systems  war  die 
organische  Chemie  noch  verhältnissmässig  wenig  entwickelt  und  begnügte  sich  viel- 
fach noch  mit  den  empirischen  Formeln.    Das  Bestreben,  das  dualistische  System 
auch  in  der  organischen  Chemie  einzuführen  ,  führte  zur  Theorie  der  organischen 
Kadicalo,  welche  dann  in  gewissem  Sinne  auch  wieder  rückwirkende  Aeusserungen 
auf  die  anorganische  Chemie   hatte   und  z.  B.  zur  Annahme  des  hypothetischen 
Kadirais  Ammonium  NH4  fOhrte.  Die  Radikaltheorie  führte  die  organischen  Ver- 
bindungen analog  den  anorganischen  iu  dualistischem  Sinne  auf;  die  sich  daraus 
ergebenden  Ineonseq Uenzen  der  verschiedensten  Art,  unterstützt  durch  die  sich  bahn- 
brechenden Anschauungen  Uber  die  chemische  Struetur,  brachte  dann  schliesslich 
die  dualistische  Theorie  zu  Falle.  Gannwindt. 


Digitized  by  Google 


542 


UUBOCK.  —  DUBOI.SJA. 


DubOCk.  volksth.  Name  für  Equtsetum  arvense  L. 

Dubois'  Pulvis  eSCharOtiCUS  (Poudre  arsenicale  escbarotique)  ist  eine 
Mischung:  von  16  Th.  Cinnabarin,  1  Th.  Acidum  arsenicosum  und  8  Th.  Sanguis 
Draconts. 

DuboiSia.  <  lattung  der  Solanaceae,  Abtheilung  Salpiglossideae ;  charakterisirt 
durch  özähnigen  Kelch,  4  zweimächtige,  fruchtbare  Staubgefässe  nebst  einem  fünften 
unfruchtbaren.  Kleine  zweifächerige  Heerenfrüchte  mit  wenigen  Samen. 

Duboisia  myoporotdes  R.  Br.  ist  strauchartig  bis  5  m  hoch,  ihre  Blätter  bis 
zu  15  cm  lang  und  3  cm  breit,  länglich  lanzettlich,  ganzrandig  und  an  den  Kanten 


Fig.  SS. 


Epidermis  der  ruterseite  des  Duboisia  -  Blattes  mit  Kali 
erwärmt ;  *t  Spaltöffnungen.  *  ein  Haar.  —  Vergr.  850. 
(Xach  Moeller.» 


- 


■ 


etwas  nach  unten  umgebogen.  Der  Mittelnerr  tritt 
beiderseits  stark  hervor,  und  von  ihm  gehen  fast 
rechtwinklig  Seiteunerven  ab,  welche  sich  am  Rande 
verschlingen  (Fig.  88).  In  der  Droge  des  Handels, 
welche  ans  Australien ,  insbesondere  aus  Neu-Cale- 
donien  und  Neu-Guinea  zu  uns  gelangt,  sind  höch- 
stens kleinere  Blätter  unversehrt  cuthalten ,  meist 
sind  nur  Bruchstücke  vorhanden,  welche  sehr  leicht 
zerbrechen.  Geruch  fehlt,  der  Geschmack  ist  bitter- 
lich. Als  besonderes  Kennzeichen  der  Blätter  kann 
gelten ,  dass  der  Mittelnerv  nach  oben  und  unten 
parenchymatöse  Auswüchse  bildet. 
Die  der  Droge  beigemengten  Blattstiele  sind  läug*runzlig  und  zeigen  auf  dem 
Querschnitt  grosse,  kreisförmige,  getüpfelte  Markzelleu,  die  durch  eine  duukle  Zone 
vom  strahligen  Holzkörper  getrennt  siud. 

Die  Epidermis  der  Unterseite  der  Blätter,  aus  polygonalen  Zellen  bestehend, 
zeigt  nach  Moeller  (Fig.  8H)  beim  Kochen  mit  Kalilauge  zahlreiche  Krystall- 
nadeln.  Spaltöffnungen  sind  nur  auf  der  Unterseite  vorhandeu. 


Blatt  von  DuMfffl  tfiyo/Kirofc/ej 

(nach  Moeller). 


Google 


DUBOISIA.  —  DÜNGEMITTEL.  543 

Die  Anwendung  der  Duboisiablätter  beruht  auf  dem  Gehalt  an  Duboisin. 

Zu  Augenwässern  wird  das  Extract  im  Verhältnias  von  5.0 : 30.0  verordnet. 

Als  Verwechslungen  werden  die  Blätter  von  Duboisia  Hopwoodü,  der 
Pituripflanze,  angeführt,  welche  aber  schmal  lineal  sind  und  eine  feine,  oft  zurück- 
gebogene Spitze  haben.  Ob  die  angegebene  eigentümliche  Bildung  des  Mittelnervs 
auch  dieser  Speciea  zukommt,  kann  wegen  Mangels  an  Material  nicht  festgestellt 
werden.  Sie  enthalten  das  flüssige  Alkaloid  Piturin.  Prollius. 

Duboisin  ist  ein  festes  krystallisirtes  Alkaloid  in  der  Duboisia  myoporoides, 
welches  von  Ladbnbüro  für  identisch  mit  Hyoscyamin  gehalten  wird;  es  gehört 
zu  den  mydriatisch  wirkenden  Alkaloiden  und  seine  Wirkungen  auf  den  Organismus, 
sowohl  bei  innerer  Anwendung,  wie  bei  Application  auf  die  Bindehaut,  übertreffen 
wesentlich  die  des  Atropins;  daher  das  Duboisin  und  das  Duboisinsulfat  nur  mit 
grosser  Vorsicht  angewendet  werden  darf,  meist  nur  als  Ersatz  des  Atropins  in 
der  Ophthalmiatrie.  Chemisch  verhalt  es  sich  ganz  wie  Hyoscyamin  (vergl. 
auch  dieses).    Die  tödtliche  Dosis  des  Duboisios  dürfte  bei  0.05  liegen. 

Ganswind  t. 

DliboisinSälire,  eine  aus  den  Blättern  von  Duboisia  Hopwoodü  dargestellte 
krystalliairbare,  nicht  näher  charakterisirte  Säure. 

DuCatenSamen,  volksth.  Bez.  für  Semen  Psyllii. 

DllCkStein.  Ein  in  der  Natur  vorkommender,  kalkarmer  Cement,  s.  Cement, 
Bd.  n,  pag.  613. 

Dlldley'S  Reagens  ailf  GlukOSe  ist  eine  Auflösung  von  Wismutnitrat  in 
wenig  Salpetersäure,  die  mit  gleichviel  Essigsäure  versetzt  und  hierauf  mit  dem 
Zehnfachen  destillirten  Wassers  verdünnt  ist.  Die  Lösung  hält  sich  gut  und  kann 
beliebig  verdünnt  werden,  ohne  sich  zu  trüben.  Zum  Gebrauch  wird  die  Ginkose 
oder  Harnzucker  enthaltende  Flüssigkeit  alkalisch  gemacht,  einige  Tropfen  des 
Reagens  zugesetzt  und  20 — 30  Secunden  lang  zum  Kochen  erhitzt.  Bei  Gegenwart 
von  Glukose  oder  Harnzucker  tritt  durch  Reductiou  des  Wismutsalzes  Schwarz- 
färbung ein. 

Düngemittel.  Die  Pflanze  n  bedürfen  zu  ihrer  Nahrung  ausser  Wasser  der 
Kohlensäure,  welche  sie  aus  der  Luft  aufnehmen  ,  ferner  von  im  Boden  enthaltenen 
Stoffen  der  Phosphornäure ,  Salpetersäure,  Schwefelsäure,  des  Kalis,  Kalkes,  der 
Magnesia  und  des  Eisenoxyds.  Schwefelsäure,  Kalk,  Magnesia  und  Eisenoxyd  ent- 
halten die  meisten  Bodenarten  in  überreichlicher  Menge,  während  Phosphorsäure, 
Salpetersäure  und  Kali  meist  in  nicht  zureichender  Menge  vorhanden  sind,  also 
gerade  diejenigen  Nährstoffe,  welche  die  Entwickelung  der  Pflanze  nach  allen  Rich- 
tungen hin  befördern. 

Um  den  Bedarf  der  Pflanzen  an  diesen  Stoffen  zu  decken,  reicht  der  in  vielen 
Wirthschaften  selbst  erzeugte  Stallmist  vollkommen  aus.  Wo  der  Stalldünger 
nicht  ausreicht,  um  die  Verluste  an  Nährstoffen  zu  ersetzen  oder  wo  ein  Miss- 
verhältniss  in  der  Zusammensetzung  der  Nährstoffe  im  Boden  eingetreten  ist,  hat 
man  zur  Anwendung  künstlicher  Düngemittel  als  „Hilfsdünger"  (Stallmist  ist  Haupt- 
düDger)  schreiten  müssen. 

Die  künstlichen  Düngemittel,  wie  sie  das  Mineralreich,  sowie  zu  diesem  Zwecke 
fabrikmässig  hergestellte  Producte  und  zahlreiche  gewerbliche  Abfälle  bieten,  ge- 
währen dem  Landwirthe  noch  folgende  specielle  Vortheile. 

1.  Auf  Neuland  können  höhere  Erträge  als  durch  ausschliessliche  Stallmist- 
dflngung  erzielt  werden.  2.  Ein  schneller  Fruchtwechsel  ist  ermöglicht.  3.  Mangel- 
hafter Stand  der  8aaten  kann  aufgebessert  werden.  4.  Sie  wirken  specifisch  günstig 
auf  die  Entwickelung  bestimmter  Culturpflanzen.  So  werden  Cerealien  und  Raps  in 
ihrem  Gedeihen  durch  Düngung  mit  Knochenmehl,  Peruguauo,  Kalksuperphospaten 


Digitized  by  Google 


DÜNGEMITTEL. 


und  Chilisalpeter  begünstigt:  Wurzelgewächse  durch  Superphosphat  mit  Chili- 
salpeter oder  Peruguano;  Hülsenfrüchte,  Grünfutterpflanzen  (besonders  kleeartige) 
und  Wiesengräser  durch  Holzasche,  Stassfurter  Kalisalze,  Gyps. 

Die  Düngemittel  des  Handels  theilt  man  nach  ihrer  Wirkung  und  Zusammen- 
setzung ein  in : 

A.  Direct  wirkende  Düngemittel. 

I.  Phosphorsäuredünger.  Mineralphosphate,  Guanophosphate,  Knochen- 
phosphate, Präcipitate,  Thomasschlacke,  Superphosphate. 

II.  Stickstoffdünger.  Salpeter,  AmmoniakBalze,  thierische  Abfälle  und  ge- 
werbliche Nebenproducte. 

III.  Stickstoff-  und  phosphorsäurehaltige  Düngemittel.  Peru- 
gnano,  aufgeschlossener  Peruguano,  gedämpftes  und  aufgeschlossenes  Knochenmehl, 
Ammoniaksuperphosphate,  thierische  und  gewerbliche  Abfälle. 

IV.  Kalihaltige  Düngemittel.  Stassfurter  Salze,  Holzasche  und  gewerb- 
liche Abfälle. 

B.  Indirect  wirkende  Düngemittel. 
Kalk,  Gyps,  Mergel,  humusbildende  Substanzen. 

Hauptbedingungen  für  eine  erfolgreiche  Anwendung  künstlicher  Düngemittel 
sind:  1.  Möglichst  feinpuiverige  Beschaffenheit  des  Düngemittels.  2.  Möglichst 
innige  und  gleichmässige  Vertheilung  in  den  oberen  Bodenschichten  durch  Ein- 
pflügen und  Eineggen.  3.  Möglichste  Wasser-  oder  doch  Bodenlöslichkcit  der  wirk- 
samen Bestandteile. 

Das  Ausstreuen  der  Düngemittel  geschieht  am  besten  mit  der  Hand. 

A.  Direct  wirkende  Düngemittel. 

I.  Phosphorsauredünger. 
1.  Natürliche  Phosphate. 

a)  Mineralische  Phosphate. 

Die  Mineralphosphate  sind  frei  von  organischen  Resten;  nur  die  Koprolithen 
enthalten  Spuren  von  Kohlenstoff.  Von  amorphen  Phosphaten  sind  folgende 
zu  erwähnen : 

.Sombrero-  und  Navassaphosphat  mit  30 — 36  Procent  Phosphorsäure 
(P8  Oö).  Sie  finden  sich  auf  den  Inseln  gleichen  Namens. 

Koprolithen  sind  entstanden  aus  den  Excrementen  ausgestorbener  Thier- 
geschlechter, besonders  denen  des  Ichthyosaurus.  Im  Handel  werden  sie  als  „Koth- 
steineu  bezeichnet.  Fundorte  für  Koprolithen  sind  England,  Conecticut,  Frankreich, 
Russland ,  Gegend  von  Aachen  und  Königslutter  bei  Braunschweig.  Ihr  durch- 
schnittlicher Gehalt  an  Phosphorsäure  beträgt  20 — 27  Procent.  Zur  Verarbeitung 
auf  Superphosphate  eigneu  sie  sich  wegen  ihres  bedeutenden  Eisengehaltes  schlecht 

Carolinaphosphat  enthält  ziemlich  viel  Eisenoxyd  und  Thonerde  und  neben 
circa  50  Procent  Tricalcinmphosphat  circa  10  Procent  CaCOs.  Die  beste  Waare, 
das  „Riverphosphat"  enthält  27.6  Procent  Phosphorsäure  und  42.9  Procent  Kalk. 
Ea  eignet  sich  wie  die  Koprolithen  schlecht  zur  Superphosphatfabrikation. 

Lotphosphat  vom  Flusse  gleichen  Namens  im  Departement  Tarn  et  Garonne. 
Der  Phosphorsfluregehalt  betrögt  33 — 38.5  Procent.  Es  eignet  sich  wegen  seines 
geringen  Eisenoxydgehaltes  und  hohen  Phospborsäuregehaltes  zur  Superphosphat- 
bereitung. 

Krystallisirte  Mineralphosphate  sind  die  Phosphorite  und 
Apatite.  Man  unterscheidet: 

Estremaduraphosphorit.  ein  apatitartiges ,  krystallinisches  Gestein, 
welches  sich  auf  Gängen  des  silurischen  Schiefers  findet.  Es  enthält  etwa  32  Pro- 
cent Tricalcinmphosphat  mit  circa  37.6  Procent  Phosphorsäure,  daneben  Fluor- 
calcium  und  Clilorcalcium.  Sein  Gehalt  an  Fluor  wirkt  wie  bei  allen  Apatiten 
störeud  bei  seiner  Verarbeitung  zu  Superphosphat. 


Digitized  by  Google 


I 


DÜNGEMITTEL.  545 

Caceres-Phosphat  mit  32 — 33  Proeent  Phosphorsäure.  Eis  wird  bei  Caeeres 
in  Spanien  gewonnen. 

Canada-Apatit  (Laurenzia- Apatit)  findet  sich  in  den  Provinzen  Ontario 
und  Ottawa  in  Canada,  die  beste  Sorte  auf  der  Laurenziamine.  Es  enthalt 
durchschnittlich  37  Procent  Phosphorsaure  nebst  Fluorcalcium  und  kohlensaurem 
Kalk. 

Lahnphosphorit  (Staffelit).  Sein  Fundort  ist  Staffel  bei  Limburg  a.  d. 
Lahn.  Man  unterscheidet  drei  Sorten  mit  einem  durchschnittlichen  Gehalt  von 
24,  32  und  38  Procent  Phosphorsaure.  Die  Herstellung  des  für  den  Markt  be- 
stimmten Productes  ist  wegen  der  ungleichmässigen  Beschaffenheit  des  Rohmaterials 
ausserordentlich  mflhsam.  Ebenso  ist  die  Herstellung  von  Superphosphaten  wegen 
des  hohen  Eisengehaltes  des  Phosphorits  sehr  schwierig. 

b)  Guanophosphate. 

An  den  Küsten  und  auf  den  Inseln  des  stillen  Oceans  und  anderer  Meere 
finden  sich  gewaltige  Ablagerungen  von  Excrementen  der  Seevögel,  welche  wesentlich 
aus  Tricalciomphogphat  bestehen,  wahrend  die  stickstoffhaltigen  Bestandteile  der- 
selben durch  Verwesung  und  Aaswaschen  verloren  gegangen  sind. 

Diese  Guanophosphate  können  nur  ausnahmsweise  roh  verwendet  werden,  z.  B. 
auf  humosen  oder  gar  moorigen  Böden;  sie  dienen  fast  ausschliesslich  zur  Her- 
stellung von  Superphosphaten.  Ihr  Gehalt  an  Phosphorsäure  ist  sehr  verschieden; 
er  beträgt  34 — 46  Procent;  ein  Stickstoffgehalt  von  0.2 — 1.0  Procent  (in  den 
Superphosphaten  höchstens  0.6  Proeent)  kommt  bei  der  Berechnung  des  Dünger- 
werthes  nicht  in  Betracht.  Man  unterscheidet  zwei  Gruppen,  den  Inselguano  und 
Guano  des  Festlandes. 

Inselguano.  Das  grösste  Lager ,  welches  jetzt  fast  erschöpft  ist,  fand  sich 
auf  der  Bakerinsel.  Unter  dem  Namen  Bakerguano  werden  meist  auch  die 
Guanosorten  zusammengefasst,  welche  von  den  Howland-,  Maiden-,  Jarvis-,  Starbuk-, 
Enderbury-,  Phönix-,  Raza-  und  anderen  Koralleninseln  stammen.  Aehnliche  Guanos 
linden  sich  auch  auf  den  Lacepede- ,  Browns- ,  Fanning- ,  Huan-,  Curacao-,  Aves- 
und  Surpriseinseln  und  bei  Sidney. 

Diese  Guanosorten  sind  aus  den  Excrementen,  Nahrungsresten,  todten  Leibern  , 
und  Eiern  von  Seevögeln  entstanden.  Der  durchschnittliche  Gehalt  an  Phosphor- 
säure ist  für  Bakerguano  34.8  Procent,  in  Krusten  45.9  Procent,  Howlandguano 
34.1  Procent,  Maidenguano  35.6  Procent,  Phönixinselguano  38.7  Procent,  Starbuk- 
guano 37.8 — 41.3  Procent,  Enderburyguano  41.2  Procent,  Curacaoguano  40  Pro- 
cent, Razaguana  36.5,  Jarvisguano  23  Procent,  Aveeguano  33.8  Procent,  Sidney- 
guano  34.4  Procent. 

Guanophosphate  de«  Festlandes.  Mejillonesguano  von  der 
Mejillonesbay  in  Chile.  Er  enthält  durchschnittlich  32.9  Procent  Phosphorsäure  als 
Calcium-  und  Magnesiumphosphat;  daneben  kleinere  Mengen  von  Gyps,  kohlen- 
saurem Kalk  und  organischer  Substanz  mit  etwa  0.9  Procent  Stickstoff. 

c)  Knochenphosphate. 

Hierher  gehören  die  Spodi  u  m abfalle,  welche  bei  der  Bereitung  und  Wieder- 
belebung der  Knochenkohle  entfallen.  Diese  Abfälle  führen  im  Düngerhandel  auch 
die  Namen  „Wasch-  oder  Schlammkohle",  die  unbrauchbar  gewordene  Knochen- 
kohle der  Zuckerfabriken,  gebrauchte  Knochenkohle. 

Sie  enthalten  11.5—34.5  Procent  Phosphorsäure.  Die  Kn och  e  n  a  s  c  h  e  stammt 
aus  den  baumlosen  Grasebenen  Südamerikas,  wo  die  getrockneten  Knochen  der 
Schafe  und  Rinder  das  einzige  Brennmaterial  bilden.  Jetzt  sind  die  grossen  Vor- 
räthe ,  die  sich  in  der  Nähe  der  menschlichen  Wohnungen  ansammelten ,  fast  er- 
schöpft. Der  mittlere  Gehalt  der  Knochenasehe  an  Phosphorsäure  beträgt  35.4  Pro-  * 
cent.  Sowohl  Knochenkohle  als  Knochenaschc  werden  ausschliesslich  zu  Super- 
phosphaten verarbeitet. 

Real-Enoyclopädie  der  ges.  Phannacie.  III.  35 

Digitized  by  Google 


54G 


DÜNGEMITTEL. 


2.  Künstliche  Phosphate. 

a)  Thomasschlacke. 

Sie  stammt  von  der  Entphosphorung  des  Eisens  nach  dem  Verfahren  des  Eng- 
länders Gilcheist  Thomas.  Bei  der  Rednction  der  phosphorhaltigen  Eisenerze  im 
Hohofen  bildet  sich  Phosphoreisen,  dessen  Entphosphorung  früher  nicht  gelang. 
Statt  der  feuerfesten  Ziegelsteine,  mit  denen  der  Converter  früher  ausgefüttert  war, 
verwendet  Thomas  Steine ,  welche  aus  erbsengross  gemahlenem ,  todtgebranntem 
Dolomit  hergestellt  werden,  indem  sie  mit  Theer  gemengt,  zu  Steinen  geformt  und 
erhitzt  werden,  wobei  die  coaksartige  Theerkohle  die  Masse  fest  zusammenhält. 
Ausser  diesem  basischen  Futter  des  Converters  verwendet  man  zur  Bindung  der 
durch  Verbrennung  des  Siliciums  und  Phosphors  entstehenden  Kiesel-  und 
Phosphorsaure  gebrannten  Kalk  als  basischen  Zuschlag.  Die  so  entstehende 
Schlacke  enthäft  11 — 23  Procent  Phosphorsäure,  38 — 59  Procent  Kalk  (im 
Mittel  17.5  Procent  Phosphorsäure,  50  Procent  Kalk).  Diese  Schlacken  ver- 
arbeitet man  frisch  oder  nachdem  sie  1  „ — 1  Jahr  lang  im  Freien  verwittert  sind, 
indem  man  sie  durch  Kollergänge  und  Mühlen  zerkleinert.  Nach  Schkibler's 
Verfahren  zerlegt  man  die  Schlacke  durch  Ansaigern  in  einen  phosphorsäure- 
reicberen  und  -ärmeren  Theil ,  indem  man  sie  in  flüssigem  Zustande  in  ein  mit 
schlechten  Wärmeleitern  bekleidetes  Gefäss  giesst  und  sie  darin  sehr  langsam  er- 
kalten lässt.  In  dem  oberen  Theile  sammelt  sich  der  phosphorsäurereichere  Theil 
an,  in  dem  unteren  der  phosphorsäureärmere.  der  zugleich  auch  reicher  an  Eisen- 
oxydul und  Oxyd  ist.  Man  nimmt  als  wirksamen  Bestandtheil  der  Thomasschlacke 
Tetracalciumphosphat,  CaA  P2  09,  an.  Für  die  Wirksamkeit  der  Thomasschlacke  ist 
ganz  besonders  die  Feinkörnigkeit  von  Kinfluss. 

b)  Präcipitate. 

Leimkalk,  präcipitirter  phosphorsaurer  Kalk,  wird  bei  der  Leimfabrikation 
als  Nebenproduct  erhalten,  durch  Ausziehen  der  mineralischen  Beatandtheile  der 
Knochen  durch  Salzsäure  '  wobei  die  leimgobende  .Substanz  ungelöst  bleibt)  und 
vorsichtige  Neutralisation  dieses  Auszuges  mit  Kalkmilch.  Wenn  ein  Ueberschnss 
von  Kalk  vermieden  wird,  so  erhält  man  ein  sehr  wirksames  Düngemittel,  welches 
wesentlich  aus  Dicalciuniphosphat  besteht,  während  bei  Anwendung  eines  L'eber- 
schusses  an  Kalk  ein  Theil  der  Phosphorsäure  in  das  langsamer  wirkende  Tri- 
calciumphosphat  übergeht.  Der  Phosphorsäuregehalt  beträgt  bei  richtiger  Darstellung 
35—42  Procent. 

Präcipitate  aus  Thomasschlacken.  Sie  werden  im  Wesentlichen  wie 
das  vorige  Product  hergestellt  und  haben  dieselbe  Zusammensetzung.  Die  fein  ge- 
mahlene und  geröstete  Thomasschlacke  wird  nur  mit  so  viel  Salzsäure  behandelt, 
dass  der  grösstc  Theil  des  Eiseuoxyds  etc.  ungelöst  bleibt,  also  wesentlich  nur 
Phospborsäurc  und  Kalk  in  Lösnng  gehen:  diese  Lösung  wird  mit  Kalk  neutrali- 
sirt.  Dieses  Product  enthält  durchschnittlich  34  Procent  Phosphorsäure. 

K  1  a  d  n  o  p h o  s ph  at.  Auf  der  Albertinenhütte  zu  Kladno  in  Böhmen  werden 
zur  Entfernung  der  bei  der  Gewinnung  des  Eisens  störenden  Phbsphorsäure  die 
phosphorsäurehaltigen  Eisenerze  zerkleinert,  geröstet,  in  Bassins  mit  Wasser  über- 
gössen und  schweflige  Säure  eingeleitet.  Beim  Erhitzen  dieser  Lösung,  welche  die 
•  Phosphorsäure  enthält,  wird  die  schweflige  Säure  verflüchtigt,  während  phospbor- 
saure  Thonerde  (AlPCy)  sich  niederschlagt.  Dieser  Niederschlag  enthält  durch- 
schnittlich 31.5  Procent  Phosphorsäure. 

Die  Wirkung  der  Präcipitate  ist  eine  allgemein  günstige.  Es  werden  Präcipitate 
aueh  aus  auderen  Phosphaten  hergestellt. 

c)  Superphosphatc. 

Die  Superphosphatc  werden  hergestellt  durch  „Aufschliessen"  der  Rohphospbate 
durch  Mischen  derselben  mit  Schwefelsäure.  Die  Fabrikation  der  Superphosphatc 
i«t  ungemeiu  einfach,  wenn  das  Rohmaterial  wesentlich  Kalkphosphat  enthält ;  sehr 


Digitized  by  Google  : 

! 


DÜKGEMITTEL. 


547 


erschwert  wird  sie  durch  Anwesenheit  von  Eigenoxyd,  Thonerde,  'Fluor  u.  a.  Das 
Anfschliessen  wird  in  kreisrunden  ausgemauerten  oder  mit  Blei  ausgelegten  Gruben 
vorgenommen,  in  welche  zunächst  die  zum  AufsehHessen  einer  bestimmten  Quan- 
tität des  Rohmateriales  (circa  30  Centner  auf  einmal)  nöthige  Menge  Schwefelsäure 
gebracht  wird,  worauf  das  am  Rande  der  Grube  bereit  liegende,  fein  gemahlene 
Rohphosphat  möglichst  rasch  und  gleichmässig  aber  die  ganze  Oberfläche  der  Säure 
ausgestreut  wird,  während  die  Masse  fortwährend  tüchtig  umgekrückt  wird.  In  vielen 
Fabriken  wird  die  Mischung  von  Phosphat  und  Säure  in  schräg  liegenden  bleiernen 
Cylindern  vorgenommen,  in  welchen  sich  eine  mit  bleiernen  Flügeln  scbraubenartig 
besetzte  Axe  dreht.  In  eine  am  oberen  Ende  befindliche  Trichteröffnung  gelangt 
mittelst  eines  Distributors  Phosphat  und  Schwefelsäure  in  richtigem  Verhältnis*. 
Am  unteren  Ende  fliesst  das  Superphosphat  als  dünner  Brei  aus.  Beim  Aufschliessen 
reiner  Kalkphosphate  geht  das  Tricalciuraphosphat  in  das  löslicjae  Monocalciuni- 
phosphat  über  nach  der  Gleichung:  Ca3  P3  08  -f  2  H2  S04  =  CaH4  P2  08  +  2 Ca S04. 

Ist  ein  Ueberschus8  von  Kalk  oder  anderen  Basen  vorhanden .  so  muss  ent- 
sprechend mehr  Schwefelsäure  angewendet  werden.  Die  zum  Aufschliessen  nöthige 
Schwefelsäure  wird,  wo  sie  nicht  als  Abfallsäure  aus  Anilinfabriken  oder  überhaupt 
billig  von  auswärts  bezogen  werden  kann,  in  den  Snperphosphatfabriken  selbst 
hergestellt. 

Man  verwendet  eine  Schwefelsäure  von  circa  50°  B.  (50  Procent  S03) ,  bei 
Knochenkohle  von  60°  B.  (64  Procent  803).  Je  höher  der  Procentgehalt  der  an- 
gewandten 8äure  ist,  um  so  höherprocentig  fällt  das  Superphosphat  aus.  Eiue  zu 
starke  Säure  gibt  ein  steiniges  ungb-ichmässiges  Product.  Beim  Mischen  der 
Schwefelsäure  mit  dem  Phosphat  findet  eine  bedeutende  Wärmeentwickelung  statt ; 
nach  einiger  Zeit  wird  die  Masse  steif.  Man  bringt  das  Product  so  heisa  als 
möglich  auf  Haufen  in  bedeckte  Räume,  wo  es  8 — 14  Tage  lang  lagert  und  vor 
dem  Verkauf  gesiebt  wird. 

Häufig,  z.  B.  bei  der  Verarbeitung  vou  Baker-  oder  Mejillonesguano,  bleibt  die 
Masse  feucht  bis  schmierig  von  freier  Phosphorsäure  (bei  der  Berechnung  der  zu 
verwendenden  Schwefelsäure  nimmt  man  die  Phosphorsäure  in  den  Rohphosphaten 
als  Tricalciumphosphat  an.  Enthalten  nun  die  Phosphate  Magnesium  oder  Dicalcium- 
phosphat,  so  wird  ein  Ueberschuss  von  Schwefelsäure  angewandt  und  daher  Phos- 
phorsäure in  Freiheit  gesetzt).  Am  schwierigsten  ist  die  Verarbeitung  von  Roh- 
phosphaten, die  erhebliche  Mengen  von  Thonerde  oder  Eisen  enthalten,  wio  z.  B. 
des  Lahnphosphorits.  Es  entsteht  saures  Ei>enphospbat,  welches  bei  der  Erhitzung 
der  Masse  in  neutrales  Eisenphosphat  (FeP04)  und  freie  Phosphorsäurc  zerfällt, 
die  das  Fabrikat  echmierig  macht.  Diesem  Uebel»tande  kann  man  durch  schnelles 
Abkühlen  der  Masse  einigermaassen  vorbeugen.  Ein  anderer  Uebelstand  ist  das 
nachträgliche  Zurückgehen  (Unlöslichwerden)  eines  Theiles  der  Phosphorsäurc  in 
diesen  Superphosphateu.  Um  die  Phosphorsäure  dieser  Phosphorite  dennoch  zu  ver- 
werten, setzt  man  zu  denselben  so  viel  Schwefelsäure  hinzu ,  dass  die  gesammte 
Phosphorsäure  frei  gemacht  wird.  Durch  Miscben  der  so  erhaltenen  Phosphorsäure 
mit  leicht  aufschliessbaren  Phosphaten  erhält  man  die  sogenannten  „Doppelsupcr- 
phospbate44  mit  bis  gegen  40  Procent  Phosphorsäure. 

Das  Zurückgehen  der  Phosphorsäure  beruht  auf  der  Bildung  unlöslichen  neu- 
tralen Eisen-  und  Thonerdephosphats. 

Nach  dem  beschriebenen  Verfahren  werden  Superphosphate  hergestellt  aus  allen 
oben  besprochenen  natürlichen  Phosphaten. 

Durchschnittlicher  Phosphorsäuregehalt  einiger  Superphosphate :  Mejillonesguano 
21.5  Procent,  Bakerguano  21.8  Procent,  Sombrerophosphat  20.2  Pcocent,  Knochen- 
kohle 16  Procent,  Knochenasche  20 — 22  Procent,  Lahnphosphorit  (gewöhnlich) 
15  —  19.4  Procent. 

Die  Wirkung  der  Superphosphate  ist  eine  sehr  rasche,  da  die  Phosphorsäure 
wasserlöslich  ist  und  von  der  Pflanze  schnell  aufgenommen  wird.  Ein  audercr  Vor- 
theil ist  die  feine  uud  gleichmässige  Verkeilung,   welche  die  Phosphorsäurc  bei 

35* 

Digitized  by  Google 


548 


DÜNGEMITTEL. 


der  Absorption  im  Boden  erfährt.  Man  streut  die  Superphosphate  zweckmässig 
kurz  vor  der  Saat.  Als  Minimum  der  Düngung  nimmt  man  7.5  kg,  gewöhnlich 
aber  10 — 12.5  kg  löslicher  Phosphorsäure  pro  Morgen  an. 

Die  zurückgegangene  Phosphorsäure  der  Superphosphate  ist  ebenfalls  wirksam, 
wenngleich  der  wasserlöslichen  nicht  gleichwertig. 

n.  Stickstolldünger. 
1.  Salpeter. 

Chilisalpeter  (Caliche  oder  Terra  salistrosa) ,  salpetersaures  Natrium 
(Na  NO,),  findet  sich  in  der  peruanischen  Provinz  Torapaca,  theils  zu  Tage  tretend, 
theils  von  einer  1  2 — 2  m  dicken  Schicht  von  Conglomeraten  bedeckt.  Er  enthält 
ausser  salpetersaurem  Natrium  auch  salpetersaures  Kalium,  Kochsalz,  Bromnatrium, 
Jodnatrium ,  jodsaures  Natrium ,  Kalium  und  Calcium.  Die  Entstehung  des  Chili- 
salpeters ist  noch  dunkel ;  Einige  nehmen  an,  dass  er  aus  dem  Natrium  des  Meer- 
wassers und  dem  Stickstoff  grosser  Massen  durch  Meeresflutheu  an  das  Land  ge- 
schwemmter Algen  entstanden  sei,  während  nach  einer  anderen  annehmbareren 
Ansicht  er  den  Stickstoff  einem  an  den*  Ufern  eines  jetzt  eingetrockneten  Natron- 
sees befindlichen  Guanolager  verdankt.  Der  ruhe  Chilisalpeter,  dessen  Stickstoff- 
gehalt sehr  verschieden  ist,  wird  durch  Umkrystallisiren  gereinigt  und  enthält  dann 
1)0—100  Procent  salpetersaures  Natrium  mit  14.H— 16.4  Procent  Stickstoff.  Da 
der  Chilisalpeter  den  Stickstoff  in  der  zur  Aufnahme  für  die  Pflanze  günstigsten 
Form  enthält,  so  ist  seine  Wirkung  eine  sehr  rasche,  eine  Nachwirkung  indessen 
nicht  zu  erwarten.  Er  darf  nicht  zu  lange  vor  der  Aussaat  gestreut  werden ;  als 
ausschliesslicher  Dünger  darf  er  nur  ausnahmsweise  verwendet  werden.  In  der 
Regel  ist  er  gleichzeitig  mit  schnell  wirkenden  Phosphaten  (Superphosphaten)  zu 
verwenden.  Der  Chilisalpeter  verlangsamt  die  Vegetation  und  bedingt  Spätreife, 
welcher  Nachtheil  durch  die  Frühreife  bewirkende  Phosphorsäure  aufgehoben  wird. 
Bei  Anwendung  des  Chilisalpeters  ist  ein  häufiges  Eggen  und  Hacken  geboten,  da 
er  an  der  Oberfläche  des  Bodens  leicht  die  Bildung  harter  Krusten  veranlasst. 
Kalisalpeter  wird  als  Dönger  fast  gar  nicht  mehr  angewendet, 
Kalinatronsalpeter  mit  durchschnittlich  14.9  Procent  Stickstoff.  Die  An- 
wendung entspricht  der  des  Chilisalpeters. 

2.  Ammoniaksalze. 

Das  für  die  Landwirtschaft  in  den  Handel  kommende  schwefelsaure 
Ammoniak  [(NH4)2  S04]  wird  jetzt  fast  ausschliesslich  als  Nebenproduct  bei  der 
Leuchtgasfabrikation  aus  Steinkohlen  gewounen,  nur  hier  und  da  als  Nebenproduct 
bei  der  Bereitung  der  Knochenkohle,  neuerdings  auch  beim  Hohofenprocess. 

Das  Gaswasser  der  Stcinkohlcngasfabrikation  enthält  Ammoniak  hauptsächlich  an 
Kohlensäure ,  Schwefelwasserstoff,  Rhodanwasserstoff  gebunden.  Das  Ammoniak 
wird  aus  dem  Gaswasser  durch  Destillation  mit  gelöschtem  Kalk  ausgetrieben  und 
in  verdünnter  Schwefelsäure  aufgefangen. 

Die  so  erhaltene  Lösung  von  schwefelsaurem  Ammoniak  wird  concentrirt  nnd 
das  Salz  durch  Krystallisation  gewonnen.  Das  käufliche  schwefelsaure  Ammoniak 
enthält  zuweilen  Rhodanaramonium ,  einen  den  Pflanzen ,  namentlich  der  Gerste, 
schon  in  kleinster  Menge  höchst  schädlichen  Körper;  die  Anwesenheit  desselben 
läfist  sich  leicht  an  der  blutrothen  Farbe  der  Losuug  erkennen ,  welche  dieselbe 
uach  Ansäuerung  auf  Zusatz  von  Eisenchlorid  annimmt. 

Auch  den  Stickstoff  der  Humussubstanz  des  Torfs  führt  man  neuerdings  nach 
dem  GKOUVKx'schen  Patent  durch  Einwirkung  überhitzten  Wasserdampfes  in 
Ammoniak  über,  welches  der  Landwirtschaft  zu  Gute  kommt. 

Die  Ammoniaksalze  werden  früher  ausgestreut  als  Chilisalpeter,  der  doch  im 
Allgemeinen  den  Vorzug  verdient,   namentlich  auf  kalkarmen  und  sauren  Böden. 

Die  Wirkung  des  Ammoniaks  auf  die  Pflanze  ist  eine  wesentlich  langsamere, 
als  die  des  Chilisalpetcrs ,  da  der  Stickstoff  des   Ammoniaks  im  Boden  erst  zu 


Digitized  by  Google 


DÜNGEMITTEL.  649 

Salpetersäure  oxydirt  („nitrificirt")  werden  muss,  ehe  er  für  die  Pflanze  assirailir- 
har  ist. 

Von  ammoniakhaltigen  Substanzen  ist  noch  zu  erwähnen  der  R  u  s  s .  der,  von 
Steinkohle  stammend,  durchschnittlich  2.4,  von  Holz  1.3  Procent  Stickstoff  ent- 
hält. Ein  den  Ammoniaksalzen  in  seiner  Wirkung  gleichwerthiges  Product,  unreines 
salzsaures  Trimethylamin,  wird  bei  der  Verarbeitung  der  Melasse  nach 
dem  Elutions verfahren  als  Nebenproduct  gewonnen. 

3.  Thierische  Abfälle. 

Dieselben  enthalten  den  Stickstoff  in  der  für  die  Pflanze  am  langsamsten 
assimilirbaren  Form.  Sie  müssen  alle  mit  Ausnahme  des  Blutmehls  vor  der  An- 
wendung compostirt  werden.    Der  Phogphorsäuregehalt  kommt  nicht  in  Betracht. 

Wollstaub,  wollene  Lumpen,  Filzabfalle  u  s.w.  enthalten  sehr  wechselnde 
Mengen  von  Stickstoff,  durchschnittlich  5  Procent. 

Leimkäse  oder  Leimknchen  besteht  im  Wesentlichen  aus  Kalk,  ver- 
mischt mit  leicht  verweslichen  thieriscben  Stoffen.  Der  durschnittliche  Stickstoff- 
gehalt beträgt  3  Procent. 

Gerbereiabfälle  bestehen  aus  einem  Gemenge  von  Haaren  und  Kalk. 
Durchschnittlicher  Stickstoffgehalt  1.4  Procent. 

Fleischmehl,  hergestellt  aus  dem  Fleisch  gefallener  Thiere  durch  Kochen, 
Trocknen  und  Mahlen.  Stickstoffgehalt  circa  14.5  Procent. 

Flechsenraehl  ähnlich  wie  Fleischmehl. 

Horn  und  Klauen  werden  gewöhnlich  zuerst  geröstet  oder  gedämpft  und 
dann  pulverisirt.  Stickstoffgehalt  circa  10  Procent.  Gedämpf!  es  Hornmehl  ist  für 
die  Fäulniss  im  Boden  besser  vorbereitet  als  nicht  präparirtes  oder  geröstetes. 

Lederabfälle  werden  scharf  getrocknet  und  mit  dem  „Reisswolf4  fein  ge- 
pulvert. Stickstoffgehalt  9 — 10,  zuweilen  nur  4 — 5  Procent.  Die  Zersetzung  im 
Boden  ist  eine  sehr  langsame. 

Blutmehl.  Das  frische  Blut  enthält  circa  20  Procent  feste  Bestandtheile,  die 
wesentlich  aus  Albuminstoffen  bestehen.  Uni  dieselben  von  dem  Wasser  zu  trennen, 
wird  in  das  durch  Umrühren  bewegte  frische  Blut  Dampf  eingeleitet,  wodurch  es 
zu  einer  steifen  flockigen  Masse  gerinut.  Nach  dem  Ablassen  des  Blutwassers  wird 
das  Gerinnsel  getrocknet  und  fein  gemahlen.  Man  kann  das  Blut  auch  durch  Zu- 
satz von  Kalk  zum  Gerinnen  bringen.  Das  Blutmehl  enthält  12 — 15  Procent  Stick- 
stoff. Es  wirkt  schneller  als  die  anderen  thieriscben  Abfälle. 

ID.  Stickstoff-  und  phosphorsänrehaltige  Dünger. 
1.  Rohmaterialien. 

a)  Guanoarten. 

Peruguano.   Er  besteht  aus  Zersetzungsproducten  der  Excremente  von  See- 
vögeln und  verdankt  die  Erhaltung  seines  Stickstoffes  günstigen  klimatischen  Ver- 
bältnissen. Der  breiige  Harn  der  Vögel,  der  den  Stickstoff  fast  nur  in  Form  von 
unlöslicher  Harnsäure  enthält ,   konnte  nicht  in  den  Untergrund  verloren  gehen. 
Der  Peruguano  bildet  Ablagerung  längs  der  ganzen  Westküste  Südamerikas.  Von 
den  in  ihrer  Zusammensetzung  je  nach  dem  Fundorte  wechselnden  Guanosorten 
war  der  von  den  Chinchainseln  stammende  der  beste  mit  etwa  14  Procent 
Stickstoff  und  12  Procent  Phosphorsäure.   Dieser  Chinchaguano  wurde  schon  von 
den  alten  Peruanern  für  die  Landwirtschaft  verwerthet.    Nach  vollständiger  Er- 
schöpfung dieses  Lagers  wurden  andere  Lager  in  Angriff  genommen.  Von  diesen 
giud   schon  fast  erschöpft  die  Lager  von  den   Ballestas-,  Guauape-  und 
Macibi- Inseln  (mit  9 — 12  Procent  Stickstoff  und  circa  13  Procent  Phosphor- 
sflnre). 

Der  jetzt  in  den  Handel  kommende  Guano  stammt  fast  ausschliesslich  von 
Punta  de  Lobos  (mit  8.3  Procent  Stickstoff,  13.4  Proceut  Phosphorsäure), 
Pabillon  de  Pica  (9.2  Procent  Stickstoff,  13.5  Procent  Phosphorsäure),  Hua- 


Digitized  by  Google 


550 


DÜNGEMITTEL. 


nillos  (8  Procent  Stickstoff,  15  Procent  Phosphorsäure),  Saldanhabay  (9  Pro- 
cent Stickstoff,  9. 2  Procent  Phosphorsäure),  Ichaboe  (8  Procent  Stickstoff, 
11.3  Procent  Phosphorsflure).  Ein  ähnlicher  Gnano  ist  der  egyptisch  e  mit  11  Pro- 
cent Stickstoff,  9  Procent  Phospborsflure.  In  neuester  Zeit  kommt  der  Peruguano 
in  gereinigtem  Zustande  in  zwei  Qualitäten  in  den  Handel:  Gemahlener  Peru- 
guano 1.  mit  7  Procent  Stickstoff  (als  Salpetersäure,  harnsaures,  oxalsaures  und 
schwefelsaures  Ammoniak  und  als  Chlorammonium),  14  Procent  Phosphorsäure, 
3  Procent  Kali;  gemahlener  Peruguano  II.  mit  4  Procent  Stickstoff,  20  Pro- 
cent Phosphorsäure ,  3.5 — 4  Procent  Kali.  In  allen  diesen  Guanos  ist  fast  die 
Hälfte  der  stickstoffhaltigen  Substanz  wasserlöslich,  nämlich  harnsaures  und  oxal- 
saures  Ammoniak  und  kleine  Mengen  von  Guanin. 

Die  Phosphorgflure  ist  grösstenteils  als  Tricalciumphosphat  vorhanden  und  nur 
zum  kleineren  Theile  durch  Wechselwirkung  der  letzteren  mit  oxalsaurein  Ammoniak 
löslich.  Der  Stickstoff  wirkt  verschieden,  der  als  Ammoniak  vorhandene  schneller 
als  der  der  Harnsäure.  Da  sowohl  Stickstoff  als  Phosphorsäure  des  Peruguanos 
eine  zur  Aufnahrae  in  die  Pflanze  gunstige  Form  haben ,  so  ist  derselbe  roh  zu 
verwenden  und  meist  vom  Aufschliessen  desselben  abzusehen;  ja  für  manche  Böden 
ist  der  rohe  Guano  vorzuziehen ,  wie  für  Sandböden  und  kalkarme  Böden.  Vor 
den  Aramoniaksuperphosphaten  ,  s.  unten)  verdient  er  deshalb  den  Vorzug ,  weil 
Phosphorsäure  und  Stickstoff  (und  etwas  Kali)  darin  inniger  gemischt  sind  als  es 
auf  künstlichem  Wege  erreichbar  ist. 

Man  rechnet  zur  Düngung  1 — l1  a  Centner  Peruguano  pro  Morgen,  die  tief 
untergepflügt  werden  müssen. 

Fledermausguano,  früher  unter  dem  Namen  sardinischer  Guano  im  Handel, 
besteht  wesentlich  aus  Koth  und  Leichen  von  Fledermäusen.  Er  findet  sich  an 
Küsten  des  Mittelmeeres,  in  Brasilien,  Ungarn  und  in  der  Gegend  von  Krakau. 
Er  enthält  2 — 3  Procent  Stickstoff  und  11—16  Procent  Phosphorsäure,  der  Krakauer 
enthält  circa  9  Procent  Stickstoff. 

Robbenguano  ist  vorzugsweise  aus  den  Leibern  von  Robben  entstanden. 
Er  findet  sich  hin  und  wieder  an  der  Küste  Südamerikas.  Sein  Stickstoffgehalt 
ist  geringer  als  der  des  Peruguanos. 

b)  Knochen. 

Frische  Knochen  bestehen  nach  Heixtz  aus  26.5 — 30.6  Procent  leimgebender 
Substanz  mit  4—5  Procent  N.  64.6—69.8  Procent  (Ca,  P2  Oe)s  CaC08 ,  1.2  bis 
2.1  Procent  Mgs  Ps  Oa,  1.8 — 2.2  Procent  CaFlj.  Die  in  den  Handel  kommenden 
gekochten  Knochen  enthalten  mehr  oder  weniger  Verunreinigungen.  Fossile  Knochen 
und  Knochcnbreceien  weichen  in  ihrer  Zusammensetzung  etwas  ab.  In  unzer- 
kleinertem  Zustande  finden  die  Knochen  als  Dünger  keine  Verwendung,  selbst 
wenn  sie  zur  Compostirung  bestimmt  sind,  müssen  sie  vorher  zerkleinert  werden. 
Zum  directcn  Ausstreuen  auf  den  Acker  eignen  sie  sich  nur  in  prflparirtem  Zu- 
stande. 

2.  Präparirte  Düngemittel. 

a)  Gedämpftes  Knochenmehl. 

Zur  Herstellung  des  gedämpften  Knochenmehls  dienen  die  Abfälle  von  der 
Knopf-  und  Messerschalenfabrikation  und  der  Knochenschrotfabriken,  sowie  die  für 
diese  Zwecke  nicht  brauchbaren  kleineren  und  lockeren  Knochentheile.  Die  Knochen 
werden  zunächst  in  verschlossenen  Gefässen  4  Stunden  lang  der  Einwirkung 
von  Wasserdampf  von  4  Atmosphären  Druck  ausgesetzt  („gedämpft").  Hierdurch 
wird  nicht  nur  die  Knochensubstanz  mürber  gemacht  und  die  Knorpelsubstanz  in 
Leim  verwandelt,  sondern  auch  das  die  Zersetzung  der  Knochenmasse  verlang- 
samende Fett  entfernt.  Nachdem  die  so  gedämpften  Knochen  getrocknet  sind, 
werden  nie  durch  Kollerwerke  zermalmt  und  zwischen  Steinen  zu  einem  feinen 
Pulver  gemahlen. 


Digitized  by  Googl 


DÜNGEMITTEL. 


551 


Ein  normales  Knochenmehl  enthält  circa  3.8  Procent  Stickstoff  und  23.2  Pro- 
cent Phosphorsäure  und  nicht  mehr  als  4  Procent  Sand;  aus  stark  entleimten 
Knochen  hergestellte  Waare  enthält  weniger  Stickstoff  und  igt  phosphorsäurereicher. 
Das  Entleimen  der  Knochen  ist  verwerflich,  weil  durch  die  Zersetzung  der  Leim- 
substanz im  Boden  die  Phoaphorsänre  den  Pflanzen  leichter  zugänglich  gemacht 
wird.  Beim  Ankauf  und  der  Verwendung  des  Knochenmehls  ist  ganz  besonders 
anf  seine  feinpulverige  Beschaffenheit  zu  achten.  Verfälschungen  des  Knochenmehls 
mit  Steinnussabfällen.  Gyps,  Phosphoritmehl,  schlechtem  Leimkalk,  Torfasche  u.  s.  w. 
finden  zuweilen  statt.  Zum  Ausstreuen  macht  man  das  Knochenmehl  durch  Mischen 
mit  Erde  geeigneter;  auch  ein  vorheriges  Compostireu  desselben  ist  vortheilhaft.. 
Das  Ausstreuen  geschieht  im  Herbst  und  am  besten  mit  der  Hand;  man  wendet 
gewöhnlich  2 — 3  Centner  pro  Morgen  an. 

Das  Knochenmehl  wirkt  mehrere  Jahre  lang  nach  ;  eine  vollständige  Ausnutzung 
findet  in  3—4  Jahren  statt. 

b)  Aufgeschlossenes  Knochenmehl 

wird  ebenso  wie  die  Superphosphate  durch  Behandlung  mit  Schwefelsäure  her- 
gestellt. Eine  Schwierigkeit  hierbei  bildet  der  Umstand,  dass  das  Product  leicht 
nass  und  klumpig  wird,  dem  man  dadurch  vorbeugen  kann ,  dass  man  eine  zum 
vollständigen  Aufschliessen  nicht  ganz  zulängliche  Menge  von  Schwefelsäure  an- 
wendet. Es  enthält  durchschnittlich  2.6  Procent  Stickstoff,  17.6  Procent  Phosphor- 
säure. Man  erhöht  häufig  den  Stickstoffgehalt  des  Fabrikats  durch  Zusatz  thierischer 
Stoffe  ,  z.  B.  durch  Zusatz  von  frisch  geronnenem  Blut  (auf  100  Centner  frischer 
Knochen  etwa  120  Centner  frisches  Blut),  wodurch  man  ein  trockenes  Product 
erhält ,  ferner  von  Horn ,  welches  als  fertiges  Mehl  zugesetzt  wird ,  von  Leder- 
abfällen ,  welche  in  der  zum  Aufschliessen  dienenden  Säure  aufgelöst  werden  und 
von  anderen  Abfällen,  wie  Fleisch,  Fettgrieben  u.  s.  w.,  die  ebenfalls  in  Schwefel- 
säure gelöst  werden. 

c)  Aufgeschlossener  Peruguano 

wird  wie  die  Superphosphate  aus  dem  feingemahlenen  Rohguano  durch  Aufschliessen 
mit  Schwefelsäure  hergestellt:  man  wendet  auf  100  Tb.  Rohphosphat  22  Th. 
Schwefelsäure  von  66°  B.  an.  Das  Aufschliessen  den  Peruguanos  erweist  sich  nur 
bei  sehr  niedrigem  Stickstoffgehalt  und  bei  seebeschädigter  Waare  als  vortheilhaft. 
Der  aufgeschlossene  Peruguano  enthält  durchschnittlich  7  Proceut  Stickstoff,  9  bis 
10  Procent  Phosphorssure  und  2—3  Procent  Kali.  Er  wirkt  schneller  als  der  rohe 
Guano,  da  sein  Stickstoff  und  seine  Phosphorsäure  leichter  löslich  sind.  Bezüglich 
der  Zeit  des  Ausstreuens  gelten  für  den  aufgeschlossenen  Peruguano  dieselben 
Regeln  wie  für  die  Superphosphate. 

d)  Ammoniaksuperphosphate. 

Die  Herstellung  der  Ammoniakauperphosphate  geschieht  einfach  durch  sorg- 
fältiges Mischen  von  stickstofffreien  Superphosphaten  mit  schwefelsaurem  Ammoniak. 
Sie  enthalten  häufig  wie  das  rohe  schwefelsaure  Ammoniak  Rhodanammoniuni.  Es 
sind  verschiedene  Sorten  gebräuchlich  mit  3 — 10  Procent  Stickstoff  und  9 — 15  Pro- 
cent Phosphorsäure;  davon  mögen  die  drei  gebräuchlichsten  erwähnt  werden: 
I  mit  9—10  Procent  Stickstoff,  9—10  Procent  Phosphorsäure 
"   „    5-6        „  „       12-13  „ 

III   „    3—4        „  „       14-15       „  „ 

Für  die  Zeit  des  Ausstreuens  der  Ammoniaksuperphosphatc  gelten  dieselben 
Regeln  wie  für  die  gewöhnlichen  Superphosphate.  Neuerdings  kommt  für  Dttngungs- 
zwecke  aueh  phosphorsaures  Ammoniak  in  den  Handel. 

3.  Thieriache  und  gewerbliche  Abfälle. 

Fleischmehl  wird  aus  den  Abfällen  der  Fleischextractfabriken  und  Ab- 
deckereien durch  Dämpfen,  Trocknen  und  Mahlen  hergestellt  und  ist  ein  Gemisch 


Digitized  by  Google 

- 


552 


dOngemittkl. 


Ton  Fleischmehl  mit  Knochenmehl.  Ein  solches  Product  ist  der  Fray-Bentos- 
guano  mit  durchschnittlich  5.8  Procent  Stickstoff,  17.4  Procent  Phosphorsaure; 
deutsches  Fleischmehl  ist  etwas  stickstoffreicher  und  phosphorsäureärmer.  Diese 
Düngemittel  kommen  auch  in  aufgeschlossenem  Znstande,  zuweilen  noch  mit 
schwefelsaurem  Ammoniak  gemischt,  in  den  Handel. 

Fray-Bentosknochenmehl  ist  in  Zusammensetzung,  Anwendung  und 
Wirkung  dem  einheimischen  Knochenmehl  ähnlich.  Der  durchschnittliche  Gehalt 
beträgt  an  Phosphorsäure  25.1  Procent,  an  Stickstoff  3.8  Procent. 

Fischguano  wird  an  den  Küsten  von  New-Foundland,  Norwegen  und  Deutsch- 
land aus  zur  Nahrung  untauglichen  Fischereiabfällen  ähnlich  wie  das  Fleischmehl 
durch  Dämpfen,  Pressen,  Trocknen  und  Mahlen  der  gedörrten  Masse  hergestellt. 
Der  norwegische  Fischguano  enthält  durchschnittlich  8.5  Procent  8tickstoff,  13.8  Pro- 
cent Phosphorsäure;  Wallfischguano  7.6  Procent  Stickstoff,  13.5  Procent  Phosphor- 
säure; Polarfischguano  8.3  Procent  Stickstoff,  13.9  Procent  Phosphorsäure.  Die 
Fischguanos  äussern  eine  raschere  Wirkung  als  Knochenmehl,  sind  aber  sonst  wie 
dieses  zu  verwenden. 

Granatguano  wird  ans  Granaten  oder  Garnelen  durch  Dämpfen,  Pressen, 
um  das  Wasser  zu  entfernen  ,  Dörren  und  Mahlen  hergestellt.  Er  enthält  circa 
8  Procent  Stickstoff,  3  Procent  Phosphorsäure. 

Poudrette  ist  getrockneter  Latrinendünger,  der  nach  dem  Verfahren  von 
Liernodr  hergestellt  wird,  indem  man  den  frischen  Dünger  mit  Schwefelsäure 
versetzt,  um  das  Ammoniak  zu  fixiren,  ihn  dann  im  Vacuum  eindampft  und  auf 
rotirende,  mit  Dampf  geheizte  Walzen  bringt,  von  denen  das  trockene  Pulver  durch 
Bürstenwalzen  abgekratzt  wird.  Es  enthält  durchschnittlich  7.5  Procent  Stickstoff, 
2.7  Procent  Phosphorsäure  und  3.1  Procent  Kali. 

Scheideschlamm  der  Zuckerfabriken  besteht  im  Wesentlichen  aus 
kohlensaurem  Kalk  und  Aetzkalk,  wirkt  aber  ausserdem  auch  durch  seinen  Gehalt 
an  8tickstoff  und  Phosphorsäure  günstig.  Er  wird  zweckmässig  compostirt. 

Verdorbene  Kraftfnttermittel,  Abfälle  von  der  Fabrikation  derselben 
und  Oelkuchen ,  die  sich  zum  Verfüttern  nicht  eignen.  Sie  enthalten  je  nach 
ihrer  Abstammung  sehr  wechselnde  Mengen  von  Stickstoff  und  Phosphorsäure 
und  eignen  sich  sehr  gut  zum  Compostiren. 

IV.  Kalidünger. 
1  Kalisalze 

Die  Steinsalzlager  von  Stassfurt  (Prov.  Sachsen;  und  Kalucz  fGalizien)  liefern  in 
den  Abraumsalzen  ein  unermessliches  Material  zur  Herstellung  von  kalihaltigen 
Düngemitteln. 

Das  wichtigste  derselben ,  der  C  a  r  n  a  1 1  i  t ,  bildet  die  Hauptmasse  des  kali- 
haltigen Rohsalzes.  Er  hat  die  Zusammensetzung  KCl  4-  MgCl,  +  6H,0.  Ausser- 
dem enthält  er  kleine  Mengen  von  Chlorcalcium,  Kochsalz,  Gyps  und  Eisenoxyd, 
welches  ihm  zuweilen  eine  gelbe  bis  rothe  Farbe  ertheilt.  Er  wird  in  rohem  Zu- 
stande zu  Düngezwecken  verwendet.  Sein  Kaligehalt  beträgt  durchschnittlich 
15  Procent. 

Der  Carnallit  wird  zur  Herstellung  von  Chlorkalium  verwendet,  die  auf  der 
Zersetzbarkeit  des  Doppelsalzes  mit  Wasser  beruht.  Aus  der  Lösung  wird  Chlor 
kalium  durch.  Auskrystallisiren  gewonnen.  Die  Mutterlauge  hiervon  wird  entweder 
zum  Lösen  neuer  Mengen  von  Carnallit  verwendet  oder  durch  Eindampfen  daraus 
das  „Buhnen salz"  gewonnen,  welches  aus  schwefelsanrer  Kalimagnesia  und 
Chlornatrium  besteht.  Durch  Krystallisation  der  Mutterlauge  des  Bühnensalzes 
wird  ein  Salz  von  der  Zusammensetzung  des  Carnallits  gewonnen,  welche«  wie 
oben  behandelt  wird.  Das  so  gewonnene,  getrocknete  und  für  Düngezwecke  ge- 
mahlene Chlorkalium  enthält  etwa  80  Procent  K  Cl.  Nach  einem  anderen  Verfahren 
hergestellt,  bei  dem  man  zum  Lösen  des  Carnallits  ausschliesslich  Mutterlauge 


Digitized  by  Google 


DÜNGEMITTEL. 


553 


verwendet,  enthalt  es  etwa  98  Procent  E  Ct.  Das  gewöhnliche  Chlorkalium  mit 
80—85  Procent  KCl  ist  das  „fünffache  concentrirte  Kalisalz"  des  Handels.  Die 
Darstellung  des  schwefelsauren  Kalis  geschieht  durch  Zersetzung  des  Chlor- 
kaliums mit  Schwefelsäure.  Für  landwirtschaftliche  Zwecke  wird  das  Salz,  welches 
40 — 50  Procent  Kali  enthält,  gemahlen.  Der  gereinigte  Kainit  wird  aus 
dem  Rohsalz  durch  Ausklauben  des  Steinsalzes  erhalten  und  gemahlen  in  den 
Handel  gebracht.  Von  anderen  Düngesalzen  ist  zu  erwähnen:  das  rohe  schwefel- 
saure K  a  1  i  ^  welches  durch  Calciniren  des  in  den  Klärbottichen  sich  absetzenden 
Schlamms  oder  des  Bühnensalzes  dargestellt  wird  (mit  7 — 12  Procent  Kali); 
dreifach  concentrirtes  Kalisalz,  mit  etwa  30  Procent  Kali,  wird  hergestellt 
durch  Calciniren  des  „Rinnensalzes",  welches  sich  in  den  Röhren  absetzt,  in 
denen  bei  der  Darstellung  des  Chlorkaliums  die  Lösungen  sich  bewegen.  Durch 
Mischen  des  rohen  schwefelsauren  Kalis  mit  dem  dreifach  concentrirten  Kalisalz 
erhält  man  „präparirten  Kainit"  mit  etwa  14  Procent  Kali,  „kainitisches 
Düngesalz"  und  andere  Producte. 

Rohe  schwefelsaure  Kalimagnesia  wird  auch  durch  Calciniren  des 
Kaimts  erhalten,  und  enthält  etwa  17  Procent  Kali;  gereinigte  schwefel- 
saure Kalimagnesia,  aus  Kainit  dargestellt,  enthält  ungefähr  29  Procent 
Kali.  Die  Stassfurter  Salze,  deren  Bestandteile  grösstenteils  leicht  löslich  sind, 
wirken  wesentlich  durch  ihren  Gehalt  an  Kali  und  Magnesia.  Das  in  einigen  in 
reichlicher  Menge  enthaltene  Chlornatrium  kann  eine  indirect  düngende  Wirkung 
äussern,  kann  im  Uebermaass  aber  auch  schädlich  wirken.  Das  Kali  ist  in  diesen 
Salzen  als  schwefelsaures  Salz  oder  als  Chlorkalium  enthalten  und  wird  von  den 
Zeolithen  im  Boden  absor)  irt;  bei  Anwendung  von  schwefelsaurem  Salz  bildet  sich 
im  Boden  durch  Umsetzung  Gyps,  der  nicht  nur  nicht  schädlich  wirkt,  sondern 
nützlich  sein  kann ;  aus  Chlorkalium  bildet  sich  das  den  Pflanzen  schädliche  Chlor- 
calcium.  Diese  schädliche  Wirkung  äussert  sich  bei  Herbstdüngung  nicht,  da  im 
Frühjahr  das  Chlorcalcium  schon  ausgewaschen  ist.  Dasselbe  gilt  auch  vom  Chlor- 
magnesium. Durch  Kalisalze  soll  weniger  die  Pflanze  direct  gedüngt  als  der  Boden 
an  Kali  angereichert  werden;  nach  anderer  Auffassung  wird  ihnen  überhaupt  nur 
eine  indirecte  Wirkung  zugeschriebeu. 

Vortheilhaft  setzt  man  Kainit,  rohe  Kalimagnesia,  Carnallit,  auch  Kieserit  dem 
Stalldünger  zn ,  dessen  Zersetzung  dadurch  verlangsamt  und  dessen  Ammoniak 
gebunden  wird.  Bezüglich  der  Bodenarten  hat  man  die  Erfahrung  gemacht,  dass 
die  Wirkung  der  Kalisalze  auf  leichten  Bodenarten,  besonders  aber  auf  moorigen 
Wiesen  und  meliorirten  Moorböden  eine  sichere  ist,  während  die  physikalische 
Beschaffenheit  schwerer  Lehm-  oder  Thonböden  dadurch  verschlechtert  wird.  Man 
streut  von  den  kaliärmeren  Salzen  2 — 5  Centner,  von  den  kalireicheren  1  bis 
3  Centner  pro  Morgen,  am  besten  im  Herbst  (auch  für  Sommerfrüchte)  und  pflügt 
gut  ein ;  nur  bei  wenig  absorbirendem  Boden  ist  eine  Frühjabrsdttngung  vorzuziehen. 
Eine  beschrankte  Anwendung  finden  Kalisuperphosphate,  die  durch  Mischung 
vou  schwefelsaurem  Kali  oder  Chlorkalium  mit  Superphosphaten  erhalten  werden 
(mit  8—10  Procent  Kali,  15—16  Procent  Phorpborsäure)  und  phosphor- 
gaures  Kali. 

2.  Gewerbliche  Abfälle. 

Zu  den  kalihaltigen  Düngemitteln  zahlt  die  Holzasche,  welche  von  Laub- 
böbsern  durchschnittlich  10  Procent  Kali,  3.5  Procent  Phosphorsäure  (und  viel 
Kalk),  von  Nadelhölzern  6  Procent  Kali,  2.5  Procent  Phosphorsäure  enthält. 
Ferner  verdienen  Erwähnung  die  kalihaltigen  Rückstände  der  Blutlaugen- 
fabrikation, kohlige  Massen  mit  10 — 12  Procent  Kali  und  5 — 6  Procent 
Phosphorsäure ;  Chlorkalium  als  NebenproductderWeinsäurefabri- 
kation  mit  etwa  80  Procent  K  Cl ;  Blutionslauge,  von  der  Zuckerfabrikation 
mit  durchschnittlich  2.3  Procent;  Melasseasche  mit  32  Procent  Kali;  endlich 
der  Pfannenstein  der  Salinen  mit  6  Procent  Kali. 


Digitized  by  Google 


554 


DÜNGEMITTEL. 


B.  Indireet  wirkende  Düngemittel. 

a)  Mineralische  Dünger. 

Gebrannter  Kalk  wirkt  durch  Umsetzung:  mit  im  Boden  enthaltenen  Salzen, 
wodurch  letzterer  reicher  an  löslichen  Nährstoffen,  z.  B.  Kali,  wird.  Er  befördert 
ferner  die  Zersetzung  von  Humussubstanzen  und  die  Nitrificirung  des  darin  ent- 
haltenen Stickstoffs.    In  sehr  stark  humosen  sauren  Böden  stumpft  er  die  Säure 
ab  und  zersetzt  das  iu  solchen  Böden  enthaltene  schädlich  wirkende  schwefelsaure 
Eisenoxydul  (Eisenvitriol).    Auch  für  kalkarme  Thonböden  empfiehlt  sich  eine 
Kalkdüngung  im  Herbst.  Man  wendet  den  Kalk  am  besten  in  dem  feinpalverigen 
Zustande  an,  den  er  beim  Löschen  annimmt ,   darf  ihn  aber  nicht  an  der  Luft, 
sondern  erst  im  Boden  in  kohlensauren  Kalk  übergehen  lassen,  da  er  sich  dann  weit 
feiner  vertheilt.    Man  streut  ihn  am  besten  im  Herbst  auf  die  8toppel,  4  bis 
7  Centner  pro  Morgen,  und  pflügt  ihn  flach  unter.    Zähe  Thonböden  und  stark 
hnmose  Bodenarten  vertragen  eine  stärkere  Düngung  als  leichter  Sandboden.  Zur 
Kalkdüngung  für  Sandböden  empfiehlt  sich  Mergel,  der  oft  noch  andere  wichtige 
Nährstoffe  enthält  und  von  dem  man  grössere  Quantitäten  anwendet.  Oaskalk 
von  der  Reinigung  des  Steinkohlengases  besteht  im  Wesentlichen  aus  A  etzkalk 
und  Gyps.    Seines  Gehaltes  an  den  Pflanzen  schädlichem  Schwefelcalcium  wegen 
empfiehlt  es  sich,  ihn  an  der  Luft  verwittern  zu  lassen  oder  noch  besser  ihn  zu 
compostiren.  In  seiner  Wirkung  vereinigt  er  die  Eigenschaften  des  Aetzkalks  und 
des  Gypses.    Wesentlich  durch  ihren  Kalkgehalt  (auch  als  Gyps)  wirkt  auch  die 
Asche  von  Torf,  Braunkohle  und  Steinkohle. 

Gyps,  schwefelsaurer  Kalk,  sowohl  natürlicher  als  auch  Gyps  der  Soda- 
fabriken ,  Salinen ,  Stearin-  und  Traubenzuckerfabriken ,  bewirkt  ähnlich  wie  der 
Kalk  eine  den  Pflanzen  günstige  Zersetzung  von  unlöslichen  Bodenbestandtheilen. 
Er  wird  auch  als  Einstreu  in  Ställe  angewendet,  da  er  Ammoniak  bindet  und 
die  Zersetzung  des  Mistes  verlangsamt. 

Kochsalz,  Chloruatrium,  wirkt  zersetzend  auf  die  Zeolithe  des  Bodens,  indem 
dadurch  namentlich  Kali  löslich  gemacht  wird. 

b)  Organische  Dünger. 

Sie  wirken  fast  nur  als  humusbildende  Mittel,  lockern  den  Boden  und  vermehren 
sein  Absorptionsvermögen.  Hierher  gehören  Gerberlohe,  Sägespähne,  Torf- 
und  Braunkohlengrus. 

Quantitative  Analyse  der  Düngemittel. 

I.  Bestimmung  der  Phosphorsäure. 

Zur  Bestimmung  der  wasserlöslichen  und  Gesammtphosphor&äure  löst  man  20  g 
des  Düngemittels  in  Wasser  oder  verdünnter  Salpetersäure  (20 — 30ccm  Salpeter- 
säure von  1.4  spec.  Gew.)  in  einem  Literkolben,  füllt  mit  Wasser  bis  zur  Marke 
auf,  mischt  ordentlich  durch  Umschfltteln  und  filtrirt  die  Lösung  durch  ein  Falten- 
filter. Snperphosphate  digerirt  man  in  dieser  Weise  3  Stunden  lang  unter  häufigem 
Unischütteln  bei  gewöhnlicher  Temperatur.  Knochenmehl  muss  vor  dem  Auflösen 
in  Salpetersäure  von  organischer  Substanz  durch  Glühen  befreit  werden. 

a)  Titrimetrische  Methode. 

Diese  Methode  ist  bei  allen  Düngemitteln  anwendbar,  die  kein  Eisen  enthalten. 
Man  wendet  zum  Titriren  50ccm  der  Lösung  von  20g  Phosphat  in  II  =  lg 
Phosphat  an,  denen  man  lOccm  Lösung  von  essigsaurem  Natron  (100g  krystal- 
lisirtes  essigsaures  Natron  und  100  cem  concentrirte  Essigsäure  zu  11  aufgefüllt! 
zusetzt.  Wenn  auf  Zusatz  des  Ammoniumacetots  sich  die  Flüssigkeit  durch  Aus- 
scheidung von  phosphorsaurem  Eisenoxyd  trübt,  muss  die  Phosphorsäure  gewichts- 
analytisch  bestimmt  werden;   opalisirt  indess  die  Flüssigkeit  nur,  so  kann  man 


Digitized  by  Googl 


DÜNGEMITTEL. 


die  Spuren  von  phosphorsaurem  Eisenoxyd  vernachlässigen.  Zu  dieser  Flüssigkeit 
setzt  man  aus  einer  Bürette  durch  reine  Phosphorsäure  titrirte  Urannitratlösung 
hinzu  (35.3  g  UOjfNO,),  -f  6  Hj  0  in  11),  von  dor  lccm  möglichst  genau  0.005  g 
Phosphorsäureanhydrid  entspricht  und  erhitzt  bis  zum  Kochen.  Jetzt  bringt  man 
mittelst  eines  Glasstabes  einen  Tropfen  der  kochenden  Flüssigkeit  unmittelbar  neben 
einen  Tropfen  einer  Lösung  von  gelbem  Blutlaugensalz  und  läast  beide  Tropfen 
ineinander  fliessen.  Hat  man  eine  nicht  genügende  Menge  Uranlösung  hinzugesetzt,  was 
daran  zu  erkennen,  dass  keine  Färbung  an  den  Berührungsstellen  der  beiden 
Tropfen  eintritt,  so  fährt  man  mit  dem  Zusatz  derselben  fort,  während  man  von 
Zeit  zu  Zeit  die  Probe  mit  Blutlangensalz  macht,  und  zwar  so  lange,  bis  sich  so 
eben  eine  schwache  bräunliche  Zone  an  der  Berührungsstelle  beider  Tropfen  zeigt. 
Jetzt  ist  die  Titration  beendigt;  alle  Phosphorsäure  ist  an  Uranoxyd  gebunden 
und  unlöslich  geworden,  während  die  Braunfärbung  des  Blutlaugensalzes  durch 
eine  Spur  im  Ueberschuss  zugesetzter  Uranlösung  bedingt  wird.  Die  Anzahl  der 
verbrauchten  Cubikcentimeter  Uranlösung  ergeben  durch  Multiplication  mit  der 

1  ccm  derselben  entsprechenden  Phosphorsäuremenge  die  in  einem  Gramm  des 
Phosphats  enthaltene  Menge  Phosphorsäure.  Diese  Methode  ist  bei  Baker-  und 
Peruguano ,  bei  Knochenmehl  und  Kuochenasche  sowie  bei  den  meisten  Super- 
phospbaten  anwendbar. 

b)  Gewiohtaanaly tische  Bestimmung. 

Zur  gewichtsanalytischen  Methode  wendet  man  25  ccm  der  Lösung  von  20  g 
Phosphat  in  11  =  0.5  g  an,  zu  welchen  man  bei  20procentigen  Phosphaten 
100  ccm  Lösung  von  molybdänsaurem  Ammoniak  hinzusetzt.  Diese  Flüssigkeit 
wird  bereitet  durch  Lösen  von  300  g  Molybdänsäure  in  480  g  Ammoniakwasser 
von  0.91  spec.  Gew.  und  allmäligen  Zusatz  dieser  Lösung  zu  einem  vollkommen 
kalten  Gemisch  von  2200g  Salpetersäure  von  1.4  spec.  Gew.  und  31  Wasser. 
Von  dieser  Lösung  entsprechen  100  ccm  etwa  0.1g  Ps06.  Nachdem  man  die 
Phosphatlösung  mit  dem  molybdänsauren  Ammoniak  4  Stunden  lang  bei  40 — 50° 
digerirt  hat,  sammelt  man  den  gelben  Niederschlag  von  phosphor-  molybdän- 
saurem Ammoniak  auf  einem  Filter  und  wäscht  ihn  mit  dem  verdünnten  Fällunga- 
mittel  aus,  dem  man  etwas  Salpetersäure  zugesetzt  hat.  Nun  löst  man  den  Nieder- 
schlag auf  dem  Filter  mit  verdünntem  Ammoniakwasser  (900  ccm  Wasser  mit 
100  ccm  Ammoniakwasser  von  0.91  spec.  Gew.  gemischt)  und  setzt  bei  20pro- 
eentigen  Phosphaten  lOccm  Magnesiamixtur  hinzu,  die  durch  Lösen  von  150g 
krystallisirten  Chlormagnesiums  und  210  g  Chlorammonium  iu  2500  ccm  Wasser 
unter  Zusatz  von  470  g  Ammoniak wasser  von  0.91  spec.  Gew.  erhalten  wird. 
Nach  zweistündigem  Stehen  sammelt  man  die  gebildete  phosphorsaure  Ammoniak- 
magnesia auf  einem  Filter,  wäscht  mit  der  obigen  verdünnten  Ammoniakflüssigkeit 
ans,  trocknet  und  glüht  den  Niederschlag  im  Platintiegel.  Das  Gewicht  der 
pyrophosphorsauren  Magnesia  mit  0.63964  multiplicirt  ergibt  die  in  0.5  g  Phosphat 
enthaltene  Menge  Phosphorsäure. 

Zur  Bestimmung  der  zurückgegangenen  Phosphorsäure  wird  citronensaures 
Ammoniak  als  Lösungsmittel  angewandt.  Die  Mengenverhältnisse  werden  von  ver- 
schiedenen Analytikern  verschieden  angegeben.    Nach  Pbtermann  digerirt  man 

2  g  des  Phosphats  1  Stunde  lang  in  einem  1  a  Literkolben  bei  35 — 40°  mit 
100  ccm  Ammoncitratlösung  vom  spec.  Gew.  1.09  (22  g  Citrat  in  1 00  ccm  Wasser) 
und  5  ccm  Ammoniak  wasser  von  0.91  spec.  Gew.  Dann  füllt  man  den  Kolben  mit 
Wasser  bis  zur  Marke,  mischt  ordentlich  durch  Schütteln  und  filtrirt-  Von  diesem 
Filtrat  versetzt  man  100  ccm  entsprechend  0.4  g  Phosphat  mit  60  ccm  Magneeia- 
mixtur  und  etwa  50  ccm  Ammoniak  wasser  von  0.91  spec.  Gew.  Das  weitere  Ver- 
fahren ist  bereits  oben  besehrieben. 


Digitized  by  Google 


556 


DÜNGEMITTEL. 


n.  Bestimmung:  des  Stickstoffs. 
a)  Bestimmung  der  Salpetersäure. 

1.  Indireete  Methode. 
Man  bestimmt  im  Chilisalpeter,  wenn  keine  oder  unbedeutende  Spuren  Schwefel- 
saure zugegen  sind,  zunächst  das  Wasser  aus  dem  Gewichtsverlust  von  5g  des 
Salpeters  bei  vorsichtigem  Schmelzen.  Das  Chlor  wird  in  einer  Lösung  von  5  g 
Salpeter  durch  Titriren  mit  einer  Lösung  von  salpetereaurem  Silber  (17  g  salpeter- 
saures Silber  in  1 1  Wasser),  der  1  ccni  möglichst  genau  0.00355  g  Chlor  oder 
0.00585  g  Chlornatrium  entspricht,  bestimmt.  Man  setzt  zu  der  Salpeterlösung  als 
Indicator  einige  Tropfen  einer  Lösung  von  gelbem  chromsaurem  Kali  hinzu  und 
lässt  ans  einer  Bürette  die  Silberlösung  so  lange  hinzufliessen,  bis  die  Flüssigkeit 
beim  Umrühren  eine  bleibende  röthlicbe  Färbung  von  chromsaurem  Silber  zeigt. 
Durch  Multiplication  der  Anzahl  der  gebrauchten  Cubikcentimeter  Silberlösung  mit 
der  einem  Cubikcentimeter  entsprechenden  Menge  Chlornatrium  erhält  man  die 
in  5  g  enthaltene  Menge  des  letzteren.  Nach  Abzug  des  Wassers  und  des  Chlor- 
natriums findet  man  im  Rest  die  Menge  des  salpetersauren  Natriums. 

2.  Directe  Bestimmung. 

Von  directen  Methoden  der  Salpetersänrebestimmung,  deren  mehrere  gebräuch- 
lich sind,  möge  nur  die  am  meisten  angewandte,  von  8iewert  angegebene,  erwähnt 
werden.  Diese  Methode  beruht  darauf,  dass  Salpetersäure  durch  nascirenden  Wasser- 
stoff in  Ammoniak  übergeführt  wird.  Zu  diesem  Zwecke  bedient  man  sich  einer 
gewöhnlichen  Kochflasche,  welche  mittelst  eines  einfach  durchbohrten  Gummistopfens 
verschlossen  und  mit  einer  Vorlage  von  zwei  communicirenden  Kölbchen  verbunden 
ist,  in  welchen  sich  die  zur  Absorption  des  Ammoniaks  bestimmte,  abgemessene 
Menge  titrirter  Schwefelsäure  befindet.  In  den  Kochkolben  bringt  man  l  g  des 
Salpeters,  16  g  festes  Kalihydrat  und  100  ecm  Alkohol  von  50  Procent.  Hierauf 
schüttet  man  ein  Gemenge  von  4  g  Eisenpulver  und  8 — 10  g  grobem  Zinkpulver 
hinein,  verschliesst  den  Kolben  schnell  und  wartet,  bis  die  lebhafteste  Gasent- 
wickelung vorüber  ist,  worauf  dann  die  Flüssigkeit  iu  dorn  Kochkolben  ganz  lang- 
sam und  bis  nahe  zur  Trockenheit  ttberdestillirt  wird.  Die  Säure  ist  so  eingestellt, 
dass  ein  Cubikcentimeter  derselben  möglichst  genau  0.007  g  Stickstoff  entspricht, 
und  wird  durch  Natron-,  Kali-  oder  Barytlauge  zurücktitrirt,  von  der  1  ecm  durch 
genau  1  com  der  Schwefelsäure  neutralisirt  wird.  Als  Indicator  beim  Titriren 
wendet  man  am  besten  Cochenilletinctur  oder  PhenolphtaleTn  an.  Aus  der  Menge 
der  zum  Neutralistren  der  Säure  nach  der  Operation  erforderten  Lauge  ergibt 
sich  die  Anzahl  der  durch  das  gebildete  Ammoniak  neutralisirten  Cubikcentimeter 
Säure,  woraus  sich  der  Stickstoffgehalt  des  Salpeters  einfach  berechnet.  Statt  titrirter 
Schwefelsäure  kann  man  auch  eine  beliebige  Menge  verdünnter  Salzsäure  vorlegen, 
die  man  nach  Beendigung  der  Keduction  in  eine  Porzellanschale  spült  und  mit 
Platinchlorid  eindampft.  Der  Rückstand  wird  mit  Alkohol  übergössen  und  das 
gebildete  Ammoniumplatinchlorid  auf  einem  gewogenen  Filter  gesammelt,  getrocknet 
und  gewogen  oder  in  einem  Platintiegel  geglüht,  wobei  metallisches  Platin  zurück- 
bleibt. Aus  dem  Gewicht  des  Ammoniumplatiuchlorids  erhält  man  die  Menge  des 
Stickstoffs  durch  Multiplication  mit  0.06071,  aus  dem  Platin  mit  0.14155. 

b)  Bestimmung  des  Ammoniakstickstoffs. 

Zur  Ammoniakbestimmung  destillirt  man  1  g  der  zu  analysirenden  Substanz  mit 
starker  Kali-  oder  Natronlauge  oder  gebrannter  Magnesia  und  fängt  das  ausge- 
triebene Ammoniak  in  einer  abgemessenen  Menge  titrirter  Schwefelsäure  auf.  Im 
Uebrigeu  verfährt  mau  beim  Titriren,  wie  oben  angegeben,  oder  bestimmt  den 
8tickstoff  auch  aus  dem  Gewicht  von  Ammoniumplatinchlorid  oder  Platin. 

c)  Bestimmung  des  organischen  und  Gesammtstickatoffs. 

Allgemein  gebräuchlich  ist  die  Methode  von  Will  und  Vabrentrapp,  welcher 
sieh  neuerdings  die  KjELDAHL'scbe  Methode  zur  Seite  stellt.    Die  Methode  nach 

Digitized  by  Google 


DÜN< ;  KM  ITTEL 


557 


Will  und  Varbektbapp  beruht  darauf,  dass  der  Stickstoff  organischer  Verbin- 
dungen in  den  meisten  Fällen  (bei  Düngemitteln  in  allen  Fällen)  durch  Glühen 
mit  Natronkalk  in  Ammoniak  übergeführt  wird.  Sie  lftsst  sich  anwenden  zur 
Bestimmung  des  Stickstoffs  in  Knochenmehl,  stickstoffhaltigen  Superphosphaten, 
Pernguano  und  allen  thierischen  und  vegetabilischen  Substanzen.  Zum  Erhitzen 
der  Substanz  mit  Natronkalk  dient  ein  etwa  40  cm  langes,  einseitig  zugeschmolzenes 
Rohr  aus  schwer  schmelzbarem  Glase,  in  dessen  hinteres  Ende  man  einige  Gramm 
Oxalsäuren  Kalk  bringt,  auf  welchen  man  einen  Asbestpfropf  setzt.  Dann  fällt  man 
die  Röhre  mit  einer  einige  Centimeter  langen  ,  Schicht  von  reinem  gekörntem 
Natronkalk,  hierauf  bringt  man  die  Mischung  der  Substanz,  von  der  man  lg 
anwendet,  mit  Natronkalk,  bei  Ammoniaksuperphosphaten  zweckmässig  unter 
Zusatz  von  etwas  oxalsaurem  Kalk  oder  Zucker,  hinein,  die  man  am  einfachsten 
in  der  Weise  herstellt ,  dass  man  den  zur  Mischung  nöthigen  Natronkalk  auf 
einem  Papier  in  dicker  Schicht  ausbreitet,  darauf  die  abgewogene  Substanz  streut 
und  alles  zusammen  von  dem  zusammengebogenen  Papier  in  die  Röhre  gleiten 
lässt.  Nun  füllt  man  die  Röhre  vollends  mit  Natronkalk,  setzt  einen  Asbestpfropf 
darauf  und  verbindet  sie  mittelst  eines  durchbohrten  gut  schliessenden  Stopfens 
mit  einem  zu  mehreren  Kugeln  ausgeblasenen  Absorptionsapparat,  in  welchem  sich 
die  zur  Aufnahme  des  Ammoniaks  bestimmte  titrirte  Schwefelsäure  oder  verdünnte 
Salzsäure  befindet.  Hierauf  erhitzt  man  die  Röhre  in  einem  Kohle-  oder  Gasofen 
von  vorn  nach  hinten  fortschreitend.  Durch  Zersetzung  des  im  hintersten  Theile 
der  Röhre  befindlichen  Oxalsäuren  Kalks  in  der  Hitze  bildet  sich  Kohlenoxyd, 
welches  die  letzten  Spuren  von  Ammoniak  aus  der  Röhre  in  die  Vorlage  treibt. 
Den  Stickstoff  des  Ammoniaks  bestimmt  man  titrimetrisch ,  als  Platinsalmiak  oder 
aus  dem  Gewicht  des  Platins  wie  oben. 

Die  neuerdings  mehr  und  mehr  in  Aufnahme  kommende  KJELDAHL'scbe  Methode 
beruht  darauf,  dass  organischer  Stickstoff  durch  Erhitzen  mit  Schwefelsäureanhydrid 
in  Ammoniak  übergeführt  wird.  Man  erhitzt  1  g,  bei  stickstoffarmen  Körpern  2  g 
der  zu  untersuchenden  Substanz  in  einem  Kölbohen  mit  20ccm  einer  Schwefel- 
säure, die  durch  Mischen  von  200  ccm  Nordhäuser  Vitriolöls  mit  300  ccm  englischer 
Schwefelsäure  und  25g  Phosphorsäureanhydrid  erhalten  wird,  unter  Zusatz  von 
0.7  g  gefällten  (gelben)  Quecksilberoxyds ,  bis  die  Flüssigkeit  farblos  erscheint, 
was  in  l1  3 — 2  Stunden  erreicht  ist.  Dann  setzt  man  120 — 130  ccm  einer  50pro- 
centigen  Kalilauge  hinzu  und  25 — 30  ccm  einer  Lösung  von  40  g  Schwefelkalium 
in  1 1  Wasser.  Dann  destillirt  man  das  Ammoniak  aus  einem  grösseren  Kolben 
ab,  absorbirt  es  und  bestimmt  es  in  der  oben  angegebenen  Weise. 

m.  Bestimmung  des  Kalis. 

Man  löst  etwa  20  g  der  zu  analysirenden  Substanz  in  einem  Literkolben  in 
wenig  Wasser,  erhitzt  bis  zum  Kochen  und  setzt,  um  die  Schwefelsäure  auszu- 
fällen, tropfenweise  Chlorbaryumlösung  hinzu,  bis  dadurch  in  der  klar  abgesetzten 
Flüssigkeit  keine  Trübung  mehr  entsteht.  Bei  Anwesenheit  von  Phosphaten  setzt 
man  hierauf  ohne  zu  filtriren  zu  der  heissen  Flüssigkeit  Kalkmilch  im  Ueberscbnss 
hinzu.  Nach  dem  Erkalten  füllt  man  bis  zur  Marke  auf,  mischt  durch  Umschürteln 
und  filtrirt  durch  ein  Faltenfilter.  Von  dem  Filtrat  erhitzt  man  1  21  in  einem 
Literkolben  zum  Sieden  und  setzt  so  lange.  Lösung  von  kohlensaurem  Ammoniak 
hinzu ,  bis  dadurch  keine  Trübung  mehr  in  der  Flüssigkeit  entsteht ,  um  über- 
schüssiges Chlorbaryum  und  Calciurahydroxyd  zu  entfernen  und  erhält  die  Flüssig- 
keit im  Kochen,  bis  die  Koblensäurentwickelung  aufgehört  hat.  Nach  dem  Erkalten 
füllt  man  mit  Wasser  bis  zur  Marke  auf,  mischt  durch  Umschfltteln  und  filtrirt 
durch  ein  Faltenfilter.  Von  dieser  Flüssigkeit,  die  10g  der  zu  untersuchenden 
Substanz  im  Liter  enthält,  dampft  man  100 ccm  =  lg  ein,  verjagt  das  Chlor- 
ammonium  und  Ammoniumcarbonat  durch  Glühen,  löst  den  Rückstand,  filtrirt  die 
Lösung,  dampft  wieder  ein  unter  Zusatz  einiger  Tropfen  Ammoniumcarbonatlösung, 
glüht   wieder  und  wiederholt  diese  Operationen   so  lange,  bis  auf  Zusatz  von 


Digitized  by  Google 


558 


DÜNGEMITTEL  -  DÜNNDARMPILLEN. 


kohlensaurem  Ammoniak  die  Flüssigkeit  nicht  mehr  getrttht  wird.  Dann  dampft 
man  die  Lösung  ein,  glüht  den  Rückstand  schwach  zum  Verjagen  des  Ammonium- 
carbonats  und  dampft  schliesslich  mit  Platinchlorid  ein.  Den  Rückstand  übergiesst 
man  mit  Alkohol,  sammelt  den  Niederschlag  von  Kaliumplatinchlorid  auf  einem 
gewogenen  Filter,  trocknet  und  wflgt  ihn.  Das  Gewicht  des  Kaliuinplatinchlorids, 
mit  0.19272  multiplicirt,  ergibt  das  Gewicht  des  Kalis  in  einem  Gramm. 

Förster. 

Dünndarm  nennt  man  jenen  Theil  des  Darmcanales,  welcher  sich  durch 
grössere  Länge  und  geringeres  Oaliber  vom  Dickdarme  schon  fiusserlich  unter- 
scheidet. Vom  Pförtner  des  Magens  bis  zu  seiner  EinmündungssteUe  in  den  Dick- 
darm (zwischen  Blinddarm  und  dem  aufsteigenden  Colon)  misst  der  Dünndarm 
circa  5m;  infolge  dieser  grossen  Längenausdehnung  bildet  der  Dünndarm  zahl- 
reiche Schlingen  in  der  Bauchhöhle.  Man  theilt  ihn  in  drei  Abschnitte :  Zwölffinger- 
darm (Duodenum),  Leerdarm  (Jejunum)  und  Krummdarm  (Ueumj .  Leer- 
und Krummdarm  werden  durch  eine  grosse  Bauchfellfalte,  das  Dünndarmgekröse 
(Mesenterium),  an  der  Wirbelsäule  aufgehängt.  Durch  die  Länge  ihres  Gekröses 
erhalten  die  Dünndarmschlingen  eine  grosse  Beweglichkeit;  je  beweglicher  eine 
solche  Schlinge,  desto  leichter  drängt  sie  sich  in  Leisten-  und  Schenkelbrüche  vor 
(s.  Bruch).  Die  Schleimbaut  des  ganzen  Dünndarmes  bildet  sehr  viele  Querfalten, 
wodurch  ihre  Oberfläche  wesentlich  vergrössert  wird.  Eine  noch  bedeutendere 
Oberflächen vergrösserung  erfährt  sie  durch  die  dichtgedrängt  stehenden,  etwa  0.5  mm 
langen  sehr  dünnen  Darmzotten,  deren  Anzahl  beim  Menschen  zehn  Millionen 
übersteigt.  Sie  sind  die  thätigsten  Organe  der  Absorption  des  ans  dem  Ghymus 
(8peisebrei)  ausgeschiedenen  nahrhaften  Kxtractes,  des  Chylus(s.  Bd.  III.  pag.  130). 

DÜnndarmpHlen.    Unter  Dtiundarmpillen,  Keratinpilleu.  Pilulae 
keratinatae,  versteht  man  eine  Arzneiform,  welche  von  Unna  nicht  zwar  eigentlich 
eingeführt  —  denn  die  Form  selbst  bestand  in  mannigfacher  Anwendung  —  wohl 
aber  der  modernen  Medicin  erst  zum  BewusstRein  gebracht  worden  ist.  Gemein- 
schaftlich mit  Beiersdorf  ausgeführte  Arbeiten  über  den  Hornstoff  der  Haut 
hatten  ihn  darauf  geführt,  die  Eigenschaft  eines  Tbeiles  der  Hornmasse,  sich  in 
Alkalien  zu  lösen  und  durch  Säuren  aus  dieser  Lösung  gefällt  zu  werden  ,  dazu 
zu  benützen ,  Pillen  so  widerstandsfähig  gegen  den  sauren  Magensaft  zn  machen, 
dass  sie  unverdaut  bleiben ,   bis  sie  in  dem  alkalisch  reagirenden  Saft  des  Dünn- 
darmes aufgeschlossen   und   verdaut  werden  könnten.    Diesen  Zweck  hoffte  er 
einfach  dadurch  zu  erreichen,  dass  er  die  Pilleu  mit  einer  aimuoniakalischeu  Lösung 
von  „Keratin"  bebandelte.    Das  dazu  dienende  Präparat  ist  so  darzustellen,  dass 
man  feine  Horndrehspähnc  oder  Federkiele  längere  Zeit  mit  Pepsiu  und  Salzsäure 
„verdünnt44   und  den  ungelöst  gebliebenen  Rückstand  mit   stärkstem  Ammoniak 
wochenlang  in  geschlossenem  Digestor  auf  30 — 50°  erhält.  Die  dadurch  entstehende 
Lösung  von  HornstofF  wird  verdunstet  und  der  Rückstand  mit  geringen  Mengen 
Ammoniak  zu  einer  leimigen  Flüssigkeit  gelöst,  von  der  nur  eine  geringe  Ausbeute 
erhalten  wird.    Mit  dieser  Flüssigkeit  sollen  die  Pillen   10—  20mal   in  ähulicber 
Weise  überzogen  werden,   als  wenn  man  mit  Collodium  überzieht.    Die  Absicht 
ist  dabei  die,  einen  dichten  Mantel  von  Keratin  zu  erzeugen,  der  die  Pillen  gegen 
den  Einfluss  der  Magenverdauung  schützt.    Allgemach  bat  sich  nun  C.vna  Uber- 
zeugt, dass  dies  nicht  allgemein  gelingt,  vielmehr  Pillen,  welche  wasserlösliche 
Stoffe  enthalten,  durch  Diffusion  Wasser  aufnehmen,  indem  sie  quellen,  den  Mantel 
zerreissen   und  dadurch   ihren  Charakter  als  Dünndarmpillen  einbttssen.  Diesem 
Umstand  Rechnung  zu  tragen,  empfahl  Miblck  .   die  Pillen  aus  einer  Fettraasse 
herzustellen,  respective  sie  mit  einer  Talgschicht  zu  überziehen,  welche  bei  Körper- 
wärme zwar  erweicht,  aber  nicht  schmilzt,  und  erst  dann  zu  keratiniren.  Ux.va 
gab  im  Anschluss  hieran  an,   dass  man  gute  Keratiuirung  daran  erkennt,  dass 
sie,  in  Pillen  ausgeführt,  welche  Calcium  sutfurat-um  enthalten,  das  nach  Ein- 
nahme der  letzteren  sonst  unausbleibliche  Aufstossen  von  Schwefelwasserston"  ver- 


Digitized  by  Google 


■ 


DÜNNDARMPILLEN.  559 

hindert.  In  der  That  findet  bei  Sch  wefel  calci  umpillen,  welche  mit  passender  Talg- 
masse hergestellt  sind,  und  die  man  mit  Keratin  Aberzogen  hat,  ein  solches 
Aufstossen  nicht  statt.  Sollen  nun  keratinirte  Pillen,  welche  riechende  Stoffe  ent- 
halten —  Naphtalin ,  Kreosot  u.  dgl.  —  auf  ihren  Charakter  als  Dünndarmpillen, 
d.  h.  auf  ihre  Unverdaulichkeit  im  Hagen,  geprüft  werden,  so  kann  man 
nach  diesem  Vorgang  von  Unna  so  verfahren,  dass  man  von  den  Pillen  verschluckt 
und  nach  x  4  Stunde  etwas  Natrum  bicarbonicum  nimmt.  Die  aufstoßende  Kohlen- 
säure darf  dann  nicht  nach  dem  riechenden  Arzneimittel  schmecken. 

Wenn  man  nun  eine  Anzahl  Pillenmassen  in  der  geschilderten  Weise  prüft,  so 
kommt  man  bald  dahinter,  dass  nicht  nur  keratinirte  Pillen,  sondern  auch  nicht 
keratinirte  den  Anforderungen  Unna 's  genügen ,  wenn  sie  nämlich  mit  der  Talg- 
masse von  Mielck  hergestellt  sind.  Daraus  folgt,  dass  für  die  Dttnndanupilleu 
nicht  das  Keratin,  sondern  die  Talgmasse  wesentlich  ist  Wenn  das  aber  der 
Fall  ist,  dann  haben  wir  längst  Dünndarmpillen  und  überhaupt  Arzneiformen  für 
den  Dünndarm,  ohne  dass  man  sich  über  ihren  Charakter  in  der  angedeuteten 
Richtung  klar  gewesen  ist.  Zu  diesen  gehören  die  mit  Wachs-Copaivamasse  her- 
gestellten Pillen,  die  Kreosotwachspillen,  die  Chocolade  Santoninplätzchen ,  selbst 
das  rohe  Extractum  Filicia. 

Aus  Allem  ergibt  sich,  dass  man  bei  der  Bereitung  von  Dünndarmpillen  in 
erster  Linie  auf  zweckmässige  Herstellung  der  Masse  und  eventuell  Umhüllung 
mit  Talg  zu  sehen  hat.  Das  Keratiniren  ist  dann  als  eine  Zugabe  zu  betrachten, 
welche  der  gewissenhafte  Apotheker  dem  Wunsche  des  Arztes  entsprechend  zu 
liefern  hat.    Man  verfährt  daher  etwa,  wie  folgt: 

Die  Talgmasse  sei  vorräthig,  bestehend  aus  Sebum  benzoinotum  mit  20  Procent 
Wachs. 

Ist  ein  trockenes  Arzneimittel  in  Dünndarmpillenform  verschrieben ,  so  stösst 
man  es  je  nach  seiner  Menge  entweder  mit  der  Talgmasse  selbst,  oder  mit  dieser 
unter  Znsatz  von  Kohlenpulver,  Graphit  oder  Talcum  an.  Aus  der  gewonnenen 
Pillenmasse  formt  man  Pillen  und  rollt  diese  in  einem  Mixturmörser ,  in  welchen 
man  sehr  wenig  Keratinlösung  gethan  hat,  um  dann  bei  sehr  gelinder  Wärme  zu 
trocknen.  Dieses  Ueberziehen  mit  zwischenliegendem  Trocknen  soll  nach  Unna 
10 — 20mal  fortgesetzt  werden.  Ob  es  irgendwo  so  oft  wiederholt  wird,  bezweifle  ich. 
Als  einen  recht  brauchbaren  Kunstgriff  beim  Ueberziehen  will  ich  noch  erwähnen, 
dass,  wenn  die  Pillen  zusammenballen,  Hineinwerfen  von  etwas  Graphitpulver 
oder,  wenn  die  Pillen  weiss  sein  sollen,  Talcum,  die  Pillen  wieder  in's  Kolleu  bringt. 

Ist  das  Arzneimittel  nicht  fest,  sondern  flüssig,  so  schmilzt  man  es,  wenn  dies 
angeht  (Kreosot),  mit  Wachs  zusammen,  beim  Kreosot  z.  B.  zu  gleichen  Theilen, 
und  formt  aus  der  so  entstehenden  Masse  mit  oder  ohne  Zusatz  der  oben  genannten 
Pulver  Pillen,  die  dann  in  obiger  Weise  überzogen  werden.  Der  Schmelzpunkt  der 
Masse  darf  jedenfalls  weder  unter  3H,  noch  über  45°  liegen. 

Wasserlösliche  Extracte  mit  Pflanzenpulver  u.  dgl. ,  auch  wasserlösliche  Salze 
werden  zweckmässig  zuerst  auf  gewöhnliche  Weise  zur  harten  Pillenmasse  ange- 
stossen,  und  zwar  mit  möglichst  wenig  Bindemittel,  so  dass  möglichst  kloine  Pillen 
geformt  werden  können.  Würden  die  Pillen  der  Natur  der  Sache  nach  zu  gross, 
so  muss  man  doppelt  so  viel  Pillen  herstellen,  als  der  Arzt  verordnet  hat.  Jeden- 
falls sollten  die  Pillen  nur  Granpillen  seiu.  Die  so  gewonnenen  Pillen  werden 
auf  Insectennadeln  gesteckt,  wie  man  beim  Gelatiniren  verfährt,  und  in  die  halb- 
flüssige Talgwachsmasse  getaucht.  Nachdem  der  so  entstandene  Fettüberzug  erstarrt 
ist,  wird  dies  Ueberziehen  nochmals  wiederholt.  Dieses  Ueberziehen  mit 
Talg  ist  nicht  leicht,  es  will  geübt  sein,  um  gut  zu  gelingen.  Endlich  findet 
in  gewöhnlicher  Weise  das  Keratiniren  statt. 

Ansser  den  Dünndarmpillen  hat  man  auch  Dünndarmkapseln  (Capsules 
aus  Keratinmasse)  in  den  Handel  gebracht. 

Ueber  den  Werth  der  Dünndarmpillen  sind  die  Ansichten  der  Aerzte  sehr 
getheilt.    Jedenfalls  wird  aus  obiger  Darstellung  hervorgehen ,  dass  jede  einzelne 


Digitized  by  Google 


I)  ÜXNI»  A  R  M  PI  LLEN .  —  DÜRKWURZ. 


Pillen  masse  besonders  betrachtet  and  behandelt  sein  will,  dass  es  ganz  von  der 
Geschicklichkeit  des  Receptars  abhängt ,  ob  schon  im  Magen  zerfallende ,  erst  im 
Dünndarm  verdauliche  oder  ganz  unverdauliche  Pillen  an  den  Patienten  abgeliefert 
werden. 

Zum  Schlüsse  mag  darauf  hingewiesen  werden,  dass  man  auch  empfohlen  hat, 
die  Pillen  zum  Schutze  gegen  die  Magenverdauung  mit  spirituöser  Schellacklösung 
zu  Überziehen.  Versuche  in  dieser  Richtung  sind  nicht  angestellt,  gegen  die  An- 
wendbarkeit der  Methode  aber  auch  nicht  stichhaltige  Gründe  angeführt  worden. 
Jedenfalls  wird  auch  ein  solcher  Ueberzug  nicht  mehr  leisten,  als  die  Talgmasse 
an  und  für  sich,  wie  dies  eben  angedeutet  worden  ist.  e.  Mylins. 

DÜnnsaft.  Eine  in  der  Zuckerfabrikation  übliche  Bezeichnung  für  den  durch 
Kohlensäure  oder  andere  Mittel  entkalkten  und  geläuterten  Zuckersaft. 

DÜnnSChnitte  Und  Dünnschliffe.  Die  mikroskopische  Beobachtung  mittelst 
durchfallenden  Lichtes,  welche  für  die  Erforschung  aller  feinen  Structurverhältnisse 
die  normale  ist,  erfordert  eine  diesem  Zwecke  entsprechende  Herrichtung  der 
Objecte,  vor  Allem  aber  die  Herstellung  zarter  Durchschnitte,  welche  man  füglich 
als  Dtinu schnitte  und  Dünnschliffe  bezeichnen  kann. 

Die  Art  der  Gewinnung  derartiger  Präparate  richtet  sich  nach  der  Beschaffenheit 
der  zu  behandelnden  Gegenstände  und  erfordert  je  nach  dieser  mancherlei  Vor- 
bereitungen, wie  sie  auch  verschiedene  Abänderungen  des  Verfahrens  bedingt. 

Die  unmittelbare  Anfertigung  von  Dünnschnitten  gestatten  nur  solche  Objecte, 
welche  bei  einer  ausreichenden  Grösse  in  freier  Hand  gehalten,  oder  ohne  Schaden 
zu  erleiden,  zwischen  Hollander-  und  Sonnenblumenmark  oder  Korkplatten  ein- 
geklemmt werden  können  und  dem  schneidenden  Instrument  einen  hinreichenden 
Widerstand  zu  leisten  vermögen ,  damit  dieses  mit  der  erforderlichen  Sicherheit 
und  Stetigkeit  geführt  werden  kann.  Eine  vorgängige  besondere  Behandlung  ver- 
langen dagegen  alle  sehr  weichen  und  elastischen  Gegenstände,  welche  der  Schneide 
ausweichen,  aus  harten  und  weichen  Theilen  zusammengesetzte  Körper,  von 
denen  die  ersteren  viele  zarte  Durchschnitte  ergeben,  die  anderen  aber  zerrissen  oder 
zerquetscht  werden  würden,  Gewebe  und  Gewebetheile  oder  Organe,  bei  denen 
während  des  Schneidens  der  Zellinhalt  verloren  gehen  oder  doch  aus  seiner  regel- 
rechten Lage  gebracht  werden  könnte,  endlich  zarte  öaehe  und  sehr  kleine  Objecte, 
welche  das  Einklemmen  nicht  vertragen,  während  sehr  harte  Gegenstände  ein 
eigenes  Verfahren:  das  Schleifen,  bedingen.  Die  in  diesen  Fällen  nothwendig  werden- 
den Vorarbeiten  und  Veranstaltungen  werden  unter  Einbettung,  Härtung, 
Schnitte  und  Schliffe  näher  beschrieben.  Dippel. 

Düppelpapier,  eine  pyrotechnische  Spielerei,  wird  erhalten,  indem  man  Schreib- 
papier in  rauchende  Salpetersäure  taucht,  gut  auswäscht,  wieder  trocknet  und 
danu  mit  einer  wässerigen  Lösung  von  Bantnitrat,  Strontiannitrat  oder  dergl. 
tränkt. 

Dürkheim  in  der  Pfalz ,  Bayern,  besitzt  8  Quellen,  von  denen  sieben  starke 
Kochsalzwässer  und  eine  ein  Eisensäuerling  ist.  Dieser  enthält  in  1000  Th. 
NaCI  0.196,  NaaS04  0.156,  CaHa(C0,)2  0.362,  FeHs(C03)a  0.047.  Die  reichste 
der  anderen  Quellen  ist  die  Soolquelle,  mit  NaCI  12.699,  CaCls  3.018  und 
NaHr  0.019  in  1000  Th.  Dieser  schliesst  sich  an  der  Virgilinsbrunnen 
mit  NaCI  10.275,  CaCl2  1.799  in  1000  Th.,  der  Bleichbrunnen  mit  9.245 
und  1.93,  der  Engel brunnen  mit  8.625  und  1.366,  der  Altbrunnen, 
Fitzscher-  und  W i e se n br un  n e  n  mit  etwas  geringeren  Mengen.  Alle 
Quellen  enthalten  auch  MgCl.  ferner  NaJ  undNaBr,  die  Soolquelle  auch  etwas 
LiCI  (0.039). 

DÜrlitze,   volksth.  Bez.  für  Cor  aus  Mas  L. 

DÜrrWUrZ,   volksth.  Bez.  für  Comjza  squarrosa  Li. 

Digitized  by  Google 


DÜTENPROBE.  —  DULCAMAR1N. 


561 


Dütenprobe,  eine  für  viele  bekannte  Reactioneo  anwendbare ,  von  Haoeh 
angegebene  Modification,  um  die  Reactionen  empfindlicher  zn  machen.  Bedingung 
ist,  dass  der  nachzuweisende  Körper  als  Gas  auftritt  und  dass  die  bei  Einwirkung 
dieses  Gases  auf  das  Reagens  sich  bildende  Verbindung  gefärbt  ist.  Zur  An- 
stellung der  Dütenprobe  wird  aus  Filtrirpapier  eine  mehrere  Centimeter  lange  Düte 
gedreht,  mit  der  Spitze  in  das  Reagens  getaucht  und  in  den  Probircylinder ,  in 
dem  sich  die  das  Gas  entbindende  Flüssigkeit  befindet,  eingesetzt,  so  dass  die 
Spitze  sich  nahe  über  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  befindet.  Es  muss  natürlich 
darauf  geachtet  werden,  dass  nicht  durch  das  Platzen  der  Gasblasen  fortgeschleuderte 
Tröpfchen  an  die  Dütenspitze  gelangen.  Anwendbar  ist  die  Dütenprobe  z.  B.  für 
Arsenwasserstoff  —  Silbernitrat;  Stickstoffsäuren — Eisenoxydulsulfat  oder  Kalium- 
jodid- und  Zinkjodidstärkelösung ;  Schwefelwasserstoff  —  Bleiacetat;  Salicylsäure 
(Erhitzen  in  trockenen  Gemischen)  —  Eisenchlorid  u.  s.  w. 

Duflos'  Anilinreaction  be  steht  im  Zusatz  von  Bleisuperoxyd  und  verdünnter 
Schwefelsaure  zu  einem  Anilinsalz,  wodurch  eine  grüne  Färbung  auftritt. 

Duflos'  Antidotum,  eine  Mischung  von  frisch  gefälltem  (hydratischem) 
Schwefeleisen  mit  einem  breiigen  Gemenge  aus  in  Wasser  gelöstem  Eisenvitriol 
und  gebrannter  Magnesia,  ist  jetzt  wobl  kaum  mehr  iu  Gebrauch. 

Dulcamara,  von  Dodonaeus  aufgestellte,  jetzt  zu  Solanum  L.  gezogene 
Gattung. 

Stipites  D  nie  amar  ae ,  Bitter  süss  (in  allen  Pharmakopoen,  ausge- 
nommen Ph.  Germ.  II.),  stammen  von  Solanum  Dulcamara  L.,  einem  an  feuchten 
Oertlichkeiten  über  Europa ,  das  nördliche  Amerika  und  Asien  verbreiteten ,  win- 
denden Strauche  mit  violetten  Blüthen  und  rothen  Beeren.  Die  Stengel  sind 
7 — S  nim  dick,  gelblich  oder  grünlichbraun,  rund  oder  4 — okantig,  schwach 
längsfurchig  und  durch  Korkwarzen  höckerig.  Die  Rinde  ist  mit  einer,  besonders 
an  älteren  Theilen  deutliehen,  abblätternden  Korkschicht  bedeckt,  unter  welcher 
die  grüne  Rinde  hervortritt.  Im  Innern  sind  die  Stengel  meist  hohl.  Die  Holz- 
schieht  ist  gelb,  strahlig  und  süss,  die  Rinde  bitter.  Die  dem  Stengel  anhaftenden 
Blattnarben  sitzen  zerstreut,  nicht  gegenständig  wie  bei  den  Ranken  des  Hopfens 
und  den  Stengeln  von  Lom'cera  Periclymenum  L. ,  mit  welchen  Verwechslungen 
möglich  sind.  Die  Stengel  von  Solanum  luyrum  sind  krautig,  nie  holzig. 

Auf  dem  Querschnitt  zeigt  der  Stengel  im  Innern,  wo  sich  der  Hohlraum  be- 
findet.  Teberreste  des  Markes  als  farblose  kugelige  Zellen,  welche  bei  jüngeren 
Stengeln  mitunter  etwas  grünlich  sind.  Au  das  Mark  schliesst  sich  der  strahlige 
breite  Holzriug  mit  grossen  Gefässen  von  spiraliger,  getüpfelter  oder  netziger 
Stxuctur.  Wo  Jahresringe  vorhanden  sind,  treten  sie  als  breite  dunkle  Zonen  auf. 
Die  Markstrahlen  sind  schmal,  ein-  oder  zweireihig.  An  der  Grenze  von  Mark 
und  Holz  liegen  in  ersterein  einzelne  Gruppen  sehr  dünner  Siebröhren,  welche 
auch  bei  stärkerer  Vergrösserung  nur  als  Conglomerate  kleiner  Zellen  erscheinen. 

Als  Droge  werden  nur  2 — 3jährige  Stengel  verwendet,  welche  nach  dem  Ab- 
fallen der  Blätter  im  Herbst,  oder  im  Frühjahr  vor  Beginn  der  neuen  Triebperiode 
zu  sammeln  sind. 

Die  Wirkung  dürfte  auf  die  Anwesenheit  des  S o  1  a  n in  s  (C42  H87  Nols)  und 
des  Dnleamarins  (Caä  H5 1     0 )  zurückzuführen  sein. 

Nach  neueren  Untersuchungen  von  F.  Davis  enthalten  die  Beeren  ein  Alkaloid, 
dessen  Wirkung  zwischen  Atropin  und  Physostigmin  in  der  Mitte  steht. 

Bei  Kindern  wurden  schon  Vergiftungen  nach  dem  Genüsse  von  10  Beeren 
beobachtet.  Brechmittel  und  Analeptica  sind  die  Gegenmittel.  Prollius. 

DlllCamarin,  t'2iH3tOI0,  ist  der  in  die  Kategorie  der  Glykoside  gehörige 
Bitterstoff  in  den  Stengeln  von  Solanum  Dulca mar  a.  E.  GEISSLER  (Arch.  Pharm. 
1875,  pag.  289)   hat  dasselbe  aus  dem  wässerigen  Auszuge  der  Stengel  durch 

Keal-Bnoyolopidie  der  gee.  Pharmacie.  III.  •  3ß 

Digitized  by  Google 


DÜLCAMARIN.  —  DUMERILIA. 


Digestion  mit  Thierkohle,  Auskochen  der  Kohle  mit  Alkohol  und  Abdunsten  des- 
selben erhalten.  Der  mit  Amnion  aufgenommene  Rückstand  wird  mit  essigsaurem 
Blei  gefallt  ;  der  Niederschlag,  in  Alkohol  vertheilt,  gibt  bei  Zerlegung  mit  Schwefel- 
wasserstoff das  Dulcamarin  als  amorphes  gelbes  Pulver,  schwer  löslich  in  Wawer, 
leicht  löslich  in  Alkohol,  Essigäther,  Essigsäure,  unlöslich  in  Aether ,  Chloroform, 
Benzin.  Es  schmilzt  bei  100°  und  zerfällt  beim  Erhitzen  mit  verdünnten  Mineral- 
säuren in  Zucker  und  Du  lea  mar  et  in,  C,s  H26  Oti,  ein  schwarzbraunen  amorphes 
Harz.  G  an  9  wind  t. 

DUIClt,  CdH,606,  ist  eiu  seehsatomiger  Alkohol,  und  in  seiner  Zusammensetzung 
dem  Mannit  isomer.    Er  findet   sich  im  Kraut  von  Melampyrum  nemorosum, 
Melampyrum  arvense ,  Hhinontus  Critta  Galli  und  wurde  daraus  bereit*  1836 
gewonnen  und  als  Melampyrit  bezeichnet.    In  grosser  Menge  befindet  er  sich  in 
einer  von  Madagascar  kommenden  Manna  unbekannter  Abkunft.   Diese  ist  fast 
reiner  Dulcit,  und  gewinnt  man  denselben  daraus  durch  blosses  Umkrystallisiren. 
Dulcit  ist  auch  in   den  Cambialschichteu  der  Zweige  von  Evonymus  europaeus 
gefunden  und  unter  dem  Namen  Evonymit  beschrieben  worden.  Er  bildet  farblose 
glänzende,  durchsichtige,  klinorhombische  Säulen  von  schwach  süssem  Geschmacke, 
welche  bei  188.5°  schmelzen;  spec.  Gew.  1.466;  löslich  in  Wasser  (ITh.  erfordert 
33—37  Th.  Wasser);  schwer  löslich  in  Weingeist  (1  Th.  erfordert  1360  TV): 
unlöslich  in  Aether.    Verhält  sich  ganz  wie  Mannit  und  unterscheidet  sich  von 
diesem  nur  durch  die  Form  der  Krystalle  und  die  beinahe  vollständige  Unlöslichkeit 
in  kochendem  Alkohol.    Der  Dulcit  besitzt  kein  Rotationsvermögen ,  reduoirt 
Fehling' sehe  Lösung  nicht,  gährt  nicht  mit  Eisen.  Von  concentrirter  Salpetersäure 
wird  Dulcit  in  Schleimsäure  und  Traubensäure  übergeführt  (Mannit  gibt  bei  der 
gleichen  Behandlung:  Zuckersäure,  Oxalsäure  und  Traubensäure).  Der  Dulcit  ver- 
bindet sich  sowohl  mit  Säuren  (meist  uuter  Austritt  von  Wasser),   als  auch  mit 
einigen  Basen ,  von  welchen  letzteren  die  Barytverbiudnng  am  besten  gekannt  ist. 
—  Durch  längeres  Erhitzeu  des  Dulcits  bildet  sich  das  D  u  1  c  i  t  o  n  (analog  wie 
aus  dem  Mannit  das  Manniton),  ein  zähflüssiger,  beim  Erwärmen  merklich  flüchtiger 
Syrtip.  Das  Dulciton  geht  bei  längerem  Stehen  an  feuchter  Luft  allniälig  in  Mannit 
über;  es  bildet  mit  Säuren  Aether;  diese  gewinnt  man  durch  Erhitzen  von  Dulcit 
mit  Sauren  auf  200°.  —  Dulcit  gibt  bei  der  Destillation   mit  concentrirter  Jod- 
wasserstoffsäure secundärcs  Hexyljodür.  Ganswind t. 

Dulong's  explosives  Oel  ist  Chlorstickstoff. 

Dulong  Petit'SCheS  Gesetz.  Nach  demselben  ist  die  speeifische  Wärme, 
d.  h.  die  zu  gleicher  Steigerung  der  Temperatur  erforderliche  Wärmemenge,  für 
alle  einfachen  Stoffe  umgekehrt  proportional  der  Grösse  ihres  Mischungsgewichtes, 
so  dass  beide  mit  einander  multiplicirt  als  Product  stets  dieselbe  Zahl  geben. 
Hierbei  wurde  als  Einheit  die  Erwärmung  von  Wasser  um  1°  angenommen.  Die 
experimentelle  Bestätigung  dieses  Gesetzes  ist  sehr  schwierig,  da  die  einem  Körper 
zugeführte  Wärme  sich  in  zwei  Actioneu,  die  Erwärmung  uud  die  Ausdehnung 
desselben,  theilt  und  alle  verwendeten  Apparate  und  Instrumente  sich  an  denselben 
betheiligen.  Die  gpäteren  Arbeiten  Reignaült's,  Kopp's  u.  A.  haben  gezeigt,  dass 
diese  Zahl  von  den  meisten  Stoffen  nur  annähernd  erreicht  werde  und  dass  die- 
selbe nur  zwischen  bestimmten  Temperaturen  Giltigkcit  habe.  Die  Gruppe  Kohlen- 
stoff, Bor  und  Silicium,  welche  bei  gewöhnlicher  Temperatur  eine  erheblieh 
niedrigere  speeifische  Wärme  haben ,  zeigen  die  grössten  Abweichungen ,  indem 
zwischen  — 50  und  600°  dieselbe  beim  Kohlenstoffe  um  das  Siebenfache,  beim 
Bor  um  das  Zweieiuhalbfachc  steigt.  Die  Hoffnung,  aus  der  speeifischen  Wärme 
das  wahre  Atomgewicht  der  Stoffe  ableiten  zu  können,  ist  daher  nicht  iu  Er- 
füllung gegangen.  Gäc*f. 

Dlimerilia,  Gattung  der  Compositae,  Gruppe  der  Labiatißora* .  —  [hotieriUa 
Ihnnbohlti-i  Leas.,  eiu  mexikanischer  Strauch,  galt  früher  als  die  Stammpflanze  der 
« 

Digitized  by  Google 


DUMERILIA.  —  DUPÜYTBEN'S  ÄTZPASTA. 


Pipitzahuacwurzel  (s.  d.),  welche  jetzt  von  der  ihr  systematisch  nahe- 
stehenden Perezia  fruticota  Lallav.  —  abgeleitet  wird. 

DunkelfeldbeleUChtung.  Als  Dnukelfeldbeleuchtung  bezeichnet  man  diejenige 
Art  der  Beleuchtung,  bei  welcher  das  Object  auf  dunklem  Grunde  in  Gestalt 
eines  positiven,  in  Folge  seines  plastischen  Hervortretens  meist  charakteristischen 
Bildes,  d.  h.  gleichsam  wie  ein  selbstleuchtender  Körper  gesehen  wird. 

Zur  Herstellung  der  Dunkelfeldbeleuchtung  bringt  man  bei  schwächeren 
Objectiven  mit  kleiner  Oeffnung  den  Spiegel  soweit  aus  der  Axe  des  Mikroskope«, 
dass  keine  directen  von  dem  Spiegel  aus  zurückgeworfenen ,  sondern  nur  die  in 
dem  Objecte  durch  Beugung  abgelenkten  (die  von  der  Deckglasunterfläche  nach 
dem  Objecte  und  dann  von  diesem  aus  in  das  Objectiv  zurückgeworfenen  Strahlen 
kommen  hier  weit  weniger  in  Betracht,  als  man  früher  glaubte)  in  das  letztere 
gelangen.  Sollen  dagegen  stärkere  Objective  von  6 — 9  mm  Brennweite  mit  massiger 
oder  grösserer  Oeffnung  zur  Beobachtung  verwendet  werden,  so  wird  eine  halb- 
kugelförmige Beleuchtungslinse,  oder  der  AßE'sche  Beleuchtungsapparat  mit  einer 
die  Centralstrahlen  abhaltenden  Scheibenblendung  in  Anwendung  gebracht.  Hierbei 
ist  dann  ferner  zu  beobachten,  dass  bei  grösseren  numerischen  Aperturen,  als 
0.35 — 0.42,  also  bei  Oeffnungswinkeln  von  über  40° — 50°,  die  Oeffnung  durch 
eine  hinter  dem  Objective  angebrachte  Blendung  auf  dieses  Maass  verkleinert 
werden  muss. 

Dunst  ist  ein  Zwischenproduct  der  Hochmttllerei  und  bezeichnet  den  feinsten 
Gries,  welcher  weiter  vermählen  wird.  —  In  der  Bedeutung  von  Dampf,  s. 
pag/.  385. 

Dunstsam  ml  er,  Hager'S.  ein  Apparat,  welcher  es  ermöglicht,  alkoholische, 
Ätherische,  chloroformige  und  ähnliche  Flüssigkeiten  abzudestiiliren ,  so  dass  der 
Destillationsrückstand ,  in  einer  Porzellan  schale  befindlich,  gewonnen  wird.  Der 
Dunstsammler  ist  so  eingerichtet,  dass  die  abzudestillirende  Flüssigkeit  in  einer 
entsprechend  grossen  Porzellanschale  eingesetzt  wird :  nach  Aufsetzen  des  Deckels 
wird  im  Dampfbad  erwärmt.  Der  conisch  geformte  Deckel  wird  an  seiner  ganzen 
Ausseuseite  durch  Wasser  gekühlt  und  die  au  dessen  Innenseite  condensirte 
Flüssigkeit  sammelt  sich  in  einer  rundum  gehenden,  geneigten  Rinne  und  fliesst 
nach  aussen  ab ,  kann  also  nicht  wieder  zurücktropfen ,  was  bei  Flüssigkeiten, 
deren  Dämpfe  schwer  9iud,  vortheilhaft  ist,  da  eine  l'cberhitzung  der  zu 
destillirenden  Flüssigkeiten  ,  beziehungsweise  der  darin  gelösten  Stoße  vermieden 
werden  kann. 

Duodenum.  Z  w  ö  I  f  f i  n  g  e  r  d  a  r  m ,  nennt  man  das  unmittelbar  an  den  Magen 
gTeuzende  Stück  des  Dünndarmes  in  der  Grösse  von  zwölf  Daumenbreiten.  Da 
es  kein  Gekröse  besitzt,  liegt  es  nur  wenig  beweglich  im  rechten  oberen  Antlieile 
der  Bauchhöhle.  In  die  Mitte  des  Zwölffingerdarmes  mündet  der  gemeinschaftliche 
Gallengang  (Ductus  choledochus)  und  der  mit  diesem  vereinigte  AusfUhruugsgang 
der  Bauchspeicheldrüse;  Galle  und  Bauchspeichcl  ergiessen  sich  also  in  das  Duo- 
denum. Im  Anfangsstücke  des  Duodenum  befindet  sieh  eine  grosse  Menge  einer 
im  ganzen  übrigen  Darm  nicht  vorkommenden  Art  von  Drüsen,  die  BRrxxER'schen 
oder  BßrNN'schen  Drüseu:  ihr  Secret  ist  dem  des  Paucreas  gleich. 

Dupasquier'8  ReagenS  auf  organische  Substanzen  in  Wasser  ist  eine 
wHsserige  Lösung  von  G<»ldchlorid.  Die  organischen  Substanzen  bewirken  Reduction 
den  Goldehlorids  und  es  bildet  sich  in  Folge  dessen  ein  violetter  Anflug  an  den 
Glaswänden. 

DupaSquier'S  SyrUpUS  Naphtalmi  ist  eine  Mischung  von  2  Th.  Naphtalin 
(in   so  viel  als  nöthig  kochendem  Alkohol  gelöst)  mit  125  Th.  Syrupus  Saccftari. 

DupUytren'S  AetzpaSte  besteht  aus  0.5?  Arid  um  arwiicosum ,  2  g 
Crrfomel,  10  g  Gummi  arabicum  und  lt'(i.w  so  viel  als  uöthig  zu  einer  weichen 

*  ^Digitized  by  Google 


DÜPÜYTREN  S  ÄTZPASTA.  —  DUBOL. 


Pasta.  —  Dupuytren's  Haarwuchspomade  ist  (nach  Doevaült)  eine  Salbe  aus 
250  Th.  Medulla  Bovis,  4  Th.  Plumbum  aceticum,  8  Th.  Balsam.  Peruvian., 
30  Th.  Alkohol  und  je  1  Th.  Tinct.  Cantharidum ,  Tinct.  Caryophyll.  und 
Tinct.  Cinnamomi.  Nach  einer  Berliner  Vorschrift:  25  Th.  Medulla  Bovis, 
5  Th.  Oleum  Jasmini,  3  Th.  Extractum  Chinae  und  je  ll  ,  Th.  Succus  Citri 
und  Tinctura  Cantharidum. 

Durameil   (von  durus),  wenig  gebräuchliche  Bezeichnung  für  Kernholz 

(8.  d.). 

Dlirande'SCheS  Mittel  gegen  Gallensteine  ist  eine  Mischung  aus 
20  Th.  Aether  und  5  (—10)  Th.  Oleum  Terebinthinae  rectif.;  zweimal  täglich 
15 — 30  Tropfen  zu  nehmen. 

DuraZUÜIO  ist  der  brasilianische  Volk  sname  für  Oestrum  Pseudoquina  Mart. 
(Sofanaceae),  dessen  ßliltter  und  Rinde  als  Fiebermittel  verwendet  werden. 

DurChbreCh,  DurChwaChS  sind  volksth.   Bez.   für  Bupleurum  rotundi- 
folium  L.,  der  Mutterpflanze  von  Herba  und  Semen  Perfoliatae. 

Durchfall,  s.  Diarrhöe,  Bd.  III,  pag.  471. 

Durchmesser  (Diameter)  nennt  man  in  der  Geometrie  eine  gerade  Linie, 
welche  parallele  Sehnen  einer  Curve  halbirt.  Beim  Kreis,  bei  der  Ellipse  und  bei 
der  Hyperbel  gehen  alle  Durchmesser  durch  den  Mittelpunkt;  nur  beim  Kreise 
Kind  alle  Durchmesser  einander  gleich.  Krumme  Linien  höherer  Ordnung  haben 
gar  keine  Durchmesser.  Bei  der  Kngel ,  beim  Spbäroid  und  Ellipsoid  bezeichnet 
man  als  Durchmesser  jene  Gerade,  welche  zwei  Punkte  ihres  Umfange»  verbindet 
und  durch  den  Mittelpunkt  geht.  Scheinbaren  Durchmesser  einer  Kugel  nennt 
man  den  Winkel,  unter  welchem  ihr  Durchmesser  aus  der  Ferne  gesehen  erscheint ; 
es  ist  dies  der  Winkel,  den  zwei  Geaichtslinien  miteinander  bilden,  welche  die 
Kugel  in  zwei  einander  entgegengesetzten  Punkten  treffen. 

DurchSChnittsmUSter  ist  eine  Bezeichnung  für  zur  chemischen  Untersuchung 
bestimmte  Muster  solcher  Untersuchungsobjecte ,  welche  ihrer  Natur  nach  nicht 
einheitlich  sein  können,  oder  welche  durch  ihre  Masse  hindurch  nicht  gleichartig 
sind  oder  —  was  für  die  Untersuchung  doch  sehr  wesentlich  ist  —  nicht  gleich- 
artig sein  könnten.  Hier  handelt  es  sich  darum,  das  zur  Untersuchung  zu  ent- 
nehmende Quantum  so  zu  entnehmen ,  dass  das  gezogene  Muster  nach  vorheriger 
mechanischer  Durchmischung  als  ein  solches  betrachtet  werden  kann,  welches  den 
physikalischen  Eigenschaften  und  der  chemischen  Zusammensetzung  im  Durch- 
schnitt entspricht.  Ganäwindt. 

Durchsichtigkeit  nennt  man  die  Eigenschaft  eines  Körpers,  Lichtstrahlen 
den  Durchgang  zu  gestatten.  Es  gibt  verschiedene  Abstufungen  der  Durchsichtig- 
keit vom  Wasserhellen  bis  zum  Durchscheinenden  und  Undurchsichtigen.  Die 
Durchsichtigkeit  hängt  von  einer  gewissen  Gleichartigkeit  der  Masse  ab,  wie  sie 
sich  nur  bei  Krystallen  und  sogenannten  amorphen  Körpern,  z.  B.  beim  Glase  oder 
bei  Flüssigkeiten,  findet.  In  Flüssigkeiten  aufgeschwemmte  oder  emulgirte  Körper- 
theilchcn  stören  die  Durchsichtigkeit.  Krystalle  werden  undurchsichtig ,  wenn  sie 
ihr  Krystallwasser  verlieren.  Farblose  Körper  haben  den  höchsten  Grad  von 
Durchsichtigkeit;  gefärbte  absorbiren  stets  einen  bestimmten  Theil  der  Licht- 
strahlen. Ohne  allen  Verlust  lasst  kein  Körper  das  Licht  durch.  Auch  für  ge- 
wöhnlich opak  erscheinende  Körper ,  wie  die  Metalle ,  lassen  in  ganz  dflnuen 
Blfittchen  einen  Theil  der  Lichtstrahlen  durch. 

Durchwachskraut  ist  Bupleurum  rotundifolium  L.  (Herba  Perfoliatae i;  für 
Durchwachsöl  pflegt  man  Oleum  Hyoscyami  coctum,  für  Durch  wachssalbe 
Unguentum  Populi,  auch  wohl  Unguentum  nervinum  zu  dispensiren. 

DurOl  ist  Tetramethylbenzol  C6  H3  (CH,)4. 

Digitized  by  Google 


DUKOL.EUM.  —  DYNAMIT. 


:>G5 


Duroleu  III,  Synonym  für  Vaselin. 

Durrha  oder  Kaffernhirse,  8.  Sorghum. 

Durst  ist  ein  Gefnbl  von  Trockenheit  und  Brennen  im  Schlünde  und  wird 
durch  Wassermangel  der  Gaumen-  und  Rachenschleimhaut  hervorgerufen.  Dieser 
Wassermangel  ist  gewöhnlich  eine  Theilerscheinung  allgemeinen  Wassermangels  im 
Organismus,  kann  aber  auch  örtlich  durch  Austrocknung  in  Folge  Durchstreichens 
trockener  Luft  oder  sonstige  Wasserentziehuog  (Genuss  hygroskopischer  Salze) 
entstehen.  Gestillt  wird  das  Gefühl  gewöhnlich  durch  örtliche  Befeuchtung  der 
genannten  Theile,  welche  meist  durch  Trinken  geschieht ,  so  dass  zugleich  der 
Ge8ammtorganismus  Wasser  erhält;  aber  auch  blosses  Ausspulen  des  Mundes  mit 
frischem  Wasser  unterdrückt  das  Durstgefühl  für  einige  Zeit.  Von  letzterer  That- 
sache  wird  in  der  sogenannten  OKRTELscben  Cur  vielfach  Gebrauch  gemacht. 
Einspritzen  von  Wasser  in  die  Venen  löscht  den  Durst,  entsprechend  seiner  Ent- 
stehung durch  allgemeinen  Wassermangel.  Diese  Methode  der  Wasserzufuhr  kann 
in  Fällen  angewendet  werden,  in  welchen  das  Schlucken  unmöglich  geworden  ist 
(Hydrophobie).  Auch  das  Aufsaugungsvermögen  der  Haut  ist,  wenigstens  bei  schon 
vorhandenem  Wassermangel  im  Blute,  stark  genug,  um  das  Trinken  zu  ersetzen, 
daher  ein  Bad  den  Durst  einigermaassen  stillt  Sehr  hochgradiges  Durstgefühl 
zeigt  sich  bei  allen  Fällen  von  Harnruhr  (Diabetes). 

Bei  Pflanzen  spricht  sich  der  Durst  durch  Erschlaffung  ihrer  Theile  (nament- 
lich der  Blätter)  aus. 

Dutch  liquid,  eine  englische  Bezeichnung  für  Aethylenum  chloratum. 

Duvaua,  Gattung  der  Anacurdiaceae.  Bäume  mit  einfachen  Blättern  und 
achsclständigen,  ein-  oder  zweihäusigen  Trauben  aus  vier-,  selten  fünfzähligen 
Blüthen  mit  acht  (zehn)  ungleich  langen  Staubgefässen  und  eineiigem  Fruchtknoten, 
welcher  sich  zu  einer  kugeligen  Steinfrucht  entwickelt. 

Duvaua  depend  ens  DC.y  in  Chile  heimisch,  hat  kurz  gestielte  5:1cm 
grosse,  kahle  Blätter  und  blassgelbe  Blüthentrauben.  Die  Samen  und  die  Kinde 
gelten  in  der  Heimat  als  heilkräftig.  In  neuester  Zeit  gelangen  die  aromatischen, 
etwa  4  cm  grossen  Samen  unter  dem  Namen  „Huingan"  nach  Europa. 

Dynamik  (oW/.u,  Kraft)  heisst  in  der  Physik  jener  Thcil  der  Mechanik, 
welcher  die  Lehre  von  den  Kräften .  die  zur  Bewegung  der  Körper  erforderlich 
sind,  behandelt,  im  Gegensatze  zur  Statik  oder  der  Lehre  vom  Gleichgewichte 
der  Körper.  Nach  den  drei  Aggregationsznständen  der  Körper  zerfällt  die  Dyua- 
mik  in  1.  die  Geodynamik  oder  eigentliche  Dynamik,  2.  Hydrodynamik 
oder  Hydraulik  und  3.  Aerodynamik  oder  Pneumatik. 

Dynamik,  Chemische.  Die  Lehre  von  den  chemischen  Veränderungen  der 
Stoffe,  von  den  Ursachen,  welche  sie  hervorrufen  und  von  den  Erscheinungen, 
von  denen  sie  begleitet  sind. 

Dynamit.  Ein  Sprengstoff,  welcher  neben  vorzüglicher  Leistungsfähigkeit  den 
Vortheil  verbältnissmässiger  Gefahrlosigkeit  bietet.  Das  explosive  Princip  des 
I>vnamits  ist  Nitroglycerin,  welches  bei  heftigem  Druck  oder  Stoss  explodirt.  Die 
dem  Nitroglycerin  (Trinitroglycerin)  anhaftende  grosse  Explosionsgefahr  wird  jedoch 
wesentlich  vermindert  oder  fast  gänzlich  annullirt,  wenn  man  dasselbe  mit  einem 
porösen  Körper,  wie  Sägespähne,  Holzkohle,  Infusorienerde  mischt.  Die  Versuche 
von  Bolley  und  Corde  haben  dargethan,  dass  diese  Stoffe,  mit  dem  Dreifachen  ihres 
Gewichtes  Nitroglycerin  getränkt,  selbst  durch  den  stärksten  Stoss  nicht  explodiren. 
Das  Dynamit  bedarf  daher  zur  Explosion  einer  künstlichen  Entzündung.  Der  Erfinder 
des  Dynamits  ist  Nobel,  welcher  dasselbe  1807  in  den  Handel  brachte.  Das 
KOBEL'sche  Dynamit  besteht  aus  1  Tb.  Kieseiguhr  und  3  Th.  Nitroglycerin.  Das 
fast  gefahrlose  Manipulireu  mit  Dynamit  hat  diesem  als  Sprengstoff  schnell  grosse 


Digitized  by  Google 


DYNAMIT.  -  DYNAMO-ELEKTRISCHE  MASCHINE. 


Verbreitung  verschafft  und  das  Schiesspulver  wie  das  viel  gefährlichere  Nitro- 
glycerin verdrängt;  es  ist  viermal  so  theuer  als  Schiesspulver,  leistet  aber  das 
achtfache  und  ist  also  relativ  nur  halb  so  theuer  als  Schiesspulver.  Die  Anwendung 
des  Dynamit-,  beim  Sprengen  geschieht  theils  als  loses  Pulver,  theils  in  Form  von 
Patronen,  geleimter  PapierhUlsen,  in  welche  das  Pulver  fest  eingedrückt  wird.  Die 
Entzündung  geschieht  mittelst  einer  Zündschnur,  an  deren  Spitze  ein  Patentzflnd- 
hütchen  sich  befindet.  Die  Explosivkraft  des  Dynamits  ist  eine  furchtbare;  es 
sprengt  selbst  die  gewaltigsten  Eisenblöcke  auseinander.  Das  Dynamit  wird  durch 
Feuchtigkeit  nicht  beeinflusst ;  es  kann  daher  in  nassen  Bohrlöchern  ohne  weitereg 
als  loses  Pulver  eingetragen  und  sofort  entzündet  werden.  Bei  Luftzutritt  entzündet, 
brennt  es  ruhig  ohne  Explosion  unter  Entwickelung  weniger  salpetriger  Dampfe 
ohne  Rauch,  aber  mit  Hinterlassung  einer  weissen  Asche;  bei  der  Explosion  hin- 
gegen resultiren  nur  Kohlensäure,  Stickstoff  und  Wasserdampf;  die  Unschädlich- 
keit der  Explosiousproducte  ist  ein  weiterer  Vortheil  des  Dynamits.  Das  Dynamit 
wird  auch  in  Deutschland  fabrikmässig  dargestellt;  dass  die  Gefahrlosigkeit  der 
Dyuamitfabrikation  doch  nur  eine  bedingte  ist,  bewiesen  die  mehrfachen  Explosionen 
solcher  Fabriken  (vergl.  auch  Explosivstoffe  nnd  Nitroglycerin). 

Ganswindt. 

DynamO-elektriSChe  Maschine  ist  die  jetzt  ausschliesslich  angewendete 
Form  der  magnet-elektrischen  Maschinen ,  die  zur  Erzeugung  elektrischer  Ströme 
durch  Aufwand  mechanischer  Arbeit  dienen.  Die  Unzahl  der  vorhandenen  Con- 
structioneu  folgen  zwei  Haupttypen,  deren  eine  von  Gramme,  die  andere  von 
Siemens  angegeben  wurde. 

Bei  der  GRAMME'schen  Maschine  rotirt  ein  Hing  von  vielen  Lagen  Eisendrahtes, 
der  Inductor,  zwischen  zwei  ungleichnamigen  Magnetpolen  JV und  S  (s.  Fig.  1*0  , 
die  in  der  Ebene  des  Ringes  liegen ,  zu  welcher  seine  Drehungsachse  senkrecht 
Steht    Der   ganze  Riug  ist  mit  einer 

Reihe  von    Spulen   aus   gut   isolirtem  Tie-  90- 

Kupferdraht  besetzt,  die  alle  in  gleicher 
Richtung  gewickelt  und  so  mit  einander 
verbunden  sind,  dass  sich  stets  das  Ende 
der  einen  an  das  Ende  der  anderen 
leitend  anschliesst.  Je  zwei  solche  Draht- 
enden gehen  nämlich  zu  einem  der 
MetallstOcke  7?,  i?n  7?2,  i?s,  die  in  der 
schematischen  Figur  radial  augeordnet 
sind,  in  Wirklichkeit  aber  senkrecht 
gegen  die  Ringebene  verlaufen  und. 
von  einander  isolirt,  so  an  der  Achse 
sitzen,  dass  sie  in  ihrer  Gesammtheit  eine  cylindrische  Hülse,  den  Collector, 
bilden.  Auf  letzterem  schleifen  zwei  fix  am  Gestelle  der  Maschine  angebrachte 
Metallfedern  oder  Bürsten  aus  Kupferdrähten ,  durch  welche  der  in  den  Spulen 
durch  eine  Rotation  des  Ringes  erzeugte  elektrische  Strom  in  die  Nutzleituug  ab- 
fiiessen  kann.  Durch  die  Verschiebung  der  Spulen  in  ihrer  Lage  zu  den  Polen  des 
ursprünglichen  Magnetes  und  jenen ,  welche  durch  magnetische  Induction  ihnen 
gegenüber  im  Eisenkörper  des  Ringes  entstehen ,  werden  in  dem  Drahte  der  ein- 
zelnen Spulen  bei  der  Rotation  elektrische  Ströme  erregt.  Dieselben  besitzen  in 
jenen  Spulen,  die  zu  irgend  einer  Zeit  sich  in  dem  Räume  BCD  befinden,  zwar 
ungleiche  Intensität,  aber  gleiche  Richtung  und  summiren  sich  also,  während  die 
ebenfalls  unter  einander  gleichgerichteten  Ströme  der  Spulen  im  Räume  DAB  zu 
den  früher  genannten  entgegengesetzt  verlaufen.  Legen  sich  nun  bei  D  und  b  die 
Ableituugsbflrsten  /'und  E  An  die  Metallstücke,  so  treten  die  beiden  früher  genannten 
Theilströme,  die  zwar  entgegengesetzt  gerichtet  siud,  aber  auch  von  entgegenge- 
setzten Seiten  an  die  Btlrsten  treten,  vereiuigt  in  dieselben  ein,  so  dass  man  in 
der  Leitung  einen  immer  gleichgerichteten  Strom  besitzt. 


Uigitized  by 


DYNAMO-ELEKTRISCHE  MASCHINE. 


567 


Das  Eigentümliche  der  dynanio-elektrischen  Maschine  liegt  nun  darin,  dass  die 
Magnete,  welche  die  elektrischen  Ströme  induciren  (s.  Induction),  durch  diese 
Ströme  selbst  erzeugt  werden.  Man  setzt  nämlich  an  Stelle  der  Magnete  Eisen- 
barren ,  um  welche  sich  die  von  den  Bürsten  kommenden  Drähte ,  ehe  sie  in  die 
Nutzleitung  gehen ,  derart  herumwinden ,  dass  durch  die  Wirkung  eines  Stromes, 
der  in  diesen  Windungen  circulirt,  in  den  Eisenbarren  die  oben  bezeichneten  Pole 
entstehen. 

Beim  Beginn  der  Rotation  des  Ringes  wird  durch  Einwirkung  des  schwachen 
Magnetismus,  der  stets  im  Eisen  vorhanden  ist,  in  dem  Inductor  ein  sehr  schwacher 
Strom  erzeugt ,  der  seinerseits  die  Eisenbarren ,  um  die  er  geleitet  wird ,  stärker 
magnetisirt.  Der  so  hervorgerufene  stärkere  Magnetismus  inducirt  auch  wieder 
einen  stärkeren  Strom  und  dieser  Vorgang  wiederholt  sich  ,  bis  Magnetismus  und 
Strom  ihr  Maximum  erreicht  haben.  Fig.  Ol  zeigt  die  so  construirte  Maschine  als 
Ganzes. 


Fig.  iL 


Bei  der  SiEMEN's'schen  Maschine  besteht  der  Inductor  aus  einem  Ilolzcvlinder, 
der  durch  Bewicklung  mit  Eisendraht  einen  Eisenmantel  erhalten  hat  und  um  eine 
Achse  rotirt,  die  mit  seiner  geometrischen  Achse  zusammenfällt.  Der  Achse  parallel 
wird  Ubersponnener  Kupferdraht  in  mehreren  Partien  so  um  den  ganzen  Cylinder 
gewickelt,  dass  stets  das  Knde  der  einen  Partie  mit  dem  Anfang  der  anderen  an 
einem  Metallstück  des  Collectors  zusammentritt,  während  die  beiden  Knden  ein 
und  derselben  Partie  zu  zwei  sich  gegenüberliegenden  Metallstüeken  führen.  Der 
Collector  selbst  ist  jrenau  so  wie  jener  der  GRAMME'sche  Maschine  construirt.  Der 
beschriebene  Inductor  rotirt  zwischeu  zwei  Elektromagneten  von  eigentümlicher 
Form.  Sie  bestehen  nämlich  aus  einer  Anzahl  in  der  Mitte  halbkreisförmig  ge- 
bogener, nebeneinanderliejrender  Eisen-Lamellen,  die  mit  ihren  Bögen  (s.  Fig.  02) 
den  Inductor  eng  umschliessen  und  derartig  mit  Draht  bewickelt  sind,  dass  der 
sie  nmtliessende  Strom  die  beiden  halbkreisförmigen  Bögen  ungleichnamig  magne- 
tisch macht.  Zwei  am  Collector  schleifende  Bürsten  empfangen  auch  bei  dieser 
Maschine  den  inducirten  Strom,  der  in  die  Windungen  der  Elektromagnete  und  in 
die  Nutzleitunjr  geführt  wird.  Die  weitere  Ausführung  der  Maschine  zeigt  Fig.  02 


by  Google 


568 


DYNAMO-ELEKTRISCHE  MASCHINE.  —  DYNAMOM. 


Die  Intensität  des  Stromes,  den  eine  dynanio-elektrisehe  Maschine  liefert  und 
die  Spannung.au  ihren  Polen  hängt  ausser  vou  der  Construetion  der  Maschine, 
nämlich  von  der  Art  der  Bewicklung  mit  dünnem  oder  dickem  Draht  und  von  der 
Verbindung  der  Windungen  der  Elektroraagnete  mit  dem  übrigen  Stromkreise, 
noch  insbesondere  von  der  Geschwindigkeit  der  Rotation  des  Inductors  und 
von  dem  Widerstand  der  Stromleitung  ab.  Die  von  den  dynarao  -  elektrischen 
Maschinen  gelieferten  Ströme  dienen  hauptsächlich  zur  Erzeugung  des  elektri- 
schen Lichtes ,  zur  Galvanoplastik ,  Reinmctallgewinnung  und  zur  Ladung  von 
Accumulatoren. 

Sowie  in  einer  dynamo-elektrischen  Maschine  ein  elektrischer  Strom  durch 
Rotation  des  Inductors  nach  bestimmter  Richtuug  erzeugt  wird,  beginnt  seinerseits 
der  Inductor  in  entgegengesetzter  Richtung  zu  rotiren ,  wenn  ihn  ein  hinreichend 
kräftiger  Strom,  der  von  irgend  einer  Quelle  herstammen  kann,  durchfliegst.  Der 
rotirende  Inductor  ist  dann  im  Stande,  Arbeit  zu  leisten. 


Fig.  !»«. 


Apparate,  in  welchen  durch  den  elektrischen  Strom  eine  Rotation,  eine  Arbeits- 
leistung erzielt  wird  und  die  insgesammt  den  Namen  elektro- magnetische 
Motoren  führen,  wurden  schon  in  vielfacher  Weise  construirt,  doch  haben  von 
allen  ausser  den  als  Motoren  verwendeten  dynamo-elektrischen  Maschinen  keine 
eine  praktische  Verwendung  gefunden.  I'ebrigens  werden  auch  die  dynamo-elektri- 
schen Maschinen  als  Motoren  nur  in  beschränkter  Weist;  gebraucht,  da  sich  die 
Kosten  des  elektrischen  Stromes  meist  zu  hoch  stellen.  Insbesondere  dienen  sie  zur 
Uebertragung  der  an  einem  Orte  verfügbaren  Kraft  an  einen  anderen ,  was  ent- 
weder in  der  Weise  geschieht,  dass  an  dem  einen  Orte  die  Kraft  eine  dynanio- 
elektrische  Maschine  betreibt ,  deren  elektrischer  Strom  Accumulatoron  speist ,  die 
nach  ihrem  Transport  an  einen  anderen  Ort  durch  den  von  ihnen  gelieferten 
elektrischen  Strom  wieder  eine  dynamo-elektrisehe  Maschine  in  Gang  setzen  und 
zur  Arbeitsleistung  befähigen,  oder  dass  man  den  von  der  ersten  Maschine  gelie- 
ferten Strom  direct  an  den  Ort  leitet,  an  dem  der  elektro  magnetische  Motor  sich 
befindet    Kraftübertragung.  Pitsch. 

DynamOm  i>t  ein  dem  „Lebens wecker i4  Baux.scheibt's  is.  Bd.  U,  pag.  178) 
ähnliches  Instrument  und  dient  auch  gleichen  Zwecken. 

Digitized  by  Google 


DYNAMOMETER.  —  DYSKRASIE. 


5ti9 


Dynamometer  Oder  Kraftmesser  bezwecken,  ein  vergleichendes  Maas* 
in  Zahlen  von  Arbeitsleistungen  der  Energie  zu  liefern.  Wo  es  sich  um  die 
Prüfung  von  Muskelkraft  von  Menschen  oder  Zugthieren  handelt,  sind  dieselben 
nach  Art  der  jetzt  so  verbreiteten  Federwaagen  construirt ,  indem  in  ihnen  eine 
elastische  Metallfeder  zusammengedrückt  oder  ausgezogen  und  die  dadurch  ver- 
ursachte Bewegung  der  letzteren  vermittelst  eines  Hebels  auf  einen  drehbaren 
Zeiger  übertragen  wird,  welcher  die  Grösse  des  verwendeten  Druckes  in  empyrisch 
festgestellten  Gewichtszahlen  angibt.  Erfolgt  die  Kraftein  Wirkung  als  Schlag  oder 
Stoss,  so  zeigt  sich  die  Grösse  derselben  bei  einer  anderen  Anordnung  an  der 
Ilöhe  eines  neben  einer  verticalen  Scala  durch  die  Repulsion  der  Feder  empor- 
gescbleuderten  Gewichtes.  Zur  Prüfung  der  Wirkung  explosiver  Stoffe ,  wie  des 
Schiesspulvers,  dienen  als  Dynamometer  verschiedene  Vorrichtungen.  Bei  der 
üblichsten  für  Geschütze  schlagen  die  Geschosse  gegen  das  ballistische  Pendel, 
einem  ans  starkem  Holze  bestehenden,  mit  Steinen  beschwerten  Pendel  von  be- 
kanntem Gewichte,  aus  dessen  Ausschlage  beim  Anprall  des  Geschosses  die  Kraft 
desselben  berechnet  wird.  Unter  den  zahlreichen  Vorschlägen,  um  die  Kraft  einer 
bestimmten  Menge  Schiesspulver  zu  ermitteln ,  soll  derjenige ,  nach  welchem  ein 
schwimmendes  Aräometer  aus  Metall  je  nach  der  Stärke  des  senkrecht  erfolgenden 
Rückschlages  der  Pulverladung  verschieden  tief  in  das  Wasser  eintaucht,  die  ge- 
nauesten Resultate  geben.  Die  Wichtigkeit  der  Bestimmung  der  Geschwindigkeit 
der  Geschosse,  von  welcher  die  kinetische  Energie  derselben  (s.  diese)  ab- 
hängt, hat  zu  mehreren  Apparaten  geführt,  welche  durch  Oeffnung  und  Schliessung 
eines  elektrischen  Stromes  an  Chronoskopen  oder  an  der  Ausschlagsgrösse  und 
Schwingungsdauer  der  Magnetnadel  einer  Bussole  die  Zeitmomente  des  Abfeuerns 
und  Aufschlagens  der  Geschosse  erkennen  lässt.  Gänge. 

Dysblennia  (^j;,  widrig  und  £>ivvx,  Schleim)  heisst  die  Schleimkrankheit  der 
Blutegel,  s.  Bd.  II,  pag.  338. 

DySChrOmasie,  DySChrOmatOpSie  und  yjaip.*,  Farbe  und  wi,  Auge) 
=  Farbenblindheit  (s.  d.). 

Dysenterie  schiecht  und  £vt£cov,  Eingeweide)  oder  Ruhr  ist  eine  primäre, 
d.  h.  nicht  im  Gefolge  einer  anderen  Krankheit  entstandene  Diphtheritis  des 
Dickdarmes,  und  zwar  besonders  des  absteigenden  Grimmdarmes.  In  den  Tropen 
gehört  die  Ruhr,  besonders  während  der  Regenzeit,  zu  den  häufigsten  Erkran- 
kungen. In  unserer  Zone  stellen  sich  Ruhrepidemien  besonders  im  Spätsommer 
und  Herbst  ein ,  also  zur  Zeit  der  grössten  Temperatureontraste.  Auf  contagiöse 
Weise  verbreitet  sich  die  Ruhr  gewiss  nur  äusserst  selten.  Das  Auftreten  der 
Ruhr  in  enge  begrenzten  und  mit  verdorbener  Luft  erfüllton  Räumen,  so  in  Ge- 
fängnissen, Spitälern,  auf  Schiffen  und  in  Festungen,  lässt  auf  eiue  miasmatische 
Genese  schliessen.  Das  unbekannte  Gift  ist  in  den  Stuhleutleerungen  des  Ruhr- 
kranken enthalten.  Dysenterie  gehört  nächst  dem  Typhus  zu  den  gefahrvollsten 
Krankheiten  des  Krieges.  Sie  ist  schon  seit  den  ältesten  Zeiteu  bekaunt ;  ihr  Name 
rührt  von  Hutokrates  her. 

Dyskrasie  (&•;,-  und  yjjxn;,  Mischung),  fehlerhafte  Mischung  der  Körpersäfte, 
besonders  des  Blutes.  In  früherer  Zeit  wurden  viele  acute  und  die  meisten 
chronischen  Krankheiten  auf  solche  fehlerhafte  Säftemischungen  bezogen.  Mau 
unterschied  eine  rheumatische,  arthritische,  haemorrhoidale,  menstruale,  abdominale, 
herpetische,  psorisebe  u.  n.  a.  Arten  der  Dyskrasie.  Pneumonie  (Lungenentzündung) 
wurde  für  eine  Fibriukrase  des  Blutes  gehalten;  das  Blut  sollte  nach  dieser  Er- 
klärung sein  überschüssiges  Fibrin  in  der  Lunge  ausscheiden.  Von  anomalen  Blut- 
bostandtheilen  war  es  besonders  die  Blutschärfe  (Acrimonia  sanguinis) .  die 
viele  innere  und  äussere  Krankheiten  verschulden  sollte.  Eine  Ablagerung  der 
Blutsehärfe  nach  aussen  sollte  die  Krätze,  eine  solche  nach  innen  den  Bandwurm 


Digitized  by  Google 


570 


DYSKRASIE.  —  DYSURIE. 


zur  Folge  haben!  Der  wissenschaftlichen  Forschung  ist  es  bereits  gelungen,  die 
Entstehung  vieler  Krankheiten  auf  ihre  wahren  Krankheitserreger  zurückzuführen ; 
mit  jeder  solchen  Entdeckung  verengt  sich  das  Gebiet  der  nebelhaften  Dyskrasieo. 
Gegenwärtig  gebraucht  man  das  Wort  nur  in  dem  Sinne  von  Blutanomalie.  Für 
jene  Veränderung  des  Blutes ,  welche  secundär  in  Folge  lange  dauernder  Krank- 
heitsprocesse  auftritt,  ist  der  Ausdruck  Cachexie  passend. 

Dy8Ü8in,  C34H360.,  ist  ein  Spaltungsproduct  der  Cholsäure,  aus  welcher  es 
nach  mehreren  Methoden  gewonnen  wird,  und  in  welche  es  durch  anderweitige 
Operationen  wieder  zurückgeführt  werden  kann.  Man  erhält  es  am  besten  durch 
Kochen  von  Cholsäure,  C94H10OB,  mit  Salzsäure,  wodurch  3  Moleküle  Wasser  ab- 
gespalten werden.  Es  stellt  einen  in  Alkohol ,  Wasser  und  Alkalien  unlöslichen, 
in  Aether  wenig  löslichen  neutralen  harzartigen  pulverigen  Körper  dar,  welcher 
die  Gallenrcaction  gibt  und  beim  Kochen  mit  alkoholischem  Kali  wieder  in  Cholsäure 
übergeht.  Ganswindt. 

Dy8H16n0rrh06  (ou;,  aiqv,  Monat  und  j&o,  fliesse).  Bei  gesunden  Frauen 
geht  die  Menstruation  mit  geringer  Aenderung  des  Allgemeinbefindens  vor  sich; 
aber  auch  normaler  Weise  kommen  öfter  grössere  Beschwerden  vor;  man  nennt 
sie  Molimina.  Dysmenorrhoe  oder  Menstrualkolik  bezeichnet  den  Ablauf  der 
Katamenien  unter  erheblichen,  das  physiologische  Maass  überschreitenden  Beschwer- 
den. Als  Ursache  der  Dysmenorrhoe  werden  einerseits  Congestionszustände  in  den 
inneren  Geschlechtsorganen,  anderseits  erschwerter  Abfluss  des  Menstrualblutes 
angegeben,  doch  kommen  auch  rein  nervöse  Formen  vor.  Die  Beschwerden 
schwinden  häufig,  aber  nicht  immer  mit  dem  Eintritte  des  Blutflusses. 

* 

Dyspepsie  (~i7rtto,  ich  verdaue)  im  engeren  Sinne  bezeichnet  krankhafte 
Erscheinungen,  welche  auf  Abnormitäten  in  der  Magenverdauung  zurückzuführen 
sind.  Mehr  allgemein  bezeichnet  man  damit  eine  Reihe  von  Störungen,  welche 
auf  Anomalien  der  secernirenden ,  resorbirenden  und  musculösen  Apparate  des 
gesammten  Verdau uugstraetus  oder  auf  abnorme  Reaction  des  Nervensystems  beim 
Verdauungsacte  beruhen.  Letztere  Art  ist  die  sogenannte  nervöse  Dyspepsie.  Auch 
Allgemeinerkrankungen ,  sowie  Erkrankungen  entfernter  Organe  (Hemikranie, 
Uterinleideu)  geben  Veranlassung  zum  Entstehen  von  Dyspepsie. 

* 

Dysphagie  («pxyeiv,  essen).  Damit  bezeichnet  man  die  Störungen,  welche  der 
Act  der  Nahrungsaufnahme  vom  Eintritte  der  Speisen  in  den  Mund  bis  zu  ihrer 
Passage  durch  die  Cardia  (das  Magenende  der  Speiseröhre)  begleiten.  Erkrankungen 
des  Mundes ,  der  Zunge ,  des  Rachens ,  der  Speiseröhre  und  ihrer  benachbarten 
Organe  können  Dysphagie  hervorrufen:  1.  durch  Schmerzen,  welche  die  mit  dem 
Schlingact  verbundenen  Bewegungen  begleiten,  2.  durch  Lähmungen  oder  Krämpfe 
der  betheiligten  Mnsculatur  (z.  B.  in  der  Tollwuth),  3.  durch  mechanische 
Hindernisse. 

Dysphasie  (^tjjm,  ich  spreche)  Sprachstörung  durch  den  Verlust  der  den  Vor- 
stellungen entsprechenden  Wortzeichen.  —  S.  auch  Aphasie,  Bd.  I,  pag.  459. 

Dysphonie  («ptovfy  Stimme),  Erschwerung  der  Phonation,  Stimmstömng.  — 
S.  auch  Aphonie,  Bd.  I,  pag.  459. 

Dysphonie  ^ossiv,  tragen),  Uebelbefinden,  namentlich  subjectives  Krankheits- 
gefühl, Unbehagen;  der  Gegensatz  von  Euphorie. 

Dysurie  (oOisw,  harnen),  Harnzwang  oder  erschwerte  und  schmerzhafte 
Entleerung  des  Harnes  stellt  ein  Symptom  vor,  welches  bei  den  verschieden* 
artigsten  Krkrankungen  des  Harnapparates  vorkommen  kann.  Die  häufigsten  und 
schwersten  Fälle  trifft  man  bei  Erkrankungen  der  Vorsteherdrüse  (Prostata)  und 
des  Blasenhalses. 


Digitized  by  Googl 


DYSPLASTICA.  —  DZONDI'.SCHER  SALMIAKGEIST. 


571 


Dysplastica  und  «t^ättw,  bilden) ,  Synonym  für  Antiplastica  (Bd.  I, 
pag.  440).  Tb.  Husemano. 

Dyspnoe  (rvtco,  athmen),  Schwerathmigkeit,  ist  unwillkürlich  verstärkte 
oder  erschwerte  Athmungsthätigkeit.  Das  Athmungscentrum  im  verlängerten 
Marke  wird  durch  die  Venosität  des  durchströmenden  Blutes ,  d.  h.  durch  dessen 
Kohlensäurereichthum  und  Sauerstoffmangel  veranlasst,  die  normalen  periodischen 
Athembewegnngen  auszulösen.  Ist  das  die  Medulla  durchströmende  Blut  sehr 
reich  an  Sauerstoff  oder  sehr  arm  an  Kohlensäure,  dann  wird  keine  Atheiu- 
bewegung  ausgelöst;  es  entsteht  Apnoe  (Bd.  I,  pag.  461).  Im  entgegengesetzten 
Falle,  d.  i.,  wenn  der  Kohlensäurereichthum  oder  der  Sauerstoffmangel  die  Norm 
überschreitet,  entsteht  DyspnoÖ.  Einen  abnorm  hohen  Grad  von  Venosität  kann 
das  Blut  erlangen,  wenn  1.  die  Luft  sehr  verdünnt  ist  und  in  Folge  dessen  die 
Inspirationsluft  zu  wenig  Sauerstoff  enthält;  2.  die  Luft  durch  Hindernisse  im 
Kehlkopf  oder  in  der  Luftröhre  behindert  ist  in  genügender  Menge  in  die  Lungen- 
bläschen einzutreten ,  oder  3.  in  einem  grösseren  Antheile  der  Lunge  die  Alveolen 
keine  Luft  aufnehmen  können. 

Dzondi'sche  Pillen,  einst  berühmt  zur  Behandlung  der  Syphilis,  aber  ganz 
irrationell  und  in  der  ursprünglichen  Verordnung  sogar  gefährlich,  bestanden  aus 
0.3  Hydrarg.  bichlor.  corros.  in  etwas  Wasser  gelöst  und  mit  gleichen  Theilen 
Mica  panis  und  Saccharum  zu  100  Pillen  verarbeitet.  Mit  4  Pillen  beginnend 
stieg  man  bis  zum  27.  Tage  auf  30  Pillen  pro  die,  demnach  auf  0.1  Sublimat  (!). 

DzOndi'SCher  Salmiakgeist  =  Liquor  Ammonü  caustici  spirituosus. 


Digitized  by  Google 


E. 


Eft8ton  S  Syrup  ist  eine  amerikanische  Specialität,  wird  aber  auch  in 
Deutschland  manchmal  verlangt ;  die  Composition  de»  Syrups  ist  eine  echt  amerika- 
nische;  er  enthält  pyrophosphorsaures  Eisen,  Chinin  und  Strychnin.  Zur  ex  tem- 
pore-Darstellung  desselben  gibt  Hager  folgende  Vorschrift:  1.5g  Chinin,  purum. 
0.05g  Strychnin.  purum,  6.0g  Acid.  phosphor.  und  10. Og  Syrup.  Sacchari 
werden  warm  gelöst,  beziehungsweise  gemischt  und  dann  noch  85.0  g  Syrup.  Fern 
pyrophosphorici  hinzugegeben.  —  Nach  „Pharm.  Zeitg.u  ist  er  eine  Mischung 
aus  24  Gran  Chinin,  sulfur.,  in  1  Drachme  Acid.  phosphor.  gelöst,  2  Unzen  einer 
wässerigen  Losung  von  Ferrum  pyraphoxphoricum  (1  :  ö),  6  Unzen  Syrup.  Aurantii 
ffor.  und  so  viel  Syrup.  simpler,  dass  das  Ganze  1  Pint  betragt. 

E<!U  (franz.),  Wasser.  Das  Wort  „Eau"  wird  im  Französischen,  wie  das  Wort 
„Wasser"  im  Deutschen,  zur  Bezeichnung  von  Flüssigkeiten  ziemlich  verschiedener 
Art  gebraucht.  Die  neue  Ph.  Franc,  theilt  die  Kaux  medicinales  ein  in  die  destil- 
lirten  und  aromatischen  Wässer  (Eau  de  fleurs  d'oranges,  Eau  de  niatieo,  Eau  de 
rose  etc.)  und  in  die  einfachen  (Eau  de  chaux,  Eau  de  gondron)  uud  zusammen- 
gesetzten (  Eau  phagedenique.  Eau  sedative)  wasserigen  Lösungen.  Dorvault  unter- 
scheidet :  a)  Eaux  diverses ,  in  welche  Gruppe  alle  einfachen  und  zusammen- 
gesetzten wasserigen  Lösungen  (Beispiele  wie  vorher),  aber  auch  viele  s  p  i  r  i  t  u  ö  s  e 
Mischungen  und  Auszüge,  z.  B.  die  Eaux  dentifrices,  fallen ;  b)  Eaux  distillces  ou 
Hydrolats,  das  sind  die  destillirten  aromatischen  Wässer;  c)  Eaux  minerales, 
Mineralwässer  (natürliche  und  künstliche).  Das,  was  in  Deutschland  und  Oester- 
reich als  „Eau"  bezeichnet  und  meist  in  der  Form  von  Specialitäten  vertrieben 
wird,  sind  hauptsächlich  spirituöse  Parfüms  (Eau  de  Cologne,  Eau  de  Lissabon, 
Eau  de  Marcchal ,  Eau  royal ,  Eau  de  Serail  etc.  etc.),  c osmotische  Wasch- 
wässer, Zahnwässer  oder  Zahntincturen,  Haarfärbemittel  und  nur 
in  wenigen  Fällen  wässerige  Lösungen  oder  Mischungen  (Eau  deJavelle,  Eau 
de  Raspail). 

Es  liegt  nicht  im  Zwecke  der  Encyclopädie,  alle  diese  Eaux  hier  aufzuführen, 
jedoch  sind  viele  der  COSmetischen  Wasch  Wässer  unter  Aqua  cosmetica  und 
der  Zahn  Wässer  unter  Aqua  dentifrieia  bereits  zusammengestellt  worden  und 
finden  überdies,  ebenso  wie  die  Haarfärbemittel  uud  Parfüms,  soweit  es  nöthig 
erscheint,  unter  dem  Namen  des  Erfinders  oder  Fabrikanten  Erwähnung.  —  Eau 
de  Botot.  s.  Aqua  dentifrieia.  —  Eau  des  Carmes  (Karmelitergeist)  = 
Spiritus  Melissae  compos.   —  Eau  de  Cologne,  s.  Aqua  Coloniensis.  — 

Eau  de  Javelle  und  Eau  de  Labaraque  =  Liquor  Natri  hypochlorosi.  —  Eau  de 

Lavande  =  Spiritus  Lavandulae  compos.  —  Eau  de  Ouinine  (Chininhaarwasser) : 

1  Th.  Chininsulfat,  30  Th.  Glycerin,  60  Th.  Eau  de  Cologne,  60  Th.  Bay-Rum 


Digitized  by  O 


EAU. 


—  EBERHARD SCHES  PULVER. 


573 


und  300  Th.  Rosentoasser ;  oder:  1  a  Th.  Chininsulfat,  3  Th.  Ferubaleam,  10  Th. 
Oleum  Ricini,  100  Th.  Jamaica-Rum,  50  Th.  Rosenicaager ,  10  Th.  Eau  de 
Üologne.  —  Eau  de  Rabel  ist  mit  Flor.  Rhoeados  roth  gefärbte  Mixtura  sulfurica 
aeida  (Liquor  acidus  Halleri  Ph.  Austr.).  —  Eau  de  Raspail,  s.  Aqua  Sedativa. 

G.  Hofmann. 

EaUX-bOnneS.  Departement  Basses-Pyrenees  in  Frankreich,  hat  zwei  Quellen, 
die  Source  d'Ortech  und  dieSource  vieille  von  22°,  respective  32°, 
welche  sehr  arm  an  festen  Bestandteilen  sind.  Unter  diesen  ist  nächst  NaCl 
0.293,  respective  0.277,  Na  HS  0.015  (in  beiden  gleichviel)  bemerkenswerth.  Ver- 
sandt wird  das  Wasser  der  Source  vieille. 

EaUX-ChaudeS,  Departement  Basses-Pyrenees  in  Frankreich,  hat  drei  warme 
Schwefelquellen  (25.5°,  31.5°,  36.25°).  Die  Summe  der  fixen  Bestandteile,  unter 
denen  etwas  Na  HS  am  wichtigsten  ist,  ist  äusserst  gering. 

Ebani-Gummi,  ein  angeblicher  Ersatz  für  Gummi  arabicum,  ist  Dextrin. 

Ebenaceae,  Familie  der  Dt  ospyrinae.  Bäume  und  Sträucher  mit  meist  sehr 
hartem,  in  den  älteren  Partien  dunkel  gefärbtem  Holz.  Charakter:  Blätter  ganz- 
randig,  meist  lederartig.  Blüthen  diöcisch  oder  zwitterig.  Kelch  3 — 6theilig.  Krone 
mit  3— 6theiligem  Saum.  Staubgefässe  3—12  oder  mehrere.  Fruchtknoten  niehr- 
iächerig.  Frucht  eine  saftige  oder  auch  trockene  Beere.  Sydow. 

Ebenholz,  Ebony,  Blackwood,  Bois  d'ebene,  ist  der  Sammelname 
für  schwere,  harte,  dunkelbraun  bis  schwarz  gefärbte  Hölzer  verschiedener  Ab- 
stammung, zumeist  jedoch  von  Ebenaceen.  —  Vgl.  D  i  o  s  p  y  r  o  s. 

Viele  in  den  Tropen  heimische  oder  durch  Cultur  verbreitete  Diospyros-  und 
einige  Maba-Arten  liefern  in  ihrem  Kernholz  das  meiste  und  wohl  auch  das  ge- 
schätzteste Ebenholz,  dazu  kommen  noch  einige  Leguminosen-Höteer  (Acacia 
Melanoxylon  R.  Br.,  Brya  Ebenus  ])C,  Dalbergia  melanoxylon  llxb.,  ü.  latifolia 
Rxb.)  u.  A.,  deren  Abstammung  bisher  nicht  sichergestellt  werden  konnte.  Im 
Handel  unterscheidet  man  die  Ebenhölzer  nach  ihrer  Herkunft  als  Ceylon-,  Siara-, 
Coromandel-,  Macassar-,  Mauritius-,  Zanzibar-Ebenholz  u.  A.  m. 

Das  echte,  von  Ebenaceen  stammende  Ebenholz  ist  mikroskopisch  eharakterisirt 
durch  die  unregelmässig  und  sparsam  vertheilten,  oft  zu  zweien  oder  dreien  radial 
aneinander  gereihten,  von  wenig  Parenchym  umsäumten  Gefässe,  durch  schmale, 
meist  nur  einzellige  Querreihen  von  Parenchym  und  durch  ein-  oder  zweireihige 
Markstrahlen.  Alle  Zellmembranen  sind  gelblich-braun  gefärbt,  die  Lumina  meist 
erfüllt  von  einer  dunkleren  klumpigen  Masse.  Die  Markstrahlen  oder  Pareuchym- 
zellen  führen  grosse  Krystalle  aus  Kalkoxalat,  welche  an  Spaltflächen  schon  mit 
freiem  Auge  als  glitzernde  Pünktchen  zu  erkennen  sind.  Der  dunkle  Inhaltskörper 
entsteht  nach  Molisch  (Stzb.  d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  1879)  aus  Gummi  und 
enthält  Humussäure  und  Humuskohle. 

Das  von  Leguminosen  stammende  Holz  ist  von  breiteren  Parenchymlagen  durch- 
setzt und  erscheint  darum  auf  Querschnitten  quer  gestrichelt. 

Als  grünes,  gelbes  oder  braunes  Ebenholz  bezeichnet  man  das 
„Greenheart"  von  Bignonia  Leucoxylon  L.  auf  den  Antillen,  sowie  man 
Oberhaupt  im  weiteren  Sinue  harte  und  schwere  Hölzer  ohne  Rücksicht  auf  ihre 
Farbe  Ebenholz  zu  nennen  pflegt.  j.  Moeller. 

Eber'8  Emplastrum  jodatum.    Jodi  und  Kaln  jodati  ana  0.5— 1.0  g, 
Emplastri  saponati  50  g  l.  a.  zu  mischen. 

Eberesche  ist  Sorbus  Aucuparia  L.  —  Eberraute  oder  Eberreiskraut  ist 

Abrotanum.  —  Eberwurz  ist  Radix  Carlinae. 

Eberhard'SCheS  Plllver,  eine  in  vielen  Gegenden  Deutschlands  gebräuchliche 
Bezeichnung  für  Pulvis  Liquiritiae  compositus. 

Digitized  by  Google 


574 


EBOLI'S  REACTION.  -  EBULLIOSKOP. 


Fig.  93. 

1 


EbOÜ'S  Reaction  auf  Cantharidin  besteht  im  Erhitzen  des  Cantharidins  mit 
concentrirter  Schwefelsaure  unter  Zusatz  von  Kaliumchromat ,  wobei  unter  Auf- 
schäumen eine  prächtig  grüne  Färbung  auftritt,  die  nach  einigen  Stunden  trübe 
blattgrün  wird. 

Ebonit,  Hartgummi  oder  hornisirter  Kautschuk,  ist  eine  Modi- 
ßcation  des  vulcanisirten  Kautschuks.  Ks  zeichnet  sich  vornehmlich  durch  seine 
Härte ,  seine  schön  schwarze  Farbe  und  seinen  Glanz  aus  und  verdankt  diesen 
Eigenschaften  sein  ebenholzartiges  Aussehen.  Die  obigen  Eigenschaften  in  Verbindung 
mit  seiner  grossen  Elasticität  haben  ihn  zu  einem  viel  verwendeten  Material  ge- 
macht; so  zu  Schirmgriffen,  Knöpfen,  Stöcken,  Flöten,  Stethoskopen,  Tarirtellern, 
Trinkbechern,  Unterlegeplatten.  Die  Herstellung  ist  dieselbe  wie  die  des  vulcani- 
sirten Kautschuks.  —  S.  auch  Kautschuk.  Ganswindt. 

Ebstein'SCtte  Cur,  s.  Entfettungscuren. 

Ebullioskop.  Instrument,  mittelst  welchem  der  Alkoholgehalt  aus  dem  Siede- 
punkte entsprechender  Flüssigkeiten  bestimmt  werden  kann,  unter  Zugrundelegung 
der  Erfahrung,  dass  Mischungen  von  Alkohol  und  wässerigen  Flüssigkeiten  einen 
um  so  niedrigeren  Siedepunkt  zeigen,  je  mehr  Alkohol  vorhanden,  und  umgekehrt. 
Die  älteste  Form  des  Ebullioskopes  ist  die  von  Bro*5AED-Vidal  angegebene.  Dieses 
Instrument  bestand  aus  einem  heizbaren,  zur  Aufnahme  der  alkoholhaltigen  Flüssigkeit 
bestimmten  Kesselchen  und 
einem  zum  Eintauchen  in 
die  siedende  Flüssigkeit  be- 
stimmten, oben  offenen  Ther- 
mometer mit  weitem  Lumen. 
Ueber  der  Oeffnung  des  Ther- 
mometers war  im  Centrum 
einer  feststehenden  Kreis- 
scheibe eine  mit  Zeiger  ver- 
sehene ,  leicht  bewegliche 
Rolle  angebracht,  um  welche 
ein  feines  Fädchen  geführt 
war,  welches  auf  der  einen 
Seite  mit  einem  auf  dem 
Quecksilber  des  Thermo- 
meters befindlichen  Schwim- 
merchen, auf  der  andereu 
Seite  mit  einem  entsprechen- 
den Gegengewicht  belastet 
war.  Beim  Steigen  des 
Quecksilbers  wurde  der 
Schwimmer  mit  emporge- 
hoben und  in  Folge  dessen 
eine  Drohung  der  Rolle,  resp. 
des  mit  dieser  verbundenen 
Zeigers  bewirkt.  Aus  der 
so  an  der  Kreistheiluug  er- 
mittelten Zahl  wurde  mit 
Hilfe  ausgerechneter  Tabel- 
len der  Alkoholgehalt  fest- 
gestellt. Die  so  ermittelten  Resultate  konnten  nicht  genau  sein,  weil  eine  schnelle 
gleichmäßige  Erwärmung  der  ganzen  Flüssigkeit  fehlte,  weil  während  der  mangelhaften 
Erwärmung  ein  Theil  des  Alkohols  verdampfte  und  dadurch  eine  Erhöhung  des 
Siedepunktes  bewirkt  werden  musste.  die  der  ursprünglichen  Flüssigkeit  nicht  mehr 


Digitized  by  Google 


EBULLIOSKOP.  — 


EBÜLUS. 


575 


entsprechend  war  und  weil  schliesslich  auf  den  Einfluss  des  jeweilig  herrschenden 
Luftdruckes  keine  Röcksicht  genommen  war.  Es  wurden  deshalb  mehrfache  Ver- 
besserungen an  diesem  Instrument  vorgenommen ,  von  welchen  eine  wesentliche 
die  8chwester  des  vorgenannten  Erfinders  in  Vorschlag  brachte.  Der  mit  hölzernem 
Griff  versehene  kupferne  Kessel  des  verbesserten  Instrumentes  hat  eine  mehr 
längliche  Form ,  oben  cylindrisch ,  mit  breiterem  nach  innen  vertieftem  Boden 
und  wird  in  einem  blechernen  Ofen  mittelst  einer  Spiritusflaroine  erhitzt.  Der 
Kessel  ist  mit  einem  Deckel  verschlossen,  in  welchem  zwei  Oeffnungen  vorhanden 
sind,  eine  für  das  Thermometer,  die  andere  für  ein  längeres  Rohr,  mittelst 
welchem  die  Communication  mit  der  äusseren  Luft  hergestellt  wird.  Das  Thermo- 
meter taucht  mit  seiner  Kugel  tief  in  die  Flüssigkeit  ein ,  während  die  Röhre 
desselben  bald  nach  ihrem  Austritt  aus  dem  Apparat  rechtwinklig  umgebogen 
und  an  einer  Messingplatte  befestigt  ist.  Mit  der  Messingplatte  ist  ferner  ein 
verschiebbares  Lineal  verbunden,  auf  welches  sowohl  die  Thermoraeterscala ,  als 
wie  auch  die  dieser  entsprechenden  Alkoholprocente  angegeben  sind.  Diese  regu- 
lirbare  Scala  ist  eine  spätere  Verbesserung  von  Coxaty  und  hat  den  Zweck,  die 
Resultate  von  den  Schwankungen  des  Luftdruckes  unabhängig  zu  machen,  insofern 
der  Nullpunkt  (Kochpunkt)  jedesmal  in  einem  Vorversuche  durch  Kochen  von 
destillirtem  Wasser  ermittelt  und  die  Scala  dementsprechend  eingestellt  wird. 
Die  Commnnicationsröhre  ist  später  von  Jaquelin  mit  einem  Mantel  umgeben 
worden,  behufs  Zuführung  von  Kühlwasser  und  Verdichtung  entweichender  Alkohol- 
dämpfe. 

Im  Princip  ebenso,  aber  von  etwas  abweichender  Form,  sind  die  von  Tabarie, 
Üre  und  Pohle  construirten  Apparate.  Die  weitaus  grösste  Verbreitung  dürfte  das 
Ebnllioskop  von  M  allig  axd  (Fig.  t)3)  gefunden  haben,  welches  vielfach  in  chemischen 
Laboratorien,  mehr  aber  noch  in  technischen  Betriebsanstalten  anzutreffen  ist  und 
nach  Angaben  berufener  Sachverständiger  durchaus  zuverlässige  Resultate  ge- 
währen soll. 

Das  MALLioAND'sche  Instrument  'besteht  aus  einem  conischen  Kessel ,  welcher 
mit  einem  ringförmigen  Siederohr  versehen  ist,  im  üebrigen  die  Aptirung  des  ver- 
besserten ViDAL'schen  Ebullioskopos  trägt.  Das  Siederohr  bildet  keinen  wirklichen 
Ring,  sondern  nur  den  grösseren  Theil  eines  solchen  und  ist  mit  seinen  beiden 
offenen,  sich  diametral  gegenüberstehenden  Enden  dem  Kessel  eingefügt,  während 
der  mittlere  Theil  des  Rohres  durch  einen  Schornstein  geführt  ist  und  in  diesem 
mittelst  einer  passenden  Flamme  erhitzt  wird.  Diese  Einrichtung  bewirkt  eine 
schnelle  und  gleichmässige  Durchwärmung  der  Flüssigkeit,  während  im  Kühlrohr 
die  Condensirung  entweichender  Dämpfe  stattfindet  und  durch  die  Anwendung  des 
Thermometers  mit  verschiebbarer  Scala  die  Beeinflussung  des  Siedepunktes  durch 
den  jeweilig  herrschenden  Luftdruck  pnralysirt  wird.  —  Die  Anwendung  des 
Ebullioskops  geschieht  bei  der  Prüfung  alkoholhaltiger  Flüssigkeiten,  wie  Wein, 
Bier,  Liqueure.  Die  Flüssigkeiten  dürfen  nicht  mehr  als  25  Procent  Alkohol  ent- 
halten ,  andernfalls  müssen  sie  soweit  verdünnt  werden ,  wenn  richtige  Resultate 
erhalten  werden  sollen.  Flüssigkeiten,  in  denen  Gase  gelöst  oder  suspendirt  sind, 
z.  B.  kohlensäurehaltiges  Bier,  Champagner,  können  nicht  mit  dem  Ebullioskop 
untersucht  werden,  es  sei  denn,  dass  die  Gase  durch  geeignete  Mittel,  z.  B.  durch 
Sättigung  mit  Kalkhydrat,  beseitigt  worden  wären.  Dagegen  beeinträchtigen 
organische  Körper,  wie  Weinsäure,  Zucker  u.  s.  w.,  die  Richtigkeit  der  Resultate 
nicht.  Die  Differenz  zwischen  den  durch  die  Destillationsmethode  und  der  mittels 
des  Ebullioskopes  gefundenen  Zahlen  beträgt  durchschnittlieh  0.1  Procent;  indessen 
sind  auch  Differenzen  von  0.3 — 0.6  Procent  beobachtet  worden.  Eisner. 

EblilUS  ist  eine  von  Spach  aufgestellte  Caj>rt'foltaceen-G*ttim&  synonym  mit 
Samhucus  Tournff. 

Fructus  fßaccae),  Foh'n,  Flores,  Cortr.v  et  Radix  Ebuli  stammen  von  Snm- 
bneus  Ebidns  L.,   einer  von  dem  gemeinen  Hol  hin  der  (8.  nigra  L.)  an  den 


Digitized  by  Google 


576  EBULUS.  —  ECBOLIN. 

Nebenblättern  und  durch  dreizählig  verästigte,  übelriechenden  Trugdolden  leicht 
zu  unterscheidende  Art.  Früher  benützte  man  alle  die  genannten  Theile;  jetzt 
sind  sie  obsolet  bis  auf  den  aus  den  Beeren  bereiteten  lioob  Muli,  der  sogar 
von  der  Ph.  Helv.  noch  vorgeschrieben  ist.  Er  wirkt  purgirend,  in  grossen 
Mengen  giftig. 

Eblir  UStUITI,  gebranntes  Elfenbein,  ist  eine  Bezeichnung  für  Knochen- 
kohle überhaupt,  ohne  Rücksicht  auf  das  Rohmaterial.  —  S.  Carbo  ossium, 
Bd.  II,  pag.  543. 

Eburin,  eine  Nachahmung  des  Elfenbeins  aus  Cellulose,  Holzmehl  und  Eiweiss. 

Ecbalin  ist  eine  von  Walz  in  EcbaHum  ofßcinale  Nees  neben  dem  Haupt- 
bestandteil Elaterin  aufgefundener  Körper.  Das  Ecbalin  (auch  Elaterinsäure  genannt) 
bildet  nach  Walz  ein  gelbes,  weiches  Harz  von  stark  bitterem  und  kratzendem 
Geschmack :  es  löst  sich  in  etwa  20  Th.  Wasser,  leichter  in  Alkohol  und  Aether, 
auch  in  wässerigen  Alkalien.  Ob  das  Ecbalin  als  solches  in  der  Pflanze  sich  vor- 
findet oder  ob  es  als  Spaltungeproduct  des  Elaterins  bei  der  Gewinnung  desselben 
sich  erst  bildet,  ist  bis  heute  noch  nicht  erwiesen.  Auch  die  angegebene  Formel 
C2o  Hst  04  wird  noeh  der  Bestätigung  bedürfen.  Ganswind t. 

EcbalHum  Oder  EcbaÜUm,  Gattung  der  Cucurbitaceae,  (JnterfamUie  Cucu- 
merinae,  mit  einer  einzigen  Art: 

Erb  all  i  um  Elat  e  rium  Rieh.  (E.  agreste  Rchb. ,  E.  ofßcinale  Xee*, 
Momordica  Elaterium  L.),  Spritz-  oder  Eselsgurke.  Sie  besitzt  eine  dicke 
Wurzel,  fleischige ,  rankeulose  Stengel ,  grosse,  langstielige,  zottig-weichstachelige 
Blätter  und  gelbe,  einhäusige  Blüthen,  die  (5  in  Trauben ,  die  9  einzeln  in  den 
Blattachscin.  Die  ellipsoidiacben  Beerenfrüchte  dienen  zur  Bereitung  des  Ela- 
terium. 

Ecbolica  (u  ßatAAto,  hinauswerfen,  verwerfen,  davon  ZA^okr^  Abortus)  synonym 
mit  Abortiva  (Bd.  I,  pag.  27).  Richtiger  würde  Ecbolia  sein  (nach  dem  griechi- 
schen Adjectivum  fccäöXio;,  fruchtabtreibend).  Die  Geburtshelfer  gebrauchen  die 
Bezeichnung  Ecbolica  häufig  auch,  jedoch  unrichtig,  als  gleichbedeutend  mit  weben- 
treibenden Mitteln  (Odijnegoga).  Th.  Husemann. 

Ecbolin  Und  ErgOtin  sind  nicht  gut  einzeln  zu  besprechen,  da  sie  zum  Theil 
gleiches  Verhalten  zeigen  und  aus  der  gleichen  Pflanze  stammen,  nämlich  aus  dem 
Mutterkorn.  Es  sind  Bezeichnungen  für  zwei  Alkaloide.  Der  Name  Ergotin  ist 
aber  ausserdem  durch  Boxjean  als  Synonym  aufgebracht  worden  für  das  Extr. 
Secalis  cornuti  aquosum,  in  welcher  Beziehung  man  unter  diesem  Stichwort  ver- 
gleichen möge. 

Dass  man  aus  dein  Mutterkorn  ausser  Leucin  und  dem  nach  Briegeb  (1887) 
aus  Zersetzung  des  Cholin  entstehenden  Trimethylamin  noch  andere  basische  Körper 
von  Alkaloidcbarafctcr  darstellen  könne ,  zeigte  1 864  W.  T.  Wexzell  *)  in  La 
Crosse  in  Wisconsin.  Er  fand  nämlich,  dass  concentrirte  wässerige  Mutterkorn- 
anszüge noch  nach  dem  Ausfällen  mit  neutralem  Bleiacetat  Alkaloidreactionen 
gebeu.  Wie  ich-')  1884  gezeigt  habe,  ist  damit  die  Anwesenheit  von  Alkaloiden 
aber  noch  keineswegs  erwiesen ,  indem  das  mit  neutralem  Bleiacetat  ausgefällte 
Mutterkornextract  ja  noch  die  Ergotinsäure  enthält,  welche  nicht  einmal  durch  Blei- 
essigfällung, sondern  nur  durch  ammoniakalische  Bleiessigfällung  abgetrennt  werden 
kann.  Diese  Säure  gibt  aber  noch  bei  lOOOOfacher  Verdünnung  mit  Phosphor- 
wolframsäure einen  voluminösen  Niederschlag. 

Wexzell  fällte  das  mit  neutralem  Bleiacetat  gereinigte  Mutterkornextract  erst 
mit  Sublimat  und  das  Filtrat  davon  mit  Phosphormolybdänsäure.  Die  Substanz 
aus  dem  Sublimatniederschlag  naunte  er  Ergotin  und  die  aus  dem  Phosphor- 
molybdnnniederschlag  Ecbolin.  Ob  diese  beiden  Substanzen  auf  die  Gebärmutter 
wirken,  stellte  er  nicht  fest. 


Digitized  by  Google 


ECBOLIN.  —  ECCHYMOSIS. 


577 


Wer  sieb  überzeugen  will,  wie  fehlerhaft  die«  Verfahren  ist,  der  falle  die  eine 
Hälfte  einer  Extractlßsung  mit  neutralem  Bleiacetat  und  die  andere  mit  ammonia- 
kalischem  ans ,  schaffe  Ammoniak  und  Blei  fort  und  stelle  nun  die  beiden  Basen 
aus  beiden  Hälften  dar.  Er  wird  sich  über  den  Unterschied  gewiss  wundern. 

Aber  auch  zugegeben,  man  hätte  die  Ergotinsäure  erst  völlig  beseitigt,  so  ist 
die  WENZELL  sche  Fallung  doch  fehlerhaft,  denn  weder  das  eine,  noch  das  andere 
seiner  Fallungsmittel  füllt  eines  der  vorhandenen  Alkaloide  vollkommen.  Wenzell 
hatte  gut  gethan,  bei  der  Sublimatfällung  etwas  Barytwasser  zuzusetzen,  wodurch 
die  Fällung  reichlicher  wird.  Man  erhält  dann  in  dem  von  Baryt  und  Quecksilber 
befreiten  Filtrate  meist  keine  Fällung  mehr  mit  Phosphormolybdänsäure. 

Ueberhaupt  muss  man  trotz  Denzel's  neuen  Bemühungen  *),  das  Ecbolin  zu 
allgemeiner  Anerkennung  zu  bringen,  die  Begriffe  Ergotin  und  Ecbolin  für  Mutter- 
kornalkaloide  ganz  fallen  lassen  und  einfach  giftige  und  ungiftige  Mutterkorn- 
nlkaloide  unterscheiden.  Von  ersteren  siehe  das  Nähere  unter  Cor n utin  (Bd.  IH, 
pag.  301),  von  letzteren  unter  Ergo  tinin. 

Manassewitsch  *)  erhielt  bei  Fortsetzung  und  Verbesserung  der  WsNZELL'schen 
Versuche  durch  fractionirte  Sublimatfällung  vier  Niederschläge,  welche  alle  nach 
Beseitang  des  Hg  Basen  zu  enthalten  schienen,  d.  b.  sie  gaben  beim  Kochen  mit 
KOH  Trimethylaminreaction. 

Dieser  Beweis  ist  jedoch  keineswegs  stichhaltig.  Die  Existenz  des  Ecbolins 
konnte  Manassewitsch  nicht  bestätigen ;  ebensowenig  gelang  ihm  die  Darstellung 
des  WEXZELL'schen  Ergotins.  Ferner  gibt  auch  die  Ergotinsäure  beim  Behandeln 
mit  Kalilauge  basisebe  Zersetzungsproducte. 

Manassewitsch  stellte  dann  ein  eigenes  Ergotin  dar  und  fand  durch  Analyse 
dafür  die  Formel  C60  H52  Na  03.  Ueber  die  Wirkungen  dieser  Base  ist  nichts  bekannt. 

1869  wurden  Wbnzell's  Angaben  über  das  Ecbolin  von  Hermann  6)  bestätigt. 
Ein  Jahr  spater  hat  auch  Ganser  6)  sowohl  das  Ecbolin  als  das  Ergotin  dargestellt. 

1872  lieferte  Wenzell  7)  einen  Nachtrag,  in  welchem  er  die  Behauptung,  dass 
im  Mutterkorn  zwei  amorphe  Alkaloide  vorkommen,  aufrecht  erhält,  aber  zu  ihrer 
Darstellung  eine  neue  Methode  angibt. 

Die  nach  dieser  Methode  gewonnenen  Präparate  sind  den  ursprünglichen  ziem- 
lich ähnlich. 

Dragendorff  und  Podwvssotzki  sj  beseitigten  zunächst  durch  Fällung  alle 
Ergotinsäure  aus  den  wässerigen  Mutterkornauszügen  und  fällten  aus  den  Filtraten 
ein  Alkaloid,  Pikrosclerotin,  welches  sehr  giftig  war.  An  die  Existenz  eines  Ergotin 
und  Ecbolin  glauben  sie  nicht. 

Blumberg  »)  setzte  unter  Dragendorff  diese  Versuche  fort  und  stellte  eben- 
falls ein ,  vielleicht  mit  dem  vorigen  identisches  Alkaloid  dar.  Die  Menge  des 
gewonnenen  Pikrosclerotin  war  so  gering,  dass  seine  Giftigkeit  sich  eben  nur  an 
Fröschen  feststellen  Hess.  Welche  Organe  es  beeinflusst,  ist  unbekannt.  —  S.  auch 
Ergotinum  und  Extractum  Secalis  cornuti. 

')  Amerik.  Joum.  of  Pharm.  T.  XXXVI,  pag.  193.  übersetzt  in  Witt  st  eins  Viertel- 
jabrschr.  f.  prakt.  Pharmacie.  18G7,  VI.  pag.  387.  —  *)  Ueber  die  Bestandteile  und  Wir- 
kungen des  Mutterkorns.  Leipzig,  Vogel,  1684.  —  *)  Arch.  d.  Pharmacie.  1884,  III.  Beihe, 
Bd.  jgg,  Heft  2.  —  «)  Pharmac.  Zeitung  f.  Bmwland.  1867,  VI,  pag.  387.  —  »)  Arch.  d.  Phar- 
macie. Bd.  150,  II.  Reihe,  pag.  2ö6.  —  4)  Arch.  d.  Pharmacie.  1870,  Bd.  144,  II.  Reihe, 
pag.  195.  —  ')  Pharmac.  Vierteljahrschr.  Bd.  18.  pag.  481.  —  *)  Ein  Beitrag  zur  Kenntnias 
der  Mutterkornalkaloide.  Inaug.-Dissert.  Dorpat  1877.  —  ")  Arch.  f.  exp.  Pathologie  n.  Phar- 
makologie. 1877,  VI,  pag.  153.  Kobert. 

Eccard.  Tinctura  Eccardi,  eine  wobl  kaum  mehr  gebrauchte  Bezeichnung  der 
Tinctura  Opii  simplex. 

ECChymOSiS  (gc  und  /ujaoc,  Saft)  heisst  ein  umschriebener  Blutaustritt  unter 
die  Haut.  Für  die  gerichtliche  Medicin  sind  die  Ecchymosen  sehr  wichtig,  weil  sie 
bei  bestimmten  Verletzungen  am  Lebenden  und  an  der  Leiche  in  charakteristischer 
Form  auftreten. 


Real-Encyclopidie  der  gea.  Pharmacie.  m. 


37 


578 


ECCOPROTICA.  -  ECHINOCOCCUS. 


EcCOprOtiCa  (fat,  aus  und  xoiwo;,  Koth),  Bezeichnung  für  mildwirkende,  den 
Koth  ohne  auffällige  Reizung  des  Darmes  und  ohne  bedeutende  wässerige  Ab- 
sonderung herausbefördernde  Abführmittel  (vergl.  Bd.  I,  pag.  18).  Als  adjee- 
tivische  Benennung  dient  das  Wort  auch  zur  Unterscheidung  des  einfachen  Klystiers, 
Clysma  eccojyroticum,  vom  medicinischen  Klystiere.  Th.  Husemann. 

Ecgonin,  C„  H,6  NO,  +  H2  0,  ist  ein  Zersetzungsproduct  des  Cocains.  Erhitzt 
man  letzteres  mit  concentrirter  Salzsäure  im  Druckrohr  auf  100°,  so  zerlegt  es 
sich  in  Benzogsäure,  Methylalkohol  und  Ecgonin,  welches  nach  dem  Entfernen  des 
Methylalkohols  und  der  Benzoesäure  mittelst  Aether  als  salzsaures  Ecgonin  zurück- 
bleibt. Durch  Auswaschen  mit  absolutem  Alkohol,  Digeriren  des  Hydroehlorats 
mit  überschüssigem  Silberoxyd  ,  Filtration  und  wiederholtes  Umkrystallisiren  aus 
Alkohol  erhält  man  das  reine  Ecgonin  als  farblose ,  glasglänzende ,  monokline 
Prismen,  welche  bei  198°  unter  Bräunung  schmelzen,  sehr  leicht  in  Wasser,  minder 
leicht  in  absolutem  Alkohol  löslich,  in  Aether  unlöslich  sind  (s.  auch  den  Artikel 
Cocain).  Sein  Platindoppelsalz  ist  in  Wasser  leicht  löslich  und  krystallisirt  in 
langen,  Orangerothen,  spiessigen  Krystallen.  Ganswind t. 

Echicerin,  Cs0  H48  03,  ist  einer  der  verschiedenen  Bestandteile  der  Ditarinde 
von  Echites  scholan's  L.  Man  gewinnt  es  neben  Echikautschin  und  Echitin  durch 
Extraction  der  Ditarinde  mit  Ligroin  und  Verdampfen  des  Ligroins.  Kocht  man 
den  Rückstand  wiederholt  mit  Alkohol  aus,  bis  dieser  beim  Erkalten  keine  Kry- 
stalle  mehr  fallen  lässt,  so  bleibt  Echikautschin  ungelöst,  Echicerin  und  Echitin  gehen 
in  Lösung  und  krystallisiren  zusammen  aus.  Dem  Krystallgemisch  wird  durch  sehr 
wenig  Ligroin  hauptsächlich  Echicerin  entzogen ,  welches  durch  wiederholtes  Um- 
krystallisiren aus  Alkohol  gereinigt  wird.  Es  bildet  kleine  Nadeln,  welche  bei  157° 
schmelzen  und  äusserst  leicht  löslich  sind  in  Aether,  Ligroin,  Benzol,  Chloroform ; 
schwer  löslich  in  Alkohol.  Die  ätherische  Lösung  ist  rechtsdreheud.  Ganswindt 

Echidnin.  Ein  von  Bonapartk  aus  dem  Secret  der  Viper  isolirtcr  Körper  in  Form 
eines  glänzenden  durchsichtigen  Firnisses,  welcher,  mit  Kali  erhitzt,  Ammoniak  liefert. 

EchikautSChin,  C^HinOs.  Darstellung  s.  Echicerin.  Die  nach  dem  wieder- 
holten Auskochen  mit  Alkohol  zurückbleibende  Masse  wird  mit  kaltem  Ligroin 
gewaschen.  Es  bildet  dann  eine  zähe,  bernsteingelbe  Masse,  welche  unter  0°  spröde 
wird  und  in  Chloroform ,  Aether ,  Beuzol  und  Ligroin  leicht  löslich ,  in  heissem 
Alkohol  dagegen  fast  unlöslich  ist.  Ganswindt 

Echinococcus  ,  Hülsenwurm,  Igelkorn,  ist  ein  sogenannter  Blasen- 
wurm (s.  Bd.  II,  pag.  279),  eine  Ent- 
wickelungsform  im  Generationswechsel  des 
Bandwurmes ,  Taenia  Echinococcus  Sieb., 
welcher  im  Darme  des  Hundes,  Wolfes  und 
Schakals  lebt.  Die  Köpfe  sind  mikrosko- 
pisch klein,  aber  ausserordentlich  zahlreich 
und  sitzen  auf  der  inneren  Oberfläche  einer 
bis  manneskopfgrossen  Blase,  welche  milch- 
glasfarben,  geronneuem  Hflhnereiweiss  ähn- 
lich ist.  Diese  Echinococcusblase 
ist  manchesmal  einfach,  anderemalc  birgt 
sie  in  ihrem  Inneren  Tochterblasen,  und 
diese  können  wiederum  Enkel-  und  Urenkel- 
blasen enthalten.  Die  Echinococceuköpfchen  {JaSSSSTySSS  mach 
(Scolicen)  sitzen  mit  einem  dünnen  8tiele  v.  Jakaekx 

auf,  haben  ein  Rostellum  mit  doppeltem  Hakenkranz  und  vier 
Saugnäpfe.  Nur  selten  ereignet  es  sich,  dass  Eehinococcusblasen  frei 
von  Köpfen  sind,  sogenannter  steriler  Echinococcus.  Die  Echinococeeu- 
blasen  kommen  in  Wiederkäuern,  im  Schwein,  Zebra  und  im  Menschen 
vor ,  am  häufigsten  iu  der  Leber  und  in  der  Lunge ,  gelegentlich  aber  in  allen 

Digitized  by  Googl 


Fig.  H, 


Fig.  9b. 


Taenia  Ediinococcu*. 


ECHINOCOCCUS.  —  ECHITAMIN. 


579 


Fi*.  96. 


Fig.  97. 


Echiuoeoceeuköpfctaen,  den  Brutkapseln  ent- 
nommen. 

A  mit  vorgestülpter  Mittelrone  und  Stirn- 
fortsatz. "  Mittelzone  uud  Stirnfortsatz  in 
Hinterkopf  eingezogen.  ■  Stiel  des 
Köi 


Organen.  Sie  können  im  Menschen  oft  lange  bestehen  ohne  besonders  alarmirende 
Erscheinungen,  wo  sie  aber  die  Passage  von  Luft,  Blut  und  Ernährungsflüssigkeit 
verursachen  sie  bald  einen  tödtlichen  Ausgang.  Wenn  eine  in  einem 
Bauchorgane  befind- 
liche Echinococcus- 
blase  platzt ,  kann 
ihr  Inhalt  in  den 
freien  Bauchfellranm 
gelangen  uud  erzeugt 
dann  rasch  tödtende 

Bauchfellentzün- 
dung. Die  Erkran- 
kung an  Echinococ- 
cus tritt  am  häufig- 
sten in  Island  auf, 
aber  auch  auf  dem 
festen  Lande  Euro- 
pas ist  die  Krankheit  nicht  sehr  selten.  Um  die  Ansteckung 
mit  Echinococcus  zu  verhüten,  vernichte  man  die  Echino- 
m\ttkin^der0^^dung'''he^  coccusblasen,  welche  man  in  den  geschlachteten  Hausthieren 
griffenen^  Kör.frhen  (nach  findet,   damit  nicht  Hunde  dieselben  essen,  dadurch  den 

Bandwurm  acquiriren  und  die  Eier  des  letzteren  wieder 
auf  Menschen  übertragen  werden.  Eine  unmittelbare  Berührung  mit  Hunden  ver- 
meide man  überhaupt. 

Echinocystis.  eine  Cucurbitaceen-G&ttuag,  ausgezeichnet  durch  die  auf  dem 
Scheitel  mittelst  1 — 2  Poren  sich  öffnenden  Früchte. 

Ech  inocystis  fabacea  Naud.  (Megarrhiza  californica  Torrey) ,  ein 
hoch  auf  die  Bäume  rankendes  Kraut,  besitzt  eine  ausdauerndo,  knollig-spindel 
förmige  Wurzel,  welche  von  den  Eingeborenen  als  Abführmittel  gebraucht  wird. 
8ie  schmeckt  bitter  und  scharf,  riecht  fast  gar  nicht ,  soll  jedoch  frisch  widerlich 
riechen.  Nach  Heaxey  enthält  sie  ein  eigentümliches  krystallinisches  Harz, 
Megarrhizitin  und  den  Bitterstoff  Megarrhizin. 

EchinorhynchuS.  einzige  Gattung  der  Acanthocephali ,  einer  Ordnung  der 
Ascaridae,  charakterisirt  durch  einen  einstülpbaren,  mit  Haken  besetzten  Rüssel. 
Mund  und  Darm  fehlt,  Geschlechter  getrennt. 

E.  Oigas  Ooeze,  Q  bis  40  cm  lang  und  bis  6  mm  dick,  das  seltene  (5  nur 
25  cm  lang.  Lebt  im  Darme  des  Schweines,  wurde  aber  ausnahmsweise  auch  im 
Menschen  gefunden. 

EchinUS  ist  eine  von  Loureiro  aufgestellte,  mit  Rottlera 
EupkorbiaceenGattnng.  —  Die  Pilzgattung  Echinus  Hall. 
Hydnum  L. 

Echi retin,  c35  h86  o,,  findet  sich  in  der  Mutterlauge  von  der  Darstellung  des 


Willd.  synonyme 
ist  synonym  mit 


Echitelns ,  aus  welcher  es  sich  beim  Eindampfen  in  öligen  Tropfen  abscheidet, 
welche  schliesslich  zu  einer  weissen  amorphen  Masse  eintrocknen,  die  bei  52° 
schmilzt  und  sich  leicht  in  Aether,  Chloroform,  Ligroin,  kochendem  Aceton  und 
heissem  Alkohol  löst.  Rechtsdrehend.  Ganswindt 

Echitamin.  C2a  HS8  N,  04  +  4  Hs  0,  ist  das  eine  der  drei  Alkaloide  der  Dita- 
rinde.  Zur  Gewinnung  wird  die  Rinde  zunächst  mit  Ligroin  behandelt,  dann  mit 
Alkohol  ausgekocht,  die  alkoholische  Lösung  abdestillirt  und  mit  Natriumcarbouat 
übersättigt.  Diese  alkalische  Lösung  des  Ditarindenextractes  enthält  Ditamin, 
Echitamin  und  Echitenin.  Nun  wird  wiederholt  mit  Aether  behandelt:  Ditamin 
geht  in  Lösung;  Echitamin  und  Echitenin  bleiben  im  Rückstand.  Diese  versetzt 
mit  festem  Kali  und  schüttelt  dann  mit  Chloroform  aus ;  die  Chloroformlösung 

37* 

Digitized 


by  Google 


580 


ECHITAMIN.  —  ECHIÜM. 


wird  verdunstet  und  mit  wenig  concentrirter  Salzsäure  versetzt;  es  scheidet  sich 
salzsaures  Echitarain  aus,  während  salzsaures  Echitenin  in  Lösung  bleibt 
Ersteres  wird  aus  salzsäurehaltigem  Wasser  nmkrystallisirt  und  mit  concentrirter 
Kalilauge  zerlegt.  So  dargestellt  bildet  es  dicke,  glasglänzende  Prismen,  welche  im 
Exfdccator  1  Mol. ,  bei  80°  weitere  2  und  oei  105°  das  4.  Mol.  H,  0  verlieren. 
Echitamin  mit  4  Mol.  H2  0  ist  eine  sehr  starke  Base,  wird  durch  NHS  nicht 
gefällt,  treibt  solches  vielmehr  aus  seinen  Verbindungen  aus  (Unterschied  von 
Ditamin).  Es  ist  ziemlich  leicht  löslich  in  Wasser  und  Alkohol,  frisch  gefällt  auch 
in  Aether  und  Chloroform,  dagegen  unlöslich  in  Benzol.  Die  Lösungen  reagiren  stark 
alkalisch,  das  Anhydrid  hingegen  zeigt  keine  alkalische  Reaction.  Schmilzt  unter  Zer- 
Ketzung  bei  206°.  Ist  linksdrehend.  Concentrirte  Schwefelsäure  löst  es  purpurroth. 
Einige  Autoren  erklären  Echitamin  identisch  mit  Ditain.  Nach  Harnacx  scheint 
das  MERCK'sche  Ditain  nur  ein  Halbfabrikat  zu  sein,  aus  dem  das  krystallisirte 
Echitamin  mit  Vortheil  dargestellt  werden  kann.  Ganswindt. 

Echite'fn,  C4a  H70  O,.  Ein  Bestandteil  der  Ditarinde.  Findet  sich  in  der  alko- 
holischen Mutterlauge  von  der  Gewinnung  des  Echicerins  (s.  d.)  und  scheidet 
sich  theilweise  mit  diesem  zugleich  aus.  Man  löst  zum  Behufe  der  Trennung  die 
Krystalle  in  Aceton  und  lässt  ganz  langsam  abdunsten ;  zuerst  schiessen  Echicerin 
und  Echitin  in  Warzen  an,  dann  erst  das  E  c  h  i  t  e  I  n  in  leichten  Nadeln,  welche 
man  von  den  warzigen  Krystallen  durch  Schlämmen  scheidet  und  aus  Alkohol  um- 
krystallisirt.  Schmelzpunkt  195°.  Löslich  in  960  Th.  Alkohol  (SOprocentigem)  bei 
15°;  leicht  löslich  in  Aether  und  Chloroform,  schwer  in  Aceton  und  Ligroin. 
Rechtsdrehend,  indifferent.  Nach  Hesse  soll  das  Echiteln  mit  Lüdwig's  Antiaretin 
identisch  sein.  G  ans  wind  t, 

Echitenin,  C20  HJ7  N04,  findet  sich  neben  Ditamin  und  Echitamin  in  der  Dita- 
rinde; über  die  Darstellung  vergl.  Echitamin;  wenn  das  salzsaure  Echitamin 
beim  Versetzen  mit  HCl  ausfällt,  bleibt  das  salzsaure  Echitenin  in  Lösung.  Diese 
wird  mit  Kali  gesättigt  und  mit  Chloroform  ausgeschüttelt.  Das  Echitenin  bildet 
eine  braune  amorphe  Masse,  welche  bei  120°  schmilzt  und  sich  leicht  in  Alkohol, 
weniger  in  Wasser,  frisch  gefällt  in  Aether  und  Chloroform,  fast  nicht  in  Ligroin 
löst.  Es  reagirt  alkalisch;  seine  Salze  sind  amorph.  Ganswindt, 

EchiteS.  Gattung  der  nach  ihr  benannten  Unterfamilie  der  Apocynaceae, 
charakterisirt  durch  die  doppelten  Balgkapseln  mit  beschopften  Samen. 

Echites  scholar  t8  R.  Br.  (Alstoniu  scholan'sR.Br.),  ein  Baum  Hinter- 
indiens und  der  ostasiatischen  Inseln,  ist  die  Stammpflanze  der  Ditarinde  (s. 
Bd.  HI,  pag.  511). 

Echites  pubescens  Buchanan ,  ein  in  Ostindien  heimisches  Bäumchen, 
gilt  als  Mutterpflanze  der  Co nessi rinde  (s.  Bd.  III,  pag.  249),  die  jedoch  wahr- 
scheinlicher von  Wrightia  stammt. 

Echitin,  C33  H42  0,.  Ein  Bestandteil  der  Ditarinde.  Ueber  die  Gewinnung 
s.  d.  Artikel  Echicerin.  Nach  dem  Entziehen  des  Echicerins  aus  dem  Krystall- 
geinisch  mittelst  Benzol  nimmt  man  den  Rückstand  mit  siedendem  Alkohol  auf, 
ans  welchem  beim  Erkalten  das  Echitin  in  Blättchen  auskrystallisirt,  welche  bei 
170°  schmelzen,  sich  leicht  in  kochendem  Alkohol,  Chloroform,  viel  schwieriger  in 
Aether  und  Ligroin  lösen  (Unterschied  von  Echicerin) ;  in  kaltem  Alkohol  nur  sehr 
schwierig  löslich  (1  Th.  braucht  1430  Th.  80procentigen  Alkohol  bei  15°).  Rechts- 
drehend, indifferent.  Ganswindt. 

Echium,  eine  Asperifoliaceen -Gattung,  charakterisirt  durch  die  trichterig- 
glockige  Blumenkrone  mit  schief  fünflappigem  Saume  in  dem  röhrigen,  fflnftheiligen 
Kelch.  Die  Cnrolle  besitzt  keine  Deckschuppen,  die  Staubkölbchen  sind  frei,  oval. 
Vier  einfacherige  Nüsse. 

Echium  vulgare  L.,  Natterkopf,  Ochsenzunge,  ist  ein  ©,  steif- 
haariges  Kraut  mit  spindelig-ästiger  Wurzel,  aufrechtem,  oben  ästigem  Stengel  mit 

Digitized  by  Googl 


ECH1UM.  —  ECHTE  FARBEN. 


5-S1 


schmalen ,  ganzrandigen  Blättern  und  gipfelständigen ,  einseitigen,  beblätterten  Iu- 
florescenzen  aus  grossen,  azurblauen  (selten  weissen  oder  rothen)  Blütbeu,  deren 
Kronenröhre  kürzer  ist  als  der  Kelch. 

Es  lieferte  Radix  und  Herba  Echii  s.  Buglossi  agreMis  s.  Viperini,  welche 
jetzt  völlig  obsolet  sind. 

EchtchamoiS  heisst  eine  auf  Baumwollengeweben  hergestellte,  hellrostbraune, 
aus  Eisenoxyd  bestehende  Farbe.  Sie  wird  dadurch  hervorgerufen ,  dass  man  die 
Stücke  mit  essigsaurem  Eisenoxydul  bedruckt  und  dann  in  einem  warmen  und 
feuchten  Raum,  der  sogenannten  Echthänge,  aufhängt.  Darin  bildet  sich  unlösliches 
Btark  basisches  Eisenoxyd,  während  die  Essigsäure  entweicht.  Endlich  nimmt  man 
noch  durch  ein  schwach  alkalisches  Bad  (meist  aufgeschlämmte  Kreide) ,  um  die 
Abscheidung  des  Eisenoxyds  vollständig  zu  machen. 

Die  Färbung  ist  vollkommen  wasch-  und  lichteeht.  Echtchamoisgefärbte  Waare 
wird  beim  Befeuchten  mit  gelbem  Blutlaugensalz  und  Salzsäure  blau ,  sie  hinter- 
lässt  ferner  beim  Verbrennen  eine  stark  eisenhaltige  Asche.  Benedikt. 

Echt6  Farben.  Man  theilt  die  Zeugfarben  je  nach  ihrer  grösseren  oder 
geringeren  Haltbarkeit  auf  den  Stoffen,  die  damit  gefärbt  sind,  in  echte  und 
unechte  ein.  Es  gibt  keine  absolut  echten  Farben,  indem  alle  Farben  unter 
dem  Einflüsse  von  Licht  und  feuchter  Luft  verblassen,  doch  geht  dieser  Process  bei 
den  echtesten  Farben  nur  sehr  langsam  vor  sich,  so  dass  die  Abnahme  der  Inten- 
sität der  Färbung  uuter  günstigen  Umständen  erst  nach  Jahrzehnten  merklich  wird. 

Von  Stoffen,  welche  gewaschen  werden  sollen,  verlangt  man  ferner,  dass  sie 
an  heisses  Wasser  und  an  kochende  Seifenlösung  keine  merklichen  Farbstoffmengen 
abgeben. 

Alle  zur  Anfertigung  von  Kleidungsstücken  bestimmten  Waaren  sollen  ferner 
so  weit  säureecht  sein ,  dass  sie  durch  den  Schweiss  nicht  verfärbt  werden,  also 
widerstandsfähig  gegen  organische  Säuren  sind. 

Die  Prüfung  der  Stoffe  auf  ihre  Echtfarbigkeit  hat  vor  Allem  Rücksicht  auf 
die  Agentien  zu  nehmen,  denen  dieselben  ihrer  Beschaffenheit  nach  im  Laufe 
ihrer  Verwendung  ausgesetzt  werden. 

Seiden-  und  Schafwollen  Stoffe  wird  man  vornehmlich  auf  ihre  Licht- 
echtheit und  auf  das  Verhalten  gegen  Wasser  zu  prüfen  haben,  während  Baum- 
wollen- oder  Leinengewebe  auch  kochendes  Seifen  vertragen  müssen. 

Die  Prüfungsmethoden  auf  Echtheit  sind  ausserordentlich  einfach.  Will  man  z.  B. 
untersuchen,  ob  eine  Zeugprobe  zugleich  waschecht,  säureecht  und  lichtecht  sei, 
so  schneidet  man  ein  Stück  des  Stoffes  in  vier  Theile.  Den  einen  kocht  man  mit 
Seifenwasser  und  beobachtet,  ob  sich  das  Bad  färbt.  Ist  dies  der  Fall,  so  ist  die 
Farbe  nicht  seifenecht.  Da  es  vorkommt,  dass  nur  beim  ersten  Seifen  Farbe  ab- 
gegeben wird,  dann  aber  noch  ein  genügend  intensiver  Ton  übrigbleibt,  so  ist  es 
rathsam,  dies  Verfahren  zu  wiederholen.  Das  zweite  Stückchen  legt  man  einige 
Minuten  in  circa  fUnfprocentige  Essigsäure  ein,  um  sie  auf  ihre  Säureechtheit  zu 
prüfen.  Dann  wäscht  man  die  beiden  Stückchen  aus,  trocknet  sie  und  vergleicht 
sie  mit  dem  dritten  Stückchen,  welches  man  zu  diesem  Zwecke  aufbewahrt  hat. 
Zeigen  sich  die  drei  Proben  gleich  gefärbt,  so  ist  die  Waare  wasch-  und  säure- 
echt. Den  letzten  Theil  klemmt  man  zur  Hälfte  in  ein  Buch  ein  und  legt  dasselbe 
einen  Tag  in  die  Sonne  oder  bei  bewölktem  Himmel  3 — 4  Tage  an  einen  hellen 
Ort.  Dann  sieht  man  nach,  um  wie  viel  die  beleuchtete # Hälfte  gegen  die  ein- 
geklemmte, also  nicht  beleuchtete,  abgeblasst  ist.  Eine  Differenz  ist  fast  immer 
vorhanden,  ist  dieselbe  nur  gering,  so  kann  der  Stoff  als  lichteeht  angesprochen 
werden. 

Man  kann  immer  nur  von  echten  und  unechten  Farben,  aber  nicht  Farb- 
stoffen sprechen,  indem  ein-  und  derselbe  Farbstoff,  je  nach  der  Art  seiner  Be- 
festigung, sehr  verschieden  echte  Farben  geben  kann  und  auch  die  Natur  der 
Faser  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Echtheit  der  Farbe  ist. 


Digitized  by  Google 


582 


ECHTE  FARBEN.  —  ECTOl'IE. 


So  gibt  Blauholz  mit  Kupfer-  und  Eisenbeizen  weit  echtere  Farben  als  mit 
Thonerde-  und  Zinkbeizen  ,  Indigoblau  bleicht  auf  Schafwolle  weit  rascher  aas, 
als  auf  Seide  oder  Baumwolle  etc. 

Je  complicirter  die  Zusammensetzung  einer  Farbe  ist,  desto  echter  ist  sie  anter 
sonst  gleichen  Bedingungen.  So  besteht  das  sehr  echte  „Türkischroth"  aus  einem 
Farblack,  in  dessen  Zusammensetzung  Alizarin,  Oxyfettsäure ,  Gerbsäuren,  Thon- 
erde, Zinnoxyd  und  Kalk  eingegangen  sind. 

Sowohl  die  anorganischen  als  die  Pflanzen-  und  Thierfarbstoffe  und  endlich  auch 
die  Theerfarbstoffe  liefern  echte  und  unechte  Farben. 

Von  den  organischen  Farbstoffen  geben  Alizarin ,  Nitroalizarin ,  Coeruletn, 
Anilinschwarz  und  Indigo,  ferner  unter  geeigneten  Bedingungen  Cochenille,  Blau- 
holz und  Wau  die  echtesten  Farben.  Benedikt. 

Echtgelb  Oder  Säuregelb  ist  ein  Azofarbstoff,  welcher  aus  amidoazobenzol- 
disulfosaurem  Natron  besteht.  Es  wird  durch  Erhitzen  von  Amidoazobenzol  mit 
rauchender  Schwefelsäure  dargestellt.  Seine  Zusammensetzung  entspricht  der  Formel 
HSOs .  C6 II,  N  =  N .  C8  H, .  NIL .  S03  H. 

Es  eignet  sich  in  Folge  seines  rein  gelben,  nicht  röthlichen  Farbentones  vor- 
züglich zur  Herstellung  von  Mischfarben  und  findet  in  der  Wollen-  und  Seiden- 
färberei ausgedehnte  Verwendung. 

Zur  Erkennung  des  Echtgelb  können  folgende  Reactionen  dienen.  Die  gelbe 
Lösung  wird  durch  Salzsäure  roth  gefärbt,  Ammoniak  und  Alkalien  bewirken  keine 
Veränderung.  Schwefelsäure  löst  mit  gelber  Farbe  auf.  Die  ammoniakalische  Lösung 
wird  durch  Zinkstaub  entfärbt,  die  Farbe  stellt  sich  nach  dem  Filtriren  an  der 
Luft  wieder  her.  Benedikt. 

Echtroth,  RoCCeline,  besteht  aus  dem  Natronsalz  der  ß-Naphtol-Azonaph- 
talinsulfosäure,  HSO, .  C,0  H„N  =  NC10  H0 .  OH. 

Seine  Lösungen  sind  rothbraun  gefärbt.  In  concentrirtcr  Schwefelsäure  löst  es 
sich  mit  violetter  Farbe  auf.  Es  dient  zum  Färben  von  Wolle  und  Seide. 

Benedikt. 

Eclampsie  (sx  und  leuchten)  nennt  man  acute  Anfälle  von  der  Epi- 

lepsie ähnlichen  Krämpfen.  Besonders  häufig  treten  sie  als  sogenannte  „Fraisen" 
bei  Kindern  auf  und  sind  immer  eine  schwere  Erkrankung.  In  Erwartung  des 
Arztes  befreie  man  bei  einem  Anfalle  das  Kind  von  allen  beengenden  Kleidern, 
lagere  es  horizontal  mit  tiefem  Kopfe,  gebe  ein  lauwarmes  Bad  (35°),  in  welchem 
der  Kopf  kühl  übergössen  wird.  Weiterhiu  kann  man  ein  Salz-  oder  Kssigklystier 
verabfolgen  und  Amyluitrit  athmen  lassen. 

Edegma  (äas-jyj/.x,  von  ex/3t£<u,  auslecken),  bei  Galen  eine  auf  der 
Zunge  sich  verflüssigende,  besonders  bei  Husten  gebrauchte  Arzneiform ;  meist  als 
Synonym  von  Lecksaft,  Linctus,  hier  und  da  auch  von  Electuarium  ge- 
braucht. Th.  Husemann. 

Ecraseiir  ist  ein  1856  von  Chassaigxac  erfundenes,  seither  vielfach  modi- 
ficirtes  Instrument,  um  lebende  Gewebe  ohne  Blutung  zu  durchtrennen.  Es  besteht 
im  Principe  aus  einer  Ketten-  oder  Drahtschlinge ,  durch  deren  allmälige  Ver- 
engerung der  von  der  Schlinge  umfasste  Körpertheil  abgeschnürt  wird. 

Ectasie  (ixTeivw,  ausdehnen)  ist  der  allgemeine  Ausdruck  für  krankhafte  Er- 
weiterungen und  Ausdehnungen. 

Ecthyma  (ix  und  t>u<o,  wflthen),  Bezeichnung  für  verschiedene  Formen  von 
pustulösen  Hautausschlägen. —  S.  auch  Impetigo. 

Ectopie  (ex  und  toto:,  Ort)  bedeutet  eine  angeborene  oder  krankhaft  erworbene 

Lageveränderun.r  eines  Organes. 

Digitized  by  Google 


ECTROPIE.  —  EFFERYESCIREN. 


583 


EctrOpie  (ex  und  Tpewu),  wende)  heisst  jede  Auswärtswendung  eines  Organe. 
Ectropium  inabesondere  heisst  die  mehr  oder  weniger  weit  gediehene  Umstülpung 
des  Lidrandes. 

Ectl"0tica  (»Tpwux ,  Fehlgeburt).  Gleichbedeutend  mit  Abortiva,  dient  dieser 
Ausdruck  besonders  zur  Bezeichnung  der  ectrotischen  Methode,  Methodus  ectrotica 
oder  Abortivcur  (vergl.  Bd.  I,  pag.  27).  Th.  Husemann. 

Eczema  (ex.  und  ^eu>,  sieden)  ist  der  volksthümlich  als  „nässende  Flechte" 
bezeichnete,  verschieden  gestaltige  Hautausschlag.  Das  lästigste  Symptom  desselben 
igt  das  Jucken.  Eczeme  entstehen  aus  localen  Ursachen  (mechanische,  thermische 
oder  chemische  Reize)  oder  in  Folge  allgemeiner  Erkrankungen  (BRiGHT'sche 
Krankheit,  Diabetes),  häufig  auch  bei  den  periodisch  wiederkehrenden  Functionen 
des  weiblichen  Geschlechtslebens,  vielleicht  auch  in  Folge  psychischer  Affecte. 
Gewöhnlich  sind  sie  auf  einzelne  Körpertheile  beschränkt,  selten  universell ,  dem 
Verlaufe  nach  acut  oder  chronisch.  Gefährlich  sind  sie  nicht,  doch  ist  ihre  Be- 
handlung oft  schwierig  und  langwierig. 

Edelgarbe  ist  Herba  Millefolii  nobilis  (Achillea  nobilis  L.).  —  Edelleberkrailt 
ist  Herba  Hepaticae  nobilis  (Anemone  Hepatica  L.J.  —  Edelherzpulver,  rothes, 
schwarzes,  weisses,  und  Edel  herzt ropfen  sind  volksth.  Bezeichnungen  für  die  ver- 
schiedenen Arten  Kinderkrampfpulver,  beziehungsweise  Krampftropfen. 

Edinburger  Pflaster  ist  Emplastrum  adhaesivum  nigrum  (s.  d.). 

Educt  ein  ans  einem  Rohstoff  abgeschiedener  Körper,  der  in  jenem  fertig 
gebildet  enthalten  ist,  z.  B.  Stärke  in  den  Kartoffeln,  Zucker  in  den  Runkelrüben, 
Benzol  im  Steinkohlentheer.  Im  Gegensatz  hierzu  Product,  ein  aus  einem  Roh- 
stoff oder  dessen  Bestandtheilen  durch  chemische  Einwirkung  gebildeter  neuer 
Körper,  z.  B.  Spiritus  aus  Kartoffeln,  Anilin  aus  Steinkohlentheer. 

EdulCOriren  =  Ausstissen,  Auswaschen,  s.  d.,  Bd.  II,  pag.  50,52. 

Effervesciren  oder  Aufbrausen,  das  Entweichen  eines  in  einer  Flüssig- 
keit gelöst  oder  chemisch  gebunden  gewesenen  Gases.  Die  in  kohlensauren  Mineral- 
wässern, Champagner,  unter  Druck  in  Lösung  befindliche  Kohlensäure  entweicht 
nach  Aufhören  des  Druckes  unter  Aufbrausen,  die  im  frischen  Trinkwasser  gelöste 
Luft  und  Kohlensäure  entweichen  bei  Steigen  der  Temperatur,  indem  sich  Gas- 
blasen zum  Theil  an  der  Gefässwandung  ansetzen.  Die  Entwickeln ng  oder 
Entbindung  von  Gasen,  eine  häufig  ausgeführte  Manipulation  zur  Gewinnung 
derselben ,  geschieht  ebenfalls  unter  Aufbrausen ;  die  Flüssigkeit  wird  durch  die 
grosse  Menge  des  entweichenden  Gases,  das  in  Form  kleiner  Bläschen  nach  oben 
steigt,  weisslich  getrübt;  die  an  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  angelangten  Gas- 
bläschen zerplatzen  dort,  wobei  immer  ein  Fortschleudern  kleiner  Theilchen  der 
Flüssigkeit  stattfindet  und  das  als  Brausen  bezeichnete  Geräusch  bemerkbar  wird 
und  das  Gas  kann  frei  in  die  Atmosphäre  diffundiren.  Beim  Zusammenkommen 
von  Säuren  mit  den  Salzen  der  Kohlensäure  (Brausepulver)  ,  Schwefligsäure, 
Salpetrigsäure,  werden  die  eben  genannten  gasförmigen  Säuren  durch  die  stärkeren 
Säuren  (Salzsäure,  Schwefelsäure,  Essigsäure  u.  s.  w.)  aus  ihrer  Verbindung  mit 
den  Basen  frei  gemacht  und  entweichen  in  die  Luft;  bei  der  Einwirkung  von 
Säuren  auf  gewisse  Metalle  und  chemische  Stoffe  werden  durch  Zersetzung  der 
betreffenden  Säuren  oder  in  anderen  Fällen  des  gegenwärtigen  Wassers  die  be- 
treffenden Gase  frei  gemacht  oder  gebildet  (entwickelt),  z.  B.  Salzsäure  und  Braun- 
stein oder  Kaüumbichromat  —  Chlor ;  Salpetersäure  uud  Kupfer  —  Salpetrigsäure ; 
concentrirte  Schwefelsäure  und  Kupfer  oder  Kohle  —  Schwefligsäure ;  verdünnte 
Schwefelsäure  und  Zink  oder  Eisen  —  Wasserstoff ;  verdünnte  Schwefelsäure 
und  Schwefeleisen  oder  Schwefelcalcium  —  Schwefelwasserstoff.  Ftlr  die  Ent- 
wicklung von  Gasen  sind  für  den  Gebrauch  im  Laboratorium  und  der  Technik 

Digitized  by  Google 


584 


EFFERVESCIREN.  —  EI. 


viele  Apparate  construirt  worden.   —  Ueber  diese  s.  Gasentwickel  ungs- 
apparate. 

EffloreSCiren  =  Ausblühen,  Bd.  II,  pag.  39. 
EgelseUChe  I.  Distoma,  Bd.  III,  pag.  510. 

Ehmer.  SlUCh  Emmer  ist  eine  bespelzte  Weizenvarietät   (TrUicum  dicoc- 
cum  Schranhj,  welche  nicht  in  den  Welthandel  kommt. 

Ehrenpreis  ist  Herha  Veronicae. 

Ehrlich's  Reagens,  eine  Auflösung  von  1.0g  Sulfanilsäure,  15  cem  Salzsäure 
und  0.1g  Natriumnitrit  in  einem  Liter  Wasser  (die  Flüssigkeit  enthält  aus  der 
Sulfanilsäure  und  der  Salpetersäure  gebildet  Diazobenzolsulfosäure).  Eine  chloro- 
formige Bilirubinlösung  mit  dem  gleichen  oder  doppelten  Volumen  des  EHRLiCH'schen 
Reagens  und  mit  Alkohol  versetzt  nimmt  bald  eine  Rothfärbung  an.  Fügt  man 
tropfenweise  concentrirte  Salzsäure  hinzu ,  so  wird  die  Flüssigkeit  zuerst  violett, 
dann  blauviolett,  schliesslich  rein  blau.  Der  in  der  Lösung  vorhandene  Farbstoff 
gibt  mit  starken  Alkalien  grünblaue,  in  schwach  saurer  oder  schwach  alkalischer 
Lösung  rothe  Färbungen.  Wenn  man  in  die  stark  saure  blaue  Lösung  vorsichtig 
Kalilauge  fliesseu  läast,  so  entsteht  eine  chromatische  Dreischichtung  derart,  dass 
ein  schmaler  rother  Ring  die  untere  grünblaue  Schicht  von  der  oberen  rein  blauen 
trennt.  Zum  Nachweis  von  Bilirubin  im  Harn  wird  letzterer  zunächst  mit  einem 
gleichen  Volumen  Acidum  aceticum  dilutum  versetzt  und  tropfenweise  Ehrlich's 
Reagens  zugegeben :  tritt  hierbei  eine  Verdunkelung  ein,  so  ruft  ein  weiterer  Zu- 
satz von  Essigsäure  die  für  Bilirubin  charakteristische  Violettfärbung  hervor.  Durch 
Zusatz  von  Kochsalz  zu  der  violetten,  stark  salzsauren  Flüssigkeit  läast  sich  der 
entstandene  Farbstoff  ausscheiden ,  der  in  verschiedenen  Lösungsmitteln  mit  den 
ihnen  zukommenden  charakteristischen  Färbungen  löslich  ist. 

Ei  (ovum),  der  weibliche  Zeugungsstoff  der  Thiere,  welcher  sich  unter  gewissen 
Einflüssen  und  Verhältnissen  zu  einem  neuen  Organismus  entwickelt.  Die  ursprüng- 
liche Eizelle,  wie  sie  bei  allen  höheren  Thiereu  im  Eierstock  entsteht,  läast  nur 
Kern  und  Protoplasma  unterscheiden.   Bei  fortschreitender  Entwickelung  treten  im 
letzteren  Körnchen  auf,  die  sich  immer  mehr  vermehren  und  schliesslich  den  Dotter 
darstellen,  um  welchen  herum  sich  häufig  noch  eine  besondere  Schichte,  die  Dotter- 
haut, bildet.  Der  Kern  wächst  später  zum  Keimbläschen  aus  und  in  ihm  entwickeln 
sich  die  Keimflecke.  Bei  vielen  Fischen,  Reptilien  und  Vögeln 
scheidet  sich  um  dieses  herum  der  weissliche  Bildungsdotter 
„Hahnentritt"  vom  gelblichen  Nahrungsdotter;  überdies  um- 
kleidet sich  das  Ei  der  Vögel  (Dotterkugel)  auf  seiner  Wan- 
derung durch  den  Eileiter  schichtenweise  mit  Eiweiss  und  mit 
einer  porösen  Kalkschale,  die  im  Innern  mit  der  dünnen, 
milchweissen  Schalenhaut   ausgekleidet  ist.    Auch    bei  den 
Reptilien  findet  man  eine  derartige  kalkige  oder  weichhäutige 
Schale,  wogegen  bei  manchen  Amphibien  eine  eiweissähnliche 
Substanz  abgesondert  wird,   welche  die  Eier  sowohl  einzeln 
umhüllt,  als  auch  sie  unter  einander  verbindet  und  im  Wasser 
mächtig  aufquellend,  eine  gallertartige  Beschaffenheit  aunimmt  fflver^rhu*»ertTh" 
(Froschlaich).  Die  Eier  der  Fische  sind  sehr  verschieden  und 

treten  entweder  kugelförmig  als  Laich  auf  (Häring)  oder  sind  sehr  gross  und  von 
einer  hornigeu  Schale  umschlossen.  Während  die  Eier  dieser  Thiergruppen  sehr  bald 
frei  werden,  gelangt  das  relativ  sehr  kleine  Ei  der  Saugethiere  (0.25  mm)  zu  seiner 
weiteren  Entwickelung  in  die  Gebärmutter,  in  welcher  der  sich  bildende  Embryo  durch 
das  Blut  der  Mutter  ernährt  wird.  Die  Zeit  der  Eireife  (Ovulation)  tritt  erst  dann 
ein,  wenn  das  Thier  ein  gewisses  Alter  erreicht  und  Wachsthuin  und  Entwickeiang 
vollendet  hat,  uud  zwar  bei  vielen  Thieren  nur  einmal  im  Leben,  bei  anderen  hingegen 
mehrmals  und  in  gewissen  Perioden  (Menstruation).    Manchmal  ist  eine  grössere 

Digitized  by  Google 


EI.  —  EICHELN. 


5*5 


Anzahl  von  Eiern  in  schützende  Substanzen  von  Tranben-,  Schnur-  oder  Bandform 
oder  gruppenweise  in  eine  feste  Kapsel  der  verschiedensten  Form  eingeschlossen; 
anderemale  bringen  sie  die  Thiere  selbst  an  geschützte  Orte  (Ameisen,  Phylloxera) 
oder  bedecken  sie  (Coccus)  oder  tragen  sie  in  Trauben-  oder  Schnurform  oder  in 
kugeligen  Säcken  mit  sich  herum  (Alytes,  Spinnen).  Auch  die  Zahl  der  Eier  ist  sehr 
verschieden  und  erreicht  bei  Fischen,  Mollusken  und  Würmern  Hunderttausende. 

Die  Entwiekelung  des  Eies  erfolgt  in  der  Regel  erst  nach  vorheriger  Befruchtung, 
das  ist  durch  den  Contact  mit  den  Samenfäden,  die  entweder  die  Dotterhaut  durch- 
bohren oder  durch  besondere  Oeffnungen  oder  Canfile,  die  Mikropylen,  eindringen. 
Doch  findet  die  Befruchtung  nicht  immer  während,  sondern  meist  nach  der  Begattung 
statt,  indem  innerhalb  der  weiblichen  Geschlechtsorgane  die  Zoospermien  ihre  Lebens- 
energie tage-  und  monatelang  beibehalten  (Bienenkönigin).        v.  Dalla  Torre. 

Bei  den  Pflanzen  pflegt  man  als  Eichen  die  Samenknospen  (ovula)  zu  be- 
zeichnen, aus  denen  sich  die  Samen  (s.  d.)  entwickeln. 

Ei  im  engeren  Sinne  ist  die  Eizelle  des  Embryosackes  der  Angiospermen,  aus 
der  nach  Befruchtung  durch  den  Pollenschlauch  der  Embryo  entsteht.  Die  Be- 
fruchtung selbst  findet  nicht  direct  an  der  Eizelle  statt,  vielmehr  legt  sich  der 
Pollenschlauch  an  die  über  der  Eizelle  angeordneten  sogenannten  Gehilfinnen  oder 
Synergiden  an,  welche  alsdann  den  befruchtenden  Stoff  an  die  darunter  liegende 
Eizelle  auf  osmotischem  Wege  oder  direct  (?)  übertragen.  Bis  zur  Befruchtung 
ist  das  Ei  einzellig  und  nackt,  nach  derselben  treten  in  ihm  aber  bald  sehr  lebhafte 
Theilungen  ein,  die  zur  Bildung  des  Embryos  führen.  Denselben  geht  die  Ent- 
stehung einer  Membran  um  die  nackte  Eizelle  voraus.  Tschirch. 

Literatur:  H.Ludwig,  Die  Eibildung  im  Thierreich.  Würzburg  1874  —  H.  Ch.  Basti  an, 
Evolution  and  the  origin  of  lifo.  London  1875.  —  Celakovsky  iu  Flora  1874;  Botan. 
Zeitg.  1875  u.  1877.  —  Warming.  Ebenda  1874. 

Eibenblätter  sind  FoUa  Taxi. 

EibiSCh  ist  Altham. 

Eichelcacao  ist  ein  Gemisch  von  Cacaopulver  mit  geröstetem  Weizenmehl 
und  Eichelextract.  Für  seine  Werthbestimmung  ist  massgebend  (Tschirch,  Pharm. 
Ztg.  1887,  pag.  101): 

1.  Thunlichste  Abwesenheit  von  Cacaoschalen.  (Auch  die  besten 
Cacaomehle  des  Haudels  enthalten  Spuren  von  Schalenbestandtheilen.) 

2.  Aufschliessung  des  Cacaomehle s.  Soll  nicht  aufgeschlossen  sein. 

3.  Entfettung  des  Cacaomehles.  Der  Eichelcacao  soll  nicht  über 
14  Procent  Fett  enthalten. 

4.  Menge  des  Eichelextractes.  Soll  etwa  2  Procent  Eichengerbsäure 
entsprechen. 

5.  Beschaffenheit  und  Menge  des  zugesetzten  Weizenmehles. 
Es  soll  kleiefrei  und  gut  geröstet  sein  und  weniger  als  ein  Drittel  der  Gesammt- 
menge  betragen. 

6.  Feinheitsgrad  und  Mischung.  Soll  so  feinkörnig  und  gut  vermählen 
sein,  dass  weder  hellere,  noch  dunklere  Körner  in  demselben  mit  freiem  Auge  zu 
unterscheiden  sind. 

7.  Fremdartige  Zusätze,  wie  uugeröstetes  Mehl,  andere  Stärkemehle, 
Zimmt  u.  a.  m.  sollen  fehlen. 

Eichelkaffee  heissen  die  wie  Kaffee  gerösteten  und  in  ein  grobes  Pulver 
verwandelten  Eicheln. 

Eicheln,  s  emen  Queren*,  Cotyledones  Queren»,  Glands  de 
ebene,  Oak  seeds,  sind  die  Früchte,  beziehungsweise  Samen  der  Eichenarteu, 
von  welchen  für  uns  die  in  Europa  fast  Uberall  vorkommende  Querctts  Robur  L. 
mit  ihren  auch  als  selbständige  Arten  aufgeführten  Varietäten  (peduneulata  Ehrh., 
sestriliflora  Sin.,  pubescem  Wtlld.)  allein  in  Betracht  kommt. 


Digitized  by  Google 


580 


EICHELN. 


Fig.  99. 


Fruchtschale  der  Eichel. 
. '  Querschnitt  mit  der  Oberhaut  -  / .  der  Steinzellenschi^ht 
&t  und  einem  Theil  der  Parenchymschicht  p.  —  V  Die 
Oberhaut  in  der  Flächenansicht.  —  C  Daa  Schwaxum- 

parenchym.  Vergr.  160. 


Die  Eichel  ist  eine  aus  dem  ursprünglich  dreifacherigen  und  sechssamigen  Frucht- 
knoten durch  Fehlschlagen  einfächerige  und  einsamige  Nuss,  welche  in  einer  napf- 
förmigen  „Cupula"  sitzt.  Ihre  Form  und  Grösse  ist  sehr  verschieden,  im  Allge- 
meinen jedoch  sind  die  Eicheln 
länglich-eiförmig,  2 — 3  cm  lang 
und  etwa  halb  so  dick.  Die 
Schale  ist  glatt,  mit  Ausnahme 
des  wie  bestäubten  Scheitels 
glänzend  gelbbraun,  dünn,  zer- 
brechlich. Sie  umschlieBSt  ziem- 
lich knapp  die  beiden  plancon- 
vexen  derbfleischigen,  im  trocke- 
nen Zustande  harten  und  sprö- 
den, bräunlichen,  aussen  ge- 
furchten Cotyledonen  mit  dem 
kleinen  Embryo. 

Die  Fruchtschale  be- 
steht aus  einer  äusseren,  0.2  mm 
dicken  Steinzellenschicht ,  an 
welche  sich  eine  schwammige, 
r<»thbraune  Parenchymschicht 
von  etwa  0.5  mm  Mächtigkeit 
anschliesst.  Die  Oberhaut  (Fig. 
99,  A  ep  und  B)  ist  aus  kubi- 
schen, besonders  an  der  Aussen- 
seite  stark  verdickten  Zeilen 
dicht  gefügt.  Ihr  charakteri- 
stisches Kennzeichen  in  der  Flächenansicht  ist  die  regelmässig  reihenweise 
Anordnung  der  Zellen  (Fig.  B).  In  der  Steinschicht  sind  die  äusseren  Zellen- 
lagen palissadenartig,  die  inneren  tangential  gelagert.  Sie  sind  in  Wasser  klein 
(0.05  mm),  farblos,  ihre  Verdickung  ist  sehr  beträchtlich,  von  Porencanälen  durch- 
zogen. Das  P arenehym  ist  in  den  tieferen  Schichten  ein  Sch wammparen- 
chym  mit  ungewöhnlich  derb- 
waudigen  (0.004  mm),  porösen, 
intensiv  gebräunten  Zellen  (Fig. 
99,  Gl  Die  Keimlappen 
bestehen  aus  einem  gleicharti 
gen  Parenehym  ziemlich  grosser 
(0.1mm  Diain.),  dünnwandiger 
(gedoppelt  0.003  mm),  gerun- 
det polygonaler  Zellen  mit  sehr 
kleinen  Intercellularen  in  den 
Kanten  i'Fig.  100,  E).  Sie  sind 
dicht  erfüllt  mit  Stärkekörnchen 
von  höchst  unrcgelmässig  knol- 
lig-länglicher oder  -rundlicher 
Gestalt,  meist  0.015 — 0.002, 
selten  bis  0.05  mm  gross,  un- 
deutlich geschichtet  um  einen  grossen  Kern  oder  eine  längliche 
Einfache  Körner  sind  in  der  Mehrzahl,  doch  finden  sich  auch  zahlreiche  zusammen- 
gesetzte der  verschiedensten  Art.  Spärliche  zarte  Gefässbüudel  mit  kleinen  Spiroiden 
(Fig.  1 00,  sp)  durchziehen  die  Cotyledonen.  Ihre  Oberhaut  ist  aus  kleinen  (0.025  mm) 
polygonalen,  derbwandigen  Plattenzellen  dicht  gefügt  (Fig.  100,  ep). 

Die  Eichelsamen  enthalten  38  Procent  Stärke,  7 — 9  Procent  Gerbstoff,  fettes  Oel, 
nicht  krystallisirenden  Zucker  und  mannitähnlichen  Zucker  (Quercit),  Citronensäure 

und  Spuren  eines  ätherischen  Oeles.  Die  Asche  ist  reich  an  Kali  und  Phosphaten. 

Digitized  by  Google 


-  V 


rä&.  @%  * 

Aus  dem  Cotyledon  der  Eichel. 
£'  Endosperm  mit  Spiroiden  >p  und  Amvlum  *t ;  ep  Ober- 
haut.  Vergr.  800. 


EICHELN.  —  EICH  K  N  PH  LO  B  APHEN. 


587 


Zum  medicinischen  Gebrauche  (Ph.  Austr.,  Hung.,  Germ.  I.,  Russ.,  Gall.,  Belg., 
Dan.,  Suec.)  werden  die  reifen  Eicheln  getrocknet  und  die  hierauf  ausgelösten 
Cotyledonen  geröstet.    Dadurch  verwandelt  sich  die  Starke  theilweise  in  Dextrin. 

Beim  Trocknen  verlieren  die  Eicheln  fast  die  Hälfte  ihres  Gewichtes,  durch  das 
Rösten  werden  die  Cotyledonen  um  20—25  Procent  leichter,  zugleich  voluminöser. 

Man  benutzt  diesen  sogenannten  Eichelkaffee  (Semen  Querem  tostum  s. 
Glandes  Quercus  tostae)  als  leicht  verdauliches  Nährmittel  und  nimmt  4 — 8  g 
auf  die  Tasse. 

Der  im  Handel  gepulvert  vorkommende  Eichelkaffee  besteht  häufig  nicht,  wie 
er  sollte,  blos  aus  den  Keimlappen,  sondern  enthalt  die  Fruchtschalen  mit  ver- 
mählen. Mit  Hilfe  des  Mikroskopes  verrflth  sich  diese  Fälschung  auf  den  ersten 
Blick.  J.Mo  eil  er. 

Eichenbitter,  q  u  er  ein.  Der  in  der  Eichenrinde  vorkommende  Bitterstoff  in 
Form  kleiner,  in  H«  0  leicht  löslicher  Krystalle.  Mau  gewinnt  ihn ,  indem  man 
die  Eichenrinde  mit  Kalkmilch  auskocht,  heiss  filtrirt,  das  Filtrat  mit  Kalium- 
carbonat  versetzt,  nochmals  filtrirt,  eindampft  und  den  Rückstand  mit  Alkohol  von 
80  Procent  behandelt.  Ganswindt. 

Eichengallen,  s.  Gallen.  —  Eichenlungenkraut  ist  Liehen  pulmonarius 
(Sticta  pulmonncea  Ach.).  —  Eichenmistel  ist  Loranthus  europaeus  L.,  falsch- 
lich oft  Viscum  album  L. 

Eichengerbsäure,  CI7HI6  09,  wurde  lange  Zeit  hindurch  mit  der  Galläpfel- 
gerbsäure identificirt ;  heute  betrachtet  man  sie  als  eine  davon  verschiedene  Säure. 
Doch  gehen  auch  heute  noch  die  Meinungen  über  die  Eichengerbsäure  nicht  unwesent- 
lich auseinander ;  während  verschiedene  Autoren  sie  als  Glukosid  ansehen,  behaupten 
Eni  und  Löwe,  dass  sie  kein  Glukosid  sei.  Auch  hinsichtlich  der  Formel  besteht 
noch  keine  absolute  Klarheit;  Böttjxger  stellt  z.  B.  die  Formel  CS0H3SO12  auf. 

Die  Eichengerbsäure  findet  sich  iu  der  Eichenrinde  neben  Ellagsäure,  Gallussäure 
und  Eichenroth.  Die  Darstellung  ist  daher  in  Folge  der  Trennung  complicirt.  Als 
Rohmaterial  zur  Darstellung  verwendet  man  wohl  am  besten  Eichenlohe,  welche 
man  durch  Aether  von  der  Gallussäure  befreit,  und  dann  mit  Alkohol  erschöpft. 
Man  verdampft  den  Alkohol,  behandelt  den  Rückstand  zuerst  mit  Aether,  dann 
mit  Wasser.  Die  Gerbsäure  geht  in  Lösung,  das  Eichenphlobaphen  bleibt  ungelöst. 
Oder:  man  erschöpft  zerkleinerte  Eichenrinde  mit  90proc.  Alkohol,  verdampft 
den  alkoholischen  Auszug  zum  Syrup  und  vermischt  diesen  mit  dem  lOfachen 
Volumen  Wasser.  Dadurch  wird  das  Eichenroth  gefällt;  durch  Zusatz  von  JsaCl 
fallen  weitere  Mengen  Eichenroth,  man  filtrirt  dann  und  entzieht  dem  Filtrat  durch 
Schütteln  mit  Aether  Gallussäure  und  nach  deren  völliger  Entfernung  durch  Essig- 
äther die  Eichengerbsäure. 

Sie  bildet  ein  röth  lieh  weisses  Pulver,  welches  in  kaltem  Wasser  schwer  löslich, 
leicht  in  verdünntem  Alkohol,  schwieriger  in  Essigäther,  gar  nicht  in  Aether 
löslich  ist.  Sie  geht  beim  Erhitzen  auf  130°  iu  ihr  Anhydrid  über.  Beim  Kochen 
mit  verdünnten  Säuren  zerfällt  sie  in  Zucker  und  Eichenroth,  lieber  die  Zer- 
setzungsproduete  der  Eichengerbsäure  herrscht  noch  keine  völlige  Klarheit.  So  soll 
sich  nach  Etti  der  Zucker  als  Lävulin  in  der  Eichenrinde  vorfinden  und  also 
keinen  Bestandteil  der  Eichengerbsäure  repräsentiren.  Die  Ansicht,  dass  die 
Eichengerbsäurc  kein  Glukosid  sei,  wird  auch  noch  durch  den  Umstand  bestätigt, 
dass  sie  beim  Erhitzen  im  geschlossenen  Rohr  keine  Phenole  und  keine  andere 
Säure  als  Gallussäure  liefert.  Man  betrachtet  heute  die  Eichengerbsäure  als  das 
Anhydrid  einer  Gallussäure ,  in  der  noch  3  Hydroxylwasserstoffe  durch  Methyl 
ersetzt  sind.  Ganswindt. 

Eichenphlobaphen,  CltHluO,  +  \3H20,  Eichenroth.  Findet  sich  in  der 
Eichenrinde;  ob  präformirt  oder  erst  als  Zersetzungsproduct  der  Eichengerbsäure, 
ist  noch  unentschieden,  von  einzelnen  wird  es  auch  als  das  Anhydrid  der  Eichen- 
gerbsäure betrachtet.   Ueber  seine  Darstellung  vergl.  Eichengerbsäure.  Das 

Digitized  by  Google 


588  EICHENPHLOBAPHEN.  —  EIER. 

Eichen phlobapheu  bildet  ein  rothbraunes  Pulver,  in  völlig  reinem  Zustande  ist  es 
in  heissem  Wasser  unlöslich,  ebenso  in  kaltem  Alkohol,  Aether,  siedendem  Benzol, 
in  Essigsäure,  verdünnten  Mineralsäuren;  leicht  löslich  in  verdünnter  Eichengerb- 
säurelösung und  in  Alkalien  mit  rothbrauner  Farbe.  Die  leichte  Löslichkeit  in 
Eichengerbsäurelösung  macht  die  Trennung  der  Säure  vom  Phlobapheu  sehr 
schwierig.  Die  Lösung  gibt  mit  Eisenchlorid  eine  tief  schwarzblaue  Färbung. 
Oxydationsmittel  oxydiren  es  vollauf  in  C()a  and  Ha  0.  Schmelzendes  Kali  gibt 
damit  Protokatechusäure,  Essigsäure  und  Phloroglucin.  Ganswind t. 

Eichenroth  ist  identisch  mit  Eichenphlobaphen. 

Eidotter  (  Vüellum  ovi,  Eigelb),  ein  Bestandtheil  der  Vogeleier,  welche  über- 
dies auB  der  Schale  und  dem  Eiweiss  bestehen.  Er  stellt  ein  zähes  kaum  durch- 
scheinendes Liquidum  von  gelber  bis  gelbrother  Färbung  und  mildem  Geschmack 
dar,  reagirt  alkalisch  und  bildet  mit  Wasser  eine  weisse  eraulsive  Flüssigkeit.  Der 
Eidotter  enthält  an  Formelementen  eingelagert  ausser  dem  Keimbläschen  noch 
Dotterkügelchen,  feine  Körnchen  und  Fetttropfen:  an  chemischen  Bestandtheilen 
wurden  darin  gefunden:  Wasser  51.8  Procent,  Vitellin,  ein  zu  den  Globulinen 
(s.d.)  zählender  eigentümlicher  Eiweisskörper,  15.8  Procent,  Nucleiu ,  die  phos- 
phorhaltige  Substanz  der  Zellkerne,  1.5  Procent,  Fett  (Palmitin,  Stearin  und  Olein) 
23.2  Procent,  Cholesterin  0.4  Procent,  Lecithin  8.4  Procent,  Farbstoff  015  Procent, 
Traubenzucker  in  Spuren ,  Salze  1 .0  Procent.  Im  Vergleiche  mit  dem  Eiweiss, 
welches  neben  hohem  Gehalt  an  Wasser  fast  ausschliesslich  aus  Eiweissstoffen 
besteht,  finden  wir  im  Eidotter  hauptsächlich  das  Fett  abgelagert;  einen  wichtigen 
Bestandtheil  desselben  bildet  das  auch  in  der  Gehirnsubstanz  ebenfalls  vorkom- 
mende Lecithin,  als  dessen  Spaltungsproduct  wir  die  Glycerinphosphorsäure  kennen. 
In  Bezug  auf  den  Gehalt  an  Aschen  bestandtheilen  enthält  der  Eidotter  vom  Hahn 
circa  5mal  so  viel  Kalk,  3mal  so  viel  Eisenoxyd  und  15mal  so  viel  Phosphor- 
säure als  das  Hühnereiweiss,  hingegen  ist  dieses  reicher  an  Kalium-  und  Natrium- 
chlorid, lieber  den  eigenthümlichen  Farbstoff  des  Eidotters  s.  Lutein. 

Schüttelt  man  die  Dottermasse  in  einer  Flasche  mit  Aether,  so  nimmt  dieser 
Fett,  Cholesterin,  Lecithin  und  Lutein  auf,  es  bleibt  ein  farbloser,  milchiger 
Rückstand.  Behandelt  man  diesen  mit  einer  Mischung  von  1  Volumen  concentrirter 
Kochsalzlösung  und  2  Volumina  Wasser  und  filtrirt ,  so  erhält  man  ein  schwach 
opalisirendes  Filtrat,  das,  in  viel  Wasser  getropft,  einen  weissen  reichlichen 
Niederschlag  liefert ,  welcher  im  Wesentlichen  aus  dem  eigenthümlichen  Eiweiss- 
körper des  Dotters,  dem  Vitellin,  besteht,  jedoch  auch  Lecithin  und  Nuclein  bei- 
gemengt enthält.  Loebiscb. 

Eier.  Als  Nahrungsmittel  können  die  Eier  sämmtlicher  Vögel  genossen  werden, 
bei  uns  nehmen  jedoch  den  ersten  Rang  die  Hühnereier  ein,  ferner  die  der  Enteu 
und  Gänse.  Die  Eier  der  Kibitze  gelten  als  besouders  wohlschmeckend,  die  PoUr- 
völker  essen  die  Eier  von  Möven,  die  Neger  und  Kaffern  verspeisen  die  Straussen- 
eier.  Am  Amazonenstrom  geniesst  man  auch  die  Eier  von  Amphibien  Kaiman  i 
und  die  der  Schildkröten.  Auch  die  Eier  vieler  Fische  werden  verspeist.  Der 
Rogen  des  Lachses  und  Kabeljaus  wird  in  getrocknetem  Zustande  verbraucht, 
während  der  Rogen  des  Störes  und  verwandter  Fische  gesalzen  als  C  a  v  i  a  r  (a.  d.) 
verzehrt  wird.  Die  chemische  Zusammensetzung  der  Eier  aller  Vögel  ist  wesentlich 
die  gleiche.  Man  unterscheidet  drei  verschiedene  Theile  derselben,  die  Schalen, 
das  Eiereiweiss  (s.d.)  und  den  Eidotter  (s.d.)  Das  Gewichtsverhältniss 
dieser  drei  Bestandteile  ist  beim  Hühnerei  im  Mittel  folgendes:  Von  einem  50g 
schweren  Ei  beträgt  das  Gewicht  der  Schalen  7.0,  das  des  Eiweiss  27.0,  das 
vom  Eigelb  16.0  g,  demnach  enthält  das  Ei  procentisch:  Schälen  14  Proeent, 
Eiweiss  54.0  Procent  und  Eigelb  32.0  Procent.  Die  Schalen  der  Eier  enthalten 
(nach  König)  kohlensauren  Kalk  89  —  07  Procent,  kohlensaure  Magnesia  0.2  Procent, 
Calcium  und  Magnesiumphosphat  0.5—5  Procent  und  2—5  Procent  organische 
Substanz.   Die  Zusammensetzung  des  Eiereiweiss  und  Eidotter  s.  d. :  da 


Digitized  by  Google 


EIER.  —  EIERCONSERVATJON. 


589 


der  Nährwerth  des  Eies  von  den  in  diesen  beiden  Bestandteilen  vorkommenden 
Nährstoffen  abhängt,  so  führen  wir  an  dieser  Stelle  den  procentischen  Gehalt  der 
Nährstoffe  des  Hühnereies  im  Eiweiss  +  Eigelb  an :  Es  enthält  dasselbe  73.67  Procent 
Wasser,  12.55  Procent  Eiweissstoffe,  12.11  Procent  Fett,  0.55  Kohlehydrate  und 
1.12  Procent  Salze.  Demnach  enthält  ein  ganzes  Ei  von  50 — 55  g  Gewicht  etwas 
weniger  als  1  g  Stickstoff,  so  dass  ein  erwachsener  Mensch  18 — 20  Eier  im  Tag  ver- 
zehren mtisste ,  wenn  er  seinen  Stickstoffbedarf  mit  Eiern  allein  decken  wollte  5 
um  jedoch  auch  dem  Bedarf  des  Körpers  an  Kohlenstoff  zu  gentigen,  müssten 
mindestens  43  Stück  Eier  täglich  genossen  werden.  Die  Eier  sind  eine  sehr  beliebte 
Nahrung  für  Reconvalescenten,  hierbei  kommt  die  Verdaulichkeit  der  Eier  je  nach 
ihrer  Zubereitung  in  Frage.  Rohe  Eier  hält  man  für  leichter  verdaulich,  als  die 
geronnenen  (halbgesottenen)  und  die  hartgekochten  Eier;  experimentell  ist  dieser 
Unterschied  der  Verdaulichkeit  noch  nicht  festgestellt,  und  hartgesottene  Eier,  wenn 
sie  durch  Zerreiben  fein  vertheilt  sind,  dürften  ebenfalls  leicht  verdaulieh  sein,  es 
kommt  eben  darauf  an ,  dass  die  zu  verdauende  Substanz  in  möglichst  feiner 
Vertheilung  der  Einwirkung  des  Magensaftes  ausgesetzt  werde.  Auch  das  rohe 
Ei  soll  angeblich  durch  tüchtiges  Quirlen  —  wobei  die  Membranen,  welche  das 
Eiereiweiss  eingeschlossen  halten,  zerrissen  werden  —  noch  mehr  verdaulich 
werden,  so  dass  es  bei  manchen  schweren  Magenkrankheiten  die  einzige  Speise 
darstellt,  die  halbwegs  vertragen  wird.  Loe bisch. 

Eieralbumin,  ein  zur  Gruppe  der  Albumine  (s.  Bd.  I,  pag.  104)  gehören- 
der Eiweisskörper,  welcher  den  Hauptbestandteil  des  Eiweiss  der  Vogeleier  bildet. 
Es  ist  daselbst  in  einem  Fächerwerk  von  zarten  Membranen  eingeschlossen  in 
Form  einer  concentrirten  Lösung  enthalten.  Zur  Darstellung  wird  das  Eiweiss  des 
frischen  Eies  mit  der  Scheere  zerschnitten,  ein  gleiches  Volum  Wasser  hinzugefügt 
und  filtrirt.  Die  Lösung  wird  an  der  Luft  bald  bräunlich ;  man  erhält  das  Eieralbumin, 
indem  man  in  dieselbe  gepulvertes  Magnesiumsulfat  bei  20°  bis  zur  Sättigung  einträgt, 
den  Niederschlag  mit  einer  bei  dieser  Temperatur  gesättigten  Lösung  von  Magnesium- 
gui fat  wäscht,  hierauf  die  filtrirtc  Flüssigkeit  bei  20°  mit  Natriumsulfat  sättigt, 
den  entstandenen  Niederschlag  auspresst,  mehrmals  in  Wasser  löst  und  durch 
Sättigen  mit  Natriumsulfat  fallt,  schliesslich  werden  die  Salze  durch  Diffusion 
entfernt  und  die  möglichst  salzfreie  Lösung  bei  40 — 45°  getrocknet.  Das  so 
gereinigte  Eieralbumin  hat  nach  Hammarsten  die  Zusammensetzung   C  52.25, 
H  6.9,  N  15.25,  S  1.93,  0  23.67  in  100  Theilen.  Die  spec.  Drehung  wurde  von 
8tarke  (a)  D  =  —  37.79  gefunden.  Die  wässerigen  Lösungen  des  Eieralbumins 
werden  durch  Schütteln  mit  Aether  allraälig  gefällt,  das  Coagulum  wird  durch 
rauchende  Salzsäure  schwer  gelöst,  wobei  es  in  Acidalbumin  (s.d.)  übergeht. 
Auch  durch  Alkohol  wird  es  als  coagulirtes  Eiweiss  gefällt.  In  starker  Salpeter- 
säure löst  sich  das  Eieralbumin  schwieriger  als  Serumalbin.  Loe  bis  eh. 

Eieralbumin,  tro  ckenes,  s.  Bd.  I,  pag.  195. 

EierCOnServation.   Da  der  nährende  Theil  der  Vogeleier  —  welche  ala 
Nahrungsmittel  hauptsächlich  in  Betracht  kommen  —  sich  in  einer  schwer  durch- 
dringlichen Schale  befindet,  so  unterliegen  die  Eier  der  Verderbniss  im  Allgemeinen 
nicht  so  rasch  wie  die  sonstigen  animalischen  Nahrungsmittel.  Jedoch  verlieren 
sie  trotz  der  Schale  täglich  20 — 40  mg  Wasser  durch  Verdunsten  und  der  am 
oberen  Ende  des  Eies  befindliche  Luftraum  (s.  Eierprüfung)  füllt  sich  mit 
von    aussen  eindringender  atmosphärischer  Luft,  welche  Pilzkeime  mit  sich  führt, 
die  das  Faulen  des  Eies  einzuleiten  im  Stande  sind.  Durch  die  Fäulniss  wird  das 
Eiweiss  des  Eies  zersetzt,  überdies  auch  das  Lecithin,  es  entwickeln  sich  Schwefel- 
wasserstoffgas, übelriechende  Derivate  der  Fettsäuren,  Fäulnissbasen  etc.,  das  Ei 
wird  ungeniessbar  und  gesundheitsschädlich.  Demnach  wird  die  Conservation  der 
Eier  erreicht,  wenn  der  durch  die  Poren  der  Schale  stattfindende  Luftzutritt  zum 
Inhalt  des  Eies  möglichst  vollständig  verhindert  wird.  Dies  wird  auf  mannigfache 
Weise  mehr  oder  weniger  vollständig  erreicht.  Man  hüllt  die  Eier  in  Kalk,  Lehm,  in 

Digitized  by  Google 


590 


EIERCONSE  R  V  A  T  ION.  —  EIERFARBEN. 


Asche,  Sägespäne,  Spreu  u.  Aehnl.  ein,  oder  man  überzieht  die  Eierschalen  direct 
mit  einer  möglichst  luftdichten  Masse. 

Das  Einlegen  in  Kalk  wird  häufig  angewendet,  jedoch  das  Eiweiss  der  auf 
diese  Art  eonservirten  Eier  verliert  seine  zähflüssige  Beschaffenheit  und  lässt  sich 
daher  nicht  zu  dem  in  der  Rüche  oft  nöthigen  Schaum  schlagen,  auch  springen 
die  Schalen  gern  in  kochendem  Wasser.  Ein  ähnliches  Verfahren  ist  das  Einlegen 
der  Eier  in  Kalkwasser  und  Aufbewahren  des  Behälters  an  einem  dunkeln  Ort, 
doch  bat  dasselbe  die  gleichen  Nachtheile,  wie  das  frühere,  die  Schale  wird  über- 
dies leicht  brüchig  uud  es  gehen  beim  Herausnehmen  viele  Eier  verloren.  Durch 
Einlegen  der  Eier  in  Asche  oder  in  Sägespäne  gelingt  es  ebenfalls ,  dieselben 
für  einige  Zeit  lang  zu  conserviren,  doch  trocknen  die  Eier  dabei  ein  und 
halten  sich  dann  nicht  lange.  Ein  erprobtes  Mittel  ist  auch  das  Einreiben  der 
Eier  mit  feingepulvertem  Kochsabs  und  nachheriges  Liegenlassen  in  Salzwasser 
während  drei  Stunden.  In  der  Weise  behandelte  Eier  behalten  ihren  Wohlgeschmack ; 
auch  das  Einlegen  derselben  in  5procentige  Lösung  von  Salicylsäure  hat  sich 
bewährt.  Die  besten  Resultate  liefert  jedoch  das  Ueberzieheu  der  Eier  mit  einem 
luftdichten  Verschluss.  Als  einfachstes  Verfahren  dieser  Art  gilt  das  Einhüllen  der- 
selben in  einen  dünnen  Lehmbrei ,  welchen  man  dann  trocknen  lässt.  Sehr  ver- 
lässlich ist  das  Ueberziehen  der  Eier  mit  einer  Decke  von  geschmolzenem  Paraffin, 
oder  von  Leim  und  nachheriges  Trocknen.  Auch  Eintauchen  in  Gummiwasser 
und  nachheriges  Rollen  in  Gypsmebl .  ferner  Ueberziehen  mit  Wasserglas  wurde 
zu  gleichem  Zwecke  mit  Erfolg  angewendet.  Artmann  empfiehlt,  die  Eier  mit  einer 
Lösung  von  10  Th.  weissem  Pech  in  50  Th.  siedendem  Baumöl  zu  tränken  und 
dann  mit  Asche  zu  bestreuen.  Die  so  behandelten  Eier  werden  dann  in  ihrer 
natürlichen  Lage  oder  mit  dem  stumpfen  Ende  nach  obeu,  ohne  jegliche  Unter- 
lage in  Töpfe,  Kästen  u.  s.  w.  gelegt,  welche  in  trockenen,  kühlen,  jedoch  frost- 
freien Räumen  aufbewahrt  werden  sollen.  Am  haltbarsten  sind  die  Frühsommereier, 
auch  müssen  zur  Conservation  so  weit  als  möglich  die  hartschaligen  ausgesucht 
werden.  Nur  iu  Kürze  sei  noch  bemerkt,  dass  die  Eier  auch  einer  spontanen 
Vcrderbni8s  unterliegen  durch  Schimmelpilze  und  Spaltpilze,  welche  dem  Eiweiss 
im  Eileiter  beigemengt  werden  durch  Krankheiten  der  Henne  und  auch  durch  den 
Begattungsact  beigemengt  werden  könneu;  gegen  diese  Art  des  Verderbens  der 
Eier  schützt  natürlich  keine  Art  der  Conserviruug.  Loebisch. 

EierCOnservet).  Es  kommen  unter  dieser  Bezeichnung  mehrere  Präparate  in 
den  Handel,  welche  entweder  das  Eigelb  allein  oder  das  Eiweiss  oder  den  ganzen 
Inhalt  des  Eies  in  Pulverform  enthalten.  Die  Darstelluugsweise  dieser  Conserven 
wird  bis  uuu  noch  geheim  gehalten,  jedoch  ist  leicht  zu  erratheo,  dass  sie  durch  Ab- 
dampfen des  Eiinhaltes  oder  der  einzelnen  Bestandteile  im  Vacuumapparat  bei 
niederer  Temperatur  und  nachheriges  Pulvern  der  getrockneten  Masse  dargestellt 
werden.  Da  die  Fabrikation  des  trockenen  Eieralb umius  (s.  Bd. I,  pag.  195)  sich 
nur  dann  rentirt,  wenn  gleichzeitig  der  Absatz  für  die  Eidotter  gesichert  ist,  so  ;st 
der  Fabrikant  häufig  gezwungen,  letztere  zu  Conserven  zn  verarbeiten.  Loebisch. 

EiereiweiSS,  das  Weisse  der  Vogeleier ,  ist  der  eiweissreichere  Theil  des 
Inhaltes  der  Vogeleier,  welches  sich  vom  Eidotter  (s.d.)  mechanisch  leicht 
trennen  lässt,  und  besteht  auB  der  concentrirten  Lösung  von  Eieralbumin,  welche 
nebst  Fetten,  Traubenzucker,  Extractivstoffen  und  anorganischen  Salzen  in  einer 
feinen ,  tcxturlosen ,  mit  zahlreichen  Querfäden  ausgestatteten  Membranhülle  ein- 
geschlossen ist.  An  chemischen  Bestaudtheilen  enthält  das  Eiweiss  des  Hühnereies : 
Wasser  85.75  Procent,  Stiekstoßsubstanz  12.67  Procent,  Fett  (Palmitin,  Olein} 
0.25  Procent,  Spuren  von  Traubenzucker,  Salze  0.59  Procent.  —  S.  auch  Eier 
und  Eidotter.  Loebisch. 

Eierfarben.  Di«  zum  Färben  der  Eier  verwendeten  Farbstoffe  dürfen  nicht 
giftig  sein,  da  häufig  auch  die  äussere  Schichte  des  Eiweisses  mitgefärbt  wird. 
Vielfach  verwendet  man  zum  Eierfarben  unschuldige  Pflanzenfarbstoffe ,  nnd  iwar 


Digitized  by  Google 


EIERFARBEN.  —  EIERPRÜFL'NG. 


591 


für  Schwarz:  Campecheholz;  für  Roth:  Fernamhukholz,  unter  Zusatz  von  etwas 
Alaun  und  Weinstein;  für  Gelb:  Zwiebelschalen  oder  Gelbholz  unter  Zusatz  von 
etwas  Soda,  oder  Gelbbeeren  unter  Zusatz  von  Alaun ;  für  Grün :  Gelbholz  und  Indigo- 
carmin.  Die  Eier  werden  in  Wasser ,  dem  diese  Substanzen  zugesetzt  sind ,  ge- 
kocht Marmorirte  Färbung  der  Eier  erzielt  man,  wenn  man  die  Eier  mit  Gummi- 
schleim  bestreicht,  mit  einem  Gemisch  von  klein  geschnittenen  oder  gestossenen 
Malvenblüthen ,  Cnrcumawurzel ,  Cochenille  bestreut  und  darin  einwickelt,  in  ein 
Stück  Gaze  einbindet  und  in  Wasser  kocht.  Schönere  und  lebhaftere  Färbungen 
erzielt  man  mit  Theerfarbstoffen,  die  zu  diesem  Zwecke  vorbereitet,  mit  etwa  nöthig 
werdenden  Beizen  bereits  vermischt  in  den  Handel  gebracht  werden.  Besonders 
bei  diesen  ist  darauf  zu  achten,  dass  sie  nicht  arsenhaltig  sind  und  weder  Pikrin- 
säure, noch  giftige  Azofarbstoffe  enthalten. 

EierÖl,  Oleum  OVOriim.  Das  Eieröl  wird  durch  Auspressen  des  Dotters 
gekochter  Eier  bei  gelinder  Wärme  oder  durch  Extraction  mit  Petroleumäther 
gewonnen.  Die  Extraction  mit  Aethyläther  vorzunehmen,  ist  weniger  vortheilhaft, 
weil  derselbe  noch  andere,  schleimige  Substanzen  aus  dem  Eidotter  aufnimmt,  von 
denen  das  Oel  erst  durch  Erhitzen  und  Abfiltriren  getrennt  werden  muss.  Der 
Fettgehalt  des  Eidotters  beträgt  ca.  20—24  Procent. 

Das  Eieröl  ist  bei  gewöhnlicher  Temperatur  dickflüssig  und  setzt  in  der  Kälte 
Stearin  ab.  Es  besteht  aus  TrioleTn,  Palnütin  und  Stearin,  enthält  Spuren  von  Cho- 
lesterin und  zwei  Farbstoffe,  LuteYne,  denen  es  seine  schöne  gelbe  Färbung  verdankt. 

Nach  Schaedler  wird  es  im  Grossen  als  Nebeuproduct  der  Albuminfabrikation 
gewonnen  und  bildet  ein  ausgezeichnetes  Material  für  die  Sämischgerberei.  Auch 
in  der  Pharmacie  und  zur  Erzeugung  von  Toiletteseifen  hat  es  eine  beschränkte 
Anwendung  gefunden.  Benedikt. 

Eierprüfung.  Da  eine  Verfälschung  des  Eierinhaltes  nicht  möglich  ist,  die 
Güte  desselben  aber  hauptsächlich  davon  abhängt,  dass  das  Ei  frisch  ist,  so  ist 
die  Prüfung  des  Eies  dahin  gerichtet,  zu  constatiren,  ob  das  Ei  frisch  ist  oder 
verdorben  und  bebrütet.  (Nur  die  Chinesen  gemessen  Eier,  welche  bereits  halb- 
ausgebrütete Junge  enthalten,  als  Delicatesse.)  Frische  Eier  sind  bis  gegen  die 
Mitte  hin  transparent,  bei  bebrüteten  Eiern  ist  dies  nicht  der  Fall.  Aeltere  Eier 
sind  am  oberen  dicken  Theil  des  Eies  wegen  des  daselbst  befindlichen  Luftraumes 
stärker  durchscheinend.  Es  hat  nämlich  die  Schalenhaut  der  Eier  zwei  Blätter, 
zwischen  diesen  bildet  sich  bei  längerem  Aufbewahren  der  Eier  in  Folge  von 
Wasserverdunstung  ein  mit  Luft  erfüllter  Hohlraum.  Demgemäss  haben  frisch  gelegte 
Eier  noch  keinen  Luftraum,  dieser  entsteht  erst  später  und  vergrössert  sich,  je 
älter  das  Ei  wird,  und  es  bieten  das  Vorhandensein  und  die  Grösse  des  Luft- 
raumes Anhaltspunkte  für  die  Beurtheilung ,  ob  ein  Ei  frisch  und  wie  alt  es  ist. 
Zur  Prüfung  der  Transparenz  des  Eies  dienen  eigene  Instrumente ,  die  soge- 
nannten Eierprüfer,  Eierspiegel,  Ovoskope.  Dieselben  beruhen  darauf, 
dass  man  nur  die  durch  das  Ei  hindurch  gegangenen  Lichtstrahlen  dem  Auge 
zuführt.  Hierzu  dient  z.  B.  ein  dem  Stereoskopkästchen  ähnlich  gebautes  grösseres 
Kistchen,  welches  innen  geschwärzt  ist  und  an  der  vorderen  Wand  ein  oder 
zwei  Oeffnungen  für  ein  oder  für  beide  Augen  hat.  Im  Innern  des  Kistchens 
befindet  sich  gegenüber  diesen  Oeffnungen  ein  Spiegel  zur  Leitung  des  Lichtes 
in's  Auge,  die  obere  Wand  enthält  die  Oeffnungen  für  die  Eier,  welche ,  um  das 
eindringen  von  Licht  zu  verhindern ,  an  den  Rändern  mit  Sammt  oder  weichem 
Leder  ausgefüttert  sind.  Mit  einem  solchen  Instrumente  kann  man  eine  grössere 
Anzahl  Eier  auf  einmal  untersuchen.  Eine  gebräuchliche  Art  der  Prüfung  ist  auch, 
dass  man  die  hohle  Hand  um  das  zu  prüfende  Ei  legt  und  dieses  dicht  vor  das 
beschattete  Auge  gegen  das  Licht  hält.  Diese  Methode  ist  jedoch  nur  bei  den 
weissen  Eiern  anwendbar.  Bei  dunklen  Eiern  —  Kibitze  und  Möven  —  ist  man 
Äiif  die  nun  folgende  Wasserprobe  angewiesen. 

Weitere  Anhaltspunkte  zur  Bestimmung  des  Alters  der  Eier  geben  nämlich 
das  speeifische  Gewicht  und  die  Beweglichkeit  des  Inhaltes.  Die  frischen  Eier 

Digitized  by  Google 


592 


EIERPRÜFUNG.  —  EINBALSAMIREN. 


Bind  specifisch  schwerer  als  Wasser  und  schwimmen  nicht,  dies  ist  jedoch  bei 
seit  mehreren  Tagen  aufbewahrten  Eiern  wegen  des  Wasserverlustes  durch 
Verdunstung  —  täglich  20 — 40  mg  Gewichtsverlust  —  immerhin  der  Fall. 
Um  in  einer  grösseren  Menge  von  Eiern  die  alten  durch  ihr  geringeres  speci- 
fisches Gewicht  von  den  frischen  Eiern  abzusondern,  bereitet  man  eine  Salz- 
lösung von  1  Th.  Kochsalz  und  10  Th.  Wasser,  in  dieser  Lösung  schwimmen  die 
alten  Eier,  während  die  frischen  langsam  untersinken.  Nach  Leppig  zeigt  das 
specifisehe  Gewicht  der  Hühnereier  je  nach  ihrem  Alter  folgende  Schwankungen. 
Frische  Eier  haben  ein  specifisches  Gewicht  von  1.0784  bis  1.0942,  im  Mittel 
1.080;  im  April  und  Mai  erleidet  das  specifische  Gewicht  beim  Aufbewahren  der 
Eier  eine  tägliche  Verminderung  von  0.0018 ,  im  Juni  und  Juli  eine  solche  von 
0.0017.  Eier,  welche  ein  specifisches  Gewicht  von  1.5  besitzen,  sind  demnach 
mindestens  drei  Wochen  alt,  bei  einem  specifischen  Gewicht  von  1.015  beginnen  die 
Eier  auch  schon  faul  zu  werden.  Die  Beweglichkeit  des  Eierinhaltes  gibt  sich  durch 
das  sogenannte  Schwappen  zu  erkennen ;  es  kommt  dies  nur  bei  älteren  Eiern 
vor.  Man  prüft  darauf  durch  Schütteln  des  Eies ;  doch  darf  diese  Art  der  Prüfung 
nur  bei  Eiern  angewendet  werden,  die  zum  sofortigen  Verbrauch  bestimmt  sind, 
weil  das  Schütteln  das  Verderben  des  Eies  sehr  begünstigt.  Der  Geruch  der  faulen 
Eier  ist  durch  die  Schale  nicht  nachweisbar.  Eier,  die  in  Kalk  aufbewahrt  wurden 
(s.  Eierconservation),  sind  daran  zu  erkennen,  dass  sie  durchaus  weiss,  ohne 
Schmutzflecke,  jedoch  uneben  rauh  und  ohne  Glanz  erscheinen.  Erfrorene  Eier 
sind  nicht  ganz  zu  verwerfen,  man  lässt  sie  in  Schnee  oder  in  kaltem  Wasser 
langsam  aufthauen  und  verbraucht  sie  dann  schnell,  weil  sie  leicht  verderben.  Für 
alle  Fälle  Jeidet  durch  den  Frost  der  Geschmack  der  Eier,  sie  werden  übrigens 
durch  länger  dauernde  starke  Fröste  für  die  Küche  ganz  unbrauchbar.  Loebiscb. 

Eigelb,  s.  Eidotter. 

Eigenwärme,  s.  Körpertemperatur. 

EÜ86I1,  Lippe-Schaumburg  in  Deutschland,  hat  vier  erdige  Schwefelquellen  mit 
Temperaturen  von  11 — 12.5.  Der  Wiese nbrunnen  hat  den  geringsten  Gehalt  an 
festen  Bestandtheilen  CaS04  0.466  und  an  H2S  0.067  auf  1000  Th.;  derAugen-, 
Georgen-  und  Julianenbrunnen  zeigen  nur  geringe  Unterschiede,  sie  enthalten 
CaS04  1.847,  1.016  und  1.730  und  Ha  S  0.079,  0.088  und  0.075  auf  1000  Th. 

Einäschern,  8.  Aschenbestimmung,  Bd.  I,  pag.  676. 

Einäscherung.  Zur  mikroskopischen  Beobachtung  stark  verkieselter  Ober- 
häute (z.  B.  Equisetum)  oder  der  Kieselpanzer  der  Diatomeen  bedient  man  sich 
mit  Vortheil  der  Einäscherung.  Nach  Sachs  erhält  man  schöne  Kieselskelette, 
wenn  man  das  Präparat  auf  Platinblech  in  einem  grossen  Tropfen  Schwefelsäure 
über  der  Flamme  so  lange  erhitzt,  bis  die  weisse  Asche  übrig  bleibt. 

Einbalsamiren.  Unter  Einbalsamirung  versteht  man  im  engeren  Sinne  die 
durch  Anwendung  von  balsamischen  Mitteln  (Harzen  u.  dergl.)  erzielte  Con- 
servirung  von  Leichen ,  im  weiteren  Sinne  aber  überhaupt  jede  Conservirung  der 
Leichen,  ob  sie  durch  dieses  oder  jenes  Mittel  erreicht  wird. 

Die  Einbalsamirung  der  Leichen  war  im  Alterthume  in  gewissen  Ländern  sehr 
verbreitet,  namentlich  in  Egypten,  wo  besondere  klimatische  und  Bodenverhält- 
nisse, sowie  religiöse  und  hygienische  Momente  Anlass  zur  Entstehung  dieser  ßitte 
gegeben  haben  mochten.  Schon  5000  v.  Ch.  wurden  in  Egypten  die  Leichen  vor- 
nehmer Personen  einbalsamirt  und  dann  in  unterirdischen  Höhlen  und  Schächten 
oder  innerhalb  pyramidenartiger  Steincolosse  verwahrt.  Diese  conservirten  Leichen 
heisst  man  Mumien  von  Mum  =  Wachs. 

Nach  Hkrodot's  Beschreibung  gab  es  bei  den  Egyptern  drei  Gassen  von 
Einbalsamirung. 

Bei  der  ersten  und  theuersten  Ciasse  wurde  zuerst  das  Gehirn  aus  der 
Schädelhöhle  mittelst  eines  hakenförmigen  Instrumentes  und  nachfolgender  Ein- 

Uigitizecl  uy  G 


EINBALSAMIREN. 


501 


spritzungen  von  gewissen  „Pharmaca"  (wahrscheinlich  Aetznatron)  entfernt.  Dann 
wurde  die  Bauchhöhle  eröffnet  und  die  Bauch-  und  Brusteingeweide  herausge- 
nommen, von  denen  ein  Theil  mit  phönizischein  Wein  und  zerriebenen  aromatischen 
Substanzen,  wie  Cassia,  Myrrha,  Terpentin  u.  dergl.,  imprägnirt  und  wieder  in 
die  Bauchhöhle  zurückgebracht  wurde ,  während  man  den  anderen  Theil ,  wahr- 
scheinlich die  Gedärme,  in  den  Nil  warf.  Hierauf  wurde  die  Leiche  mit  „Nitrnm" 
eingesalzen  und  durch  70  Tage  in  einer  nitrumhaltigen  Lauge  liegen  gelassen. 
Das  „Nitrum"  durfte  aber  kaum  Salpeter  allein  gewesen  sein ,  sondern  wahr- 
scheinlich ein  Gemisch  von  Natron- ,  Kali-  und  Thonerdesalzen ,  wie  sie  in  den 
egyptischen  und  äthyopischen  Seen  vorkommen.  Nach  der  Herausnahme  aus  der 
Nitrumlauge  wurde  die  Leiche  noch  mit  aromatischen  Substanzen  gewaschen,  dann 
getrocknet  und  mit  den  sogenannten  Byssusbinden  (Binden  aus  Baumwolle  und 
Hanf)  umwickelt,  und  zwar  zuerst  jedes  Glied  für  sich  und  dann  der  Körper  im 
Ganzen.  Schliesslich  kam  die  Leiche  in  einen  Kasten  aus  Sykomoren-  oder  Codern- 
holz,  welcher  noch  tibergypst,  bemalt  und  vergoldet  wurde. 

Bei  der  zweiten  Classe  der  Einbalsamirung  wurde  die  Bauchhöhle  nicht 
eröffnet,  sondern  es  wurde  eine  balsamische  Flüssigkeit  „Cedria"  (wahrscheinlich 
in  Aetznatron  gelöstos  Cedernharz)  durch  den  After  eingespritzt  und  letzterer 
verstopft,  die  Leiche  mit  Nitrum  eingesalzen  und  durch  70  Tage  in  Nitrumlauge 
gelegt.  Nach  dieser  Zeit  Hess  man  die  Flüssigkeit  aus  dem  After  wieder  aus- 
fli essen,  trocknete  die  Leiche  und  umwickelte  sie  mit  den  Byssusbinden. 

Bei  der  dritten  Classe  spritzte  man  „Surmaja"  (wahrscheinlich  einfaches 
Aetznatron)  in  den  After  ein  und  verfuhr  im  üebrigen  ahnlich  wie  bei  der 
2.  Classe,  nur  dass  der  Körper  nicht  mit  Binden  umwickelt  wurde. 

Die  Richtigkeit  dieser  von  Herodot  gelieferten  Beschreibung  wird  von  neueren 
Forschern  in  manchen  Punkten  augezweifelt.  So  glaubt  man ,  dass  die  Leiche 
sogleich  uach  der  Herausnahme  der  Eingeweide  in  die  Nitrumlauge  kam  und  erst 
dann  die  verschiedenen  Höhlen  mit  geschmolzenen  Harzen ,  wie  Cedria ,  Asphalt 
u.  dergl.,  ausgegossen  wurden. 

Die  Aethyopier  Hessen  ihre  Leichen  austrockneu,  schlugen  sie  dann  in 
Gyps  ein  und  stellten  sie  schliesslich  in  eine  hohle,  durchsichtige,  aus  „Hyalos" 
(vielleicht  Steinsalz)  bestehende  Säule. 

Die  Assyrier  sollen  ihre  Leichen  in  Wachs  und  Honig  conservirt  haben. 
Bei  den  Griechen  kamen  Einbalsamirungen   nur  ausnahmsweise   vor,  und 
zwar    blos    zum  Zwecke  der  Transportirung  von  Leichen;  so  wurde  die  Leiche 
Alexander  d.  G.  in  Honig  conservirt  und  nach  Alexandrien  gebracht. 

Die  alten  Peruaner  hatten  ihre  Leichen  mit  Binden  umwickelt  und  dann 
in  sitzender  Stellung  in  Mörtel  eingeschlossen,  während  die  Südsee-Iusulaner 
die  Todten  durch  mehrere  Monate  mit  Cocosnussöl  einrieben  und  hierauf  an  der 
Sonne  austrockneten. 

Im  Mittelalter  kannten  in  Europa  die  Kunst  der  Einbalsamirung  nur  einige 
w  enige  Alchyinisten,   Aerzte  u.  dergl.,  welche  dieselbe  in  geheimnissvoller  Weise 
hüteten.  In  den  letzten  Jahrhunderten  hatten  sich  einzelne  holländische,  französische, 
italienische  und  auch  deutsche  Aerzte  durch  ihre  Geschicklichkeit  im  Einbalsamiren 
bekannt  gemacht.    Sie  verwendeten  hierzu  entweder  trockene  Substanzen,  wie 
Salpeter,  Alaun,  Salmiak,  Harze,  oder  Flüssigkeiten,  wie  Alkohol,   Holz-  oder 
Weinessig,  Terpentiu.  In  ersterem  Falle  wurden  zuerst  die  grossen  Körperhöhlen 
ihres  Inhaltes  entleert  und  auch  aus  den  Weiehtheilen  durch  Einschnitte  die 
Flüssigkeit  entfernt;  dann  wurde  der  Körper  mit  den  obengenannten  Salzen  odor 
Harzen  aussen  und  innen  eingerieben,  die  Höhlen  mit  aromatischen  Kräutern  aus- 
gefüllt und  schliesslich  der  Körper  in  Binden  eingewickelt,   welche  mit  aromati- 
schen Substanzen  getränkt  waren. 

Als  man  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  die  faul  nisswidrige  Wirkung  einiger 
Metallverbindungen,  insbesondere  des  Sublimats  und  des  Arseniks,  kennen  lernte, 
Real-Encyclop&die  der  gtm.  Pharmacia.  III.  38 

Digitized  by  Google 


504 


EINBALSAMIREN.  —  EINBETTUNG. 


verwendete  man  dieselben  auch  zur  Leichenconservirung ,  und  zwar  fing  man 
jetzt  an,  Losungen  dieser  Substanzen  in  die  grossen  Blutgefässe  einzuspritzen. 

Chaussier  in  Paris  war  der  Erste,  welcher  eine  alkoholische  Lösung  von 
Sublimat  injicirte  und  auf  diese  Art  die  Leiche  Ludwig  XVIII.  einbalsamirte, 
während  Tranchina  in  Neapel  zuerst  Arsenik  zur  Leichenconservirung  benutzte. 
Aber  auch  andere  Metallsalze,  wie  Chlorzink,  essig-,  schwefel-  oder  salzsaure 
Thonerde,  wurden  zu  diesem  Zwecke  verwendet.  So  gebrauchte  Gannal,  dessen 
Einbalsamirungen  in  den  Vierzigerjahren  in  Paris  eine  gewisse  Berühmtheit  erlangt 
hatten,  eine  Mischung,  welche  aus  gleichen  Theilen  von  schwefelsaurer  und  salz- 
saurer Thonerde  bestand,  wovon  1kg  in  61  einer  Lösung  von  500g  Arsenik 
in  40 1  Wasser  gelöst  wurde.  Um  die  Gesichtsfarbe  durch  Verleihung  eines  rötblichen 
Schimmers  lebhafter  zu  machen,  spritzte  man  noch  überdies  eine  Auflösung  von 
Carmin  in  essigsaurem  oder  schwefelsaurem  Ammoniak  in  die  Gesichtsarterien  ein. 

Zu  erwähnen  ist  noch,  dass  man  auch  gasförmige  Substanzen  zur  Oonservirung 
zu  benutzeu  versuchte;  so  Dcpres,  welcher  die  Dämpfe  der  schwefligen  Säure 
in  die  grossen  Blutgefässe  einleitete. 

In  der  neuesten  Zeit  wird  auch  Carbolsäure  oder  Thymol  verwendet,  nament- 
lich wenn  es  sich  um  Oonservirung  für  kürzere  Dauer,  z.  B.  für  anatomische 
Unterrichtszwecke,  handelt.  So  pflegt  man  in  den  Secirsälen ,  um  das  Leichen- 
material für  einige  Zeit  vor  Fäulnis*  zu  schützen ,  eine  Carbolsäurelösung  in 
Glycerin  mit  oder  ohne  Zusatz  von  Alkohol  in  die  Blutgefässe  zu  injiciren. 

Beabsichtigt  man,  eine  Leiche  zum  Behufe  der  Agnosciruug  oder  der  Besichti- 
gung durch  eine  Geriehtscomniission  blos  für  einige  Tage  auf  möglichst  einfache 
Weise  vor  Fäulnis«  zu  schützen ,  so  kann  man  dieselbe  in  Tücher  einwickeln, 
welche  mit  einer  coucentrirten  Carbolsäurelösung  wiederholt  begossen  werden. 

Die  jetzt  gebräuchlichste  Einbalsamirungsmethode  besteht  darin ,  dass  man 
eine  Lösuug  von  Sublimat  in  Alkohol  (etwa  1  auf  30)  in  die  beiderseitige 
Artcria  carotis  communis,  axillaris  und  femoral  is  in  centraler  und  peripherer 
Richtung  einspritzt.  Ist  die  Eröffnung  der  Leiche  gestattet,  so  werden  die  Brust- 
und  Baucheingeweide  herausgenommen,  die  betreffenden  Höhlen  mit  der  Sublimat- 
lösung ausgewaschen  und  hierauf  mit  aromatischen  Substanzen  und  Kohlenpulver 
ausgefüllt.  Schliesslich  kann  man  noch  in  die  Nasen-  und  Mundhöhle ,  sowie  in 
den  After  und  in  die  Scheide  mit  Carbolsäure  getränkte  Wattetampons  einlegen 
und  die  Leiche  mit  einer  coucentrirten  Carbolsäurelösung  waschen  oder  mit  Binden 
umwickeln,  welche  mit  dieser  Lösung  getränkt  sind.  Weichsel  bäum. 

Einbettung.  Die  Einbettung'  erstreckt  sich  auf  an  und  für  sich  schnittfähige 
oder  schnittfähig  gemachte  Gegenstände,  welche  ihrer  besonderen  Beschaffenheit 
halber  dieses  vorbereitende  Verfahren  erheischen.  Dasselbe  beruht  auf  der  Um- 
hüllung, beziehentlich  der  Durchdringung  und  Umhüllung  des  in  Dünnschnitte  zu 
zerlegenden  Objectes  mittelst  solcher  Mittel,  welche  aus  dem  flüssigen  Zustande  in 
einen  soweit  erstarrten  übergeführt  werden  können,  dass  sie  eine  reine  und  sichere 
Sehnittführung  gestatten. 

Die  Art  der  Einbettung  gestaltet  sich  je  nach  der  Art  und  der  die  Schnitt- 
fähigkeit bezweckenden  Vorbehandlung  verschieden. 

Sehr  kleine  Körperchen .  wie  Stärkemehl ,  Pollenkörner,  Sporen,  kleine  Samen 
u.  dergl..  behandelt  man  mit  gutem  Erfolge  am  einfachsten  nach  dem  älteren,  schon 
von  Schacht  empfohleneu  Verfahren.  Man  bestreicht  das  flach  geschnittene  Ende 
einer  entsprechend  dicken  Stauge  aus  Hollunder-  oder  Sonnenblumeumark  oder  einen 
dünnen  Kork  mit  einem  Tropfen  einer  dicken  Gummilösung  (10  g  Gummi  arabicum. 
10  g  WaBser  und  30 — 40  Tropfen  Glycerin)  und  lässt  diese  bei  aufrechter  Stellung 
der  Stange  eiutrockuen.  Auf  diese  Unterlage  bringt  man  eine  zweite  Gummischicht 
und  streut  in  diese  die  betreffenden  Gegenstände  ein,  lässt  wieder  trocknen  nnd 
wiederholt  das  Aufbringen  einer  derartigen  Lage  noeh  einige  Mal.  um  zuletzt  mit 
einer  reinen  Gummischicht  abzuschliessen.  Nachdem  der  entsprechende  Trockenheits- 


Digitized  by  Googl 


EINBETTUNG.  595 

grad  erreicht  ist,  bei  welchem  das  Gummi  weder  zu  weich,  noch  zu  spröde  erscheint, 
nimmt  man  mittelst  eines  scharfen  Rasirmessers  zunächst  den  oberen  Theil  der 
Einbettung  weg  und  dann  sich  folgende  feine  Durchschnitte,  unter  denen  man,  da 
man  hier  natürlich  die  Schnittrichtung  in  Bezug  auf  die  in  Frage  kommenden 
Gegenstände  nicht  in  der  Gewalt  hat,  die  geeigneten  unter  dem  einfachen  Mikro- 
skope oder  der  Präparirlupe  aussucht. 

In  ähnlicher  Weise,  aber  auch  recht  gut  für  mittelst  der  Masse  zu  durch- 
dringende Objecto  lässt  sich  die  —  am  zweckmässigsten  aus  eiuer  Handlung  für 
mikroskopische  Präparate  und  Hilfsmittel  zu  beziehende,  aber  auch  eigenhändig  dar- 
stellbare Glycerin-Gelatine  (s.  d.)  anwenden.  Die  Einbettung  erfolgt  hier 
in  der  vorher  durch  Erwärmen  flüssig  gemachten  Masse  in  der  gleichen  Weise 
wie  oben.  Sollen  die  zu  schneidenden  Objecto  durchdrungen  werden,  so  müssen 
dieselben  1 — 2  Tage  oder  auch  länger  in  der  im  Wasserbade  flüssig  zu  erhalten- 
den Masse  verbleiben.  Die  Erhärtung  wird  dann  bei  zarteren  Objecten  durch  Ein- 
trocknen ,  bei  weniger  empfindliehen  durch  Versenken  in  absoluten  Alkohol, 
welcher  nach  10 — 20  Minuten  einen  verschieden  hohen  Grad  derselben  herbei- 
führt, erzielt. 

Ein  ähnliches  Einbettungsmittel  gewährt  eine  Lösung  von  C  e  1 1  o  i  d  i  n  in  gleichen 
Theilen  von  Alkohol  und  Aether.  Gehärtete  Objecte  werden  hier  zunächst  duroh 
Auswaschen  mittelst  destillirten  Wassers  von  dem  Härtungsmittel  befreit,  dann  zur 
Entfernung  des  anhaftenden  Waschwassers  in  Alkohol,  und  weun  erforderlieh  zu- 
letzt in  Aether  gebracht.  Hierauf  genkt  man  die  Objecte,  wenn  sie  durchdrungen 
werden  sollen,  erst  in  eine  verdünnte,  dann  in  eine  syrupdicke  Lösung  ein. 

Die  Erhärtung  geschieht  mittelst  Eiusenkung  in  75 — SOproeentigen  Alkohol, 
welcher  bei  gleichzeitiger  Erhaltung  der  Durchsichtigkeit  dem  Celloidin  eine  schnitt- 
fähige Festigkeit  verleiht.  Diese  Einbettungsweise  empfiehlt  sieh  besonders  um  des- 
willen ,  weil  die  eingebetteten  Objecte  beliebig  lange  in  dem  Alkohol  aufbewahrt 
werden  können,  ohne  zu  leiden,  man  sich  also  reichliches  Material  vorbereiten  kann. 

Für  Gegenstände,  welche  vor  der  Einbettung  eine  Behandlung  mit  Alkohol 
und  flüchtigen  Oelen  verlangen,  verwendet  man  fetthaltige  Einbettungsmassen,  wie 
Paraffin,  Mischungen  aus  Talg  und  Paraffin,  Wachs  und  Oel,  Stearin 
u.  s.  w.,  welche  aber  des  Temperatureinflusses  halber  meist  ein  Ausprobiren  in 
Bezug  auf  ihre  beim  Erstarren  erlangte  Beschaffenheit  verlangen. 

Das  Paraffin,  von  welchem  man  je  nach  der  Beschaffenheit  des  einzubettenden 
Gegenstandes  2  Sorten  von  verschiedener  Schmelzbarkeit  und  Härte  (Schmelzpunkt 
etwa  45°  und  58°)  in  entsprechenden  Mengen  mit  einander  vermischt,  oder  welchem 
man  bei  erwünschter  grösserer  Härte  nach  Bedarf  Ceresin ,  für  eine  weichere 
Masse  ebenso  Vaselin  zusetzt,  bildet  eiue  recht  brauchbare  Masse  für  härtere  und 
zartere  Gegenstände.  Um  grössere  und  robustere  Gegenstände  einzubetten,  ver- 
fertigt man  sieh  vierseitige  Kästchen  aus  Carton  oder  starker  Zinnfolie.  In  diese 
gicsst  man  so  viel  des  bis  eben  zum  Schmelzen  erwärmteu  Paraffins,  dass  es  den 
Boden  einige  Millimeter  hoch  bedeckt  und  lässt  erstarren ,  dann  bringt  man  auf 
diese  Unterlage,  und  zwar  nahe  an  das  eine  Ende  der  langen  Axe  des  Kästchens, 
das  vorher  von  der  Erhärtungsflttssigkeit  befreite,  mit  Alkohol  und  Terpentin-, 
Nelken-  oder  Bergamottöl  behandelte,  mittelst  Fliesspapieres  abgetrocknete  Prä- 
parat und  übergiesst  mit  einer  neuen,  das  letztere  wieder  um  ein  paar  Millimeter 
hoch  bedeckende  Menge  Paraffins ,  wonach  die  Masse  nach  Verlauf  von  etwa 
1   Stunde  sehuittfähig  geworden  ist. 

Sollen  die  Objecte  auf  das  vollständigste  durchdrungen  werden,  so  senkt  man  die 
frischen  Objecte  auf  längere  Zeit  mehrere  Tage  bis  einige  Wochon  in  absoluten 
Alkohol ,  entfernt  diesen  durch  Einlegen,  uud  zwar  wiederum  auf  längere  Zeit  in 
Terpentinöl  oder  Chloroform,  legt  daun,  nachdem  dieses  allen  Alkohol  aufgenommen 
bat,  orst  in  eine  schwache ,  dann  in  mehr  und  mehr  concentrirte  Lösungen  von 
Paraffin,  in  Terpentinöl  oder  Chloroform  und  schmilzt  endlich  in  reines  Paraffin 
ein.  Das  Schneiden  geschieht  dann  unter  Benetzung  der  Schnittfläche  mit  Alkohol, 

33* 

Digitized  by  Google 


596 


EINBETTUNG.  —  EINHORN. 


während  die  Einbettungsinasse  von  den  Schnitten  mittelst  Einlegen  in  eines  der 
oben  genannten  Lösungsmittel  weggelöst  wird. 

Von  den  Mischungen  möge  hier  nur  die  von  Professor  6.  v.  Koch  empfohlene, 
vielfach  bewährte,  namentlich  aber  von  der  äusseren  Temperatur  wenig  beeinflusst 
werdende,  aus  2  Th.  Cacaobutter  und  3  Th.  Spermacet  bestehende  erwähnt  worden. 
Die  Masse  wird  durch  sorgfältiges  Zusammenschmelzen  der  beiden  Bestandteile 
hergestellt .  besitzt  eine  gute  Schnittfähigkeit  und  ausserdem  den  Vortheil ,  dass 
Lösungen  davon  in  ganz  derselben  Weise  zur  Durchdringung  der  in  ähnlicher 
Weise  vorbehandelten  Objecte  verwendet  werden  können,  wie  die  Lösungen  des 
Paraffins. 

Sind  solche  Objecte  mittelst  der  Einbettungslösungen  zu  durchtränken ,  welche 
beim  Uebertragen  von  Alkohol  in  Terpentinöl  oder  Chloroform  eine  Schrumpfung 
erleiden  könnten ,  so  leistet  das  von  Dr.  Giesbeecht  mitgetheilte  Verfahren  gute 
Dienste.  Man  füllt  ein  Cylinderglas  zum  Tbeil  mit  Alkohol  und  lässt  mittelst  einer 
Pipette  das  Oel  oder  Chloroform  darunter  laufen,  so  dass  beide  Flüssigkeiten  zwei 
gesonderte  Schichten  bilden.  Das  Object  bringt  man  dann  auf  den  Alkohol,  in 
welchem  es  allmälig  weiter  und  dann  in  der  untenstehenden  Flüssigkeit  —  der 
man,  wenn  sie  aus  Chloroform  besteht,  um  das  Sinken  zu  befördern,  etwas  Aether 
zusetzt  —  zu  Boden  sinkt,  womit  der  Austausch  der  beiden  Flüssigkeiten  er- 
folgt ist. 

Für  pharm akognostische  getrocknete  Objecte  wird  in  neuester  Zeit  von  Vinassa 
(Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Mikroskopie,  Bd.  H,  pag.  320  u.  f.)  ein  etwas  weit- 
läufiges, im  Vacuum  vorgenommenes  Verfahren  der  Einbettung  angegeben,  welches 
indessen  in  den  meisten  Fällen  zu  guten  Resultaten  geführt  haben  soll.  Wir  ver- 
weisen für  das  genauere  Studium  auf  den  angeführten  Aufsatz  und  begnügen  uns 
hier  nur  Folgendes  anzuführen: 

Schleimreiche,  wasseranziehende  oder  mit  grossen  Hohlräumen  versehene  Objecte, 
wie  z.  B.  Radix  Althaeac,  Liquiritiae,  Pimpinellae,  Rhizoma  Galangae,  Iridis  u.  a., 
werden  in  eine  Glyceringelatiue  ans  150  g  Gelatine,  600  g  Wasser  und  1000  g 
Glycerin  eingebettet. 

Für  Chinarinden,  Radix  Cascarillae,  Cinnamomi  etc.,  Rhizoma  Curcumae,  Zingi- 
beris  u.  a.,  sowie  ähnliehe  Objecte  wird  die  Masse  allmälig  concentirt,  indem  die 
Objecto  je  nach  ihrer  Art  zu  verschiedenen  Zeiten  aus  dem  Vacuum  genommen 
werden.  Harzreiche  und  farbstoffhaltige  Hölzer  werden  zunächst  mit  Alkohol  be- 
handelt, der  so  lange  erneuert  wird,  bis  er  sich  nicht  mehr  färbt  und  dann  ein- 
fach in  verdünntes  Glycerin  eingetaucht,  aus  dem  Vacuum  gebracht,  8 — 14  Tage 
stehen  gelassen  und  die  Operation  so  oft  wiederholt,  bis  beim  erneuten  Einsetzen 
in  das  erwärmte  Vacuum  kein  Schäumen  (Auftreten  von  Luftblasen)  mehr  erfolgt. 

Dippel. 

Einbrodt  S  Reagens  auf  Ammoniak  ist  eine  mit  Kaliumcarbonat  schwach 
alkalisch  gemachte  Quecksilberchloridlösung,  die  mit  Ammoniumsalzen  eine  weisse 
Trübung  oder  solchen  Niederschlag  gibt. 

Eindampfen,  s.  Abdampfen,  Bd.  I,  pag.  3. 

Einfallsebene,  Einfallslos ,  Einfallswinkel»  s.  Brechung,  Bd.  n, 

pag.  374. 

Einfassen,  Einfüllen,  s.  Defect,  Bd.  m,  pag.  423. 
Eingeweidewürmer,  s.  Helminthen. 

Einhorn  n  n  iconiu  s.  Monoceros ,  Licome  Fz.).  Das  in  der  Medicio  des 
15. — 18.  Jahrhunderts  als  Alexipharmakon  ausserordentlich  gesehätzte  wahre 
Ki nhorn,  Unicornu  verum,  war,  wie  der  dänische  Anatom  Babtholixcs  im 
Anfange  des  17.  Jahrhunderts  nachwies,  der  oft  bis  3m  lange,  spiralförmig  ge- 
furchte, weisse  und  elfenbcinharte  Stosszahn  des  in  den  nördlichen  Meeren,  am 


Digitized  by  Google 


EINHORN.  —  EINSAMMLUNG  DER  DROSEN. 


597 


häufigsten  zwischen  70  und  80°  lebenden  Narwal,  Monodon  Monoceros  L. 
(Ceratodon  Monodon  Patt. ,  G.  Monoceros  Briss.,  Narvalus  vulgaris  Lacty./. 
Dasselbe  wurde  in  seiner  Glanzperiode  mit  ganz  enormen  Preisen  bezahlt,  verlor 
aber  nach  dem  Nachweise  seiner  Herkunft  Ansehen  und  Werth.  Neben  dem  wahren 
Einhorn  gab  es  in  den  Apotheken  früherer  Jahrhunderte  noch  das  fossile  Ein- 
horn, auch  fossiles  oder  blaues  Elfenbein  genannt,  Unicornu  s.  Cornu 
fossile,  Ebur  fossile,  die  gebogenen,  3 — 4  m  langen,  bis  8  kg  schweren,  brüchigen, 
aussen  grauen  oder  schwärzlichen,  innen  weissen  Stosszähne  des  in  den  Diluvial- 
schichten von  Asien  und  Europa  häufig  gefundenen ,  ausgestorbenen  Mamuth- 
oder  Mammuth-Elephanten,  Elephas  primigenius  Blb.  Beide,  ihrer  chemi- 
schen Zusammensetzung  nach  zum  animalischen  Kalk  (s.  Bd.  II,  pag.  466) 
mit  vorwaltendem  phosphorsaurem  Kalk  gehörende  Präparate  haben  nur  historische 
Bedeutung.  Das  noch  mancher  Apotheke  als  Wahrzeichen  uud  als  Wappenthier 
im  englischen  Wappen  dienende  pferdeähnliche,  mit  einem  Hörne  an  der  Stirn  ver- 
sehene Einhorn  ist  die  phantastische  Nachbildung  eines  nicht  existirenden,  von  den 
Alten  mit  verschiedenen  Mythen  umgebenen  Thieres  der  Wüste,  in  welchem  man 
bald  die  Giraffe  oder  eine  Art  Antilope,  bald  das  Nashorn  zu  sehen  glaubte, 
dessen  afrikanische  Species,  Rhinoceros  africanus  L ,  auf  dem  Nasenrücken  zwei 
hintereinanderstehende  Hörner  trägt,  während  das  indische  (R.  unicornis  L ,  R. 
indicus  Cuv.)  und  javanische  Nashorn  (R.  javanicus  Cuv.)  allerdings  nur 
ein  solches  führen.  Mit  dem  Unicornu  verum  haben  die  von  einzelnen  deutschen 
Pharmakognosten  als  Einhorn,  Unicornu  ohne  weitere  Bezeichnung,  aufgeführten 
schmutzigbraunen ,  aus  Horngewebe  (nicht  aus  Knochen)  bestehenden  Hörner  des 
Rhinoceros  absolut  nichts  zu  thun.  Th.  Huseiuann. 

Einkorn  ist  eine  bespelzte  Weizenvarietät  (Triticum  monoaoecum  L.)  von 
untergeordneter  Bedeutung. 

Einnehmegläser,  s.  Dosirungsgiaser,  Bd.  in,  pag.  274. 

Einpöckeln,  Einsalzen,  s.  Conservirung,  Bd.  III,  pag.  270, 

Einsammlung  der  Drogen.  Die  Einsammlung  der  arzneilich  angewendeten 
Pflanzen  und  Pflanzen produete  war  ehedem,  soweit  es  sich  um  einheimische 
handelte,  ausschliesslich  Sache  der  Apotheker  oder  von  diesen  beauftragter  Leute. 
Heutzutage,  wo  nur  in  einigen  Gegenden  noch  der  Apotheker  selbst  sich  damit 
beschäftigt  und  die  Drogen  von  den  Händlern  gekauft  werden,  ist  die  Einsamm- 
lung Sache  der  Drogenhandlungen  geworden ,  die  meist  die  Landbevölkerung  zu 
dem  Geschäfte  heranziehen.  80  werden  in  jede  Drogenhandlung  vom  Frühjahr 
bis  zum  Herbst  zahlreiche,  meist  kleine  Posten  eingeliefert,  die  auf  dem  flachen 
Lande  von  den  wildwachsenden  Pflanzen  gesammelt  wurden.  Bei  der  geringen 
Menge  noch  jetzt  arzneilich  verwendeter  einheimischer  Pflanzen  und  der  herrschenden 
Tendenz  der  Pharmakologie,  nur  gut  definirte  und  in  ihrer  arzneiliohen  Wirkung 
leicht  zu  übersehende  Substanzen  in  Anwendung  zu  ziehen,  sinkt  die  Zahl  der 
einheimischen  Drogen  von  Jahr  zu  Jahr,  in  demselben  Masse  nimmt  aber,  da  man 
die  Drogen  doch  nun  einmal  nicht  ganz  entbehren  will,  das  Suchen  nach  neuen 
Drogen  in  fernen  Landern  immer  mehr  überhand.  In  grösserer  Menge  werden 
von  wildwachsenden  einheimischen  Pflanzen  jetzt  eigentlich  nur  noch  die  sogenannten 
narcotischen  Kräuter  (Digitalis,  Belladonna,  Conium,  Hyoscyamus)  und  Samen, 
sowie  einige  Wurzeln  und  Rhizome  (Gentiana,  Ftlir.  Calamus,  Taraxacum)  ge- 
sammelt. Die  Einsammlung,  meist  seit  altersher  in  den  Händen  einiger  Familien, 
geschieht  im  Allgemeinen  zu  einer  Zeit,  die  der  Höhe  der  arzneilichen  Wirksamkeit 
des  betreffenden  Pflanzentheils  entspricht,  so  dass  gegen  die  Art  dieser  Einsammlung 
im  Grossen  und  Ganzen  nichts  einzuwenden  ist.  Auch  vor  Verwechslung  wissen 
sich  die  betreffenden  Sammler,  trotzdem  ihnen  eigentliche  botanische  Kenntnisse 
abzugehen  pflegen,  zu  bewahren.  Langjährige  praktische  Erfahrung  ersetzt  hier 
das  wissenschaftliche  Verständniss.  Immerhin  kommen  Verwechslungen  doch  noch 


Digitized  by  Google 


096 


EINSAMMLUNG  DER  DROGEN. 


da  und  dort  vor.  Um  sich  vor  diesen  zu  bewahren,  sollte  zwar  der  Drogist  mit 
ausreichenden  botanischen  Kenntnissen  ausgerüstet  sein ,  da  er  es  jedoch  oftmals 
nicht  oder  nur  in  geringem  Maasse  ist,  so  liegt  es  dem  Apotheker  ob,  die 
von  dem  Drogisten  aus  zweiter  Hand  gekauften  Waaren  auf  ihre  Identität  und 
Reinheit  zu  prüfen.  Damit  er  dies  kann  und  sich  also  vor  Benachteiligung  oder 
gar  vor  gchwerem  Schaden  zu  bewahren  vermag,  muss  er  botanisch  und  pharmako- 
gnostisch  gut  geschult  sein.  Beide  Disciplinen  besitzen  für  ihn  also  die  grösste  prak- 
tische Bedeutung.  Jedenfalls  darf  es  der  Apotheker  niemals  unterlassen,  die 
gekauften  Drogen  einer  sorgfältigen  Prüfung  zu  unterwerfen ,  da  es  oft  genug 
vorgekommen  ist,  dass  ganz  unschuldigen  Kräutern  giftige  beigemengt  waren. 

Die  Einsammlung  der  nicht  narcotischen  Kräuter,  Wurzeln,  Samen  etc.  geschieht 
ebenfalls  von  der  Landbevölkerung.  Die  „Kräutersamraler,  Wurzelgräber,  Botaniker" 
—  mit  dem  Ton  auf  dem  i  —  wie  sich  die  Leute  nennen,  suchen  die  oft  nur 
ihnen  bekannten  Standorte  der  betreffenden  Pflanzen  zu  der  Zeit  auf,  die  als  die 
beste  durch  die  Tradition  bezeichnet  wird.  Selten  ist  es  möglich,  sie  eines  Besseren 
zu  belehren ,  wenn  die  Zeit,  in  der  sie  seit  altersher  die  Droge  sammelten,  s;ch 
vielleicht  durch  systematische  wissenschaftliche  Untersuchungen  als  unvorteilhaft 
erwiesen  hat.  Mit  der  ganzen  ZShigkeit,  die  den  deutschen  Laudmann  auszeichnet, 
halten  sie  an  ihren  Vorurtheilen  fest,  und  es  ist  um  so  schwerer,  auf  diese  Sammler 
durch  Belehrung  einzuwirken ,  da  sie  auch  jetzt ,  wennschon  in  viel  geringerem 
Maasse  als  früher,  beim  Volke  selbst  in  einem  gewissen  Ansehen  stehen,  da  ihnen 
„der  Pflanzen  'Wirkung  und  Heilkraft"  bekannt  ist.  Sie  sind  gewissermassen  die 
Erben  der  mittelalterlichen  Naturärzte  und  fungiren  als  solche  auch  auf  dem  Lande 
oft  genug  noch  jetzt. 

Ein  grosses,  wissenschaftlich  noch  wenig  bebautes  Feld  der  Drogenkunde  ist 
das,  welches  sich  mit  der  Frage  beschäftigt :  in  welchem  Monate  besitzt 
die  betreffende  Droge  die  grösste  Menge  ihrer  wirksamen  Be- 
standteile? Erst  für  eine  verhültnissmässig  kleine  Anzahl  Drogen  kennen  wir 
den  Zeitpunkt  ihres  maximalen  Gehaltes  genau  und  doch  ist  die  Kenntniss  des* 
selben  das  flauptmoment  für  die  Einsammlungszeit.  Auch  hier  hat  freilich  der 
natürliche  praktische  Sinn  und  ein  gewisses  naturwissenschaftliches  Tactgefühl  mit 
divinatorischem  Scharfsinn  oft  das  Richtige  errathen,  was  nachträglich  durch 
die  Wissenschaft  bestätigt  wurde.  Bei  vielen  unterirdischen  Reservebehältern  z.  B. 
verräth  sieh  die  Erfüllung  mit  Reservematerial  oft  schon  durch  das  pralle  Aussehen. 
Immerhin  wird  darauf  stets  Bedacht  zu  nehmen  sein,  dass  dieselben  nur  zu  der 
Zeit  gesammelt  werden,  die  der  maximalen  Erfüllung  mit  Reservestnffen  entspricht, 
also  zu  einer  Zeit,  wo  sie  weder  noch  nicht  vollständig  erfüllt,  noch  bereits  zum 
Theil  entleert  sind. 

Aber  auch  viele  oberirdische  Organe,  z.  B.  die  Blätter,  erreichen  nur  zu  einer 
bestimmten  Zeit  das  Maximum  ihres  Gehaltes  an  bestimmten  Stoffen.  Durchaus 
nicht  immer  fällt  (lies  Maximum  mit  der  Höhe  der  Entwickelung  des  betreffenden 
Organs  zusainmeu.  Manche  Blätter  sind  z.  B.  an  Alkaloiden  im  jungen  Zustande 
reicher  als  im  ganz  alten.  Doch  kann  man  auch  hier  als  Regel  aufstellen,  dass 
das  Maximum  des  Gebaltes  bei  Blättern  kurz  vor  der  Entleerung  liegt,  die  auch 
das  Blatt  nothwendig  bei  der  Bildung  der  BlUthentheile  erfahren  muss.  Man  kann 
also  ganz  allgemein  sagen,  dass,  während  für  Knollen.  Rhizome  uud 
Wurzeln  die  günstigste  Einsammlungszeit  daszeitige  Frühjahr 
oder  der  späte  Herbst  ist,  also  die  Zeit,  wo  sie  noch  nicht  entleert 
oder  schon  wieder  gefüllt  sind,  Blätter  im  Allgemeinen  kurz  vor  dem 
Blühen  der  Pflanze  zu  sammeln  sind.  Die  Dauer  der  Blüthezeit  ist  meist 
eine  so  kurze,  dass  eine  Zeitangabe  für  die  Blüthen  überflüssig  erscheint. 

In  den  Cultnren  der  Arzneipflanzen,  besonders  in  Cölleda,  ist  auch  die  Ein- 
sammlungszeit genau  geregelt.  Leider  vertragen  die  narcotischen  Kräuter  den 
Anbau  nicht  ohne  Beeinträchtigung  ihrer  arzneilichen  Wirksamkeit.  Sie  entwickeln 
sich  zwar  üppiger,  verlieren  aber  an  Gehalt. 


Digitized  by  Googl 


EINSAMMLUNG  DER  DROGEN. 


599 


Die  Einsammlung'  der  fremdländischen  Drogen  ist  noch  weniger  geregelt  als 
die  unserer  einheimischen.  Unter  genauerer  Controle  stehen  auch  hier  nur  die 
Culturen.  Bei  besonders  werthvollen  Drogen,  wie  z.  B.  der  Chinarinde,  dem  Opium, 
wird  auf  die  Wahl  der  geeigneten  Einsammlungszeit  und  Einsammlungsart  grosses 
Gewicht  gelegt.  Im  Allgemeinen  geht  man  aber,  besonders  in  den  Bezirken,  in 
denen  die  Natur  in  unerschöpflicher  Fülle  immer  von  Neuem  producirt,  ziemlich 
rücksichtslos  vor,  sowohl  was  Zeit  als  Methode  betrifft,  und  da  die  bei  Weitem 
grössere  Menge  fremdländischer  Drogen  nicht  aus  Culturen  stammt,  sondern  von 
den  Einheimischen ,  meist  wilden  oder  halbwilden  Völkern ,  gesammelt  wird ,  so 
kann  es  nicht  überraschen ,  dass  sowohl  in  unverantwortlicher  Weise  dabei  ver- 
geudet wird,  als  auch  die  Einsammlungsart  eine  weder  geregelte,  noch  auf  irgend 
welchen  Erwägungen  tieferer  Art  aufgebaut  ist.  Man  sammelt  meist,  was  und  wie 
man  es  findet,  aufs  Gerathewohl  und  verarbeitet  die  Droge  auf  die  roheste  Weise. 
Wie  viel  z.  B.  jährlich  Kampfer,  Aloö  und  Kautschuk  vergeudet  wird,  lässt  sich 
gar  nicht  in  Zahlen  ausdrücken.  Hier  ist  ein  Punkt,  wo  die  Colonisationsbestrc- 
bungen  einzusetzen  haben. 

Beim  Einsammeln  der  Drogen  ist  wohl  darauf  zu  achten,  dass  nur  derjenige 
Theil  der  Pflanze  gesammelt  wird,  der  wirksam  ist,  dass  z.  B.  die  meist  werth- 
losen Stiele  krautiger  Pflanzen  entfernt  werden.  Wird  dies  vom  Sammler  selbst 
verabsäumt ,  so  muss  der  Drogist  oder  Apotheker  durch  Auslesen  das  Ver- 
säumte nachholen.  Nur  in  den  Fällen,  wo  anhängende  Organe  gute  diagnostische 
Merkmale  abgeben,  die  der  Droge  selbst  abgehen,  lJlsst  man  sie  daran,  wie  z.  B. 
bei  der  Bad.  Hellebori  viridis  und  nigri  die  Wurzelblätter. 

Die  Einsammlung  der  Pflanzen  p  r  o  d  u  c  t  e  ist  eine  sehr  verschiedene  und 
wechselt  nach  dem  Producte  selbst.  Einige  Harze  und  Guromata  fliessen  freiwillig 
aus  und  werden  nur  von  den  Pflanzen  abgelesen  (Gummi  arabicum,  Ammoniacum) , 
bei  anderen  wird  das  Ausfliessen  durch  Einschnitte  befördert  (Terpentin,  Sandarac) 
oder  hervorgerufen  (Euphorbium,  Opium).  In  einigen  Fällen  muss  man  dabei, 
besonders  wo  es  sich  um  Wurzeln  handelt,  die  ganze  Pflanze  opfern  (Asa  foetida). 
Auch  diese  Manipulationen  werden  meist  von  Eingeborenen  ausgeführt  und  sind 
selten  geregelt,  oftmals  sogar  mit  einer  unnöthigen  Schädigung  der  Pflanze  ver- 
bunden, die  in  vielen  Fällen  wohl  zu  vermeiden  wäre. 

Meist  wird  die  bei  uns  eingesammelte  Droge  sofort  vom  Sammler  getrocknet, 
doch  liefern  sie  Viele  auch  in  frischem  Zustande  ein.  Es  liegt  dann  der  Drogen- 
handlung ob,  sie  zu  trocknen. 

Diese  zweite  Manipulation  wird  ebenfalls  nur  in  Europa  und  auch  hier  erst 
seit  etwa  10—20  Jahren  sachgemäss  betrieben.  Nur  bei  einigen  werthvollen  fremd- 
ländischen Drogen,  und  auch  nur  bei  cultivirten,  z.  B.  den  Chinarinden,  gibt  man 
sich  Mühe,  das  Trocknen  sachgemäss  vorzunehmen,  seitdem  sich  gezeigt  hat,  dass 
durch  unsorgfültiges  Trocknen  der  Gehalt  leidet. 

Im  Allgemeinen  kann  als  Regel  gelten,  dass  man  rasch  trocknen  und  thunlichst 
künstliche  Wärme  vermeiden  muss.  Feuchte  Drogen  pflegen  sich  schnell  zu  zer- 
setzen, also  wirksame  Bestandtheile  zu  verlieren  —  ganz  abgesehen  davon,  dass 
sie  unansehnlich  werden.  Das  äussere  Aussehen  zu  erhalten  sind  die  Drogisten 
daher  besonders  bemüht.  Nun  muss  freilich  zugegeben  werden ,  dass  dasselbe  in 
gewisser  Beziehung  wenigstens  die  Integrität  der  Bestandtheile  gewährleistet  und 
daher  einen  guten  Anhaltspunkt  darbietet  -  immerhin  ist  es  jedoch  nicht  das 
Einzige,  worauf  es  ankommt.  Gerade  die  schönsten  und  ansehnlichsten  Handels- 
rinden der  China  z.  B.  sind  oft  genug  die  gehaltarmsten.  Besonders  wird  bei  den 
Blättern  und  Blüthen  auf  gutes  Aussehen,  d.  h.  auf  eine  gute  Erhaltung  der  Farbe 
gesehen.  Dieselbe  wird,  wie  die  Erfahrung  gelehrt  hat,  durch  verbesserte  Trocken- 
vorrichtungen erzielt.  Da,  wie  ich  gezeigt  habe,  der  grüne  Farbstoff  der  Blätter 
sehr  rasch  in  das  olivengrune  Chlorophyllan  übergeführt  wird,  wenn  derselbe  der 
Einwirkung  der  im  Zellsaft  gelösten  Pflanzensäuren  ausgesetzt  wird  und  es  eine 
bekannte  Erfahrung  ist,   dass  bei  Gemischen  verschiedener  Körper  sich  die  Zer- 


Digitized  by  Google 


600 


EINSAMMLUNG  DER  DROGEN. 


Setzung,  die  der  eine  erleidet,  auch  auf  die  anderen  übertragt,  also  eine  Zersetzung 
aller  hervorruft,  so  ist  es  erstes  Erforderniss,  diese  Lösung  so  schnell  wie  möglich 
durch  VerdunstenlaBsen  zu  beseitigen,  denn  corpora  non  agunt  nisi  fluida.  Das 
wird  sehr  leicht  dadurch  geschehen  können,  dass  man  die  Blätter  so  gut  ausbreitet, 
dass  keines  auf  dem  anderen  liegt  und  die  Ausbreitung  in  einem  sehr  gut  durch- 
lüfteten Räume  vornimmt  oder  in  einem  Räume,  der  mit  mechanischen  Vorrichtungen 
versehen  ist,  zur  raschen  Beseitigung  des  Wasserdampfes.  Je  vollkommener  man 
diesen  Anforderungen  entspricht,  um  so  schöner  werden  die  Farben  erhalten  bleiben. 
Am  besten  eignet  sich  die  gewöhnliche  Sommertemperatur  zum  Trocknen,  Aber  40° 
aber  darf  man  in  den  Fällen,  wo  künstliche  Wärme  angewendet  wird,  um  schön 
aussehende  Drogen  zu  erzielen,  nicht  gehen.  Nur  einige  Rhizome  und  Knollen  (wie 
Curcuma  und  OrcJtis)  müssen  gebrüht  werden,  da  sie  sich  auch  bei  40°  nicht 
trocknen  lassen  und  die  Neigung  zeigen,  sobald  sie  genügende  Luftfeuchtigkeit 
finden,  auszutreiben.  Besonders  schleim-  und  zuckerreiche  Drogen  sind  schwer 
zu  trocknen.  Hier  ist,  wenn  nicht  zugleich  ätherisches  Oel  vorhanden  ist,  auch 
eine  höhere  Temperatur  erlaubt  (z.  B.  bei  der  Scilla).  Trotzdem  ziehen  diese 
Drogen  doch  mit  der  Zeit  wieder  Wasser  an,  so  die  schleimreiche  Scilla,  welche 
in  der  Kammer  noch  oft  austreibt,  sogar  blüht,  und  die  zuckerreiche  Liebstöckel- 
wurzel, die  immer  weich  sein  wird.  Ist  es  in  Folge  Raummangels  nicht  möglich, 
die  Drogen  so  weit  auszubreiten,  dass  sie  nur  in  einfacher  Schicht  liegen,  so  wird 
man  auch  dadurch  nachhelfen  können ,  dass  man  täglich  mehrmals  die  Drogen 
wendet.  Wurzeln  kann  man  sehr  praktisch  dadurch  trocknen,  dass  man  sie  auf 
Fäden  reiht  und  diese  aufspannt  —  so  wird  z.  B.  in  Cölleda  die  Angelica  und 
der  Liebstöckel  getrocknet. 

Dicke  Wurzeln  und  Rhizome  werden  in  der  Mitte  der  Länge  nach  aufgespalten 
(Kalmus,  Alant)  oder  in  Scheiben  geschnitten  (Colchicum). 

Nur  eine  verbältnissmässig  kleine  Anzahl  von  Drogen  wird  in  frischem  Zu- 
stande verwendet.  Die  meisten  dieser  frischen  Drogen  werden  aber  auch  nicht  als 
solche  gebraucht,  sondern  zur  Bereitung  der  Succi  recentes  und  anderer  pharm» - 
ceutischer  Pr8 parate  (Extracte,  Tincturen  etc.)  benutzt,  wie  z.  B.  die  Rhizoma 
Filicis,  die  nur  im  frischen  Zustande  verarbeitet  ein  wirksames  Extract  liefert. 
Von  den  Drogen  wird  eigentlich  nur  noch  die  Scilla  in  den  Apotheken  frisch 
vorräthig  gehalten.  Einige  derselben  sind  in  frischem  Zustande  sehr  viel  wirksamer 
als  im  Trockenen,  z.  B.  die  Cort.  rad.  Grauati.  Andererseits  erhalten  auch  eine 
Anzahl  von  Drogen  erst  durch  das  Trocknen  ihren  eigenartigen  Geruch,  wie 
z.  B.  die  Rhiz.  iridis,  die  frisch  sogar  unangenehm  riecht,  auch  beim  Arnika- 
rhizom  kommt  der  charakteristische  Geruch  und  Geschmack  erst  bei  der  getrock- 
neten Droge  zur  vollen  Geltung.  Die  meisten  verlieren  durch  Trocknen  sowohl  an 
Geruch  als  an  Schärfe,  einige  werden  geradezu  geruchlos. 

Den  Wünschen  der  Drogisten,  denen  es  immer  mehr  entsprach,  schön  aussehende 
als  gehaltreiche  Drogen  zu  liefern,  ist  bis  in  die  neueste  Zeit  dadurch  entsprochen 
worden,  dass  man  zahlreiche  Drogen  schälte.  Erst  durch  die  bestimmte  Vor- 
schrift der  deutschen  Pharmakopöe  ed.  II.,  wenigstens  dort  das  8chälen  zu  unter- 
lassen, wo  es  direct  deu  Werth  und  die  Haltbarkeit  vermindert,  wie  bei  Rhiz. 
Calami  und  Rhiz.  FiUds,  ist  man  dahin  gelangt,  von  diesem  Brauche  wenigstens 
theilweise  abzugehen.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass  dies  in  weiterem  Umfange 
noch  geschähe.  Ursprünglich  lag  dem  Schälen  wohl  die  Tendenz  zu  Grunde, 
die  unwirksame  Korks?hicht  zu  entfernen.  In  dieser  Hinsicht  besitzt  es  z.  B. 
beim  Zimmt  einige  Berechtigung.  Nur  dürfte  bei  allen  aromatischen  Drogen 
wohl  zu  erw.'lgen  sein,  ob  die  Korkschicht  nicht  dadurch,  dass  sie  die  Ver- 
dunstung der  ätherischen  Oele  herabmindert,  mehr  nützt  als  sie  die  Brauchbar- 
keit der  Droge  durch  die  Beimischung  der  wenigen  indifferenten  Korkschichten 
beeinträchtigt. 

Bei  ausländischen  Drogen  entscheidet  über  derartige  Manipulationen  fast  aus- 
schliesslich die  Haudelsusance ,  die  z.  B.  noch  jetzt  den  unsinnigen  Kalkflberzug 


Digitized  by  Google 


EINSAMMLUNG  DER  DROGEN.  601 

Uber  die  MuscatnUsse  verlangt,  den  Erdflberzug  der  Cacaobohnen  schätzt  u.  a.  m. 
(vergl.  auch  Arzneipflanzen,  Bd.  I,  pag.  642). 


Tabelle 

über  die  ungefähre  Ausbeute  von    100  Gewichtstheilen  einiger  frisch  gesammelter  meist 

einheimischer  Drogen  an  Trockensubstanz. 


9^ 
•  «cu 

t*f»l    Dilti  in) Yä 

x  t/t«    x/iy IIUMo       •     •     •     •  • 

20 

Z7«»-A  Sernulli 

TV  t  ä  1  Am  t>            11  fia 

IS 

J*  fll'r/ll'/fl) 

-  —  Thutni 

/"Vv**/  \1  * \ 

in 

r  ft/IMC  <f  »tut-  • 

24 

—    l^UerCllH    .     .    .    .  . 

4n 

.  3U 

  XfnJrnv 

2«i 

22 

20 

9A 

  iUCFH/l.             UUU  €7/  Wf/A 

20 

— *     Tifi  II  Silin  II  M/7  # 

f  Vi         MS.  kkl  . 

9A 

90 

9S 

—  Chamomillae  roman. 

.  25 

—  Salviae  

22 

38 

45 

.  .  .33 

.  20 

—  JV./o/m   

22 

.  .  .36 

—  Lavandulae    .  .  . 

.  39 

20 

—  Saponariae 

...  32 

—  Mahne  arbor.    .  . 

.  20 

16 

—  Taraxaci    .  . 

.  .  .22 

Gemmae  Populi    .  .   .  . 

36 

.  .  .24 

.  18 

25 

25 

...  32 

26 

8 

—  Imperatoriae  . 

.  .  .22 

.  19 

—  Tormentillae  . 

.  .  .42 

.15 

20 

Stipit.  Dulcamarae 
lubera  Colchici  . 

.  .  .  33 

—  Belladonnae   .  .  . 

.  18 

28 

.  .  .  34 

Tschirch. 


'  Folia  Malvae. 

—  Pulmonal4  iae. 
Herba  Brancae  ursinae. 

—  Capilli  Vener. 

—  Chelidonii  maj. 

—  Cochleariae. 

—  Con ji  maculat, 
!    —  Farfarae. 

—  Fumariae. 

—  Hederae  terrestr. 
I    —  Jaceae. 

\    —  MillefoUi. 
j   —  Pulnwnariae. 

—  Salriae. 

—  Tanaceti. 

—  Taxi  baccatae. 

—  Trifolii. 
Radix  Aetaeae  spie. 

i   —  Belladonnae. 
I  Rhiz.  Caricis. 
I  Summitates  Sabinae. 
i  Turiones  Pini. 

Monat  Juni. 

|  Cantharide*. 
i  Flores  Althaeae. 
■    —  Arnicae. 
'    —  Borraginis. 
|    —  Calendula«. 

—  Chamomill.  rom. 

—  Chamomill.  vulg. 
1    —  Cyani. 

I    —  Malvae  vulg. 

—  Rhoeados. 

—  Rosa  r  um. 

—  Samhnci. 
i    —  Tiliae. 


Monat  Februar. 

Lif/na  varia. 

Radix  Hellebor.  nigr. 

Viscum  quercin. 

Monat  März. 

Cortex  Frangulae. 

—  Hippocastani. 

—  Mezerei. 

—  Pruni  Padi. 

—  Quere  us. 

—  Salicis. 

—  Ulmi. 

—  Taxi. 
Gemmae  Populi. 
Radix  Althaeae  (2jährig). 

—  Angelicae  (2jährig). 

—  Ar». 

—  Arnicae. 

—  Bardanae  (2jährig). 

—  Consolidae  maj. 

—  Enulae. 

—  Imperatoriae. 
— >  Lapathi. 

—  -  Levistici. 

—  Ononidis. 

—  Paeoniae. 

—  Petroselini. 

—  Taraxaci. 

—  Tormentillae. 

—  Valerianae. 
Jthiz.  Calami  arotn. 

—  Caricis  arenar. 

—  Graminis. 

—  Polypodii. 
Stipites  Dulcamarae. 
Summitates  Sabinae. 


Sammelkalender. 

Monat  April. 

I  Cortex  Quercus. 

—  Salicis. 

■  Flore»  Farfarae. 

—  Violae. 
Folia  Ihne  Ursi. 
Gemmae  Populi. 
Herba  Hepaticae. 

—  Pulmonariae. 

—  Pulsatillae. 

,    —  Taraxaci  c.  rad. 
Liehen  islandicu«. 
Radix  Arnicae. 

—  Bardanae. 

—  Caryojthyllatae. 

—  Cichorei. 

—  Consolidae. 

—  Fmdae. 

—  Leviftici. 

I    —  Ononidis. 

—  Paeoniae. 

—  Petroselini. 

I  —  Pimpinellae. 
i  —  Saponariae. 
I    —  Taraxaci  c.  herba. 

~  Tormentillae. 
!  Rhiz.  Calami. 

—  Gramini«'. 

4 

Monat  Mai. 

Coccionella  septempunetata. 
Flores  Convallariae. 

—  Lnmii  albi. 

1    —  L.Vii  rwi»f/i7/i. 

!    —  Persicae. 

I    —  Primulae  reris. 

—  Roftmarini. 
i    —  Violae. 


Digitized  by  Google 


EINSAMMLUNG  DER  DRÖGEN. 


Foliu  Aurantii. 

—  Belladonnae. 

—  Cichorei. 

—  DigiUili«. 

—  Farfarae. 

—  Hyoscyami. 

—  Juglandis. 

—  Lauro-Cerasi. 

—  Molvae. 

—  Melissae. 

—  Menthae  crisp. 

—  Menthae  piper. 

—  Mcrcurialis. 

—  Salriae. 

—  Crae  Ursi. 
Formicae. 
Herba  Absynthii. 

—  Aconit  i. 

—  Arnicae. 

—  Bona  ff  in  ix. 

—  Capilli  Veneria. 

—  Centaurii  minor. 

—  Clematitis. 

—  Cochleariae. 

—  Fumariae. 
»—  Gratiolae. 

—  Hyssopi. 

—  Lapathi  acut. 

—  Letii  palustr. 

—  Marubii  afb. 

—  Matricuriae. 

—  Millefolii. 

—  Polyytilae  amarae. 

—  Bhois  Toxicodendron. 

—  Rosina  rini. 

—  B  atne. 

—  Saponariae. 

—  Scabiosae. 

—  Scoloptndri. 

—  St-ortlii. 

—  Serpylli. 

—  Strammonii. 

—  Thymi 

—  Veronicae. 

—  Violne  tricolori«. 
Semtn  (  olchici. 

Monat  Juli. 

Baccae  Bibis. 

—  Myrtilli. 
Capita  Papureris. 
Florett  Amanta. 

—  Carthami. 

—  Chamomillue  roman. 

—  HyperUi. 

—  Lavandulae. 

—  Lilii. 

—  Mahne  arbor. 

—  Tiliae. 

—  Verbatet. 
Folia  Althaeae. 

—  Juylandis  reg. 

—  Laum-Cerasi. 

—  Menth.  crisp.  et  piper. 

—  Nicotianae. 
Forinirat. 

Fructus  Juylandis  itinnat. 

—  Cerasi  niyr. 


I  Fructus  Bubi  Idaei. 
Herba  Absynthii. 

—  Capilli  Veneris. 

—  Cardni  betiedicti. 

—  Centaurii  min. 

—  Chenopodii  ambr. 

—  Cichorei. 

—  Euphrasiae. 

—  Galeopsidis  grandifl. 
■ — •  Hyperici. 

—  Luctucae  riros. 

—  Linariae. 

—  Marrubii  alb. 

—  Majoranae. 

—  Meliloti  e.  ß. 

—  Oriyani  tulg. 

—  Pulegii. 
— ■  Satnrejae. 

—  Scordii. 

—  Scabiome. 

—  Tanaceti. 

—  Verband. 
Xuces  Juyland  immatur. 
Xuclei  Cerasorum. 
Seeale  cor  mit  um. 
Tubera  Salep. 

Monat  August. 

Baccae  Mori. 

—  Myrtilli. 

—  Bubi  Jdatt 

—  Sambuci. 
Flore«  Althaeae. 

—  Lavandulue. 

—  Malme  arbor. 

—  Meliloti. 
;  Formicae. 

Folia  Lauro-Cerasi. 
,  Fructus  Conti  macul. 
1    —  Ct/nosbati. 

—  Elaterii. 

—  Hippocaetan. 

—  Bhellandrii. 
G landen  Quercus. 
Herb<t  Absynthii. 

—  Artemisiae. 

—  Gratiolae. 

—  Meliloti. 

■ — •  Satnrejae. 

—  Virgatireae. 
Lact  ucar  ium. 
Lycopodium. 
Bad  ix  Arnicae. 

—  Hellebori  albi. 
Semen  Cannabis. 

—  Hyoscyami. 

—  Li  ni. 

—  Melonum. 

—  Papa  r  er. 

—  Sinapis. 
Tubera  Colrhici. 

—  Salep. 

Monat  September. 

Baccae  Berberidis. 

—  Ebuli. 

—  Jnniperi. 

—  -  Sambuci. 

—  Spinae  cerrinae. 


Cortex  nneum  Jugl. 
Croeus. 

Fructus  Anist. 

—  Petroselini. 

—  Pruni. 
Lupulinum. 
Poma  acidula. 
Putamina  nuc.  Jugl. 
Radix  Arnicae. 

—  Arttmisiae. 

—  Belladonnae. 

—  Cichorei. 

—  Enulae. 

—  Liquiritiae. 

—  Bubiae  Und. 

—  Saponariae. 

—  Taraxaci. 

—  Tormentillae. 

—  Valerianae. 
Rhiz.  Calami  arom. 

—  Filicis  maris. 

—  Gentianae. 
Semen  Sinapis  nigr. 

—  Strammonii. 

0 

Stipites  Dulcamarae. 

Monat  October. 

Baccae  Berberidis. 

—  Ebuli. 

—  Juniperi, 

—  Sambuci. 

—  Spinae  cervinae. 
Cortex  nueum  Jugl. 
Crocus. 

Fructus  Anisi. 

—  Petroselini. 

—  Pruni. 
Lupulinum. 
Poma  acidula. 
Putamina  nuc.  Jugl. 
Badix  Anyelicae. 

—  Althaeae. 

—  Ari. 

—  Arnicae. 

—  Arttmisiae. 

—  Asparagi. 
— ■  Belladonnae. 

—  Bryoniae. 

—  Cichorei. 

—  Enulae. 

—  Gentianae. 

—  Gratiolae. 

—  Jmperatoriae. 

—  Lapathi  acut. 

—  Lecistici. 

—  Liquiritiae. 

—  Bubiae  tinet. 

—  Saponariae. 

—  Taraxaci. 

—  Tormentillae. 

—  Valerianae. 
Bhiz.  Calami  arom. 

—  Filicis  maris. 

—  Gram  i  nie. 

—  Iridis  ßor. 
Semtn  Cydoniae. 

—  Sinapis  nigr. 

—  Strammonii. 
Stipites  Dulcamarae. 


Digitized  by  Google 


EINSCHLAG.  —  EINSCHLUSSMITTEL 


603 


Einschlag,  Sohwefelband  oder  Bandschwefel ,  zum  8eh\vetein  der  Weinfässer 
dienend,  heissen  5  cm  breite  Shirtingstreifen,  welche  durch  geschmolzenen  (arsen- 
fireien  !)  Schwefel  gezogen  und  sofort  mit  einem  Specieagemisch  von  Rosenblättern, 
Lavendelblumen,  Muscatnuss,  Coriander  etc.  bestreut  werden.  An  vielen  Orten 
läset  man  die  Species  weg  und  zieht  einfach  Streifen  von  starkem  Papier  durch 
geschmolzenen  Schwefel. 

EinSChlUSSmittel.  Die  Einsehlussmittel  umfassen  zwei  Gruppen,  je  nachdem 
dieselben  zur  Aufbewahrung  trockener,  von  Wasser  befreiter  oder  feuchter  Objecto 
verwendet  werden. 

Zur  ersteren  Gruppe  gehören  vorzugsweise  Canadabalsam,  Dammar,  Terpentin, 
sowie  einige  stark  lichtbreehende  flüchtige  Oele  und  andere  Flüssigkeiten. 

Der  Canadabalsam  ist  ein  schon  seit  langer  Zeit  und  vielfach  verwendetes 
Mittel ,  welches  auch  heute  noch  vielfach  gebraucht  wird.  Derselbe  muss  voll- 
kommen rein  und  durchsichtig,  von  weisser  oder  schwach  hellgelber  Farbe  sein  und 
eine  syrupartige  Consistenz  besitzen.  Verwendet  man  ihn  für  sich  allein,  so  muss  er 
durch  vorheriges  Erwärmen  die  erforderliche  Leichtflüssigkeit  erlangt  haben.  Häufig 
wird  derselbe  in  neuerer  Zeit  in  Form  einer  dünnflüssigen  Lösung  in  Chloroform 
verwendet. 

Eine  für  manche  Präparate  störende,  für  andere  dagegen  erwünschte  Eigenschaft 
des  Canadabalsains  besteht  darin ,  dass  er  dieselben  stark  aufhellt  und  manche 
Structurverhältnisse  in  Folge  dessen  nur  undeutlich  wahrgenommen  werden.  — 
Vergl.  auch  Canadabalsam,  Bd.  II,  pag.  ,'>12. 

Dammarlösung  ist  noch  farbloser  als  der  Canadabalsam  und  hellt  dabei 
die  Präparate  weit  weniger  auf,  so  dass  sie  sich  in  vielen  Fällen  besser  zum 
Einschlussmittel  eignet,  wie  sie  denn  auch  dem  letzteren  vielfach  für  gefärbte  Ob- 
jecte  vorgezogen  wird. 

Man  bereitet  sich  einen  guten  Dammarfirniss  auf  folgende  Weise:  10g  gepul- 
verten Dammars  werden  in  20  g  Benzin  eingetragen  und  bei  gewöhnlicher  Tem- 
peratur 24 — 48  Stunden  ruhig  stehen  gelassen.  Die  nach  dieser  Zeit  den  löslichen 
Dammar  enthaltende,  über  einem  unlöslichen  Bodensatze  stehende  Flüssigkeit  wird 
vorsichtig  abgegossen  und  derselben  4g  reines  Terpentin  zugesetzt,  womit  das 
Mittel  zum  Gebrauche  fertig  ist. 

Für  unmittelbar  von  der  Alkoholbebandlung  aus  einzulegende  Präparate  schliesst 
man  am  besten  in  verdicktes,  sich  mit  Alkohol  leicht  mischendes  Terpentin  ein, 
welches  man  erhält,  wenn  Terpentinöl  vor  Staub  geschützt  in  flachen  Gefässen 
längere  Zeit  der  Einwirkung  von  Luft  und  Licht  ausgesetzt  wird. 

Die  stärker  lichtbrechenden  Mittel  finden  vorzugsweise  da  Anwendung,  wo  es 
gilt,  bei  vollständiger  Ausnützung  sehr  hoher  numerischer  Aperturen  und  dem  ent- 
sprechenden hohen  Auflösungsvermögen  der  Mikroskopobjective ,  die  Sichtbarkeit 
gewisser  feiner  Structuren  —  wie  z.  B.  solcher  auf  den  Diatomeenschalen  —  durch 
entsprechende  Unterschiede  zwischen  dem  Brechungsvermögen  des  Objectes  und  des 
Einschlussmittels  zu  erhöhen.  In  diese  Reihe  gehören  z.  B.  Cassiaöl,  n  =  1,56  ; 
Monobromnaph talin,  n  =  1,658;  Kaliumqueeksilberjodid,  n  =  1,682  u.  A. 

Für  feuchte  Objecte  kommen  vorzugsweise  in  Verwendung :  Glycerin,  Glycerin- 
gemische ,  Glyceringelatine ,  Gummi  arabicum ,  Chlorkalium ,  essigsaures  Kali  und 
eine  Anzahl  für  einzelne  Fälle  geeigneter  verdunstender  einfacher  oder  zusammen- 
gesetzter Flüssigkeiten. 

Das  Glycerin  hat  wohl,  namentlich  auch  für  die  Aufbewahrung  pflanzlicher 
Präparate,  die  weiteste  Verbreitung  gefunden.  Dasselbe  soll  möglichst  chemisch  rein 
sein  und  kann  sowohl  im  concentrirten ,  als  im  verdünnten  Zustande  angewendet 
werden.  Seine  oft  störende,  stark  aufhellende  Eigenschaft  verliert  das  Glycerin 
schon  beim  Zusätze  von  einigen  Tropfen  Eisessig,  noch  weniger  aber  äussert  es 
dieselben,  während  es  dann  auch  keine  merklichen  Schrumpfungen  mehr  hervorruft, 
wenn  man  es  zugleich  mehr  oder  weniger  mit  Wasser  verdünnt. 


Digitized  by  Google 


EINS«  HIXSSMITTEL.  —  EINSTELLUNG. 


Für  in  Carminlösungen  gefärbte  Präparate  ist  obige  angesäuerte  Mischung  schon 
geeignet,  indessen  wird  von  Prof.  Frey  empfohlen,  für  diesen  Zweck  eine  Mischung 
von  5  Th.  Glycerin  mit  1  Th.  essigsaurem  Alaun  und  4  Th.  destülirtem  Wasser 
zu  verwenden. 

Für  die  Aufbewahrung  sehr  empfindlicher,  zarter  Präparate,  sowie  von  Algen 
u.  dergl.  eignet  sich  sehr  gut  eine  Mischung  von  3  Th.  reinem ,  90procentigem 
Weingeist  mit  2  Tb.  Wasser  und  1  Th.  Glycerin.  Derartige  Objecte  verlangen 
dann  aber  noch  eine  besondere  Behandlung,  indem  dieselben  in  Wasser  liegend  zu- 
nächst nur  einen  Tropfen  des  Gemisches  zugesetzt  erhalten ,  um,  wenn  ein  Theil 
der  Flüssigkeit  au  staubfreiem  Orte  verdunstet  ist,  einen  neuen  Tropfen  zuzu- 
geben und  mit  dieser  Behandlung  so  lange  fortzufahren,  bis  der  Raum  unter  dem 
Deckglase  vollständig  mit  nicht  verdunsteter  Flüssigkeit  erfüllt  ist. 

Die  Glycer ingelatine  (s.d.)  wird  in  der  gleichen  Form  verwendet  wie 
bei  der  Einbettung  (pag.  595). 

Gummi  arabicum  wird  als  Lösung  in  essigsaurem  Calcium,  essigsaurem 
Kalium  oder  essigsaurem  Ammoniak  in  der  Art  bereitet,  dass  man  ein  weithalsiges 
Glas  bis  zu  drei  Viertel  mit  ausgesuchten  Stücken  des  ersteren,  dann  das  weitere 
Viertel  mit  dem  Lösungsmittel  füllt  und  nach  Auflösung  durch  Wollpapier  filtrirt. 

Eine  Auflösung  von  1  Th.  chemisch  reinem ,  wasserfreiem  Chlorcalcium  in 
5  Th.  destülirtem  Wasser,  welche,  um  allenfallsiges  späteres  Auskrystallisiren  zu 
verhindern,  mit  einigen  Tropfen  Salzsäure  augesäuert  werden  kann,  wurde  schon 
seit  lange  namentlich  für  Pflanzen  schnitte  verwendet  und  gibt  schöne  scharfe  Bilder. 
Bei  solchen  Präparaten  ,  bei  denen  es  darauf  ankommt ,  die  Stärkekörner  und 
andere  geformte  organische  Inhaltsbestaudtheile,  sowie  die  Farbe  des  Chlorophylls  und 
andere  Farbstoffe  zu  erhalten,  darf  indessen  diese  Lösung  keine  Verwendung  finden. 

Essigsaures  Kali  erhält  man  in  Gestalt  des  Einschlussmittels,  wenn  man 
aus  der  officinellen  Lösung  so  viel  Wasser  abdunsten  lässt,  dass  sie  gerade  ge- 
sättigt erscheint.  Dieselbe  kann  das  Chlorcalcium  sehr  gut  ersetzen  und  eignet  sich 
auch  für  zartere  Objecte  der  vegetabilischen  Entwickelungsgeschichte ,  sowie  für 
manche  thierische,  welche,  wie  z.  B.  Osmiumsäurepräparate,  das  Glycerin  nicht 
vertragen. 

Von  verdunstenden  einfachen  Flüssigkeiten,  die  selbstverständlich  den 
Verschluss  erschweren ,  verwendet  mau,  und  zwar  vorzugsweise  iu  der  thierischen 
Histologie,  Zuckerlösung,  Kreosotlösung,  verdünnte  Kochsalzlösung,  verdünnte 
Lösungen  von  Sublimat ,  verdünnte  Essigsäure ,  von  zusammengesetzten 
vorzugsweise  die  sogenannten  PACixi'schen ,  ToppixG'schen  und  Farra  Neschen 
Mischungen,  deren  nähere  Beschreibung  uus  hier  zu  weit  führen  würde. 

Dippel. 

Einstellung.  Unter  dem  Worte  Einstellung  begreift  man  in  der  Regel  zwei 
verschiedene  Dinge,  nämlich  einestheils  das  Einstellen  des  Objectes,  anderntheils 
die  hierzu  dienenden  Vorrichtungen. 

Letztere  werden  als  grobe  und  feine  Einstellung  insofern  unterschieden,  als 
jene  ausgiebigere,  letztere  nur  auf  kleinere  Ausmaasse  beschränkte  Bewegungen 
des  den  optischen  Apparat  tragenden  Mikroskoprohres  gestattet. 

Die  grobe  Einstellung  wird  entweder  durch  einfache  Freihand  Verschiebung  des 
Rohres  innerhalb  einer  federnden  Hülse  oder  mittelst  Zahn  und  Trieb  bewirkt. 
Die  feine  geschieht  in  der  Regel  mittelst  einer  in  der  Säule  des  Mikroskopes 
angebrachten,  auf  das  Rohr  wirkenden  oder  'seltener  und  minder  geeignet)  mit  dem 
Objecttische  in  Verbindung  stehenden,  diesen  auf-  und  abwärtsbewegenden  Mikro- 
meterschraube. 

Das  Einstellen  des  zu  beobachtenden  Objectes  hat  den  Zweck,  dieses  selbst  oder 
eine,  bestimmte  zu  ermittelnde  Strueturverhältnisse  enthaltende  Durchschnittsebene 
desselben  in  eine  solche  Entfernung  von  der  Vorderlinse,  beziehungsweise  dem 
Breunpunkt  des  Objectivsystems  zu  bringen,  dass  der  optische  Gesammtapparat  ein 
deutliches,  scharfes  Bild  davon  entwirft.  Bei  schwächeren  Objectiven  fällt  dieselbe 


Digitized  by  Google 


EINSTELLUNG.  —  EIS, 


605 


verhältnissmäa&ig  leicht  und  man  erreicht  sie  dadurch,  dass  man  jenes  von  oben 
durch  freie  Verschiebung  oder  (bei  Zahn  und  Trieb)  Herabschrauben  des  Tubus 
dem  Gegenstände  so  lange  nähert,  bin  ein  scharfes  Bild  erscheint.  Bei  stärkeren 
Objectiven  verlangt  die  Einstellung  dagegen  eine  grössere  Vorsicht,  wenn  man 
nicht  Object  und  Objectiv  beschädigen  will. 

Am  besten  gelangt  man  nach  meiner  und  Anderer  Erfahrung  durch  folgendes 
Verfahren  zum  Ziel.  Man  nähert  das  Objectiv,  indem  man  von  der  Seite  über  das 
Deckglas  hinwegsieht,  mittelst  der  „groben  Einstellung4*  dem  Objecte  so  weit  als 
irgend  möglich  —  die  beste  Entfernung  lernt  man  nach  längerem  Gebrauche  seines 
Instrumentes  und  Beobachtung  des  Arbeitsabstandes,  seine  stärkeren  Objective  all- 
mälig  genau  abzuschätzen  —  und  hebt  dann  mittelst  der  „feinen  Einstellung"  das 
Rohr  so  weit,  dass  man  ein  scharfes  Bild  der  in  Frage  kommenden  Structurver- 
hältnisse  erbückt.  Dippel. 

EinStreupulver.  Als  solches  pflegt  man  stets  Lycopodium  zu  dispensiren, 
falls  nicht  ausdrücklich  ein  Streupulver  anderer  Art  (s.  Pul  vis  inspersorius) 
gefordert  wird. 

Eis.  Eis  ist  der  feste  Aggregatzustand  des  Wassers.  Der  Uebergang  des  Wassers 
aus  dem  flüssigen  Zustande  in  den  festen ,  das  sogenannte  Gefrieren,  beruht 
auf  einer  Krystallisation.  Die  Krystallisation  des  Wassers  zu  Eis  erfolgt  in  der 
Regel  bei  0°.  Je  nachdem  die  Eisbildung  langsamer  oder  schneller  vor  sich  geht, 
erstarrt  das  Wasser  entweder  zu  einer  durchsichtigeu,  in  kleinen  Mengen  farblosen, 
in  grossen  Massen  (wie  z.  B.  bei  den  Gletschern  der  Schneeberge)  grünlichen, 
blaugrünen  bis  blauen,  glasartigen ,  scheinbar  amorphen  Massen ,  oder  zu  einer 
körnig- krystallinischen,  durchscheinenden  bis  undurchsichtigen ,  in  kleinen  Mengen 
farblosen  bis  weissen ,  bei  grösserer  Dicke  (z.  B.  beim  Flusseis)  grünlichen  bis 
grünen,  oft  bis  Im  und  darüber  dicken  Platten,  oder  endlich,  wie  beim  Schnee, 
in  sternförmig  gruppirten,  kleinen  Kryställehen.  Für  die  eigenthümlichen  blatt-  und 
blumenartigen  Formen ,  welche  sich  beim  Gefrieren  des  Feusterscbweisses  bilden, 
ist  eine  genügende  Erklärung  bis  jetzt  noch  nicht  gegeben;  die  Eisblumen  am 
Fenster  erweisen  sich  aber  beim  Abkratzen  gleichfalls  als  kleine  hezagonale 
Krystalle.  Der  Umstand,  dass  frisches  Eis  hart  und  durchsichtig  klar  ist  und  einen 
glatten,  fast  muschelartigen  Bruch  zeigt,  allmälig  aber  (oft  erst  nach  Wochen  oder 
Monaten)  undurchsichtig,  mürbe  wird  und  sich  in  ein  Conglomerat  von  kleinen 
Krystallen  umwandelt,  führt  mich  zu  der  Annahme,  dass  durch  die  Verhinderung 
der  Krystallisation  beim  Erstarren  eine  Oberflächenspannung  erzeugt  wird, 
welcher  die  festen,  amorphen,  glasartigen  Massen  ihr  Dasein  verdanken,  und  dass 
diese  Massen  erst  dann ,  wenn  die  Spannung  aufhört,  zu  krystallisiren 
beginnen,  ähnlich  etwa,  wie  einzelne  Niederschläge  erat  amorph  ausfallen  und  sich 
langsam  in  kr  y  stallin  ische  Form  umsetzen. 

Die  Erscheinungen ,  welche  den  Uebergang  des  Wassers  aus  dem  flüssigen  in 
den  festen  Zustand  begleiten,  weichen  von  den  Erstarrungs Vorgängen  der  meisten 
anderen  bekannten  Körper  wesentlich  ab,  ja,  widersprechen  sogar  zum  Theile 
einem  sonst  allgemein  giltigen  Naturgesetz. 

Durchgehends  dehnt  die  Wärme  die  Körper  aus,  die  Kälte  zieht  sie  wieder 
zusammen;  bei  fast  allen  bekannten  Körpern  beginnt  das  Erstarren,  sobald  die 
Flüssigkeit  ihre  grösste  Dichtigkeit  erreicht  hat,  d.  h.  die  grösste  Dichte  und  der 
Erstarrungspunkt  fallen  auf  denselben  Thermometergrad.  Das  Wasser  verhält 
sich  hierin  abweichend.  Bei  höhereu  und  mittleren  Temperaturen  folgt  es 
wohl  dem  allgemeinen  Naturgesetz ;  aber  bei  +  4°  erreichtesscine  höchste 
Dichtigkeit.  Bei  weiterer  Abkühlung  dehnt  sich  das  Wasser 
wieder  aus  und  bei  einer  Temperatur  von  0°  hat  es  ziemlich  geuau  dieselbe 
Dichte,  wie  bei  +1»°. 

Wie  bei  allen  sich  abkühlenden  Flüssigkeiten  sinkt  auch  beim  Wasser  die 
erkaltete  Oberflächenschicht  unter,  während  die  unteren  Schichten  aufwärts  steigen ; 


Digitized  by  Google 


606 


EIS. 


es  entsteht  dadurch  eine  unmerkliche  continuirliche  Circulation,  welche  so  lange 
anhält,  bis  das  Wasser  durch  seine  gesammte  Menge  hindurch  bei  +  4°  »eine 
gröuste  Dichte  erreicht  hat.  Sobald  die  Temperatur  unter  -^herunter- 
geht, hört  die  Circulatio.n  auf;  die  der  Oberfläche  zunächst  liegende 
8chicht  beginnt  sich  auszudehnen  ,  wird  leichter  und  sinkt  nicht  mehr  zu  Boden ; 
auch  bei  noch  weiterem  Sinken  der  Temperatur  findet  keine  Circulation  mehr 
statt.  Es  befindet  sich  dann  vielmehr  auf  der  Gesaimntwassermenge ,  welche  eine 
constaute  Temperatur  von  4-4°  hat,  eine  leichtere  Oberflächenschicht  von  geringerer 
Temperatur,  welche  unter  normalen  Verhältnissen  bei  0°  erstarrt. 

Das  Eis  ist  also  leichter  als  das  Wasser  und  schwimmt  auf 
diesem;  sein  spec.  Gewicht  ist  0.9167. 

Bei  stehenden  Gewässern  erstarrt  die  ganze  Oberfläche  fast  gleichzeitig  und 
bildet  so  gewissermassen  eine  Schutzdecke  gegen  weitere  Abkühlung  des  darunter 
befindlichen  Wassers ;  bei  fliessenden  Gewässern  beginnt  die  Erstarrung  vom  Rande 
au  und  wächst  gegen  die  Mitte  zu. 

Flicssendes  Wasser  hindert  natürlich  die  Erstarrung  nicht,  sie  verlangsamt  sie 
nur;  es  bildet  sich  dann  von  dem  Ufer  aus  die  Eisschicht,  unter  welcher  der 
Strom  mit  einer  Temperatur  von  4°  ungehindert  dem  Meere  zuströmt. 

Dieses  in  seiner  Einfachheit  grossartige  Ausnahmegesetz  des  Wassers  ist  die 
Ursache,  dass  Seen,  Ströme  und  Flüsse  im  Winter  nicht  ausfrieren,  dass  vielmehr 
Leben  und  Gedeihen  der  im  Wasser  lebenden  Thiere  und  Pflanzen  gesichert  sind. 
Bei  anhaltender  Kälte  wird  eine  weitere  Abkühlung  des  Wassers  natürlich  nicht 
ausgeschlossen  sein ,  eine  solche  kann  danu  aber  immer  nur  an  der  dem  Eise 
zunächst  befindlichen  Berührungsschicht  erfolgen;  führt  diese  bis  zur  Erstarrung, 
so  erfolgt  ein  Dickenwachsthum  dos  Eises  von  obeu  nach  unten. 

Die  Ausdehnung  des  Wassers  beim  Gefrieren  ist  eine  sehr  bedeutende,  sie 
betrügt  etwa  1  9  de*  Volumens  der  Flüssigkeit.  Dadurch  erklärt  sich  die  zerstörende 
Wirkung  des  gefrierenden  Wassers  überall  da,  wo  räumliche  Verhältnisse  der 
Ausdehnung  Widerstand  bieten.  In  Felsspalten  gefrierendes  Wasser  sprengt  Felsen 
mit  elementarer  Gewalt  oder  lockert  (bei  kleinen  Mengen)  die  Slrnctur  des 
Minerals,  macht  es  anderen  meteorologischen  Einflüssen  (Luft-  und  Wärmezutritt i 
leichter  zugänglich  und  leitet  so  die  Verwitterung  ein.  Bomben  mit  Wasser  gefüllt 
und  bis  auf  den  Gefrierpunkt  abgekühlt,  werdeu  gesprengt,  Bottiche  auseinander- 
getrieben u.  s.  w. 

Beim  Gefrieren  des  Wassers  wird  Wärme  frei:  diese  Wärme  aber  theilt 
sich  der  umgebenden  Luft  und  den  angrenzenden  Fl üssigk einschichten  mit.  und 
ist  die  Veranlassung,  dass  das  Erstarren  nicht  plötzlich  und  mit  eincmmal,  sondern 
langsam  und  allmälig  vor  sich  geht. 

Wie  schon  oben  wiederholt  bemerkt,  erstarrt  das  Eis  gemeiuhin  bei  0°.  Es 
gibt  aber  auch  Fälle,  wo  da.«  Wasser  eine  Temperatur  von  —8°  bis  — 10°,  ja 
noch  darunter  annehmen  kann ,  ohne  zu  erstarren.  Diesen  abnormen  Zustand 
bezeichnet  man  mit  Ueberka  Itung  des  Wassers.  Ein  derart  überkaltetes  Wasser 
erstarrt  jedoch  bei  der  Berührung  oder  bei  der  geringsten  Bewegung  sofort.  Es 
lässt  sich  dies  sehr  hübsch  experimentell  nachweisen  und  damit  zugleich  der 
Beweis  verbinden,  dass  beim  Erstarren  Wärrae  frei  wird.  Zu  diesem  Behufo  dient 
am  besten  ein  chemisches  Thermometer ,  dessen  Gefäss  in  Wasser  taucht,  welches 
von  einer  luftleeren  Glashülse  umschlossen  ist.  Uoberkaltet  man  dieses  Wasser 
vorsichtig  bis  — 10°  und  erschüttert  dann,  so  gefriert  1  s  des  Wassers.  Der  Re*t 
bleibt  in  Folge  der  frei  werdenden  Wärme  flüssig  und  das  Ganze  erwärmt  sich 
bis  auf  0\  Hierdurch  wird  nicht  nur  das  Freiwerden  der  Wärme  nachgewiesen, 
sondern  auch,  dass  der  G ef ri  e rpun k  t  des  W  as  sers,  selbst  bei  überkaltetem, 
unverändert  bei  0°  liegt. 

Die  Umstände ,  welche  eine  solche  abnorme  Uebcrkaltung  verursachen,  sind 
noch  nicht  genügend  erklärt:  bekannt  ist  nur.  dass  absolute  Ruhe  des  Wassers, 
besonders  unter  gleichzeitiger  Verminderung  des   Luftdruckes,  andererseits  aber 

Digitized  by  Google 


EIS. 


607 


auch  sehr  starker  Druck  oder  heftigste  Bewegung  der  Ueberkaltung  förderlich 
sind.  Ich  bin  geneigt,  diese  Erscheinungen  auf  das  Beharrungs- 
vermögen zurückzuführen,  auf  das  Bestreben  der  Flüssigkeitstkeilchen, 
im  bisherigen  flüssigen  Zustande  zu  verharren,  auf  das  Widerstreben  gegen  den 
Uebergang  in  den  festen  Zustand.  Die  Ueberkaltung  durch  starke  Bewegung  er- 
kläre ich  als  eine  einfache  Folge  mechanischer  Reibung.  Eine  Erniedrigung  des 
Gefrierpunktes  wird  durch  Ueberkaltung  nicht  bewirkt. 

Die  beim  Erstarren  frei  werdende  Wärme  wurde  früher  als  latente  Wärme 
bezeichnet,  man  nahm  an,  dass  diese  Wärme  als  solche  im  Wasser  vorhanden, 
aber  in  einer  Form  vorhanden  sei,  welche  sie  der  Wahrnehmung  durch  das 
Thermometer  entzöge.  Heute  bezeichnet  man  diese  Wärme  richtiger  als  Schmelz- 
wärme oder  Erstarrungs wärme,  d.h.  als  diejenige  Wärmemenge,  welche 
beim  Schmelzen  des  Eises  zu  Wasser  in  Arbeit  umgewandelt  wird  ,  welche 
das  Wasser  flüssig  erbalt,  beim  Erstarren  aber,  wo  die  Arbeit  der  Erhaltung 
der  Fluidität  nicht  mehr  geleistet  zu  werden  braucht,  wieder  in  Wärme  zurück- 
verwandelt  wird. 

Die  Schmelzwärme  des  Eises  ist  eine  sehr  bedeutende.  Wenn  Eis  bei 
stetig  zugeführter  Wärme  schmilzt,  so  bleibt  ein  in  das  Eiswasser  tauchendes  Thermo- 
meter so  lange  eonstant  auf  0°  stehen,  als  noch  das  kleinste  Stückchen  unge- 
schmolzenes  Eis  vorhanden  ist.  Die  stetig  zugeführte  Wärme  ist  durch  das  Thermo- 
meter nicht  wahrnehmbar,  sie  wird  völlig  zur  Lockerung  des  inneren  Zusammen- 
hanges der  Tbeilchen  verwendet.  Die  Schmelzwärme  des  Eises  ist  gleich  80.025 
Wärmeeinheiten,  d.h.  um  1kg  Eis  von  0°  aus  dem  festen  Zustand  in  den 
flüssigen,  also  in  Wasser  von  0°,  Überzuführen,  ist  1  kg  Wasser  von  80.025°  nöthig, 
d.  i.  soviel  Wärme,  um  1kg  Wasser  von  0°  auf  80.025°  zu  erwärmen.  Diese 
hohe  Schmelzwärme  erklärt  auch  die  bei  dem  obigen  kleinen  Experimentalversnch 
autfallende  Erscheinung,  dass  nur  r8  der  ttberkalteten  Masse  erstarrt. 

Die  Schmelzwärme  oder  Erstarrungswänne  ist  aber  nicht  allein  die  Ursache 
des  langsamen  Gefrierens  der  Flüsse,  Seen  und  Meere,  sie  ist  auch  die  Ursache 
des  langsamen  Schmelzens  des  Eises.  Eis  würde  viel  schneller  schmelzen,  wenn  es 
nicht  die  zum  Schmelzen  nöthige  Wärme  seiner  Umgebung  erst  wieder  entzöge. 

Da  das  Wasser  beim  Gefrieren  sich  ausdehnt,  so  muss  naturgemäss  das  Eis 
beim  Schmelzen  sich  zusammenziehen,  es  muss  eine  Voluraverminderung 
eintreten.  Setzt  man  das  Volumen  des  Wassers  bei  4°  gleich  1,  ro  ist 

das  Volumen  des  Eises  bei  0°  =  1.09082, 
„        „       „Wassers,,    0»  =  1.00012. 

Der  Gefrierpunkt  des  reinen  Wassers  liegt  bei  0°  und  wird ,  wie  schon  oben 
experimentell  nachgewiesen  wurde,  durch  Ueberkaltung  nicht  herabgedrückt.  Wohl 
aber  lässt  sich  eine  Depression  des  Gefrierpunktes  auf  verschiedene 
Weise  erreichen.  Mischt  man  Wasser  mit  etwas  Alkohol,  so  sinkt  der  Gefrierpunkt 
unter  0°;  beim  Erstarren  bildet  sich  reines  Eis,  der  Alkohol  befindet  sich  quan- 
titativ im  flüssigen  Rückstände.  Aehnlich  wirken  gelöste  Salze:  Lösungen  gefrieren 
erst  unter  0°,  und  zwar  um  so  tiefer  unter  0°,  je  concentrirter  sie  sind;  nach 
Rudorf  ist  die  Erniedrigung  dem  Procentgehalte  der  Lösung  proportional,  und 
zwar  entspricht  im  Durchschnitt  1  Procent  der  Lösung  an  Kochsalz  einer  Vermin- 
derung des  Gefrierpunktes  um  0.6°; 

mit    2  Procent  Kochsalz  gefriert  Wasser  bei  —2°, 
12   7  oo 

Das  Meerwasser  gefriert  erst  bei  — 2.2°  bis  — 2.6°  und  weicht  von  dem  Süss- 
wasser  der  Flüsse  und  Seen  auch  darin  ganz  wesentlich  ab,  dass  seine  grösste 
Dichtigkeit  erst  bei  — 5°  liegt.  Dadurch  erklärt  sich  die  Bildung  vou 
Grundeis  und  vor  Allem  die  Entstehung  der  Eisberge  in  den  Polarmeeren. 
Beim  Gefrieren  des  Meerwassers  erstarrt  nur  reines  Wasser;  die  Salze  bleiben  in 
concentrirter  Lösung  flüssig.  Dieser  Umstand  lässt  vielleicht  auch  die  verhältniss- 
mässig  starke  Ueberkaltung  des  Meerwassers  selbst  bei  heftigster  Bewegung  erklären. 


Digitized  by  Google 


606 


EIS. 


Diese  Eigenschaft  des  Wassers  wird  in  kalten  Klimaten  nicht  selten  benutzt, 
um  alkoholische  Flüssigkeiten  oder  Salzlösungen  durch  Ausfrieren  zu  con- 
centriren;  anderseits  benutzt  man  diese  Methode  in  Polarregionen,  um  aus  dem 
erhaltenen  Eis  durch  Schmelzen  ein  trinkbares  Wasser  zu  erhalten. 

Starker  Druck  bewirkt  nicht  nur  eine  Ueberkaltung  des  Wassers;  durch  die 
Versuche  von  Thomson  und  Moussox  ist  bewiesen,  dass  Eis  bei  einer  Temperatur 
unter  0°  durch  einen  sehr  hohen  Druck  wieder  tropfbar  flüssig  wird. 

Diese  Eigenschaft  ist  die  Ursache  der  Regelation  des  Eises,  d.  h.  des 
Wiedergefrierens,  des  Aneinanderfrierens  zweier  Eisstücke.  Dieser  Vorgang  ist  noch 
nicht  genügend  befriedigend  erklärt.  Die  Regelation  durch  hohen  Druck  ist  gewisser- 
massen  ein  Zusammenschweissen  zweier  Eisstücke  zu  einem  einzigen  compacten 
Stück.  Eis,  zwischen  2  Holzstücken  zusammengepresst,  welche  gleichmässige  flache 
Höhlungen  haben,  gibt  eine  aus  einem  Stücke  bestehende  Eislinse.  Diese  eigen- 
tümliche Eigenschaft  zeigt  sich  aber  auch  bei  minder  starkem  Druck  und  Faraday 
hat  nachgewiesen,  dass  die  Regelation  auch  unter  Umständen  eintrat,  wo  der 
Druck  ausgeschaltet,  also  unmerklich  war.  In  allen  Fällen  aber  ist  Schmelzwasser 
an  den  Berührungsstellen  beobachtet  worden,  welches  als  das  eigentliche  Kriterium 
der  Regelation  betrachtet  werden  muss,  denn  dieRegelationerfolgtnicht, 
wenn  das  Eis  nicht  im  Schmelzen  begriffen  ist,  also  nicht,  wenn  es 
kälter  ist  als  0°.  Schnee  ballt  bekanntlich  unter  0°  nicht  zusammen,  dagegen 
ballt  er  durch  heftiges  Drücken  zwischen  den  Händen  und  umso  leichter  und  voll- 
ständiger, je  näher  dem  Schmelzpunkte.  Das  Ballen  des  Schnees  ist  eine 
einfache  Regelationserscheinung.  Wenn  ich  die  Regelation  durch  Druck 
mit  dem  Zusammenschweissen  des  Eisens  verglichen  habe,  so  kann  ich  das  Regeliren 
an  blossen  Berührungspunkten  mit  dem  Anhaften  an  einem  Magnet  vergleichen: 
man  kann  leicht  mit  einem  obersten  Eisstücke  sämmtliche  darunter  liegenden  in 
die  Höhe  heben.  Vielleicht  Hesse  sich  die  Erscheinung  so  erklären,  dass  durch 
Reibung  an  den  Beruhrungsstellen  ein  gewisser  Wärmeeffcct  erzielt  wird ;  mit  dem 
dadurch  erfolgten  Schmelzen  des  Eises  hört  sowohl  Reibung,  wie  Wärmeeffect  auf, 
das  Schmelzwasser  erstarrt,  das  Eis  ist  regelirt. 

Durch  die  Regelation  erhält  das  Eis  eine  gewisse  Elasticität,  eine  Ge- 
schmeidigkeit, welche  sich  am  schönsten  beim  Gletschereise  zeigt.  Dieses  vermag 
beim  langsamen  Abwärtsgleittn  vermöge  seiner  Schwere  die  Formen  der  Thälcr 
auszufüllen,  sich  diesen  anzupassen,  über  Erhöhungen  wegzuschreiten  und  an  steilen 
Wänden  abzustürzen.  Auch  die  Neubildung  der  Gletscherspitzen  erfolgt  aus  dem 
frisch  gefallenen  Firnenschnee  durch  Regelation. 

Die  Krystallform  des  Eises  ist  hexagonal,  seltener  rhombisch;  die  hexagonale 
Form  zeigt  sich  besonders  schön  beim  Schnee  in  hoxagonalen  Nadeln,  welche  sich 
zu  sechsstrahligen  Schneesternen  von  mannigfacher  Gestalt  gruppiren.  Nach  Tyndall 
besteht  das  Eis  aus  lauter  Schneesternen.  Es  bricht  vermöge  seiner  Krystallisation 
das  Licht  doppelt.  Trockenes  Eis  leitet  Wärme  und  Elektricität  schlecht.  Es  läset 
die  leuchtenden  Lichtstrahlen  durch,  während  es  die  dunklen  Wärmestrahlen  abaorbirt 
und  sich  dadurch  erwärmt  und  schmilzt.  Die  speeifische  Wärme  ist,  Wasser  =  1 
gesetzt,  nach  Hess  0.5.  Das  Eis  ist  flüchtig,  d.  h.  es  verdampft  selbst  bei 
grösster  Kälte ,  was  sich  durch  eine  einfache  Gewichtsbestimmung  ermitteln  lässt. 
Aber  auch  schon  der  blosse  Augenschein  zeigt ,  dass  die  ursprünglich  scharfen 
Kanten  sich  abstumpfen  und  verschwinden.  Bei  diesem  Verdunsten  des  Eises  ist 
ein  vorheriges  Schmelzen  nicht  wahrnehmbar.  Das  Eis  lässt  sich  sogar  im  Vacuum, 
ohne  zu  schmelzen,  sublimiren.  Das  Nichtschmelzen  erklärt  sich  dadurch,  dass  das 
Eis  beim  Verdampfen  soviel  Wärme  absorbirt,  dass  die  zurückbleibende  Eismasse 
stets  unter  0°  erhalten  wird. 

Die  Verbreitung  des  Eises  auf  der  Erde  richtet  sich  nach  den  klimatischen 
Verhältnissen;  während  es  in  der  hei.ssen  Zone  eine  kaum  gekannte  Erscheinung 
ist  ,  tritt  es  in  den  tieferen  Lagen  der  gemässigten  Zone  zur  Winterszeit,  also 
vorübergehend,  und  nur  auf  den  höchsten  Spitzen  hoher  Gebirge  tritt  es  dauernd 

Digitized  by  Google 


EIS.  609 

als  Gletscher  auf.  In  den  Polargegenden  erscheint  es  in  ungeheurer  Menge,  theils 
als  Gletscher,  theils  als  Eisfelder  oder  als  im  Wasser  schwimmende  Eisberge  von 
oft  mehr  als  100  m  Höhe,  häufig  auch  als  Gründen.  Das  Eis  dieser  Polargegenden 
zeichnet  sich  durch  ganz  besondere  Festigkeit  und  Härte  aus. 

Die  Verwendung  des  Eises  gründet  sich  auf  seine  wärmeentziehenden 
Eigenschaften.  In  der  Medicin  wird  es  daher  bei  acut  entzündlichen  Processen  in 
Form  von  Eisumschlagen,  innerlich  gegen  Erbrechen  in  Form  sogenannter  Eispillen 
benutzt.  —  Im  Haushalte  dient  es,  vorzugsweise  in  der  warmen  Jahreszeit,  zur 
Präaervirung  des  Fleisches,  der  Butter  und  anderer  Nahrungsmittel ;  dazu  dient  der 
Eisschrank,  in  dessen  Doppelwanduugen  das  Eis  eingeführt  wird ;  die  Wirkung 
ist  hier  eine  indirecte  durch  Herabminderung  der  Lufttemperatur.  —  Weit  umfang- 
reicher ist  die  Verwendung  des  Eises  in  der  Brauerei  und  Spiritus- 
brennerei. Die  allgemein  eingeführte  bayerische  Braumethode  macht  sowohl 
zum  Kuhlen  der  Maische,  als  auch  für  die  spStere  Nachgährung,  die  Verwendung 
eisigkalter  Luft  zur  Bedingung,  welche  sich  nur  bei  Verwendung  von  Eis  in 
grosser  Menge  erzielen  lllsst. 

Eis  als  Handelswnare.  Diese  vielseitige  und  weitgehende  Verwendung 
des  Eises  hat  sich  erst  in  den  letzten  15 — 20  Jahren  eingeführt  und  den  früher 
kaum  beachteten  Artikel  zu  einem  nicht  unwichtigen  Handelsartikel  gemacht.  Das 
im  Winter  in  kleinen  Flüssen ,  Seen ,  Teichen  sich  bildende  Eis  wird  gesammelt 
und  in  Eiskellern  aufbewahrt.  Da  das  Eis  als  Kühlmittel  Wärme  zu  absorbiren 
hat,  schmilzt  es;  das  Schmelzwasser  muss  in  gewissen,  durch  die  Lufttemperatur 
bedingten  Zwischenräumen  abgelassen  und  durch  neues  Eis  ersetzt  werden. 
Durch  diese  Form  des  Bedarfs  hat  sich  der  Eishandel  und  das  Eisabonne- 
ment eingeführt.  Der  Preis  der  Handelswaare  richtet  sich  ganz  nach  der  an- 
nähernden Gesammtproduction  des  Winters  im  Verhältnis  zur  darauffolgenden 
Sommertemperatur.  Bei  geringer  Production  und  darauf  folgendem  anhaltend 
heissem  Sommer  kann  Eis  sogar  eine  sehr  kostbare  Handelswaare  werden.  Im 
Jahre  1885  hat  sogar  der  Wintervorrath  den  Bedarf  nicht  annähernd  gedeckt, 
so  dass  Eis  ein  Importartikel  erster  Classe  wurde;  es  wurden  im  Sommer  1885 
ganze  Schiffsladungen  norwegisches  Eis  über  Stettin  nach  Deutschland  ein- 
geführt. Dieser  stets  wachsende  Eisverbrauch  ist  eine  Veranlassung  zur  Darstellung 
künstlichen  Eises  geworden  (s.  d.  nächsten  Artikel). 

Eis  als  Medicament.  Die  Verwendung  des  Eises  als  Arzneimittel  hat  die 
Frage  nahe  gelegt ,  ob  dasselbe  in  den  Apotheken  vorräthig  zu  halten  sei ,  und 
ist  in  einzelnen  Staaten  das  Eis,  obgleich  in  die  Series  medicaminum  nicht  aufge- 
genoromen,  in  den  Apotheken  obligatorisch  vorräthig  zu  halten.  Zur  Aufbe- 
wahrung kleiner  Mengen  Eis  hat  das  preussische  Kriegsministerium  folgende 
höchst  zweckmässige  Vorschrift  gegeben:  „Ueber  ein  irdenes  Gefäss  wird  ein 
Stück  recht  losen,  oder  mit  einigen  kleinen  Löchern  versehenen,  Wasser  leicht 
durchlassenden  Flanells  gebunden,  gross  genug,  um  bis  in  die  Mitte  des  Gefässes 
trichterförmig  hinabgedrückt  zu  werden.  In  diesen  Flauelltrichter  wird  das  zer- 
kleinerte Eis  gethan  und  das  Gefäss  mit  Flanell  zugedeckt.  Das  Eis  muss  mög- 
lichst frei  von  Schmelzwasser,  und  das  Gefäss  möglichst  fest  zugedeckt  bleibeu." 
Zum  innerlichen  Gebrauch  darf  Roheis  in  keinem  Falle  verwendet  werden, 
da  es,  abgesehen  von  mechanischen  Verunreinigungen ,  Bacterien  enthalten  kann. 
Vielmehr  soll  nur  ein  aus  destillirtem  Wasser  bereitetes  Kunsteis,  wie  solches 
bei  der  Vermehrung  der  Eismaschinen  und  bei  der  jetzigen  Form  des  Eishandels 
leicht  zu  beschaffen  ist,  dispensirt  werden.  Oanswindi 

Ei8,  künstliches.  Der  stetig  zunehmende  Bedarf  an  Eis  für  die  verschieden- 
artigsten Zwecke,  die  ungenügende  Ausbeute  bei  milden  Wintern,  die  Uebelstände 
der  Magazinirung  in  warmen  Sommern,  vor  Allem  aber  die  berechtigte  Forderung 
der  Medicin  und  des  Haushaltes  nach  einem  reineren  Eise ,  als  das  natürliche 
meist  sein  kann ,   haben  zur  Herstellung  künstlichen  Eises  geführt ,  welche 

Real-Encyclopädie  der  Res.  Pharmacie.  III.  39 

Digitized  by  Google 


610 


EIS.  —  EISBEUTEL. 


aus  kleinen  Anfangen  zu  einer  eigenen  Industrie,  der  Eisfabrikation,  ange- 
wachsen ist. 

Daß  der  Eiserzeugung  zu  Grunde  liegende  Princip  ist  die  Herstellung  von 
Temperaturen  unter  0°.  Das  lässt  sich  auf  drei  verschiedenen  Wegen  erreichen: 
1.  durch  Bereitung  von  Kältemischungen;  2.  durch  Verdunsten  von  Flüssigkeiten 
bei  niedrigen  Temperaturen;  3.  durch  Verflüchtigung  comprimirter  Gase.  Die 
Methoden  sub  2  und  3  erfordern  mehr  oder  minder  compficirte  Maschinen,  Eis- 
maschinen. 

Eiserzeugung  durch  Kaltemischungen.  Diese  ist  verhältnismässig 
einfach  und  auch  in  kleineren  Dimensionen  ausführbar.  Als  Kältemischung  wurde 
ursprünglich  die  schon  von  Fahresheit  zur  Feststellung  des  Eispunktes  an  seinem 
Thermometer  benutzte  angewendet :  Schnee  und  Kochsalz.  Die  auch  heute  noch  in 
Haushaltungen,  Conditoreien  etc.  durchgehends  verwandte  Kältemischung  besteht 
aus  gleichen  Gewichtstheilen  von  zerstossenem  Roheis  und  Kochsalz  und  gibt  eine 
Temperatur  von  —  17.7°.  Wo  Roheis  nicht  zur  Verfügung  steht,  empfiehlt  sich 
folgende  Mischung:  1  Th.  Soda,  1  Th.  Salpeter,  1  Th.  Wasser,  Temperatur  —  29°. 
Neuerdings  ist  statt  des  Kochsalzes  die  Anwendung  von  Chlormagnesium  (auch 
Chlormagnesium  -  Chlorkalium ,  der  bisher  werthlose  Rückstand  der  Mutterlaugen 
aus  den  Salzwerken)  empfohlen  worden,  welches  mit  gleichen  Theilen  Eis  gemischt 
eine  Temperaturorniedrigung  von  —  33°  gibt.  Zur  Erzeugung  von  Eis  in  grossem 
Maassstabe  sind  Kälten) ischungeu  zu  kostspielig. 

Eiserzeugung  durch  Verdunstung  von  Flüssigkeiten.  Leicht 
flüchtige  Flüssigkeiten,  wie  Aether,  und  solche,  welche  ein  leicht  zu  entbindendes 
Gas  gelöst  enthalten ,  wie  Ammoniak ,  absorbiren  beim  schnellen  Verdunsten  eine 
grosse  Menge  von  Wärme  und  bewirken  dadurch  eine  wesentliche  Temperatur- 
vermindernng.  Noch  bedeutender  wird  der  Kälteeffect,  wenn  man  zwei  leicht  flüchtige 
Flüssigkeiten,  von  denen  die  eine  in  der  anderen  gelöst  ist,  unter  Anwendung  des 
Vacuums  zur  Verdunstung  bringt.  Tessie  du  Motay  empfiehlt  hierzu  eine  Lösung 
von  schwefliger  Säure  in  Aether ,  oder  Ammoniak  in  Aether ,  ferner  schweflige 
Säure  in  Schwefelkohlenstoff  und  schweflige  Säure  in  Chloroform.  Am  häufigsten 
ist  die  Verwendung  des  Ammoniaks  zur  Eisbereitung.  Hierzu  dient  die  CARRE'ache 
Eismaschine  (s.  d.). 

Eiserzeugungdurch  Wiederausdehnung  zusammengepresster 
Gase.  Das  Princip  ist  natürlich  dasselbe,  nur  der  Kälteeffect  ist  ein  bedeutenderer. 
Von  solchen  verflüssigten  Gasen  gelangen  bei  der  Fabrikation  zur  Verwendung 
flüssige  Kohlensäure,  Schwefligsäureanhydrid,  die  unter  0°  siedenden  Antheile  des 
Petroleums  (Cymogens).  Hierzu  genügen  meist  die  Maschinen  von  Carre,  sowie 
die  von  Pietet  &  Co.  Neuerdings  wird  von  Wjndhause.v  in  Braunschweig  com- 
primirte  Luft  zur  Eisfabrikation  in  eiuer  eigens  construirten  Maschine  verwendet. 

Die  durch  das  Verdunsten  von  Flüssigkeiten  oder  comprimirten  Gasen  erzeugte 
Temperatur  beträgt  je  nach  der  Wahl  des  Mittels  und  je  nach  der  Schnelligkeit 
der  Verdunstung  —  25°  bis  —  7CK 

Das  künstliche  Eis  erscheint  in  Platten  von  bestimmten  Dimensionen  ,  ist  rein 
weiss  und,  weil  fast  stets  lufthaltig  und  krystallinisch,  undurchsichtig.  Es  wird 
in  einzelnen  Fällen  aus  destillirtcm  Wasser  bereitet  und  eignet  sich  daher  vorzüg- 
lich zu  innerlicher  Anwendung,  zu  Eislimonaden  u.  dergl.  m.  Ganswindt. 

Eisbeutel  sind  sackförmige  Beh  älter  zur  Aufnahme  des  Eises,  um  dasselbe  zur 
Hcrabminderung  der  Bluttemperatur  bei  Entzündungen  direct  anwenden  zu  können. 
Sie  haben,  je  nach  dem  Orte,  wo  sie  applicirt  werden ,  verschiedene  Formen  und 
werden  nach  dieser  Form  eingetheilt  in  Stirn-,  Hals-,  Kopf-,  Herz-  und 
Le  i  b- Eisbeutel.  Als  Material  dient  Gummi,  wasserdichter  Stoff-  oder  Pergament- 
papier, und  man  unterscheidet  darnach  G  u  m  m  i-  und  Stoff-  Eisbeutel.  Sämmtliche 
Eisbeutel  besitzen  eine  Einfüllöffnung  (Hals),  welche  meist  nicht  biegsam  ist :  der 
Hals  besteht  gewöhnlich  aus  einem  Blechring,  seltener  aus  einem  Hartgummiring 
oder  Holzring  und  der  Verschluss  aus  einer  Kappe  von  Blech  oder  Weichgumnai. 


Digitized  by  Google 


EISBLÜTHE  -  EISEN.  Gtl 

EisblÜthe,  volksth.  Name  für -Flores  La mii  albi.  —  Eiskraut  ist  Meaem- 
bryanthemum. 

Eisen  (technisch).  Dieses  wichtige  Metall  kommt  auf  der  Erde  nur  aus- 
nahmsweise in  gediegenem  Zustande  vor,  dagegen  ist  es  in  Form  von  Verbindungen 
sehr  weit  verbreitet.  Gediegenes  Eisen  ist  beispielsweise  in  den  meisten  Meteoriten 
enthalten,  von  denen  die  sogenannten  „Eisenmeteoriten"  nahezu  vollständig 
aus  gediegenem  Eisen  und  Nickel  bestehen  (meteorisches  Eisen).  Die  Quantitäten, 
in  denen  auf  diese  Weise  gediegenes  Eisen  aus  fernen  Welträumen  auf  die  Erde 
gelangen,  sind  nicht  unbeträchtliche.  Die  von  Pallas  in  Sibirien  aufgefundene 
Masse  wog  800  kg,  diejenige  von  Bahia  in  Brasilien  7000  kg,  eine  in  Peru  auf- 
gefundene etwa  16000  kg.  Ausser  diesen  sind  noch  zahlreiche  andere  Meteoriten 
bekannt,  deren  Gewicht  zum  Theil  noch  Ober  das  letztaufgeführte  hinausgeht.  Das 
auf  der  Erde  selbst  gebildete  gediegene  Eisen,  sogenanntes  tellurisches  Eisen, 
kommt  verhältnismässig  seltener  und  auch  in  kleineren  Quantitäten  vor.  Allerdings 
sind  Fälle  zur  Beobachtung  gelangt,  in  welchen  sich  erhebliche  Quantitäten  gebildet 
hatten,  wenn  in  Brand  gerathene  Steinkohlenflöze  mit  Eisenerzen  in  Berührung 
kamen :  davon  abgesehen  aber  findet  es  sich  nur  selten  und  in  kleinen  Quantitäten 
in  Gesteinen  eingesprengt,  die  als  das  Product  vulcanischer  Thätigkeit  anzusehen 
sind.  So  kommt  es  nach  Andkews  in  Körnchen  im  Basalt  von  Giants  cause  way 
im  Norden  von  Irland  vor,  desgleichen  in  der  alten  Lava  der  Auvergne. 

Verbindungen  des  Eisens  dagegen  sind  auf  der  Erde  so  weit  verbreitet, 
dass  man  das  Eisen  mit  Recht  als  das  verbreitetste  unter  den  Metallen  ansehen 
kann.  So  ist  es  z.  B.  ein  regelmässiger  Bestandtheil  des  Chlorophyllgrüus  der 
Pflanzen  und  des  rothen  Blutfarbstoffes.  Ausserdem  aber  findet  ei  sich  als  zufälliger 
und  wesentlicher  Bestandtheil  in  ganz  enormen  Mengen  in  der  unorganischen 
Natur  vor.  Die  wichtigsten  derjenigen  Mineralien,  in  denen  Eisen  den  wesent- 
lichen Bestandtheil  bildet  —  welche  aus  diesem  Grunde  auch  als  „Eisenerze" 
zusaramengefasst  werden    —  sind  nachstehende : 

1.  Magneteisenstein,  Fe3Ot,  am  häutigsten  in  Schweden,  Norwegen,  am 
Ural,  in  Pennsylvanien,  ferner  in  Sachsen,  Oesterreich  und  am  Harz  vorkommend, 
enthält  in  reinem  Zustande  31  Procent  Eisenoxydul,  FeO,  und  69  Procent  Eisen- 
oxyd, FeaO.,,  oder  72.4  Procent  metallisches  Eisen,  i 

2.  Eisenglanz,  dichtes  Eisenoxyd,  Fej03,  in  Schweden,  auf  Elba,  auch  in 
Mitteldeutschland.  Enthält  in  reinem  Zustande  69.99  Procent  metallisches  Eisen. 

3.  Rotheisenstein  ist  weniger  dichtes  Eisenoxyd,  FeäOJf  als  das  vorige 
und  kommt  namentlich  in  Frankreich  und  Deutschland ,  auch  in  England  vor. 
Enthält  in  reinem  Zustande  69.99  Proceut  metallisches  Eisen.  Gehört  zu  den 
wichtigsten  Eisenerzen  Deutschlands. 

4.  Brauneisenstein  oder  Eisenoxydbydrat  Fe2  (OH),;  ,  sehr  verbreitet  in 
Deutschland,  seltener  in  Frankreich,  England  und  Spanien.  Enthält  in  reinem 
Zustande  85.58  Procent  Fej03  oder  59.9  metallisches  Eisen.  Abarten  dieses 
Erzes  sind  Glas  köpf,  Sumpferz,  Bohnerz,  Seeerz. 

5.  Spatheisenstein  (Flinz,  Pfünz,  Stahlstein,  Weisserz;,  kohlensaures  Eiseu- 
oxydul,  FeCOj,  enthält  iu  reinem  Zustande  48.3  Procent  metallisches  Eisen. 
Kommt  besonders  in  Steiermark,  Kärnten,  am  Rhein,  iu  Frankreich,  Italien  und 
Spanien  vor. 

6.  Eisenkies  oder  Pyrit,  zweifach  Schwefeleisen,  FeSa,  ist  ein  ausser- 
ordentlich weit  verbreitetes  Mineral ,  das  namentlich  in  Deutschland  (Westphalen) 
in  colossalen  Lagern  angetroffen  wird. 

Ausser  diesen  wichtigeren  Eisenerzen  wären  noch  zu  erwähnen  Magnetkies, 
Fe,  Sa,  Kupferkies,  CuFeS3,  und  Arsenkies,  Fe(AsS)a,  obgleich  diese 
letzteren  für  die  Gewinnung  von  Eisen  nicht  iu  Betracht  kommen. 

Die  Frage,  zu  welcher  Zeit  gediegenes  Eisen  aus  seinen  Erzen  zuerst  abge- 
schieden wurde,  lässt  sich  mit  Sicherheit  nicht  beantworten.  Ausser  allem  Zweifel 

39  • 

Digitized  by  Google 


C12 


KISEN. 


steht  allerdings,  dass  die  Bereitung  von  metallischem  Eisen  aus  dessen  Erzen 
schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  aufgefunden  wurde.  In  der  Bibel  beispielsweise 
ist  Moses,  V,  4.  20  und  Hiob,  28,  2  von  Eisen  als  etwas  längst  Bekanntem  die 
Bede.  Ob  aber  die  Erfindung  der  Eisendarstellung  den  Indern ,  Chinesen  oder 
Aegyptern  zuzuschreiben  ist,  lässt  sich  nicht  entscheiden. 

Auch  über  die  Stellung,  welche  das  Eisen  anderen  Metallen  gegenüber  in  der 
Culturgefichichte  einnahm,  macht  man  sich  vielfach  recht  irrige  Vorstellungen.  In 
der  Regel  wird  angenommen,  dass  auf  die  sogenannte  Steinzeit  das  Zeitalter  der 
Bronze,  und  auf  dieses  dasjenige  des  Eisens  folgte.  Diese  Voraussetzung  stützt 
sieh  wesentlich  darauf,  dass  aus  der  alten  Zeit  entstammende  Bronzegegenstände 
in  reichlicher  Zahl,  solche  von  Eisen  dagegen  in  weit  geringerem  Umfange  über- 
liefert wurden.  Demgegenüber  darf  man  jedoch  nicht  ausser  Acht  lassen ,  dass 
Bronze  ein  viel  wetterfesteres  Material  ist  als  Eisen,  zu  dessen  Zerstörung  ein 
verhältnissmassig  beschränkter  Zeitraum  ausreicht.  Ziehen  wir  ausserdem  noch  in 
Betracht,  dass  die  Ausbringung  von  Eisen  aus  seinen,  in  grosser  Reinheit  vor 
kommenden  Erzen  ein  Process  war,  der  weniger  metallurgische  Kenntnisse  und 
technische  Hilfsmittel  erforderte,  als  die  Darstellung  von  Bronze,  welche  die  Her- 
stellung von  metallischem  Kupfer  und  Zinn  voraussetzte,  so  wird  man  unschwer 
zu  der  Ueberzeugung  gelangen,  dass  wesentliche  Gründe  dafür,  es  sei  Kupfer  eher 
bekannt  gewesen,  als  Eisen ,  nicht  vorliegen ,  dass  vielmehr  vielleicht  gerade  das 
Oegentheil  der  Fall  war.  Höchst  wahrscheinlich  aber  lagen  die  Verhältnisse  so, 
dass  auch  schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  Eisen  neben  Kupfer  und  Bronze  zu 
einer  Reihe  von  Gebrauchsgegenständen  benutzt  wurde,  wenn  vielleicht  auch  nur 
in  beschränktem  Maasse.  Es  wird  in  der  alten  Zeit,  die  mit  den  Anfängen  der 
Geschichte  beginnt  und  mit  der  Völkerwanderung  endet,  das  Eiseu  zwar  bekannt 
gtwesen,  aber  wenig  verwerthet  worden  sein ,  während  die  Bronzen  allgemeine 
Anwendung  fanden.  Eine  zweite  Epoche  unifasst  die  Zeit  nach  der  Völker- 
wanderung bis  zum  Mittelalter,  d.  h.  bis  in  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts.  In 
dieser  gelangte  das  Eisen  zur  Aufuahme  als  Material  für  Waffeu  und  Werkzeuge. 
Mau  erzeugte  zunächst  nur  Schmiedeeisen  und  Stab!*,  und  zwar  direct  aus  den 
Erzen :  am  Ende  dieser  Periode  aber  lernte  man  flüssiges  Roheisen  gewinnen,  benützte 
auch  schon  mechanische  Betriebskräfte.  Die  neueste  Zeit  endlich,  von  der 
Mitte  des  15.  Jahrhunderts  bis  zur  Gegenwart  reichend,  bildete  die  Methode  der 
Gewinnung  von  Roheisen  und  der  Darstellung  von  Schmiedeeisen  und  Stahl  aus 
diesem  immer  mehr  aus.  Maschinelle  Hilfskräfte  werden  immer  mehr  herangezogen, 
bis  sich  endlich  jene  ungeheure  Industrie  herausgebildet  hat,  deren  wir  uns  gegen- 
wärtig erfreuen. 

Schmiedeeisen,  Gusseisen  und  Stahl.  Die  ungemeine  Wichtigkeit,  welche  das 
Eisen  für  den  gegenwärtigen  Culturabschnitt  besitzt,  ist  nicht  auf  Eigenschaften 
zurückzuführen,  welche  dem  reinen  Eisen  als  solchem  zukommeu.  Das  letztere 
erlangt  seine  geschätzten  Eigenschaften  erst  dadurch ,  dass  es  einen  gewissen 
Procentsatz  von  Kohlenstoff  aufnimmt.  In  dem  Grade,  wie  diese  Aufnahme  erfolgt, 
nimmt  das  metallische  Eisen  charakteristische  Eigenschaften  au,  auf  Grund  deren 
man  die  verschiedeneu  Eisensorten  in  drei  verschiedene  Gruppen  einzutheilen 
pflegt. 

Gusseisen,  leicht  schmelzbar,  enthält  Kohlenstoff   .    .     3 — 5.93  Procent 
Stahl,  weniger  leicht  schmelzbar,  elastisch     ....  0.6 — 2.3  „ 
S  chmiedeeisen,  schwer  schmelzbar,  zähe   .    .    .     0.08 — 0.6  „ 

Die  vorstehende  Znsammen  Stellung  bezweckt  lediglich  eine  vorläufige  Orientirung, 
genauere  Angaben  folgen  weiter  unten. 

Die  Eisengewinnung  bei  den  Alten  gestaltete  sich  zu  einem  ziemlich 
einfachen  Process.  Sie  benutzten  durchwegs  sehr  reine  oxydische  Erze  und  gewannen 
aus  ihnen  durch  Rednction  metallisches  Eisen.  Die  Hilfsmittel ,  über  welche  sie 
verfügten,  waren  die  denkbar  bescheidensten.  Als  Feuerungsstätten  besassen  sie 


Digitized  by  Googl 


EISEN. 


613 


kleine  Herde  und  Oefen,  als  Reducinuaterial  wurde  Holzkohle  verwendet.  Ebenso 
einfach  waren  die  Mittel  zur  Hervorbringung  der  nothwendigen  hohen  Temperatur. 
Ursprünglich  placirte  man  die  Oefen  an  möglichst  günstigen  Orten,  so  das*  der 
natürliche  Luftzug  eine  rasche  Ergänzung  des  beim  Verbrennungsprocess  ver- 
brauchten Sauerstoffs  vermittelte.  Später  mögen  Blasebälge,  von  Menschenhand  be- 
trieben, in  Gebrauch  gewesen  sein.  Immerhin  war  der  erreichte  Effect  ein  nur 
geringer.  Temperaturen,  wie  sie  zur  Verflüssigung  des  Eisens  notbwendig  sind, 
konnten  auf  solchem  Wege  nicht  erreicht  werden.  Damit  stimmt  denn  auch  Uberein, 
dass  die  Alten  das  Gusseisen  überhaupt  nicht  kannten,  vielmehr  bei  ihren  auf 
Eisengewinnung  gerichteten  Operationen  stets  eine  nicht  geschmolzene  schwammige 
Masse  erhielten,  welche  sich  mehr  oder  weniger  denjenigen  Eisensorten  näherte,  welche 
wir  gegenwärtig  Stahl  und  Schmiedeeisen  nennen ,  die  übrigens  eiu  zur  weiteren 
Verarbeitung  sehr  taugliches  Material  darstellte.  Dieser  metallurgische  Proeess,  welcher 
ein  schwach  kohlehaltiges  Eisen  ergab,  Hess  sich  sehr  wohl  bei  Temperaturen  zwischen 
700  und  800°  ausführen.  Dabei  hatte  man  es  zunächst  noch  nicht  in  der  Gewalt, 
nach  Wunsch  Schmiedeeisen  oder  Stahl  zu  erzeugen,  es  hing  dies  vielmehr  von 
einer  Reihe  zufälliger  Bedingungen  ab,  auch  von  der  Natur  der  Erze ,  so  dass 
gewisse  Gegenden  in  dem  Rufe  standen,  ganz  besonders  brauchbare  (harte)  Eisen- 
sorten zu  liefern.  In  vorzüglichem  Ansehen  stand  beispielweise  das  Land  der 
Chalyber  und  die  Gegend  von  Norikum ;  bezeichnete  man  doch  eine  ganz  besonders 
harte  Stahlsorte  aus  diesem  Grunde  mit  yxksj. 

Allmälig  lernte  man  vorhandene  Wasserkräfte  zum  Betriebe  zu  benutzen ;  es 
wurde  dadurch  möglich,  höhere  Temperaturen  zu  erzeugen,  man  lernte  schliesslich 
das  Eisen  in  geschmolzenem  Zustande  kennen  und  darstellen.  Was  die  eben 
skizzirte  älteste  Art  der  Darstellung  des  Eisens  von  uaseren  modernen  Ver- 
fahren unterscheidet,  ist  der  Umstand,  dass  die  Alten  aus  ihren  Erzen  das  zu 
ihren  Geräthen  nothwendige  Eisenmaterial  d  i  r  e  e  t  erzengten,  während  gegenwärtig 
die  verschiedensten  Eisensorten  durchwegs  in  der  Weise  dargestellt  werden,  dass 
nur  ein  Rohproduct  —  Roheisen  oder  Gusseisen  —  dargestellt  wird,  welches  das 
Ausgangsmaterial  für  alle  übrigen  Eisensorten  bildet ;  der  moderne  ist  daher  zweck- 
mässig als  indirecter  Proeess  zu  bezeichnen. 

Die  Darstellung  des  Eisens  in  der  Gegenwart.  Das  erste  Ziel  der 
modernen  Eisenindustrie  ist  unter  allen  Umständen  die  Abscheidung  von  Roh- 
eisen aus  den  Erzen.  Für  die  Verhüttun;?  kommen  zur  Zeit  lediglich  die  sauer- 
stoffhaltigen Eisenerze  in  Frage ;  die  in  colossalen  Lagern  vorkommenden  Schwefel- 
erze (Schwefelkies,  Pyrit)  werden  zur  Eisengewinnung  nicht  benutzt.  Aber  auch 
unter  den  sauerstoffhaltigen  Erzen  existiren  mannigfache  Verschiedenheiten,  insofern 
zur  Erlangung  bestimmter  Eisensorten  gewisse  Erze  am  besten  sich  eignen,  l'm  aber 
den  Mechanismus  der  Fabrikation  eiuigermaasseu  überblicken  zu  können,  müssen 
wir  uns  zunächst  über  die  Eigenschaften  der  drei  Eisensorten  informiren ,  unter 
welche  sich  die  zahlreichen  Varietäten  unterordnen  lassen.  —  Man  classificirt  die 
verschiedenen  Eisensorten  in  der  Regel  als  Roh-  oder  Gusseisen,  Stahl  und 
Schmiedeeisen.  Chemisch  unterscheiden  sich  diese  drei  von  einander  durch 
ihren  Gehalt  an  Kohlenstoff,  der  beim  Schmiedeeisen  das  Minimum,  beim  Guss- 
eisen das  Maximum  beträgt.  Damit  stehen  im  Zusammenhange  wichtige  physi- 
kalische Eigenschaften,  welche  dem  Eisen  überhaupt  erst  seinen  Werth  als  Nutz- 
metall verleihen.  Das  feinste  Eisen  mit  dem  geringsten  Kohlenstoffgehalt  — 
Schmiedeeisen  —  ist  sehr  weich,  sehr  schwer  schmelzbar  und  ausserordent- 
lich zähe.  Roheisen,  welches  den  höchsten  Kohlenstoffgehalt  aufweist,  ist  im 
Gegensätze  zu  diesem  sehr  hart,  leicht  schmelzbar,  aber  zugleich  spröde.  Stahl, 
welcher  im  Kohlenstoffgehalt  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  eben  erwähnten 
steht,  vereinigt  in  sich  die  Zähigkeit  des  Schmiedeeisens  mit  der  SprÖdigkeit  des 
Gusseisens.  Das  Product  dieser  Vereinigung  verschiedener  Eigenschaften  ist  eine 
neue  Eigenschaft:  die  der  Elasticität.  Auch  bezüglich  seiner  Schnielzbarkeit 
und  Härte  nimmt  er  die  Mitte  zwischen  deu  beiden  anderen  Eiseusorteu  ein. 


Digitized  by  Google 


614 


EISEN. 


Nachfolgende  Uebcrsicbt  wird  am  besten  im  Stande  sein,  die  Differenzen  be- 
züglich der  Schmelzbarkeit  der  verschiedenen  Eisensorten  zum  Ausdruck  zu  bringen  j 
die  Unterschiede  zwischen  grauem  und  weissem  Roheisen  werden  später  (bei  Roh- 


eisen) besprochen  werden. 
Es  schmelzen: 

Leicht  schmelzbares  weisses  Roheisen  bei   1050° 

Schwer         „             „  „       „   11000 

Leicht  schmelzbares  graues  Roheisen  „   1100» 

Schwer         „             „  „        „   1200° 

Leicht  schmelzbarer  Stahl  „   1300° 

Schwer         „           „  „   1400° 

Schmiedeeisen  „   1500—1700° 


wobei  indessen  zu  beachten  ist,  dass  diese  Angaben  selbstverständlich  nur  unge- 
fähre sind,  und  Schwankungen  innerhalb  gewisser  Grenzen  beobachtet  werden. 

a)  Roheisen.  Dnsselbe  wird  hüttenmännisch  durch  Reduction  von  Eisenerzen 
mit  Kohle  gewonnen.  Der  Fabrikationsbetrieb  ist  ein  contiuuirlicher  und  erfolgt 
in  eigentümlich  construirten  Oefen,  den  sogenannten  Hohöfen  oder  Hochöfen, 
deren  Ursprung  bis  in  die  Mitte  des  1 5.  Jahrhunderts  hinein  verfolgt  werden  kann. 

Ein  Hohofen  ist  ein  etwa  15 — 20m  hoher  Schachtofen,  dessen  äusserer 
Mantel,  der  „Rauschacht"  A  aus  gewöhnlichen,  gut  gebrannten  Ziegelsteinen  besteht, 
während  seine  innere  Höhlung,  der  ..Kernsehacht"  H,  mit  einer  Schicht  feuer- 
fester, sogenannter  Chamotteziegel  ausgekleidet  ist.  Der  Horizontalschnitt  zeigt 
sich  an  jeder  Stelle  des  Ofens  kreisrund,  der  Verticaldurchschnitt  dagegen  zeigt 
bei  den  einzelnen  Ocfen  sehr  verschiedene  Gestalt.  Die  in  nebenstehender  Fig.  101 
veranschaulichte  ältere  Form  ist  diejenige,  nach  welcher  auch  heute  noch  die 
meisten  Oefen  construirt  werden ;  sie  hat  die  Gestalt  zweier  mit  den  Grundflächen 
aufeinander  gestellter,  abgestumpfter  Kegel.  Der  obere  grössere  a — c  heisst  der 
„Schacht",  der  untere  kleinere  die  „Rast",  c — d.  Der  Theil  des  Ofens, 
welcher  den  grössten  Durchmesser  besitzt  —  bei  c  —  wird  „Kohlen sack" 
genannt.  Unterhalb  der  Rast  verengert  sich  der  Ofen  zu  dem  sogenannten 
„Gestell",  d — f.  In  dem  untersten  Theil  des  Ofens,  dem  „Herde"  g>  sammelt 
sich  das  während  des  Betriebes  gebildete  geschmolzene  Eisen  au  ;  von  dort  wird 
es  in  bestimmten  Intervallen  durch  sogenannte  „Abstichöffnungen"  abgelassen, 
welche  während  der  übrigen  Zeit  durch  Verschmieren  mit  Lehm  geschlossen 
gehalten  werden.  Die  oberste  Oeffnung  a  des  Ofens  dient  zum  Einfüllen  der 
Charge,  d.h.  von  Erz,  Kohle  und  Zuschlägen,  und  heisst  „Gicht".  Der  Herd 
g  ist  nach  der  Arbeitsöffnung  verlängert  und  bildet  eine  Art  Vorherd,  der  durch 
den  Wal  Istein  M  begrenzt  wird,  der  auf  der  einen  Seite  den  Chamotteziegeln 
anliegt,  auf  der  anderen  einen  Schlitz  für  die  Abstichöffnnng  frei  lfisst.  Die  vordere 
Seite  des  Herdes  wird  durch  den  „Tümpel"  o  begrenzt,  so  dass  zwischen  ihm 
und  dem  Wallstein  eine  schlitzförmige  Oeffnung  bleibt,  durch  welche  den  Schlacken 
ein  Ausgang  ermöglicht  wird.  In  dem  Gestell  befinden  sich  ferner  zwei,  drei  oder 
mehrere  Oeffnungen,  in  welche  die  Düsen,  Deusen  oder  Deepen  genannten  Mund- 
stücke der  Windzuleitnngsröhren  /',  welche  den  Hohofen  mit  Luft  speisen,  eintreten. 

Die  für  den  Betrieb  nothwendige  comprimirte  Luft  wird  gegenwärtig  durchwegs 
durch  das  sogenannte  Cylindergebläse  erzeugt,  d.  h.  durch  eine  doppelt  wirkende, 
der  französischen  Luftpumpe  ähnlich  construirte  Oompressionspumpe.  Um  einen 
möglichst  gleiehmässigen  Luftstrom  zu  verwenden,  treibt  das  Gebläse  die  compri- 
mirte Luft  nicht  direct  in  den  Hohofen.  Die  letztere  wird  vielmehr  vorher  in 
einem  Windkessel  gesammelt  und  erst  aus  diesem  in  den  Ofen  geleitet,  so  dass 
nur  kleine  Druckdifferenzen  eintreten  können.  Der  Betrieb  des  Gebläses  erfolgt 
entweder  durch  Wasserkraft  oder  in  Ermangelung  derselben  durch  Dampfkraft. 
Mit  Pferden  betriebene  Göpelwerke  etc.  dürften  nur  noch  ausnahmsweise  einmal 
vorkommen. 


Digitized  by  Google 


EISEN. 


615 


In  neueren  Etablissements  endlich  wird,  um  Erspamiss  an  Brennmaterialien 
herbeizuführen,  die  Geblaseluft  erst  durch  geeignete  Vorrichtungen  vorgewärmt, 
ehe  sie  dem  Ofen  zugeführt  wird.  Zum  Vorwärmen  bedient  man  sich  entweder 
der  früher  unbenützt  entwichenen  Gichtgase  oder  man  benützt  die  beim  Ver- 
cokungsprocess  abfallenden  brennbaren  Gase  als  Feuerungsmaterial,  vielfach  auch 
wendet  man  das  SiEMENS'sche  Regenerativsystem  an.  Je  nach  den  vorhandenen 
Bedingungen  nimmt  die  Luft  beim  Vorwärmen  Temperaturen  an ,  die  zwischen 
200  und  600°  liegen  können. 

Soll  ein  Ofen  in  Betrieb  gesetzt  oder  „angeblasen"  werden,  so  wird  zunächst 
an  seinem  Boden  ein  massiges  Holzfeuer  angemacht,  dann  auf  dieses  andere 
Brennmaterialien  wie  Coks,  Steinkohlen,  Anthracit  geschichtet.  Ist  die  Erwärmung 


Fi«.  101. 


bis  zu  einem  gewissen  Grade  vorgeschritten  ,  so  wird  das  Gebläse  in  Thätigkeit 
gesetzt  oder  „angestellt"  ,  zu  gleicher  Zeit  beginnt  man  die  Charge  einzufüllen, 
d.  h.  man  füllt  den  Schacht  abwechselnd  mit  Schichten  von  Kohle,  Eisenerzen  und 
sogenannten  Zuschlägen  bis  zur  Gichtöft'nung  an.  Die  zugeführte  Kohle,  die  bei 
dem  Eisenprocess  die  wichtige  Rolle  des  Reductionsmittels  spielt ,  wurde  früher 
ausschliesslich  in  Form  von  Holzkohle  verwendet;  gegenwärtig  benutzt  man  am 
häutigsten  Coks,  die  von  den  Eisenhütten  selbst  erzeugt  werden ,  seltener  Stein- 
kohlen, ganz  neuerdings  auch  versuchsweise  Braunkohleu.  Unter  der  Bezeichnung 
Zuschläge  werden  ganz  generell  Zusätze  zur  Charge  verstandeu,  welche  dazu  dienen 
sollen,  die  Bildung  einer  Schlacke  (eines  Glasflusses)  zu  befördern,  deren  Wichtig- 


616 


EISEN. 


kcit  aus  den  später  folgenden  Ausführungen  sich  ergeben  wird.  Die  Natur  der 
Zuschläge  ist  vollständig  abhängig  von  der  Natur  der  zu  verhüttenden  Erze.  Sind 
dieselben  sehr  reich  an  Silicaten  und  arm  an  Erdeu,  so  erhalten  sie  Zuschläge 
von  Erden,  meist  in  Form  von  Kalkstein.  Andererseits  erhalten  kieselsäurearme 
Erze  einen  Zuschlag  von  Kieselsaure,  die  ihnen  in  Form  von  Sand,  Kies  etc.  zu- 
geführt wird,  bisweilen  wird  auch  Braunstein,  Flussspath  etc.  zugesetzt. 

Ist  ein  Ofen  erst  einmal  angeblasen ,  so  gestaltet  sich  sein  Betrieb  zu  einem 
continuirlicben,  d.  b.  er  wird  ununterbrochen,  so  lange  als  irgend  möglich,  fort- 
gesetzt, indem  in  gleichem  Maasse,  wie  fertiges  Eisen  sich  bildet,  die  Charge  nach- 
gefüllt wird.  Die  Dauer  der  Betriebszeit  eines  Hohofens  wird  „Hüttenreise"  oder 
„Campagne"  genannt;  sie  ist  abhängig  von  der  Dauerhaftigkeit  und  Güte  des 
zum  Baue  verwendeten  Materiales  und  kann  für  einen  Ofen  2 — 10  Jahre  und 
darüber  hinaus  betragen.  Das  Erloschen  oder  „Ausblasen",  beziehungsweise  das 
Wiedcranblaseu  eines  Ofens  ist  mit  erheblichen  Geldopfern  verknüpft,  so  dass  man 
dieser  Eventualität,  so  lange  wie  irgend  möglich  aus  dem  Wege  geht  Gründe  für 
das  Erlöschen  eines  Ofens  sind:  dringende  Reparaturen,  nicht  selten  aber  auch 
schlechte  Conjuncturen. 

Wenn  wir  nunmehr  zur  Betrachtung  der  chemischen  Vorgänge  übergehen, 
welche  sich  in  einem  Hohofen  abspielen,  so  sei  zunächst  vorausgeschickt,  dass 
die  nachfolgenden  Ausführungen  selbstverständlich  keinen  Anspruch  auf  Voll- 
ständigkeit machen  können,  vielmehr  lediglich  eiu  ungefähres  Bild  des  Hohofen- 
processes  geben  sollen. 

Die  durch  die  Gichtöffnung  in  den  Ofen  eingefüllte  Charge,  aus  Erzen,  Kohle 
und  Zuschlagen  bestehend,  sinkt  in  dem  Maasse.  wie  der  Eisenbildungsprocess  vor- 
schreitet, langsam  nach  dem  Grunde  des  Ofens  hin  und  wird  natürlich  in  den  ver- 
schiedenen Theilcn  des  Ofens  auch  sehr  verschiedenen  Bedingungen  ausgesetzt  sein. 
Der  in  vorstehender  Fig.  101  zwischen  a  und  h  liegende  Theil  des  Ofens  besitzt 
beispielsweise  eine  Temperatur  von  etwa  150 — 500°  und  wird  die  „Vorwärme- 
zone" genannt.  Innerbalb  dieser  wird  die  Charge  vorgewärmt,  ausgetrocknet 
und  aufgelockert.  8ie  sinkt  allmälig  weiter  in  die  den  Raum  zwischen  b  und  c 
einnehmende  „R  e  d  u  c  t  i  o  n  s  z  o  n  e".  Iu  dieser  räumlich  sehr  ausgedehnten  Zone 
herrscht  eine  Temperatur  von  etwa  500 — 000°.  Hier  wirken  verschiedene  redu- 
cirende  Agentien  auf  das  nunmehr  vorhandene  Eisenoxyd  ein  und  reduciren  es  zu 
Ebenoxydoxydul,  schliesslich  zu  metallischem  Eisen.  Die  in  dieser  Zone  wirkenden 
Reductionsmittel  sind  hauptsächlich  Kohlenoxyd,  Kohlenwasserstoffe,  Cyanwasser- 
stoffgas  oder  Cyankaliumdiimpfe,  Substanzen,  deren  Auftreten  dadurch  zu  erklären 
ist,  dass  die  durch  die  eingeblasene  Luft  entstandene  Kohlensäure  von  dem  vor- 
handenen glühenden  Kohlenstoff  zu  Kohlenoxyd  reducirt  wird ,  während  Kohlen- 
wasserstoffe durch  Einwirkung  von  Wasserdampf  auf  die  glühenden  Kohlen  sich 
bilden,  und  das  Auftreten  von  Cyanverbindungen  zum  Theil  auf  den  Stick- 
stoffgehalt der  verwendeten  Coke,  zum  Theil  auf  denjenigen  der  atmosphärischen 
Luft  zurückzuführen  ist. 

Das  in  der  Reductionszone  gebildete  Eisen  ist  ursprünglich  reines,  d.  h.  kohlen- 
stofffreies Eisen  j  ans  diesem  Grunde  kommt  es  bei  der  in  jener  Zone  herrschenden 
Temperatur,  welche  nicht  über  1000"  hinauskommt,  auch  nicht  zum  Schmelzen 
(der  Schmelzpunkt  des  reinen  Eisens  liegt  jenseits  2000°),  vielmehr  ist  es  in  einem 
sogenannten  schwammartigen  Zustande  vorhanden.  Während  des  Niedersinkens  aber 
kommt  es  in  der  Kohlungszone  zwischen  r  und  d  bei  einer  Temperatur  von 
etwa  900—1500'  mit  glühenden  Kohlen  in  Berührung,  zum  Theil  auch  wird 
Kohlenstoff  aus  deu  iu  jener  Zone  vorhandenen  Kohlenstoft'verbindungen  (Koblen- 
oxyd-  und  Cyanverbindungen)  in  Freiheit  gesetzt.  Unter  diesen  Umständen  nimmt 
das  schwamniartige  Eisen  eine  gewisse  Menge  Kohlenstoff  auf  und  verwandelt#ich 
dadurch  in  relativ  leicht  schmelzendes  Roheisen  oder  Gusseiseu ,  welches/  nun 
in  der  Schmelzzone  d—e  bei  der  dort  vorhandenen  Temperatur  von  15ÖM  bis 
1700°  thatsächlich  zum  Schmelzen  gelaugt.    In  dieser  Zone   wirkt  der  glühende 


Digitized  by  Google 


ELSEN. 


617 


Kohlenstoff  reducirend  auch  auf  die  in  den  Erzen  und  Zuschlägen  vorhandeuen 
Verunreinigungen  und  reducirt  die  Oxyde  des  Phosphors,  Siliciuins,  Schwefeln  etc. 
zum  Theil  zu  den  betreffenden  Elementen,  welche  sich  ihrerseits  mit  dem  geschmolzeneu 
Eisen  verbinden.  Zugleich  aber  gelangen  die  den  Erzen  beigemengten  Zuschlage 
zum  Schmelzen  und  bilden  eine  auf  dem  geschmolzenen  Eisen  schwimmende 
Schlacke.  Die  Bildung  der  letzteren  ist  für  den  Eisengewinnungsprocess  in 
mehrfacher  Hinsicht  von  Wichtigkeit.  Von  ihr  sollen  die  die  Erze  begleitenden 
wesentlichsten  Vernnreinigungen  aufgenommen  werden ;  sie  hat  ferner  die  Aufgabe, 
eine  schützende  Hülle  über  dem  geschmolzenen  Eisen  zu  bilden,  so  dass  dasselbe 
von  der  in  den  Ofen  eintretenden  Gebläseluft  nicht  unnöthig  oxydirt  wird.  Dann 
aber  ist  der  IlUttenmann  auch  im  Stande,  aus  der  Beschaffenheit  der  Schlacke 
Schlüsse  auf  den  Stand  des  augenblicklichen  Betriebes  zu  ziehen. 

Hat  sich  im  Gestell  eine  genügende  Menge  von  geschmolzenem  Elsen  angesammelt, 
so  wird  zunächst  die  Schlacke  durch  die  Schlackenöffnung  und  hierauf  das  Eisen 
durch  die  Abstichöffnung  abgelassen  und  letzteres  direct  in  die  vorher  vorbereiteten 
Gussformen  geleitet.  Der  Abstich  erfolgt  in  grösseren  Etablissements  etwa  zweimal  in 
24  Stunden.  Während  des  Betriebes  wird  oben  an  der  Gichtüffnung  stets  frische 
Charge  nachgefüllt  in  dem  gleichen  Maasse,  wie  der  Inhalt  des  Ofens  niedergeht. 
Das  Einfüllen  geschah  früher  in  sehr  primitiver  Weise,  so  dass  man  Erze,  Kohlen 
und  Zuschläge  einfach  in  die  offenen  Oefen  schüttete.  Gegenwärtig  hält  man  die 
Gichtöffnung  mit  geeigneten  Apparaten  verschlossen,  welche  das  Einfüllen  der 
Charge,  zugleich  aber  auch  das  Abführen  der  als  Brennmaterial  wichtigen  Gicht- 
gase ermöglichen,  ausserdem  auch  den  Aufenthalt  auf  der  Gicht  zu  einem  weniger 
gesundheitsschädlichen  gestalten. 

Das  durch  die  Verhüttung  erzielte  Product  ist  das  sogenannte  K  o  h  e  i  s  e  u. 
Dasselbe  enthält  als  wesentliche  Bestandtheile  Eisen  und  Kohlenstoff,  ausser  diesen 
als  mehr  zufällige  Verunreinigungen  :  Silicium,  Phosphor,  Schwefel,  Arsen,  Alumi- 
nium etc.  Indessen  zeigen  auch  die  verschiedenen  Roheisensorten  von  einander  stark 
abweichende  Eigenschaften.  Zur  Zeit  pflegt  man  unter  den  einzelnen  Sorten  zwei 
Haupttypen  zu  unterscheiden,  nämlich  graues  Roheisen  und  weisses  Roh- 
eisen. Beide  Sorten  unterscheiden  sich,  abweichend  von  der  früher  giltigen  An- 
schauung, nicht  so  sehr  durch  ihren  Procentgehalt  an  Kohlenstoff,  sondern  viel- 
mehr dadurch,  dass  der  Kohlenstoff  in  ihnen  je  in  verschiedenem  Zustande  vor- 
handen ist. 

1.  Weisses  Roheisen.  Dasselbe  besitzt  nahezu  silberweisses  Aussehen  und 
krystallinisches  Gefüge  und  charakterisirt  sich  durch  ziemlichen  Glanz,  durch  grosse 
Härte  und  Sprödigkeit.  8ein  spec.  Gew.  liegt  zwischen  7.58  und  7.68,  sein 
Schmelzpunkt  zwischen  1000—1100°.  Es  enthält  3—5.93  Procent  Kohlenstoff, 
und  zwar  ist  der  letztere  nahezu  seiner  Gesammtmengc  nach  mit  dem  Eisen  in 
chemischer  Verbindung.  Gewöhnlich  wird  angenommen,  dass  die  hypothe- 
tische Verbindung  von  C  und  Fe  der  Formel  C  Fea  oder  Fe^,  C  +  Fee  C  entspricht. 
Im  Hüttenbetriebe  bildet  sich  diese  Eisensorte  bei  niedrigerer  Temperatur  als  die 
gleich  zu  besprechende  graue  Modification.  Ausserdem  erfolgt  die  Verschlackuug 
der  den  Erzen  beigemengten  fremden  Bestandtheile  bei  niederer  Temperatur  voll- 
ständiger als  bei  höheren,  welche  letzteren  auch  noch  Verluste  an  Eisen  durch 
Verschlackung  herbeiführen.  Aus  allen  diesen  Gründen  pflegt  man  reiehe  Erze  meist 
auf  weisses  Roheisen  (weil  dieses  die  reinere  8orte  ist)  zu  verarbeiten.  Obgleich 
dasselbe  von  allen  Eisensorten  den  niedrigsten  Schmelzpunkt  zeigt,  so  lässt  es  sieh 
doch  nicht  als  Material  für  Eisenguss  verwenden,  da  es  beim  Schmelzen  nicht  hin- 
reichend dünnflüssig  wird,  auch  während  des  Erkaltens  sich  nicht  genügend  aus- 
dehnt, so  dass  bei  seiner  Verwendung  scharfe  Güsse  nicht  erzielt  werden  können. 
Dagegen  wird  diese  Eisensorte  ihrer  relativen  Reinheit  wegen  vortheilhaft  zur 
Fabrikation  von  Stahl  und  Stabeisen  durch  deu  Frischprocess  benutzt  und  heisst 
daher  auch  „Frischereiroheisen".  Ein  besonders  reines,  graphitfreies  weisses 
Roheisen  wird  wegen   seiner  silberweisseu  Farbe   und  seiner  stark  spiegelnden 

« 

Digitized  by  Google 


618 


BUSEN. 


Flächen  Weisses  Spiegeleisen  genannt.  Dasselbe  ist  als  reinstes  Roheisen 
anzusehen  und  besitzt  hervorragende  Bedeutung  für  die  Stahlbereitung ,  was 
besonders  für  die  manganhaltigen  Spiegeleisensorten  gilt. 

2.  Granes  Roheisen  ist  von  hellgrauer  bis  dunkelschwarzgrauer  Färbung 
ohne  besonderen  Glanz  und  von  körniger  Structur.  Härte  und  Sprödigkeit  sind 
etwas  geringer  als  beim  weissen  Roheisen.  Das  spec.  Gew.  ist  im  Durchschnitt 
etwa  gleich  7.00,  der  Kohlenstoffgehalt  beläuft  sich  zwischen  3 — 5.93  Procent. 
Indessen  ist  nur  ein  geringer  Theil  des  vorhandenen  Kohlenstoffes  wirklich  chemisch 
mit  dem  Eisen  verbunden;  vielmehr  ist  die  Hauptmenge  desselben  in  einer  dem 
Graphit  ähnlichen  oder  gleichen  Modification  dem  Eisen  lediglich  beigemengt. 

Der  Schmelzpunkt  dieser  Eisensorte  liegt  bei  etwa  1100 — 1200°,  also  etwas 
höher  als  derjenige  des  weissen  Roheiseos.  Beim  Hüttenbetriebe  bildet  sich  wahr- 
scheinlich zwischen  1000  und  1100°  zunächst  weisses  Roheisen,  welches  bei 
weiterer  Temperaturerhöhung  alsdann  in  graues  Roheisen  übergeht. 

Obgleich  die  Schmelztemperatur  des  grauen  Roheisens  höher  als  diejenige  der 
weissen  liegt ,  so  ist  das  graue  Roheisen  doch  dasjenige  Material ,  welches  aus- 
schliesslich zur  Herstellung  von  Eisengusswaaren  Verwendung  findet,  da  es  in  ge- 
schmolzenem Zustande  sehr  dünnflüssig  ist,  beim  Erkalten  sich  merklich  ausdehnt, 
daher  die  Formen  mit  grosser  Schärfe  und  Reinheit  ausfüllt.  Geschmiedet  kann  es 
nicht  werden ,  dagegen  Iflsst  es  sich  —  weil  weicher  als  das  vorige  —  ohne 
Schwierigkeiten  mit  Feile ,  Sage  und  Bohrer ,  auch  auf  der  Drehbank  bearbeiten. 
Nicht  ohne  Interesse  ist  der  UmBtand,  dass  geschmolzenes  graues  Roheiseu  bei 
schnellem  Abkühlen  in  weisse«  Roheisen,  geschmolzenes  weisses  Roheisen  dagegen 
bei  langsamem  Erkalten  in  graues  Roheisen  übergeht. 

Hämmerbarer  und  schmiedbarer  Eisengus s.  Sehr  häufig  ist  es 
wünschengwerth,  Eisengusswaaren  so  vorzubereiten,  dass  sie  sich  leicht  bearbeiten, 
auch  hammern  uud  schmieden  lassen.  Dies  ist  besonders  dann  wünschenswert!), 
wenn  ihre  Oberfläche  in  Folge  rascher  Abkühlung  die  Härto  und  Sprödigkeit  des 
weissen  Roheisens  besitzt.  Mau  erreicht  diesen  Zweck  durch  die  Tempern  oder 
Adouciren  genannte  Operation.  Dieselbe  besteht  darin,  dass  man  der  Oberfläche  der 
Gussstücke  entweder  durch  einfaches  Erhitzen  oder  durch  Erhitzen  mit  Chemikalien 
einen  Theil  des  Kohlenstoffes  entzieht  und  sie  dadurch  weicher  und  bearbeitbarer 
macht.  Man  bedient  sieh  hierzu  der  sogenannten  Cementirpulver ,  beispielsweise 
Gemischen  aus  Kohle.  Knochenasehe,  Eisenhammerschlag,  Eisenoxyd,  Braunstein 
oder  Zinkoxyd.  Wie  leicht  ersichtlich,  haben  die  in  dem  Gemisch  vorhandenen 
Oxyde  die  Aufgabe,  der  Oberfläche  des  Eisens  den  Kohlenstoff  theilweise  zu  ent- 
ziehen. Auf  solche  Weise  werden  gegenwärtig  durch  Guss  eine  Menge  von  Ge- 
brauchsgegenständen dargestellt ,  wie  Schlüssel ,  Klingen  ,  Seheeren  etc. ,  welche 
sich  von  geschmiedeten  kaum  unterscheiden  lassen. 

Hartguss,  Schaalenguss,  Coquillenguss.  Je  nach  den  Bedingungen, 
unter  denen  ein  gegossener  Gegenstand  erkaltet,  nimmt  derselbe  sehr  verschiedene 
Eigenschaften  an.  In  Sand-  oder  Lehmformen  langsam  erkaltete  Gegenstände  be- 
stehen nieist  durchwegs  aus  grauem  Roheisen.  Bei  Benutzung  eiserner  Formen  da- 
gegen tritt  rasche  Erkaltung,  namentlich  der  oberflächlichen  Schichten  ein,  wodurch 
diese  in  weisses  Roheisen  tibergehen,  während  der  Kern,  weil  langsamer  erkaltend, 
ans  weicherem  grauem  Roheisen  besteht.  Der  Hartguss  wird  zur  Zeit  ausgiebig 
verwerthet  zur  Herstellung  von  Panzerplatten,  Granaten,  Hartwalzen,  Eisenbahn- 
rädern etc. 

b)  Schmiede-  oder  Stabeisen.  In  früheren  Zeiten,  bevor  man  gelernt  hatte, 
flüssiges  Roheisen  zu  gewinnen,  wurde  alles  schmiedbare  Eisen  direct  durch 
Verhüttung  von  Eisen  dargestellt.  Dieses  mit  dem  Namen  „Renn arbeit"  be- 
zeichnete Verfahren  wird  heute  nur  noch  ausnahmsweise  einmal  angewendet,  der 
Hauptsache  nach  wird  alles  Stab-  oder  Schmiedeeisen  auf  indirectem  Wege, 
d.  h.  aus  Roheisen,  bereitet.  Roheisen  und  Stabeisen  unterscheiden  sich  von  ein- 
ander durch  einen  verschiedenen  Gehalt  an  Kohlenstoff.  Während  derselbe  für  das 


Digitized  by  Google 


EISEN. 


619 


erßtere  etwa  3 — 5.93  Procent  beträgt,  enthält  das  letztere  davon  nur  circa  0.08 
bis  0.6  Procent.  Es  leuchtet  ein,  dass  bei  der  Gewinnung  von  Stabeisen  aus  Roh- 
eisen in  erster  Linie  eine  Verminderung  des  Kohlenstoffgehaltes  in's  Auge  au 
fassen  ist. 

Daneben  wird  es  sich  ferner  um  Beseitigung  der  im  Roheisen  enthaltenen  frem- 
den Bestandteile  handeln ,  deren  Anwesenheit  im  Stabeisen  störend  sein  würde. 
Zur  Verarbeitung  gelangt  in  der  Regel  ein  manganhaltiges  weisses  Roheisen. 

Das  Frischen.  Weisses,  vorher  einem  oxydirenden  Schmelzen,  dem  „Feinen", 
ausgesetzt  gewesenes  Roheisen  wird  in  eigens  construirten  Herden  geschmolzen, 
während  ein  Gebläse  zu  gleicher  Zeit  Luft  Ober  die  Oberfläche  leitet. 

Indem  sich  nun  das  in  dem  Eisen  vorhandene  Silicium  und  Mangan,  auch  etwas 
Eisen  oxydiren ,  wird  eine  zunächst  saure  Silicatschlacke  (Rohschlacke)  gebildet, 
welche  in  Folge  zunehmender  Oxydation  von  Eisen  immer  mehr  basischen  Charakter 
annimmt  (Gaarschlacke).  Zu  gleicher  Zeit  werden  andere  in  dem  Roheisen  ent- 
haltene Stoffe,  wie  Aluminium,  Phosphor,  Mangan,  Schwefel  in  Form  ihrer  Oxyde 
in  die  Schlacke  Ubergeführt,  während  das  durch  Oxydation  des  Eisens  gebildete 
Eisenoxydoxydul  zur  Entkohlung  des  Eisens  wesentlich  beiträgt.  In  dieser  Weise 
wird  der  Process  geleitet,  bis  das  gefrischte  Eisen  den  gewünschten  Kohlenstoff- 
gehalt erlangt  hat.  Die  noch  glühende  Masse  (Luppe,  Wolf,  Klump)  wird  als- 
dann sofort  unter  den  Aufwerfhamraer  gebracht  oder  durch  Walzen  geschickt, 
wodurch  die  letzten  Antheile  der  Sehlacken  beseitigt  werden,  ausserdem  auch  eine 
gleichmässige  Durcharbeitung  der  Masse  erzielt  wird.  Wird  das  Frischen  in  kleinen, 
nur  wenig  Material  fassenden  Herden  und  in  directer  Berührung  mit  dem  Brenn- 
material ( Holzkohlen)  ausgeführt ,  so  nennt  man  es  Herdfrischen,  dagegen 
Puddel frischen,  wenn  es  in  Flammöfen  ausgeführt  wird,  wobei  das  Eisen 
mit  dem  Brennmaterial  nicht  in  Berührung  kommt,  weshalb  in  diesem  Falle  Stein- 
kohlen verwendet  werden  können. 

a)  Herdfrischen.  Weisses  Roheisen  wird  mit  Holzkohle  in  einem  Herde 
eingeschmolzen  und  einem  Luftstrom  ausgesetzt.  Zugleich  wird  die  Oxydation  des 
Kohlenstoffes  und  der  fremden  Bestandteile  (P,  As,  S)  durch  geeignete,  besonders 
oxydirende  Zusätze  befördert.  Die  Verunreinigungen  werden  von  der  sich  bilden- 
den Schlacke  aufgenommen.  Die  noch  glühende  Masse  (Luppe)  kommt  schliesslich 
unter  den  „A  uf  werf  ha  mm  er",  durchweichen  die  letzten  Antheile  von  Schlacke 
beseitigt  und  die  Eisentheilehen  zusammengeschweisst  werden.  Später  werden  die 
Eisenmassen  in  Stücke  geschuitten  und  diese  zu  Stangen  ausgeschmiedet.  Die  Aus- 
beute an  Stabeisen  beträgt  etwa  70 — 80  Procent,  doch  findet  das  Herdfrischen 
seiner  Kostspieligkeit  wegen  nur  zur  Erzeugung  der  besten  Eisensorten  Anwen- 
dung. Die  Hauptmengen  von  Schmiedeeisen  werden  durch  Puddelfrischen  dar- 
gestellt. 

b)  Puddelfrischen.  Roheisen  wird  mit  geeigneten,  verschlackend  wirkenden 
Zuschlägen  in  einem  Flammofen  eingeschmolzen  und  die  Einwirkuug  der  Luft  in 
bestimmter  Weise  regulirt.  Der  dabei  zutretende  Sauerstoff  wirkt  zunächst  oxydirend 
auf  das  Silicium.  Mangan  und  auf  einen  Theil  des  Eisens.  Nachdem  diese  erste 
Phase  des  Processes  beendigt  ist,  wird  die  Eisenmasse  mit  eisernen  Stangen  durch- 
gearbeitet (gepuddelt).  Dabei  wird  das  vorhergebildete  Eisenoxydoxydul  in  der 
selben  vertheilt,  so  dass  es  oxydirend  auf  den  vorhandenen  Kohlenstoff,  sowie  auf 
den  Phosphor  wirken  kann,  der  als  Eisenphosphat  in  die  Schlacken  übergeht.  In 
dem  Maasse  als  die  Entkohlung  vor  sich  geht,  wird  die  Masse  immer  weniger 
flüssig.  Sie  wird  schliesslich  noch  glühend  unter  den  Hammer  gebracht,  der  die 
Luppe  von  beigemischter  Schlacke  befreit  und  zusammenschweisst.  Das  Puddel- 
frischen liefert  die  Hauptmenge  des  zur  Zeit  verbrauchten  Stab-  oder  Schmiede- 
eisens, da  dieser  Process  das  Prodnct  mit  Ersparuiss  von  Zeit  und  in  bedeutenden 
Quantitäten  darzustellen  erlaubt.  Nicht  unwesentlich  ist,  dass  dabei  auch  jedes 
Brennmaterial,  da  es  mit  dem  Eisen  nicht  in  Berührung  kommt,  verwendet  wer- 
den kann. 


Digitized  by  Google 


620  EISEN. 

Stab-  oder  Schmiedeeisen  besitzt  hellgraue  und  in  der  Regel  faserige  Structur, 
die  man  sich  durch  Zusaminenscbweissen  höchst  kleiner  Kryställchen  entstanden 
denkt.  Sein  spec.  Gew.  bewegt  »ich,  je  nach  der  Art  der  Bearbeitung,  in  dcu 
Grenzen  von  7.6 — 7.9  Procent,  seiu  Kohlenstoffgehalt  beträgt,  wie  schon  erwähnt 
wurde,  0.08 — 0.6  Procent.  Damit  im  Zusammenhange  steht,  dass  diese  Eisensorte 
sehr  weich,  leicht  bearbeitbar  und  bei  den  von  uns  technisch  erreichbaren  Tem- 
peraturgraden unschmelzbar  ist.  Es  charakterisirt  sich  ausserdem  durch  eine  hohe 
Zähigkeit,  die  auf  seine  faserige  Structur  zurückzuführen  ist. 

Gewisse  Einflüsse  indessen,  nämlich  plötzlicher  Temperaturwechsel,  häufige  Er- 
schütterungen, vermögen  die  faserige  Structur  in  eine  körnige  umzuwandeln, 
während  zugleich  die  Zähigkeit  wesentlich  abnimmt.  Auf  diesen  Umstand  sind  zurück- 
zuführen das  plötzliebe  Springen  von  Eisenbahnradreifen  im  Winter,  der  Bruch  von 
Wagenachsen  ohne  nachweisbare  äussere  Ursache.  Wie  vorher  bemerkt  wurde, 
schmilzt  Schmiedeeisen  zwar  nicht,  dagegen  geht  es  beim  Glühen  in  einen  Zu- 
stand der  Erweichuug  über,  in  welchem  es  sozusagen  zusammengeknetet  werden 
kann.  Auf  diesem  Umstände  beruht  das  Sch weissen  des  Stab-  oder  Schmiede- 
eisens ,  eine  Operation ,  welche  in  den  mit  der  Verarbeitung  des  Eisens  sich  be- 
schäftigenden Industrien  bekanntlich  eine  bedeutende  Rolle  spielt.  Die  Verarbeitung 
des  Stabeisens  zu  Blechen ,  Draht  u.  s.  w.  wird  meist  von  besonderen  Industrie- 
zweigen ausgeführt. 

c)  Der  Stahl.  Der  Stahl  steht  mit  einem  Kohlenstoffgehalt  von  0.6 — 2.3  Procent 
in  der  Mitte  zwischen  Roheisen  und  Schmiedeeisen.  Auch  sonst  zeigt  er  alle  Eigen- 
schaften des  verbindenden  Gliedes  zwischen  beiden.  Er  ist  schmelzbar  wie 
Roheisen  und  theilt  mit  dem  Schmiedeeisen  die  Schweissbarkeit.  Von  vorneherein 
erscheint  es  daher  nicht  aussichtslos,  dass  man  zum  Stahl  gelangen  könue  vom 
Schmiedeeisen  aus,  indem  man  diesem  Kohlenstoff  zuführt,  und  vom  Roheisen  aus, 
indem  man  diesem  Kohlenstoff  entzieht.  Wie  weit  diese  Betrachtung  zutreffend  ist, 
wird  gleich  gezeigt  werden.  In  den  ersten  Anfängen  der  Stahlbereitungsindustrie 
wurde  Stahl  so  erzeugt,  dass  man  ihn  direct  aus  den  Erzen  durch  den  Ver- 
hüttungsprocess  abschied,  später  ging  man  dazu  über,  ihn  durch  Kohlung  von 
Schmiedeeisen  darzustellen  und  der  Neuzeit  war  es  vorbehalten ,  den  letzten 
Schritt  zu  thun,  indem  man  lernte,  Stahl  in  beliebigen  Mengen  ohne  Schwierig- 
keiten aus  Roheisen  zu  gewinnen.  Es  lassen  sich  somit  die  wichtigsten  der  in 
Frage  kommenden  Gewinnungsweisen  unter  nachfolgende  Gesichtspunkte  unterordnen. 
I.  Renn  stahl,  d.  h.  aller  durch  Verhüttung  von  Eisenerzen  direct  erzeugter 
Stahl. 

LI.  Kohlungsstahl,  durch  Kohlung  von  Schmiedeeisen. 

n)  Durch  Glühen  mit  Kohle  ohne  Schmelzung  (gewöhnlicher  Cementstahl). 
b)  Durch  Schmelzen  mit  Kohle  (Gussstahl  aus  Schmiedeeisen), 
fll.  Frisch  stahl,  durch  theilweise  Entkohlung  von  Roheisen. 

a)  Durch  Frischen  in  Herden  mittelst  Holzkohlenfeuerung  (Herdfrischstahl). 

b)  Durch  Frischen  in  Flammöfen  mit  beliebigem  Feuerungsmaterial  (Puddel- 
oder  Flammofenfrischstahl  i. 

c)  Durch  Einblasen  von  Luft  in  flüssiges  Roheisen  (Bessemerstahl). 

d)  Durch  Glühen  von  Roheisen  mit  entkohlenden  Materialien. 

IV.  Flu  s ss ta  hl,  durch  Combination  von  II  und  III,  d.  h.  durch  Zusammen- 
schmelzen von  Schmiedeeisen  und  Roheisen. 

Von  diesen  Gewinnungsarten  haben  diejenigen ,  welche  den  Stahl  als  Ren  n- 
stahl  direct  durch  Verhüttung  der  Erze  erzeugen,  zur  Zeit  irgend  welehe Bedeutung 
nicht  mehr,  sie  können  vielmehr  nur  auf  historisches  Interesse  Anspruch  erheben. 

Kohlungsstahl,   durch  Koh  1  eusto  f  fz  uf  uhr  zum  Schmiedeeisen 

erhalten. 

Cementstahl.  Als  Ausgaugsmaterial  dient  ein  sehr  reines  Schmiedeeisen  in 
Stabform.  Die  Stäbe  werden  in  thönernen  Kästen  schiebten  weise  in  Holzkohlen- 


Digitized  by  Google 


EISEN. 


621 


pulver,  welches  stickstoffhaltige  Substanzen 'enthält ,  eingebettet  und  diese  Kästen 
etwa  7  Tage  lang  in  besonderen  Oefen  erhitzt.  Ein  Ofen  enthalt  etwa  15000  bis 
17000kg  Eisen.  Nach  dieser  Zeit  ist  die  Umwandlung  in  Stahl  eingetreten,  aber 
der  erzeugte  Stahl  ist  ungleichmassig,  weil  die  Koblenstoffaufnsbine  von  aussen 
her  stattfand,  ferner  brüchig  und  meist  an  der  Oberfläche  blasig  (Blasenstahl).  Er 
mus8  daher  gegerbt  oder  r  a  f  f  i  n  i  r  t  werden ;  dies  geschieht  in  der  Weise,  dass 
man  die  einzelnen  Stäbe  zur  Rothgluth  erhitzt,  dann  in  dünne  Stäbe  ausreckt  und 
in  kaltes  Wasser  wirft.  Nach  dem  Erkalten  werden  mehrere  Stäbe  zu  einem 
Bündel  vereinigt,  dieses  zum  Glflhen  gebracht  und  nun  zu  einem  Stücke  zusammen- 
geschweisst.  Der  Cementstahl  ist  eine  verhältnissinässig  kostspielige  Sorte  und  wird 
daher  nur  zu  theuren  Utensilien  (Schneidewerkzeugen)  verarbeitet.  Wichtig  für  die 
Erzeugung  dieser  Stahlsorte  ist,  dass  das  benutzte  Kohlenpulver  Cyanverbindungen 
(Cyanbaryum)  oder  die  zur  Bildung  solcher  nöthigeu  Bestandteile  enthält,  da  es 
nachgewiesen  ist,  dass  die  Aufnahme  von  Kohlenstoff  wesentlich  aus  vorhandenen 
Cyanverbindungen  erfolgt. 

G  u  s  s  s  t  a  h  1.  Als  Ausgangsmaterial  wird  ein  Stahl  benutzt,  der  durch  Frischen, 
Bessemern,  Puddeln  oder  auf  andere  Weise  dargestellt  ist.  Man  bringt  ihn  in 
feuerfesten  Tiegeln  entweder  durch  directes  Feuer  oder  durch  Siemens'  Regene- 
ratoren zum  Schmelzen  und  giesst  die  flüssige  Masse  in  Barren  ans.  Die  letzteren 
werden  später  wieder  glühend  gemacht  und  durch  Hämmern  oder  Walzen  aus- 
gereckt. So  erhaltener  Gussstahl  kann  wieder  geschmolzen  und  durch  Giessen  in 
die  mannigfachsten  Formen  gebracht  werden.  Seine  Verwendung  ist  aus  diesem 
Grunde  eine  sehr  ausgedehnte  (zu  Maschinentheilen ,  Kanonen,  Arbeitsgeräthen), 
seine  Darstellung  wird  besonders  von  KhUPP-Essen  cultivirt  (Tiegelstahl  i. 

Frischstahl,  durch  theilweise  Entkohl ung  von  Roheisen. 

Herdfrischstahl.  Als  Ausgangsinaterial  dient  ein  sehr  reines,  weisses, 
manganreiches  Roheisen.  Dasselbe  wird,  wie  unter  Schmiedeeisen  angegeben  ist, 
dem  oxydirenden  Frischprocess  unterworfen,  nur  wird  die  ganze  Operation  etwas 
langsamer  geleitet,  so  dass  man  im  Stande  ist,  die  Entkohlung  zu  verfolgen  und 
den  Proeess  dann  zu  unterbrechen,  wenn  der  gewünschte  Grad  der  Entkohlung 
oder  ein  bestimmter  Kohlenstoffgebalt  des  Eiseus  erreicht  ist.  Auch  diese  Stahl- 
sorte hat  zur  Zeit  nur  beschränkte  Wichtigkeit. 

Puddelstahl  oder  Fla mmofen  fri schstahl.  Das  Verfahren  ist  im 
Wesentlichen  dasselbe ,  wie  bei  der  Gewinnung  des  Schmiedeeisens  durch  den 
Puddelprocess.  Auch  hier  liegt  der  Vortheil  dem  Herdfrisehprocess  gegenüber 
darin,  dass  nicht  Holzkohle,  sondern  jedes  beliebige  Feuerungsmaterial  (Steinkohle, 
Ooks,  Gase,  Braunkohle)  zur  Verwendung  gelangen  können.  Wie  beim  Frisch- 
process wird  das  Puddeln  dann  eingestellt,  wenn  der  beabsichtigte  Kohlenstoff- 
gehalt des  Eisens  erreicht  ist.  Der  Puddelstahl  ist  besonders  als  Ausgangsmaterial 
zur  Erzeugung  von  Gussstahl  wichtig. 

Bessemerpro c es s.  Unter  diesem  Namen  versteht  man  ein  im  Jahre  1856 
von  Henri  Bessemer  in  Sheffield  erfundenes  Verfahren ,  Gusseisen  iu  Stahl  zu 
verwandeln.  Um  die  Bedeutung  und  den  Mechanismus  dieses  ingeniösen  Processes 
würdigen  zu  können,  muss  man  sich  in  Erinnerung  bringen,  dass  Gnsseisen,  Stahl 
und  Schmiedeeisen  sich  durch  ihren  Gehalt  an  Kohlenstoff  unterscheiden,  der  bei 
Gusseisen  2.3 — 5  Procent,  bei  Stahl  <>.5 — 2.3  Procent,  bei  Schmiedeeisen  weniger 
als  0.5  Procent  betragt.  Da  wir  nun  beim  Hohofcnbetriebe  stets  Gusseisen  erhalten, 
erscheint  es  zunächst  plausibel,  dass  man  eigentlich  leichter  Stahl  erzeugen  können 
müsse  als  Schmiedeeisen,  indem  man  dem  Gusseisen  nur  einen  Theil  seines  Kohlenstoff- 
gebaltes entzieht.  Das  ist  indessen  nicht  der  Fall.  Ausser  der  Kohle  nämlich  ent- 
hält das  Gusseisen  auch  Verunreinigungen,  im  Wesentlichen  Phosphor,  Schwefel, 
und  Silicium,  deren  Entfernung  nothwendig  ist  und  sich  früher  nur  in  Verbindung 
mit  einer  mehr  oder  weniger  vollständigen  Eutkohlung  des  Eisens  ausführen  Hess. 
Aus  diesem  Grunde  war  man  früher  darauf  angewiesen,  den  Stahl  so  zu  bereiten, 


Digitized  by  Google 


622 


EISEN. 


dass  man  erst  fast  kohlenstofffreies  Schmiedeeisen  darstellte  und  aus  diesem  durch 
Zufuhr  von  Kohlenstoff  Stahl  machte.  Der  erste  Theil  dieses  Proeesses,  die  Ent- 
kohlung des  Eisens  oder  Darstellung  von  Schmiedeeisen,  bot  wesentliche  Schwierig- 
keiten nicht,  sie  wurde  von  jeher  durch  wiederholtes  Ausschmieden  des  Gusseiseus 
in  den  sogenannten  Hammerwerken  vorgenommen.  Die  Wiederkohlung  des  Schmiede- 
eisens dagegen,  seine  Verwandlung  in  Stahl,  war  eine  ausserordentlich  langwierige 
Operation.  Sie  beruhte  auf  der  merkwürdigen  Thatsacbe,  dass  Eisen  schon  in 
glühendem  Zustande  Kohlenstoff  aufzunehmen  und  chemisch  zu  binden  vermag. 
Es  bildete  sich  das  Cementirungs verfahren  heraus.  Indessen  die  Operation, 
bei  welcher  die  Aufnahme  des  Kohlenstoffes  von  aussen  nach  innen  vor  sich  geht, 
war  eine  ungemein  langwierige,  sie  dauerte  8,  10 — 12  Tage  und  beanspruchte 
enorme  Mengen  von  Brennmaterial.  Schoo  Reaumir  1722  hatte  versucht,  ein 
einfacheres  Verfahren  zur  Stahlbereituug  aufzufinden.  Er  erkannte  ganz  richtig, 
dass  man  Stahl  bekommen  müsse,  wenn  es  gelänge,  Schmiedeeisen  zu  schmelzen; 
dann  könnte  man  leicht  berechnete  Mengen  kohlenstoffhaltigen  Eisens  zusetzen, 
und  der  Stahl  —  wäre  fertig  gewesen.  Die  Frage  war  nur  die,  auf  welche  Weise 
man  Schmiedeeisen,  dessen  Schmelzpunkt  etwa  um  1000°  höher  liegt,  als  der- 
jenige des  Gusseisens ,  zum  Schmelzen  bringen  könnte ,  und  da  es  nicht  gelang, 
blieb  der  Gedanke  vorläufig  unfruchtbar.  So  kam  es  denn,  dass  bis  in  die  Fünfziger- 
Jahre  hinein  Stahl  ein  sehr  kostbarer  Artikel  war,  an  dessen  allgemeine  Ver- 
wendung gar  nicht  zu  denken  war.  Wohl  stellte  man  daraus  eine  Menge  Gebrauchs- 
gegenstände dar,  es  waren  indessen  lediglich  solche,  bei  denen  der  Preis  des 
Materialee  nicht  in  Betracht  kommen  kouute  gegenüber  den  Verarbeitungskosten. 
Als  Krupp  1851  auf  der  Londoner  Industrieausstellung  zunächst  die  Verwendung 
von  Stahl  zum  Maschinenbau  anregte .  hielt  man  diesen  Gedanken  für  eine  aus- 
sichtslose Neuerung.  Denn  auch  diejenigen  Verfahren,  die  zur  Stahlgewinnung  von 
Gusseisen  ausgingen,  der  Frisch-  und  Puddelprocess  beanspruchten  nicht  weniger 
Brennmaterialien  und  Zeitaufwand,  wie  der  Cemeutationsprocess.  Erst  die  Erfindung 
Besskmbr's  machte  es  möglich,  an  eine  allgemeine  Verwendung  des  Stahles  zu 
denken.  Und  während  man  früher  Stahl  nur  in  relativ  geringeren  Mengen 
erzeugen  konnte,  gelang  es  nun  nach  dem  neueu  Verfahren  in  der  kürzesten 
Zeit  hunderte  von  Centnern  Gusseisen  auf  einmal  in  Stahl  zu  verwandeln. 

Um  den  Bessemerproeess  richtig  verstehen  zu  können,  muss  man  im  Auge  be- 
halten ,  dass  das  Gusseisen  etwa  5  Procent  Kohlenstoff,  ausserdem  noch  Silicimn 
enthält,  dass  der  Kohlenstoff  zum  Theil  oder  vollständig  entfernt  werden  muss 
und  dass  die  früher  üblichen  Verfahren  zur  Stahlbereitung  darau  krankten ,  dass 
unter  den  gegebeneu  Verhältnissen  in  Folge  der  laugen  Dauer  des  Processen  die 
Hauptmenge  der  Wärme  durch  Ausstrahlung  verloren  ging,  dass  es  überhaupt 
nicht  gelang,  Schmiedeeisen  in  flüssigen,  vielmehr  nur  in  einen  schwammartigen, 
teigartigen  Zustand  zu  versetzeu. 

Das  Verfahren  von  Bessemkr  kürzte  nun  die  Dauer  des  Entkohlungsprocesses 
des  Gusseisens  von  14 — 15  Tagen  auf  ebenso  viele  Minuteu  ab.  und  was  das 
Merkwürdigste  dabei  ist,  der  ganze  Process  spielt  sich  ab,  ohne  dass  ein  anderes 
Brennmaterial  erforderlich  ist ,  als  der  im  Gusseiseu  enthaltene  Kohlenstoff  und 
das  Silieium.  Doch  betrachten  wir  zunächst  den  Verlauf  des  Bessemerprocesses. 

5000 — 8000  kg  geschmolzenes  Roheisen  werdon  in  ein  aus  Gusseisen  eou- 
struirtes,  innen  mit  feuerfestem  Thon  ausgefüttertes  Gefass,  die  Bessemerhirne 
oder  den  Converter  laufen  gelassen.  Der  Boden  des  Converters  besitzt  eine  Anzahl 
feiner  Röhrchen,  die  mit  einem  Luftgebläse  in  fixer  Verbindung  stehen.  Sobald 
das  flüssige  Gusseisen  eingefüllt  ist,  lässt  man  mittelst  des  Gebläses  Luft  durch  die 
geschmolzeneue  Masse  durchblasen.  Unter  starker  Wärmeentwickelung  werden  nun 
oxydirt,  bezw.  verbrannt:  Silieium,  Mangan  und  ein  Theil  des  Eisens,  zugleich 
geht  der  graphitartige  Kohlenstoff  in  chemisch  gebundenen  (Kohlenstoffeiseu)  über. 

Das  Ende  dieser  ersten  oder  Feinperiode  wird  durch  eine  aus  der  Oeffnung 
des  Converters  herausschlagende,  gespitzte,  oraugegelbe  Flamme  mit  blauges&ututen 


Digitized  by  Google 


EISEN. 


6T> 


Rändern  angezeigt.  Hierauf  tritt  die  sogenannte  Kochperiode  ein,  indem  durch 
das  reichlich  vorhandene  Eisenoxydnl  der  Kohlenstoff  zu  Kohlenoxyd  verbrennt, 
wobei  die  Masse  lebhaft  aufsteigt  (kocht),  und  Schlacken-  und  Eisentheilchen  zu 
dem  Halse  herausgeworfen  werden.  Die  aus  dem  Converter  herausschlagende  Flamme 
wird  zugleich  hell  und  lflsst  mit  dem  Spectroskop  helle  Kohlenoxydlinien  in  Roth, 
Grttn  und  Blau,  später  in  Grün  hervortreten. 

In  der  nun  folgenden  dritten  Periode,  der  Garfrischperiode,  wird  die 
Masse  wieder  ruhig,  neben  dem  Rest  des  noch  vorhandenen  Kohlenstoffs  verbrennt 
ein  Theil  des  Eisens,  was  sich  durch  Auftreten  eines  lebhaften  Funkenregens  zu 
erkennen  gibt.  Sobald  dies  der  Fall  ist  und  die  spectralanalytische  Beobachtung 
keine  Kohlenoxydlinien,  sondern  ein  continuirlichcs  Spectrum  zeigt,  wird  der  Wind 
abgestellt,  der  Masse  ein  berechnetes  Quantum  geschmolzenes  Spiegeleisen  zuge- 
setzt und  der  gebildete  Gussstaht  in  die  schon  bereitstehenden  Formen  ausgegossen. 

Wie  man  siebt,  beruht  die  Stahlerzeugung  darauf,  dass  durch  den  eingeblaseneu 
Wind  das  Gusseisen  entkohlt,  in  flüssiges  Schmiedeeisen  und  dieses  letztere 
durch  Zusatz  von  Spiegoleisen  in  Stahl  verwandelt  wird.  Wir  sehen  hier  das 
Problem  der  Verflüssigung  des  Schmiedeeisens,  welches  beiläufig  bei  circa  2000° 
schmilzt,  verwirklicht,  ohne  dass  ein  anderes  Brennmaterial  verbraucht  wird,  als 
die  im  Eisen  enthaltenen  5  Procent  Kohlenstoff,  bezw.  Silicium.  Das  erscheint  auf 
den  ersten  Blick  auffallend,  um  so  mehr,  als  man  meist  nur  zu  sehr  geneigt  ist, 
diese  5  l*rocent  als  eine  wenig  bedeutende  Zuthat,  quasi  als  eine  Verunreinigung 
des  Eisens  zu  betrachten.  Weun  wir  aber  bedenken,  dass  die  in  einem  Cubik- 
meter  Gusseisen  enthaltene  Menge  Kohlenstoff  etwa  70cbm  Holzkohle  entspricht, 
dass  ferner  das  anwesende  Silicium  im  Warmeeffect  dem  Kohlenstoff  etwa  gleich- 
steht, dass  bei  der  kurzen  Dauer  des  Processen  von  einem  bedeutenden  Wärme- 
verlust nicht  die  Rede  sein  kann,  dass  endlich  die  Verbrennung  des  Kohlenstoffes 
von  Molekül  zu  Molekül  sozusagen  sich  fortpflanzt ,  so  wird  es  wohl  verständlich 
werden,  woher  diese  über  1000°  betragende  Temperaturerhöhung  herzuleiten  ist. 

Bezüglich  der  Technik  des  Verfahrens  sei  noch  erwähnt,  dass  die  Fabrikation 
in  Convertern  das  in  England  ausgebildete  Verfahren  ist ,  dass  man  in  Schweden  fest- 
stehende Oefen  benützt ,  dass  hier  ausserdem  der  Process  nicht  bis  znr  vollständigen 
Entkohlung  des  Eisens  fortgesetzt  wird,  sondern  nur  so  lange,  bis  ein  bestimmter 
Procentsatz  von  Kohlenstoff  erreicht  ist.  Der  Punkt,  wenn  der  Wind  abzustellen 
ist,  wird  durch  spectroskopische  Beobachtung  der  Flammen  gefunden.  In  Schweden 
unterbleibt  dann  natürlich  auch  der  spätere  Zusatz  von  Spiegeleisen. 

War  nach  dem  eben  Gesagten  der  Besscmerprocess  unbedingt  ein  ungeheurer 
Fortschritt  auf  dem  Gebiete  des  Hüttenwesens,  so  hatte  er  doch  auch  wieder  seine 
Schattenseiten.  Es  war  nämlich  nach  diesem  Verfahren  nicht  möglich ,  ans  Eisou- 
erzen,  welche  irgend  erhebliche  Mengen  von  Phosphor  und  Schwefel  ent- 
hielten, einen  brauchbaren  Stahl  zu  gewinnen.  Dem  Schwefel  war  durch  Znsatz 
von  Mangan  einigermaassen  zu  begegnen ,  Roheisen  indess ,  welches  mehr  wie 
0.05 — 0.15  Procent  Phosphor  enthielt,  eignete  sich  znr  Stahlbereitung  ganz  und 
gar  nicht.  Für  Deutschland  war  dieses  Factum  um  so  bedauerlicher,  als  unsere 
deutschen  Eisenerze  durchwegs  stark  phosphorhaltig  sind,  also  zur  Stahlfabrikatiou 
nach  Bessemer  nicht  verwendet  werden  konnten.  Die  deutsche  Iudustric  war  auf 
die  phosphorfreien  Eisenerze  des  Auslandes  angewiesen  und  Kkupp  hatte  während 
dieser  Zeitperiode  stets  mehrere  Dampfer  auf  dem  Meere,  welche  ihm  die  phosphor- 
freien  Eisenerze  aus  Schweden,  Spanien  und  Afrika  herbeiholen  mussteu. 

Die  deutsche  Stahlindustrie  konnte  ihren  dorainirenden  Standpunkt  erst  er- 
reichen,  als  mit  dem  Thoiuas-Gilchristprocess  gleichsam  die  Ergänzung  des 
Bessemer-Processes  gegeben  war,  welche  die  Verarbeitung  auch  unserer  deutschen 
Eisenerze  ermöglichte. 

Thomas-Gilchristprocess.  Der  Besscmerprocess  blieb  für  Deutschland  so 
lange  unfruchtbar,  als  es  nicht  möglich  war,  die  deutschen,  durchwegs  phosphor- 
haltigen  Eisenerze  zur  Stahlbereitung  heranzuziehen.    Durch  die  wissenschaftliche 


Digitized  by  Google 


624 


ELSEN. 


Untersuchung  des  Besseraer-  und  Puddelproeesses  wurde  der  Verlauf  der  Reaction 
in  nachstehender  Weise  erkannt.  Die  beiden  hier  zunächst  in  Betracht  kommenden 
Bestandteile  des  Roheisens ,  nämlich  Kohlenstoff  und  Silicium ,  werden  nach- 
einander verbrannt,  beziehungsweise  oxydirt.  Erst  wenn  alles  Silicium  oxydirt 
ist,  beginnt  die  Verbrennung  des  Kohlenstoffs,  also  die  Entkohlung  des  Eisens. 
In  dem  kurzen  Zeitintervall,  der  zwischen  der  Verbrennung  von  Kohlenstoff  und 
Silicium  liegt,  erfolgt  die  Verbrennung  vorhandenen  Phosphors  zu  Phospborsäure, 
«eiche  letztere  in  die  Schlacken  übergeht.  Ist  die  Pbosphorsäure  aber  in  freiem 
Znstande  in  den  Schlacken  enthalten  und  können  letztere  —  wie  dies  beim  Bessemern 
der  Fall  ist  —  nicht  sofort  entfernt  werden,  so  reducirt  das  beim  Entkohlen  des 
Eisens  auftretende  Kohlenoxyd  sie  wiederum  zu  Phosphor,  der  vom  vorhandenen  Eisen 
nun  wieder  aufgenommen  wird.  Das  war  der  circulus  vitiosus,  an  dem  die  Verwen- 
dung deutscher,  phosphorsäurehaltiger  Eisenerze  zum  Bessemern  scheiterte. 

Indessen  mit  der  Erkenntnis»  dieser  Thatsachen  war  auch  die  richtige  Frage- 
stellung schon  gegeben.  S.  G.  Thomas  und  P.  C.  Gilchrist  stellten  ferner  fest, 
dass  der  Phosphor  nicht  etwa  durch  die  hohe  Temperatur,  sondern  durch  die  Ein- 
wirkung der  gebildeten  Kieselsäure  aus  dem  Roheisen  abgeschieden  wurde.  Mit  Er- 
kenntuiss  dieser  Thatsachen  war  db  Lösung  des  Problems  eigentlich  schon  gefunden. 
Es  bandelte  sich  darum,  zur  Auskleidung  der  Birne  eiu  geeignetes  feuerfestes 
Material  zu  finden,  welches  nicht  sauren,  sondern  basischen  Charakter  hatte. 

Als  solches  wurde  schliesslich  der  in  grossen  Mengen  natürlich  vorkommende  Dolomit 
(Mg  C08 .  Ca  C()3)  erkannt.  Wenn  ausserdem  die  Ansichten  über  den  reducirenden 
Einfluas  des  Koblenoxydgases  auf  die  Phosphorsäure  zutreffend  waren,  so  musste 
während  der  Entkohlung  der  Phosphorgehalt  des  Roheisens  ziemlich  unverändert 
bleiben  nnd  erst  nach  der  Eutkohlung  abnehmen.  Der  Versuch  lehrte  die  Richtig- 
keit der  theoretischen  Schlüsse. 

Wenn  unter  Anwendung  basischen  Auskleidungsmateriales  der  Bessern erprocess 
eingeleitet  wurde,  so  blieb,  wie  durch  Schöpfproben  festgestellt  wurde,  der  Phospbor- 
gehalt  des  Eisens  nahezu  eonstant,  so  lange  die  Entkohlung  des  Eisens  andauerte. 
Wurde  aber  die  Oxydation  mittelst  eingeblasener  Luft  (das  Nachblasen)  noch  kurze 
Zeit  fortgesetzt,  so  sank  der  Phosphorsäuregehalt  rasch  auf  ein  Minimum.  Der 
Thomas-Gilchristprocess  unterscheidet  sich  vom  Bessemerprocess  also  wesentlich  da- 
durch, dass  eine  basische  Austtitterung  der  Birne  gewählt  und  dass  die  Entfernung 
des  Phosphors  durch  Nachblasen  erzielt  wird. 

Die  geringen  Nachtheile,  welche  diesem  Process  noch  anhaften,  bestehen  darin, 
das«  der  Eisenverlust  (Abbrand)  in  Folge  des  Nachblasens  etwas  steigt.  Der  Ab- 
brand  beträgt  beim  Bessemerprocess  etwa  12  Procent,  beim  Thomasproeess  nicht 
unter  15  Procent.  Dies  kann  aber  den  enormen  Vortheilen  gegenüber  nicht  in 
Betracht  kommen.  Deutschland  wurde  seit  Einführung  dieses  Processes  in  die  Lage 
versetzt,  die  enormen  Eisenerzlager  in  Lothringen  nnd  Luxemburg  zur  Stahlbereitung 
auszubeuten,  umsomehr,  als  der  Thomasstahl  in  seiner  Qualität  dem  Bessemerstahl 
ungefähr  gleichsteht.  Ausserdem  rauss  berücksichtigt  werden,  dass  auch  die  ab- 
fallenden Schlacken  (Thomasschlacken)  ein  für  die  Landwirtschaft  wichtiges 
Material  bilden,  indem  sie  10,  12,  ja  bis  zu  15  Procent  sehr  billige  Pbosphorsäure 
enthalten. 

Martinstahl  oder  F 1  u s s s t a h  1  wird  durch  Zusammenschmelzen  von  Sehmiede- 
eisen und  weissem  Roheisen  gewonnen.  Seine  Darstellung  ist  erst  dadurch  möglich, 
dass  mau  durch  Anwendung  der  Siemi-  Ns'schen  RegeneTativöfen  so  hohe  Temperaturen 
erzeugen  kann,  dass  Schmiedeeisen  zum  Schmelzen  gebracht  wird.  Das  ganze  Ver- 
fahren spielt  sich  auf  der  Sohle  eines  Flammofens  ab.  Um  aber  der  Oxydation 
des  Schmiedeeisens  möglichst  vorzubeugen,  wird  eine  Partie  Roheisen  zunächst  ein- 
geschmolzen und  allmälig  iu  die  flüssige  Masse,  die  nun  von  einer  Schlackendecke 
geschützt  ist,  Schmiedeeisen  eingetragen.  Der  gewünschte  Kohlenstoffgehalt  wird 
schliesslich  durch  Zufügung  einer  bestimmten  Menge  Roheisen  erzielt.  Die  Be- 
di utung  des  Martinstahls  liegt  darin,  dass  er  gestattet,  alte  schmiedeeiserne 


Digitized  by  Google 


EISKN. 


625 


Gegenstände,  z.  B.  Eisenbahnschienen  etc.,  zu  Stahl  zu  verarbeiten.  Kr  dient  zur 
Anfertigung  von  Maschinen t heilen,  namentlich  auch  von  Gewehrläufen. 

Uchatiusstahl  steht  dem  vorigen  sehr  nahe.  Ein  sehr  reines  Roheisen  wird 
mit  Spateisensteinpulver  beschickt  und  das  Gemenge  in  Graphittiegeln  geschmolzen. 

Heatonstahl.  Roheisen  wird  mit  Natronsalpeter  gefrischt.  Der  Natronsalpeter 
bewirkt  als  oxydirendes  Mittel  die  Entkohlung  des  Eisens ,  vorhandener  Schwefel, 
sowie  Phosphor  werden  gleichzeitig  verschlackt. 

Damascenerstahl  oder  Wootz,  das  Material  zur  Darstellung  der  so- 
genannten Damascenerklingen,  wird  von  den  Eingeborenen  Ostindiens  als  Specialität 
dargestellt ,  indem  sie  sehr  reine  Eisenerze  mit  dem  zerkleinerten  Holze  von 
Cassia  auriculata  mengen  und  in  Tiegeln  erhitzen.  Es  tritt  dabei  oberflächliche 
Kohlung  ein  und  der  erhaltene  Stahl  wird  wiederholt  ausgeschmiedet.  Er  zeigt 
die  EigenthUmlichkeit,  beim  Anätzen  der  Oberfläche  mit  Säuren  eigenthUmliche 
Aderung  (Damascirung)  erscheinen  zu  lassen  ,  ein  Vorgang ,  der  sich  dadurch  er- 
klären lässt ,  dass  dieser  Stahl  nicht  gleichraässig  in  seiner  Masse  ist ,  vielmehr 
aus  kohlenstotfreicheren  und  -ärmeren  Schichten  besteht.   Säuren  lösen  nun  mehr 


Fig.  102. 


Bessemer-Birne  oder  Converter  (zu  pag.  6S2). 

von  dem  kohlenstoffarmeu  Eisen  auf,  wodurch  die  Aderung  hervortritt.  Der 
künstliche  Damascenerstahl,  durch  Zusanimenschweissen  von  Eisen  und 
Stahldraht  und  mehrfaches  rmschmieden  erhalten,  gilt  dem  echten  Damascenerstahl 
nicht  als  gleich werth ig.  Er  wird  besonders  zu  Gewehrläufen  verarbeitet. 

Die  Eigenschaften  des  Stahles  sind  natürlich  den  verschiedeneu  einzelnen 
Sorten  entsprechend  sehr  verschieden.  Im  Allgemeinen  aber  nimmt  er  die  Mitte 
ein  zwischen  Schmiedeeisen  und  Roheisen  und  charaktcrisirt  sich  dadurch,  dass 
er  schmelzbar,  elastisch  und  härtbar  ist.  Auf  diesen  Eigenschaften  beruht  die 
ausgedehnte  Verwendbarkeit  des  Stahls  in  der  Industrie,  die  SO  weit  geht,  dass 
das  Eisen  täglich  mehr  in  den  Hintergrund  gedräugt  wird. 

Die  Structnr  des  Stahles  ist  eine  feinkörnige;  seine  Qualität  ist  in  der  Regel 
um  so  vorzüglicher,  je  feiner  sein  Korn  ist.  Das  spezifische  Gewicht  bewegt  sieh 
in  den  Zahlen  7.62—7.92. 

Besonders  interessant  und  von  hervorragender  praktischer  Wichtigkeit  ist  der 
Einfluss,  den  fremde  Reiinengungen,  beziehungsweise  Kiemente,  auf  den  Stahl,  be- 
ziehungsweise bei  verschiedenen  Eisensorten  ausüben.  Zinn,  Wolfram,  Titan 

Beal-Kncyclopidie  der  ges.  Pharmacle.  III.  40 


62fi 


EISEN. 


und  Chrom  machen  schon  in  kleinen  Procentsätzen  den  Stahl  sehr  hart  (daher 
wird  Wolframstabl  für  Werkzeuge  benutzt).  Dagegen  drücken  sie  die  8chweissbar- 
keit  herab.  Zinn  legirt  sich  ausserdem  leicht  mit  Eigen,  ein  Umstand,  auf  welchem 
die  ganze  Weissbleehfabrikation  beruht.  Arsen  und  Antimon  vermindern  die 
Festigkeit  und  machen  rothbrüchig.  Aluminium  und  Magnesium  sollen  die 
Festigkeit  und  Gussfähigkeit  erhöhen.  Calcium  vermindert  die  Festigkeit  und 
macht  „hadrig",  das  ist  unschweissbar.  Kupfer  vermindert  die  Schweißbarkeit 
und  kann  bei  einem  Gehalt  von  0.5  Procent  schon  Rothbruch  erzeugen.  Mangan 
befördert  die  Dttnnflüssigkeit  und  vermittelt  die  Oxydation  fremder  Beimengungen. 

Silicium  wirkt  Kohlenstoff  ausscheidend  und  macht  das  Eisen  leichter  — 
aber  dickflüssig.  Es  vermehrt  etwas  die  Härte,  vermindert  aber  die  Festigkeit. 

Phosphor  vermindert  die  Elasticität  und  Festigkeit,  vermehrt  die  Harte, 
macht  dünnflüssig  und  spröde  (kaltbrüchig). 

Schwefel  bewirkt  schon  in  geringem  Procentsatz  Rothbrüchigkeit. 
Eine  andere  wichtige  Eigenschaft  ist  ferner  die  Härte  des  Stahls,  welche  auf 
dessen  Gehalt  an  chemisch  gebundenem  Kohlenstoff  zurückzuführen  ist.  Das  Härten 
des  Stahles  geschieht  in  der  Weise,  dass  man  ihn  in  glühendem  Zustande  durch 
Einwerfen  in  kaltes  Wasser  ablöscht,  wodurch  er  einen  solchen  Härtegrad  anzu- 
nehmen vermag,  dass  er  Glas  ritzt  und  der  Bearbeitung  der  Feile  widersteht.  Für 
die  meisten  Zwecke  ist  aber  eine  solche  hohe  Härte  nicht  erwünscht,  vielmehr 
sucht  man  jedem  Gegenstande  eine  seinen  Gebrauchszwecken  gerade  angepasste 
Härte  zu  geben.  Da  sich  dies  auf  dem  Wege  der  modificirten  Abkühlung  kaum 
sicher  erreichen  lflsst,  so  verfährt  man  in  der  Weise,  dass  man  den  betreffenden 
Gegenständen  eine  etwas  grössere  Härte  gibt ,  als  sie  später  definitiv  besitzen 
sollen  und  dann  durch  Anlassen  ihnen  einen  Theil  der  Härte  wieder  entzieht. 
Man  richtet  sich  dabei  nach  den  Anlauffarben,  welche  für  bestimmte  Temperaturen 
constant  sind. 

Es  werden  angelassen: 

Lanzetten,  kaum  blassgelb  220° 

Kasirmesser,  blassgelb  bis  strohgelb   228 9 

Federmesser,  strohgelb   232° 

Scheeren,  braun   264° 

Aexte,  Hobeleisen,  Taschenmesser,  purpurfarbig    .  265° 

Klingen,  Uhrfedern,  hellblau   288' 

Dolche.  Bohrer,  feine  Sägen,  dunkelblau     .    .    .  292° 

Hand-  und  Lochsägen,  schwarzblau  316° 

Kleinere  Gegenstände  lässt  man  in  der  Weise  an,  dass  man  sie  auf  eine  grössere 
erwärmte  Metallunterlage  bringt.  Grössere  Gegenstände  werden  in  Metallbäder  oder 
Oelbäder  gebracht  und  so  lange  darin  belassen,  bis  sie  die  Temperatur  derselben 
angenommen  haben. 

Analyse  der  Roheisen-,  Schmiedeeisen-  und  Stahl-Sorten. 

Qualitative  Prüfung. 

Die  angeführten  Eisensorten  enthalten  folgende  Körper,  von  denen  der  Werth 
des  Handelseisens  vorzugsweise  abhängt  und  auf  deren  Prüfung  stets  Rücksicht 
genommen  werden  muss. 

I.  In  jeder  Eisensorte  vorhandene  Körper: 
Kohlenstoff  0.05 — 7  Procent, 

Silicium  Spuren  bis  10  Procent  (Legirungen  ausgenommen), 

Phosphor, 

Schwefel, 

Mangan  bis  zu  90  Proeent  in  den  Ferromauganen. 
II.  Seltenere,  respective  absichtlich  zugesetzte  Bestandteile : 
Kupfer  bis  zu  0.5  Procent, 
Kobalt, 
Nickel, 

Digitized  by  LiOOQlt 


EISEN. 


627 


Arsen  in  manchen  Roheisensorten, 
Chrom  big  2  Procent  im  Chromstahl, 
Wolfram  im  Wolframstahl  bis  zu  9  Procent. 
III.  Bestandteile  von  geringerer  Bedeutung. 
Blei, 

Antimon, 

Aluminium, 

Calcium, 

Magnesium, 

Alkalimetall, 

Stickstoff  etc. 

Eine  ausführliche  qualitative  Prüfung  der  Eisensorten  vor  der  quantitativen  ist 
bei  der  meist  übereinstimmenden  Zusammensetzung  kaum  nöthig. 

Die  unter  I  angeführten  Körper  wird  man  in  jeder  Eisensorte  finden ;  man  hat 
dann  höchstens  noch  auf  Chrom,  Kupfer  und  Wolfram  zu  prüfen. 

Kohlenstoff.  Salpetersäure  von  1.2  spec.  Gew.  löst  gebundenen  C  mit 
brauner  Farbe  auf. 

Kieselsäure  bleibt  beim  Eindampfen  der  schwefelsauren  Lösung  quantitativ 
zurück. 

Phosphor.  Die  Salpetersäure  Lösung  wird  mit  Ammoniak  neutralisirt,  wenn 
nöthig,  filtrirt  und  mit  Molybdänlösung  gefällt;  gelber  Niederschlag. 

8chwefel.  Ein  angefeuchteter  Silber-  oder  Bleipapierstreifen  schwärzt  sich  beim 
Eintauchen  in  die  salzsaure  Lösung;  oder  Eindampfen  mit  Salpetersäure,  Auf- 
nehmen mit  verdünnter  Salpetersäure,  Versetzen  mit  Baryumnitrat,  weisser  Nieder- 
schlag von  Baryumsulfat. 

Mangan.  Mit  der  circa  sechsfachen  Menge  eines  Gemisches  von  Soda  und 
Salpeter  auf  dem  Platinblech  zusammengeschmolzen,  entsteht  eine  grüne  Schmelze 
von  Kaliummanganat. 

Chrom.  Salpetersaure  Lösung  durch  Ammoniak  gefällt ;  Niederschlag  von  Chrom- 
hydroxyd mit  Soda  und  Salpeter  geschmolzen :  die  gelbe  Schmelze  mit  Wasser 
extrahirt  und  mit  Essigsäure  und  essigsaurem  Baryum  versetzt,  gibt  citronengelben 
Niederschlag  von  Baryumchromat. 

Kupfer.  Die  salzsaure  Lösung  wird  heiss  mit  Schwefelwasserstoff  übersättigt, 
das  Schwefelkupfer  mit  Filter  verascht,  in  Salpetersäure  gelöst  und  mit  Ammoniak 
versetzt.  Blaufärbung  durch  Bildung  von  Kupferoxydammoniak. 

Wolfram.  Beim  Behandeln  des  Eisens  mit  Königswasser  bleibt  Wolfram  mit  der 
Kieselsäure  als  gelbe  Wolframsäure  zurück  und  kann  durch  Prüfung  vor  dem  Löth- 
rohr  nachgewiesen  werden  ( gelbe  Boraxperle  und  blaue,  bei  Gegenwart  von  Eisen 
rothe  Phosphorsalzperle  in  der  Reductionsflamme). 

Quantitative  Untersuchung. 

Die  Probeentnahme  geschieht  entweder  mit  Hilfe  einer  harten  englischen  Feile, 
so  bei  grauem  Roheisen  und  den  meisten  Sorten  schmiedbaren  Eisens,  oder  durch 
Zerstossen  in  einem  ausgedrehten  Mörser  aus  hartem  Gussstahl,  so  bei  dem  weissen 
Roheisen. 

Damit  die  Probe  auch  die  durchschnittliche  Zusammensetzung  des  Eisenstücks 
besitzt,  muss  man  sie  möglichst  gleichmässig  von  dem  ganzen  Querschnitte  einer 
Roheisensubstanz  oder  eines  Gusseisenstücks  abtrennen  und  nicht  etwa  nur  von 
den  Aussenflachen  entnehmen. 

Graues  Roheisen  ist  nfimlich  meistens  am  Umfange,  also  an  den  rasch  erkalteten 
Stellen,  kohlenstoffreicher  und  nach  der  Mitte  zu  siliciumreicher ;  schmiedbares  Eisen 
ist  am  Umfange  gewöhnlich  kohlenstoffärmer  als  in  der  Mitte. 

Bei  der  quantitativen  Untersuchung  der  Eisensorten  handelt  es  sich  meist  nur 
um  Bestimmung  der  wesentlichen  oder  schädlichen  Bestandteile :  Kohlenstoff, 
Silicium,  Schwefel,  Phosphor,  Mangan. 

40* 

Digitized  by  Google 


628 


Die  für  die  einzelnen  Bestimmungen  in  Arbeit  zu  nehmenden  Mengen  richten 
sich  natürlich  nach  dem  ungefähren  Gehalt,  den  man  in  den  zu  bestimmenden 
Eisensorten  vennuthet,  also  danach,  ob  man  eine  Bestimmung  in  Roheisen  oder 
Schmiedeeisen,  respective  Stahl  vorzunehmen  hat. 

Es  ist  gebräuchlich,  für  praktische  Untersuchungen  folgende  Mengen  anzuwenden. 

Für  die  Heatimmuog  von  bei  Roheisen  bei  Stahl  | 

Silicium   j  2.5  g  5  g 

i  Mangan  «i  2  g  5  g 

i  Phosphor  'i  5  g  5  g 

Schwefel  !  10  g  10— Wg 

I  Kupfer  !i  10  g  10  g 

Bestimmung  des  Kohlenstoffs. 

In  den  meisten  Fällen  handelt  es  sich  in  der  Technik  um  Bestimmung  des 
Gesammtkohlenstoffs ;  selten  wird  eine  getrennte  Bestimmung  des  gebundenen 
(amorphen)  und  graphitartigen  Kohlenstoffs  vorgenommen. 

Die  einfachste  Methode,  vorzugsweise  geeignet  für  Untersuchung  grapbitarmer 
Eisensorten  —  also  insbesondere  des  Stahls  —  ist  die  EGOKRTZ'sche  oder  colori- 
metrisehe  Kohlenstoffprobe. 

Das  Princip  dieser  in  Rücksicht  auf  die  Einfachheit  der  erforderlichen  Apparate 
für  häufig  wiederkehrende  Kohlenstoffbestimmungen,  z.  B.  auf  Stahlwerken,  besonders 
geeigneten  Methode  besteht  darin,  dass  die  gebundenen  Kohlenstoff  enthaltenden 
Eisensorten  bei  der  Behandlung  mit  chlorfreier  Salpetersäure  von  1.2  spec.  Gew. 
eine  gefärbte  Lösung  ergeben,  deren  Farb-lntensität  proportional  ist  der  Menge 
des  gelösten  Kohlenstoffs. 

Hat  man  nun  eine  Normaleisensorte,  deren  Gehalt  an  gebundenem  Kohlenstoff 
durch  wiederholte  Verbrennung  oder  sonstige  Koblenstoffbestimmung  bekannt  ist  — 
meist  eine  Stahlsorte  mit  0.0 — 1.1  Procent  gebundenem  Kohlenstoff  —  so  kann 
man  leicht  durch  Verdünnen  der  Lösung  mit  Salpetersäure  von  1.2  spec.  Gew.  bis 
zur  Uebereinstimmung  des  Farbeutons  den  Kohlenstoffgehalt  nach  der  Anzahl  der 
Cubikcentimeter  in  Relation  bringen. 

Man  verfährt  zweckmässig  in  der  Weise,  dass  man  sowohl  von  dem  „Nornial- 
8tahleu,  als  auch  von  dem  zu  untersuchenden  Eisen  genau  0.1  g  abwägt,  die  Proben 
in  gewöhnlichen  Reagircylindern  tropfenweise  mit  Salpetersäure  von  1.2  spec.  Gew. 
versetzt,  bis  auf  erneuten  Zusatz  kein  Aufschäumen  mehr  eintritt  und  dann  beide 
Reagirglaschen  in  ein  mit  Wasser  gefülltes  Becberglas  bringt.  Die  Temperatur  des 
Wassers  muss  stets  auf  80°  erhalten  werden. 

Durch  weiteren  Zusatz  von  kleinen  Säuremengen  erzielt  man  nach  2  bis  3  Stunden 
fast  vollständige  Lösung.  Man  prüft  genau,  indem  man  die  Lösung  gegen  das  Licht 
hält,  ob  keine  Gasblasen  mehr  aufsteigen,  kühlt  dann  die  Reagirgläschen  rasch  ab, 
füllt  vorerst  die  Lösung  des  Nonnalstahles  in  einen  graduirten  Cylinder  und  ver- 
dünnt mit  de8tillirtem  Wasser  die  Flüssigkeit  auf  so  viel  Cubikoeutimeter,  als  der 
Normalstahl  Zehntelprocente  gebundenen  Kohlenstoff  enthält ,  z.  B.  bei  einem 
Norraalstahl  von  1  Procent  C  auf  lOccm. 

In  einen  zweiten  an  Durchmesser  und  Wandstärke  mit  dem  ersten  genau  über- 
einstimmenden Cylinder  bringt  man  die  Lösung  des  untersuchten  Eisens  und  ver- 
dünnt nun  über  einem  Bogen  weissen  Papiers  auch  die  zweite  Probe  mit  destill irtem 
Wasser  so  lange,  bis  eine  durchaus  gleiche  Farbenintensität  beider  Lösungen  er- 
reicht ist.  Das  untersuchte  Eisen  enthält  alsdann  ebenso  viel  Zehntelprocente 
gebundenen  Kohlenstoff,  als  die  Lösung  Cubikcentimeter  enthält ;  wurde  z.  B.,  um 
die  übereinstimmende  Farbenintensität  zu  erreichen,  die  Lösung  auf  8.3  cem  ver- 
dünnt, so  beträgt  der  Kohleustoffgehalt  0.83  Procent. 

Diese  einfache  Methode  lässt  sich  nur  bei  Eisensorten  mit  gebundenem  Kohlen- 
stoff ausführen,  da  sich  Graphit  uud  chemisch  ungebundener  Kohlenstoff  in  Salpeter- 
säure nicht  lösen. 

Digitized  by  Google 


EISEN.  629 

Unter  den  zahlreichen  Methoden  zur  Bestimmung  des  Gesammtkohlenstoffs  sind 
e«  hauptsächlich  folgende  zwei,  die  in  der  Praxis  zur  Anwendung  kommen. 

Die  eine,  die  directe  Verbrennungsmethode,  beruht  auf  der  Verbrennung  des 
Eisens  nebst  Kohlenstoff  im  Sauerstoffstrom  und  Auffangen  der  entweichenden 
Kohlensäure  im  LiBfiio'schen  Kaliapparate  in  ganz  analoger  Weise  wie  bei  jeder 
anderen  Verbrennung  einer  Kohlenstoffverbindung. 

Da  sich  manche  Eisensorten  nach  dieser  Methode  nicht  zersetzen  lassen,  die 
Ausführung  auch  etwas  umständlich  ist,  führt  man  in  der  Praxis  die  Zersetzung 
des  Eisens  meistens  durch  Kupferammoniumchlorid  aus. 

Diese  zweite,  die  Mc.  Crkath-1  LLGRENsche  Kupferammoniumchloridmethode, 
erfordert  den  einfachsten  Apparat  ,  den  geringsten  Aufwand  an  ßeagentien  und 
Feuerungsmaterial,  liefert  die  zuverlässigsten  Resultate  und  lässt  sich  bei  allen 
Sorten  des  Handelseisens  anwenden,  da  sie  alle  durch  Kupferammoniumchlorid 
zersetzt  werden. 

Kupferammoniumchlorid  hat  die  Eigenschaft,  bei  gelindem  Erwärmen  Eisen 
quantitativ  zu  lösen  und  die  Verbindungen  und  Beimengungen  desselben,  nament- 
lich Schwefeleisen,  Kohlenstoff  und  Silicium,  intact  eu  lassen.  Die  Losung  erfolgt 
bei  stetem  Umrühren  nach  längstens  25  Minuten ;  man  filtrirt  über  Asbest  ab  und 
bestimmt  den  Kohlenstoff  in  der  gewöhnlichen  Weise  unter  Verbrennung  zu 
Kohlendioxyd. 

In  derselben  Weise  lassen  sich  manche  Roheisensorten  für  die  Silicium-  oder 
Schwefelbestimmung  vorbereiten. 

Bei  stark  siliciumhaltigen  oder  wolframhaltigen  Proben  ist  ein  wiederholtes 
Eindampfen  mit  Königswasser  nötbig ;  oft  muss  auch  das  Aufschliessen  mit  kohlen- 
saurem Natronkali  und  Salpeter  zu  Hilfe  genommen  werden,  namentlich  wenn  bei 
der  Üblichen  Schwefelbestimmungsmethode  ein  schwarzer  Rückstand  (in  der  Regel 
ans  Kupfersulfid  bestehend)  hinterbleibt. 

Bestimmung  des  Siliciums. 

Man  löst  1 — 3  g  Eisen  in  Salpetersäure  von  1.2  spec.  Gew.  auf  und  dampft 
zur  völligen  Trockne  ein.  Zu  dem  erkalteten  Rückstand  setzt  man  concentrirte 
Salzsäure,  filtrirt,  trocknet  das  Filter  und  glüht  dasselbe  sammt  seinem  Inhalte 
in  einem  Platintiegel  bis  zur  möglichst  vollständigen  Verbrennung  aller  Kohle. 
Der  Rückstand  wird  im  Tiegel  mit  der  fünffachen  Menge  Natriumkaliumcarbonat 
unter  Zusatz  von  wenig  Salpeter  gemischt ,  allmälig  erhitzt ,  zuletzt  stark,  bis  die 
Gasentwickelung  völlig  aufgehört  hat.  Nach  dem  Erkalten  der  Schmelze  und  Auf- 
weichen in  Wasser  setzt  man  im  Becherglase  Salzsäure  bis  zu  stark  saurer 
Reaction  hinzu,  dampft  zur  Trockne  ein,  befeuchtet  den  Rückstand  wieder  mit 
concentrirter  Salzsäure,  löst  in  Wasser  und  filtrirt  die  zurückbleibende  Kieselsäure 
ab.  Die  erhaltene  Kieselsäure  wird  in  bekannter  Weise  geglüht  und  gewogen. 

Bestimmung  des  Schwefels. 

Man  hat  drei  Methoden :  die  EGOERTz'sche  Schwefelprobe,  die  sogenannte  Brom- 
methode und  die  Eisenchloridmethode  nach  Gintl.  Von  diesen  soll  nur  die  Brom- 
metbode (nach  Johnston,  Classex  u.  A.)  beschrieben  werden,  da  sie  sehr  genaue 
Resultate  gibt.  8ie  beruht  darauf,  dass  die  Eisenprobe  unter  Durchleiten  von 
Wasserstoffgas,  welches  durch  Waschen  in  Queeksilberchloridlösung  von  Schwefel- 
wasserstoffgas gereinigt  ist,  in  Salzsäure  von  1.12  spec.  Gew.  gelöst  wird.  Der 
im  Eisen  enthaltene  Schwefel  wird  als  Schwefelwasserstoff  verflüchtigt  und  gelangt 
durch  ein  Leitungsrohr  in  ein  circa  600  mm  langes  und  20  mm  weites,  unten  ver- 
engtes Glasrohr.  Letzteres  ist  mit  groben  Glasperlen  gefüllt  und  mit  einem  Habn- 
triehter  versehen ,  durch  welchen  man  eine  Lösung  von  Brom  in  Salzsäure  ein- 
treten lässt,  so  dass  die  Glasperlen  vollständig  benetzt  sind. 

Das  in  das  Glasrobr  —  WiLL-VARREXTRAPP'sche  Absorptionsrohr  —  ein- 
tretende Schwefelwasserstoffgas  wird  durch  die  Bromlösung  zu  Schwefelsäure  oxydirt 
und  als  solche  festgehalten.  Die  Operation  ist  beendet,  wenn  das  Eisen  vollständig 
gelöst  ist  und  also  selbst  beim  Erwärmen  bis  zum  Sieden  eine  Gasentwickelung 
nieht  mehr  stattfindet.  Man  lässt  alsdann  die  Bromlösung  in  einen  Becherkolben 

Digitized  by  Google 


630 


EISEN. 


laufen,  wäscht  die  Glasperlen  mit  destillirtem  Wasser  aus,  dampft  die  Lösung  im 
Wasserbade  ein,  bis  nur  die  Schwefelsäure  zurückgeblieben  ist,  verdünnt  mit  etwas 
Wasser,  filtrirt  von  der  ans  dem  Kohlenwasserstoff  entstandenen  kohligen  Substanz 
ab  und  fällt  in  dem  Filtrate  die  Schwefelsäure  durch  Baryumchlorid. 
Bestimmung  des  Phosphors. 

Bei  den  tief  eingreifenden  nachtheiligen  Einflüssen,  welche  ein  Phosphorgehalt 
des  Eisens  auf  seine  physikalischen  Eigenschaften  ausübt,  ist  die  Ermittelang  des 
Phosphorsäuregehaltes  einer  Eisensorte  für  die  Bestimmung  ihres  Werthes  und  ihrer 
weiteren  Verwendbarkeit  von  grosser  Bedeutung.  Die  genauesten  Resultate  gibt 
die  Aramoniummolybdat-Magnesiummethode  nach  Sonnenschein.  Zur  Ausfuhrung 
derselben  lost  man  lg  Eisen  in  einem  Gemisch  von  6 com  Salpetersäure  von  1.2 
spec.  Gew.  und  6  com  Salzsäure,  digerirt  längere  Zeit  in  der  Wärme ,  dampft  im 
Wasserbade  unter  Zusatz  von  etwas  Ammoniumnitrat  zur  Trockne  ein,  erhitzt 
zur  Zerstörung  der  organischen  Substanz  stark,  nimmt  mit  verdünnter  Salpeter- 
säure auf,  filtrirt  und  dampft  die  phosphorsäurehaltige,  salpetersaure  Lösung  aaf 
ein  möglichst  kleines  Volumen  ein  (auf  1  g  Erz  höchstens  20  ccm  Flüssigkeit). 

Ab  Fällungsflüasigkeit  dient  eine  Lösung  von  150  g  Ammoniummolybdat  in  11 
destillirtem  Wasser ,  die  man  nach  und  nach  in  1  1  Salpetersäure  von  1.2  spec. 
Gew.  einträgt,  einige  Tage  stehen  lässt  und  filtrirt. 

Die  stark  saure,  concentrirte  Eisenlösung  versetzt  man  mit  concentrirter 
Ammoniakflttssigkeit,  ohne  dass  eine  bleibende  Trübung  entsteht.  Andererseits 
erwärmt  man  von  der  Ammoniuramolybdatlösung  circa  25ccm  auf  etwa  40°  und 
setzt  nun  die  ebenfalls  auf  dieselbe  Temperatur  erwärmte  Eisenlösung  in  einzelnen 
Portionen  unter  Umrühren  zu  der  Molybdänflttssigkeit.  Alsdann  lässt  man  12  Stunden 
an  einem  warmen  Orte  (nicht  über  45°)  stehen,  filtrirt,  wäscht  den  gelben  Nieder- 
schlag durch  Decantiren  mit  einer  verdünnten  Ammoniumnitratlösung,  der  anfangs 
zur  Entfernung  des  Eisens  etwas  Salpetersäure  zugesetzt  wird,  aus,  löst  ihn  dann 
in  möglichst  wenig  Ammoniakflüssigkeit ,  giesst  die  Flüssigkeit  durch  das  schon 
benutzte  Filter,  um  die  anhaftenden  Theile  zu  lösen  und  wäscht  mit  verdünnter 
Ammoniakflüssigkeit  aus.  Die  klare  Flüssigkeit  wird  mit  Salzsäure  versetzt,  nicht 
so  viel,  dass  Trübung  entsteht  und  dann  mit  Ammonmagnesiumchloridlösung  in 
geringem  Ueberschuss  versetzt.  Nach  zwölf sttindigem  Stehenlassen  in  der  Kälte 
*  filtrirt  man  ab,  wäscht  aus  mit  verdünntem  Ammoniak,  trocknet,  glüht  und  wägt 
in  gewöhnlicher  Weise  den  aus  Magnesiumpyrophosphat  bestehenden  Niederschlag. 

Schnell,  aber  auch  ungenau,  bestimmt  man  in  der  Technik  den  Phosphor 
volumetrisch,  indem  man  den  unter  bestimmten  Verhältnissen  entstandenen  Nieder- 
schlag von  phosphormolybdänsaurem  Ammonium  in  dazu  bestimmten  Spitzröhrchen 
dem  Volum  nach  bestimmt  und  auf  Phosphor  berechnet. 

Bestimmung  des  Mangans. 

In  den  Eisenhütten  wird  Mangan  zumeist  durch  Titrirung  der  Mangansalze 
mit  Kaliumpermanganat  nach  der  von  J.  Volhard  modificirten  GüYARD'schen 
Methode  bestimmt.  Man  verfährt  in  der  Weise,  dass  man  eine  Probe  (5g  etwa) 
mit  80ccra  Salpetersäure  von  1.2  spec.  Gew.  und  100  ccm  verdünnter  (1:3) 
Schwefelsäure  zur  Trockne  verdampft  und  im  Sandbade  so  lange  erhitzt,  bis 
Schwefelsäuredänipfe  entweichen,  wobei  alles  Eisen  in  Oxydsalz  verwandelt  und 
zugleich  die  Kieselsäure  quantitativ  abgeschieden  wird.  Man  nimmt  mit  Wasser  auf 
und  filtrirt  von  der  Kieselsäure  ab.  Im  Filtrat  wird  durch  ausgeglühtes  und  auf- 
geschlemmtes  Zinkoxyd  das  Eisen  vollständig  ausgefällt,  die  ebenfreie  Mangano- 
sulfatlösung  eventuell  noch  mit  etwas  reinem  Zinksulfat  versetzt  und  verdünnt. 
Die  mit  Schwefelsäure  sehwach  sauer  gemachte  Flüssigkeit  wird  kochend  beiss 
mit  Chamäleonlösung,  die  auf  reines  Eisen  eingestellt  ist,  titrirt,  wobei  man  das 
Zusammenballen  des  aus  Manganopermanganat  bestehenden  Niederschlages  durch 
Schütteln  fordert.  Das  Ende  der  Titrirung  ist  erfolgt,  wenn  sich  die  Rosafärbung 
der  Flüssigkeit  dauernd  erhält. 

Volhard  gibt  eine  Lösung  von  3.833  g  Kaliumpermanganat  im  Liter  an.  1  ccm 
derselben  entspricht  0.002  Mangau. 

Digitized  by  Google 


EISEN. 


631 


Der  Titer  wird  auf  jodometrischem  Wege  festgestellt,  indem  das  ausgeschiedene 
Jod  durch  Natriumthiosulfat  zurflcktitrirt  wird. 
Bestimmung  von  Kupfer. 

Zur  Bestimmung  kleiner  Mengen  Enpfer  in  Eisenerzen  ist  meist  auf  den  Hütten 
eine  einfache,  zuerst  von  Hkixb  angegebene,  spater  von  Jacqüelin  ,  Hübest  u.  A. 
modificirte,  colorimetrische  Methode  in  Gebrauch. 

In  die  salzsaure  beisse  Lösung  leitet  man  Schwefelwasserstoff  ein,  verascht  den 
erhaltenen  Niederschlag  von  Schwefelkupfer,  löst  wieder  in  Salpetersäure,  filtrirt, 
wäscht  aus,  versetzt  das  Piltrat  mit  Ammoniak  im  geringen  Ueberschuss  und  ver- 
dünnt bis  zu  einem  gewissen  Volum.  Die  Farbenintensität  der  so  erhaltenen 
Lösung  vergleicht  man  mit  einer  in  derselben  Weise  bereiteten  Normallösung  von 
bekanntem  Gehalt.  Man  benutzt  hierzu  Batteriekupfer  und  stellt  sich  gleich 
mehrere  derartige  Normallösungen  von  verschiedenem  Gehalt  dar.  Die  Säuren  in 
der  Normal-  und  Probelösung  müssen  dieselben  sein,  zur  Uebersättigung  sind  an- 
nähernd gleiche  Ammoniakmengen  anzuwenden. 


Kohlenstoff  .... 

1  0.556 

0.576 

3.492 

4.086 

0.368 

0.2 

-i  ; 

i  Graphit  

3.262 

2.868 

Silicium  

1358 

1.971 

!  0.110 

0.243 

0.172 

0.3 

-0.4  : 

0.128 

0.027 

0.062 

0.220 

0.044 

0.02 

-0.1 

Schwefel  

0.027 

0018 

0.029 

0.018 

0.015 

0.01 

-0.02 

f  0.020 

0.025 

Spuren 

Spuren 

0.037 

0 

006 

Kobalt  u.  Nickel    .  . 

Spuren 

0.083 

Spuren 

0.133 

0.020 

|  Hangan  

!  1.264 

2.823 

1.728 

2.75 

0.417 

0.3 

-0,8 

1  Eisen  

I  93.385 

91.609 

94.589 

92.55 

98.927 

99 

etwa  ' 

ReinosEisen  erhält  man  am  bequemsten  durch  Schmelzen  von  reinem  Schmiede- 
eisen vor  dem  Knallgebläse  im  Ereidetiegel,  wobei  die  Verunreinigungen  oxydirt 
und  vom  Tiegel  aufgesogen  werden.  Es  ist  fast  silberweiss.  sehr  weich  und 
politurfähig  und  besitzt  ein  speeifisches  Gewicht  von  7.84.  Technische  Bedeutung 
hat  es  nicht.  Als  Ersatz  von  reinem  Eisen  dient  für  analyrische  Operationen  bester 
Ciavierdraht,  welcher  nur  etwa  0.3  Procent  fremde  Bestand t heile  enthält. 

Elektrolysirtes  Eisen.  Durch  Elektrolyse  einer  Lösung  von  Ferrosulfat 
und  Ammonsulfat  gewonnen,  besitzt  hellgraue  Färbung  und  zeichnet  sich  durch 
krystallinische  8tructur,  sowie  grosse  Härte  aus.  Es  scheint  jedoch  kein  reines 
Eisen  zu  sein,  wenigstens  sind  in  ihm  einige  Procente  Stickstoff  aufgefunden 
worden. 

Passives  Eisen.  Bringt  man  Eisen  kurze  Zeit  in  concentrirte  Salpetersäure 

und  wäscht  es  dann  in  viel  Wasser  ab,  so  ist  es  p ass i  v  geworden,  d.  h.  es 

löst  sich  nicht  mehr  in  Säuren  auf.   Es  gründet  sich  diese  Erscheinung  darauf, 

dass  sich  an  der  Oberfläche  des  Eisens  eine  Schicht  von  Eiseuoxyduloxyd  bildet. 

Man  verwendet  passiv  gemachte  Eisengegenstände  zur  Zeit  vielfach  zu  Bauzwecken. 

Literatur:  Muspratt,  Techn.  Chemie.  —  v.  Waguer,  Chem  Technologie.  — 
Wenghöffer,  Techn.  Chemie.  -  Post,  Techn.  Analyse.  --  Rokcoü.  Lehrbuch  der  anorg. 
Chemie.  —  Kerl,  Eisenhüttenkunde.  —  Beck,  Geschichte  des  Eisens.  — Wedding.  Eisen- 
hüttenkunde. B.  Fischer 

Eisen  (Ferrum),  Fe.  Atomgewicht  56.  Das  Wort  Eisen  (gothisch  eimru.  alt- 
hochdeutsch warn,  engl,  iron)  scheint  von  dem  Sanskritwort  ayax  (=  aes,  Erz) 
abzustammen.  Die  Alcheroie  widmete  das  Eisen  dem  Mars,  weshalb  es  häufig  mit 
diesem  Namen  oder  dem  Zeichen  des  Planeten  Mars  r5  bezeichnet  worden  ist.  Es 
ist  in  technischer  Beziehung  eines  der  wichtigsten  Metalle  und  schon  in  den  frühesten 
historischen  Zeiten  bekannt  gewesen,  auch  ist  es  das  verbreitetste  aller  Metalle,  findet 
sich  jedoch  nur  selten  im  gediegenen  Zustande.  Massen  von  metallischem  Eisen 
meteorischen  Ursprungs  (  Meteoreisen)  finden  sich  zwar  sparsam,  doch  weit  verbreitet 


Analysen  von  Eisensorten. 


Procent gt'hult  m  : 


Spiegel-     Bessemer-     Martin-  1 
eisen  stahl  gtoht  ; 


Chemisch  gebundenem 


Digitized  by  Google 


632 


EISEN. 


Uber  die  Oberfläche  der  Erde  und  fallen  noch  heutzutage  von  Zeit  zu  Zeit  als 
Meteorsteine  aus  dem  Weltraum  auf  unsere  Erde  nieder.  Eigenverbindungen  sind 
sehr  verbreitet,  sie  finden  sich  im  Mineral-,  Pflanzen-  und  Thierreiche.  Die  wichtig- 
sten im  Mineralreiche  vorkommenden  Eisenverbindungen  sind,  1.  Hämatit,  Eisen- 
oxyd, Fe,  0„  von  welchem  man  zwei  Modificationen,  Eisenglanz  und  Botheisenstein, 
unterscheidet.  2.  Brauneisenstein,  Eisenoxydhydrat,  von  welchem  man  je  nach  dem 
Wassergehalte  Pyrrhosiderit,  Fe,  Os  +  H,  0  und  den  eigentlichen  Brauneisenstein  y 
2Fe808  +  3H20  unterscheidet.  Letzterer  bildet  im  Gemenge  mit  Thon  den  gelben 
Thoneisenstein  und  das  Bohnerz.  3.  Gelbtitenstein,  ein  Eisenoxydhydrat  von  der 
Zusammensetzung  Fe4  03  -f  2  Ha  0.  4.  Magneteisenstein,  Eisenoxyduloxyd,  Feg  Ot. 
5.  Spatheisenstein  oder  Sphärosiderit,  FeC08.  6.  Schwefelkies  oder  Pyrit,  Fe  8,. 
7.  Magnetkies,  Fe4  S8.  Ferner  macht  Schweftieisen  einen  sehr  wesentlichen  Be- 
standtheil  im  Kupferides,  CusS  .  Fe,  S4  und  in  dem  Arsenkies  ^  FeA&j .  Fe  8,  aus. 
Eisenverbindungen  finden  sich  ferner  im  Meer-,  Quell-  und  Flusswasser,  sowie  in 
der  Ackerkrume;  aus  dem  Wasser  und  dem  Erdboden  gelangt  das  Eisen  in  die 
Pflanzen,  woselbst  es  eine  wesentliche  Rolle  als  Bestandteil  des  Chlorophylls 
spielt;  aus  dem  Pflanzenreiche  gelangt  es  auch  in  den  thierischen  Organismus, 
daselbst  als  Bcstandtheil  des  Hämoglobins  von  grosser  physiologischer  Bedeutung. 
Das  im  Grossen  gewonnene  Eisen  (s.  Eisen,  technisch),  welches  in  drei  ver- 
schiedenen Zuständen,  als  Gusseisen,  als  Stabeisen  und  als  Stahl  vorkommt,  ist 
kein  völlig  reines  Eisen ,  sondern  enthält  grössere  oder  kleinere  Mengen  anderer 
Körper,  welche  die  Verschiedenheit  der  Eigenschaften  dieser  drei  Arten  des 
Eisens  bedingen. 

Das  Gusseisen  enthalt  mehrere  Procent  Kohlenstoff,  ausserdem  äilicium  und 
Phosphor,  der  Stahl  enthalt  ebenfalls  Kohlenstoff,  aber  in  geringerer  Menge,  und 
Stickstoff;  das  Schmiedeeisen  enthält  noch  weniger  Kohlenstoff,  als  der  Stahl  und 
auch  nur  Spuren  anderer  Körper.  Ein  fast  vollkommen  reines  Eisen  wird  erhalten, 
wenn  man  Eisendraht,  geroengt  mit  etwas  Eisenoxyd  im  hessischen  Tiegel  unter  einer 
Schicht  von  grünem  Glase  schmilzt.  Der  Sauerstoff  des  vorhandenen  Eisenoxyds 
nimmt  den  Kohlenstoff  aus  dem  Eisen  fort,  das  überschüssige  Oxyd  löst  sich  in 
dem  schmelzenden  Glase  auf.  Auch  durch  Rcduction  von  reinem  Eisenoxyd  mittelst 
Wasserstoffgas  wird  vollkommen  reines  Eisen  gewonnen. 

Das  bei  niederer  Temperatur  reducirte  Eisen  bildet  ein  schwarzes  Pulver  und 
ist  in  Folge  seiner  Porosität  so  pyrophorisch ,  dass  es  sich  bei  Zutritt  der  Luft 
entzündet  und  verbrennt.  Das  in  höherer  Temperatur  reducirte  Eisen  hat  diese 
Eigenschaft  nicht  und  bildet  eine  grauweisse  schwammige  Masse. 

Das  durch  Reduction  von  Eisenoxyd  gewonnene  Eisen  ist  unter  dem  Namen 
Ferrum  hydroyenio  red  actum  officincll  (s.  Ferrum  reduetum). 

Bei  der  Reduction  von  Eisenoxyd  mittelst  Kohlenoxyd  bei  nicht  zu  heller  Glüh- 
hitze gewinnt  man  reines  Eisen  als  graue  schwammige  Masse,  Eisenschtcamm, 
welcher  zum  Filtriren  von  Trinkwasser  vorgeschlagen  ist  und  benutzt  wird.  Durch 
Glühen  von  Eisenchlorür  in  Wasserstoff  wird  reines  Eisen  in  Blättchen  oder 
Würfeln  erhalten.  Auch  durch  Elektrolyse  erhält  man  reines  Eisen.  Das  reine 
Eisen  krystallisirt  in  regelmässigen  Würfeln  oder  Octaödern,  ist  bläulich  grau,  fast 
weiss,  glänzend  und  sehr  politurfähig,  wird  bei  Rothgluth  weich  und  lässt  sich 
bei  Weissgluth  zusammensch weissen.  Ueber  den  Schweisspunkt  hinaus  erhitzt,  wird, 
es  spröde.  Der  Schmelzpunkt  ist  nicht  genau  bestimmbar  und  wird  zu  1550°, 
1587°,  1600°  und  1804°  angegeben.  Vom  Magneten  wird  das  Eisen  angezogen, 
es  wird  auch  durch  Induction  selbst  magnetisch,  verliert  aber  seine  Polarität 
augenblicklich,  sobald  es  vom  Magneten  entfernt  wird.  Im  kohlenstoffhaltigen 
Eisen  entwickelt  sich  der  Magnetismus  langsamer,  hält  aber  auch  nach  Wegnahme 
des  Magneten  längere  Zeit  an. 

Bei  gewöhnlicher  Temperatur  in  vollkommen  trockener  Luft  bleibt  das  Eisen 
unverändert,  in  feuchter,  kohlensäurehaltiger  Luft  wird  es  dagegen  oxydirt ,  es 
rostet.  Das  Rosten  des  Eisens  besteht  in  einer  oberflächlichen  Oxydation  desselben, 
welche  besonders  leicht  bei  Gegenwart  von  Kohlensäure  erfolgt.   L'nter  dem  Ein- 

Digitized  by  Google 


Kl  SEX. 


633 


fluss  von  Kohlensäure,  Sauerstoff  und  Wasser  verwandelt  sich  das  Eisen  in  kohlen- 
saures Eisenoxydul,  welches  durch  weitere  Aufnahme  von  Sauerstoff  unter  Ab- 
scbeidung  von  Kohlensäureanhydrid  in  Eisenhydroxyd  übergeht.  Die  Oxydation 
ist  Anfangs  eine  trage,  wird  aber  bald  energischer,  weil  das  entstandene  Eisen- 
oxyd mit  dem  Eisen  ein  galvanisches  Element  darstellt,  in  welchem  das  Eisen 
elektropositiv  ist.  Auch  bei  der  Berührung  des  Eisens  mit  Luft  und  Wasser, 
welches  Säuren  oder  Salze  enthält,  tritt  das  Rosten  leicht  ein,  dagegen  verhindern 
ätzende  und  kohlensaure  Alkalien  schon  in  sehr  verdünnter  Lögung  das  Rosten, 
auch  lässt  sich  Eisen  durch  einen  dünnen  Ueberzug  von  Zink  (galvanisches  Eisen) 
oder  von  Zinn  (Weissblech)  vor  dem  Rosten  schützen,  weil  das  Eisen  dem  Zink 
und  Zinn  gegenüber  elektronegativ  ist.  Auch  Ueberzüge  von  Theer,  Graphit, 
Farbe  nnd  neuerdings  solche  von  Eisenoxyduloxyd,  welche  man  durch  Erhitzen  des 
Eisens  in  Wasserdampf  bei  650°  darstellt,  werden  zum  Schutze  des  Eisens  vor 
dem  Rosten  benutzt. 

Erhitzt  man  Eisen  an  der  Luft,  so  überzieht  es  sich  mit   einer  schwarzen 
Schiebt  von  Eisenoxyduloxyd  (Hammerschlag). 

Das  Eisen  verbindet  sieh  leicht  mit  den  Halogenen ;  auch  mit  Phosphor  und 
Arsen  vereinigt  es  sich,  desgleichen  mit  Kohlenstoff  und  Silicinm  bei  hoher  Tem- 
peratur. Das  technisch  gewonnene  Eisen  bildet  Verbindungen  des  Eisens  mit  dem 
Kohlenstoff  (s.  oben).  Mit  vielen  Metallen  bildet  das  Eisen  Legirungcn  (s.  Eisen- 
legirungen).  In  verdünnten  Säuren  (Salzsäure  und  Schwefelsäure)  wird  es 
unter  Entwickelung  von  Wasserstoff  gelöst ;  concentrirte  Schwefelsäure  wirkt  nicht 
in  der  Kälte,  sondern  nur  in  der  Hitze  unter  Entwickelung  von  Schwefligsäure- 
anhydrid und  Bildung  von  schwefelsaurem  Eisenoxyd  ein.  Verdünnte  Salpetersäure 
löst  das  Eisen  bei  gewöhnlicher  Temperatur  zu  salpetersaurem  Eisenoxydul,  beim 
Erwärmen  zu  salpetersaurem  Eisenoxyd.  Dagegen  greift  concentrirte  Salpetersäure 
das  Eisen  nicht  an,  sondern  verwandelt  es  an  seiner  Oberfläche  in  eine  ,,passivew 
Modifikation.  Dieses  „passive"  Eisen  wird  von  verdünnter  Säure  nicht  gelöst  und 
fällt  aus  einer  Kupfervitriollösung  kein  metallisches  Kupfer  aus.  Die  Ursache  für 
dieses  eigentümliche  Verhalten  wird  von  einer  Seite  in  einer  dünnen  Oxydschicht, 
von  anderer  Seite  in  einer  Gasscbiclit  oder  einem  elektrischen  Zustande  gesucht. 
Von  kohlensaure-  und  luftfreiem  Walser  wird  Eisen  nicht  angegriffen,  in  luft- 
haltigem Wasser  oxydirt  es  sich  zu  Eisenhydroxyd.  Bei  erhöhter  Temperatur  zer- 
setzt Eisen  das  Wasser,  und  zwar  wird  nach  den  Angaben  von  Hall  und  Guihouut 
Wasser  durch  fein  gepulvertes  Eisen  schon  bei  Siedetemperatur  zersetzt.  Bei  Roth- 
gluth  wird  Wasser  durch  Eisen  unter  Entwickelung  von  Wasserstoff  zersetzt,  wobei 
Eisenoxyduloxyd  entsteht :  umgekehrt  werden  Eisenoxyduloxyd ,  sowie  Eisenoxyd 
beim  Erhitzen  in  einer  Atmosphäre  von  Wasserstofl'  unter  Bildung  von  Wasser  zu 
metallischem  Eisen  reducirt  ('s.  Ferrum  reduetum). 

Unter  dem  Namen  Ferrum  pulveratum  (Limatura  fern,  Ferrum  praeparatum) 
kommt  gepulvertes  Eisen  in  der  Medicin  als  Heilmittel  zur  Anwendung,  welches 
aus  reinen  rostfreien  Eisenfeilspänen  durch  mechanisches  Zerreiben,  Absieben  und 
Beuteln  erhalten  wird  fs.  Ferrum  pul v  erat  um).  Das  Eisen  ist  ein  vier- 
werthiges  Element,  welches  in  seinen  Verbindungen  jedoch  zwei-  und  dreiwerthig 
auftritt,  indem  je  zwei  Atome  Eisen  entweder  durch  zwei  oder  nur  durch  eine 
Affinitätseinheit  zusammengehalten  werden: 

Fe  =  Fe 
||  und 
Fe  =  Fe  n 

Die  Verbindungen,  in  welchen  das  Eisen  zweiwerthig  auftritt,  nennt  man  Eisen- 
oxydul- oder  Ferroverbindungen,  diejenigen,  in  welchen  es  als  dreiwerthiges  Metall 
fungirt,  Eisenoxyd-  oder  Fernverbindungen.  Dass  in  den  Eisenoxydverbindungen 
wirklich  2  Atome  Eisen  im  Moleküle  vorhanden  sind,  ergibt  sich  aus  der  speci- 
fischen  Wärme  des  Metalles  und  dem  spec.  Gew.  des  Eisenchloriddampfes.  Die 
Molekulargrösse  der  Eisenoxydulverbindungen  ist  bislang  nicht  ermittelt  worden, 
doch   ist  anzunehmen,  dass  auch  diese  im  Moleküle  wenigstens   2  Atome  Eisen 

Digitized  by  Google 


EISE* 


enthalten.  Man  drückt  solches  allerdings  meist  in  den  Formeln  nicht  aus,  sondern 
halbirt  die  betreffenden  Formeln,  schreibt  also  FeCl3  (Eisenchlorflr)  statt  Fe,  Cl1? 
FeO  (Eisenoxydul)  statt  Fe,  02.  Die  Eisenoxydulsalze  erleiden  an  der  Luft  eine 
allmälige  Oxydation  zu  Eisenoxydsalzen.  H.  Becknrts. 

Eisen,  analytisches  Verhalten,  i.  Erk  ennung  der  Eisen  Verbin- 
dungen. In  neutralen  oder  sauren  Lösungen  ist  das  Eisen  als  Oxydul  oder  als 
Oxyd  enthalten  oder  entsprechend  als  Chlorür,  Chlorid,  Bromilr,  Bromid  etc.  Die 
Eisenoxydulsalze  werden  aus  ihren  wässerigen  Lösungen  durch  Schwefel- 
ammonium als  schwarzes  hydratisches  Schwefeleisen,  welches  sich  leicht  in  Säuren 
löst  und  an  der  Luft  oxydirt,  gefällt.  Sehr  verdünnte  Eisenlösangen  werden  von 
Schwefelammonium  grün  gefärbt.  Aetzalkalien  und  Ammoniak  fällen  Eiseuoxydul- 
hydrat  (Fe  [OH],)  als  weissen,  sich  fast  augenblicklich  an  der  Luft  in  Folge  der 
Oxydation  grün  und  dann  braun  färbenden  Niederschlag.  Ferrocyaukalium  fällt 
einen  weissen  Niederschlag  (K,  Fe,  [FeCN(i],),  welcher  sich,  wie  alle  Eisenoxydul- 
verbindungen, an  der  Luft  schnell  oxydirt,  wobei  es  sich  blau  färbt  und  in  die 
Oxydverbindung  übergeht.  Auch  Chlor  und  Salpetersäure  oxydiren  denselben. 
2  K4  (Fe  CNe)  4-  3  Fe  Cl8  =  K,  Fe3  (Fe  CNe)  4-  6  K  Cl 
3  Ks  Fe,  (Fe  CN«)2  4-  8  Cl  =  2  (Fe,)  (Fe CN6),  +  6  K  Cl  +  Fe Cl2. 

Ferricyaukalium  gibt  einen  blauen  Niederschlag  (Turnbulsblau) ,  welcher  die 
Zusammensetzung  Fe.,  (Fe.,)  (CN)I2  besitzt  und  als  Eiseuoxydulsalz  der  Ferrieyan- 
wasserstoffsäure  aufzufassen  ist. 

Aus  Eisenoxyd  salzlös  u  ngen  fällen  Aetzalkalien  und  Ammoniak  Eisen- 
oxydhydrat (Fe,  [OH]„) ,  welches  im  Ueberschuss  des  Fällungsmittels  unlöslich  ist. 
Organische  Säuren  hindern  die  Bildung  des  Niederschlages.  Kohlensaures  Baryum 
fällt  in  der  Kälte  Eisenoxydbydrat  (FeaCl,  4-  3BaCO,  +  3HäO  =  Fe3  [OH]„  + 
-f  3  Ba  Cl,  -t  3  CO,) ;  Schwefelammonium  schwarzes  Schwefeleisen  (Fe  S). 

Schwefelwasserstoff  reducirt  die  Eisenoxydsalze  zu  Eisenoxydulsalzen  •  Fe,  Cl«  4- 
4-  H2  S  =  2  FeCl2  -f  2  H  Cl  +  S.  Essigsaures  Natrium  bewirkt  rothbraune  Färbung, 
welche  von  dem  gebildeten  essigsauren  Eisen  (Fe,  [C,  H302]ö)  herrührt.  Dieses 
zersetzt  sich  beim  Kochen  unter  Abscheidung  von  unlöslichem  basisch  essigsaurem 
Eisen,  einem  rothbrauuen  Niederschlage,  dessen  Bildung  zur  Trennung  des  Eisens 
von  dem  Mangan  und  Zink  in  der  analytischen  Chemie  benutzt  wird.  Rhodankalium 
bewirkt  eine  dunkelrothe  Färbung  in  Folge  der  Bildung  von  Rhodaneisen 
(Fe,[CNS]6),  Ferrocyankalium  eine  blaue  Fällung  (Berlinerblau).  Bei  Spuren  von 
Eisen  wird  eine  grüne  Flüssigkeit  erhalten,  in  welcher  sich  nach  und  nach  ein 
blauer  Niederschlag  bildet.  Die  Reactiou  der  Bildung  von  Berlinerblau  ist: 
3 K,  FeCNG  +  2Fe2Cl<  =  (Fe,),  (FeCN,.)3  +  12  KCl.  In  Salzsäure  ist  Berliner- 
blau  unlöslich,  Kalilauge  zerlegt  es  unter  Bildung  von  Eisenhydroyxd  und  Ferro- 
cyankalium :   (Fe,),  (Fe  CN,),  4-  12  KOH  =  3  Kt  Fe  CX„  4-  2  Fe2  (OH),. 

Rothes  Blutlaugensalz  erzeugt  keinen  Niederschlag .  sondern  bewirkt  nur  eiuo 
dunkelbraune  Färbung  der  Flüssigkeit.  Gerbsäure  bewirkt  in  neutralen  Lösungen 
eine  tiefblauschwarze  Trübung.  Die  Eisenoxydulsalze  können  durch  Oxydation 
mit  Salpetersäure  oder  mit  Chlor  in  Eisenoxydsalze  umgewandelt  werden.  Behufs 
Oxydation  mit  Salpetersäure  fügt  mau  zu  der  Lösung  des  Eisenoxydulsalzes, 
welche  am  besten  irgend  eine  andere  freie  Säure  (Salzsäure  oder  Schwefelsäure) 
enthält,  tropfenweise  concentrirte  Salpetersäure,  bis  die  Flüssigkeit  gelbbraun  ge- 
worden ist:  6FeCl,  4-  6  HCl  4-  2  HNO,  =  3Fe,CI„  4-  2 NO  4-  4  H2 0. 

Bei  Abwesenheit  freier  Säure  werden  basische,  meist  unlösliche  Eisenoxydsalze 
gebildet.  Um  mit  Chlor  zu  oxydireu ,  säuert  man  die  Lösung  des  Eisenoxydul- 
salzes mit  Salzsäure  an  und  fügt  kleine  Mengen  chlorsaures  Kalium  hinzu.  Die 
Salzsäure  wird  in  Wasser  und  Chlor  zerlegt,  wobei  das  letztere  das  Eisenoxydul- 
salz  in  Eisenoxydsalz  überführt :  6  Fe  Cl,  4-  6  H  Cl  4-  K  Cl  0,  =3  Fe,  Cl«  4- 
4-  3  H,  0  4-  K  Cl.  Auch  kann  man  Eisenoxydulsalze  mit  Kaliumpermanganat  in 
saurer  Lösung  in  Oxydsalz  überführen,  worauf  eine  volumetrische  Bestimmung  des 
Eisens  gegrüudet  ist.    Umgekehrt   werden  Eisenoxydsalze  durch  Wasserstoff  im 


Digitized  by  Google 


! 

EISEN.  635 

Status  nascendi  (Zink  und  Salzsäure)  oder  auch  durch  Schwefligsäureanhydrid  zu 
Eisenoxydulsalzen  redueirt: 

FejCl«  +  Ha  =  2FeCls  4-  2 HCl  und 
Fe3  Cl«  +  2  Hs  0  +  SO,  =  2  FeCl3  +  2  H  Gl  +  H,  SO,. 

Die  Anwesenheit  von  Eisenoxydul-  und  EisenoxydverbinduDgen  verlangen  bei 
ihrer  gleichzeitigen  Gegenwart  awei  Versuche:  man  prüft  mit  rothem  Blutlaugen- 
salz auf  Eisenoxydul-,  mit  gelbem  Blutlaugensalz  auf  Eisenoxydsalze.  Tritt  in 
beiden  Versuchen  ein  blauer  Niederschlag  ein,  so  bekundet  dieser  die  Anwesenheit 
von  Eisenoxydul  und  Eisenoxyd. 

Das  Eisen  gehört  nach  seinem  bei  der  qualitativen  Analyse  in  Betracht  kommenden 
Verhalten  mit  dem  Kobalt  und  Nickel,  dem  Aluminium,  Chrom,  Zink  und  Maugan 
zu  der  sogenannten  UI.  Gruppe  (Eisengruppe).  Die  Glieder  dieser  Gruppe  werden 
durch  Schwefelwasserstoff  aus  saurer  Losung  nicht  gefällt,  da  ihre  Schwefel  Ver- 
bindungen in  verdünnten  Säuren  löslich  sind,  wohl  aber  werden  sie  durch  Schwefel- 
wasserstoff in  alkalischer  Lösung  oder  durch  Schwefelammonium  in  Form  von 
Hydroxyden  oder  als  Sulfide  niedergeschlagen. 

Von  dem  Kobalt  und  Nickel  unterscheidet  sich  das  Eisen  durch  die  leichte 
Löslichkeit  der  Schwefelverbindung  in  kalter  fflnfprocentiger  Salzsäure,  von  dem 
Zink  und  Mangan  durch  die  Fällbarkeit  mit  frisch  gefälltem  kohlensaurem  Baryum 
als  Eisenhydroxyd,  sofern  es  in  der  Oxydform  vorliegt,  von  dem  Aluminium  uud 
*     Chrom  durch  die  Unlöslichkeit  des  Hydroxyds  in  kalter  Natronlauge. 

II.  Quantitative  Bestimmung.  Um  die  quantitative  Bestimmung  des  Eisens 
in  den  Eisenoxydulsalzen  auszufahren ,  führt  man  diese  in  Eisenoxydsalze 
über  und  fällt  aus  diesen  das  Eisen  als  Eisenoxydhydrat  (s.  unten).  Die  Oxydation 
geschieht  durch  Hindurchleiten  von  Chlor  oder  durch  Zusatz  von  chlorsaurem 
Kalium  und  Salzsäure  (s.  oben),  auch  durch  Kochen  mit  Salpetersäure.  Man  kann 
aber  das  Eisen  in  den  Eisenoxydulverbindungen  auch  direct  auf  maassanalytischem 
Wege  bestimmen.  Man  bedient  sich  der  Methode  von  Margubritr,  welche  sich 
auf  die  Oxydation  der  Eisenoxydulsalze  zu  Oxydsalzen  mit  Kaliumpermanganat  in 
saurer  Lösung  gründet: 

10  Fe  S04  +  2  KMn  O,  +  8  Ha  SO,  =  5  Fe,  (S0,)3  +  Ks  80,  +  2  Mn  SO,  +  8  H2  0. 

Das  Eisen  muss  als  Sulfat  vorhanden  und  Schwefelsäure  muss  im  Ueberschuss 
zugegen  sein.  Salzsäure  darf  nicht  anwesend  sein,  da  diese  das  Kaliumpermanganat 
unter  Entwickelung  von  Chlor  zersetzt.  Diese  Zersetzung  kann  man  verhindern, 
wenn  man  der  salzsauren  Lösung  eine  Lösung  von  schwefelsaurem  Mangan  hinzu- 
setzt. Fügt  man  zu  einer  so  beschaffenen  Lösung  des  Eisenoxydulsalzes  Kalium- 
permanganat! ösung,  so  verschwindet  die  carmoisinrothe  Farbe  derselben  sofort  und 
wird  nach  weiterem  Zusätze  erst  sichtbar,  wenn  alles  Eisenoxydulsalz  in  Eisenoxyd- 
salz übergeführt  ist.  Das  Auftreten  der  rothen  Farbe  und  das  Sichtbarbleiben 
derselben  während  einiger  Minuten  zeigt  die  Beendigung  der  Reaction  an.  Die 
Ausführung  der  Bestimmung  geschieht  in  der  Weise,  dass  man  zu  der  Lösung  des 
Eisenoxydulsalzes  so  lange  von  der  titrirten  Kaliumpernianganatlösung  setzt ,  bis 
der  letzte  hinzugesetzte  Tropfen  eine  dauernde  Rosafärbung  hervorruft.  Die  Menge 
des  Eisens  x  ist  =  n  CC  <  t,  wobei  n  die  verbrauchte  Anzahl  cc  Kaliumpermangauat- 
lösung  und  t  der  Titre  der  Lösung  ist. 

Der  Titre  der  Kaliumpermanganatlösung,  einer  Lösung  willkürlicher  Concentration, 
wird  mittelst  einer  Lösung  von  Oxalsäure  (Hempel),  welche  dabei  in  Kohlensäure 
und  Wasser  zerfällt,  oder  mit  schwefelsaurem  Eisenoxydulammon  Fe  80,  fNH,)2  SO,  + 
4-  6H30  (Mohr),  oder  endlich  mit  einer  frisch  bereiteten  Lösung  von  feinem 
Claviersaitendraht  in  verdünnter  Schwefelsäure  (Maroüerite)  festgestellt.  Die  Auf- 
lösung des  metallischen  Eisens  geschieht  in  einem  Strome  eines  indifferenten  Gases 
(Kohlensäure),  oder  in  einem  mit  Ventil  versehenen  Kölbchen,  welches  dem  ent- 
weichenden Wasserstoff  den  Austritt,  nicht  aber  den  Eintritt  der  Luft  von  aussen 
gestattet.  0.1g  reinsten  Eisendrahtes  (=  0.7  g  schwefelsaurem  Eisenoxydulammon 
und  =  0.1125g  Oxalsäure)  gebraucht  nach  seiner  Auflösung  in  verdünnter  Schwefel- 
säure 0.056428  g  Kaliumpermanganat  zur  Oxydation. 

Digitized  by  Google 


636 


EISEN. 


Die  quantitative  Bestimmung  des  Eisens  in  den  Eisenox  yd  Verbindungen 
geschiebt  durch  Fällen  als  Hydroxyd  mit  Ammoniak  und  Ueberführung  desselben 
in  Oxyd  durch  Glühen.  Der  rothbraune  Niederschlag  von  Eisenhydroxyd  wird  nach 
dem  Absetzen  filtrirt,  mit  heissem  Wasser  ausgewaschen,  alsdann  getrocknet  und 
darauf  nach  dem  Verbrennen  des  Filters  in  der  Platinspirale  anfangs  schwach, 
schliesslich  stark  geglüht.  160  Th.  Eisenoxyd  (Fe^O,)  entsprechen  112  Th.  Eisen. 
Um  Eisen  als  Ferrosulfid  zu  bestimmen,  neutralisirt  man  die  Lösung  mit 
Ammoniak,  setzt  Salmiak  und  Schwefelammonium  hinzu,  lässt  darauf  den  Nieder- 
schlag in  massiger  Warme  unter  möglichstem  Abschluss  der  Luft  absetzen,  um 
eine  Oxydation  des  Schwefeleisens  zu  verhindern,  sammelt  darauf  den  Niederschlag 
auf  einem  Filter  und  wascht  ihn  mit  Schwefelammonium  haltendem  Wasser  aus. 
Nach  dem  Trocknen  glüht  man  das  Ferrosulfid  in  einem  gewogenen  Tiegel  unter 
Zusatz  von  etwas  Schwefel  im  Wasserstoff  ströme.  88  Tb.  FeS  =  56  Th.  Eisen. 
Auch  kann  man  das  Eisensulfür  in  Salzsäure  lösen  und  in  der  erhaltenen  Lösung 
das  Eisen  nach  Verjagung  des  Schwefelwasserstoffes  auf  vol ametrischem  Wege  nach 
Makguerite  bestimmen. 

Um  in  Eisenoxydsalzlösungen  nach  dieser  Methode  das  Eisen  maassanalytisch  zu 
bestimmen,  werden  dieselben  mit  eisenfreiem  Zink  und  verdünnter  Schwefelsäure 
versetzt,  so  dass  eine  Wasserstoffentwickelung  eintritt,  wodurch  das  Eisenoxyd  zu 
Eisenoxydnlsalz  —  leicht  zu  erkennen  an  der  Entfärbung  der  Lösung  —  reducirt 
wird.  Die  redncirte  Flüssigkeit  wird  sodann  mit  Kaliumpermanganatlösung  titrirt.  * 

Soll  die  Menge  des  Eisenoxyduls  und  Eisenoxyds  in  einer  Verbindung  bestimmt 
werden,  so  erhält  man  bei  Befolgung  dieser  Methode  beim  directen  Titriren  die 
Menge  des  Eisenoxyduls ,  durch  Reduction  und  darauffolgendes  Titriren  die  ge- 
sammte  Eisenmenge;  aus  der  Differenz  ergibt  sich  dann  leicht  die  Menge  des 
Eisenoxyds. 

Auch  mit  J  o  d  k  a  1  i  um  kann  man  die  Eisenoxydsalze  reduciren.  Eisenchlorid 
und  Jodkali  um  setzen  sich  in  massiger  Wärme  gemäss  der  Gleichung :  Fe,  CU  -f 
-f  2KJ  =  2FeCla  +  2  KCl  +  J2  in  Eisenchlorür,  Chlorkalium  und  Jod  um.  Das 
ausgeschiedene  Jod  wird  mit  einer  Lösung  von  Natriumthiosulfat  bestimmt.  Zur 
Ausführung  der  Bestimmung  wird  die  Eisensalzlösung  mit  Überschüssigem  Jodkalium 
in  einem  verschlossenen  Gefässe  etwa  eine  Stunde  digerirt;  nach  dem  Erkalten 
versetzt  man  die  Mischung  mit  etwas  Stärkelösung  und  darauf  mit  so  viel  1  ,0-Normal- 
natriumthiosulfatlösung ,  bis  die  blaue  Farbe  der  Jodstärke  verschwunden  ist. 
1  ccm  1  I0-Norraalnatriumthiosulfatlösung  ist  =  0.0127g  Jod  =  0.0056  g  Eisen  = 
=  0.<>072g  Eisenoxydul  =  0.008  g  Eisenoxyd. 

Bequem  ist  auch  die  Reduction  des  Eisenoxyds  mittelst  Zinnchlorür  und 
Rttckmessung  des  Ueberschusses  an  letzterem  mittelst  Jodlösung.  Die  Methode 
beruht  auf  der  Reduetiou  des  Eisenchlorids  in  kochender  Lösung  mittelst  Zinn- 
chlorür gemäss  der  Gleichung:  Fe,  CL  +  Sn  Cls  =  2FeCI5  +  SnCl4  und  Zer- 
setzung eines  Ueberschusses  an  Zinnchlorür  durch  Jodlösung :  Sn  Cla  +  2  HCl  -+- 
4-  2  J  =  Sn  Cl4  4-  2  HJ. 

Die  Methode  erfordert  als  Probeflüssigkeiten  1.  eine  Eisenchloridlösung  von 
bekanntem  Gehalte,  2.  eine  Zinnchlorflrlösung ,  deren  Wirknngswerth  gegen  die 
ihrem  Gehalte  nach  bekannte  Lösung  von  Eisenchlorid  festgestellt  ist,  und  3.  eine 
Jodlösung,  deren  Verhältniss  zur  Zinnchlorürlösung  bekannt  ist. 

Bezüglich  der  Trennung  des  Eisens  von  anderen  gleichzeitig  vorhandenen 
Metalloxyden  ist  zu  bemerken,  dass  die  Trennung  von  den  Alkalien  und  alka- 
lischen Erden,  sowie  von  Magnesia,  durch  Fallen  der  in  die  Oxydfora 
tibergeführten  Eisenverbindung  als  Hydroxyd  bei  Gegenwart  von  Chlorammonium 
durch  Ammoniak  ausgeführt  wird,  und  dass  durch  Schwefelwasserstoff  in  saurer 
Lösung  alle  durch  diesen  fallbaren  Metalle  abgeschieden  werden,  während  Eisen 
als  Oxydulsalz  im  Filtrate  der  abgeschiedenen  Schwefelmetalle  verbleibt.  Soll  Eisen 
neben  Thonerde  bestimmt  werden,  so  theilt  man  die  auf  ein  bestimmtes  Volnm 
verdünnte  Lösung  in  zwei  gleiche  Theile,  fällt  aus  dem  einen  Theile  Eisen  und 
Aluminium  als  Hydroxyd  gemeinschaftlich ,   sammelt  dieses ,  wäscht  aus ,  trocknet 

Digitized  by  Google 


ELSEN.  —  EISENBK0M1DE. 


«337 


und  glüht  und  reducirt  in  dem  anderen  das  Eisenoxyd  zu  Oxydul,  bestimmt  dieses 
mit  Kaliumpermanganatlösung  nach  Marguerite.  Aus  der  Differenz  erfährt  man 
die  Menge  der  Thonerde.  Vom  Zink  und  Mangan  trennt  man  das  in  der 
Oxydform  vorhandene  Eisen  mittelst  des  basisch  essigsauren  Salzes.  Die  eventuell 
mit  kohlensaurem  Natrium  neutralisirte  Lösung  wird  mit  überschüssigem  essigsaurem 
Natrium  versetzt  und  die  rothgewordene  Lösung  gekocht,  bis  der  rothbraune 
Niederschlag  des  basisch  essigsauren  Eisens  sich  gut  abgesetzt  hat.  Der  Nieder- 
schlag wird  abfiltrirt,  ausgewaschen,  geglüht  und  gewogen.  Es  hinterbleibt  Eisen- 
oxyd. Neben  Chromoxyd  bestimmt  man  das  Eisenoxyd  durch  Fallen  beider 
Oxyde  mit  Ammoniak ,  Auswaschen ,  Glühen  und  Wagen  und  darauffolgender  Re- 
duction  im  Wasserstoffstrome  bei  Glühhitze.  Nur  das  Eisenoxyd  wird  reducirt, 
aus  dem  Gewichte  nach  dem  Glühen  im  Wasserstoffstrome  und  dem  beobachteten 
Gewichtsverluste  kann  man  die  Menge  des  Eisenoxyds  berechnen.  Von  Mangan-, 
Nickel-  und  Kobaltoxydul  kann  man  das  Eisenoxyd  auch  durch  Maeeration 
mit  frisch  gefälltem  kohlensauren  Baryum  trennen.  Eisenoxydhydrat  geht  in  deu 
Niederschlag  und  kann  nach  Entfernung  des  Baryums  mittelst  Schwefelsäure  leicht 
als  solches  bestimmt  werden.  H.  Beckurts. 

Eisenbäder,  Stahlbäder,  werden  bereitet,  indem  man  50— 200g  Tartarus 
ferratus  (in  11  heissen  Wassers  gelöst)  dem  Bade  zusetzt.  Oder  50 — 200  g 
Ferrum  sulfuricum  oder  1 5 — 60  g  Liquor  Ferri  sesquichlarati  auf  ein  Bad.  — 
Zu  den  kohlensauren  oder  moussirenden  Eisenbädern  liefern  meist  die  Fabriken 
künstlicher  Mineralwässer  die  Ingredienzen ;  vielfach  in  Anwendung  ist  auch  ein 
Gemenge  von  1  Th.  Ferrum  sulßtricttm  siccttm ,  2  Th.  Kochsah  und  3  Th. 
Natrium  bicarbonicum ,  von  welcher  Mischung  150  g  bis  200  g  dem  Bade  zu- 
gesetzt werden.  Vergl.  ferner  Bäder,  Bd.  II,  pag.  107,  Heilquellen  und 
Mineralwasser. 

ElSen bäum.  Baumartige  Gebilde  von  kieselsaurem  Eisen,  welche  sich  bilden, 
wenn  man  Rrystalle  von  Eisenchlorür  in  eine  Lösung  von  Wasserglas  legt.  Das 
ursprünglich  weisse  Ferrosilicat  geht  in  Folge  fortschreitender  Oxydation  durch 
grün  in  das  braune  Ferrisilicat  über. 

Eisenbeize.  Als  Eisenbeize  bezeichnet  man  solche  Lösungen  von  Eisenoxyd- 
salzen,  welche  durch  ihr  Eindringen  in  die  Gewebefaser  diese  zur  Aufnahme,  resp. 
Einlagerung  gewisser  Farbstoffe  befähigen,  die  sich  ohne  vorausgegangene  Beizung 
auf  der  Faser  nicht  würden  fixiren  lassen.  Von  Eisensalzen  werden  dazu  besonders 
verwendet  das  salpetersaure  Eisen,  das  rohe  holzessigsaure  Eisen  und  das  basisch- 
schwefelsaure  Eisen. 

EiSenblaUSäure,  s.  Ferrocyanwasserstoff. 

Eisenblumen  =  subu  mirtes  Eisenchloriil. 

ElSenbraun  ist  eine  Mineralfarbe,  hergestellt  durch  Fällen  von  Eisenvitriol 
mit  Kalkmilch  und  Erhitzen  des  aus  Eisenoxydhydrat  und  schwefelsaurem  Kalk 
bestehenden  Niederschlages. 

Eisenbromide.    Man  kennt  das  Eisenbromür,  FeBr,,  und  das  Eisen- 
bromid,  Fe3  Bra. 

Eisenbromür  bildet  gelbe,  blätterig  krystallinische  Massen,  welche  beim  Üeber- 
leiten  von  Bromdampf  über  glühendes,  im  Ueberschuss  vorhandenes  Eisen  entstehen. 
Es  löst  sich  leicht  in  Wasser  und  krystallisirt  beim  Eindunsten  dieser  Lösung  in 
blassgrünen  rhombischen  Krystallen,  welche  nach  der  Formel  Fe  Br8  +  6  H9  0  zu- 
sammengesetzt sind.  Bei  Ausschluss  der  Luft  sublimirt  es  unzersetzt,  an  der  Luft 
zersetzt  es  sich  in  flüchtiges  Eisenbromid  und  Eisenoxyd. 

Eisenbromifl  bildet  dunkelrothe  KrystaUe,  leicht  zerfliesslich  an  der  Luft,  auch 
löslich  in  Alkohol  und  Aether,  und  entsteht  durch  Glühen  von  Eisenbromür  in 
überschüssigem  Bromdampf  oder  durch  Abdampfen  einer  wässerigen  Lösung  von 
Eisenoxydhydrat  in  Bromwasserstoffsäure.  H.  Beckurts. 

Digitized  by  Google 


■ 

638 


EISENBRÜHE.  —  EISENCHLORIDE. 


Eisenbrühe  =  e  isenbeize. 

Eisencarbolat  Eine  in  der  Photographie  benutzte  Lösung  von  25  Th.  Ferro- 
sulfat  und  1  Th.  Phenol  in  1000  Th.  Wasser. 

Eisencarburete  sind  v  erbindunjren  des  Eisens  mit  Kuhleustoff. 

Eisenchamäleon.   Ein  aus  Kaliumpermanganat  und  Eisenvitriol  bestehendes 
Desinfectionsmittel. 

Eisenchloride.  Das  Eisen  verbindet  sich  mit  dem  Chlor  in  zwei  Verhältnissen. 
Diese  sind  E isenchlo rür,  FeClj,  und  Eisenchlorid,  Fe^CL,. 

Eisenchlorür  (Ferrochlorid),  FeCL,.  Entsteht  in  wasserfreiem  Zustande 
durch  Ueberleiten  von  trockenem  Chlorwasserstoff  Ober  erhitztes  Eisen  oder  durch 
Reduction  von  sublimirtem  Eisenohlorid  in  einem  Strom  von  trockenem  Wasserstoflgaa 
oder  durch  Erhitzen  von  überschüssigem  Eisen  in  Chlorgas,  wobei  sich  allerdings 
immer  etwas  Chlorid  bildet. 

Weisse  blätterige,  aus  sechsseitigen  Täfelchen  bestehende  Masse,  welche  bei  Roth- 
gluth  schmilzt  und  in  noch  höherer  Temperatur  sublimirt,  in  Wasser  und  Alkohol 
leicht  löslich  ist,  an  der  Luft  zerfliesst  und  sich  dabei  allmälig  zu  einem  Gemisch 
von  Eisenoxyd  und  Eisenchlorid  oxydirt:  6FeCl,  +  3  0  =  2FeiCl6  -f-  Fe208. 
Das  spec.  Gew.  ist  =  2.528.  Dampft  man  die  Lösung  des  wasserfreien  Chlorürs 
in  Wasser ,  oder  eine  Lösung  von  Eisen  in  Salzsäure  bei  Luftabschluss  ein ,  so 
erhält  man  bläulichgrüne,  durchsichtige,  an  der  Luft  zerfliessliche  monokline 
Krystalle  von  der  Zusammensetzung  Fe  CI3  +  4  Hs  0  und  dem  Volumgewicht  1.93, 
welche  an  der  Luft  sich  rasch  unter  Bildung  basischer  Salze  oxydiren,  und  zer- 
fliessen.  Sättigt  man  die  wässerige  Lösung  des  Eisenchlorürs  mit  Salzsäuregas,  so 
scheiden  sich  feine  Nadeln  von  der  Zusammensetzung  Fe  Cla  -f  2  Hs  O  aus ,  da  das 
Chlorür  in  Salzsäure  schwerer  als  in  Wasser  löslich  ist. 

Das  Eisenchlorür  findet  arzneiliche  Verwendung  als  wasserhaltiges  Salz  — 
s.  Ferrum  chloratum  eiccum  —  und  als  Lösung,  s.  Liquor  Fem' 
chlor ati  und  Tinctura  Ferri  chlor nti. 

Eisenchlorürchlorid,  Ferroferr  ichlorid,  Fe,CL,  +  18  H,  0  oder  FeCi,  + 
+  FeaClg.  Gelbe,  zerfliessliche  Krystallwarzen ,  bei  45°  schmelzend,  bei  50° 
Wasser  und  bei  90°  auch  Salzsäure  verlierend.  Bildet  sich  beim  Auflösen  von  Eisen- 
oxyduloxydbydrat  in  starker  Salzsäure  und  Eindunsten  über  Schwefelsäure  und  Kalk. 

Eisenchlorid.  Eisenperchlorid,  Eisensesquichlorid,  Eisenblumen, 
Fe,  Cl«.  Wasserfreies  Eisenchlorid  wird  durch  Ueberleiten  von  Chlor  über  mäasip- 
erhitztes  Eisen  oder  Eisenchlorür  erhalten,  entsteht  auch  beim  Ueberleiten  von 
Chlorwasserstoffgas  über  glühendes  amorphes  Eisenoxyd. 

Metallglänzende,  in  Regenbogenfarben  spielende  hexagonale  Tafeln,  welche  uneer- 
setzt  sublimiren,  an  der  Luft  zerfliessen  und  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether  leicht  sich 
lösen.  Es  absorbirt  leicht  Ammoniakgas,  indem  eine  rothe,  in  Wasser  leicht  lösliche 
Masse  entsteht ,  welche  nach  der  Formel  Fe8  Cl<,  .  2  NH,  zusammengesetzt  und  in 
Wasser  mit  rother  Farbe  löslich  ist.  Mit  Phosphorpentachlorid  gibt  es  einen  brannen 
Körper,  Fe3  CL,  +  2  PC16,  beim  Erhitzen  mit  den  Dämpfen  von  Königswasser  ver- 
bindet es  sich  mit  dem  Nitrosylchlorid  zu  einem  zerfliesslichen,  dnnkelgeförbten 
Körper,  der  sich  bei  Luftabschluss  ohne  Zersetzung  verflüchtigen  lässt  und  nach 
der  Formel ,  Fe2  CL,  -f  2  NO  Cl  zusammengesetzt  ist.  Die  durch  Zerfliessen  der 
Krystalle  an  feuchter  Luft  erhaltene  dunkelbraune  Flüssigkeit  war  ehemals  unter 
dem  Namen  Oleum  Mortis  per  deliquium  oder  Liquor  stypticus  Lofi  officinell. 

Krystallisirtes  Eisenchlorid  von  der  Formel  FeiCI4  4-  12HsO  erhält  man  durch 
Auflösen  von  100  Tb.  Eisenchlorid  in  63.5  Th.  Wasser ;  die  erhaltene  syrupartiire 
Lösung  erstarrt  alsbald  zu  einer  gelben  kristallinischen  Masse  des  erwähnten 
Salzes.  Dasselbe  Salz  bildet  sich  auch,  wenn  man  eine  Ebenchloridlösung  (s.  unten) 
nach  Zusatz  von  Salzsäure  eindampft  und  sodann  die  Flüssigkeit  an  einen  kalten 
Ort  stellt.  Gelbe  strahlig  oder  warzig  krystallinische  undurchsichtige  Massen,  in 
Wasser,  Alkohol  und  Aether  löslich,  an  der  Luft  zu  einer  rothbraunen  Flüssigkeit 

* 

Digitized  by  Google 


EISENCHLORIDE 


H39 


zerfiiesaend.  Beim  Erhitzen  zersetzt  es  sich  unter  Entweichen  von  8alzsäure  und 
Wasser,  bis  schliesslich  wasserfreies  Eisenchlorid  sublimirt  und  Eisenoxyd  zurück- 
bleibt. —  S.  auch  Ferrum  sesqu  {chloratum  crystallisatum. 

Dampft  man  eine ,  mit  etwas  Salzsäure  versetzte  Lösung1  von  Eiseuchlorid  von 
1.5  spec.  Gew.  bis  zur  Syrupdicke  ein,  so  bildet  sich  ein  Salz  der  Formel 
FejjCl^  +  5HaO,  rotbgelbe  Tafeln,  welche  bei  31°  schmelzen  und  an  der  Luft 
rasch  und  unter  Erwarmen  Wasser  anziehen.  Durch  Abkühlen  einer  Lösung  von 
dem  spec.  Gew.  1.5  erhält  man  ein  Hydrat  der  Formel  FeaCL,  -f  6HaO. 

Die  Lösung  des  Eisenchlorids  erhält  man  am  besten  durch  Auflösen  von  Eisen 
in  Salzsäure  und  Ueberführung  der  erhaltenen  Eisenchlorürlösung  in  Eisenchlorid 
durch  Einleiten  von  Chlor  oder  Erhitzen  mit  Salpetersäure  und  Austreiben  des 
überschüssigen  Chlors  oder  der  Salpetersäure  in  der  Wärme.  2  Fe  Cla  +  2  Cl  = 
=  Fea  Cl«  und  6  FeCla  +  6 H Cl  +  2H NOÄ  =  3  Fej  Cl«  +  4  Ha  0  4-  2 NO.  In  con- 
centrirtem  Zustande  ist  sie  dunkelbraun  und  dickflüssig,  in  verdünntem  gelb  und 
dünnflüssig. 

Beim  Eindampfen  zersetzt  sich  die  Eisenchloridlösung  unter  Entweichen  von 
Salzsäure  und  Bildung  von  Eisenoxychlorid,  von  welchem  um  so  grössere  Mengen 
gebildet  werden,  je  weiter  das  Eindampfen  der  neutralen  Lösung  fortgesetzt  wird. 
Auch  durch  blosses*  Erwärmen  zersetzt  sich  die  Lösung  in  Eisenhydroxyd  und  Salz- 
säure, und  zwar  erfolgt  diese  Zersetzung  in  concentrirten  Lösungen  bei  höherer, 
in  verdünnten  bei  niederer  Temperatur.  Die  Zersetzung  macht  sich  durch  An- 
nahme einer  dunkleren  Farbe  bemerkbar,  welche  aber  beim  Erkalten  wieder  ver- 
schwindet, indem  Eisenchlorid  regenerirt  wird.  Lösungen  mit  weniger  als  4  Pro- 
cent Eisenchlorid  zersetzen  sich  schon  unter  100°,  auch  bleibt  die  Färbung  in  der 
Kälte  längere  Zeit  bestehen,  diese  wird  sogar  eine  dauernde,  wenn  die  Menge  des 
gelösten  Eisenchlorids  weniger  als  1  Procent  beträgt.  Im  Lichte  wird  die  Eisen- 
chloridlösung in  Eisenchlorür  und  Chlor  zerlegt.  Auch  viele  Metalle,  so  Eisen, 
Zink,  Zinn,  Arsen,  Wismut,  Blei,  sodann  auch  Zinnchlorür,  schweflige  Säure, 
Schwefelwasserstoff  reduciren  das  gelöste  Eisenchlorid  zu  Eisenchlorür.  Organische 
Körper  bewirken  die  Reduction  namentlich  im  Licht,  die  Lösung  von  Eisenchlorid 
in  Aether- Weingeist  entfärbt  sich  im  Lichte,  nicht  im  Dunkeln  (s.  Tin  dura 
Ferri  chlorati  aetherea). 

Mit  Alkalichloriden  bildet  das  Eisenchlorid  Doppelverbindungen,  welche  nach 
der  Formel  Fea  Cl«  +  4  H  Cl  +  2  BT2  0  zusammengesetzt  sind  und  schon  durch 
wenig  Wasser  zerlegt  werden. 

Das  Ammonium- Eisenchlorid,  Fej  Cl«  +  4NH.C1  +  2HaO,  wird  durch  lang- 
sames Verdampfen  einer  Lösung  von  Chlorammonium  und  einer  solchen  von  Eisen- 
cblorid  erhalten  und  bildet  granatrothe  Krystalle.  Mit  dem  Namen  Eisensalmiak 
wird  ein  Eisenchlorid  enthaltender  Salmiak  bezeichnet,  welcher  durch  Eindunsten 
einer  mit  Eisenchlorid  versetzten  Salmiaklösung  erhalten  wird  (s.  Ammon  iu  m 
chloratum  ferratum). 

Unter  dem  Namen  Flores  Salis  Ammoniaci  martiales  war  früher  ein  Eisen- 
salraiak  officinell,  welcher  durch  Sublimation  eines  Gemenges  von  Eisenoxyd  mit 
Salmiak  dargestellt  ward  und  auch  aus  einem  mit  Eisenchlorid  vermischten  Salmiak 
bestand  (s.  Liq.  ferri  sesqu  ichlorati). 

Eisenoxychloride.  Man  unterscheidet  lösliches  und  unlösliches  Eisenoxychlorid. 
Die  löslichen  Oxychloride  entstehen  durch  Auflösen  von  frisch  gefälltem  Eisen- 
hydroxyd in  wässeriger  Eisenchloridlösung  oder  durch  Digestion  von  Salzsäure  mit 
frisch  gefälltem  überschüssigem  Eisenoxydhydrat.  Die  entstehenden  dunkelrothen 
Flüssigkeiten  enthalten  je  nach  den  angewandten  Mengenverhältnissen  Eisenoxy- 
chloride verschiedener  Zusammensetzung.  Es  entstehen  Verbindungen,  welche  auf 
1  Molekül  Eisenchlorid  bis  zu  20  Moleküle  Eisenhydroxyd  enthalten.  Lösungen, 
welche  auf  1  Molekül  Eisenchlorid  bis  zu  10  Moleküle  Eisenoxydhydrat  enthalten, 
hinterlassen,  bei  40°  zur  Trockne  verdampft,  lösliche  Rückstände.  Oxydreichere 
Lösungen  geben  beim  Verdunsten  Rückstände,  die  sich  nicht  völlig  wieder  auf- 
lösen.   Ammoniak  fällt  aus  diesen  Lösungen  das  Eisen  als  Hydroxyd;  beim  Ver- 

Digitized  by  Google 


640 


EISENCHLORIDE.  -  EISEN  ¥  L IJO  R I D  E . 


dünnen  mit  Wasser  oder  wenig  Spiritus  mischen  sie  sich  klar,  dagegen  scheiden 
Säuren  und  viele  Salze  in  gesättigten  Lösungen  Eisenhydroxyd  aus. 

Unlösliche  Eisenoxychloride  entstehen  durch  Oxydation  von  neutralem  Eisen- 
chlorflr  an  der  Luft  oder  von  Eisenchlorur  mit  Salpetersäure,  wenn  weniger  Salz- 
säure zugegen  ist,  als  die  Gleichung:  6  Fe  Gl,  +  6H  Cl  4-  2  HNO,  =  3  Fe,  Clj  + 
4-  4  H2  0  -f  2  NO  verlangt.  Gelbes  unlösliches  Oxyehlorid  entsteht  auch  beim 
längeren  Kochen  einer  verdünnten  Eiaenchioridlösung.  Dieses  hat  nach  Bechamp 
die  Zusammensetzung  2  Fes  Cl6  4-  25  Fe^  Os  4-  41  HsO.  Im  Uebrigen  besitzen  die 
Oxychloride  je  nach  Darstellung  verschiedene  Zusammensetzung  und  gelbe  bis 
gelbbraune  Farbe.  H.  Beckum. 

EisenChOCOlade  wird  zumeist  mit  Ferrum  reductum,  5—10  Th.  auf  1000  Th. 
Chocolade  oder  mit  Ferrum  oxydatum  saccharatum  solubile,  50  Th.  auf  1000  Th. 
Chocolade,  bereitet. 

EisenCyanide.  Eisencyanür  und  Eisencyanid  sind  in  vollkommen  reinem  Zu- 
stande noch  nicht  dargestellt  worden.  Cyankalium  erzeugt  in  den  Lösungen  der 
Eisenoxydulsalze  einen  gelbrothen  Niederschlag,  welcher  nach  Fresenius  aus 
Eisencyanür  (Fe[CN]a)  besteht,  stets  aber  wechselnde  Mengen  Cyankalium  ent- 
hält. Wahrscheinlich  verläuft  die  Reaction  gemäss  der  Gleichung :  2  Fe  S04  + 
-f  5KCN  =  2K2SOl  4-KFesCNÄ,  so  dass  der  Niederschlag  auf  4  Aeq.  Eisen- 
cyanür 1  Aeq.  Cyankalium  enthält.  Derselbe  muss  bei  Abschluss  der  Luft  ausge- 
waschen und  getrocknet  werden ;  an  der  Luft  bläut  er  sich,  indem  durch  Oxydation 
Berlinerblau  entsteht.  In  Cyaukaliumloaung  löst  er  sich  unter  Bildung  von  Ferricyan- 
kalinm ;  auch  Kalilange  zerlegt  ihn  unter  Bildung  dieses  Salzes  und  von  Eisenoxydhydrat. 

Wahrscheinlich  ist  auch  das  beim  vorsichtigen  Erhitzen  von  Ferrocyanammonium 
und  Ferrocyanwasserstoffsänre  zurückbleibende  gelbe  Pulver  Eisencyanür. 

Das  Eisenryanidy  FejCN8,  ist  bis  jetzt  noch  nicht  bekannt.  —  S.  auch  F  er  ro- 
und Ferricyanverbindungen.  H.  Beckurts. 

Eisen doppelSalZ  ist  Ferr  um  sulfu  r  ic  um  ammon  ia  tum;  s.  d. 

Eisenerze,  s.  unter  Eisen,  technisch. 

Eisenextract.  Ein  officinelles  Eisenpräparat,  welches  als  wesentlichsten  Be- 
standtbeil  äpfelsaures  Eisenoxyduloxyd  enthält.  —  S.  unter  Extra  dum  Ferri 
pomatum. 

Eisenfarben.  Die  natürlichen  gelben  bis  gelbbraunen  Ocker,  die  Umbra, 
Terra  de  Sienna  verdanken  ihre  gelbbraune  oder  braune  Farbe  ihrem  Gehalte  an 
Eisenoxydhydrat,  die  dunkleren  enthalten  daneben  noch  Manganhyperoxydhydrat. 

Die  gebrannten  Ocker  haben  entsprechend  der  Umwandlung  des  Eisenoxyd- 
hydrates in  Eisenoxyd  eine  mehr  röthlichbraune  Farbe.  Eine  rothe  Eisenfarbe  ist 
ferner  das  bei  der  Fabrikation  der  rauchenden  Schwefelsäure  abfallende  Eisenoxyd 
(Caput  mortuum,  Engelroth). 

Von  anderen  anorganischen  Eisenfarben  wäre  etwa  noch  das  hauptsächlich  aus 
kieselsaurem  Eisenoxydul  bestehende  Veroneser  Grün  zu  nennen. 

Blane  Eisenfarben  sind  Berlinerblau  und  Turnbullsblau. 

Das  Eisenoxyd  gibt  ferner  mit  einer  grossen  Anzahl  von  organischen  Farb- 
stoffen meist  dunkelgcfärbte  Lacke.  Der  Alizarineisenoxydlack  ist  je  nach  der  Ver- 
dünnung lila  bis  schwarz ;  Eisenbeizen  färben  sich  mit  Blauholz  schwarz ,  mit 
Rothholz  braun,  mit  gelben  Pflanzenfarbstoffen  schmutzig  grün  an.  Benedikt. 

EisenfeÜ8,  vergl.  Ferrum  lim  a  tum  und  Ferrum  pulveratum. 

EisenflUOride.  Eisen  verbindet  sich  mit  dem  Fluor  in  zwei  Verhältnissen,  zu 

Eisenfluor ür  und  zu  Eisenßuorid. 

Eisen  flu  orür.  Fe F2  +  8 Ha 0.  Weisse  Tafeln  (Berzelids)  oder  grüue 
Prismen  (Berzelius;,  welche  beim  Verdampfen  einer  Losung  vou  Eisen  in  wässe- 
riger Fluorwasserstoffsäure  auskrystallisiren.    tte  sind  wenig  löslich  ro  Was*ei\ 


Digitized  by  Google 


EISENFLUORIDE.  —  EISENJODIDE. 


641 


leichter  lösen  sie  sich  in  wässeriger  Fluorwasserstoffsäure.  Beim  vorsichtigen  Er- 
hitzen geben  sie  unter  Verlust  von  Wasser  wasserfreies  Fluorür,  FeFs,  sofern  die 
Luft  keinen  Zutritt  hatte,  im  anderen  Falle  entsteht  ein  Gemenge  von  Eisenfluorid 
und  Eisenoxyd.  Das  gelöste  Eisenfluorür ,  mit  Salpetersäure  versetzt,  gibt  eine 
farblose  Lösung,  aus  welcher  beim  Verdunsten  ein  Gemenge  von  Eisenfluorid  und 
Eiseuoxydnitrat  sich  abscheidet. 

Eisenfluorid,  FeaF6  -f  9HaO,  entsteht  durch  Auflösen  von  Eisenhydroxyd 
in  Flusssäure  oder  durch  Oxydation  des  in  Flusssäure  gelösten  Eisenfluorurs  mit 
Salpetersäure.  Farblose,  wenig  lösliche  Krystalle,  die  bei  100°  3  Moleküle  Wasser 
verlieren,  über  100°  sich  unter  Entweichen  von  Fluorwasserstoff  zersetzen.  Ammoniak 
und  Alkali  zersetzen  das  Eisenfluorid  nicht,  es  entstehen  gelbe  basische  Salze.  Ein 
wasserfreies  Eisenfluorid  entsteht  durch  Behandeln  von  geglühtem  Eisenoxyd  mit 
wässeriger  Fluorwasserstoffsäure.  Mit  Fluorammonium  und  den  Fluoralkalimetallen 
vereinigt  es  sich  zu  schwer  löslichen  Doppelsalzen.  Bekannt  sind: 

Ammonium-Eisenfluorid,  Fe,F«(NH4F)4;  Kalium-Etsenfluorid,  FejF,  .4KF  -f 
+  H3  0 ;  Natriu m- Eisenfluorid,  Fea  F0 . 4  Na  F  +  Hs  0.  H.  Bcckurts. 

EisengerburiQ.  Das  Gerben  der  Häute  mit  basisch  schwefelsaurem  Ewenoxyd 
ist  eine  besondere  Abart  der  Weissgerberei.  Das  Garmachen  der  Häute  geschieht 
dabei  durch  eine  Lösung  von  Eisenvitriol,  welcher  nur  genau  so  viel  Salpetersäure 
zugesetzt  ist,  als  zur  vollständigen  Oxydation  unbedingt  nothwendig  ist. 

Eisenhammerschlag,  s.  EUenoxyduioxyd. 

Eisenholz  ist  eine  allgemeine  Bezeichnung  für  ausserordentlich  harte  Hölzer 
ohne  Rücksicht  auf  ihre  Abstammung.  Thatsäeblich  kommen  in  den  verschieden- 
sten natürlichen  Pflanzenfarailien  Eisenhölzer  vor,  aber  es  sind  fast  ausuahmslos 
tropische  Arten.  Am  bekanntesten  sind  die  Eisenhölzer  der  Leguminosen  (Acacta, 
Inga,  liobinia ,  Pterocarpus) ,  Casuarineen ,  Sapotaceen  (Sideroxylon ,  Argonia, 
Mimusops,  Imbricaria,  Labatio),  Myrtaceen  (Metrosideros,  Eucalyptus),  Clusiaceen 
(Mesuaj,  Rubiaceen  (Siderodmdron)  u.  a.  m.  J.  Moeller. 

ElSenhllt  ist  Aconitum.  —  Eisenkraut  ist  Verbena,  auch  Veronica. 

ElSenjodide.  Man  hat  das  Eisenjodür  von  dem  Eisenjodid  zu  unterscheiden. 

Eisenjodür,  FeJa.  Eisen  und  Jod  verbinden  sich  leicht  unter  Wärme- 
entwickelung, wenn  man  Jod  und  Eisen  entweder  für  sich  oder  unter  Znsatz  von 
Wasser  zusammenbringt.  Wasserfreies  Eisenjodür  erhält  man,  wenn  man  gepulvertes 
Eisen  im  Porzellantiegel  erhitzt  und  nach  und  nach  kleine  Mengen  Jod  zusetzt, 
so  dass  schliesslich  ein  Ueberschuss  denselben  vorhanden  ist,  worauf  die  geschmolzene 
Masse  noch  so  lange  erhitzt  wird,  bis  keine  Dämpfe  von  Jod  mehr  entweichen. 
Grünlicbweisse ,  blätterige,  in  Wasser  leicht  lösliche  Masse.  Aus  der  wässerigen 
Lösung,  welche  durch  Digeriren  von  1  Th.  Eisenfeilspäne  mit  3  —  4  Th.  Jod  und 
Wasser  dargestellt  wird,  können  hellgrüne  Krystalle,  welche  der  Formel  FeJ,  +  4  Hs0 
entsprechend  zusammengesetzt  sind,  erhalten  werden.  Das  wasserfreie  und  wasser- 
haltige Jodür,  sowie  dessen  Lösung  zeichnen  sich  durch  grosse  Unbeständigkeit 
aus,  sie  zerfallen  an  der  Luft  schnell  unter  Bildung  von  basischem  Oxydsalz. 
Zusatz  von  Zucker  oder  von  Zuekefsyrup  machen  das  Eisenjodür  und  dessen 
Lösung  haltbarer.  Die  wässerige  Lösung  löst  leicht  noch  Jod  auf ;  werden  3  Mole- 
küle Eisenjodür  und  1  Molekül  Jod  in  Wasser  gelöst,  so  erhält  man  eine  braune 
Lösung,  welche  wahrscheinlich  Eisen  jodür jodid ,  FeJ2  +  Fe2  Jfl  enthält,  sie  zerfällt 
durch  kohlensaures  Kalium  in  Jodkalium  und  Eisenoxyduloxydhydrat.  Das  Eisenjodür 
dient  zur  Darstellung  der  Alkalijodide  (s.  Kalium  und  Natrium  jodatum) 
und  findet  auch  Verwendung  in  der  Medicin ,  wird  jedoch  nach  Vorschrift  der 
meisten  Pharmakopoen  nicht  vorräthig  gehalten,  sondern  wegen  seiner  geringen 
Haltbarkeit  stets  für  den  Bedarf  frisch  bereitet  (s.  Ferrum  jodatum)  oder  in 
Form  eines  Jodeisen syrups  (s.  Syrupus  Ferri  jodatt)  oder  als  trockenes 

Real-Encyo'opädie  der       Phannaeie.  III.  41 

Digitized  by  Google 


642 


EISENJODIDE.  —  EISENLEG  I  RUNGEN. 


zuckerhaltiges  Jodeisen  (s.  Ferrum  jodatum  s  a  cckaratum)  vorräthig 
gehalten. 

Eisenjodid,  Fe,J8,  ißt  nicht  mit  Sicherheit  bekannt.  Aug  der  Lösung  des 
Eigenhydroxyds  in  Jodwasserstoflgäure  konnte  bislang  festes  Jodid  nicht  erhalten 
werden.  H.  Becknrts. 

Eisenkies,  z  weifach  Schwefeleisen,  Pyrit,  s.  Eisensulfide. 

Eisenkiesel.  Durch  Eisenocker  gelb,  braun  oder  roth  gefärbter  Quarz. 

Ei8enkitte  sind  Gemische  der  verschiedensten  Zusammensetzung  zum  Kitten 
und  Verbinden  von  Schmiedeeisen  oder  Gusseisen  auf  Wasserleitungsröhren,  Dampf- 
kesseln, Dampfrohren  u.  dergl.  Ein  solcher  Eisenkitt  wird  in  die  Fugen  hinein- 
gestrichen oder  hineingestampft,  nachdem  die  zu  kittenden  Flächen  zuvor  gereinigt 
und  womöglich  etwas  abgefeilt  sind.  Fischer  empfiehlt  dazu  folgende  Mischung : 
2  Th.  Salmiak,  1  Tb.  Schwefelblumen,  60  Th.  feine  Eisenspäne;  diese  wird  zum 
Gebrauche  mit  wenig  Wasser  angerührt,  dem  eine  kleine  Quantität  verdünnter 
Schwefelsäure  zugesetzt  ist.  Dieser  Kitt  erhärtet  nach  einigen  Tageu  vollkommen. 
Befinden  sich  die  zu  kittenden  Flächen  an  Stellen,  welche  Glühhitze  auszuhalten 
haben ,  so  empfiehlt  Fischer  hierzu :  4  Th.  Eisenfeile ,  2  Th.  Thon  und  1  Th. 
Porzellankapselmasse  mit  Salzlösung  zum  Brei  angerührt.  Ganswind t. 

Ei$enkligeln,  Stahlkugeln,  Globuli  martiales.  In  manchen  Gegenden  ist  es 
üblich,  den  zu  Bädern  bestimmten  Eigenweinstein  in  Form  von  Kugeln  abzugeben ; 
zu  diesem  Zwecke  werden  aus  Tartarus  ferratu*  pulver.  mit  Hilfe  von  dünnem 
Traganthschleim  25  bis  30g  schwere  Kugeln  geformt  und  diese,  um  sie  schön 
schwarz  erscheinen  zu  lassen,  mit  Tinctura  Gallarum  bestrichen. 

EisenleCfifUngen.  Beim  Zusammenschmelzen  mit  Eisen  nehmen  sehr  viele 
Metalle  mehr  oder  weniger  Eisen  auf  und  bilden  mit  demselben  Eisenlegirangen. 
Praktische  Wichtigkeit  haben  von  diesen  indessen  nur  wenige  erlangt. 

Nickeleisen.  Legirungen  mit.  einem  Gehalt  von  0.6 — 0.7  Nickel  haben 
weissere  Färbung  als  Eisen  und  widerstehen  dem  Rosten  besser  als  dieses.  Dagegen 
lassen  sie  sich  selbst  bei  Rothgluth  schwer  bearbeiten ,  um  so  schwieriger ,  je 
geringer  der  Kohlenstoff gehalt  ist. 

Manganeisen  oder  Ferro-Mangan.  Wird  gegenwärtig  fabrikmässig durch 
hüttenmännischen  Betrieb  in  Hohöfen  bei  sehr  hohen  Temperaturen  aus  Mangan- 
erzen und  manganhaltigem  Roheisen  in  grossen  Quantitäten  producirt  und  enthält 
60 — 85  Procent  Mangan.  Es  sind  dazu  sehr  heisser  Ofengang  und  sehr  starke 
basische  Schlacken  nötbig.  Verwendung  findet  es  hauptsächlich  an  Stelle  des 
manganhaltigen  Spiegeleisens  zur  Stahlfabrikation. 

Chromeisen,  Ferrochrom,  kann  im  Hohofen  unter  denselben  Verhält- 
nissen wie  Ferromangan,  auch  durch  Reduction  von  Chromeisenstein  mit  Kohle 
erhalten  werden  Es  ist  weiss,  glänzend,  faserig  und  hart,  enthält  circa  25  bis 
50  Procent  Chrom,  der  Kohlenstoägehalt  scheint  mit  dem  Cbromgehalt  zuzunehmen. 
Das  Ferrochrom  wird  seit  Kurzem  auf  einigen  Stahlwerken  wie  das  gleich  zu 
beschreibende  Wolframeisen  zur  Fabrikation  von  Chromstahl  (s.d.)  verwendet. 

Wolframeisen.  Die  directe  Herstellung  von  Wolframeisen  wurde  zuerst 
1878  zu  Terre-Noire  ausgeführt.  Wolfram  wird  mit  Eisen-  und  Manganerzen  uud 
einem  möglichst  basischen  Zuschlage  verhüttet.  Man  erhält  so  Wolfram-Eisen-Mangan  - 
legirungen  von  circa  25  Procent  Wolfram.  Durch  Reduction  von  Wolframerzeu  mit 
Kohle  bei  Gegenwart  von  Eisen  oder  dessen  Oxyden  werden  Legirungen  bis  zu  75  Pro- 
cent Wolframgehalt  erzielt.  Wolfram  vermehrt  die  Zähigkeit  und  Härte  des  Stahls ;  die 
letztere  nimmt  mit  steigerndem  Woll'ramgehalt  fast  unbegrenzt  zu,  die  erstere  aber 
nur  bis  zu  einem  Gehalte  von  2 — 3  Procent.  Darüber  hinaus  wird  die  Legirung  spröde. 

Chrom  und  Wolfram  ertheUen  dem  Stahl  im  Ganzen  die  gleichen  Eigenschaften 
und  da  Chrom  in  der  Natur  verbreiteter  ist  wie  Wolfram  ,  so  dürfte  der  Chrom- 
stahl in  Zukunft  den  Wolframstahl  nahezu  verdrängen.  B.  Fischer. 


Digitized  by  Googl 


'LIQUFXRE.  —  EISENOXYDE. 


643 


Eisenliqueure  sind  Aromatisch-bittere  Liqneure  mit  einem  Zusatz  von  0.5  bia 
1  Procent  Eisen,  am  besten  in  Form  von  Eisencitrat. 

Eisenmagnesiapillen,  eine  in  den  letzten  Jahren  sehr  beliebt  gewordene 
Specialität,  sind  5  cg  schwere  überzuckerte  Pillen  und  bestehen  (nach  Angabe  des 
Fabrikanten  Ktrchmannj  aus  6  Th.  Ferrum  aulfuricum  crystall.,  1  Th.  Magnesia 
usta  und  so  viel  als  nöthig  eines  Gemisches  von  Glycerin  und  Syrupus  simplex. 

EiSenmann'S  Vinum  Colchici  Opiatum  ist  eine  Mischung  aus  6  Th.  Vinum 
Colchici  und  1  Th.  Tinct.  Opii  crocata. 

Eisenmennige  ist  eine  Malerfarbe  i  n  Form  eines  feinen  dtinkelrothbraunen 
Pulvers,  welches  aus  Eisenoxyd  und  Thon  besteht  und  aus  den  Rückständen  des 
Eisenhüttenprocesses  gewonnen  wird.  Die  Eisenmennige  wird  als  Anstreichmittel  an 
Stelle  der  gewöhnlichen  Mennige  empfohlen. 

EisenmÜCh  hatte  ursprünglich  mit  Milch  (Kuhmilch)  nichts  weiter  gemein  als 
ein  Ähnliches  äusseres  Ansehen ;  das  Präparat  bestand  aus  in  Wasser  fein  suspen- 
dirtem  Ferriphosphat  und  wurde  erhalten,  indem  man  in  eine  Mischung  von  17  g 
Eisenchloridlösung  (Ph.  Germ.)  mit  2000g  Wasser  eine  Lösung  von  27  g  Natrium- 
phosphat in  200  g  Wasser  unter  Umrühren  eintrug,  den  entstandenen  Niederschlag 
auf  ein  Colatorium  sammelte,  abwusch  und  schliesslich  mit  so  viel  Wasser  mischte, 
dass  das  Ganze  1000  g  betrug.  Diese  Mischung  enthält  1  Procent  wasserhaltiges 
Ferriphosphat.  In  neuerer  Zeit  mischt  man  den  erwähnten  Niederschlag  mit  wirk- 
licher Milch  und  pasteurisirt  die  Mischung,  um  sie  baltbar  zu  machen.  Auch  setzt 
man  dem  Ferriphosphat  noch  Kalkphosphat  in  feinster  Vertheilung  hinzu. 

Eisenmohr.  Aethiops  martialis,  ist  Ferrum  oxydato-oxydulatum. 

Ei8enOCker,  gelber  und  brauuer,   ist  erdiger  Limonit;  rother  ist  erdiger 
Hämatit. 

Eisenöl.  Oleum  Marti«,  ein  alter  Name  für  Liquor  Ferri  sesquicblorati. 

Eisenorange  ist  eine  orangefarbene  Modifikation  desEiseubrauns  (s.d.), 
die  wohl  lediglich  auf  einer  Aenderung  der  procen tischen  Zusammensetzung  beruht. 

Eisenoxyde.  <;  enauer  bekannt  sind  drei  Oxyde  des  Eisens:  das  Eisenoxydul, 
das  Eisenoxyd  und  das  Eisen oxyduloxyd. 

Eisenoxydul,  Encumonooxyd,  Ferrooxyd,  FeO.  Findet  sich  nicht  frei  in  der 
Natur,  wird  erhalten  durch  Reduction  von  Eisenoxyd  im  Wasserstoffgase  bei  300° 
oder  durch  Erhitzen  von  Ferrooxalat  bei  Absehluss  der  Luft.  Es  ist,  so  dargestellt, 
pyrophorisch.  verliert  diese  Eigenschaft  aber,  wenn  man  es  nach  dem  Glühen  zwölf 
Stunden  in  einer  Wasserstoffatmogphäre  liegen  lflsst.  Auf  uassem  Wege  erhält  man 
das  Oxydul  durch  Eintragen  von  Eisenoxyduloxalat  in  kochende  Kalilauge  als 
schwarzes  Pulver,  welches  an  der  Luft  wenig  Sauerstoff  anzieht  und  beim  Erhitzen 
zu  Eisenoxyd  verbrennt. 

Eisenhydroxydul,  Eisenoxydulhydrat,  Ferrohydroxyd ,  Fe  (OH),.  Wird 
durch  Vermischen  luftfreier  und  oxydfreier  Eisenoxydulsalzlösungen  mit  ausgekochter 
Kali-  oder  Natronlauge  als  weisser  amorpher  Niederschlag  erhalten,  der  bei  Ab- 
schlues  der  Luft  mit  ausgekochtem  Wasser  ausgewaschen  und  in  sauerstofffreier 
Atmosphäre  getrocknet  und  aufbewahrt  werden  muss.  Bei  der  Berührung  mit  Luft 
geht  das  frisch  gefällte  feuchte  Eisenoxydulhydrat  unter  Absorption  von  Sauerstoff 
in  schmutziggrünes  Eisenoxyduloxydhydrat  und  schliesslich  in  braunes  Oxydhydrat 
über.  In  trockeueru  Zustande  ist  es  als  ein  hellgrünes  Pulver  erhalten  worden, 
welches  aus  Amnioninksalzen  Ammoniak  austreibt  und  sich  in  etwa  150000  Th. 
Wasser  zu  einer  alkalisch  reagirenden  Flüssigkeit  von  eigentümlichem  adstringiren- 
dem  Geschmaeke  auflöst. 

Ei8enOXydulOXyd.  FerrofWrioxyd ,  Fe3  04.  Findet  sich  in  der  Natur  in  grossen 
Mengen  als  Magneteisenstein  in  schwarzen,  stark  glanzenden,  regulären  Octaederu, 

41* 

Digitized  by  Google 


r,44 


EISENOXYDE. 


in  körnigkrystallinischen  oder  derben  Massen.  Eisenoxyduloxyd  entsteht  durch 
Verbrennung  des  Eiseng  bei  Gegenwart  eines  Uebersehusses  von  Sauerstoff,  ferner 
beim  Ueberleiten  von  Wasserdampf  oder  von  Kohlensäure  Aber  glühendes  Eisen. 
Beim  Glühen  an  der  Luft  Aberzieht  sich  Eisen  mit  einer  Oxydschicht,  dem  soge- 
nannten Hammerschlag ,  welcher  eine  Verbindung  von  Oxydul  und  Oxyd  in  ver- 
schiedenen Verhaltnissen  ist,  er  enthalt  in  den  äusseren  Schichten  mehr  Eisenoxyd, 
als  in  den  inneren. 

Man  erhält  das  Eisenoxyduloxyd  bisweilen  in  regulären  Octagdern  oder  Tetra- 
edern, meist  aber  als  dichte  krystallinische  schwarze  Masse,  welche  magnetisch  und 
sehr  hart  ist.  Es  verbrennt  an  der  Luft  zu  Eisenoxyd  und  wird  durch  Glühen  mit 
Wasserstoff,  Kohle  oder  Kohlenoxyd  zu  Metall  reducirt.  In  Säuren  löst  es  sich  zu 
Gemengen  von  Eisenoxydul-  und  Oxydsalzen. 

Eisenoxyduloxydhydrat.  Kali-,  Natronlauge  und  Ammoniak  fällen  aus  einer 
Lösung  gleicher  Aequivalente  von  Eisenoxydul-  und  Eisenoxydsalzen  einen  sammt- 
schwarzen  Niederschlag ,  welcher  nach  Lefoet  die  Zusammensetzung  2  (Fe  0  + 
+  Fea03)3H20  besitzt.  Ein  anderes  Hydrat  erhält  man  aus  einer  Lösung  von 
6  Mol.  Eisenoxydulsulfat  und  1  Mol.  Eiseuoxydsulfat ,  welches  nach  der  Formel 
6  Fe  0  +  Fe.,  Os  +  4  H3  0  zusammengesetzt  ist.  Getrocknet  bildet  das  so  gewonnene 
Hydrat  schwarze  oder  braunschwarze  spröde  Stücke  mit  muschligem  Bruche,  die 
magnetisch  sind.  Durch  Oxydation  des  Eisenoxydulhydrats  an  der  Luft  erhält  man 
grünes  Eisenoxyduloxydhydrat  von  wechselnder  Zusammensetzung,  das  sich  leicht 
an  der  Luft  in  braunes  Eisenoxydhydrat  umwandelt. 

Wesentlich  aus  Eisenoxyduloxyd  bestand  der  früher  in  einzelnen  Pharmakopoen 
officinelle  Aethiops  mineralis  (Aethiops  martialis  Lemery,  Eisenmohr),  zu  dessen 
Darstellung  man  Eisenfeile  mit  Wasser  befeuchtet  einige  Tage  stehen  lässt  und  von 
Zeit  zu  Zeit  das  schwarze  Oxydationsproduct  abschlämmt.  Das  ebenfalls  in  früherer 
Zeit  officinelle,  auch  aus  Eisenoxyduloxyd  bestehende  Ferrum  oxydulatum  nigrum 
wird  durch  Glühen  von  Eisenoxyd,  welches  mit  Olivenöl  getränkt  ist,  bis  keine 
brennbaren  Gase  mehr  entweichen,  bereitet.  Der  Aethiops  martialis  hydraticus 
praecipitatus  wird  dargestellt,  indem  man  2  Th.  schwefelsaures  Eisenoxydul  mit 
1  s  Tb.  Schwefelsäure  vermischt  und  darauf  mit  so  viel  Salpetersäure  versetzt,  bis 
keine  rothen  Dämpfe  mehr  entweichen :  nachdem  sodann  die  Salpetersäure  verjagt 
ist,  setzt  man  noch  1  Th.  Eisenvitriol  hinzu,  fällt  die  mit  Wasser  verdünnte 
Lösung  mit  Ammoniak  und  kocht  sodann,  bis  der  schwarze,  flockige  Niederschlag 
krystalliniseh  geworden  ist.  Das  noch  jetzt  unter  dem  Namen  Ferrum  oxydulatum 
oxydatum  Anwendung  findende  Eisenoxyduloxyd  wird  durch  Fällen  wässeriger 
Lösungen  von  Eisenoxydul-  und  Eisenoxydsulfat  mit  Ammoniak  und  Kochen ,  bis 
der  entstandene  Niederschlag  pulverig  und  schwarz  geworden  ist,  dargestellt.  — 
S.  unter  Ferrum  oxydulatum  oxydatum. 

Eisenoxyd,  Eistnsesquioxyd ,  Ferrioxyd ,  FejOs.  Findet  sich  in  der  Natur 
als  Eisenglanz  in  metallglänzenden  Krystallen  des  hexagonalen  Systems,  als 
Eisenglimmer  in  rothbraunen  Blättchen ,  als  Rotheisenstein  in  traubigkrystalli- 
nischen  rothbraunen  Massen  mit  faserigem  oder  dichtem  Gefüge.  In  amorphem  Zu- 
stande wird  es  als  mehr  oder  minder  dunkelrothbraunes  Pulver  durch  Glühen  von 
Eisenhydroxyd  —  erhalten  durch  Fällung  eines  Eisenoxydsalzes  mit  Ammoniak  — 
dargestellt,  auch  durch  Erhitzen  von  Eisenvitriol  auf  eine  sehr  hohe  Temperatur. 
Das  auf  letzterem  Wege  gewonnene  Eisenoxyd  wird  als  Colcothar,  Caput  mortuum, 
Todtenkopf,  Englischroth,  zum  Poliren  von  Metallen  und  Glas,  auch  als  Malerfarbe 
verwendet.  In  krystallisirtem  Zustande  erhält  man  das  Eisenoxyd  durch  Ein- 
wirkung von  Eisenehloriddampf  auf  glühenden  Kalk  oder  durch  Ueberleiten  von 
Chlorwasserstoffgas  über  amorphes,  rotbglühendes  Oxyd,  auch  durch  Schmelzen  von 
Eisenoxyd  mit  Borax  und  Behandeln  der  Schmelze  mit  Salzsäure. 

Dat»  dichte  Eisenoxyd  ist  stahlgrau  (Eisenglanz),  von  5.1  spec.  Gew.,  oder  braun- 
roth  (Kotheisenstein)  von  4.7  spec.  Gew. ;  das  künstlich  dargestellte  Eisenoxyd  ist 
braun roth  oder  roth  bis  fast  schwarz,  sein  spec.  Gewicht  ist  gleich  5  bis  5.2.  Das 


Digitized  by  Google 


EISENOXYDE. 


645 


gewöhnliche  Eisenoxyd  ist  nicht  magnetisch ;  nach  Malaguti  kann  man  aber 
magnetisches  Eisenoxyd  darstellen :  1.  Durch  Glflhen  von  Eisenoxydulsalzen  orga- 
nischer Säuren  an  der  Luft ;  2.  durch  Glflhen  von  oxydirtem  Ferrocarbonat  an 
der  Luft ;  3.  durch  Glflhen  von  gefälltem  und  an  der  Luft  höher  oxydirtem  Eisen- 
oxydulhydrat.  Kohle  oder  Kohlenoxyd  redueiren  das  Eisenoxyd  zu  Eisenoxyduloxyd, 
schliesslich  zu  metallischem  Eisen.  Wasserstoff  reducirt  auch  bei  niederer  Temperatur 
zu  Eisenoxyduloxyd,  bei  höherer  zu  metallischem  Eisen.  Reines  Eisenoxyd  ist  in 
Säuren  nur  schwer  löslich ,  und  zwar  um  so  schwieriger ,  je  dichter  es  ist ;  am 
leichtesten  löst  es  sich  in  einer  siedenden  Mischung  von  8  Tb.  Schwefelsäure  und 
3  Th.  Wasser.  —  S.  auch  Ferrum  oxydatum  rubrum. 

Eisenhydroxyd,  Ferrihydroxyd,  Eisenoxydhydrat Fe2  f OH),; .  Findet  sich 
in  der  Natur  im  Braun-  und  Gelbeisenstein  (Limonit  und  Pyrrhosiderit),  im  braunen 
Glaskopf,  Nadeleisenstein,  mit  Thon  gemengt  im  Braun-  und  Gelbthoneisenstein, 
im  Ocker,  im  Absatz  von  eisenhaltigen  Säuerlingen  und  entsteht  beim  Rosten  des 
Eisens,  sowie  bei  der  Zersetzung  der  Eisenoxydul-  und  Eisenoxydverbindungen, 
der  Eisensulfide  etc.  Natürliche  und  künstliche  Eisenhydroxyde  haben  oft  ver- 
schiedenen Wassergebalt  und  verschiedene  Eigenschaften. 

Das  normale  Eisenhydroxyd,  Fe,  (OH)a ,  wird  als  voluminöser ,  rothbrauner 
Niederschlag  durch  Fällung  eines  Eisenoxydsalzes  mit  Ammoniak,  Auswaschen  mit 
kaltem  Wasser  und  Trocknen  desselben  bei  gelinder  Wärme  erhalten,  worauf  es 
ein  amorphes,  gelbes  oder  rothbraunes,  in  verdünnten  Säuren  leicht  lösliches,  in 
Wasser  und  Alkalien  unlösliches  Pulver  darstellt.  Es  findet  arzneiliche  Auwendung. 
S.  Ferrum  oxydatum  fuscum  und  Ferrum  oxydatum  hydricum 
in  Aqua.  Kocht  man  es  in  frisch  gefälltem  Zustande  längere  Zeit  mit  Wasser, 
so  wird  es  dichter  und  nimmt  eine  dunklere  Farbe  an,  indem  es  in  wasserarmere 
Verbindungen  übergeht.  Eine  gleiche  Veränderung  vollzieht  sich  auch,  wenn  mau 
frisch  gefälltes  Eisenhydroxyd  längere  Zeit  unter  Wasser  aufbewahrt.  Solche  wasser- 
ärmere Eisenhydroxyde  finden  sich  in  der  Natur  als  werthvolle  Ei«enmineralien 
in  verschiedener  Zusammensetzung.  Ein  Hydrat  der  Formel  Fe^O,^  findet  sich 
in  der  Natur  als  Turgit  und  bildet  sich,  wenn  gefälltes  Oxydhydrat  längere  Zeit 
mit  Wasser  auf  100°  erhitzt  wird ;  ein  Hydrat  der  Formel  Fe3  Ot  H2  kommt  als 
Göthit  oder  Nadeleisenstein  vor,  wird  auch  gebildet  durch  Trocknen  von  gefälltem 
Hydroxyd  bei  100°.  oder  wenn  das  in  der  Siedhitze  gefällte  Hydroxyd  längere 
Zeit  mit  Wasser  gekocht  wird  oder  beim  längeren  Aufbewahren  des  wasserreichen 
Oxydhydrats  unter  Wasser.  Das  Hydrat  (Fea  0,  Ha)2 .  H3  0  oder  Fe3  0(i  Hfi  +  Fe2  03 
ist  im  Limonit  enthalten  und  bildet  sich  beim  Rosten  von  Eisen  in  lufthaltigem 
WTasser,  durch  Fällen  eines  Eisenoxydsalzes  mit  Alkali  aus  heisser  Lösung 
oder  beim  Trocknen  des  wasserreicheren  Oxydes  im  Vadium.  Der  Gelbeisen- 
stein,  welcher  im  unreinen  Zustande  im  Wiesen-  und  Raseneisenstein  vorkommt, 
enthält  das  nach  der  Formel  FejOfOHX  =  Fe*  0,  4-  2  H2  0  zusammengesetzte 
Hydrat. 

Ausser  diesen  iu  Wasser  unlöslichen  Eisenhydroxyden  gibt  es  auch  in  Wasser 
lösliche  Hydroxyde.  Ein  lösliches  Eisenoxydhydrat  (Dialysirtes  Eisenoxyd)  bildet 
sich  nach  Graham,  wenn  man  eine  Auflösung  von  Eiseuhydroxyd  in  Eisenchlorid 
oder  salpetersaurem  Eisenoxyd  der  Dialyse  unterwirft.  Es  diffundiren  die  Salze 
und  die  beigemengte  freie  Säure ,  im  Dialysator  bleibt  ein  in  Wasser  lösliches 
Eisenhydroxyd  als  eine  dunkelrothe  Flüssigkeit  zurück.  Diese  lässt  sich  zwar  durch 
Eindampfen  etwas  concentriren ,  gerinnt  aber  dann  beim  Stehen  zu  einer  rotheu 
^rullertartigen  Masse  von  Eisenhydroxyd.  Auch  freies  Alkali  oder  AtkalUalze, 
Schwefelsäure  oder  feste  organische  Säuren  bringen  die  Lösung  des  Eisenhydroxyds 
zum  Gerinnen.  Das  dialysirte  Eisenbydroxyd  ist  als  Arzneimittel  angewendet 
worden.  S.  Fe  rrum  oxydatum  solubile  h  yd  rat  u  m.  Auch  die  wässerige 
Lösung  des  essigsauren  Eisenoxyds  wird  im  Dialysator  nicht  unwesentlich  zersetzt ; 
es  bleibt  im  Dialysator  eiue  Flüssigkeit  zurück,  welche  auf  !>4  Th.  Eisenoxyd  noch 
6  Th.  Essigsäure  enthält. 


Digitized  by  Google 

* 


646  EISENOXYDE. 

Ein  lösliches  Eisenoxydhydrat,  ein  Metaferrihydroxyd  der  Formel  Fej  04, 
bildet  sich  nach  Pean  de  St.  Gilles,  wenn  man  die  kalt  bereitete  Lösung  von 
Eisenoxydhydrat  in  Essigsäure  erhitzt  und  dann  mit  coneentrirter  Salzsäure  oder 
Salpetersäure  oder  Schwefelsäure  versetzt.  Der  entstehende  rothbraune  körnige 
Niederschlag  trocknet  auf  porösen  Platten  zu  einem  glänzenden,  braunen  Firniss 
ein ,  welcher  sich  in  reinem  Wasser  zu  einer  im  auffallenden  Lichte  trüben ,  im 
durchfallenden  Lichte  rothbraunen  geschmacklosen  Flüssigkeit  auflöst.  Concentrirte 
Salpetersäure  oder  Salzsäure,  auch  geringe  Mengen  schwefelsaurer  Salze  scheiden 
das  Oxyd  aus  diesen  Lösungen  ab.  Anscheinend  dasselbe  Hydroxyd  entsteht  nach 
Scheurek-Kestxer  durch  Erhitzen  der  wässerigen  Lösung  des  basisch  salpeter- 
sauren Eisenoxyds  in  geschlossenen  Röhren  auf  100°  während  längerer  Zeit.  Nach 
Krecke  findet  in  säurefreien  wässerigen  Lösungen  von  Eisenchlorid  beim  Erwärmen 
in  Folge  Dissociation  die  Zersetzung  des  Eisenchlorids  unter  Entwicklung  von  Salz- 
säure in  die  GRAHAMsehe  Modification  des  löslichen  Eisenhydroxyds  statt.  Die 
Flüssigkeit  färbt  sich  dunkel  und  scheidet  auf  Zusatz  von  Salzen  Eisenhydroxyd 
ab,  bei  sehr  verdünnteu  Lösungen  des  Eisenchlorids  (Vi« — 1  8  Procent)  genügt  zu 
dieser  Zersetzung  schon  die  Lufttemperatur,  bei  concentrirteren  Lösungen  findet 
sie  erst  beim  Erhitzen  über  100°  statt. 

Das  Eisenoxydhydrat  verbindet  sich  mit  Säuren  zu  Eisenoxyd  mlzen.  Auch  mit 
Metalloxyden  vereinigt  es  sich;  es  sind  Verbindungen  des  Eisenoxydes  mit 
Metalloxyden  bekannt,  welche  sich  in  ihrer  Zusammensetzung  dem  Eisenoxyduloxyd, 
FcaOs.FeO,  an  die  Seite  stellen,  z.  B.  Eisenoxydkalk,  Fe2Os.CaO,  Eisenoxyd- 
baryt, Fe204.BaO. 

Eine  eigentümliche  Verbindung  bildet  das  Eisenoxydbydrat  mit  Zucker  bei 
Gegenwart  von  Alkali,  das  sogenannte  Eisensaccharnt ,  Eioenzucker  (Ferrum 
oxydatuia  saicharatuvx).  Dieses  bereitet  mau  1.  nach  Hornemanx  in  folgender 
Weise:  „In  einen  aus  8  Th.  grob  gepulvertem  schwefelsaurem  Eisenoxyd  bereiteten 
Liq.  Ferri  sulfur.  oxydati,  frei  von  Oxydulsalz,  trägt  man  unter  beständigem  Um- 
rühren 8  Th.  grob  gepulvertes,  rohes  krystallisirtes  kohlensaures  Natron  ein  und 
fügt  nach  Aufhören  der  Kohlensäure-Entwiekeluug  schnell  6  Th.  Zuckerpulver  hin- 
zu. Die  so  entstandene  dicke  rothbrauue  Masse  ist  dann  mit  so  viel  coneentrirter 
Natronlauge  unter  fortwährendem  Umrtthreu  zu  versetzen,  bis  dieselbe  eine  flüssige 
Beschaffenheit  angenommen  hat,  und  dann  noch  auf  dem  Wasserbade  zu  erwärmen, 
bis  sie  völlig  klar  geworden  ist.  Die  so  erhaltene  Eisensaccbaratlösung  wird  dann 
durch  Auskrystallisirenlasscn  des  grössten  Theiles  des  vorhandenen  schwefelsauren 
Natrons  von  diesem  befreit,  und  diese  Lösung  zur  Abscbeidung  de«  Saecharats  in 
siedendes  Wasser  gegossen.  Der  gesammelte  Niederschlag  (das  eigentliche  Saceharat) 
wird  noch  so  lange  ausgewaschen,  bis  dio  ablaufende  Flüssigkeit  nur  noch  sehwach 
alkalisch  reagirt  und  dieselbe  anfängt,  eine  bräunliche  Färbung  anzunehmen,  oder 
2.  nach  der  Ph.  Germ.  II.  dadurch,  dass  man  Eisenchloridlösung  mit  Zucker  ver- 
mischt, mit  reinem  Natriumearbonat  fällt,  den  entstandenen  Niederschlag  in  Natron- 
lauge von  bestimmtem  Gehalt  löst  und  vor  dem  Fällen  dieser  Lösung  mittelst 
siedendem  Wasser  zur  besseren  Abscheidung  Natriumbicarbonat  zusetzt.  Die  nach 
diesen  Vorschriften  dargestellten  eigentlichen  Saccharate  (nicht  die  Mischungen 
dieser  mit  Zucker,  als  welche  das  Ferrum  oxydatum  sacch.  der  Ph.  Germ,  aufzu- 
fassen ist)  bilden,  sowie  sie  aus  ihren  Lösungen  durch  Kochen  des  Wassers  gefällt 
werden,  schwere,  krystallinische  braune  Niederschläge,  welche  nach  dem  Trocknen 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  eben  solche  Pulver  liefern.  Das  Eisensaccharat  be- 
sitzt einen  süssen,  kaum  eisenhaften  Geschmack  und  löst  sich  in  5  Th.  Wasser  zu 
einer  rothbraunen  Flüssigkeit.  Auf  Zusatz  von  nur  wenig  eines  neutralen  Salzes 
der  Chlor-,  Jod-  und  Bromwasserstoffsäure,  der  Jodsäure,  Schwefelsäure,  Salpeter- 
säure und  Phosphorsäure ,  auch  von  geringen  Mengen  mancher  Pflanzenalkaloid© 
scheidet  sich  schon  in  der  Kälte,  rascher  beim  Erwärmen,  rothbrannes  Eisenoxvd- 
hydrat  ab.  Die  Lösungen  der  phosphorsauren ,  kohlensauren  und  bernsteinsauren 
Alkalien  bewirken  in  der  Lösung  des  Eisensaccharats  keine  Fällung,  Ferrocyan- 


Digitized  by  Google 


EISENOXYDE  —  EISENQUELLEN.  647 

kalium  ruft  keine  Fällung  von  Berlinerblau,  Rhod&nkalium  keine  blutrothe  Färbung 
von  Rbodaneisen  hervor.  Dagegen  wird  sämmtliehes  Eisen  auf  Zusatz  von  Schwefel- 
ammonium abgeschieden  und  ruft  Gerbsäurelösung  eine  schwache  blauschwarze 
Fftrbnng  hervor.  Während  nach  den  Untersuchungen  früherer  Forscher  das  Eisen- 
saccharat  als  eine  Verbindung  von  Eisensaccharat  und  Natronsaccharat  angenommen 
wurde,  hat  kürzlich  W.  Strohmeyer  nachgewiesen,  dass  das  Eisensaccharat 
wirklich  eine  den  übrigen  S  a  c  c  h  a  r  a  t  e  n  (s.  d.)  analoge  Zusammensetzung 
besitzt,  nnd  zwar  gleich  dem  Barymn-  und  Calciumsaccharat  (C1S  H82  On  .  BaO 
und  C19  HS2  0,|  .  CaO,  respective  C,a Haj Ou  .  2 CaO  und  Cl2  H88  Ou  .  3  Ca  0)  als 
ein  Additionsproduet  anzusehen  ist,  dem  nur  wechselnde  Mengen  Natriumoxyd  bei- 
gemengt sind,  welche  vollständig  abhängig  sind  von  dem  Auswaschen  des  Präparates. 
Die  Zusammensetzung  des  Eisensaceharats  wird  je  nach  dem  schärferen  oder 
weniger  scharfen  Trocknen  eine  wechselnde  sein,  da  zum  Tbeil  wasserärmere 
Hydroxyde  gebildet  werden.  Weiter  fand  Strobjieyer  ,  dass  eine  gewisse  Menge 
Natriumoxyd  bei  Gegenwart  von  Zucker,  zur  Löslichkeit  des  Saccharats  unbedingt 
erforderlich  ist.  Die  Zusammensetzung  verschiedener  Eisensaccharate  fand  Stroh- 
meyer  folgenden« assen : 

I  II 

Zucker  =r    5.01  Procent       7.71  Procent 

Eisenhydroxyd  <Te,  0H>,     ...  =  95.10      „  92.02.  „ 

Natriumoxyd  (Na2  Ö)  =    0.06      „  0.38  „ 

Das  officinelle  Präparat  der  Ph.  Germ.  IL  ist  als  ein  Gemenge  des  eigentlichen 
Saccharats  mit  Zucker  anzusprechen.  Dasselbe  kann  nicht  als  einheitliches  Product 
angesehen  werden,  sondern  ist  ein  je  nach  Art  und  Weise  der  Bereitung,  je  nach 
der  Grösse  des  Zuckerzusatzes  ein  in  seiner  Zusammensetzung  sehr  wechselndes 
Product.  Es  lässt  sich  daher  für  dieses  keine  Formel  aufstellen.  —  S.  auch 
Ferrum  oxydatum  saccharatum. 

Eisensäure,  H2  Fe 04,  ist  im  freien  Zustande  bislang  nicht  dargestellt  worden ; 
sie  zerfällt  bei  der  Abscheidung  aus  ihren  Salzen  sofort  in  Eisenhydroxyd  und 
Sauerstoff.  Das  Kaliumsalz  der  Säure  wird  beim  Erhitzen  von  Eisenfeile  mit  der 
doppelten  Menge  Salpeter  oder  auch  durch  Einleiten  von  Chlor  in  Kalilauge,  in 
welcher  frisch  gefälltes  Eisenhydroxyd  suspcndirt  ist ,  dargestellt.  Das  Oxyd  löst 
sich  in  dem  letzteren  Falle,  in  dem  die  Flüssigkeit  purpurroth  wird,  aus  welcher 
man  das  Salz  durch  Eindampfen  im  Vacuuni  in  kleinen  rothen  Krystallen  erhalten 
kann.  H.  Beckurts. 

Eisen peptonat.  Eine  zu  subcutanen  Injectionen  besonders  geeignete  Eisen 
Iösung,  welche  (nach  der  Ph.  Centraihalle,  XXIII,  230}  folgendermassen  hergestellt 
wird:  Zu  einer  Lösung  von  5.0  trockenem  Pepton  in  50.0  destillirtem  Wasser 
werden  12.0  einer  völlig  säurefreien  Eisenchloridlösung,  welche  27.5  wasserfreies 
Eiscnchlorid  enthält  (spec.  Gew.  1.260),  zugefügt.  Das  hierdurch  entstehende 
Coagulum  wird  gelöst  durch  Zusatz  einer  Lösung  von  5.0  Amraouiumchlorid  in 
50.0  Wasser.  Hierauf  werden  noch  75.0  Glycerin  zugesetzt  und  mit  destillirtem 
Wasser  bis  auf  200.0  verdünnt.  Durch  Zusatz  einiger  Tropfen  Aetzammoniak 
wird  die  Flüssigkeit  sehr  schwach  alkalisch  gemacht  und  enthält  dann  0.005  g 
metallisches  Eiseu  im  Cubikcentimeter.  Eine  derartige  schwach  alkalische  oder  selbst 
neutrale  Eisen-Peptonatlösung  gibt  mit  Ferrocyaukalium  keinen  blauen  Nieder- 
schlag, thut  dieses  jedoch  sofort  beim  Ansäuern  mit  einigen  Tropfen  Salzsäure. 

Eisenpräparate.  Unter  diesem  Namen  begreift  die  moderne  Medicin  (und 
Pharmacie)  nicht  sowohl  die  Salze  und  sonstigen  chemischen  Verbindungen  des 
Eisens,  als  vielmehr  alle  diejenigen  Eisenmittel,  welche  sich  durch  gute  Wirkung, 
leichte  Verdaulichkeit  und  Wohlgeschmack  auszeichnen  und  zumeist  in  der  Gestalt 
von  Specialitäten  auftreten.  Sie  werden  unter  Pilulae,  Syrupus,  Vinum  etc.  weitere 
Erwähnung  finden. 

Eisenquellen,  s.  Mineralwässer. 


Digitized  by  Google 


648  EISENSÄUERLINGE.  —  EISENSALZE. 

Eisensäuerlinge  heissen  diejenigen  natürlichen  Mineralwässer,  welche  neben 
Ferrocarbonat  viel  freie  Kohlensäure,  im  Uebrigen  aber  wenig  mineralische  Bestand- 
theile  enthalten.  Ueber  Darstellung  der  künstlichen  Eisensäuerlinge  s.  Mineral- 
wässer. 

Eisensafran.  Crocus  Martis.  ein  alter,  aus  den  Zeiten  der  Alchemie  herstam- 
mender Name  für  das  in  seiner  Farbe  dem  Safran  ähnliche  Ferrum  oxydatum  fuscum. 

Eisensalmiak,  s.  unter  Am  mon  tu  m  chloratum  f  er  rat  um  und  unter 

Eisenchlorid. 

Eisensalze. 

%}  Eisenoxydulsalze. 

Arsenigsaures  Eisenoxydul,  Fej  (As  Os)2  (?) ,  grünlich  weisser  Niederschlag, 
welcher  beim  Vermischen  einer  Eiseuvitriollösung  mit  arsenigsaurem  Ammon  entsteht. 

Arsensaures  Eisenoxydul,  Fe8(AsO,).J  +  6H20,  entsteht  in  Form  eines  weissen 
Niederschlages  beim  Vermischen  von  Eisenvitriollösung  mit  arsensaurem  Ammon. 

Chlorsaures  Eisenoxydul  entsteht  durch  Doppelzersetzung  von  Eisenvitriol 
mit  Baryumchlorat. 

Kieselsaures  Eisenoxydul.  Ferrosilicate  kommen  sehr  häufig  in  der  Natur  vor, 
meist  in  Form  von  Doppclsilicaten.  —  S.  Silicate. 

Kohlensaures  Eisenoxydul ,  FeC03.  Findet  sich  in  der  Natur  in  farblosen, 
gelben  bis  gelbbraunen  kexagonalen  K/ystallen  als  Spateisenstein ;  in  unreinerem 
Zustande  auch  als  Sphärosiderit.  Gelöst  findet  es  sich  in  den  natürlichen  Eiaen- 
wSssern,  den  sogenannten  Stahlquellen  oder  Eisensäuerlingen  als  saures  Salz.  Durch 
Fällen  von  Eisenoxydulsalzlösungen  mit  kohlensauren  Alkalien  erhält  man  einen 
flockigen,  weissen  Niederschlag  <TeS04  +  Na2  C03  =  Na.  S04  +  Fe  CO.,),  welcher 
sich  an  der  Luit  rasch  unter  Abgabe  von  Kohlendioxyd  schmutzig  grün  färbt  und 
allmälig  in  Eisenhydroxyd  übergeht.  3  Fe  C03  +  0  +  x  H.,  0  =  Fe„  0,  +  x  Hs  0  + 
+  3  COa  und  2  Fej  04  +  0  +  !♦  H,  0  =  3  Fe,  (0H;6. 

Diese  Zersetzung  kann  man  durch  Fällen  in  der  Siedehitze  unter  Ausschluss 
der  Luft  vermeiden.  Dieselbe  Zersetzung  erfährt  das  in  den  natürlichen  Eisen- 
wässern  gelöste  Ferrocarbonat  beim  Stehen  derselben  an  der  Luft.  Durch  Zusatz 
von  Zucker  wird  die  Haltbarkeit  des  Ferrum  carbonicum  erhöht.  —  S.  Ferrum 
carbonicum  saccharatum. 

Phosphorsaures  Eisenoxydul.  Als  Vivianit  findet  sich  das  normale  Ortho- 
phosphat,  Fe3  (P04),  +  8Ha0,  in  der  Natur  in  Form  blauer  monokliner  Säulen 
oder  in  faserigen  oder  erdigen  Massen.  Aus  einer  Lösung  von  Ferrosulfat  fällt 
Dinatriumphospbat  einen  weissen,  an  der  Luft  graublau  werdenden  Niederschlag, 
welcher  getrocknet  als  Ferrum  phosphoricum  arzneilicbe  Verwendung  findet.  Das 
Salz  besitzt  nach  Debhav  eine  der  Formel  Fe,  H2  (P04)a  entsprechende  Zusammen- 
setzung. Es  ist  uulöslich  iu  Wasser,  löslich  in  verdünnteu  Säuren  und  Ammoniak. 
Ein  Salz  der  Formel  FeHPÜ4  entsteht  nach  Scheele  durch  Lösen  von  Eisen  in 
Phosphorsäure  oder  durch  Einwirkung  von  concentrirter  (48procentiger)  Phosphor- 
säure auf  fein  vertheiltes  Eisen.  Aus  der  bei  dem  letzten  Processe  erhaltenen 
Lösung  scheiden  sich  beim  Concentriren  in  einer  Wasserstoffatmosphäre  Kry*talle 
der  Formel  Fe  HP04  +  H2  0  ab ,  welche  sich  an  der  Luft  leicht  oxydiren.  —  S. 
auch  Fe  rrum  phosphoricum. 

Piiosphorsaures  Eisenoxydul- Ammon ,  NH4  Fe  P04  -+■  Hs  0 ,  entsteht  als  grün- 
licher, flockiger,  in  Wasser  unlöslicher,  in  verdünnten  Säuren  löslicher  Niederschlag 
durch  Mischen  von  Eisenchlorür.  Dinatriumphospbat  und  Ammoniak. 

Fyrophosphorsaures  Eisenoxydul,  Fe2P207.  Weisser,  an  der  Luft  bald  grün, 
dann  braun  werdender  Niederschlag,  welcher  sich  durch  Vermischen  von  Eisen- 
oxydulsalzen und  Natriumpyrophosphat  bildet. 

Salpeter  saures  Eisenoxydul,  Fc(N03)s  -f  6  H2  0.  Wenig  beständiges,  sich  leicht 
unter  Bildung  von  basischem  salpetersaurem  Eiseuoxyd  zersetzendes  Salz,  welches 


Digitized  by  Google 


EISENSALZE. 


049 


durch  Auflösen  von  Schwefeleisen  in  Salpetersäure  von  geringerem  spec.  Gew. 
als  1.12,  auch  durch  Zersetzung  von  schwefelsaurem  Eisenoxydul  mit  Baryuni- 
nitrat  entsteht. 

Schwefelsaures  Eisenoxydul,  Ferrosulfat,  Eisenvitriol,  Fe  SO,  4-  7  H2  0.  Der 
rohe  Eisenvitriol  wird  als  Nebenproduct  bei  verschiedenen  chemischen  Operationen 
gewonnen,  z.  B.  bei  der  Alaunfabrikation  aus  Alaunschiefer,  bei  der  Entwickelung  vou 
Schwefelwasserstoff  aus  Schwefeleisen  und  SchwefelsÄnre.  Aus  dem  gerösteten  Schwefel- 
kies und  den  bei  der  Schwefelsäurefabrikation  sich  ergebenden  schwefelärmeren,  ab- 
destillirten  Kiesen  lässt  sich  leicht  Eisenvitriol  darstellen,  indem  man  diese  längere 
Zeit  an  der  Luft  liegen  lässt  und  die  Masse  auslaugt,  sobald  sich  durch  Oxy- 
dation reichliche  Mengen  Ferrosulfat  gebildet  haben.  Dieser  so  gewonnene  rohe 
Eisenvitriol  ist  kein  reines  schwefelsaures  Eisenoxydul,  sondern  enthalt  meist 
grössere  oder  geringere  Mengen  von  Magnesium-,  Mangan-,  Zink-,  Kupfer-,  Alu- 
minium- und  Eisenoxydsulfat. 

Reiner  Eisenvitriol  wird  durch  Autlösen  von  Eisen  in  verdünnter  Schwefelsäure 
und  Eindampfen  der  erhaltenen  Lösung  unter  möglichstem  Ausschluss  der  atmo- 
sphärischen Luft  oder  Eingießen  der  wässerigen  Eisensulfatlösung  in  90procentigeu 
Alkohol  dargestellt. 

Durchsichtige,  blaugrüne  Krystalle  des  monoklinen  Systems  oder ,  weun  durch 
Alkohol  gefällt,  ein  bläulieh  weisses  Krystallniehl,  zusammengesetzt  nach  der  Formel 
FeS04  -f  7HsO,  löslich  in  1.43  Th.  Wasser  bei  15°,  unlöslich  in  Alkohol  und 
Aether.  Bei  1009  entweichen  6  Moleküle  Wasser,  das  letzte  Molekül  entweicht  erst 
über  300'. 

Das  wasserfreie  Salz  ist  weiss  und  färbt  sich  auf  Zusatz  von  Wasser  wieder 
grün.  Beim  Erhitzen  über  300"  entweicht  schweflige  Säure,  es  bildet  sich  Eisen- 
oxydsulfat, welches  sieh  bei  noch  höherer  Temperatur  iu  Eisenoxyd  und  Schwefel- 
säureanhydrid zerlegt.  Das  Salz,  namentlich  im  feuchten  Zustande,  auch  die 
wässerige  Lösung  oxydiren  sich  leicht  unter  Bildung  von  gelbbraunem,  basischem 
Eisenoxydsulfat.  —  S.  Ferrum  s  ul  für  icum ,  Ferrum  sulfuri  cum 
al  cohol  is  a  tum  und  Ferrum  sul  für  icum  sie  cum. 

Schwefelsaures  Eisenoxydulammonium  (MoHR'sehes  Salz),  Fe  S04 .  (NH,),  S04 
+  6HsO,  bildet  grüne  luftbeständige,  monokline  Krystalle,  welche  sieh  in  4  Th. 
kaltem,  leichter  in  heissem  Wasser  lösen.  Wird  dargestellt  durch  Krystallisiren- 
lasgen  der  Lösung  äquivalenter  Mengen  Eiseuoxydul-  und  Ammoniumsulfats.  Man 
löst  100  Th.  Eisenoxydulsulfat  und  48  Th.  Ammoniumsulfat  unter  Zusatz  von  1  Th. 
reiner  Schwefelsäure  in  200  Th.  heissen  Wassers,  filtrirt  die  Lösung  und  stellt  sie  zur 
Krystallisation  bei  Seite.  Durch  Abdampfen  der  Mutterlauge  von  diesen  Krystallen 
kann  eine  zweite  Krystallisation  erzielt  werden.  Die  Krystalle  halten  sich  unver- 
ändert an  der  Luft;  sie  dienen  häufig  zur  Einstellung  des  Titers  von  Kaliumperman- 
ganatlösungen.  Das  Molekulargewicht  des  Salzes  392  ist  das  siebenfache  des  Eisens. 

Schweßigsaures  Eisenoxydul.  Bei  Einwirkung  von  wässeriger,  schwefliger 
Säure  auf  Eisen  entsteht  neben  unterschwefligsaurein  Eisenoxydul  Ferrosultit, 
2  Fe  +  3S0„  =  FeS08  +  FeS203. 

Beim  Eindunsten  scheidet  sich  zunächst  das  Sulfit  ab,  welches  nach  Fordos  und  Gelis 
die  Zusammensetzung  Fe  S03  4-  3  H2  0,  nach  Röxe  2  (Fe SO,)  +  5  tt,  0  besitzen  soll. 

Untertchweßigsoures  Eisenoxydul,  FeS2Os,  scheidet  sich  aus  der  Mutterlauge 
von  dem  schwefligsauren  Eisenoxydul  bei  dem  Eindampfen  im  Vacuum  ab.  Grünlieh- 
blaue, an  der  Luft  sich  rasch  oxydirende  Krystalle. 

p)  Eisenoxydsalze. 

Arsenigsaures  Eisenoxyd.  Gelbbraune,  in  starken  Mineralsäureu  lösliche,  in 
Essigsäure  unlösliche  Masse,  welche  beim  Schütteln  einer  wässerigen  Lösung 
von  arseniger  Säure  mit  frisch  gefälltem  Eisenhydroxyd  entsteht  und  nach  der 
Formel  4Fes03,  As,  03  -f  5  IL  0  zusammengesetzt  ist.  Beim  Trocknen  und  Glühen 
des  arsensauren  Eisenoxyduls  bildet    sich   nach   Wittstein-  das  arsenig saure 


Digitized  by  Google 


I 


650  EISENSALZE. 

Eisenoxyduloxyd,  6  Fe  0,  3  Fea  08  .  4  A&a  Os  +  32  H3  0  als  ein  in  Waaser  unlös- 
liches, in  Salzsäure  mit  goldgelber  Farbe  lösliches  8alz. 

Arsensaurea  Eisenoxyd.  Das  Mineral  Scorodit  ist  normales  arseusaures  Eisen- 
oxyd, Fea(As04)a  4-  4H30.  Durch  Fällen  von  Eisenchlorid  mit  Dinatriumarsenat 
entsteht  ein  weisser,  beim  Erhitzen  unter  Verlust  von  Wasser  roth  werdender 
Niederschlag,  der  in  Ammoniak  und  Salpetersäure  löslich  ist  und  nach  Wittstein 
die  Zusammensetzung  2Fe2(H  As4  0,).,  +  9  H3  0  besitzt. 

Besuche  Arsenale  finden  »ich  ferner  in  der  Natur.  Der  Eisensinter  ist 
2  Fe3  (As  04)  (0H)$  +  9  Ha  0,  Pharmakosiderit  ist  Fe*  (AsP)3  08  +  F^  (As .  P)  0,  (OH), 
+  6H20. 

Essigsaurem  Eisenoxyd,  s.  unter  Ferrum  aceticum  und  Liq.  Ferri 
acetici. 

Citronensanres  Eisenoxyd,  s.  unter  Ferrum  citricum  oxydat  um. 
Citronensaures  Eisenoxydammon ,   s.  unter  Ferrum  citricum  ammo- 
n  iatum. 

Kieselsaure  Eisenoxyde  finden  sich  meist  im  Verein  mit  anderen  Silicaten 
häufig  im  Mineralreiche.   —  S.  Silicate. 

Kohlensaures  Eisenoxyd.  Die  Zusammensetzung  der  bei  der  Wechselwirkung 
von  Eisenchloridlö9ung  mit  Alkaliearbonaten  entstehenden  Niederschläge  ist  nicht 
genau  bekannt. 

Phof-phorsaures  Eisenoxyd.  Das  normale  Orthophosphorsäure  Eisen- 
oxyd entsteht  als  gelblich  weisser,  in  Mineralsäuren  löslicher,  in  Essigsäure  unlös- 
licher Niederschlag  beim  Vermischen  von  Eisenoxydsalzlösungen  mit  Dinatriura- 
phosphat.  —  S.  Ferrum  phosphoricum  oxydatum. 

Ein  saures  Phosphat,  Fe*,  (P04)3  +  HsP04,  entsteht  in  kleinen  rosarothen 
Krystallen  beim  Auflösen  von  Eisenhydroxyd  in  einer  coneentrirten  Lösung  von 
Phosphorsäure  und  Abdampfen  der  Lösung.  Ein  saures  Phosphat,  Fes  (P04)a 
+  2  H3  P04  +  5  H3  0 ,  bildet  sich  beim  Eindampfen  einer  Lösung  de«  normalen 
Phosphats  in  überschüssiger  Phosphorsäure  oder  bei  langsamer  Oxydation  des 
Eisenoxydulsalzes  an  der  Luft. 

Ein  basisches  Eüenoxydphosphat  ist  der  Grüneisenstein,  Fe3  (OH)s  P04 . 

Pyrophosphorsaures  Eisenoxyd,  (Fe3'3  (P3  07)3,  bildet  sich  beim  Fällen  von  Eisen- 
chlorid mit  pyrophosphorsaurem  Natrium  als  gel  blich  weisses  Pulver.  —  S.  Ferrum 
p  y  roph  osjthoricu  m.  Der  Niederschlag  des  pyrophosphorsauren  Eisens  löst 
sich  in  einer  Lösung  von  pyrophosphorsaurem  Natrium  unter  Bildung  eines  Doppel- 
salzes: Pyrophosphorsaures  Eisenoxydnatrium ,  Fe,  (Pa  07)s  +  2Na4(P207),  auf. 
Dieses  Salz  findet  arzneiliche  Verwendung.  — S.  Ferronatrium  pyrophos- 
p  hör  ic  u  m. 

Salpetersaures  Eisenoxyd ,  Fe,  (N03)6  -f  18  H2  0 ,  bildet  sich  durch  Auflösen 
von  Eisen  in  einer  Salpetersäure  von  1.352  spec.  Gew.,  bis  das  spec.  Gewicht  der 
Lösung  auf  1.5  gestiegen  ist.  Beim  Erkalten  dieser  Lösung  scheiden  sich  farblose, 
durchsichtige  Krystalle  aus,  welche  die  oben  angegebene  Zusammensetzung  besitzen. 
Bei  Anwendung  eines  Ueberschusscs  an  Eisen  entstehen  basische  Salze,  bei  Ver- 
wendung verdflnnterer  Säuren  Geraische  von  Eisenoxydul-  und  Oxydsalzen. 

Schwefelsaures  Eisenoxyd,  Fej  (S04)3.  Der  in  Chile  vorkommende  Coquimbit 
ist  Fe..,  (S04i3  +  9Ha0  und  bildet  hexagonale,  tafelförmige  Krystalle.  Man  stellt 
das  Eisenoxydsulfat  durch  Oxydation  von  schwefelsaurem  Eisenoxydul  mit  Salpeter- 
säure bei  Gegenwart  von  Schwefelsäure  dar.  100  Th.  Eisenoxydulsulfat  löst  man 
in  einer  geräumigen  Porzellanschale  in  100  Th.  destillirten  Wassers  und  17.5  Th. 
reiner  concentrirter  Schwefelsäure,  erhitzt  sodann  die  Lösung  im  Sandbade  zum 
Kochen  und  «Igt  nach  und  nach  30  Th.  oder  so  viel  Salpetersäure  hinzu,  bis  das 
Eisenoxydulsalz  in  Oxvdsalz  verwandelt  ist:  GFeSOt  4-  3H2S04  +  2 HNO,  = 
=  3  Fe,,  S04  i3  +  2  NO  4-  4  H2  0. 

Ist  dieses  der  Fall,  so  nimmt  die  anfangs  in  Folge  der  Verbindung  des  Eisen- 
oxydulsalzes mit  dem  Stickoxyde  braunschwarz  gefärbte  Flüssigkeit  plötzlieh  unter 


Digitized  by  Google 


EISENSALZE.  —  EISENSCHWARZ. 


G51 


Aufschäumen  und  Bildung  rother  Dämpfe  von  Stickdioxyd  eine  braunrothe  Färbung 
an.  Auch  kann  man  das  Ende  der  Oxydation  an  der  Bildung  von  Turnbullsblau 
erkennen,  welche»  in  der  mit  Wasser  verdünnten  Eisenlösung  auf  Zusatz  von 
Ferricyankalinmlösung  so  lange  entsteht,  als  Eisenoxydulsulfat 'zugegen  ist.  Beim 
Eindampfen  der  Lösung  hinterbleibt  das  Eisenoxydsulfat  als  wasserfreie ,  weisse 
kristallinische  Masse  zurück,  welche  an  der  Luft  zu  einem  gelbrothen  Syrup  zerfiiesst. 

Basische  Sulfate  entstehen  bei  Einwirkung  von  Sauerstoff  der  Luft  oder  von 
Salpetersflure  auf  Ferrosulfat  bei  Abwesenheit  von  freier  Schwefelsäure  oder  bei 
Einwirkung  einer  geringeren  Menge  Ammoniak  auf  die  Lösung  des  neutralen  Salzes, 
als  zur  Zerlegung  desselben  in  schwefelsaures  Ammon  und  Eisenhydroxyd  erforder- 
lich ist ,  weiterhin  durch  Zusatz  von  kohlensaurem  Kalk  zu  'der  Lösung  des 
neutralen  Salzes,  bis  der  entstehende  Niederschlag  nicht  mehr  verschwindet  und 
darauffolgender  rascher  Filtration. 

Aus  basischem  Eisenoxydsulfat  bestehen  auch  die  Mineralien :  Copiapit,  Fibro- 
f er rit,  Raimond  it  etc.  —  S.  auch  Liquor  Ferri  sulfurici  oxydati. 

Schwefel  saures  Eisenoxydammonium,  Fe^  (SOJ,  (NHi  3  S04  -f  24  H2  0.  Mit 
den  Salzen  der  schwefelsauren  Alkalien  liefert  das  Eisenoxydsulfat  Doppelsalze  der 
Formel  Fe..,  (S04  )3  +  Ma  SO»  4-  24  H2  0,  die  sogenannten  Eisenalaune.  Das  wichtigste 
unter  diesen  Eisenalaunen  ist  der  Eisenammonalaun,  welcher  sich  durch  Mischen  von 
Eisenoxydsulfat-  und  Ammoniumsulfatlösung  und  Abdampfen  dieser  Lösung  bildet. 
Amethystfarbene,  durchsichtige,  octae"drisehe  Krystalle,  an  der  Luft  verwitternd  und 
bei  15°  iu  3  Th.  Wasser  löslich.  Die  Lösung  zersetzt  sich  in  der  Killte,  schneller 
in  der  Wärme  unter  Abscheidung  von  basisch  schwefelsaurem  Eisenoxyd.  Wird 
in  der  Analyse  bei  der  volumetrischen  Bestimmung  des  Silbers  mittelst  Rhodan- 
kalinmlösung  als  Indicator  benutzt.  —  S.  Ferrum  sulfnricnm  oxydat  um 
*       ammon  ia tum,  H.  Beckart s. 

EiSBIISChäUiTI  ist  der  beim  Aullöseu  von  kohleustotfhaltigem  Eisen  in  ver- 
dünnten Säuren  zurückbleibende  Kohlenstoff,  welcher  sich  als  schwarzgraue 
schaumige  Masse  (Graphit )  auf  der  Oberfläche  abscheidet. 

Eisenschwärze.  1.  Eine  Lösung  von  Eisen  in  rohem  Holzessig,  Oxydul  neben 
Oxyd  enthaltend,  welche  als  Eisen  beize  ('s.  d.)  dient.  2.  Ein  grob-  oder  fein- 
körniges Gemisch  von  Galläpfeln,  Eisenvitriol  und  Blauholzextract  in  verschiedenen 
Procentverbältnissen ;  dient  zum  Schwarzfärben  und  ist  stellenweise  ein  flotter 
1 1  a  nd  Verkaufsartikel . 

Eisenschwamm  wird  das  aus  den  Eisenerzen  dircct  hergestellte  schmiedbare 
Eisen  genannt.  Nach  Eames  (D.  R.-P.  35205)  wird  das  Erz  mit  Graphitstücken 
gemischt,  ohne  Zuschlag  auf  die  Gicht  gegeben  und  die  Gicht  mit  einer  Lage  von 
Graphitklumpen  bedeckt.  Dann  wird  reducirt :  zuerst  wird  5—7  Stunden  auf  800 
bis  1100°  und  dann  noch  1—2  Stunden  auf  UOO — 1400°  erhitzt.  Die  Masse 
kann  direct  zu  Schmiedeeisen  verarbeitet  werden.  Nach  Ebert  (D.  R.-P.  35833) 
werden  Erz  und  Kohle  gepulvert,  mit  Zuschlägen  zusammengemischt  und,  mit 
Wasserglas  zu  einem  Brei  angerührt,  in  einem  Flammenofen  behandelt.  Der  Wasser- 
glaszusatz soll  die  Kohle  vor  allzu  schnellem  Verbrennen  schützen,  so  dass 
erst  dann  ein  Verbrennen  derselben  eintritt,  wenn  das  Erz  in's  Glühen  ge- 
räth.  Nach  letzterem  Verfahren  soll  bei  der  Reductiou  das  austropfende  kohlen- 
stoffhaltige Eisen  sich  in  flüssigem  Zustaude  vou  der  Schlacke  absondern.  —  Die  poröse 
graphit-  oder  kohlenhaltige  Masse  wurde  eiue  Zeit  hindurch  zu  Filtern,  Eisen- 
schwamm filtern,  verwendet,  welche  zur  Reinigung  des  Trinkwassers  von 
stickstoffhaltigen  orgauischen  Stoffen  etc.  an  Stelle  der  üblichen  Kohlenfilter  dienen 
sollten ;  diese  Filter  haben  sich  indessen  nicht  bewährt  und  sind  wieder  ausser  Ge- 
brauch gesetzt;  siehe  auch  pag.  632.  Ganswind  t. 

Eisenschwarz.  1.  Feinkörniger  Graphit  zum  Schwärzen  von  Guss- 
eisen, z.  B.  Ofenthüren.  2.  Fein  zertheiltes  Antimon,  durch  Ausfällen  aus 

Digitized  by  Google 


652  EISENSCHWARZ.  —  ErSENSULFÜRETE. 

einer  Antimonlösung  durch  Zink  erhalten ;  dient  zum  Bronziren  von  Zinkguss,  von 
Gypsfiguren  und  aolchen  von  Papiermache,  welche  dadurch  das  Aussehen  von 
blankem  Stahl  erhalten. 

Eisenseife.  Die  fettsauren  Salze  des  Eisenoxyduls  und  des  Eisenoxyds,  welche 
durch  Fällen  der  Eisenoxydul-  und  Eisenoxydsalze  mit  Seifenlösung  erhalten 
werden,  bezeichnet  man  als  Eisenseifen.  —  8.  unter  M e  die  in  i sehe  Seifen 
und  Ferrum  ol  ei nie  um. 

Eisensublimat  ist  das  in  kleinen  metallglänzendcn,  grauschwarzen,  dunkel- 
roth  durchscheinenden  Krystallflittern  sublimirende  wasserfreie  Eisenchlorid.  Es 
bildet  sich  beim  Leiten  von  trockenem  Chlorgas  über  glühenden  Eisendraht  und 
findet  sich  in  solcher  Gestalt  im  Krater  von  Vulcanen. 

EiSenSUlfoCyanide,  Eisensulfoeyauttr,  Fe(CNS)2.  Grüne  monokline 
Krystalle  von  der  Zusammensetzung  Fe(CNS).  -f  3  H2  0  von  bittcrem  tinten- 
artigem Gescbmackc,  leicht  in  Wasser,  Alkohol  und  Aether  löslich.  Wird  durch 
Auflösen  von  metallischem  Eisen  in  möglichst  concentrirter  Sulfocyanwasscrstoffsäure 
und  Abdampfen  bei  Abschluss  der  Luft  dargestellt. 

Etsensuffocyanid,  Fea(CNS)„.  Dunkelbraunrothe,  metallglänzende  Würfel,  in 
Wasser,  Alkohol  und  Aether  leicht  löslich.  Die  wässerige  Lösung  ist  blutroth, 
verdünnt  rothgelb,  entfärbt  sich  bei  Abschluss  der  Luft  im  Lichte,  färbt  sich  aber 
bei  Luftzutritt  wieder  roth.  Zur  Darstellung  des  Salzes  zieht  man  ein  Gemenge 
von  1  Mol.  neutralem  wasserfreiem  Eisenoxydsulfat  mit  0  Mol.  Rhodankalium  mit 
Alkohol  aus  und  verdampft  das  Filtrat  über  Schwefelsäure.  Die  Bildung  des  Salzes 
beim  Zusammentreffen  der  wässerigen  Lösung  von  Eisenoxydsalzen  mit  Sulfocyan- 
alkalimetall  wird  in  der  Analyse  zur  Erkennung  der  Eisenoxyd-  und  Sulfocyan- 
salze  benutzt.  H.  Beckurts. 

EisenSUlfurete,  Eisensulfür,  Halbschwefel Wn,  Fe,  S.  Entsteht  durch  Glühen 
des  Ferrosulfats  im  Wasserstoffstrome,  wobei  sieh  schweflige  Säure.  Schwefelwasser- 
stoff und  Wasser  bilden :  2  Fe  SO,  +  6  Ha  =  Fe.  S  +  SO*  +  6  H„  0  und  4  Fe  SO,  + 
+  15  Hs  =  2  Fe,  S  +  SO,  4-  R.  S  +  14  H,  (). 

Dunkelgraues,  magnetisches  Pulver,  in  verdünnten  Säuren  uuter  Eutwickelung 
gleicher  Volumina  Wasserstoffgas  und  Schwefelwasserstoff  löslich.  Das  von  Arfoed- 
sox  beschriebene  Achtel-Schwefeleisen  ist  ein  Gemenge  von  Eisensulfür  mit  Eisen. 

Eisenmonosulfid,  Einfach  Schwefeleisen,  FeS.  Kommt  als  Troilit  in  vielen 
Meteorsteinen  vor.  Eisenfeile  und  Schwefel,  mit  Wasser  befeuchtet,  vereinigen  sieh 
schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  zu  Eisenmonosulfid,  schneller  vollzieht  sich  die 
Bildung  desselben  beim  Erhitzen  beider  Elemente.  Ein  Gemenge  von  3  Tb.  Eisen 
und  2  Th  Schwefel  erhitzt  man  in  einem  bedeckten  Tiegel  zum  ruhigeu  Schmelzen, 
hält  die  Masse  einige  Zeit  in  ruhigem  Fluss  und  giesst  sie  auf  eine  kalte  Eisen- 
platte aus. 

Schwere,  krystalliniscbe  metallglänzende  Masse  von  grauer  bis  grauschwarzer 
Farbe.  Es  verändert  sieh  bei  gewöhnlicher  Temperatur  an  der  Luft  nicht .  auch 
nicht,  wenn  es  bei  Luftabschluss  selbst  bis  zur  Weissgluth  erhitzt  wird.  Bei  Luft- 
zutritt mässig  erhitzt,  verwandelt  es  sich  in  Eisenoxydulsulfat,  stark  geglüht  bildet 
sich  Eisenoxyd  und  Schwefligsäureanhydrid. 

In  verdünnter  Salzsäure  und  Schwefelsäure  löst  es  sich  zu  Eisenchlorür  oder 
Eisenoxydulsulfat  unter  Entwickclung  von  Schwefelwasserstoff. 

Ein  hydratisches  Schwefe) 1  eisen  bildet  sieh  als  schwarzer  voluminöser  Nieder- 
schlag, wenn  EisenoxydulsalzIfVsungen  oder  Eisenoxydsalzlösungen  durch  Alkali- 
sulfide  zersetzt  werden.  Aus  den  Eisenoxvdsalzlösungen  fällt  ein  Gemisch  von  Eisen- 
sulfür und  Schwefel :  Fe  Cla  +  (NH4),  S  =  Fe  S  +  2  NH4  Cl .  —  Fes  CL  +  3  (NHJ*  S  = 
=  2  Fe  S  +  S  4-  b*  NI^  Cl. 

Amorphes,  schwarzes,  in  feiu  vertheiltem  Zustande  grünes  Pulver,  welches  in 
geringer  Menge  in  Wasser  löslieh,  an  der  Luft  sieh  rasch  unter  Warmeentwicke- 


Digitized  by  Google 


EISENSULFURETE.  —  EISMASCHINEN. 


65a 


lang  and  Bildung1  von  Eisenoxydhydrat  nnd  freiem  Schwefel  oxydirt  nnd  sich  in 
Säuren  rascher  als  das  geschmolzene  Schwefeleisen  löst.  Das  dichte  geschmolzene 
Schwefeleisen  wird  zur  Darstellung  von  Schwefelwasserstoff  benutzt. 

Eisensulf  Ursulfid,  Fe,  S4 ,  die  dem  Eisenoxyduloxyd  analog  zusammen- 
gesetzte Verbindung,  kann  als  eine  Verbindung  von  Eisenaulfür,  FeS,  mit  Eisen- 
sesquisulfid, Fes  S8,  angesehen  werden.  Es  soll  sich  beim  Glühen  von  Eisenoxydul- 
oxyd in  trockeuem  Schwefelwasserstoff  als  eine  metallglänzende,  graugelbe  Masse, 
welche  magnetisch  ist,  bilden.  Eine  Verbindung  von  5 FeS  +  FesS3  und  6FeS-f 
-+-  Fes  S4  ist  der  in  der  Natur  vorkommende  Magnetkies,  ähnlich  zusammengesetzte 
Verbindungen  werden  durch  Glühen  von  Eisen  mit  überschüssigem  Schwefel  bis 
zum  Schmelzen  der  Masse  oder  durch  Glühen  von  Eisensesquioxyd  oder  Schwefel- 
kies in  bedeckten  Tiegeln  erhalten. 

Eisensesquisulfid,  Anderthalbfach  Schwefeleisen,  Fe*  S3 .  Graugelbe  oder 
grünlich  -  gelbe  Masse ,  welche  entsteht ,  wenn  man  Einfach  Schwefeleisen  mit 
Schwefel  mengt  und  das  Gemisch  zur  schwachen  Rothgluth  erhitzt,  oder  weuu 
man  Schwefelwasserstoff  bei  100°  über  Eisensesquioxyd  leitet.  Verdünnte  Säuren 
zersetzen  es  unter  Bildung  von  Eisenoxydulsalz,  Schwefelwasserstoff  und  Wasser- 
stoffsupersulfid. Beim  Glühen  eines  Gemisches  von  Eisenoxyd  und  Schwefel  erhält 
man  Verbindungen  von  Eisensesquioxyd  und  Eisensesquisulfid  in  verschiedenen  Ver- 
hältnissen. Mit  Schwefelkupfer  vereinigt  sich  das  Eisensesquioxyd  zu  Cu  S  -+■  Fe%  Ss 
und  (Cujjj  Fc2  S«,  d.i.  Kupferkies  und  Buntkupfererz. 

Zweifach  Schwefeleisen,  Eistnhisulßd,  FeSs.  Findet  sich  in  der  Natur 
als  Schwefelkies  oder  Pyrit  und  als  Speerkies  oder  Wasserkies. 

Der  Schwefelkies  oder  Pyrit  findet  sich  in  messinggelben,  regulären  würfel- 
förmigen Krystallcn,  auch  in  kugel-  oder  nierenförmigen  Massen.  Der  Wasserkies, 
auch  Strahlkies  bildet  graugelbe  rhombische  Prismen,  welche  sich,  abweichend  von 
dem  Pyrit  an  feuchter  Luft  zu  schwefelsaurem  Eisenoxydul  oxydiren.  Er  bildet 
das  hauptsächlichste  Rohmaterial  für  die  Schwefelsäurefabrikation  und  die  Eisen- 
vitriolgewinnung. 

Künstlich  kann  man  das  Eisendisulfid  durch  schwaches  Glühen  von  Eisen  oder 
Eisensulfid  mit  Schwefel  oder  durch  Erhitzen  bei  einer  zwischen  100°  und  der 
Rothgluth  liegenden  Temperatur  von  Eisenchlorid,  respective  Eisenoxyd  in  einem 
Strome  von  Schwefelwasserstoff  darstellen.  Das  so  gewonnene  Sulfid  ist  schwefel- 
gelb, nicht  magnetisch  und  oxydirt  sich  an  der  Luft  bei  Gegenwart  von  Feuchtigkeit. 

H.  Beckurts. 

Eisentinctur.  8.  Tinc  t.  Ferri  acetiei ,  T.  Ferri  chlorati,  T.  Ferri 
pomati  etc. 

EiSenwäSSer,  natürliche  und  künstliche,  s.  Min  eral  wässer. 

Elsenweinstein,  s.  Tartarus  f er  rutn  s  und  Tartarus  fetfatus 
pur  us. 

EisenZUCker,  der  officielle  deutsche  Name  für  Ferrum  oxydatum  saccharatnm 
solubile. 

Eisessig,  s.  Essigsäure. 

Eismaschinen.  Die  Eismaschinen  dienen  entweder  zur  Herstellung  künstlichen 
Eises  oder  zur  Erzeugung  von  kalter  Luft ;  letztere  finden  besonders  in  Brauereien 
Verwendung  und  sind  eigentlich  Kaltluftmaschinen.  Die  eigentlichen  Eis- 
maschinen sind  entweder  für  continuirlichen  Betrieb  mit  Dampf  eingerichtet  oder 
zur  Herstellung  kleinerer  Mengen  für  Handbetrieb.  Die  Hauptbestandteile  eines 
solchen  kleineren  Apparates  sind  ein  starker  schmiedeeiserner  cylindrischer  Kessel,  in 
welchem  höchst  concentrirte  Ammoniaklösung  erwärmt  wird  und  ein  cylindrischer, 
nach  unten  couisch  verlaufender,  doppelwandiger  Condensator,  welcher  in  einen 
Kübel  mit  kaltem  Wasser  taucht.  Durch  das  Erwärmen  wird  das  NH3  in  Freiheit 
gesetzt  und  in  den  Condensator  getrieben ,  in  welchem  es  sich  in  Folge  der 

Digitized  by  Google 


•  654 


EISMASCHINEN.  —  EISÖL. 


Kühlung  und  des  eigenen  starken  Druckes  au  flüssigem  Ammoniak  ver- 
dichtet. Nun  wird  der  Apparat  in  der  Weise  translocirt,  dass  der  Kessel  in  den 
Kübel  mit  Wasser  gestellt  wird  und  der  Condensator  in's  Freie  zu  stehen  kommt. 
Damit  hört  zugleich  die  Abkühlung  und  der  Druck  im  Condensator  auf  und  das 
flüssige  Ammoniak  beginnt  zu  sieden.  Der  Siedepunkt  des  Ammoniaks  liegt  bei 
—  32°;  die  Ammoniakdämpfe  werden  von  dem  Wasser  im  Kessel  wieder  absorbirt. 
Das  siedende  Ammoniak  bindet  aber  bei  seiner  Verflüchtigung  eine  sehr  bedeutende 
Wärmemenge  und  entzieht  diese  seiner  nächsten  Umgebung.  Setzt  man  nun  in  den 
inneren  Hohlraum  des  Condensators  ein  BlechgefäsB  mit  Wasser  so,  dass  deren 
Wandungen  sich  berühren ,  so  wird  sehr  bald  der  gesammte  Inhalt  des  Blech- 
gefässes  in  Eis  verwandelt  sein.  Diese  Apparate  liefern  1 — 2  kg  Eis  per  Stunde 
und  verbrauchen  für  5  kg  Eis  von  —  40°  1  kg  Holzkohle  zur  Verbrennung. 

Von  den  Eismaschinen  für  stetigen  Betrieb  ist  am  bekanntesten  die  CARUE'sche 
Maschine,  welche  sich  gleichfalls  des  Ammoniaks  als  Gefriermittel  bedient.  Auch 
das  der  Maschine  zu  Grunde  liegende  Princip  ist  dasselbe,  nur  wird  die  Ammoniak- 
flüssigkeit durch  Dampf  erhitzt.  Das  Ammoniak  macht  also  einen  vollständigen 
Kreislauf  durch  und  kann  immer  wieder  benutzt  werden;  die  Maschinen  müssen 
aber  sehr  stark  gearbeitet  sein,  da  sie  bedeutenden  Druck  auszuhalten  haben.  Die 
Maschinen  sind  wesentlich  complicirter  eingerichtet,  als  solche  für  kleinen  Bedarf 
und  haben  eine  Leistungsfähigkeit  bis  zu  500  kg  Eis  per  Stunde. 

Abweichend  von  den  Maschinen  nach  dem  System  Carre  sind  die  Linde1  sehen 
Maschinen,  bei  welchen  das  Ammoniakgas  nicht  durch  Absorption  wieder  gewonnen, 
sondern  durch  Abkühlung  und  Druck  abermals  condensirt  wird.  Diese  Maschinen 
bestehen  aus  zwei  Pumpen,  welche  abwechselnd  als  Saug-  oder  Druckpumpen 
dienen.  Verflüssigtes  Ammoniak  oder  Schwefligsäureanhydrid  wird  durch  die  Saug- 
pumpe in  Gasform  übergeführt  und  das  abgesaugte  Gas  durch  Druck  wieder 
condensirt.  Bei  beiden  Maschinen,  der  CARRE'schen  (und  der  ähnlichen  von  Pictet) 
sowohl ,  als  bei  der  LiXDE'schen  braucht  die  Construction  eine  minder  feste  zu 
sein ,  wenn  statt  des  Ammoniaks  eine  Lösung  von  Ammoniakgas  in  Aether,  oder 
(nach  Rossi)  in  Glycerin  oder  (nach  Tessie  dc  Motay)  von  schwefliger  Säure  in 
Aether  oder  Oxalsäureäther  oder  Schwefelsäuremethyläther  verwendet  wird. 

Zu  dem  genannten  System  gesellt  sich  noch  die  Eismaschine  von  Wixp- 
hausen  ,  welche  durch  Wiederausdehnen  zusammengepresster  Luft  Eis  erzeugt. 
In  einem  dem  Cylinder  einer  Dampfmaschine  ähnlichen  Cylinder  wird  Luft 
unter  einem  Druck  von  2 — 4  Atmosphären  comprimirt  und  dadurch  bis  auf 
+  30°  erwärmt;  diese  comprimirte  Luft  wird  in  den  Eiserzeuger  gepresst  und 
aus  diesem  behufs  beschleunigter  Ausdehnung  mittelst  Saugpumpe  wieder  abge- 
saugt ;  bei  ihrer  Wiederausdehnung  auf  1  Atmosphäre  erzeugt  dieselbe  eine  Kälte 
von  —  25«  bis  —  30°. 

Die  Verwendung  der  Eismaschinen  hat  trotz  des  hohen  Anschaffungspreises 
(30000 — 35000  Mark)  in  neuester  Zeit  stetig  zugenommen,  und  insbesondere  für 
die  beissen  Kliroate  ist  damit  gewissermassen  eine  neue  Aera  angebrochen ,  weil 
dadurch  der  Brauereibetrieb  in  jenen  Gegenden  ermöglicht  ist.  So  werden  neuer- 
dings auch  Schiffe  mit  Eismaschinen  ausgerüstet,  wodurch  der  Import  frisch  ge- 
schlachteten Fleisches  aus  Südamerika  und  Australien  in  eine  neue  Phase  tritt.  In 
unseren  Klimaten  dienen  die  Eismaschinen  besonders  zur  Concentrirung  von  Salz- 
soolen,  so  in  der  Stassfurter  Industrie,  zum  Einengen  des  Meerwassers  zur  Salz- 
gewinnung, vor  Allem  aber  für  Brauereizwecke ,  um  in  den  Lagerkellern  die  für 
die  Xachgäbrung  erwünschte  gleichmässige  Temperatur  von  annähernd  6 — 7°  zu 
erhalten.  Ganswindt. 

EiSÖl,  ein  hier  uud  da  gebräuchlicher  Name  für  Acidum  sulfuricum  Anglicum.  — 
Eissalbe  ist  Unguentum  Plnmbi.  —  Eispomaden  heissen  solche  Pomaden,  welche 
neben  einem  fetten  Oel  nur  Paraffin  oder  Cetacenm  euthalten  und  nach  dem 
Zusammenschmelzen  ohne  zu  rühren  erkalten  gelassen  werden,   so  dass  eine 


'  Digitized  by  Google 


EISÖL.  —  EL  MOLAR. 


055 


hyaline,  eisähnliche  Masse  resultirt.  15  Th.  Paraffin  und  85  Th.  Ricinusöl  geben 
einen  guten  Körper  für  Eispomade;  da*  Parfüm  muss  der  Mischung  zugesetzt 
werden,  so  lange  sie  noch  völlig  flüssig  ist. 

Eisphosphorsäure,  s.  Phos^bo  r  säure. 

El WeiSS,  thierisches,  s.  Albumine,  Bd.  I,  pag.  194  und  Ova  galUnacea. 
—  Samen-Eiwei88,  s.  Endosperm. 

Ei  Weissfermente,  s.  Enzyme,  Pepsin  und  Trypsin. 

EiweiSSkÖrper,  8.  Albuminkörper  und  Albumine,  Bd. I, pag.  107 und  194. 

EiweiSSpapier,   Albumin  papier,   für  photographiscbe  Zwecke.   -—  8. 
Photographie. 

EiweiSSpeptOn,  s.  Peptone. 

ElWeiSSStoffe,  s.  Albumine  und  Albuminkörper,  Bo. I, pag.  lG4und  197. 

ElWeiSS-Reagenspapier.  Um  die  Eiweisspro!  v  im  Harn  so  handlich  als 
möglich  zu  machen,  wurde  in  neuerer  Zeit  folgende  Eiweissprobe  mit  Hilfe  von 
Filtrirpapierstreifen  empfohlen.  Auch  wurde  das  Eiweissreagenspapier  zugleich 
mit  einem  Zuckerreagenapapier  (s.  d.)  für  die  Aerzte  in  den  Handel 
gebracht.  Für  die  Eiweissreaction  mittelst  Reagenspapier  benöthigt  man  deren 
zwei,  von  denen  das  erstere  dazu  dient,  den  Harn  mit  einer  Pflanzensäure 
anzusäuern,  während  das  zweite  das  eigentliche  Fällungsmittel  des  Eiweisses 
(Quecksilberjodkalium)  enthält.  Es  wird  demnach  1.  soviel  gutes  dickes  Filtrirpapier, 
als  dem  Bedarfe  entspricht,  mit  einer  concentrirten  Lösung  von  Citronensäure 
getränkt  und  dann  getrocknet;  2.  eine  entsprechende  Menge  Filtrirpapier  mit 
einer  etwa  dreiprocentigen  Lösung  von  Sublimat,  der  12— 15procentige  Jodkalium- 
lösung hinzugefügt  ist,  durchtränkt  und  nachher  getrocknet.  Von  den  Streifen  dieser 
beiden  Papiere  gibt  man  in  den  zu  prüfenden  Haru  zuerst  ein  2cm  langes 
Streifchen  des  Säurepapiers,  schüttelt  gut,  um  das  Papier  auszulaugen,  hierauf 
fügt  man  ein  gleich  grosses  Stück  Quecksilberjodkaliumpapier  hinzu  und  verfährt 
in  gleicher  Weise.  Ist  Eiweiss  im  Harne  vorhanden,  so  entsteht  ein  voluminöser, 
flockiger  Niederschlag.  Die  Fehlerquellen  dieser  Probe  sind  nun  folgende:  Auch 
schon  im  concentrirten  eiweissfreien  Harne  können  durch  diese  Reaction  Nieder- 
schläge, ans  Verbindungen  der  Harnsäure  mit  dem  Quecksilberdoppelsalz  bestehend, 
auftreten.  Diese  sind  wohl  in  der  Wärme  löslich;  jedoch  wenn  einmal  bei  der 
Reaction  gekocht  werden  rauss ,  dann  ist  die  Rochprobe  auf  Eiweiss  so  einfach 
und  ao  sicher,  dass  man  sie  jeder  anderen  Reaction  vorziehen  wird.  Wohl  hat 
man,  um  der  Notwendigkeit,  den  Harn  kochen  zu  müssen ,  im  Vorhinein  auszu- 
weichen, vorgeschlagen,  einen  an  Harnsäure  und  harnsauren  Salzen  reichen  Harn 
bis  zur  Hälfte  zu  verdünnen  —  und  es  ist  diesbezüglich  zu  bemerken,  dass  durch 
die  Verdünnung  des  Harnes  die  Schärfe  der  Probe  keineswegs  beeinträchtigt  wird. 
Jedoch  erhält  man  durch  diese  Probe  nicht  in  gleicher  Weise,  wie  dies  bei 
der  Kochprobe  der  Fall  ist,  zugleich  einen  Anhaltspunkt  über  die  Menge  des 
Eiweisses  im  Harn,  denn  es  wird  nur  so  viel  Eiweiss  gefällt,  als  der  Menge  des 
hinzugefügten  Fällunpunittels  entspricht.  Wenn  nun  mit  eiuem  kleinen  Streifen 
des  Quecksilberjodkaliumpapieres  die  flockige  Fällung  auftritt  und  man  sich  nun 
damit  zufrieden  gibt,  die  Gegenwart  von  Eiweiss  eonstatirt  zu  haben,  so  hat  man 
keine  Ahnung  davon,  dass  auf  weiteren  Zusatz  von  3  und  4  Stflckcheu  dieses 
PapiereB  noch  immer  ein  Niederschlag  entstehen  würde.  Es  ist  also  anzurathen, 
von  beiden  Papieren  so  lange  kleine  Stücke  in  den  Harn  zu  geben,  als  nach 
dem  Auslaugen  derselben  durch  Schütteln  immer  wieder  der  Niederschlag  sich  ver- 
mehrt. Loebisch. 

El  Molar  in  Spanien,  unweit  Madrid,  besitzt  Schwefelquellen. 

Digitized  by  Google 


f,5o 


ELAEAGNACEAE.  —  El.AEOSACCHARA. 


Elaeagnaceae.  eine  Familie  der  Thymeltnae.  Baum-  oder  strauchartige, 
der  gemäßigten  Zone  der  nördlichen  Halbkugel  angehörende  Gewächse.  Die  Blatter 
und  jungen  Aeste  aller  Arten  sind  mit  sternförmigen,  glashellen,  silberweissen  oder 
bräunlichen  Schüppchen  besetzt,  weshalb  diese  Gewächse  in  Parkanlagen  eigen- 
tümliche Farbencontraste  hervorrufen.  Der  deutsehe  Käme  „Oelweiden"  nimmt 
Bezug  auf  die  Gestalt  der  Früchte  und  der  Blätter.  Eretere  gleichen  in  etwas  den 
Oliven,  letztere  den  Blättern  der  Weiden.  Charakter:  Blüthen  2häuaig  oder  viel- 
ehig. Perigon  unterständig,  2-  oder  4spaltig,  innen  gefärbt,  in  der  Knospenlage 
klappig.  Staubgefässe  so  viel  oder  doppelt  so  viel  als  Perigonzipfel.  Fruchtknoten 
1  fächerig.  Frucht  eine  von  dem  fleischig  werdenden  unteren  Theil  der  Perigon- 
röhre  umgebene  Nuss.  Sydow. 

EIcLBYS,  Palmengattung  aus  der  Gruppe  der  Cocoineae,  Unterfamilie  Ceroxy- 
llnae.  Der  mässig  hohe,  dicke  Stamm  trägt  an  dornigen  Stielen  schmal  gefiederte 
Blätter.  Der  ästige,  in  der  Jugend  flockig  behaarte  Blüthenkolben  ist  von  zwei 
bleibenden  Scheiden  umgeben.  Die  (3  Blüthen  besitzen  ein  6blätteriges  Perigon 
in  zwei  Kreisen,  6  am  Grunde  verwachsene  Staubgefässe  und  einen  rudimentären 
Fruchtknoten.  In  den  Q  Blüthen  ist  der  innere  Perigonkreis  mitunter  mehrblätterig, 
aus  dem  3  fächerigen  Fruchtknoten  entwickelt  sich  eine  1  sämige  Steinfrucht  mit 
schwammigem  oder  ölreichem  Fleisch. 

Kl  a  eis  guineensis  die  Oelpalrae,  besitzt  einen  bis  10  m  hohen, 
geringelten  Stamm  mit  sehr  grossen  (bis  5  m  langen )  Blättern ,  deren  Basen  sehr 
spät  abfallen  und  dadurch  dem  Stamme  ein  charakteristisch  geschupptes  Aussehen 
verleihen,  (j  und  9  Blüthen  in  getrennten  Kolben  auf  demselben  Stamme  zwischen 
den  Blattachseln.  Die  Fruchtkolben  werden  bis  50  kg  schwer  und  tragen  dicht- 
gedräogt  bis  gegen  800  pflaumen-  bis  eigrosse  orangefarbige,  weictschalige  Früchte 
mit  knochenhartem,  dreikautigera  Kern. 

Die  Oelpalme  ist  im  tropischen  Afrika  ausserordentlich  verbreitet,  und  wird  in 
neuerer  Zeit,  seitdem  das  Palmöl  zu  einem  wichtigen  Exportartikel  wurde,  auch 
cultivirt.  Das  Palmöl  (s.d.)  wird  durch  Auspressen  des  Fruchtfleisches,  welches 
davon  gegen  70  Procent  enthält ,  schon  an  den  Productionsorten  gewonnen ,  das 
Palmkernfett  wird  aus  deu  ebenfalls  ölreiehen  (35 — 45  Procent)  Samen  in 
Europa  dargestellt.  j.  M  oel  ler. 

ElaeOCarpU8,  Gattung  der  Tili«  ceae.  —  E.  copaliferus  Retz.,  die  Mutter- 
pflanze  des  Manila-Copals  und  Piney-Talges,  wird  jetzt  als  Valeria  indica  L.  zu 
den  Dipterocarpeen  gestellt. 

Elaeokom.  ein  künstlicher  Kautschuk ;  bereitet  aus  mit  Salpetersäure  gekochtem 
Leinöl,  Kautschuk,  Schwefel,  Kreide,  Bolus  oder  anderen  derartigen  Körpern,  die 
zur  Erreichung  der  Consistenz  zugesetzt  werden. 

Eläopten  heiset,  im  Gegensatze  zum  Stearopten,  der  auch  bei  niedriger 
Temperatur  flüssig  bleibende  Antheil  der  ätherischen  Oele. 

ElaeOSaCChara  (£axiov,  Oel  und  cöxyapov,  Zucker),  Oelzucker.  Man  versteht  hier- 
unter Verreibungen  von  ätherischen  Oelen  mit  Zuckerpulver,  und  zwar  naeh  Ph. 
Austr.  und  Ph.  Germ,  im  Verhältnis«  von  1  Tropfen  Oel  auf  2  g  Zucker.  Sie  werden  in 
der  Regel  als  Geschmackscorrigens  zu  pulverförmigen  Arzneimischungen,  bisweilen 
auch  in  derselben  Absicht  als  Zusatz  zu  Mixturen  verordnet.  In  einigen  Fällen, 
wie  bei  Elaeosaccharum  Cinae  etc.  wird  mit  der  Verabreichung  von  Oelzucker 
auch  die  specifische  Wirkung  des  betreffenden  ätherischen  Oeles  beabsichtigt. 

Der  Umstand,  dass  die  Elaeosacchara  gewissermassen  als  die  feste  Form  zur 
Dispensation  der  ätherischen  Oele  betrachtet  werden  können,  hat  zu  einer  Erweite- 
rung des  Begriffes  Elaeosaccharum  in  dem  Sinne  geführt,  dass  man  auch  Ver- 
reibungen von  anderen  durch  Geruch  ausgezeichneten  Stoffen  mit  Zucker  als 
Elaeosacchara  bezeichuet  hat.  Es  gehört  hierher  in  erster  Linie  das  Elaeosaccharum 


Digitized  by  Google 


EL AEOS ACCHARA .  —  ELAINSÄURE. 


057 


Vanillae,  eine  Verreibung  von  1  Theil  Vanille  mit  9  Theilen  Zuckerpulver.  Dasselbe 
wird  am  besten  in  der  Weise  bereitet,  dass  man  die  in  kleine  Querstückchen  zer- 
schnittene Vanille  zuerst  mit  etwas  Milchzucker  in  Stücken  und  einem  Theile  des 
Rohrzuckers,  ebenfalls  in  Stücken,  tüchtig  zerstösst,  absiebt,  den  Rückstand  mit 
einem  neuen  Theile  des  Zuckers  bearbeitet  und  so  fort,  bis  nahezu  Alles  durch 
das  Sieb  abgegangen  ist. 

Die  Oelzucker  aus  Orange  und  Citronen,  die  zur  Herstellung  von  Punsch-  oder 
Limonadesyrupen  dienen  sollen,  werden  besonders  fein  erhalten,  wenn  man  die 
betreffenden  Früchte  auf  Zucker  in  Stücken  abreibt ,  so  dass  der  Zucker  mit  dem 
in  dor  Aussenschicht  der  Fruchtschale  enthaltenen  ätherischen  Oele  möglichst 
imprägnirt  wird.  Holdermann. 

EläYuin,  das  Triglycerid  der  ElaYdinsäure  ist  isomer  mit  dem  TrioleYn.  Man 
erhalt  ElaYdin  durch  Einleiten  von  salpetriger  Saure,  welche  man  z.  B.  aus  Stärke 
und  Salpetersäure  entwickeln  kann,  in  TrioleYn  oder  durch  Schütteln  dieses  Gly- 
cerides  mit  rotber  Salpetersäure.  Nach  mehrstündigem  Stehen  ist  die  ganze  Masse 
krystallinisch  erstarrt.  Reines  ElaYdin  ist  rein  weiss,  schmilzt  bei  38°  und  erstarrt 
bei  28°. 

Die  aus  Olivenöl,  Mandelöl  oder  Schweinefett  erhaltenen  ElaYdinmassen  finden 
zur  Herstellung  einiger  Salben  ( Unguentum  oxygenatum  und  Vng.  citrimim)  phar- 
maeeutische  Anwendung.  Benedikt. 

ElaYdin  probe.  Diese  zur  Unterscheidung  der  trocknenden  von  den  nicht- 
trocknenden  Oelen  vielfach  angewandte  Prüfungsmethode  beruht  darauf,  dass  sich 
das  flüssige  TrioleYn  bei  Gegenwart  von  salpetriger  Säure  in  das  isomere  feste 
ElaYdin  verwandelt,  während  die  Glyceride  der  Leinölsäure  und  ihrer  Homologen 
flüssig  bleiben. 

Für  die  Ausführung  der  Probe  gibt  es  viele  verschiedene  Vorschriften,  die  sich 
übrigens  von  dem  ursprünglichen,  zuerst  von  Poütet  angegebenen  Verfahren  nur 
wenig  unterscheiden : 

Man  löst  1  cem  Quecksilber  in  12  ecm  kalter  Salpetersäure  von  1.420  spec. 
Gewicht  und  schüttelt  2  cem  der  frischen  dunkelgrünen  Lösung  in  einer  weit- 
halsigen  Flasche  mit  50  cem  des  zu  prüfenden  Oeles  durch  2  Stunden  von  10  zu 
10  Minuten  gut  durch,  dann  litsst  man  24  Stunden  an  einem  kühlen  Orte  stehen. 

Olivenöl  und  Mandelöl  geben  eine  harte  Masse,  während  Leinöle,  Hanföl,  NussÖl, 
Mohnöl  flüssig  bleiben.  Die  anderen  Oele  liefern  feste  Ausscheidungen  oder  werden 
buttcrartig,  pastenförniig  etc. 

Genauere  Unterscheidungsmerkmale  für  die  einzelnen  Oele  wollte  man  in  der 
Zeitdauer,  die  die  Oele  zum  Festwerden  brauchen,  und  iu  den  verschiedenen 
Färbungen  linden,  welche  durch  die  Rcaction  hervorgerufen  werden,  doch  darf 
man  diesen  Reactionen  kein  grosses  Gewicht  beilegen ,  da  sich  bei  verschiedenen 
Proben  desselben  Oeles  grosse  Verschiedenheiten  zeigen. 

Die  ElaYdinprobe  ist  durch  das  v.  Hüw/sche  Jodadditionsverfahren  (s.  Fette) 
in  den  meisten  Fullen  entbehrlich  geworden.  Benedikt. 

ElaYdinsäure,  c^.o,.  wird  aus  der  isomeren  Oelsäure  durch  Einwirkung 
von  salpetriger  Säure  gewonnen.  Wenn  die  Masse  erstarrt  ist,  wird  sie  mehrmals 
mit  Wasser  umgeschmolzen  und  zuletzt  aus  Alkohol  krystallisirt. 

Die  ElaYdinsäure  bildet  grosse  Hlätter  von  Perlmutterglauz ,  die  bei  44 — 45° 
schmelzen  und  unzersetzt  destilliren. 

Die  ElaYdinsäure  hat  trotz  vieler  Vorschläge,   sie  für  die  Seifen-  und  Kerzen 
fabrikation  zu  verwenden,  noch  keiue  technische  Anwendung  gefunden. 

ElaTn  ist  die  in  der  Praxis  gebräuchliche  Bezeichnung  der  technischen  Oel- 
säure (s.  Oe!  sflure).  Benedikt. 

Elamsäure  ist  ein  von  Einigen  gebrauchtes  Synonym  für  Oelsäure  (s.  d.;. 
Rsal-EneyclopMie  der  ges.  Pharmacie.  III.  12 

Digitized  by  Google 


r 


658  ELAJNSEIFE.  —  ELASTICITÄT. 

Einseife.  Die  als  Nebenproduct  der  Stearinkerzent'abrikatiou  gewonnene 
technische  Oelsäure  (OleYn,  Elalfn)  wird  »um  grö&sten  Theile  der  Seifenfabrikation 
zugeführt.  Die  Verseifung  kann  mit  Soda  vorgenommen  werden,  doch  zieht  man 
des  lästigen  Schäumens  halber  meist  vor,  mit  Aetznatron  zu  arbeiten. 

Die  Seifen  sind  gelblich  bis  bräunlichgelb  gefärbt  und  besitzen  nur  einen  ver- 
hältnissmässig  geringen  Wassergehalt  (15 — 20  Procent),  indem  reinen  Oelsäure- 
seifen  die  Fähigkeit  abgeht,  grössere  Wassermeii^eu  aufzunehmen.  Benedikt. 

El a'l'O Mieter  von  Gobley  ist  ein  mit  besonderer  Scala  versehenes  Aräometer 
zur  Bestimmung  des  specifischen  Gewichts  fetter  Oele,  um  dadurch  Verfälschungen 
zu  entdecken  (s.  Oele). 

Eialdehyd  =  Paraldehyd  (s.d.). 

ElaphOITiyC68,  Gattung  der  Tuberacei.  Aus  parasitisch  lebendem  Mycelium 
sich  entwickelnde,  knollenförmige  Fruchtkörper  mit  derber,  geschichteter  Peridie, 
von  dunkler  Sporenmasse  erfüllt  und  einem  zartflockigen  Capillitium  durchzogen. 
Die  kugeligen  Sporen  stehen  zu  1 — S  in  kurzgestielten,  kugeligen  Schläuchen. 

Elaphomy ces  granulatus  Fr.,  Hirschtrüffel,  ist  hasel-  bis  wall- 
nussgross,  an  der  Oberfläche  gelblich  bis  braun,  stumpf  warzig.  Liefert  Boletus 
cervinus  (s.  Bd.  II,  pag.  350). 

Andere  in  Deutschland  vorkommende  Arten  sind :  E.  muricatus  Fr.  mit  spitz- 
stacheligen  Warzen ;  E.  variegatus  Vitt,  mit  orangefarbiger,  eckig-warziger  Peri- 
die; E.  decipiens  Vitt,  mit  glatter  Peridie. 

Elaphrium,  eine  Burseraceen-Gzüung  Jacqüin's,  jetzt  mit  Bursera  Tr.  et 
Fl.  vereinigt. 

Elaphrium  tomentosum  Jqu.  (Bursera  tomentosa  Triana  et  Planclton),  ein  Baum 
des  tropischen  Amerika,  gilt  als  eine  der  Stammpflanzen  des  Tac amahaca-Harzes. 

ElapS,  eine  zu  den  Froteroglyphen  gehörige  Gattung  tropischer  Giftschlangen, 
deren  Gift  einst  homöopathisch  verwendet  wurde. 

ElaSticität  (sXauvstv,  ziehen,  treiben)  ist  jene  Eigenschaft  der  Körper ,  ver- 
möge welcher  ihre  Theilchen  durch  Einwirkung  äusserer  Kräfte  aus  der  Gleich- 
gewichtslage verschoben  werden  können,  in  ihre  ursprüngliche  Lage  aber  zurück- 
kehren, wenn  die  verschiebenden  Kräfte  zu  wirken  aufhören. 

Für  hinreichend  schwache  Kräfte  sind  alle  Körper  elastisch,  für  jeden  gibt  es 
aber  auch  ein  gewisses  Maass  der  einwirkenden  Kraft,  bei  dessen  Ueberschreitung 
Formveränderungen  auftreten,  die  auch  naeh  dem  Aufhören  der  Kraftwirkung 
noch  andauern,  wenn  nicht  überhaupt  eine  Trennung  im  Zusammenhang  der  Theile 
des  Körpers  eingetreten  ist.  Dauernde  Veränderungen  bringen  bei  langer  Ein- 
wirkung auch  solche  Kräfte  hervor,  für  welche  sich  bei  kurzer  Einwirkung  der 
betreffende  Körper  als  vollständig  elastisch  erweist. 

Die  grösste  Verschiebung,  welche  die  Theilchen  eines  Körpers  ohne  bleibende 
Veränderung  desselben  ertragen,  nennt  man  Elasticitätsgrenze,  die  Grösse 
der  Kraft  aber,  welche  zu  solchen  Verschiebungen  erforderlich  ist,  Elasticitäts- 
g  r  ö  s  s  e. 

Körper,  bei  welchen  die  Elasticitätsgrenze  ausserordentlich  niedrig  liegt,  ja  zu- 
weilen kaum  bemerkbar  ist,  nennt  man  plastisch,  wie  Wachs,  Lehm  und  andere. 
Im  gewöhnlichen  Leben  bezeichnet  man  nur  jene  Körper  als  elastisch,  deren 
Elasticitätsgrenze  eine  bedeutende  ist,  wie  z.  B.  Stahl,  Fischbein,  Elfenbein, 
Schildpatt,  Horn,  Membranen  u.  dergl.  Ein  Körper,  welcher  durch  Ueberschrei- 
tung der  Elasticitätsgrenze  eine  dauernde  Formverändernng  erlitten ,  ist  deshalb 
nicht  unelastisch  geworden,  sondern  hat  nur  eine  andere,  im  Allgemeinen  kleinere 
Elasticitätsgrenze  und  -Grösse  erhalten.  Bei  zunehmender  Deformation  erfolgt  schliess- 
lich eine  Trennung  des  Zusammenhanges.  Körper,  bei  welchen  eine  solche  Tren- 
nung schon  eintritt,  wenn  die  Elastieitätsgrenze  auch  nur  sehr  wenig  überschritten 


Digitized  by  Google 


» 

ELASTICITÄT. 


659 


wird,  bezeichnet  man  als  spröde,  wie  beispielsweise  rasch  gekühltes  Glas  (Glas- 
thränen,  Bologneserfläschchen).  Dehnbar  sind  Körper,  deren  Elasticitätsgrenze 
überschritten  werden  kann,  ohne  dass  ihr  Zusammenhang  darunter  leidet,  wie 
z.  B.  Blei,  Gold  n.  A.  Ist  eine  grosse  Kraft  nothwendig,  um  eine  kleine  Verschie- 
bung der  Theile  eines  Körpers  hervorzubringen,  so  spricht  man  von  einem  harten 
Körper,  während  bei  den  sogenannten  weichen  Körpern  schon  eine  kleine  Kraft 
relativ  grosse  Verschiebungen  hervorruft.  Doch  kann  ein  weicher  Körper  immer- 
hin elastisch  sein  (Kautschuk). 

Die  Verschiebung  der  Theile  eines  elastischen  Körpers  kann  nun  in  verschie- 
dener Weise  erfolgen,  und  je  nach  der  Art  der  Einwirkung  unterscheidet  man  die 
Zug-  oder  Druckelasticitat,  die  Biegungs-  und  Torsionselasticität. 

Die  Zug-  oder  Druckelasticitat  kommt  zur  Rrscheinung,  wenn  eine  Kraft  einen 
Körper ,  der  gewöhnlich  die  Stab-  oder  Cylinderform  besitzt  und  an  einem  Ende 
befestigt  ist,  zu  verlängern  oder  zu  verkürzen  sucht.  Bezeichnet  man  mit  Q  den 
Querschnitt,  mit  L  die  Länge  dieses  Stabes,  so  muss  die  senkrecht  zum  Quer- 
schnitt wirkende  Kraft  P,  welche  eine  bestimmte,  innerhalb  der  Elastioitätsgrenze 
liegende  Längenänderung  1  zu  bewirken  vermag ,  um  so  grösser  sein ,  je  grösser 
die  beabsichtigte  Längenänderung,  je  grösser  der  Querschnitt  und  je  kleiner  die 
Länge  ist.  Die  Kraft  ist  also  mit  den  bezeichneten  Grössen  durch  die  Gleichung : 

P  =  E  ~  1  verbunden,  in  welcher  E  eine  von  der  Beschaffenheit  des  beanspruchten 

Körpers  abhängige  Constante,  den  sogenannten  Elasticitätscoöfficienten 
oder  Elasticitätsmodulus  bedeutet.  Derselbe  ist  numerisch  dem  reeiproken 
Werth  der  Lflngenflnderung  gleich,  welche  die  Krafteinheit  an  einem  Stabe  vom 
Querschnitt  1  und  der  Länge  1  bewirken  kann.  Man  definirt  ihn  auch  als  jene 
Kraft,  welche  einen  Stab  vom  Querschnitt  1  auf  das  Doppelte  seiner  Länge  aus- 
zudehnen vermag,  falls  eine  solche  Deformation  ohne  Aenderung  des  Zusammen- 
hanges und  der  Elasticitätsverhältnisse  möglich  wäre. 

In  manchen  Substanzen,  wie  in  Hölzern  oder  Krystallen,  ändert  sich  der 
Elasticitätsco€f6cient  mit  der  Richtung,  in  welcher  er  bestimmt  wurde.  Von  beson- 
derer Wichtigkeit  ist  dieser  Umstand  für  die  optische  Untersuchung  der  Krystalle, 
indem  man  ja  in  der  Theorie  der  Doppelbrechung  annimmt ,  dass  der  Aether 
selbst  eine  mit  der  Richtung  variable  Elasticität  besitzt,  sich  also  gleichsam  wie 
ein  krystallisirter  Körper  verhält.  In  solchen  Fallen  lässt  sich  die  nach  irgend 
einer  Richtung  vorhandene  Elasticität  nach  den  Werthen  berechnen,  welche  sie 
nach  drei  ausgezeichneten,  zu  einander  senkrechten  Richtungen ,  den  sogenannten 
Elasticitätsaxen  besitzt.  In  den  rechtwinkligen  Krystallsysteuien  fallen  die  Elasti- 
citätsaxen  mit  den  krystallographischen  Hauptaxen  zusammen. 

Bei  der  Ausdehnung  eines  stabförmigen  Körpers  durch  eine  äussere  Kraft  tritt 
gleichzeitig  eine  Verringerung  des  Querschnittes  ein,  jedoch  so,  dass  während  der 
Einwirkung  der  dehnenden  Kraft  das  Gesammtvolumen  grösser  ist  als  im  ursprüng- 
lichen Zustand. 

Die  Biegungselasticität  tritt  in  Erscheinung,  wenn  z.  B.  ein  Stab,  der  an  einem 
Ende  befestigt  oder  an  beiden  unterstützt  ist,  durch  eine  senkrecht  gegen  seine 
Lüngenaxe  wirkende  Kraft  beansprucht  wird.  Die  Grösse  der  Biegung,  welche 
unter  dem  Einfluss  dieser  Kraft  erfolgt,  hängt  wesentlich  von  der  Art  der  Be- 
festigung und  Belastung,  sowie  von  der  Gestalt  des  gebogenen  Körpers  ab,  so 
dass  sich  einfache  Regeln  für  ihre  Berechnung  nicht  aufstellen  lassen. 

Die  Torsionselasticität  macht  sich  geltend ,  wenn  ein  stabförmiger ,  an  einem 
Ende  befestigter  Körper  an  seinem  freien  Ende  gedreht  wird.  Bei  dieser  Art  der 
Beanspruchung  ist  stets  die  drehende  Wirkung  der  Kraft  dem  Drehungswinkel 
proportional,  ein  Umstand,  welcher  die  grosse  Verwendbarkeit  solcher  Torsions- 
wirkungen bei  physikalischen  Messapparaten  begründet. 

Was  die  Elasticität  tropfbar  flüssiger  Körper  anbelangt,  so  zweifelte  man  früher 
überhaupt  an  der  Möglichkeit,  das  Volumen  von  Flüssigkeiten  zu  verkleinern,  bis 

Digitized  by  Google 


660 


ELASTICITÄT.  —  ELATERINSAUKE. 


sie  von  Oersted  und  in  noch  strengerer  Weise  von  Regnaült  experimentell  nach- 
gewiesen wurde. 

Bei  Gasen,  welche  Oberhaupt  kein  selbstständiges  Volumen  besitzen,  kann  man 
natürlich  auch  nicht  mehr  von  Elasticitftt  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes 
sprechen. 

Als  Ursache  der  Elasticität  gelten  die  zwischen  den  einzelnen  Theilchen  eines 
Körpers  wirkenden  anziehenden  und  abstossenden  Kräfte  (s.  Moleculark  räfte), 
welche  sich  in  den  Gleichgewichtslagen  der  Moleküle  gegenseitig  aufheben.  Tritt 
aber  eine  Verschiebung  der  kleinsten  Theile  ein,  so  gewinnen  sofort  je  nach  der 
Art  dieser  Verschiebung  die  einen  oder  die  anderen  Kräfte  das  Uebergewicht.  Bei 
Ausdehnungen  sind  die  anziehenden,  beim  Zusammendrücken  die  abstossenden 
Kräfte  thätig,  um  die  Theilchen  wieder  in  ihre  frühere  Lage  zurückzubringen. 
Bei  dehnbaren  oder  plastischen  Körpern  kommen  die  Theilchen  zwar  nicht  in 
ihre  ursprüngliche  Gleichgewichtslage,  gerathen  aber  in  eine  andere,  in  der  sie 
neuerdings  verharren  können. 

Klasticitätskräfte  treten  uns  vielfach  im  Leben  entgegen.  Sie  dienen  als  Trieb- 
kräfte gespannter  Federn  in  Uhrwerken,  als  Vergleichskräfte  bei  vielen  Mess- 
instrumenten ,  wie  Dynamometern ,  Federwagen ,  Galvanometern  u.  a. ,  ferner  zur 
Beseitigung  von  Erschütterung  und  zur  Schwächung  von  Stosswirkungen.  Elasticität 
zeigt  sich  bei  Verlängerungen  und  Verkürzungen  der  Muskeln,  sie  bewirkt  das 
Abprallen  der  Körper  beim  Stosse,  erzeugt  und  unterhält  die  tongebenden  Schwin- 
gungen fester  Körper,  wie  Stimmgabeln,  Saiten  u.  dergl. ;  auch  wird  zur  Erklärung 
der  Lichtphänomene  die  Elasticität  eines  Mediums,  des  Aethers,  herangezogen. 

Pitsch. 

Elastifl  gehört  in  die  Gruppe  der  Albumin oide  (s.  d.,  Bd.  I,  pag.  202)  und 
bildet  den  Hauptbestaudtheil  der  im  thierischen  Bindegewebe  überall  vertheilten, 
im  Nackenbande  des  Rindes  am  dichtesten  angehäuften  elastischen  Fasern.  Zur 
Reindarstellung  des  Elastins  wird  zerkleinertes  Xaekenband  3 — 4  Tage  mit  Wasser, 
dann  mit  lprocentiger  Kalilauge,  mit  lOprocentiger  Essigsäure  gekocht,  mit  5pro- 
centiger  Salzsäure  kalt  macerirt,  hierauf  mit  Alkohol,  dann  mit  Aether  extrahirt.  fein 
gepulvert  und  durch  andauernde  Extraction  mit  Aether  von  den  letzten  Resten  Fett 
befreit.  Es  bildet  ein  gelblichweisses  Pulver,  das  mikroskopisch  die  Formen  der 
elastischen  Fasern  zeigt.  Es  wird  von  Pepsin  und  Salzsäure  verdaut  unter  Bil- 
dung von  H  e  m  i  e  1  a  s  t  i  n ,  welches  in  kaltem  Wasser  löslieh,  beim  Kochen  seiner 
Lösungen  flockig  ausfällt,  beim  Erkalten  sich  wieder  löst,  und  von  Elastiupepton, 
welches  sieh  von  gewöhnlichem  Eiweisspeptou  nicht  wesentlich  unterscheidet.  Ks 
ist  frei  von  Schwefel,  enthält  54  Procent  Kohlenstoff,  7  Procent  Wasserstoff,  16.39 
Proeent  Stickstoff  und  Spuren  von  Asche.  Bei  der  Spaltung  durch  Salzsäure  liefert 
es  Leuciu,  Glycocoll,  Amidovaleriansäure,  Tyrosin  und  Ammoniak,  dagegen  nicht: 
G  lata  min  säure ,  Asparagiusäure  und  Schwefelwasserstoff,  wo- 
durch es  sich  von  Eiweiss  und  Keratiu  scharf  unterscheidet.  Fig.  na. 

J.  Muuthnor. 

Elfteren,  Sc  hie  uderer,  heisseu  eigentümliche ,  im 
Sporogouium  der  Lebermoose  neben  den  Sporen  sich  ent- 
wickelnde Zellen  mit  spiralförmiger  Verdickung.  Ebenso 
heisseu  die  spiraligeu  Bänder,  welche  die  Sporen  der  Equi- 
setaeeen  umwinden  (Fig.  103). 

Elaterin,  gv>hS8  08.  Indifferenter  Stoff  in  den  Früchten 

von  Et'bah'um  Elaterium  Rieh.  Der  ausgepresste  eingedickte 
Saft  der  Früchte  wird  mit  Alkohol  ausgezogen,  die  Lösung 
mit  Ligroin  geschüttelt  und  dann  verdampft.  Sechsseitige  Tafeln;  Schmelzpunkt 
200°.  Unlöslich  in  Wasser,  verdünnten  Säuren  und  Alkalien;  schwer  löslich  in 
Aether.  leicht  in  Alkohol.  —  S.  auch  Elaterium.  G  ans  w  in  dt. 

Elaterinsälire  ist  identisch  mit  Eebalin  's.d.,  Bd.  III,  pag.  576). 

Digitized  by  Google 


ELATERIUM.  —  ELECTUARIA 


661 


Elaterium.  von  Rupp  aufgestellte  Gattung  der  Cucurbitae™? ,  synonym  mit 
Ecbalium  Rieh.  (s.  pag.  576). 

Fructus  El  at  er  ii  9.  Ecbalii  s.  Cucumeris  amerini  s.  Momordicae  sind 
die  ellipsoidischen ,  gegen  5  cm  langen  und  halb  so  dicken ,  grünlichen ,  weich- 
stacheligen ,  saftigen ,  3fächerigen  Beeren  von  Ecbalium  Elaterium  Rieh. ,  der 
in  den  Mittelmeerlandern  heimischen  Spritz-  oder  Eselsgurke.  Bei  der  Reife 
trennt  sich  die  Beere  plötzlich  von  ihrem  Stiele  uud  in  demselben  Augenblicke 
werden  durch  die  entstandene  Oeftnnng  die  Samen  sammt  dem  Fruchtsafte  heraus- 
gespritzt. Die  Samen  sind  4mm  lang,  braun,  glatt,  flach  und  schmal  berandet. 

Das  Fruchtmus  der  Springgurke  schmeckt  sehr  bitter  und  schleimig.  Es  enthitit 
als  wirksamen  Bestandteil  E 1  a  t  e  r  i  n  ,  ausserdem  eineu  amorphen  Bitterstoff, 
Wein-  und  Citronensänre ,  eine  eigentümliche  organische  Säure,  Zucker  etc. 
(Köhler).  Aus  der  ganzen  Pflanze  stellte  Walz  noch  vier  nicht  genauer  be- 
stimmte KOrper  dar:  Prophetin,  Ecbalin  oder  E 1  a t e r i  u s 31  u r e ,  Hydro- 
elaterin  und  El  at  er  id. 

Man  sammelt  die  Früchte  vor  der  völligen  Reife  (August),  weil  sie  in  diesem 
Zustande  den  höchsten  Elnteringehalt  besitzeu  (0.7  Proeent).    Später  nimmt  der 
selbe  ab  und  scheint  endlich  ganz  zu  verschwinden. 

Die  Früchte  werden  (Ph.  Brit.)  der  Lange  nach  aufgeschnitten,  der  nach 
leichtem  Pressen  herausfliessende  Saft  wird  durch  ein  Haarsieb  gogosseu  uud 
absitzen  gelassen.  Die  überstehende  Flüssigkeit  wird  abgegossen,  der  Bodensatz  auf 
ein  leinenes  Filter  gebracht  und  auf  porösen  Ziegeln  bei  gelinder  Warme  ge- 
trocknet. Die  Ausbeute  erreicht  kaum  0.2  Procent.  Sie  stellt  schließlich  2  mm 
dicke,  leicht  zerreiblichc,  grünlich-  oder  gelblichgrüne  Kuchen  dar,  das  sogeuauute 
Elaterium  alhum  s.  anglicum.  Es  schmeckt  sehr  bitter  und  scharf,  denn  es  be- 
steht zum  grossen  Theile  (33.6  Procent,  FlCckigeb)  aus  Elaterin  und  soll  kein 
Amylum  uud  keinerlei  Gewebsreste  enthalten.  Mit  Sauren  darf  es  nicht  aufbrausen 
und  muas  an  kochendeu  Alkohol  von  0.838  die  Hälfte  seines  Gewichtes  abgeben. 
Wird  diese  Lösung  concentrirt  und  zu  warmer  Aetzkalilösung  von  1.058  gesetzt, 
so  müssen  sich  nicht  weniger  als  20  Procent  Elaterin  in  farblosen  Krystalleu  aus- 
scheiden (Brit.).  Flückiger  fand  in  reinem  Londoner  Elaterium  8  Procent  Asche. 

Das  Elaterium  ist  vorsichtig  aufzubewahren;  es  ist  eiu  sehr  heftig  wirkendes 
Drastieum,  zugleich  aber  ein  unzuverlässiges,  weil  sein  Elateriugehalt  grosseu 
Schwankungeu  unterworfen  ist.  Einzelgabe  0.005 — 0.05,  0.02  (Ph.  Suec). 

Elaterium  nigrum  ist  das  aus  dem  Safte  der  zerquetschen  Früchte  durch 
Eindampfen  gewonnene  Extract.  Es  enthalt  viel  weniger  Elaterin,  iu  der  Regel 
kaum  5  Procent. 

Verfälschungen  wurden  mit  Calciumcarbonat  und  mit  Amylum  beobachtet. 
Das  erstere  verräth  sich  durch  das  Aufbrausen  beim  Uebergiesseu  mit  Sauren; 
ein  Zusatz  von  Stärke  ist  durch  das  Mikroskop  leicht  nachweisbar. 

Elatine  ist  eine  in  Italien  und  dem  südlichen  Frankreich  gebrauchliche  Be- 
zeichnung für  Aqua  Picis  (nach  DorvaüLT  durch  Infundiren  von  20  Th.  besten 
norwegischen  Theeres  mit  1000  Th.  kochenden  Wassers,  Erkaltenlassen  und  Fil- 
triren  der  Flüssigkeit  zu  bereiteu). 

EiatopiSSa  ist  (nach  Laxperer)  ein  in  Griechenland  sehr  geschätztes  Volks- 
heilmittel gegen  Lungenleiden  etc.  Es  stellt  die  mastixähnlichen  Harztropfen  dar, 
welche  aus  den  Zapfen  verschiedener  Abiesarten  in  den  Monaten  Juli  und  August 
ausschwitzen. 

Elayle  chlorata,  Elaylchlorid,  Elaylchlorür  =  Aethyienum  chloratum. 

Electuaria  von  Asv/itv,  lecken,  to  sy.)^t**y.a,  ein  Brei  zum  Lecken),  Latwergen. 
Die  Latwerge  ist  eine  Mischung  pulverfönuiger  Substanzen  mit  Syrupen ,  Ht>nig 
oder  Pulpen  zu  einer  Masse  von  musartiger  Consistenz :  die  „Latwergenconsistenz" 
gestattet  die  Anfertigung  selbständig  geformter  Theile,  wie  Pilleu  oder  Bissen, 


Digitized  by  Google 


662 


ELECTUARIA.  —  ELECTU  ARIUM  LENITIVUM. 


nicht,  ist  aber  zähe  genug,  um  nicht  vom  Spatel  abzulaufen.  In  selteneren  Fällen 
treten  an  Stelle  von  Honig  oder  Syrup  fette  Oele  und  Balsam,  z.  B.  Balsamnm 
Copaivae.  Behufs  Bereitung  von  Latwergen  werden  die  in  Verwendung  kommenden 
Pulver  zuerst  gemischt,  dann  wird  nach  und  nach  Honig,  Syrup  etc.  hinzugegeben. 
Bei  Herstellung  grösserer  Mengen  Latwerge  ist  es  dagegen  zweckmässig,  umge- 
kehrt zu  verfahren,  das  heisst  die  gut  gemischten,  wenn  nöthig  nochmals  gesiebten 
Pulver  dem  Honig  oder  der  Pulpa  zuzusetzen.  Vorräthig  zu  haltende  Latwergen 
müssen,  um  sie  vor  Gäbrung  zu  schützen,  während  der  Mischung  oder  nachträglich 
auf  6 5 *  bis  75°  erhitzt  werden. 

Die  Latwergen,  von  denen  früher  eine  grosse  Anzahl  verschiedener  Sorten  in  den 
Apotheken  vorräthig  gehalten  wurden,  sind  gegenwärtig  keine  sehr  beliebte  Arznei- 
form mehr ;  die  Ph.  Austr.  führt  noch  3  Latwergen  auf,  die  Ph.  Germ,  hat  aber 
nur  1  Klectuarium  aufgenommen.  Bemerkt  zu  werden  verdient  noch,  dass  in  Frank- 
reich diejenigen  Latwergen,  welche  Opium  enthalten,  „Opiats"  heissen,  dass  jedoch 
vom  französischen  Publicum  der  Name  Opiat  vielfach  auch  von  Latwergen  anderer 
Art  gebraucht  wird. 

EleCtuarilim  anthelminthiClim,  Wurmlatwerge.  5  Th.  Tubera  Jalapae  pule, 
15  Th.  Flore,«  Cinae  pulv.  und  15  Th.  Binz.  Filicis  pulv.  mit  65  Th.  Mel  de- 
puiatum  zur  Latwerge  zu  mischen.  —  E.  a.  Hufeland.  3  Th.  Radix  Valerianae, 
2  Th.  Tubera  Jalapae,  8  Th.  Flor  es  Cinae,  6  Th.  Kalium  tartaricum,  15  Th. 
Oxymel  Scillae  und  20  Th.  Syrup.  communis. 

EleCtuarilim  ar0matiCUII1(Ph.  Austr.),  Electuarium  stomachienm.  Die  Pulver 
von  je  100  Th.  Folia  Menthae  piperitae  und  Folia  Salviae,  je  20  Th.  Radix 
Angelicae  und  Rhizom.  Zingiberis,  je  10  Th.  Cortex  Cinnamomi,  Caryophylli 
und  Nucts  mosvhatae  werden  mit  q.  s.  (circa  600  Th.)  Mel  depuratum  unter  ge- 
linder Erwärmung  im  Wasserbade  zur  Latwerge  gemischt. 

EleCtUaHum  arOmatiCUm  CUm  OpiO,  Klectuarium  anodynura,  Theriaca 
(Ph.  Austr.).  Zu  120  Th.  Electuarium  aromaticum  wird  1  Th.  Opium  pulver. 
gemischt. 

Electuarium  Baisami  Copaivae  COmpOS.,  Klectuarium  antigonorrhoicum. 
100  Th.  ßalsamum  Copaivae,  150  Th.  Cubebae  pulver.,  50  Th.  CatecJiu  pulver. 
und  3  Th.  Oleum  Menthae  piper.  werden  gemischt. 

Electuarium  dentifricium,  Zahnlatwerge.  Die  Zahnlatwergen  werden  in  der 
Weise  bereitet,  dass  man  ein  beliebiges  Zahnpulver  mit  so  viel  als  nöthig  Mel 
depuratum  zur  Latwerge  mischt;  zweckmässig  ist  ein  Zusatz  von  Glycerin  (etwa 
'/t  Th.  vom  Honig) ,  welcher  die  Latwerge  geschmeidig  erhält.  Wird  die  Zabn- 
latwerge  sauer  gewünscht,  so  ersetzt  man  den  vierten  Theil  des  Zahnpulvers 
durch  höchst  fein  gepulverten  Weinstein,  soll  sie  aber  alkalisch  sein,  durch 
Xatriu  mbica  rbonat. 

Electuarium  DiaSCOrtÜUm,  Diascordion,  ist  eine  jetzt  wohl  kaum  mehr 
gebräuchliche,  dem  Theriak  ähnliche  Composition  (nach  der  Originalvorschrift  Herba 
Scordii  enthaltend,  daher  der  Name)  und  kann  im  Handverkaufe  durch  diesen 
oder  das  Electuarium  aromaticum  ersetzt  werden. 

EleCtUariUm  DiateSSerOn,  Diatesseronlatwerge.  —  S.  Diatesseron,  Bd.  HI, 
pag.  470. 

Electuarium  lenitivum,  Klectuarium  aperiens,  Klectuarium  eecoproticum 
(Klect.  lenitivum  Ph.  Germ.,  s.  Klectuarium  e  Sennal  In  alle  Pharmakopoen 
aufgenommen ,  jede  gibt  aber  eine  andere  Vorschrift.  Nach  Ph.  Austr.  werden 
300  Th.  Pulpa  Tamarindorum ,  100  Th.  Roob  Sambuci,  50  Th.  Folia  Srnnae 
pulver.  und  50  Tb.  Tartarus  depur.  pulver.  mit  so  viel  als  nöthig  Mel  depur. 
unter  gelindem  Erwärmen  im  Dampfbade  gemischt.  —  E.  I.  Londinense.  Unter 


Digitized  by  Google 


ELECTUARIUM  LENITIVUM.  —  ELECTUARIUM  THERIACA.  663 


diesem  Namen  war  in  der  alten  Ph.  Saxon.  eine  Latwerge  officinell,  die  jetzt  noch 
in  Mitteldeutschland  ein  beliebter  Handverkaufsartikel  ist :  In  60  Th.  eines  con- 
centrirten  Decoctum  Caricae  (1  :  4)  werden  100  Th.  Saccharum  gelöst  nnd  dieser 
Flüssigkeit  je  20  Th.  Pulpa  Ca&siae,  Pulpa  Prunorum  und  Pulpa  Tamarindorum, 
10  Th.  Fructus  Coriandri  pulv.,  21/,  Th.  Radix  Liquiritiae  pule,  und  20  Th. 
Folia  Sennae  pulv.  hinzugemischt.  —  E.  I.  Winther  besteht  aus  je  4  Th.  Manna, 
Pulpa  Cassiae  und  Pidpa  Tamarindorum ,  3  Th.  Tartarus  depxratus  pulv., 
3  Th.  Folia  Sennae  pulv.  und  20  Th.  Syrupus  Succi  Citri.  Diese  Latwerge  nimmt 
sich  sehr  angenehm. 

EleCtUarlum  e  Senna,  Electuarium  lenitivum  Ph.  Germ.  10  Th.  Folia 
Sennae  pulcer.  werden  mit  40  Th.  Syrupua  ttimplex  und  50  Th.  Pldpa  Ta- 
marindorum unter  Erwärmen  auf  dem  Dampfbade  gemischt. 

Electuarium  Theriaca,  Theriak,  im  Volksmunde  „Dryakel".  Die  nach- 
stehenden Notizen  zur  Geschichte  des  Theriak ,  dieses  bis  in  unser  Jahrhundert 
hinein  hoch  angesehenen  Arzneimittels,  sind  dem  sehr  interessanten  Buche  von  Peters 
„Aus  pharmaceutiseber  Vorzeit  in  Wort  und  Bild"  entnommen:  „Die  wichtigste 
Rolle  unter  den  Arzneimitteln  spielten  im  Mittelalter  zwei  Latwergen,  der  M  i  t  h  r  i- 
dat  und  Theriak.  Beide  waren  ursprünglich  nur  als  Gegengifte  berühmt, 
bekamen  später  jedoch  bedeutenden  Ruf  als  Arzneien  gegen  alle  ansteckenden  Krank- 
heiten. Die  erstgenannte  Latwerge  war  eine  Mischung,  welche  Mithridates  Eupator, 
König  von  Pontus,  erfunden  hatte.  Bekanntlich  hatte  derselbe  eine  grosse  Furcht 
vor  Vergiftung,  beschäftigte  sich  daher  viel  mit  Toxikologie  und  stellte  an  Ver- 
brechern und  an  sich  selbst  allerlei  Versuche  mit  den  verschiedensten  Giften  an 
und  nahm  täglich  eine  Portion  Gift  und  Gegengift  zu  sich.  Hierdurch  gewöhnte 
sich  seine  Natur  so  sehr  an  die  Gifte,  dass  das  Gift,  welches  er  stets  bei  sich 
trug  und  welches  er,  als  er  durch  Pompejus  völlig  geschlagen  war,  einnahm, 
nicht  wirkte  und  er  sich  daher,  um  seinem  Sieger  nicht  lebend  in  die  Hände  zu 
fallen,  von  einem  seiner  Soldaten  tödten  Hess.  L'nter  den  binterlassenen  Papieren 
des  besiegten  Königs  fand  Pompejus  neben  anderen  mediciniseben  Abhandlungen 
auch  die  Vorschrift  zu  der  damals  schon  berühmten  Latwerge.  Er  Hess  diese  in 
die  Sprache  der  Römer  übersetzen  und  nfltzto  dadurch,  wie  Plixius  schreibt,  der 
Gesellschaft  nicht  weniger  als  dem  Staate  durch  seinen  Sieg.  Ursprünglich  war 
das  Recept  zum  Mithridat  nicht  sehr  zusammengesetzt ,  dasselbe  wurde  später 
jedoch  von  Damokrates  ,  einem  Leibarzte  des  Kaisers  Nero ,  abgeändert,  und 
diese  Vorschrift,  welche  55  Bestandtheile  enthält,  ist  von  Valerias  CORnrs  in  das 
Nürnberger  Dispensatorium  (vom  Jahre  1546)  aufgenommen. 

„Auch  Axdbomachts,  ein  anderer  Leibarzt  des  Nero,  unterzog  die  Vorschrift 
des  Mithridat  einer  Verbesserung  und  vermehrte  die  Anzahl  der  Mischtheile  des- 
selben noch  bedeutend.  Als  Hauptsache  fügte  er  Schlangentleisch  hinzu  und  gab 
angeblich  nach  der  Schlange  —  Tyrus  —  seiner  Latwerge  den  Namen  Tyriak 
oder  Theriak  (richtiger  dürfte  die  Ableitung  von  ttr^  [wildes  Thier],  das 
heisst  ein  Mittel  gegen  giftige  Thiere,  sein),  welchen  er  mit  einem  Gedichte,  das 
die  silmmtlichen  Bestandtheile  aufzählt,  dem  Kaiser  widmet.  Der  Theriak  des 
AxDROMACHUS  ging  in  alle  Dispensatorien  über.  Selbst  in  der  Ph.  Germ.  I.  war  er 
noch  zu  finden  ;  allerdings  waren  seine  64  Bestandtheile,  mit  welchen  er  in  dem 
Dispensatorium  des  Corpus  noch  stolz  auftrat,  auf  12  zusammengeschrumpft. 

„Neben  dem  Ruf,  welchen  der  Theriak  sich  schon  bei  den  Römern  erworben 
hatte,  übernahm  es  auch  die  christliche  Mythe,  das  Ansehen  desselben  noch  zu 
erhöhen  und  es  spielte  in  Folge  dessen  die  alte  berühmte  Latwerge  des  Aximo- 
machi.'S  bis  in  unser  Jahrhundert  hinein  eine  sehr  wichtige  Rolle  in  der  Medicin. 
Die  Anfertigung  des  Theriaks  war  in  früheren  Zeiten  eine  feierliche  Staats- 
handlung ;  alle  für  den  Theriak  bestimmten  Injrredientien  mussten  wochenlang 
vorher  in  unzerkleinertem  Zustande  öffentlich  ausgestellt  werden.  Besonderer  Be- 
rühmtheit  erfreute   sich  der  venetianische  Theriak,    nächstclem  der  in  Nürnberg 


Digitized  by  Google 


664 


ELECTUAR1UM  THER1ACA.  —  ELEETRICITÄT. 


bereitete.  Die  letzte  feierliche  öffentliche  Anfertigung  von  „Theriaca  Coelestis,  das 
ist  der  wegen  seiner  göttlichen  Tugenden  also  gerühmte  himmlische  Theriak", 
geschah  in  Nürnberg  im  Jahre  1754  in  der  Kugelapotheke. " 

Zur  Zeit  befinden  sich  Vorschriften  zu  Theriak  noch  in  vielen  Pharmakopoen, 
die  Präparate  der  Ph.  Gall.  und  Pb.  Hisp.  bestehen  sogar  noch  aus  56,  beziehungs- 
weise 74  Ingredientien.  Die  Ph.  Austr.  hat  den  Theriak  durch  Eleetuarium 
aromaticum  cum  Opio  (s.d.)  ersetzt,  die  Ph.  Germ.  II.  aber  hat  denselben 
nicht  wieder  aufgenommen.  Die  Vorschrift  der  Ph.  Germ.  I.  lautet:  6  Th.  Radix 
Angelicae.  4  Th.  Rad.  Serpentaria*>f  je  2  Th.  Rad.  Valerianae,  Bidbi  Scillae, 
R/rizoma  Zedonrioe  und  Cortex  Cinnamomi ,  je  1  Th.  Fructus  Cardamomi, 
Myrrha  und  Ferrum  mlfnn'cum,  sämmtliche  Artikel  fein  gepulvert,  werden  mit 
72  Th.  Mel  depuratum  gemischt  und  zuletzt  1  Th.  Opium  pulcer.,  welches  vorher 
einen  Tag  lang  mit  3  Th.  Xeremrein  maeerirt  wurde,  hinzugegeben.  Der  nach 
dieser  Vorschrift  bereitete  Theriak  enthalt  in  100  Theilen  1  Th.  Opium.  In  dem 
für  den  Handverkauf  bestimmten  Präparat  —  und  Theriak  ist  ja  fast  ausschliess- 
lich Handverkaufsartikel  geworden  —  pflegt  man  das  Opium  ganz  wegzulassen. 

G.  Hofmann. 

Elektficität  nenut  man  die  Ursache  eines  eigen thümlichen  Zustanden  der 
Körper,  in  welchem  sie  insbesondere  die  Fähigkeit  besitzen,  leichte  Korper  anzu- 
ziehen und  nach  der  Berührung  wieder  abzustosscn.  Der  Name  rührt  vou  der 
griechischen  Bezeichnung  des  Bernsteins  (r/exrsov)  her,  au  dem  mau  diese  Eigen- 
schaft schon  im  Altertlmme  wahrgenommen  hatte.  In  viel  höherem  Grade  als  an 
Bernstein  bemerkt  man  sie  an  einer  Glasröhre,  nachdem  dieselbe  der  Länge  nach  mit 
einem  Lederfleek  gerieben  wurde,  an  dessen  befetteter  Oberfläche  KlENMAYER  sches 
Amalgam  (2  Th.  Quecksilber.  1  Th.  Zinn.  1  Th.  Zink)  haftet.  Alle  Körper 
können  durch  Reibung  in  diesen  Zustand,  den  sogenannten  elektrischen,  versetzt 
werden,  wenn  dies  auch  bei  manchen  nur  durch  Anwendung  gewisser,  später  zu 
erörternder  Massrcgeln  gelingt.  Die  Heibuug  wird  als  Elektricitätsquelle  bei 
E 1  e  k  t  r  i  s  i  r  m  a  s  c  h  i  n  e  u  Cs.  d.)  benützt. 

Ein  elektrischer  Körper  kann  durch  Berührung  seinen  Zustand  auf  einen 
anderen,  nicht  elektrischen,  übertrafen.  Manche  Stoffe,  wie  Glimmer,  Kalk. 
»Schwefel,  trockene  Gase,  Harze,  Kautschuk,  Seide,  fette  Oele,  nehmen  dabei  den 
elektrischen  Zustand  sehr  langsam  und  nur  an  der  Berühmngsstelle  au,  verlieren 
ihn  aber  auch  nicht,  wenn  irgend  eine  ableitende  Ursache  an  einem  audereu  als 
dem  Berührungspunkte  einwirkt.  Man  nennt  solche  Substanzen  Dielektrica 
oder  auch  schlechte  Leiter  der  Elektricität  im  Gegensätze  zu  den  guten, 
die  wie  Metalle,  Konle.  Säuren,  Salzlösungen  und  der  thierische  Körper  die  Elektricität 
leicht  annehmen  und  über  ihre  ganze  Oberfläche  verbreiten,  dieselbe  aber  verliereu, 
wenu  au  irgend  einem  Punkt  der  Oberfläche  eine  Ableitung  stattfindet.  Soll  ein 
guter  Leiter  seineu  elektrischen  Zustand  behalten  oder  durch  Reibung  in  denselben 
versetzt  werden,  so  muss  er  allseitig  von  schlechten  Leitern  umgeben,  isolirt  sein, 
weshalb  man  für  schlechte  Leiter  auch  den  Ausdruck  Isolatoren  gebraucht. 
Zwischen  guten  und  schlechten  Leitern  lüsst  sich  keine  scharfe  Grenze  ziehen, 
indem  Körper  vou  allen  möglichen  Stufen  der  Leitungsfähigkoit  für  Elektricität 
vorkommen. 

Es  gibt  zwei  Arten  des  elektrischen  Zustandes.  bei  deren  Zusammentreffen 
eine  Verminderung  oder  gänzliche  Vernichtung  der  elektrischen  Wirkung  eintritt. 
Glas  mit  Amalgam  gerieben  nimmt  den  einen  ,  Harz  mit  Pelzwerk  gerieben  den 
anderen  Zustaud  an.  Da  sich  beide  Elektricitätsarten  in  ihrer  Wirkung  beein- 
trächtigen, also  in  einem  Gegensatze  stehen,  bezeichnet  man  die  eiue ,  und  zwar 
nach  allgemeiner  Anuahme  die  Elektricität  des  mit  Amalgam  geriebenen  Glases, 
als  positiv  und  folgerichtig  die  andere  als  uegativ  (+  E,  — EJ. 

Gleichartig  elektrische  Körper  stosseu  sich  ab,  ungleichartig  elektrische  ziehen 
sich  an.  in  beiden  Fällen  mit  einer  Kraft,  die  dem  Product  der  wirkeuden 
elektrischen  Meugen  proportional,  dem  Quadrate  ihrer  Entfernung  umgekehrt 


Digitized  by  Google 


ELEKTEICITÄT. 


665 


proportional  ist,  wobei  mau  sich  die  Menge  des  Wirkenden  je  in  einem  Funkte 
vereinigt  denkt.  Die  Anziehung«-  uud  Abstossungserscheinungen  dienen  als 
sicherstes  Kennzeichen  für  den  elektrischen  Zustand  eines  Körpers.  Man  verwendet 
sie  daher  auch  in  den  zu  solchen  Prüfungen  dienenden  Apparaten,  deu  Elektro- 
skopen  und  Elektrometern  (s.  d.).  Aus  der  Abstossung  der  gleichnamigen 
Elektricitäten  erklärt  sich  auch  die  Erscheinung,  das*  leichte,  ursprünglich 
unelektrische  Körper  nach  der  Anziehung  durch  einen  elektrischen  wieder  abge- 
stossen  werden ,  da  in  Folge  der  Berührung  ein  Theil  der  Elektricitüt  auf  den 
angezogenen  Körper  tibergegangen  ist. 

Ein  elektrischer  Körper  A  kann  schon  durch  Einwirkung  aus  der  Ferue  einen 
gut  leitenden,  unelektriscben,  isolirten  Körper  B  elektrisiren,  wobei  die  dem  Körper 
A  zugewendete  Seite  von  B  ungleichnamige,  die  abgeweudete  gleichnamige  Elektri- 
citüt zeigt.  Entfernt  man  den  elektrischen  Körper,  so  tritt  in  dem  von  ihm 
beeiuflussten  wieder  der  unelektrische  Zustand  ein.  Berührt  man  aber  den  Körper 
B,  während  er  noch  unter  dem  Einflüsse  von  A  steht,  so  zeigt  sich  B  uach  der 
Entfernung  von  A  ungleichnamig  elektrisch  in  Bezug  auf  A.  Es  konnte  also 
durch  die  Berührung  nur  die  gleichnamige,  nicht  aber  die  ungleichnamige  Elektri- 
cität  abgeleitet  werden  und  man  sagt  deshalb,  es  sei  die  letztere  von  der  in  A 
befindlichen  gebunden  worden.  Ist  A  in  die  Ferne  gerückt ,  dann  wird  auch 
diese  auf  B  gebundene  Elektricitüt  wieder  frei,  d.  h.  ableitbar.  In  Bezug  auf 
Fernwirkung  unterscheiden  sich  gebundene  und  freie  Elektricitüt  nicht.  Die 
gleichzeitige  Entwicklung  beider  Elektricitäten  in  einem  unelektrischen  Körper 
durch  Fernwirkung  eines  elektrischen  nennt  man  Elektrisirung  d  u  r  ch  V  e  r- 
theilung  oder  durch  Influenz.  Wie  in  diesem,  so  treten  in  jedem  anderen 
Falle  von  Elektricitfltserregung  beide  Arten  von  Elektricitüt  uud  in  gleicher  Menge 
auf.  Bei  der  Reibung  z.  B.  erlangt  immer  der  reibende  Körper  die  eine,  der 
geriebene  die  andere  Art  von  Elektricitüt.  In  der  Elektrisirung  durch  Vertheilung 
h'ndet  auch  die  Anziehung  unelektrischer  Körper  durch  elektrische  ihre  Erklärung, 
indem  die  dem  elektrischen  Körper  näherliegende  Seite  ungleichnamig  elektrisch 
und  daher  angezogen  wird,  während  die  gleichnamige  Elektricitüt  der  abgekehrten 
Seite  sich  durch  Ableitung  entfernt. 

Was  den  Sitz  des  elektrischen  Zustande«  anbelangt .  so  wurde  experimeutell 
festgestellt,  dass  dieser  nur  an  der  Oberfläche,  nicht  im  Innern  leitender  Körper 
liegt.  Hierbei  ordnet  sich  die  Elektricitüt  so  au  der  Oberfläche  au,  dass  sie  auf 
keinen  Punkt  im  Innern  eine  vertheilende  Wirkung  ausübt.  Mau  bezeichnet  als 
Dichte  der  Elektricitüt  in  einem  bestimmten  Punkt  der  Leiteroberflüche  das 
Verhältniss  der  Elektrieitätsmenge  auf  einem  sehr  kleinen  Flüehenstückchen  in 
dem  betrachteten  Punkte  zum  Flächeninhalt  dieses  Stückchens.  Auf  der  OberHflche 
einer  elektrisirten  Kugel  ist  dio  Dichte  in  allen  Punkten  gleich,  bei  ungleichmüssig 
gekrümmten  Körpern  aber  au  den  stärker  gekrümmten  Stelleu  grösser  als  den 
weniger  gekrümmten.  An  sehr  stark  gekrümmten  Stellen ,  wie  Spitzen ,  Ecken, 
Kanten ,  kann  auch  die  Dichte  ausserordentlich  gross  werden.  In  Folge  der 
Abstossung  gleichartiger  Elektricitäten  haben  dieselben  das  Bestreben,  sich  von 
der  Oberfläche  der  Körper  zu  entfernen,  woran  sie  nur  durch  den  umgebenden 
Isolator  gehindert  werden.  Man  nennt  dieses  Bestreben  elektrische  Spannung 
und  nimmt  als  Maass  für  dieselbe  die  Kraft  an,  mit  welcher  sich  jene  Menge,  die 
als  Einheit  zur  Messung  von  Elektricitätsinengen  angenommen  wurde ,  von  dem 
betrachteten  Punkte  der  Oberflüche  zu  entfernen  sucht.  Spnuuung  und  Dichte 
stehen  in  engem  Zusammenhange.  Steigt  in  allen  Punkten  der  Oberfläche  eines 
Leiters  die  Dichte  der  Elektricit.lt  auf  das  2-,  3-,  4fache,  so  steigt  gleichzeitig 
die  Spannung  auf  das  4-,  lOfache  des  ursprünglichen  Betrages.  Ausser- 
ordentlich gross  ist  nach  dem  früher  Gesagten  die  Spannung  au  Spitzen.  Da 
nun  jeder  Isolator  überhaupt  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grad  der  Spannung  isolirt, 
so  vermag  kein  Isolator  die  Entfernung  der  Elektricitüt  aus  Spitzeu  und  Kauten 
zu  verhindern.    Auch  ist  eiu  mit  Spitzen  versehener  Körper  nicht  im  Stande, 


Digitized  by  Google 


ELERTRIC1TÄT.  —  ELEKTRISCHES  LICHT. 


Elektricität  von  merkbarer  Spannung  aufzunehmen.  Aber  selbst  ein  allseitig  gut 
abgerundeter,  isolirter,  elektrischer  Körper  verliert  nach  einiger  Zeit  seinen 
elektrischen  Zustand,  welche  Erscheinung  man  als  Zerstreuung  der  Elektri- 
cität bezeichnet.  Sie  tritt  insbesondere  bei  Körpern,  die  mit  Lnft  in  Berührung 
stehen,  ein.  Man  nahm  früher  an,  dass  die  Lufttheilchen  als  leichte  Körperchen  ange- 
zogen und  dann  wieder  abgestossen  würden,  wobei  sie  einen  Theil  der  Elektricitfit 
des  Körpers  fortfuhren.  Gegenwärtig  lfisst  sich  aus  einschlägigen  Experimenten  der 
Schluss  ziehen,  dass  die  stets  in  der  Luft  vorhandenen  Staub-  und  Waasertheilchen 
die  Ursache  der  Klektricitfitszerstreuung  abgeben. 

Stehen  sich  zwei  ungleichartig  elektrische  Körper  gegenüber,  und  ist  die  Spannung 
auf  beiden  grösser  als  der  zwischen  ihnen  liegende  Isolator  zu  ertragen  vermag, 
so  erfolgt  durch  den  Isolator  hindurch  ein  Ausgleich  der  Elektricitfit  in  Gestalt 
eines  Funkens,  der  von  grösserem  oder  geringerem  Gerflusch  begleitet  ist.  Erfolgt 
der  Ausgleich  entgegengesetzter  Elektricitfiten  nicht  durch  einen  Isolator,  sondern 
in  einem  guten  Leiter,  so  kommt  ein  elektrischer  Strom  zu  Stande  (s. 
Galvanismus). 

Mittel  zur  Elektricitfitserregung  sind :  Mechanische  Einwirkung  wie  Reibung, 
Druck  (insbesondere  bei  Krystallen),  Spaltung,  ferner  Berührung  (s.  Galvanis- 
mus), Induction  (s.  d.),  Warme  (s.  Thermoelektricitfit),  chemische 
Action  und  der  Lebensprocess  (s.  Galvanismus).  • 

Ueber  das  Wesen  der  Elektricitfit  ist  man  noch  vollständig  im  Dunkel.  Zur 
Erklärung  der  elektrischen  Fundamentalerscbeinungen  stellte  Symmer  (1759)  die 
sogenannte  dualistische  Hypothese  auf,  vermöge  welcher  in  allen  Körpern  zwei 
unwägbar  feine  Stoffe,  die  positiv  und  negativ  elektrische  Materie,  vorhanden  und 
mit  den  oben  erwftbnten  anziehenden  und  abstossenden  Kräften  begabt  sind.  In 
unelektrischen  Körpern  finden  sich  beide  in  gleicher  Menge  vor,  und  sie  können 
sich  in  allen  Körpern  mit  grösserer  oder  geringerer  Leichtigkeit  bewegen.  Nach 
der  von  Franklin  (1747)  aufgestellten  unitarischen  Hypothese  gibt  es  blos  eine 
Elektricitfitsmaterie ,  deren  Theilchen  sich  gegenseitig  abstosseu ,  aber  von  den 
Theilchen  wflgbarer  Stoffe  angezogen  werden.  Im  unelektrischen  Zustand  enthalten 
die  Körper  eine  bestimmte  Menge  dieses  Stoffes.  Eine  Vermehrung  derselben 
macht  den  Körper  positiv ,  eine  Verminderung  negativ  elektrisch.  Gegenwärtig 
sind  beide  Ansichten  in  den  Hintergrund  getreten  und  man  nimmt  allgemein  an, 
dass  ebenso  wie  Licht  und  Wärme  anch  die  Elektricitfit  ein  Bewegungszustand 
ist,  obwohl  sich  weder  über  die  Art  der  dabei  vorkommenden  Bewegung,  noch 
über  den  Trager  derselben  etwas  Bestimmtes  aussprechen  lfisst.  Pit»ch. 

ElektriSCh68  Licht  Die  freie  positive  oder  negative  Elektricitfit  breitet  sich 
strömend  auf  alle  Körper  aus,  welche  dieselbe  zu  leiten  vermögen.  Diese  Leitungs- 
fähigkeit ist  für  die  verschiedenen  Stoffe  eine  sehr  ungleiche.  Sobald  die  Grenze 
derselben  durch  zu  grosse  Intensität  des  Stromes  überschritten  wird,  so  setzt  sich 
der  nicht  mehr  geleitete  Theil  der  Elektricität  in  Wärme  um  und,  wenn  die 
Schwingungen  der  letzteren  die  nöthige  Geschwindigkeit  erlangt  haben,  in  Lieht. 
Nicht  nur  der  Stoff,  sondern  auch  die  Gestalt  eines  leitenden  Körpers  sind  hierfür 
maassgebend,  indem  die  Leitungsfflhigkeit  proportional  dem  Querschnitte  des 
Leiters  zu-  und  abnimmt.  Es  werden  daher  auch  Körper  aus  gut  leitender  Snb- 
stanz,  aber  von  geringem  Querschnitte,  z.  B.  ein  dünner  Platindraht,  durch  einen 
entsprechend  starken  Strom  zum  Glühen  und  Leuchten  gebracht.  Hiervon  wird 
in  der  Chirurgie  bei  der  Galvanokaustik  und  zur  Beleuchtung  innerer  Körpertheilc 
Anwendung  gemacht. 

Zum  Zwecke  der  Beleuchtung  dienen  besser  schlechtere  Leiter,  z.  B.  die  Kohle, 
welche,  durch  den  Strom  weissglühend  gemacht,  das  in  der  Industrie  und  in  der 
Wissenschaft  so  vielseitig  verwendete  elektrische  Licht  ausstrahlt.  Man  unter- 
scheidet das  Bogenlicht  und  das  Glüh  licht.  Das  erstere,  von  blendendem 
Glänze  und  bläulich  weisser  Farbe,  vermag  grosse  Räume  tageshell  zu  erleuchten, 


Digitized  by  Google 


ELEKTRISCHES  LICHT. 


667 


wirft  aber  dunkle  und  scharf  begrenzte  Schatten,  da  die  Strahlen  von  einem 
Punkte  ausgehen  und  nicht  wie  das  in  der  ganzen  Atmosphäre  zerstreute  Sonnen- 
licht von  allen  Seiten  wirken.  Es  entsteht  durch  dag  WeissglUhen  der  Kohlen- 
spitzen bei  der  Herstellung  des  elektrischen  Flammenbogens  zwischen  denselben. 
Der  letztere,  aus  einer  ununterbrochenen  Reihe  gerader  und  curvenförmiger ,  die 
Atmosphäre  durchbrechender  Funken  bestehend,  leuchtet  schwach  dagegen.  Die 
aus  schwer  verbrennlicher  graphitartiger  Gaskohle  bestehenden  Kohlenspitzen  ver- 
brennen dennoch  bei  dieser  hohen  Temperatur  und  entfernen  sich  dadurch  von 
einander.  Dadurch  wird  der  Widerstand  für  den  Strom  grosser,  der  Flammen- 
bogen schwächer,  erlischt  endlich  und  mit  ihm  das  Glühen  der  Kohlenspitzen.  Es 
ist  daher  wesentlich,  um  eine  ununterbrochene  gleichmässige  Lichtausstrahlung  zu 
erhalten,  dass  die  Kohlenspitzen  stets  in  gleicher  Entfernung  von  einander  bleiben. 
Dieses  ist  auf  verschiedene  Weise  durch  zum  Theil  complicirte  und  sinnreiche 
mechanische  Vorrichtungen  versucht  und  erreicht  worden,  indem  die  eine  beweg- 
liche Kohle  entweder  durch  Gewicbtsbelastung  oder  durch  ein  Uhrwerk  oder  in 
Gestalt  eines  Solenoids*)  der  anderen  fest  stehenden  Kohle  im  Maasse  des  Ver- 
brauches genähert  wird.  Das  Bogenlicht  erfordert  einen  sehr  starken  Strom, 
welcher  entweder  durch  zahlreiche  galvanische  Elemente  oder  durch  elektro- 
dynamische Maschinen  gewonnen  wird,  deren  Rotation  ein  besonderer  Motor  durch 
Wasserdruck,  Dampf  oder  andere  mechanische  Kraft  besorgt.  Auch  die  in  Aecu- 
mulatoren  als  Reservevorrath  aufgespeicherte  Elektricität,  um  zeitweise  die 
elektromotorischen  Maschinen  zu  ersetzen  oder,  um  die  Last  der  letzteren  nicht 
mitzuschleppen,  dient  als  elektrische  Lichtquelle,  z.  B.  den  geräuschlos  umher- 
fahrenden Schraubenbooten  der  Londoner  Hafenpolizei.  Dio  Accumulatoren 
(s.  Bd.  I,  pag.  4!*)  bestehen  aus  Metallplatteu ,  welche  durch  einen  elektrischen 
Strom  oberflächlich  in  Superoxyd  verwandelt  sind.  Mit  verdünnten  Säuren  wird 
das  letztere  reducirt  und  entwickelt  dabei  dieselbe  Elektricitütsnienge,  welche  zu 
seiner  Erzeugung  nöthig  war.  Für  den  I*rivatgebrauch  zu  blendend,  dient  das 
Bogenlicht  zur  Erleuchtung  grosser  Räume  und  Platze. 

Das  hell,  aber  mild  und  gleichmäßig  leuchtende  Gl ü blicht  entsteht  durch 
das  Erglühen  eines  geschlossenen  Bogens  ans  feinem  Platindrahte  mit  plastischer 
Kohlenmasse  überzogen  innerhalb  einer  möglichst  evaeuirten ,  geschlossenen  Glas- 
kugel, in  welcher  die  Kohle  nur  sehr  langsam  verbrennt  und  deshalb  lange 
fungiren  kann.  Dasselbe  erfordert  keinen  so  starken  Strom  wie  das  Bogenlicht 
und  ist  zur  Beleuchtung  von  Wohnräumen  in  beliebiger  Anzahl  erst  dann  mit 
Erfolg  nutzbar  gemacht  worden,  seitdem  es  gelungen  ist,  die  von  Centralstellen 
ausgehenden,  starken  Ströme  von  der  Hauptleitung  aus  in  beliebige  Nebenleitungen 
auf  nahe  und  weite  Entfernungen  gleichmassig  zu  vertheilen.  Das  Glühlicht  kann 
an  Intensität  mit  allen  anderen  Beleuchtungsarten  coneurriren  und  hat  den  grossen 
Vorzug,  viel  weniger  Wärme  auszustrahlen  und,  da  die  Verbrennung  bei  demselben 
fast  gleich  0  ist,  weder  den  Sauerstoff  der  Luft  zu  verzehren,  noch  die  letztere 
mit  erhitzten  und  irrespirabelen  Gasen  zu  verunreinigen.  Auch  ist  eine  Feuers- 
gefahr fast  ausgeschlossen.  Die  Rentabilit.1t  beider  elektrischer  Beleuchtungsarten 
selbst  für  kleine  Städte  bei  allgemeiner  Betheilung  hat  sich  längst  bewährt.  Der 
theurere  Betrieb  der  Erzeugung  des  Stromes  gegenüber  der  Gewinnung  des  Leucht- 
gases wird  durch  die  billigeren  Leitungen  der  ersteren  mehr  als  aufgewogen. 

Das  elektrische  Bogenlicht  enthält  weit  mehr  und  intensivere  blaue,  violette 
und  selbst  ultraviolette  Strahlen  als  alle  anderen  künstlichen  Lichtquellen.  Es 
übt  daher  eine  ähnliche  kräftige  chemische  Wirkung  aus  wie  das  Sonnenlicht 
und  wird  mit  Erfolg  als  Ersatz  desselben  in  der  Photographie  verwerthet.  Auch 
ist  in  Gewächshäusern  beobachtet  worden,  dass  unter  seinem  EiuHusse  die  Lebens- 
processe  der  Respiration  und  des  Wachsthums  der  Pflanzen   in  ahnlicher  Weise 

*)  Unter  Solenoid  versteht  man  einen  losen  Eisenkern,  welchen  eine  von  Elektricität  durch- 
strömte Druhtspirale  durch  Elektromagnetismus  um  so  tiefer  in  sich  hineinzieht  und  in  dieser 
Stellung  schwebend  erhält,  je  stärker  der  Strom  wird. 


Digitized  by  Google 


ELEKTRISCHES  LICHT  —  ELEKTRISIRM ASCHINE. 


wie  im  Sonnenlichte  fungiren.  Andererseits  wirkt  es  bleichend,  es  soll  angeblich 
den  Teint  verderben,  jedenfalls  wohl  den  Farbstoff  der  Schminke.  Ginge. 

ElektriSirmaSChine  ist  ein  Apparat  zur  Erzeugung  statischer  Elektricität. 
Die  erste,  von  Otto  Querike  construirte  Elektrisirinaschine  bestand  nur  aus  einer 
Schwefelkugel,  die  au  einer  rotirenden  Axe  steckte  und  durch  Anlegen  der 
trockeueu  Hand  gerieben  wurde ,  ein  Process ,  durch  welchen  in  dem  geriebenen 
Körper  die  eine,  in  dem  reibenden  die  andere  Elektricitätsart  hervorgerufen  wird. 
Allmälig  kamen  zu  dem  Apparat  neue  Theile  hinzu  und  wurden  die  alten  ver- 
bessert, bis  sich  die  jetzt  gebräuchlichen  Typen  desselben  herausgebildet  hatten. 
Die  verbreitetste  derselben  ist  die  B  c  h  e  i  b  e  u  m  a  s  e  h  i  u  e. 

Fig.  MM. 


Bei  jener  Form  derselben,  wie  sie  durch  Winter  in  Gebrauch  kam,  sitzt  eine 
Glasscheibe   an  einer  gläsernen  Curbelaxe ,   deren   Träger  auf  einem  massiven 
Brett  aufruht.    Auf  dasselbe  Brett   stützt  sieh  auch  der  aus  einer  Glassäule  be- 
stehende Träger  des  sogenannten  Reibzeuges.  Dieser  Tlieil  der  .Maschine  besteht 
aus  zwei  Reibkissen,   nämlich   zwei  mit  Flanell    und  Leder   überzogenen  Holz- 
Btüekcn,  welche  mit  wasserfreiem  Fett  und  K  i  BN  MI  a  y  er/ schein  Amalgam  (1  Th.  Zinn, 
1  Th.  Zink  und  2  Th.  Quecksilber  i   eingerieben   sind  und  durch  Federu  schwach 
gegen  die  Seheibe  gepresst  werden ,   so  dass   sich  letztere   bei  ihrer  Umdrehung 
stark  an  ihnen  reibt.    Die  durch   den  Reibungsproccss  auf  der  Scheibe  erzeugte 
positive  Elektricitätsmenge  wird  dann  auf  den   Conductor  der  Maschine  Uber- 
tragen. Dieser  ist  ein  kugel-  oder  cylinderförmiger  guter  Leiter,  der  ebenfalls  mit 
einem  Glasfuss  auf  dem  luterbrett   der  Maschine  aufruht.   Zur  Febertragung  der 
Elektricität  von  der  Scheibe  auf  diesen  C'onductur  sind  au  ihm ,   um  den  Werten 
Thcil  der  Scheibenperipherie  vom  Reibzeug  entfernt,  zwei  kleine  Kreisringe  ange- 
bracht, die  an  jener  Seite,  welche  sie  der  zwischen  ihueu  durchgehenden  Scheibe 
zuwenden ,    mit   einer   grösseren  Anzahl    kleiner  Metallspitzen ,   den  sogenannten 
Saugern,   besetzt   sind.    Geht   uäudich   die  positiv  elektrische  Scheibe  an  diesen 
Spitzen  vorüber,  so  wird  durch  Influeuz  in  ihnen  die  positive  und  negative  Elek- 
tricität getrennt.  Die  negative  Elektricität  wird  gegen  die  Spitzen  gezogen,   wo  sie 


Digitized  by  Google 


ELEKTBISIRMASCHIXE. 


auf  die  gegenober  liegende  Stelle  der  Scheibe  ausströmt  und  die  Elektricität  der- 
selben neutralisirt ,  während  die  durch  Influenz  geweckte  positive  Elektricität  von 
den  Spitzen  weg  in  den  Conductor  getrieben  wird  und  sich  hier  ansammelt.  Da 
immer  neue  elektrisirte  Stellen  der  Scheibe  zwischen  die  Sauger  gelangen,  so  steigt 
die  Ladung  des  Conductor«  so  lange,  bis  die  während  einer  bestimmten  Zeit  ihm 
zugefflhrte  Elektricitätsmenge  gerade  hinreicht,  um  den  Verlust  an  Elektricität, 
welchen  er  in  derselben  Zeit  durch  Abgabe  an  die  umgebende  Luft  erleidet  und 
der  mit  der  Zunahme  der  Ladung  gleichfalls  wachst,  zn  ersetzen.  Damit  auf  dem 
Wege  vom  Reibzeng  zum  Conductor  die  erzeugte  Elektricitätsmenge  möglichst 
wenig  durch  Mittheilung  an  die  Luft  vermindert  wird,  tragen  die  Reibkissen  zwei 
Flügel  von  Wachstaffet,  dio  sieb  an  die  Glasscheibe  anlegen  und  bis  nahe  an  den 
Conductor  heranreichen.  Da  beim  Reiben  stets  beide  Arten  von  Elektricität  erzeugt 
werden,  so  ladt  sich  das  Reibzeng,  welches  die  Scheibe  positiv  elektrisch  macht, 
selbst  negativ  und  seine  Ladung  würde  das  Bestreben  zeigen,  sich  mit  jener  des 
Conductor»  auszugleichen.  Um  dies  zu  verhindern,  leitet  man  die  negative  Elektri- 
cität durch  Verbindung  der  Reibkissen  mit  der  Erde  ab,  oder  sammelt  sie  eventuell 
auf  einem  eigenen  ebenfalls  isolirten  Conductor  an,  der  möglichst  weit  vom 
positiveu  entfernt  liegt. 

Hat  sich  am  positiven  Conductor  eine  grössere  Elektricitätsmenge  angesammelt, 
so  springt  aus  demselben  auf  einen  in  die  Nähe  gebrachten  Leiter,  der  mit  der 
Erde  in  Verbindung  steht,  ein  Funke  über.  Bei  der  Annäherung  wurden  nämlich 
im  Leiter  durch  Inflnenz  die  Elektricitäten  getrennt,  die  zu  der  Ladung  des 
Conducton?  gleichnamige  Elektrieitfit  wird  abgestossen  und  in  die  Erde  getrieben, 
die  ungleichnamige  aber  gegen  den  Conductur  hingezogen,  auf  dessen  Elektricität 
sie  ihrerseits  wieder  einen  Zug  ausübt.  Da  von  den  gut  leitenden  Körpern  aus 
die  Elektricität  auch  bis  auf  eine  gewisse  Distanz  in  das  isolirende,  umgebende 
Medium  (im  vorliegenden  Fall  in  die  Luft)  eindringen,  also  gleichsam  eine  elek- 
trische Atmosphäre  um  den  Leiter  bilden,  die  um  so  weiter  reicht,  je  dichter  die 
Elektricität  sich  angesammelt,  so  können  bei  der  Annäherung  des  Leiters  an  den 
Conductor  der  Maschine  die  Atmosphären  beider  Körper  einander  berühren,  so 
dass  ein  Ausgleich  der  ungleichnamigen  Elektricitäten  in  einem  Fuuken  erfolgt. 
Die  grösste  Distanz,  bis  auf  welche  in  der  angegebenen  Weise  ein  Funke  Uber- 
springen kann,  bezeichnet  man  als  Schlag  weite  der  Maschine,  Um  diese 
Distanz  zu  vergrössern ,  versieht  man  den  Conductur  an  jener  Stelle ,  an  welcher 
man  Funken  aus  ihm  ziehen  will,  mit  einem  Knöpfchen,  da  die  Dichte  der  Elek- 
tricität, von  welcher  hauptsächlich  die  Schlagweite  abhängt,  an  stark  gekrümmten 
Stellen  grösser  als  an  weniger  gekrümmten  ist.  Winter  setzt  bei  seinen  Maschinen 
auf  den  Conductor  noch  einen  grossen  Holzring,  wodurch  ebenfalls  die  Schlagweite 
derselben  nicht  unbeträchtlich  erhöbt  wird.  Dio  Schlagweite  hängt  übrigens  bei  ein 
und  derselben  Maschine  sehr  bedeutend  von  den  äusseren  Verhältnissen  ab  und  ist 
z.  B.  an  feuchten  Tagen,  oder  wenn  die  Glastheile  der  Maschine  vor  dem  Versuch 
nicht  sorgfältig  mit  warmer  Wolle  abgerieben  wurden,  um  die  Feuchtigkeit  oder  die 
leitenden  Staubtheilchen  von  denselben  zn  entfernen,  bedeutend  geringer  als  sonst. 

Auf  ein  vollständig  anderes  Princip  der  Elektricitätserregung  ist  die  von  Holtz 
construirte  Influenzmaschine  bnsirt.  An  derselben  findet  sich  eine  fixe,  gut 
gefirnisste  Glasscheibe  (s.  Fig.  101),  an  welcher  sich,  horizontal  einander  gegenüber- 
liegend, zwei  ovale  Ausschnitte  befinden.  Von  diesen  gehen  auf  der  Hinterseite 
der  Scheibe  zwei  breite .  dem  Seheibenrand  parallel  laufende  Papierbelegungen 
aus,  die  je  ein  Sechstel  des  rmfanges  einnehmen  und  mit  Spitzen  in  Verbindung 
stehen.  Letztere  ragen  in  die  Ausschnitte  hinein  und  kehren  sich  gegen  eine  zweite 
Scheibe,  die  der  ersten  gegenüber  steht.  Diese  zweite  Seheibe  sitzt  drehbar  an 
einer  isolircnden  Axe.  welche  durch  einen  Dnrchlass  im  Mittelpunkt  der  fixen 
Scheibe  hindurchgeht  und  von  einem  am  Fussbrett  der  Maschine  stehenden  Träger 
gehalten  wird.  Den  Papierbelegungen  stehen  die  mit  Saugkämmen  versehenen 
Conductoren  auf  isolircnden  Ebonit-  oder  Glassäulen  gegenüber.    Letztere  tragen 


Digitized  by  Google 


670 


ELEKTRISIRMAÜCHINE. 


auch  die  Fonkenzieher,  zwei  gestielte  Kugeln  an  isolirenden  Handgriffen,  an  denen 
man  sie  zusammen-  und  auseinandersehieben  kann.  Den  Enden  der  Papierbelegnngeu 
stehen  ferner  zwei  durch  einen  geraden  Metallstab  verbundene  Saugkamme,  die 
sogenannten  überzähligen  Conductoren,  gegenüber.  Am  Fussbrett  der  Maschine 
befindet  sich  dann  noch  die  zur  Drehung  der  beweglichen  Scheibe  nothwendige 
Rotationsvorrichtung. 

Die  Wirkung  einer  solchen  Maschine  lässt  sich  am  besten  veranschaulichen, 
wenn  man  nach  dem  Vorgange  von  Bebtix  an  Stelle  der  beweglichen  Scheibe 
sich  einen  rotirenden  Cylinder  denkt,  wie  ihn  Fig.  105  im  Durchschnitt  schewatisch 
darstellt.  Ihm  gegenüber  liegen  die  Papierbelegungen  A  und  B,  welche  in  die 
Spitzen   a  und  b  auslaufen.    A'  B' 

und  N  P  stellen  dann  die  Saugkämme  Fig.  iw. 

und  Funkenzieher  vor.  Wird  nun  die 
Belegung  A  negativ  elektrisch  geladen, 
z.  B.  durch  Anlegen  eines  geriebenen 
Ebonitplättchens ,  so  wird  der  gegen- 
überliegende Theil  der  Scheibe  durch 
Influenz  dielektrisch  polarisirt,  das 
heisst,  der  gegen  A  gewendete  Theil 
jedes  Moleküls  wird  positiv,  der  gegen  ^ 
den  Saugkamm  gerichtete  negativ  elek- 
trisch. Gleichzeitig  scheidet  aber  die 
negative  Elektricitat  in  A  auch  die 
Elektricitäten  im  Saugkamm,  zieht  die 
positive  gegen  sich,  so  dass  sie  durch 
die  Spitzen  des  Saugkammes  auf  die  zu- 
gewendete Flüche  der  gegen  11  her  liegen- 
den Scheibe  ausströmt,  wahrend  die 
negative  gegen  N  und  weiters  über  P 
und  B'  auf  das  Stück  ß,  der  Scheibe  fliesst,  wenn  die  Funkenzieher  N  und  Py  wie 
immer  beim  Beginn  eines  Versuches,  in  Contact  stehen.  Die  auf  &  befindliche  negative 
Klektricität  wirkt  nun  einerseits  wieder  polarisirend  auf  die  Moleküle  der  Scheibe, 
so  dass  dieselben  ihre  positiv  geladene  Seite  dem  Sauger,  ihre  negative  der  Be- 
legung B  zukehren,  anderseits  aber  durch  Influenz  auf  die  Belegung  2?,  so  dasa 
sich  positive  Elektricitat  in  ihr  sammelt,  die  negative  gegen  die  Spitze  b  getrieben 
wird.  Kommt  nun  bei  der  Rotation  der  Scheibe  in  der  angezeichneten  Richtung 
der  positiv  elektrische  Theil  ax  in  die  Nahe  der  letztgenannten  Spitze,  so  wirkt 
er  durch  Influenz  auf  dieselbe  ein.  Die  negative  Elektricitat  strömt  aus  der  Spitze 
auf  die  Scheibe  über,  während  die  durch  die  neue  Influenz  entstandene  positive, 
welche  gegen  B  getrieben  wird,  die  Ladung  dieses  Theiles  verstärkt.  Bei  der 
weiteren  Drehnng  kommt  die  noch  immer  positiv  geladene  Partie  der  Scheibe  an 
B'  und  wirkt  hier  in  derselben  Weise  wie  die  vermehrte  positive  Klektricität  der 
Belegung  B  auf  den  Sauger  durch  Influenz  ein ,  das  heisst ,  es,  muss  negative 
Elektricitat  aus  den  Spitzen  des  Saugkammes  strömen  und  den  gegenüberliegenden 
Theil  der  Scheibe  negativ  elektrisch  machen,  während  die  positive  in  die  Kugel  P 
gelangt  und  in  analoger  Weise  auf  die  Belegung  A  einwirkt,  wie  früher  die  von  der 
Kugel  N  kommende  negative  auf  die  Belegung  B.  Sobald  der  bei  ^  negativ  elektrisch 
gewordene  Theil  der  Scheibe  unter  die  Spitze  a  gelangt,  strömt  durch  Influenz- 
wirkung auf  die  Spitze  aus  dieser  positive  Elektricitat  auf  die  eine  Seite  der 
Scheibe  und  negative  gegen  A,  dessen  Ladung  hierdurch  verstärkt  wird.  Die 
noch  immer  negativ  geladene  andere  Seite  der  Scheibe  kommt  schliesslich  an  den 
Saugkamm  und  wirkt  im  gleichen  Sinne  wie  die  Belegung  A  auf  ihn  ein.  Nach- 
dem dann  durch  die  aus  der  Spitze  strömende  Elektrieität  diese  Scheibenseite 
wieder  positiv  geworden,  wiederholt  sich  das  angegebene  Spiel  von  Neuem.  Die 
hierdurch  stets  vermehrte  Ladung  in  N  und  P  wird  schliesslich  Funken  produciren 


Digitized  by  Google 


ELEKTRISIRMASCHINE.  -  ELEKTROCHEMISCHE  ANALYSE  671 


können,  wenn  die  Kugeln  in  einigen  Abstand  von  einander  geschoben  werden. 
Verbindet  man  jeden  der  Conductoren  mit  der  Innenbelegnng  einer  Leydenerflasche, 
deren  äussere  Belegungen  in  leitender  Verbindung  stehen,  so  gewinnen  die  Funken 
an  Länge  und  gehen  unverzweigt  mit  grossem  Geknatter  zwischen  den  Elektroden 
aber.  Bei  einer  Construction  von  Stöhrer,  wie  sie  der  Fig.  104  zu  Grunde  liegt, 
stützen  sich  die  Conductoren  auf  Glasröhren,  welche  bis  an  den  Boden  der  als 
Träger  dienenden  Leydenerflaschen  hinunterreichen.  Letztere  werden  eingeschaltet, 
indem  man  durch  die  Conductorkugeln  oben  mit  Metallknöpfen  versehene  Metall- 
drahte  steckt,  welche  durch  die  Glasröhren  bis  zum  Boden  der  Leydenerflaschen 
gehen.  Beim  Gebrauch  der  Maschine  kommt  es  zuweilen  vor,  dass  sie  eine  kurze 
Zeit  den  Dienst  versagt,  dann  neuerdings,  aber  mit  vertauschten  Polen,  zu  wirken 
anfängt.  Dieser  üebelstand  wird  durch  die  in  der  Figur  ersichtlichen  überzähligen 
Conductoren  vermieden.  Von  der  HoLiz'schen  Influenzmaschine  existiren  zahlreiche 
Modificationen,  die  aber  im  Princip  von  der  beschriebenen  Form  nur  wenig  oder 
gar  nicht  abweichen.  Pitsch. 

ElektrOCheilli8Che  Analyse.  Die  Trennung  chemischer  Verbindungen  durch 
einen  elektrischen  Strom  wird  nicht  nur  in  der  Industrie  mit  Vortheil  verwendet, 
z.  B.  in  den  Kupferwerken,  um  aus  den  gelösten  Erzen  ein  reineres  werthvolleres 
Metall  als  nach  allen  anderen  Methoden  abzuscheiden,  sondern  dieselbe  hat  sich 
auch  zu  einem  selbstständigen  Zweige  der  chemischen  Analyse  entwickelt,  welcher 
die  eigentlichen  chemischen  Methoden  an  Genauigkeit  mindestens  erreicht  und  an 
Einfachheit  und  Schnelligkeit  der  Ausführung  meist  übertrifft. 

Die  Art ,  wie  der  zu  diesem  Zwecke  verwendete ,  in  den  Batterien  erzeugte, 
elektrische  (galvanische)  Strom  erlangt  wird,  steht  im  engsten  Zusammenhange  mit 
der  von  demselben  verlangten  Arbeitsleistung.  Es  handelt  sich  in  beiden  Fällen 
um  Uobergang  einer  Form  der  Energie  in  eine  andere,  und  zwar  um  Umsetzung 
der  chemischen  Affinität  in  Elektricität. 

Die  verschiedenen  Theorien  über  die  Ursache  und  Wirkung  des  galvanischen 
8tromes  weichen  von  einander  ab  und  erklären  einzeln  nicht  ausreichend  alle 

elektrochemischen  Vorgänge,  die  Con- 
fik-  106-  taettheorie  nach  Volta  am  wenigsten, 

die    elektrochemische    Theorie  nach 
Faraday    insofern    nicht,    weil  eine 
chemische  Wechselwirkung  zwischen  den 
H?0  HtO  HtO  HtO  HtO  HtO     8toffen  nicnt  die  einzige  Ursache  einer 

Elektricitätserregung  ist.  Schöxbein 
nahm  daher  nicht  die  chemische  Action  als  die  Ursache  an,  sondern  eine  Umsetzung 
der  chemischen  Affinität  der  sich  berührenden  Stoffe,  schon  ehe  dieselbe  in  actuelle 
Wechselwirkung  getreten  war,  in  Elektricität.  Im  Einklänge  mit  den  auf  Ver- 
theilung  (Trennung)  oder  Bindung  (Wiedervereinigung)  beruhenden  Eigenschaften 
der  positiven  und  negativen  Reibungselektricität,  welche  gleichnamig  sich  abstossen, 
ungleichnamig  sich  anziehen,  betrachtete  Grotthusbn*  auch  den  galvanischen  Strom 
als  eine  Vertheilung  der  ungleichnamigen  Elektricitäten  auf  die  heterogenen  Atome 
sümmtlicher  im  Bereiche  des  Stromes  liegenden  Moleküle  und  eine  Richtung  dieser 
Atome  nach  entgegengesetzten  Polen,  z.  B.  der  Atome  des  Wassers  in  der  Säure 
der  Batterie  nach  dem  Schema  Fig.  106. 

Diese  Vertheilung  und  Richtung  erstreckt  sich  nicht  nur  auf  die  Flüssigkeit, 
sondern  auch  auf  sämmtliche  in  dem  Stromkreise  enthaltenen  Stoffe,  bei  den  ein- 
fachen Stoffen  also  auf  gleichartige  Atome. 

Jedes  in  eine  Säure  getauchte  Metall  zeigt  in  Folge  dessen  am  eingetauchten 
Ende  positive,  am  oberen  Ende  negative  Elektricität.  Werden  zwei  Metalle,  z.  B. 
Zink  und  Kupfer  nebeneinander  in  eine  Säure  getaucht,  ohne  sich  in  derselben 
zu  berühren  und  oben  durch  einen  leitenden  Sehliessungsdraht  verbunden,  so 
werden  sie  in  Folge  ihrer  ungleich  starken  Affinität  zu  den  Bestandtheilen  der  Säure 


Digitized  by  Google 


672 


ELEKTROCHEMISCHE  ANALYSE. 


i 


ungleich  stark  elektrisch.  Die  neuere  I! «'Zeichnung1  dafür  lautet:  Sie  erlangen  ein 
ungleiches  elektrisches  Potential,  deren  Differenz  gleich  der  elektromotorischen  Kraft 
der  beiden  combinirten  Elemente  ist.  Die  stärkere  positive  Elektricit.1t  am  unteren 
Zinkende  zieht  die  elektronegativen  Sauerstoffarme  der  Flüssigkeit  an,  stösst  die 
elektropositiven  Wasserstoffatome  ab.  Die  letzteren  richten  sich  gegen  das  positive 
untere  Kupferende  und  drehen  in  Folge  ihrer  durch  das  Zink  bewirkten,  grösseren 
Intensität  die  Polarität  im  Kupfer  um,  indem  sie  die  negative  Elektricität  desselben  an 
das  untere  Ende  ziehen,  die  positive  Elektricität  nach  oben  abstossen.  Deshalb  ist  die 
Vertheilung  der  Elektricitäten  im  Kupfer  jetzt  umgekehrt  wie  im  Zink.  Das  Kupfer 
ist  ausserhalb  der  Flüssigkeit  der  positive,  das  Zink  de;*  negative  Pol  der  Batterie. 

In  dem  geschlossenen  Systeme  entsteht  durch  diese  Vertheilung,  dieses  Streben 
der  ungleichen  Elektricitäten  nach  entgegengesetzten  Seiten,  eine  Spannung, 
eine  elektrische  Ladung,  deren  Intensität  der  chemischen  Natur  und  der 
Anzahl  der  an  dem  Vorgange  betheiligten  Moleküle,  also  der  Grösse  der  einge- 
tauchten Oberflächen  der  Metallplatten, 
entspricht.  In  chemisch  reinem  Wasser 
würde  sich  dieser  Zustand  als  einzige 
Wirkung  der  Umsetzung  der  Affinität 
in  Elektricität  ungestört  erhalten.  Bei 
Gegenwart  einer  Sflure  steigert  sich 
aber  die  Affinität  des  Zinks  bis  zu  che- 
mischer Action.  Es  oxydirt  sich  durch 
Zersetzung  der  dasselbe  berührenden 
Wassermoleküle  und  stösst  den  frei 
werdenden  positiven  Wasserstoff  ab. 
Dieser  bewirkt  in  Folge  seiner  höheren 
elektrischen  Spannung  in  der  ganzen 
Reihe  der  Wassermoleküle  bis  zum 
Kupferende  eine  Trennung  und  Wieder- 
vereinigung zwischen  dem  Sauerstoffs 
und  Wasserstoffe  der  benachbarten 
Wassermoleküle  und  werden  jetzt  an 
den  Endpunkten  der  Reihe,  wo  sie  die 
beiden  Metalle  berühren,  am  Zink  stets 
uegativer  Sauerstoff,  dieses  verbrennend, 
am  Kupfer  positiver  Wasserstoff  aus- 
geschieden ,  dessen  Feberschuss  an 
Elektricität  an  das  Kupfer  abgegebeu 
wird  und  eineu  elektrischen  Strom  be- 
wirkt, welcher  in  der  Flüssigkeit  vom 
Zink  zum  Kupier,  im  Schliessungsdrahte 
vom  Kupfer  zum  Zink  geht.  Es  geht  zwar  ebensowohl  ein  elektronegativer  Strom 
in  entgegengesetzter  Richtung ,  in  derjenigen  ,  in  welcher  die  Sauerstoffatome  zum 
Zink  wandern.  Hier  setzt  sich  aber  die  Elektricität  in  chemische  Arbeit  um.  Mit 
Recht  wird  daher  als  die  Richtung  des  Stromes  diejenige  der  stärkeren ,  freien, 
positiven  Elektricität  angenommen  und  in  den  Figuren  durch  Pfeile  bezeichnet. 

Dieser  elektrische  Strom  ist  also  das  Abfliessen  des  Ueberschusses  freier  Elek- 
tricität vom  positiven  Pole  in  den  Schliessungsbogen.  In  den  letzteren  eingeschaltete 
andere  Körper  erfahren  dieselbe  in  dem  Kreise  herrschende  elektrische  Vertheilung, 
welche  sich  nach  der  chemischen  Natur  derselben  verschieden  äussert.  Grundstoffe 
in  fester  oder  geschmolzener  oder  aufgelöster  Form  erleiden  selber  keine  Ver- 
änderung, setzen  aber  durch  Leitungswiderstand  die  Elektricität  in  Wärme,  eventuell 
in  Licht  um,  und  zwar  um  so  mehr,  je  schlechter  sie  die  Elektricität  leiten.  Die 
zusammengesetzten  leitenden  Stoffe  in  geschmolzener  oder  aufgelöster  Form  werden 
in  ihre  Bestandteile  zerlegt,  indem  die  Affinitäten  der  letzteren  sich  in  ungleich- 


FJektrvmotnr 

Elektrolyse  nach  Faraday. 


Digitized  by  Google 


ELEKTROCHEMISCHE  ANALYSE. 


67rf 


namige  Elektricitäten  umsetzen.  Solche  durch  deu  Strom  zerlegbare  Verbindungen 
nannte  Faraday  Elektro lyte,  den  ganzen  Vorgang  Elektrolyse.  Die  Zer- 
setzungsproducte  heissen  Jonen,  und  zwar  das  elektropositive  Kation,  das  elektro- 
negative  A  n  i  o  n.  Die  unterbrochenen,  in  den  Elektrolyt  eintauchenden  Enden  des 
Schüessungsbogens  heissen  Elektroden,  und  zwar  das  positive,  vom  Kupferpole 
hergeleitete,  an  welchem  das  negative  Anion  (aus  dem  Wasser  der  Sauerstoff) 
sich  abscheidet,  die  Anode,  die  negative  vom  Zinkpole  kommende,  das  posi- 
tive Kation  (den  Wasserstoff)  anziehende,  die  Kathode.  Schematisch  stellt  dies 
Fig.  107  dar. 

Feste  und  manche  nicht  leitende  flüssige  Verbindungen  sind  keine  Elektrolyte. 

Die  Ausscheidung  der  Jonen  erfolgt  im  Verhältnisse  ihrer  chemischen  Valenzen 
und  die  Menge  der  ausgeschiedenen  Substanz  entspricht  einer  bestimmten  Grösse 
elektromotorischer  Kraft,  so  dass  die  eine  an  der  andern  gemessen  werden  kann. 
In  der  That  beruht  die  Berechnung  der  Stromstärke  in  einer  Classe  von  Galvano- 
metern, den  sogenannten  Voltametem,  auf  Messung  des  in  der  Zeiteinheit,  1  Minute, 
ausgeschiedenen  Volumens  Wasserstoff  bei  0°  und  760  mm  Barometerdruck.  Das 
Gewicht  der  abgeschiedenen  Jonen  würde  gleichfalls  im  chemischen  Valenzverhält- 
niflse  zu  demjenigen  des  im  Elektromotor  aufgelösten  Zinks  stehen,  wenn  nicht  ein 
Theil  der  Elektricität  durch  Widerstände  in  der  Leitung  in  eine  andere  Form  der 
Energie,  meist  Warme,  übergeführt  würde.  Es  kommt  daher  in  der  Zersetzungszelle 
nur  diejenige  Elektricitätsiuenge  zur  Wirkung ,  welche  nach  Abzug  der  Leitungs- 
widerstände nachbleibt. 

Auf  diesen  Grundprincipien  der  Elektrolyse  beruhend,  ist  die  elektro- 
chemische Analyse  entstanden.  Es  wird  durch  dieselbe  die  zu  trennende 
Jone,  um  deren  Bestimmung  es  sich  handelt,  vollständig  in  einer  wägbaren  oder 
messbaren  Form  abgeschieden.  Das  correcte  Gelingen  setzt  aber  voraus,  dass  nicht 
während  der  Daner  des  Stromes  oder  nach  Beendigung  der  elektrischen  Ein- 
wirkung die  ausgeschiedenen  Substanzen  in  der  früheren  oder  anderer  Weise  neue 
Verbindungen  eingehen.  Gegen  diese  Eventualität  muss  der  Arbeitende  durch  die 
richtige  Wahl  und  Kenntnis«  der  Stoffe  und  der  Lösungsmittel  sich  sicherstellen. 
Es  können  z.  B.  keine  leichten,  das  Wasser  zersetzenden  Metalle,  bei  Gegenwart 
einer  Säure  keine  Metalle  aus  der  Zinkgruppe  vollständig  ausgeschieden  werden, 
da  sie  sich  sogleich  wieder  lösen  würden.  Am  besten  eignen  sich  zur  Bestimmung 
der  Metalle  die  Bioxalate  derselben ,  bei  welchen  die  sich  abscheidende  Kleesäure 
sich  sogleich  vollstfindig  zu  Kohleusäure  oxydirt. 

Die  Ausscheidung  des  Metalles  erfolgt  in  wenigen  Füllen  lose,  sondern  meist 
auf  der  Kathode  festsitzend.  Letztere  wird  vor  und  nach  dem  Processe  gewogen, 
die  Differenz  ergibt  das  gesuchte  Metall.  Die  Elektrode  besteht  aus  einem  blank 
polirten  edlen  Metalle,  Gold  oder  Platin,  in  Gestalt  einer  den  Elektrolyt  aufnehmen- 
den Schale,  einer  in  denselben  eingetauchten  Scheibe,  einer  Spirale,  einer  Ruthe, 
eines  Ringes,  eines  Trichters,  je  nach  der  Menge  des  Elektrolyten  und  der  Gestalt 
des  Gefässes.  Dieselben  sind  leicht  mit  der  Leitung  zu  verbinden  und  zu  entfernen 
und  nach  dem  Wägen  vollständig  von  der  Jone  zu  befreien.  Bei  den  meisten  Metallen 
geschieht  dieses  durch  Lösen  in  einer  geeigneten  Säure,  beim  Quecksilber  durch 
Ausglühen. 

Sehr  ungleich  und  für  den  Arbeitenden  der  Erfahrung  und  Anleitung  bedürftig  ist 
die  erforderliche  Stromstärke  für  die  Abscheidung  der  verschiedenen  Metalle.  Es  müssen 
daher  Batterien  verschiedener  Art  uud  Vorrichtungen  zum  Messen  der  Stromstärke  vor- 
handen sein.  Für  schwache  Ströme  empfehlen  sich  die  sehr  constanten  Batterien  von 
Meidixger  und  diejenigen  von  Leclaxche,  für  stärkere  Ströme  die  Elemente  von 
Bunsex  oder  von  Grove.  Auch  werden  die  neuen  thermoelektrischeu,  mit  Leuchtgas 
erhitzten  Elemente  verwendet.  Für  grossen  Betrieb  eignen  sich  die  nicht  Jedem  zugäng- 
lichen elektrodynamischen  Maschinen.  Wo  die  uöthige  elektromotorische  Kraft  geboten 
ist,  welche  beliebig  getheilt  werden  kann,  und  die  übrigen  Apparate  in  ausreichender 
Zahl  vorhanden  sind,  können  Dutzende  von  Analysen   gleichzeitig  gemacht  und 

Koal-Encyolop&dle  der  gea.  Pharmade.  III.  43 


674        ELEKTROCHEMISCHE  ANALYSE.  —  ELEKTROCHEMISCHE  THEORIE. 


überwacht  werden.  Bei  richtiger  Anordnung  sind  Fehler  kaum  möglich  und  der 
Strom  besorgt  die  Arbeit  in  viel  kürzerer  Zeit,  als  die  mühsamen  chemischen 
Fällungsanalysen  zum  Ziele  fahren.  Es  ist  nicht  nur  eine  Ausscheidung  einzelner 
Stoffe  in  eben  beschriebener  Weise,  sondern  auch  die  Verwendung  der  Elektrolyse 
als  Hilfsmittel  zu  Trennungen  in  den  complicirtesten  directen  und  indirecteu  chemi- 
schen Analysen  ausführbar.  Das  Nähere  s.  in  „Quantitative  chemische  Analyse 
durch  Elektrolyse"  von  Dr.  Alexander  Classen,  Berlin  1886.  Gänge. 

Elektrochemische  Theorie.  Die  elektrochemische  Theorie  hatte  sich  zur 
Zeit  ihrer  Aufstellung  durch  Berzeliüs  einer  bedeutenden  Aufnahme  zu  erfreuen, 
da  sie  sich  mit  den  bis  damals  beobachteten  chemischen  Erscheinungen  leicht  in 
Einklang  bringen  Hess  und  zum  ersten  Male  durch  sie  ein  einheitliches  System 
geschaffen  worden  war,  dem  man  die  zur  Zeit  bekannten  Elemente  einzuverleiben 
vermochte.  Berzeliüs  nahm  an,  dass  in  jedem  Atom  die  zwei  entgegengesetzten 
Elektricitäten  vorhanden  seien,  dass  aber  die  eine  die  andere  bezüglich  der  Quan- 
tität der  Art  überwiege,  dass  jedes  Atom  (und  somit  auch  ein  aus  mehreren 
Atomen  bestehender  Complex)  entweder  elektropositiv  oder  elektronegativ  erseheine 
und  ordnete  darnach  die  Elemente  in  einer  Reihe  an,  so  dass  jedes  Element  gegen 
das  vorhergehende  elektropositiv  erschien,  welche  Reihe  als  „Spannungsreihe"  be- 
zeichnet wurde.  Die  einzelnen  Atome  vereinigten  sich  zunächst  zu  Verbindungen 
erster  Ordnung,  und  durch  Zusammentreten  einer  positiven  Verbindung  erster 
Ordnung  mit  einer  negativen  dergleichen  entstanden  sodann  Verbindungen  zweiter 
Ordnung. 

Diese  Theorie  bildete  die  Grundlage  für  die  dualistische  Auffassungsweise,  nach 
welcher  z.  B.  das  Kaliumsulfat  als  eine  Verbindung  von  Kali  KO  (positiv)  mit 
Schwefelssure  SO«,  (negativ)  —  KO,S03  —  oder  der  Alkohol  als  eine  Verbindung 
von  Wasser  HO  mit  Aether  C4  H6  0  —  C4  H5  0,  HO  —  angesehen  wurde. 

Die  Thatsache  indess,  dass  man  in  Verbindungen  Wasserstoff  durch  das  stark 
elektronegative  Chlor  ersetzen  konnte,  ohne  den  Charakter  der  Verbindung  in 
ihren  wesentlichen  Eigenschaften  erheblich  abzuändern  (z.  B.  Ersetzung  des  Wasser- 
stoffs der  Essigsäure  durch  Chlor  unter  Bildung  von  Chloressigsäuren),  gab  der 
dualistischen  Theorie  den  Gnaden  stoss  und  führte  zur  Aufstellung  der  Substitutions- 
theorie  (s.  Chemie). 

Mit  dem  Dualismus  kam  auch  die  elektrochemische  Theorie  selbst  in  Ver- 
gessenheit, indessen  ist  zu  bedenken,  dass  Berzeliüs  selbst  von  seiner  Theorie 
kaum  eine  andere  Anwendung  machte,  als  die  zur  Eintheilung  der  Elemente  in 
elektronegative  und  -positive  und  ist  zu  bewundern ,  dass  diese  Eintheilung  im 
Grossen  und  Ganzen  von  der  heutzutage  mit  besseren  Hilfsmitteln  auf  Grund 
exaeterer  Messungen  aufgestellten  Reihe  nicht  allzu  sehr  abweicht.  Die  von  Berze- 
liüs gegebene  Eintheilung  der  Elemente,  bei  der  allerdings  H  und  C  zu  weit 
nach  der  negativen  Seite  Platz  gefunden  haben,  ist  die  folgende: 

Elektronegative :  0,  S,  N,  F,  Cl,  Br,  J,  8e,  P,  As,  Cr,  V,  Mo,  B,  C,  Sb,  Te,  Ta, 
Ti,  SL 

Elektropositive :  Au,  Os,  Jr,  Pt,  Rh,  Pd,  Hg,  Ag,  Cu,  U,  Bi,  8n,  Pb,  Cd,  Co,  Ni,  Fe, 
Zn,  Mn,  Ce,  Th,  Zr,  AI,  Y,  G,  Mg,  Ca,  Sr,  Ba,  L,  Na,  K,  H. 

Wenn  es  schon  sehr  verdienstlich  ist,  eine  Zusammenstellung  der  Elemente  be- 
züglich ihrer  elektrischen  Eigenschaften  zu  schaffen,  so  ist  doch  zu  bedenken,  dass 
dieselbe  für  theoretische  Speculationen  eine  zu  ungenaue  Grundlage  bietet,  indem 
für  ein  Studium  des  elektrischen  Verhaltens  der  Elemente  die  absolute  Reinheit 
derselben  erste  Bedingung  ist,  eine  Bedingung,  die  noch  jetzt  äusserst  schwer  — 
damals  natürlich  noch  weniger  —  erfüllt  werden  konnte. 

Eine  Tabelle,  welche  —  soweit  es  die  jetzigen  Kenntnisse  gestatten  —  das 
elektrische  Verhalten  der  einzelnen  Elemente  gegen  einander  zugleich  unter  Be- 
rücksichtigung ihrer  Zusammengehörigkeit  in  Familien  darlegt  (entnommen  aus 
Loth.  Meyer,  Moderne  Theorien  der  Chemie,  5.  Aufl.,  pag.  549)  ist  im  Folgenden 


Digitized  by  Google 


ELEKTROCHEMISCHE  THEORIE.  —  ELEKTRODYNAMIK.  675 

wieder  gegeben;  die  Spitze  der  Pfeile  ist  stets  gegen  das  positivere  Element 
gerichtet. 


Li  4 —  Bö  ^ —  B  -f-  C  4 —  N  4 — 0 

+  i  *      t         +  + 

(P)  >►  Na  4        Hg  4  AI       Si  4         P  4  S  -<   Cl 

4-4-  4-4-4-4- 

(Cl)  >-  K  4        Ca  4  Sc  ^_  Ti       V  ^-  Cr  >►  Mn  4   Fe  ^-Co^-Ni^- 


(Ni) 


(Br). 


4^^^^  ^^^^ 
>-  Zn  -4-6«       —  4  As  ^  Se4  Br  — 1>  | 

^    T          f          yr  II  \~ 

Rb  *<-|-  Sr  4-|-  Y  -4—  Zr  4       Nb   j    Mo    j    —         Ru  Rh4-Pd 

Ag  Cd  4- In       Sn  4  Sb4^-Te4  J   y 

4^-  Ba  ^<^-La      Ce«<^-  Ta  4^-W        —         Os  ->Ir->-Pt->- 


(Pd) 

(J)  ►  Cs 

(Pt)  y  Au   y  Hg       Tl  4-  Pb 

—  —         Th    —  Ü 

Obgleich  bei  dem  gegenwärtigen  Stande  unserer  Kenntnisse  Specnlationen  Uber 
den  Zusammenhang  der  elektrischen  Erscheinungen  mit  dem  chemischen  Verhalten 
der  Elemente  verfrüht  ergeheinen,  so  ist  doch  das  Bestehen  eines  solchen 
Zusammenhanges  nicht  zu  leugnen,  unzweifelhaft  steht  jedenfalls  die  Elek- 
tricität  mit  der  als  Affinität  bezeichneten  Eigenschaft  der  Elemente  in  naher 
Beziehung  und  hat  noch  jetzt  die  von  H.  Davy  ausgesprochene  Ansicht,  dass  Körper, 
wenn  sie  vermöge  ihrer  kleinsten  Theilcben  wirken,  chemische  Erscheinungen  her- 
vorbringen, wenn  sie  dagegen  als  Massen  wirken,  elektrische  Wirkungen  äussern 
—  dass  also  diese  beiden  verschiedenen  Erscheinungen  durch  eine  und  die- 
se 1  b e  Kraft  erzeugt  werden  —  die  grösste  Wahrscheinlichkeit.  Ehrenberg. 

Elektroden  (6o\S; ,  Weg)  nennt  man  nach  Faraday  jene  beiden  Stellen  der 
Leitung  eines  galvanischen  Stromes,  durch  welche  er  in  einen  zersetzbaren  Körper, 
Elektrolyten  (s.  Elektrolyse),  eintritt  und  ihn  verlässt.  Jene  Stelle,  welche  mit 
dem  positiven  Pol  der  Stromquelle  in  Verbindung  steht,  bezeichnet  man  als  Anode 
(ivi,  hinauf),  die  mit  dem  negativen  Pol  verbundene  als  Kathode  (xxtx, 
hinunter).  Diese  Namen  finden  ihre  Erklärung  in  dem  Umstand,  dass  man  sich  den 
Strom  von  Ost  nach  West  verlaufend  und  mit  der  Sonne  auf-  und  absteigend  dachte. 

Als  Elektroden  bezeichnet  man  auch  zwei  solche  Leiter,  zwischen  welchen  eine 
elektrische  Funkenentladung  stattfindet. 

Für  ärztliche  Zwecke  werden  den  Elektroden,  das  heisst  jenen  Leitertheilen,  durch 
welche  der  elektrische  Strom  in  den  menschlichen  oder  thierischen  Körper  zu-  und 
abgeleitet  wird,  je  nach  der  beabsichtigten  Wirkung  sehr  verschiedene  Formen  ge- 
geben. Zumeist  bestehen  sie  aus  geraden  oder  schwach  gekrümmten  Metallstäben 
an  isolirenden  Griffen  und  besitzen  verschiedene  Ansätze,  wie  abgerundete  Spitzen, 
Knöpfe  und  Oliven,  die  zur  Vermeidung  der  Oxydation  mit  dünnen  Platinplättchen 
belegt  sind.  Sie  werden  gewöhnlich  mit  feinem  Schwamm  überzogen  und  vor  dem 
Gebrauch  in  warmes  Wasser  getaucht,  damit  der  Strom  auf  seinem  Wege  einen 
möglichst  kleinen  Widerstand  findet.  Auch  lange,  spitze  Nadeln,  Zangen  und  Pinsel 
aus  feinen  Silber-  oder  Goldfäden  dienen  in  bestimmten  Fällen  als  Elektroden. 

Unter  unpolarisirbaren  Elektroden,  wie  sie  namentlich  bei  physiologischen 
Versuchen,  z.  B.  der  Prüfung  thierischer  Gewebe  auf  Elektricitätsentwicklung,  in 
Verwendung  kommen  müssen,  versteht  man  solche,  bei  deren  Gebrauch  durch  das 
Anlegen  der  elektrolytischen  Zersetzungsproducte  keine  dem  angewendeten  Strom 
entgegenwirkende,  also  ihn  schwächende  elektromotorische  Kraft  auftritt.  Unpolarisir- 
bar  sind  nach  den  Versuchen  Ddbois-Reymond's  nur  Elektroden  ausamalgarairtem 
Zink  in  Lösungen  von  schwefelsaurem  Zinkoxyd  oder  von  Chlorzink.  Pituch. 

Elektrodynamik,  s,  induetion. 

43* 

Digitized  by  Google 


676 


ELEKTROLYSE. 


Elektrolyse  (Xusi;,  Lösung,  Scheidung)  ist  die  Zersetzung  flüssiger,  chemisch 
zusammengesetzter  Körper  durch  den  elektrischen  Strom.  Die  auf  diesem  Wege 
zersetzbaren  Körper  nennt  man  Elektrolyte  ()vur6;,  lösbar).  Um  die  Zer- 
setzung eines  Elektrolyten  einzuleiten  ,  schaltet  man  ihn  zwischen  zwei  von  den 
Polen  einer  hinreichend  starken  Stromquelle  kommende  Drähte  ein.  Hierbei 
scheiden  sich  die  Bestandteile  de«  zersetzten  Körpers  nur  an  der  Ein-  und 
Austrittsstelle  des  elektrischen  Stromes,  den  Elektroden  (ö86$,  Weg)  ab,  während 
die  zwischen  ihnen  befindliche  Substanz  unverändert  ihre  Zusammensetzung  bewahrt. 
Die  ausgeschiedenen  Bestandteile  bezeichnet  man  als  Ionen  (iov,  wandernd),  und 
zwar  den  an  der  Eintrittsstelle  des  Stromes,  der  Anode  (s.  Elektroden),  das 
Anion,  den  an  der  Austrittsstelle,  der  Kathode,  abgeschiedenen  das  Kation. 
Da  sich  das  Anion  an  der  positiven,  das  Kation  an  der  negativen  Elektrode  ab- 
scheidet ,  von  elektrischen  Körpern  aber  sich  die  ungleichnamig  elektrischen  an- 
ziehen, nennt  mau  auch  das  erste  den  elektronegativen,  das  zweite  den 
elektropositiven    Bestandtheil     des   Elektrolyts.     Die  elektrolytische 

Fig.  108. 


Leitung  des  elektrischen  Stromes,  bei  welcher  stets  eine  Zersetzung  des  Leiters 
erfolgt ,  steht  im  Gegensatz  zur  metallischen  Leitung,  bei  welcher  dies  nicht  der 
Fall  ist.  In  flüssigen,  chemisch  zusammengesetzten  Körpern  findet  nie  eine  Leitung 
des  elektrischen  Stromes  ohne  Zersetzung  statt.  Anderseits  ist  die  flüssige,  durch 
Schmelzen  oder  Lösung  erzielte  Form  des  Elektrolyten  eine  für  die  Zersetzung 
nothwendige  Bedingung. 

Was  die  zur  Elektrolyse  verwendeten  Apparate  anbelangt,  bedient  man  sich 
nach  G.  WiKhKMANN  für  Lösungen  mit  Yortheil  zweier  neben  einander  stehender, 
mit  Glasplatten  bedeckter,  eylindriseher  Gefässe  a,  at  (s.  Fig.  108),  in  deren 
jedes  eine  Platinelektrode  c  und  c,,  die  an  den  Platindrähten  i  t\  befestigt  sind, 
hineinragt.  Aus  dem  Innern  der  Gefässe  führen  die  Röhren  d  e  und  dx  ex  nach 
aussen  und  sind  unter  einander  durch  das  Querstück  f  verbunden ,  das  an  dem 
Ständer  h  befestigt  ist  und  eine  Ausaugröhre  mit  Hahnverschluss  g  besitzt  Nach- 
dem die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  in  die  Getässe  gebracht  wurde,  saugt  man 
bei  g  auch  das  Röhreusystem  voll  und  versehliesst  dann  den  Hahn.  Eine  Ver- 
mischung der  Flüssigkeiten  bei  der  Elektrolyse  ist  durch  die  Form  der  Röhren 


Digitized  by  Google 


ELEKTROLYSE. 


U77 


vollkommen  ausgeschlossen.  Nach  Beendigung  des  Versuches  fallt  dann  die  Flüssig- 
keit beim  Oeffnen  des  Hahnes  wieder  in  die  Gefässe  zurück,  deren  Inhalt  nun- 
mehr chemisch  geprüft  werden  kann.  Der  Apparat  erfordert  wegen  seines  grösseren 
inneren  Widerstandes  anch  eine  Stromquelle  von  grösserer  Intensität ,  nämlich 
ungefähr  zehn  bis  zwölf  DANIELL-Elemente. 

Zum  Auffangen  gasförmiger  Zersetzungsproducte  dient  der  in  Fig.  10!*  darge- 
stellte Apparat.  Der  Elektrolyt  befindet  sich  in  dem  flach  cylindrischen  Glasgefäss 
A,  welches  mittelst  eines  gestielten  Kreisringes  von  einem  Stativ  getragen  wird. 
An  einem  Querstab  desselben  Stativs  hängen  auch  die  beiden  cylindrischen  Röhren 
h  und  o  und  stülpen  sich  über  je  eine  der  Platinelektroden,  zu  welchen  durch  den 
Boden  des  Gefässes  A  die  Zuleitungsdrähte  f  und  fx  führen.  Die  Auffaugröhren, 

in  welche  die  bei  der  Zersetzung 

Fig.  M». 

an  den  Elektroden  auftretenden 
Gase  aufsteigen,  müssen  natür- 
lich vor  Beginn  des  Versuches 
vollständig  mit  der  zu  untersu- 
chenden Flüssigkeit  gefüllt  sein. 

Die  für  die  Versuche  mit 
geschmolzenen  Substanzen  an- 
zuwendenden Apparate  richten 
sich  nach  den  speciellen  Eigen- 
schaften derselben,  so  dass  sich 
etwas  Allgemeines  in  dieser 
Richtung  nicht  sagen  lüsst. 

Das  Grundgesetz  der  Elek- 
trolyse wurde  im  Jahre  1833 
von  Faraday  aufgefunden,  wel- 
cher auch  die  oben  angeführten 
Bezeichnungen  aufgestellt  hat. 
Das  von  ihm  entdeckte  Gesetz 
lautet :  Durch  denselben  galva- 
nischen Strom  werden  in  glei- 
chen Zeiten  äquivalente  Menden 
der  Elektrolyte  zersetzt,  wobei 
die  Quantitäten  der  aus  ihnen 
an  beiden  Elektroden  abge- 
schiedenen Stoffe  gleichfalls  im 
Verhältniss  ihrer  Aequivalent- 
gewichte  stehen.  Dieses  Gesetz 
gilt  ebenso  wie  für  geschmol- 
zene auch  für  gelöste  Substan- 
zen und  im  letztgenannten  Fall 
spielen  sich  die  Vorgänge  gerade  so  ab,  als  ob  nur  die  gelöste  Substanz  allein 
vom  Strom  durchflössen  würde. 

Ob  ein  Körper  ein  Elektrolyt  ist  oder  nicht,  lässt  sich  im  Allgemeinen  nicht 
von  vornherein  bestimmen,  doch  bietet  in  manchen  Fällen  die  chemische  Zusammen- 
setzung Anhaltspunkte  für  eine  solche  Entscheidung.  Dies  tritt  bei  den  sogenannten 
binären  Verbindungen  mit  metallischen  Basen  ein,  wofür  einige  Beispiele  ange- 
führt werden  sollen.  Wasser  ist  in  vollkommen  reinem  Zustand  kein  Leiter  des 
elektrischen  Stromes,  wird  es  aber  durch  Zusatz  einiger  Tropfen  Schwefelsflure. 
Sofort  erfolgt  auch  durch  den  Strom  die  Zersetzung,  bei  welcher  sich  an  der  Anode 
Sauerstoff,  an  der  Kathode  Wasserstoff  abscheidet,  so  dass  für  je  neun  Gewichtstbeile 
zersetzten  Wassers  ein  (iewichtstheil  Wasserstoff  und  acht  Gewichtstheile  Sauerstoff 
auftreten.  Die  Wasserzersetzung  wurde  zuerst  im  Jahre  1800  von  Carlisle  und 
Nicholson  beobachtet.  Bei  der  Zerlegung  concentrirter  Lösungen  von  Chlor-,  Br<»in- 
und  Jodwasserstoffsäuren  erscheinen  Chlor,   Brom  und  Jod  am  positiven,  Wasser- 

Digitized  by  Google 


0  78 


ELEKTROLYSE. 


8t off  am  negativen  Pol,  so  dass  einem  GewichtstheÜ  Waaseretoff  respeetive  35.4, 
79.7,  126.5  Gewich  tetheile  ausgeschiedener  Substanz  am  positiven  Pol  entsprechen. 
Auch  die  ChlorUre,  Bromüre,  Jodüre  und  Oberhaupt  im  Allgemeinen  die  Verbindungen 
eines  Metalloides  mit  einem  Metalle  sind  im  geschmolzenen  oder  gelösten  Zustand 
Elektrolyte.  Bei  ihrer  Zersetzung  scheiden  sich  die  Metalloide  an  der  Anode,  die 
Metalle  an  der  Kathode  aus.  In  ganz  ähnlicher  Weise  verhalten  sich  die  Oxyde. 
Sauerstoff  geht  an  die  positive,  Metall  an  die  negative  Elektrode 

Nach  demselben  Schema  zerlegen  sich  auch  die  Salze  der  mineralischen  Sauren, 
indem  das  Metall  an  der  negativen,  die  Säure  im  Verein  mit  Sauerstoff  an  der 
positiven  Elektrode  auftritt.  Hiernach  liefert  beispielsweise  die  Elektrolyse  des 
schwefelsauren  Kupferoxyds  Kupfer  an  der  Kathode,  wasserfreie  Schwefelsäure 
nebst  Sauerstoff  an  der  Anode.  Nach  dem  Vorgange  Davy's  denkt  man  sich  näm- 
lich die  Salze  als  binäre  Verbindungen  eines  Metalles  mit  einem  Radical ,  weleh 
beide  Bestandtheile  der  Strom  scheidet.  Im  vorliegenden  Fall  zerlegt  also  der 
Strom  die  ursprüngliche  Verbindung  2(Cu804)  in  Cua  und  2(S04)  =  2  (S08)  +  Oa. 
Auch  die  früher  angeführte  sogenannte  Wasserzersetzung  gehört  eigentlich  in  diese 
Kategorie  von  Elektrolysen,  denn  reines  Wasser  ist,  wie  schon  angegeben,  kein 
Elektrolyt,  sondern  erst  in  seiner  Verbindung  mit  Schwefelsäure,  also  in  der  Zu- 
sammensetzung 2  (Ha  SO*),  in  welcher  Wasserstoff  als  Metall  gilt.  Bei  der  Zer- 
legung tritt  das  Metall  2Ha  an  der  negativen  Elektrode,  das  Radical  2(80,)  an 
die  positive  Elektrode,  wobei  es,  da  es  nicht  frei  bestehen  kann,  in  2  (SOs),  das 
in  der  Lösung  bleibt,  und  Os,  das  entweicht,  zertällt. 

Nach  Hittorf  sind  Elektrolyte  alle  Substanzen ,  die  ihre  Bestandtheile  durch 
doppelte  Wahlverwandtschaft  mit  den  Bestandteilen  binärer,  ans  zwei  Elementen 
bestehenden  Verbindungen  austauschen  können,  eine  Regel,  die  jedoch  einige  Aus- 
nahmen zulässt. 

Das  Verhalten  der  Verbindungen  von  Metalloiden  unter  einander  ist  ein  be- 
deutend complicirteres  und  lässt  sich  nicht  unter  bestimmte  Regeln  bringen.  Viele 
dieser  Verbindungen,  wie  z.  B.  Chlorschwefel,  Schwefelkohlenstoff,  Schwefelsäure- 
anhydrit, sind  überhaupt  keine  Elektrolyte. 

Was  die  organischen  Verbindungen  anbelangt,  so  gelten  zur  Entscheidung  über 
ihre  Zersetzbarkeit  und  über  die  Bestandtheile,  in  welche  sie  zerfallen,  alle  för 
anorganische  Verbindungen  aufgestellte  Regeln,  insoweit  dieselben  ihrer  Natur  nach 
auf  diese  Weise  übertragen  werden  können.  Insbesondere  scheidet  sich  also  l»ei 
der  Verbindung  einer  organischen  Säure  mit  einem  Metall  das  letztere  an  der 
Kathode  aus,  während  das  Säureradical  sich  an  die  Anode  begibt  und  in  seine 
weiteren  Bestandtheile  zerfällt. 

Die  Elektrolyse  geht  übrigens  in  den  seltensten  Fällen  so  einfach  vor  sich, 
wie  dies  bei  den  besprochenen  Zersetzungen  angenommen  wurde.  Die  Verhältnisse 
compliciren  sich  bedeutend  durch  die  sogenannten  secundären  Processe,  welche 
sich  in  Folge  der  Wechselwirkung  zwischen  den  ausgeschiedenen  Bestandteilen, 
den  Elektroden  und  der  noch  unzerlegten  Substanz  abspielen.  Der  primäre  Process 
der  Zerlegung  geht  aber  auch  in  solchen  Fällen  vollständig  unabhängig  von  den 
Veränderungen  vor  sich,  welche  die  Ionen  nach  ihrer  Abscheidung  erleiden  und 
verursachen  mögen.  Die  Hauptursachen  dieser  secundären  Processe  sind  folgende. 
In  erster  Linie  oxydirt  der  an  der  Anode  auftretende  Sauerstoff  alle  oxydirbaren 
Substanzen  Reiner  Umgebung,  sei  es  die  Elektrode,  seien  es  die  Zersetzungs- 
produete ,  mit  welchen  er  gleichzeitig  auftritt ,  oder  die  Lösung  selbst.  So  löst 
sich  bei  der  Elektrolyse  des  schwefelsauren  Kupferoxydes  unter  Anwendung  einer 
Kupferkathode  letztere  durch  die  Einwirkung  des  an  ihr  abgeschiedenen  Sauer- 
stoffes und  Schwefelsäureanhydrits  allmälig  zu  schwofelsaurem  Kupferoxyd  auf, 
so  dass  der  elektrolytische  Process  sich  auf  einen  Transport  einer  bestimmten 
Metallmenge  von  der  Anode  zur  Kathode  zu  beschränken  seheint ,  wobei  der 
Elektrolyt  nicht  in  Mitleidenschaft  gezogen  wird.  Zuweilen  zerlegt  das  an  der 
negativen  Elektrode  ausgeschiedene  Metall  das  Wasser  der  Lösung.  So  tritt  z.  B. 
bei  der  Elektrolyse  von  Jodkalium  an  der  Kathode  an  Stelle  des  Kaliums  Wasser- 

Digitized  by  Google 


ELEKTROLYSE. 


679 


stoff  auf,  der  von  der  Zersetzung  des  Wassers  durch  das  ausgeschiedene  Metall  her- 
rührt, wobei  Kali  in,  Lösung  übergeht.  Bei  der  Wasserzersetzung  absorbiren  Kathoden 
ans  Platin  oder  Palladium  sehr  beträchtliche  Mengen  des  auftretenden  Wasserstoff- 
gases, Platin  das  acbtzigfache,  Palladium  das  sechshundertfache  seines  Volumens. 

Lässt  man  eine  und  dieselbe  elektrolytische  Substanz  dnrch  verschieden  starke 
8tröme,  deren  Intensität  nach  ihren  magnetischen  Wirkungen  gemessen  werden, 
während  gleicher  Zeit  zersetzen,  so  ist  die  Gewichtsmenge  der  zersetzten  Substanz 
oder  eines  der  Ionen  der  Stromstärke  proportional.  Man  kann  also  die  Stärke 
eines  elektrischen  Stromes  auch  nach  der  Gewichtemenge  beurtheilen ,  die  er  in  i 
bestimmter  Zeit  von  einem  geeigneten  Elektrolyten  zersetzt,  oder  nach  der  Ge- 
wichtsmenge eines  der  Ionen,  welches  er  in  dieser  Zeit  ausscheidet  oder,  wenn 
das  Ion  gasförmig  ist,  auch  nach  dem  Volumen,  das  es  bei  760  mm  Quecksilber- 
druck und  der  Temperatur  von  0  Graden  einnimmt.  Als  Stromeinheit  gilt  dann 
die  Intensität  jenes  Stromes ,  welcher  in  der  Zeiteinheit  die  Gewichtseinheit,  eines 
Elektrolyten  zersetzt,  oder  welcher  in  der  Zeiteinheit  die  Gewichtseinheit  respective 
Volumeinheit  eines  Ionen  abscheidet.  Eine  solche  Einheit  nennt  man  eine 
ohemische  Einheit  der  Stromstärke.  Die  am  häufigsten  angewendeten 
Arten  einer  derartigen  Strommessung  sind  die  Elektrolyse  von  angesäuertem  Wasser, 
von  Silbersalzen  und  schwefelsaurem  Kupferoxyd. 

Bei  der  Elektrolyse  von  zwei  Substanzen  in  einer  Lösung  zertbeilt  sich  nach 
den  Versuchen  von  Hittorf  der  Strom  zwischen  beiden  Substanzen  nach  Mass- 
gabe ihres  elektrischen  Leitungsvermögens,  und  beide  Substanzen  werden  dann 
nach  Massgabe  jenes  Stromtheiles  zerlegt,  welcher  sie  durchsetzt.  Natürlich  werden 
auch  hier  wieder  die  einfachen  primären  Vorgänge  auf  vielfache  Weise  von  sccun- 
dären  Processen  beeinflusst,  durch  welche  an  den  Elektroden  ganz  andero  Sub- 
stanzen erscheinen  können,  als  der  reinen  Elektrolyse  entsprechen. 

Eine  die  Elektrolyse  begleitende  Nebenerscheinung  ist  die  sogenannte  Wan- 
derung der  Ionen,  vermöge  welcher  die  Concentration  der  Lösung  des  Elek- 
trolyts während  der  Zersetzung  an  der  Kathode  ab-,  an  der  Anode  aber  zunimmt. 

Ueber  die  elektrolytischen  Vorgänge  iu  der  galvanischen  Kette  s.  Elemente, 
galvanische  und  Galvanisraus. 

Durch  Elektrolyse  erklären  sich  auch  manche  merkwürdige  Vorgänge.  So  ent- 
wickelt sich  Wasserstoffgas,  wenn  man  ein  Gemenge  von  Eisen-  und  Kupferspänen  in 
Wasser  wirft.  Durch  Aneinanderlegen  derselben  entstehen  nämlich  kleine  galvanische 
Elemente,  deren  Ströme  das  Wasser  zersetzen.  Ebenso  ist  die  Auflösung  des  käuf- 
lichen Zinkes  in  Schwefelsäure  ein  elektrolytischcr  Process,  der  bei  chemisch  reinem 
Zink  nicht  eintritt.  Die  zwischen  dem  Zink  und  seinen  Vereinigungen  entstehenden 
elektrischen  Ströme  scheiden  bei  der  Zerlegung  der  Schwefelsäure  am  Zink  Sauer- 
stoff und  Schwefelsäureanhydrit  ab,  wodurch  die  Auflösung  zu  schwefelsaurem 
Zinkoxyd  erfolgt.  Durch  Amalgamirung  des  Zinkes  wird  dieser  Process  verhindert, 
indem  an  der  amalgamirten,  gleichförmig  gemachten  Oberfläche  solche  Ströme  sich 
nicht  bilden  können.  Auf  Elektrolyse  beruht  auch  die  Fällung  eines  Metalles 
aus  den  Lösungen  seiner  Salze  durch  ein  anderes  Metall.  An  einem  Eisenstab 
z.  B.,  der  in  eine  Lösung  schwefelsauren  Kupferoxydes  getaucht  wird,  bilden  sich 
infolge  der  Ungleichartigkeiten  an  seiner  Oberfläche  kleine  Elemente,  deren  Ströme 
die  Lösung  zersetzen  und  Kupfer  am  Eisen  niederschlagen.  Dieser  Niederschlag 
bildet  mit  dem  Eisen  neuerdings  ein  Element,  dessen  Ströme  Kupfer  niederschlagen, 
Eisen  aber  gleichzeitig  auflösen.  Bedingung  für  den  Eintritt  einer  solchen  Fällung 
ist ,  dass  die  eingetauchten  Metalle  elektropositiver  als  die  gelösten  sind ,  damit 
die  augenblicklich  niedergeschlagenen  Metalltheile  bei  den  hierdurch  neugebildeten 
galvanischen  Elementen  für  die  weitere  Zersetzung  die  Kathode  bilden,  an  welcher 
der  weitere  Metallniederschlag  erfolgt. 

Eine  alle  Details  der  Elektrolyse  umfassende  Theorie  derselben  gibt  es  noch 
nicht.  Die  gegenwärtig  am  meisten  verbreitete  Theorie,  welche  wenigstens  über 
die  Haupterscbcinungen  der  chemischen  Stromwirkung  Rechenschaft  ablegt,  nimmt 
an,  dass,  wie  beim  Contacte  zweier  verschiedenartiger  Körper,  so  auch  bei  der  Be. 

Digitized  by  Google 


680 


ELEKTROLYSE.. 


rührung  der  kleinsten  Theilchen  der  Substanzen  die  entgegengesetzten  Elektrici- 
täten  geschieden  werden.  Dnrch  das  Einsenken  der  Elektroden  in  den  Elektrolyten 
tritt  eine  derartige  Richtung  aller  seiner  Theilchen  ein,  dass  sich  die  positiv  elek- 
trisch geladenen  gegen  die  negative  Elektrode ,  die  negativ  geladenen  gegen  die 
positive  kehren.  So  kehren  sich  beispielsweise  bei  der  Elektrolyse  von  Chlornatrium 
die  negativ  geladenen  Chlortheilchen  (s.  Fig.  110)  gegen  die  Anode,  die  positiv 
geladenen  Natriumtheilchen  gegen  die  Kathode.  Ist  nun  die  Anziehungskraft,  welche 
die  Elektroden  auf  die  ihnen  gegenüberstehenden,  ungleichnamig  elektrischen  Theil- 
chen ausüben,  grösser  als  jene  Kraft ,  mit  welcher  je  zwei  Theilchen  zusammen- 
halten, so  tritt  eine  Trennung  ein.  In  dem  gewählten  Beispiel  scheidet  sich  also 
Chlor  an  der  einen,  Natrium  an  der  anderen  Elektrode  unelektrisch  ab.  Die  hier- 
durch an  beiden  Seiten  der  betrachteten  Molekülreihe  frei  gewordenen,  entgegen- 
gesetzt elektrischen  Bestandtheile  wirken  nun  zersetzend  auf  die  angrenzenden 
Moleküle  ein  und  vereinigen  sich  mit  dem  entsprechenden  Bestandteil  derselben, 
ein  Process,  der  sich  so  lange  fortsetzt,  bis  die  ganze  Reihe  dieselbe  Zusammen- 
setzung wie  früher,  aber  ein  Theilchen  weniger  zeigt,  an  dessen  Stelle  aus  der 
übrigen  Flüssigkeit  ein  anderes  eintritt.  Nachdem  die  neue  Reihe  sich  wieder 
orientirt  hat ,  geht  die  weitere  Zersetzung  genau  in  derselben  Weise  vor  sich  wie 
früher.  Da  bei  der  Zersetzung  jedes  Moleküls  eine  bestimmte  Elektricitätsnienge, 
die  zur  Neutralisation  des  elektrischen  Zustandes  der  getrennten  Theilchen  ver- 
wendet wurde,  von  den  Elektroden  abfliegst,  so  können  in  demselben  Verhältnis, 
in  welchem  die  in  gleichen  Zeiten  den  Elektroden  zuströmenden  Elektrieitäts- 
mengen  sich  vergrössem,  auch  mehr  Moleküle  zersetzt  werden,  d.  h.  das  Gewicht 
des  in  gleichen  Zeiten  zerlegten  Klektrolyten  ist  dor  Stromstärke  proportional. 

Fig.  lio. 


In  dieser  Theorie  bildet  der  Umstand  eine  Schwierigkeit,  das«  nach  ihr  eine 
Zersetzung  erst  dann  eintreten  würde,  wenn  die  von  den  Elektroden  ausgehende 
Wirkung  eine  gewisse  Grenze  überschreitet,  nämlich  grösser  wird  als  die  Kraft, 
mit  welcher  die  Theilchen  zusammenhängen.  Andererseits  zeigt  aber  die  Erfahrung, 
dass  auch  schon  der  schwächste  Strom  die  ihm  entsprechende  Wirkung  ausübt. 
Um  diese  Schwierigkeit  zu  umgehen,  nimmt  Clausius  an,  dass  in  jeder  Flüssig- 
keit sich  die  Theilchen  in  verschiedenster  Weise  aneinander  vorbei  bewegen  und 
aneinanderstosseu,  wobei  sich  bei  zusammengesetzten  Körpern  die  Bestandtheile 
der  einzelnen  Moleküle  nianuigfach  unter  einander  austauschen.  Die  Flllssigkeits- 
theilchen  befinden  sich  daher  m  einem  Zustand  beständiger  Zersetzung  und  Neu- 
verbindung. Taucht  man  nun  Elektroden  in  die  Flüssigkeit,  so  wird  die  Bewegung 
der  Theilchen,  die  früher  nach  allen  Richtungen  gleichmässig  vor  sich  ging,  derart 
modificirt ,  dass  die  positiv  geladenen  Theilchen  sich  leichter  gegen  die  Kathode, 
die  negativ  geladenen  gegen  die  Anode  bewegen.  Im  Innern  der  Flüssigkeit  ver- 
binden sich  je  zwei  in  solcher  Weise  befreite  Ionen,  die  sich  bei  ihrer  entgegen- 
gesetzt gerichteten  Bewegung  treffen,  zu  einem  Flüssigkeitsmolekül,  an  der  Kathode 
aber  findet  ein  sich  bewegendes  Kation  kein  entgegenkommendes  Anion  und  ebenso 
an  der  Anode  das  Anion  kein  Kation,  so  dass  beide  frei  an  den  Elektroden  auf- 
treten. Da  eine  solche  Richtung  der  Bewegung  schon  bei  der  geringsten  elektri- 
schen Einwirkung  stattfinden  muss.  erklärt  es  sich ,  warum  schon  der  schwächste 
Strom  eine  seinsr  Intensität  entsprechende  Wirkung  ausübon  wird. 

Ausser  in  der  Chemie,  in  welcher  ja  die  Alkalimetalle  durch  Elektrolyse  ent- 
deckt wurden,  findet  die  Elektrolyse  auch  im  technischen  Leben  bei  der  Galvano- 
plastik, beim  Vergolden.  Versilbern,  Vernickeln  von  Gegenständen  und  bei  der 
Trennung  der  Metalle  von  ihren  Uureinigkeiten  eine  ausgedehnte  Anwendung.  In 


Digitized  by  Google 


ELEKTROLYSE.  —  ELEKTROMETER. 


681 


der  Chirurgie  bietet  sie  Hilfsmittel  zur  Beseitigung  von  Geschwülsten,  Geschwüren, 
Exsudaten  und  Stricturen.  Pitsch. 

Elektrometer  (f/irpov,  Maass)  ist  ein  Apparat,  welcher  die  Messung  der  Inten- 
sität elektrischer  Kräfte  gestattet.  Alle  solche  Apparate  stimmen  darin  überein, 
dass  den  zu  messenden  elektrischen  Kräften  durch  andere,  deren  Intensität  leicht 

ermittelt  werden  kann,  wie  die  Schwere,  die  Tor- 
sionskraft eines  feinen  Drahtes  oder  die  Richtkraft 
eines  Magnetes,  das  Gleichgewicht  gehalten  wird. 

Die  früher  üblichen  Oonstructionen  solcher  In- 
strumente, wie  die  von  Dellmann,  Riess  u.  A. 
sind  jetzt  zumeist  durch  das  THOMSON'sche  Q  u  a- 
drantenelektrometer  und  seine  vielfachen 
Modificationen  verdrängt. 

Die  wesentlichen  Bestandtheile  dieses  Apparates 
sind  die  Quadranten  A,  Ä ,  B,  B'  (s.  Fig.  111), 
welche  in  der  aus  der  Zeichnung  ersichtlichen 
Weise  ein  merkwürdig  geformtes  Sckeibchen  G  G 
umschliessen.  Die  Quadranten  sind  die  vier  Theile 
einer  durch  zwei  Schnitte  vollständig  getheilten,  cylindrischen  Metallbüchse.  Je  zwei 
aneinander  grenzende  Quadranten  siud  von  einander  isolirt,  je  zwei  gegenüber- 
liegende, also  A  Ä  und  B  B1  leitend  verbunden.  Die  Scheibe  C  C  besteht  aus  zwei 
durch  die  zogehörigen  Durchmesser  zusammengehaltenen  Stücken  eines  Kreisringes 
und  schwingt  derartig  an  einem  im  Mittelpunkte  befestigten  feinen  Drahte,  dass 
ihre  Ebene  stets  parallel  zu  der  oberen  und  unteren  Begrenzungsfläche  der  Büchse 
und  genau  in  der  Mitte  zwischen  beiden  bleibt.  C  C  steht  nun  mit  der  inneren 
Belegung  einer  sehr  stark  geladenen  Leydenerflasche,  die  gleichzeitig  dem  ganzen 
Apparat  als  Gehäuse  dient,  in  leitender  Verbindung  und  ist  auf  diese  Weise  stark 
elektrisch  geladen.  Trotz  dieser  Ladung  bleibt  die  Scheibe  in  Ruhe,  wenn  sie  genau 
symmetrisch  zu  den  Quadranten  liegt  und  diese  keine  Ladung  besitzen.  Zur 
Untersuchung  des  elektrischen  Zustande»  eines  Körpers  verbindet  man  denselben 
mit  dem  einen  Quadrantenpaar,  während  man  das  andere  leitend  mit  der  Erde 
verbindet,  um  es  von  elektrischer  Spannung  frei  zu  halten.  8ogleich  dreht  sich 
die  Scheibe  CG  zum  grösseren  Theil  in  die  geladenen  oder  nicht  geladenen  Qua- 
dranten, je  nachdem  die  Ladung  dieser  letzteren,  also  auch  jene  des  untersuchten 
Körpers,  mit  der  Scheibenladung  ungleichnamig  oder  gleichnamig  ist.  Diese  Drehung 
währt  so  lange,  bis  die  hierdurch  bewirkte  rückdrehende  Kraft  des  Metallfadens, 
an  welchem  die  Scheibe  schwebt,  der  ablenkenden  Kraft  das  Gleichgewicht  hält. 
Das  zurückdrehende  Moment  des  Fadens  ist  abor  dem  Drehungswinkel  proportional. 
Die  beobachtete  Ablenkung  der  Scheibe  aus  ihrer  Gleichgewichtslage,  eine  Grösse, 
welche  mittelst  Spiegelablesung  bestimmt  wird ,  gibt  also  über  die  Intensität  des 
untersuchten  elektrischen  Zustandes  Aufschlug».  Ebenso  lässt  sich  aus  der  Ab- 
lenkung der  Scheibe  aus  der  Ruhelage  ein  8chluss  auf  den  Unterschied  in  der 
elektrischen  Ladung  zweier  Körper  ziehen,  wenn  man  jeden  mit  je  einem  Quadranten- 
paar verbindet.  Was  die  Details  des  Apparates  anbelangt,  müssen  wir  auf  die  in 
allen  grösseren  Lehrbüchern  über  Elektricität  enthaltenen  genauen  Beschreibungen 
desselben  verweisen  (s.  z.  B.  Wirdemann,  Lehre  von  der  Elektricität;  Wüllxer, 
Experimentalphysik ;  Müller-Poüillet,  Physik). 

Ein  sehr  eigentümliches  Instrument  ist  das  von  Lippmann  construirte  Capi  llar- 
elektrometer,  welches  zur  Messung  sehr  kleiner  elektrischer  Spannungsunter- 
schiede oder  elektromotorischer  Kräfte  (s.  Elektricität)  dient.  Eine  schema- 
tische Zeiclmung  dieses  Apparates  liefert  Fig.  112.  Eine  beiderseits  offene  Röhre  A, 
die  an  einem  Ende  in  eine  capülare  Spitze  von  ausserordentlich  kleinem,  innerem 
Durohmesser  ausläuft,  wird  mit  Quecksilber  gefüllt  und  vertical  in  ein  cylindrisches, 
mit  zwei  seitlichen  Ansätzen  versehenes  Glasgefäss  B  so  eingesenkt ,  dass  die 
Spitze  nicht  in  das  den  Boden  bedeckende  Quecksilber  eintaucht.    Ueber  dieser 

Digitized  by  Google 


ELEKTEOMETKR.  —  ELEKTROPEOR. 


Queeksilberschichte  befindet  sich  verdünnte  Schwefelsäure,  die  auch  zum  Theil  in 
die  Capillarröhre  hineinreicht  und  den  Quecksilbermeniscus  in  derselben  bespült. 
Der  Molekulardrnck  an  dieser  stark  gekrümmten  Quecksilberoberfläche  ist  es, 
der  dem  Druck  der  Quecksilbersäule  in  A  das  Gleichgewicht  hält.  Mit  der 
Quecksilberkuppe  steht  durch  das  Quecksilber  in  A  der  Zuleitungsdraht  Ot 
mit  der  Bodenschichte  der  Zuleitungsdraht  D  in 
Verbindung.  Zwischen  diese  Drähte  wird  die  zu 
messende  elektromotorische  Kraft  eingeschaltet, 
und  zwar  so,  daas  der  negative  Pol  mit  C 
in  Berührung  tritt  Die  Messung  gründet  sich 
auf  die  Veränderung,  welche  die  Capillaritäts- 
constante  einer  Quecksilberelektrode  unter  dem 
Einfluss  der  galvanischen  Polarisation  erleidet. 
Nach  der  Einschaltung  der  bezeichneten  elektro- 
motorischen Kraft  wird  für  den  Augenblick  ein 
elektrischer  Strom  entstehen,  den  aber  sofort 
die  an  den  Elektroden  auftretende  Polarisation 
compensirt.  In  Folge  der  hierdurch  bewirkten 
Aenderung  der  Capillaritätsconstante  wird  der 
Meniscus  sofort  seine  Stellung  ändern,  und  zwar 
bei  der  bezeichneten  Schaltung  emporsteigen. 
Die  Bewegung  der  Quecksilberkuppe  beobachtet 
man  mittelst  Mikroskops  und  Okularmikrometers, 
das  gegenüber  der  Spitze  aufgestellt  ist.  Man 
beobachtet  aber  nicht  die  Verschiebung  der  Kuppe, 
sondern  bringt  den  Meniscus  durch  Ausübung 
eines  Druckes  auf  die  Quecksilberoberfläche  in  A 
genau  in  seine  frühere  Lage  und  misst  an  einem 
seitlich  angebrachten  Manometer  F  den  hierzu 
nothwendigen  Druck,  welcher  der  angewendeten 
elektromotorischen  Kraft  proportional  ist.  Die 
Ausübung  des  Druckes  geschieht,  indem  man  ein 
Kautschukgefäss  E,  von  dem  ein  Schlauch  zum 
Ende  der  Röhre  A  führt,  mit  einer  schraubstock- 
ähnlichen Vorrichtung  //  langsam  zusammendrückt  und  so  die  Luft  über  dem 
Quecksilberspiegel  compriniirt. 

Das  Instrument  kommt  ausser  bei  vielen  physikalischen  auch  bei  manchen 
physiologischeu  Untersuchungen  in  Anwendung.  Pttach. 

Elektromotor,  s.  Dynamo  elektrische  Maschine,  Bd.  in,  pag.  566. 

Elektronegativ,  s.  Eiekt  ropositi  v. 

ElektrophOT  (eposetv,  tragen)  ist  ein  von  Volta  construirter  Apparat  zur  Er- 
zeugung von  Elektricität.  Er  besteht  aus  einer  an  den  Rändern  gut  abgerundeten 
Blechschüssel ,  der  Form,  welche  ein  Harzkuchen,  seltener  eine  Ebonitscheibe, 
vollständig  ausfüllt.  Zur  Herstellung  eines  solchen  Harzkuchens  erwärmt  man  ein 
Geraisch  harziger  Bestandteile,  z.  B.  gleicher  Theile  Colophonium  und  Schwarz- 
pech ,  bis  zum  Schmelzen  und  giesst  es  dann  in  die  Schüssel ,  worauf  man  sie 
eine  Zeit  lang  in  einen  mässig  warmen  Ofeu  stellt,  damit  die  in  der  Masse  ent- 
haltenen Luftblasen  entweichen  können  und  der  Kuchen  nach  dem  Erkalten  eine 
glatte  Oberfläche  darbiete.  Weiters  gehört  noch  zum  Elektrophor  der  sogenannte 
Deckel,  eine  Blechplatte  von  etwas  geringerem  Durchmesser  als  die  Form  und 
mit  gut  abgerundeten  Rändern.  Mit  Hilfe  eines  Glasstieles  oder  dreier  Seiden- 
fäden kann  derselbe  isolirt  auf  den  Kuchen  aufgesetzt  und  abgehoben  werden. 

Zum  Gebrauch  des  Apparates  reibt  man  den  Kuchen  mit  einem  Thierfell  oder  Wolle, 
wobei  er  an  der  Oberfläche  negativ  elektrisch  wird.  Diese  negativ  elektrische  Schichte 


Digitized  by  Google 


ELEKTROPHOR.  —  ELEKTROSKOP. 


6S3 


wirkt  durch  Influenz  auf  die  Bodenfläche  der  Schüssel  ein,  wodurch  die  angezogene 
positive  Elektricität  derselben  gegen  den  Kuchen  hingezogen  wird,  während  die  ab- 
gestossene  negative  durch  die  als  leitend  angenommene  Unterlage  des  Elektrophors 
in  die  Erde  abfliegst,  so  dass  die  Bodenfläche  ausschliesslich  positive  Elektricität 
enthält.  Die  negative  Elektricität  der  Oberfläche  des  Kuchens  und  die  positive  des 
Bodens  der  Schüssel  werden  zwar  durch  die  isolirende  Substanz  des  Kuchens  an 
der  Vereinigung  gehindert,  halten  sich  aber  doch  durch  ihren  gegenseitigen  Zug 
fest,  so  dass  eine  Zerstreuung  in  die  Luft  nur  sehr  langsam  vor  sich  geht.  Hierin 
liegt  der  Grund,  warum  ein  Elektrophor  seine  Elektricität  lange  Zeit  hindurch 
bewahren  kann,  eine  Eigenschaft,  von  der  er  seinen  Namen  erhalten  hat.  Um 
Elektricität  zu  erzeugen,  legt  man  den  Deckel  auf  die  Oberfläche  des  Kuchens 
und  berührt  hierbei  ersteren  ableitend  mit  dem  Finger.  Durch  das  Auflegen  werden 
nämlich  die  Elektricitäten  im  Deckel  geschieden,  die  positive  an  die  Unterseite 
desselben  gezogen  und  hier  von  der  negativen  des  Kuchens  festgehalten,  während 
die  abgegossene  negative  des  Deckels  durch  den  Finger  in  die  Erde  entweicht. 
Der  Deckel  zeigt  sich  nun  positiv  geladen,  wenn  man  ihn  isolirt  abhebt.  Man 
kann  seine  Elektricität  auf  einen  anderen  Körper  übertragen,  sie  z.  B.  zur  Ladung 
einer  Leydenerflasehe  verwenden,  und  dann  das  Experiment  vom  neuen  vornehmen. 
Der  Kuchen  verliert  hierbei  nichts  von  seiner  Ladung,  so  dass  man  in  ihm  eine 
fast  unerschöpfliche  Quelle  von  Elektricität  zur  Verfügung  hat.  P  i  t  s  c  h. 

ElektrOplate  ist  versilbertes  Neusilber. 

ElektropOSftiV,  elektrOnegatiV.  Bei  der  Elektrolyse  einer  chemischen  Ver- 
bindung nennt  man  jenen  Bestandtheil ,  der  sich  an  der  Kathode  ausscheidet, 
elektropositiv ,  jenen  ,  der  sich  an  die  Anode  begibt ,  elektronegativ.  Berzblius 
ordnete,  allerdings  unter  Zuhilfenahme  mancher  mehr  oder  weniger  willkürlicher 
Hypothesen  ,  die  chemischen  Elemente  in  eine  Reihe ,  die  sogenannte  elektro- 
chemische, in  welcher  jedes  Glied  in  binärer  Verbindung  mit  einem  folgenden 
elektronegativ,  mit  einem  vorangehenden  elektropositiv  auftritt.  Die  Endglieder 
dieser  Reihe  sind  Sauerstoff,  der  in  allen  Verbindungen  elektronegativ,  und  Kalium, 
das  in  allen  Verbindungen  elektropositiv  ist.  Pitsch. 

Eiektl*OSkop  (««wratv,  beobachten)  ist  ein  Apparat,  welcher  zum  Nachweis 
des  elektrischen  Zustande«  von  Körpern,  nicht  aber  zur  Messung  der  Intensität 
desselben  geeignet  ist. 

Der  einfachste  Apparat  dieser  Art  ist  das  HENLEY'sche  Quadrantenelektroskop, 
wie  es  gewöhnlich  an  den  Conductoreu  von  Elektrisirmaschinen  zur  Untersuchung 
ihrer  Ladung  angebracht  ist.  An  einem  kleinen  Vorsprung  einer  vertical  am  Con- 
duetor  aufgestellten  Säule  aus  leitendem  Material  hängt  an  einem  Faden  eine 
leichte  Kngel,  welche  im  unelektrischen  Zustand  die  Säule  berührt.  Sobald  letztere 
elektrisch  wird,  theilt  sie  auch  der  Kugel  Elektricität  mit,  und  beide  stossen  sich 
ab,  so  dass  das  Pendel  unter  der  gleichzeitigen  Wirkung  dieser  Abstossung  und 
der  Schwerkraft  eine  gegen  die  verticale  geneigte  Richtung  annimmt.  Aus  der 
Grösse  der  Neigung  lässt  sich  ein  Schluss  auf  die  Grösse  der  Abstossung,  also  auch  auf 
die  Stärke  der  Ladung  ziehen.  Das  Instrument  ist  natürlich  sehr  unempfindlich  und 
daher  mehr  ein  Hilfsmittel,  um  den  Conductor  zu  verschiedenen  Zeiten  in  gleicher 
Weise  laden  zu  können,  als  ein  Prüfungsmittel  für  die  Grösse  der  Ladung  selbst. 

Au  Stelle  eines  Pendels  verwendet  man  bei  anderen  Elektrodkopen  deren 
zwei,  die  sich  dann  bei  gleichzeitiger  Ladung  abstossen.  Ein  solches  Doppelpendel 
ist  der  wesentliche  Bestandtheil  der  gebräuchlichsten  Instrumente.  Sie  bestehen 
aus  einem  tiasehenförmigen  Glasgehäuse  (s.  Fig.  113),  durch  dessen  Hals  ein 
Metallstab  hindurchgeht,  der  an  seinem  oberen  Ende  eine  Kugel,  an  seinem  unteren 
die  beiden  Pendel  trägt.  Je  nach  der  Substanz  dieser  letzteren  spricht  man  von 
einem  Faden-,  Strohhalm-,  Goldblattelektroskop,  von  welchen  das  letztgenannte  als 
das  empfindlichste  die  grösste  Verbreitung  besitzt.  Das  übliche  Glasgehäuse  ist  für 
Goldblattelektroskope  nicht  vorteilhaft,  indem  zuweilen  Elektricität  von  den  Gold- 


Digitized  by  Google 


684 


ELKKTROSKOP. 


Fig.  113. 


blättern  auf  die  Glashülle  tibergeht  und  die  Ladung  der  letzteren  dann  zu  Un- 
richtigkeiten in  den  Angaben  des  Instrumentes  fuhren  kann.  Aus  diesem  Grunde 
construirt  man  auch  nach  Beetz  die  Rulle,  soweit  dies  mit  dem  Zweck  des 
Instrumentes  vereinbarlich  ist,  aus  Metall. 

Wegen  der  grossen  Empfindlichkeit  der  Goldblattelektroskope  darf  man  sie  in 
den  meisten  Fällen  nicht  durch  directe  Berührung  mit  dem  zu  untersuchenden 
Körper,  sondern  nur  durch  seine  Annäherung,  also  durch  Influenz,  laden.  Bei  der 
Annäherung  eines  elektrischen  Körpers  aa  den  Knopf  des  Instrumentes  tritt 
nämlich  eine  Scheidung  der  Elektricitäten  in  demselben  ein,  durch  welche  die  mit 
der  angenäherten  Elektricität  ungleichnamige 
angezogen  und  festgehalten,  die  gleichnamige 
aber  abgestossen  und  in  die  Pendel  getrieben 
wird,  die  sie  zur  Divergenz  bringt.  Eine 
kurze  Berührung  des  Knopfes  mit  dem  Finger 
gentigt  aber ,  um  diese  Divergenz  durch  Ab- 
leitung der  freien  Elektricität ,  die  sie  ver- 
ursacht hat ,  zu  beseitigen.  Bei  der  Ent- 
fernung des  angenäherten  elektrischen  Körpers 
wird  sich  dann  die  im  Knopf  angesammelte 
ungleichnamige  Elektricität  auch  über  die  Gold- 
blättchen vertheilen,  aus  deren  Divergenz  man 
einen  Schluss  auf  die  Ladung  des  angenäher- 
ten Körpers  ziehen  kann.  Zur  Prüfung  des 
elektrischen  Zustande*  sehr  schwach  elektri- 
scher Körper,  die  auch  bei  directer  Berührung 
mit  dem  Zuleitungsknopf  des  Elektroskops 
keine  merkbare  Wirkung  auf  die  Goldblättehen 
ausüben,    dient  das  von  Volta  construirte 

Condensationselektroskop.  Ueber  seine  Wirkung  siehe:  Condensator,  pag.  246. 

Bei  dem  oben  beschriebenen  Instrument  sind  immer  zwei  Versuche  nothwendig, 
um  nicht  nur  das  Vorhandensein  der  Elektricität,  sondern  auch  die  Art  derselben 

Fig.  tu. 


zu  prüfen.  Sobald  man  nämlich  die  Pendel  durch  die  .  zu  prüfende  Elektrici- 
tät sinnige   zur  Divergenz  gebracht,   iuu*s   man   noch   untersuchen,    ob  durch 


ELEKTROSKOP.  —  ELEKTROTHERAPIE. 


685 


Annäherung  eines  mit  bestimmter,  nehmen  wir  an  positiver  Elektricität  geladenen 
Körpers,  z.  B.  einer  geriebenen  Glasstange,  die  Divergenz  zu-  oder  abnimmt,  ohne 
dass  man  aber  den  Knopf  des  Elektroskopes  hierbei  ableitend  berührt.  Nimmt  die 
Divergenz  zu,  dann  waren  die  Pendel  positiv,  nimmt  sie  ab,  negativ  geladen, 
denn  durch  das  Annähern  des  elektrischen  Körpers  wurde  die  mit  seiner  Elektricität 
gleichnamige  in  die  Pendel  getrieben ,  deren  Divergenz  sie  vergrössert  oder  ver- 
kleinert, je  nachdem  die  zugeströmte  Elektricitfttsmenge  als  gleichnamig  die  in  den 
Blättern  bereits  vorhandene  Ladung  vermehrt,  oder  als  ungleichnamige  vermindert. 

Nur  ein  einziger  Versuch  zur  vollständigen  PrQfung  einer  Elektricitätsmenge 
ist  beim  Bohnenberg  ER'scben  von  Fechneb  verbesserten  Elektroskop  nothwendig. 
In  gleicher  Weise  wie  die  übrigen  Elektroskope  zwei  Goldblätter  enthält  dieses 
nur  eines  (s.  Fig.  114),  welches  in  einer  unten  offenen  Glasglocke,  die  auf  einem 
Holzkasten  mit  Glasfenstern  aufruht,  in  der  Mitte  zwischen  zwei  Metallscheiben  a 
und  g  herabhängt.  Letztere  sind  die  Pole  einer  trockenen  oder  ZAMBONi'schen 
Säule ,  die  sich  im  Holzkasten  befindet  und  durch  ihre  Wirkung  stets  die  eine 
Scheibe  positiv  ,  die  andere  negativ  elektrisch  erhält.  Das  Goldblättchen  nimmt 
zwischen  ihnen  eine  Stelle  ein,  an  der  es  von  beiden  gleich  stark  angezogen 
wird  und  daher  in  Ruhe  bleibt.  Theilt  man  ihm  aber  eine  kleine  Elektricitäts- 
menge mit,  so  wird  es  sofort  von  dem  gleichartig  geladenen  Pol  abgestossen,  von 
dem  anderen  angezogen  und  daher  aus  seiner  Gleichgewichtslage  abgelenkt.  Je 
nachdem  sich  dabei  das  Goldblatt  dem  positiven  oder  negativen  Pol  nähert,  muss 
es  mit  negativer  oder  positiver  Elektricität  behaftet  sein.  Hankel  ersetzte  die 
nicht  immer  gleichmässig  wirkende  trockene  Säule  durch  eine  grosse  Anzahl  sehr 
kleiner  Kupfer-,  Wasser-,  Zinkelemente  und  bestimmte  den  Ausschlag  des  Gold- 
blattes mittelst  eines  Mikroskops  mit  Ocularmikrometer.  In  dieser  Einrichtung  ist 
dann  das  Instrument  bereits  ein  zu  Messungen  geeignetes  Elektrometer. 

8.  auch  Elektrometer.  Pitsch. 

Elektrotherapie.  Die  Elektricität  wurde  von  jeher  zu  Heilzwecken  ver- 
wendet, aber  aus  dem  Stadium  der  Empirie  trat  sie  erst  1856,  seitdem  Rkmak 
durch  systematische  Untersuchungen  die  wissenschaftliche  Grundlage  geschaffen 
hatte.  Gegenwartig  benfltzt  man  die  Wirkung  elektrischer  Ströme  in  dreierlei 
Richtungen. 

1.  Man  applicirt  elektrische  Ströme  auf  die  unverletzte  Haut,  um  physiologische 
Wirkungen  auf  Nerven  und  Muskeln  zu  erzielen.  Diese  Wirkungen  sind  je  nach 
der  Art  der  angewendeten  Ströme  qualitativ  und  quantitativ  verschieden  und  man 
unterscheidet :  a)  Galvanotherapie,  bei  welcher  galvanische  Batterien  zur 
Anwenduug  kommen,  mit  Nebenapparaten  zur  Abstufung,  Schliessung  und  Oeff- 
nung,  Richtung,  Messung  und  Leitung  des  Stromes;  h)  Faradotherapie,  bei 
welchen  der  Inductionsapparat  mit  Leitungsschnüren  und  Elektroden  der  wesent- 
liche Behelf  ist;  c)  Franklin  otherapie,  welche  sich  der  statischen  oder 
Reibungselektricitätder  Elektrisirmaschine,  Leydenerflasche  und  HoLTz'schen  Influenz- 
maschine bedient.  Die  ausgedehnteste  Anwendung  findet  die  Galvanotherapie,  weil 
sie  die  exacteste  und  schmerzlos  ist ;  die  Faradisation  wird  vorzüglich  angewendet, 
um  locale  Wirkungen  zu  erzielen ;  über  das  Geltungsgebiet  der  Franklinisation 
endlich,  welche  zwar  die  älteste  Methode  ist ,  nach  Entdeckung  des  Galvanismus 
aber  verlassen  und  erst  in  neuester  Zeit  wieder  aufgenommen  wurde,  sind  uoch 
nicht  genügend  sichere  Erfahrungen  gesammelt. 

2.  Man  benützt  die  chemischen  Wirkungen  des  galvanischen  Stromes  zur  Zer- 
setzung pathologischer  Flüssigkeiten  und  Gewebe  oder  zur  Erzeugung  von  Blut- 
gerinnseln. Die  elektrolytische  Wirkung  wird  erzielt,  indem  man  die  Elektroden 
auf  die  befeuchtete  oder  besser  ihrer  Oberhaut  beraubte  Haut  aufsetzt  (Galvano- 
lyse)  oder  indem  man  nadclförmige  Elektroden  einsticht  (G a  1  v a n o  pu n  c  t u r). 

3.  Man  bedient  sich  der  thermischen  Wirkungen  des  elektrischen  Stromes,  um 
Platindrähtc  oder  -bleclie  glühend  zu  machen,  mit  denen  man  dann  die  verschieden- 
artigsten Operationen  ausgeführt.    Die  wesentlichen  Vorzüge  dieser  Methode  sind, 

Digitized  by  Google 


686 


ELEKTROTHERAPIE.  -  ELEMENTARANALYSE. 


dass  starke  Blutungen  vermieden  werden  und  dass  man  sich  derselben  auch  an 
Oertlicbkeiten  bedienen  kann,  welche  dem  Messer  schwer  oder  gar  nicht  zugäng- 
lich sind.  Ein  Nachtheil  derselben  ist,  abgesehen  von  der  Kostspieligkeit  des 
Apparates,  die  schwierigere  Heilung  der  Wunde. 

ElektrOtOflUS  (t<5vo;)  ist  der  Zustand,  in  welchem  sich  ein  von  einem  in- 
stanten galvanischen  Strom  durch flo ssener  Nerv  oder  Muskel  befindet. 

Elektrum  =  Bernstein  (Bd.  II,  pag.  224). 

Elementaranalyse.  Die  Elementaranalyse  beschäftigt  sich  mit  der  Ermittelung 
der  elementaren  Zusammensetzung  organischer  Verbindungen,  und  zwar  geschieht 
dies  in  allen  Fällen  durch  Verbrennung  der  organischen  Substanz  und  Unter- 
suchung, resp.  Bestimmung  der  gebildeten  Producte.  Die  natürlich  vorkommenden 
organischen  Substanzen  enthalten  nur  eine  geringe  Anzahl  der  existiren- 
den  Elemente  und  bestehen  zur  Hauptsache  aus  Kohlenstoff,  Wasserstoff  und 
Sauerstoff,  denen  sich  noch  Stickstoff  und  in  geringerer  Verbreitung  Schwefel  und 
Phosphor  anreihen ;  durch  chemische  Hilfsmittel  lassen  sich  jedoch  noch  viele 
andere  Elemente  in  organische  Verbindungen  einführen,  so  die  Halogene:  Chlor, 
Brom,  Jod,  ferner  Arsen  und  verschiedene  andere  Metalloide  und  Metalle. 

Wie  bei  der  anorganischen ,  so  geht  auch  bei  der  organischen  Analyse  der 
quantitativen  Bestimmung  der  einzelnen  Bestandteile  zweckmassig  die  qualitative 
Prüfung  voraus.  Die  nichtüflchtigen  Stoffe  —  besonders  die  Metalle  —  lassen 
sich  nach  dem  Verbrennen  der  Substanz  in  der  Asche  nach  den  gewöhnlichen 
Methoden  nachweisen ;  zum  Kachweis  der  übrigen  Stoffe  bedient  man  sich  folgen- 
der Methoden: 

1.  Prüfung  auf  Kohlenstoff. 

Kohlenstoffhaltige  organische  Körper  verbrennen  beim  Erhitzen  meist  mit 
Flamme;  sind  dieselben  im  Verhältuiss  zum  vorhandenen  Sauerstoff  sehr  reich 
an  Kohlenstoff,  so  können  sie  sich  beim  Erhitzen  vorübergehend  schwärzen  oder 
unter  Abscheidung  schwer  verbrennlicher  Kohle  zersetzen.  Kohlenstoffarme  Sub- 
stanzen, wie  Ameisensäure  und  Oxalsäure  etc.,  zersetzen  sich  beim  Erhitzen  ohne 
Schwärzung.  Zum  Nachweis  von  Kohlenstoff  in  einer  Verbindung  mengt  man  die- 
selbe mit  Kupferoxyd,  erhitzt  das  Gemenge  zum  Glühen  und  leitet  die  entweichen- 
den Gase  durch  Kalk-  oder  Barytwasser;  die  bei  Anwesenheit  von  Kohlenstoff 
gebildete  Kohlensäure  gibt  sich  durch  Trübung  des  Reagens  zu  erkennen. 

2.  Prüfung  auf  Wasserstoff. 

Erhitzt  man  die  vorher  scharf  getrocknete  Substanz  mit  frisch  geglühtem  Kupfer- 
oxyd, so  gibt  das  Auftreten  von  Wasser  die  Anwesenheit  von  Wasserstoff  an. 

3.  Prüfung  auf  Stickstoff. 

Stickstoffreiche  organische  Substanzen  entwickeln  beim  Verbrennen  einen  eigen- 
tümlichen, empyreumatischen  Geruch ,  wie  er  beim  Verbrennen  von  Horn,  Haaren  etc. 
wahrgenommen  wird;  Verbindungen,  welche  Oxydationsstufen  des  Stickstoffs  (z.  B. 
die  Nitrogruppe  NOa)  enthalten,  verpuffen  meistens  beim  Erhitzen  unter  Ausgabe  von 
salpetrigen  Dämpfen.  Die  meisten  stickstoffhaltigen  Körper  entwickeln  beim  Glühen 
mit  Natronkalk  Ammoniak,  welche  Methode  auch  zur  quantitativen  Bestimmung 
des  Stickstoffes  Anwendung  gefunden  hat;  geringere  Mengen  Stickstoff  in  einer 
Verbindung  lassen  sich  in  der  Weise  nachweisen ,  dass  man  die  zu  untersuchende 
Substanz  mit  einer  kleinen  Menge  metallischen  Natriums  oder  Kaliums  in  einem 
engen  Probirglase  zusammenschmilzt,  wobei  sich  Cyanmetalle  bilden,  die  erkaltete 
Masse  mit  Wasser  auszieht,  die  Flüssigkeit  filtrirt  und  mit  einer  oxydhaltigen 
Ei8envitriollösung  versetzt.  Säuert  man  nun  die  Flüssigkeit  mit  Salzsäure  an,  so 
scheidet  sich  —  bei  Gegenwart  grösserer  Mengen  Stickstoffes  sofort,  bei  An- 
wesenheit von  Spuren  erst  nach  längerer  Zeit  —  Berlinerblau  ab. 

4.  Prüfung  auf  Schwefel  und  Phosphor. 

Zu  diesem  Zwecke  oxydirt  man  die  Substanz  durch  Behandlung  mit  rauchender 
Salpetersäure  oder  einem  Gemische  von  Salzsäure  und  Kaliumchlorat ,  oder  auch 


Digitized  by  Google 


ELEMESTARANALYSE. 


687 


durch  Zusammenschmelzen  mit  Soda  und  Salpeter  und  Prüfung  auf  eventuell  gebildete 
Schwefelsäure  oder  Phosphorsäure  nach  den  Methoden  der  anorganischen  Analyse. 
5.  Prüfung  auf  Halogene. 

Man  erhitzt  die  Substanz  mit  reinem  Aetzkalk,  löst  die  Masse  in  verdünnter 
Salpetersäure  und  prüft  das  Filtrat  mit  Silbernitrat,  oder  man  zersetzt  die  Substanz 
mit  rauchender  Salpetersäure,  verdünnt  mit  Wasser  und  prüft  ebenfalls  mit  Silber- 
nitratlösung. 

Die  Anwesenheit  anderer  Stoffe  lässt  sich  nach  Zerstörung  der  organischen 
Substanz  durch  Schmelzen  mit  Soda  und  Salpeter  nach  den  gebräuchlichen 
Methoden  der  anorganischen  Analyse  nachweisen. 

QuantitativeAnalyse.  Die  Elementaranalyse  im  engeren  Sinne  umfasst  die 
Metboden  zur  Ermittelung  des  Gehaltes  der  organischen  Substanzen  an  Kohlenstoff, 
Wasserstoff  und  Stickstoff;  der  Kohlenstoff  wird  durch  Verbrennung  in  Kohlensaure 
übergeführt,  der  Wasserstoff  in  Wasser,  der  Stickstoff  entweder  gasförmig  abgeschieden 
und  gemessen  oder  in  Ammoniak  übergeführt  und  als  solches  bestimmt.  Die  Methoden 
zur  Bestimmung  dieser  Bestandteile  sind  äusserst  genau  ausgearbeitet  und  allen 
vorkommenden  Fällen  angepasst,  indessen  folgt  man  im  Princip  noch  heute  der 
von  Liebig,  dem  Begründer  unserer  heutigen  Elementaranalyse,  gegebenen  Vorschrift. 

Wenn  man  aus  den  Resultaten  der  Analyse  einen  Sehluss  auf  die  Natur  der 
vorliegenden  Substanz  zu  ziehen  hat,  so  ist  natürlich  die  vollkommene  Reinheit 
der  Substanz  erstes  Erforderniss  und  hat  man  sich  von  dieser  durch  Controlirung 
des  Siede-,  resp.  Schmelzpunktes  und  Untersuchung  der  Krystallform  zu  über- 
zeugen; anhaftende  hygroskopische  Feuchtigkeit  entfernt  man  durch  Trocknen 
der  Substanz  in  einem  Exsiccator  über  concentrirter  Schwefelsäure  oder  Phosphor- 
säureanhydrid, oder  Erhitzen  auf  100°,  eventuell  im  luftleeren  Räume,  oder  in  einem 
8trome  vorher  getrockneter  Luft. 

Bestimmung  von  Kohlenstoff  und  Wasserstoff.  Substanzen, 
welche  nur  Kohlenstoff,  Wasserstoff  und  Sauerstoff  enthalten,  verbrennt  man 
mit  granulirtem  Kupferoxyd  in  einer  schwer  schmelzbaren  Glasröhre  von  böhmi- 
schem Kaliglas,  welche  an  einem  Ende  zu  einer  bajonettförmigen  Spitze  ausge- 
zogen ist.  In  diese  Röhre  (Fig.  115)  füllt  man  von  a — b  Kupferoxyd,  schüttet 
sodann  die  8ubstanz  hinein,  füllt  noch  etwas  Kupferoxyd  nach  und  mischt  das 
Kupferoxyd  mit  der  Substanz  möglichst  innig  durch  Umrühren  mit  einem  am 
unteren  Ende  korkzieherartig  gewundenen  Drahte,  dem  sogenannten  Mischdrahte 
(Fig.  116),  hierauffüllt  man  wieder  etwas  Kupferoxyd  nach,  spült  in  diesem  etwa 


am  Drahte  haftende  Spuren  der  Substanz  ab  und  füllt  sodann  das  Rohr  mit 
reinem  Kupferoxyd  vollständig  an ;  im  Rohre  befindet  sich  jetzt  von  a—b  Kupfer- 
oxyd, von  b—c  Mischung  von  Kupferoxyd  mit  Substanz  und  von  c — d  wieder 
reines  Kupferoxyd.  Das  so  vorgerichtete  Verbrennungsrohr  wird  am  vorderen 
offenen  Ende  durch  einen  vorher  getrockneten  Stopfen  geschlossen,  in  dessen 
Durchbohrung  ein  Chlorcalciumrohr  eingefügt  ist ;  diese  Rohre  haben  verschiedene 
Gestalt,  Fig.  117  und  118,  und  sind  mit  gekörntem  reinem  Chlorcalcium  gefüllt; 


Fig.  115. 


Fi*.  118. 


Digitized  by  Google 


ELEMENTAR AN ALYSE. 


dieselben  werden  vor  und  nach  der  Verbrennung  gewogen  und  zeigen  durch  ihre 
Gewichtszunahme  die  Menge  des  gebildeten  Wassers  an,  welches  in  ihnen  voll- 
ständig zurückgehalten  wird. 

Das  Chlorcalciumrohr  ist  sodann  mit  einem  sogenannten  Kaliapparate  ver- 
bunden, welcher  durch  seine  Gewichtszunahme  nach  der  Verbrennung  die  Quantität 
der  gebildeten  Kohlensäure  angibt.  Der  von  Liebig  construirte  Kaliapparat  besteht 
aus  5  Kugeln,  welche  in  der  aus  Fig.  119  ersichtlichen  Weise  angeordnet  sind; 
die  Gase,  welche  bei  a  eintreten,  müssen  bei  ihrem  Durchgange  durch  den 
Apparat  viermal  die  Absorptionsflüssigkeit  passiren,  und  verwendet  man  ab]  solche 
eyie  Auflösung  von  1  Th.  Kalihydrat  in  2  Th.  Wasser.  Die  von  Geissler  con- 
struirten  Kaliapparate  (Fig.  120)  bieten  mehr  Sicherheit  für  vollständige  Absorption, 
gegen  das  Zurücksteigen  der  Flüssigkeit  und  sind  bequemer  in  der  Handhabung. 
Um  zu  vermeiden,  dass  beim  Durchgange  des  Gases  durch  den  Apparat  der  Kali- 
lauge Wasser  entführt  werde,  verbindet  man  den  Kaliapparat  mit  einem  mit 
Aetzkalistücken  gefüllten  Glasrohre  (Fig.  120  a),  welches  sowohl  Wasserdampf,  als 
die  letzten  Spuren  unabsorbirt  gebliebener  Kohlensäure  zurückhält. 


Fig.  11t».  Fig.  120. 


Das  Einbringen  der  zu  analysirenden  Substanz  in  das  Verbrennungsrohr  ge- 
schieht, wenn  ein  fester  Körper  vorliegt,  durch  sogenannte  Wägeröhrchen,  welche 
zuvor  mit  der  Substanz  und  dann  nach  dem  Einschütten  derselben  in  das  Ver- 
brennungsrohr wieder  gewogen  werden  und  durch  den  Gewichtsverlust  die  Menge 
der  angewandten  Substanz  angeben,  oder  man  wägt  die  Substanz  auf  einem  Platin- 
oder Porzellanschiftehen  ab,  welches  man  sammt  der  Substanz  in  das  Verbrennungsrohr 
einführt:  man  verwendet  in  der  Regel  annähernd  0.3g  Substanz  zur  Analyse. 
Flüssige,  nicht  flüchtige  Substanzen  werden  in  einem  kleinen  Glasbecherchen  ab- 
gewogen und  mit  diesem  in's  Verbrenn ungsrohr  eingebracht,  flüchtige  Flüssigkeiten 
wfigt  man  in  einem  ausgezogenen  kleinen  Glaskügelchen  von  der  Form  Fig.  121, 
dessen  Spitze  nach  dem  Füllen  zugeschmolzen  und  erst  beim  Einfüllen  in  das 
Verbrennuugsrohr  abgebrochen  wird. 

Das  zur  Analyse  verwendete  Kupferoxyd  wird  zur  Entfernung  aller  Feuchtig- 
keit in  einem  Kupfertiegel  ausgeglüht  und  noch  heiss  in  ein  birnformiges  Glas- 
gefäss  eingefüllt ,  welches  durch  einen  mit  Chlorcalciumrohr  versehenen  Stopfen 
geschlossen  ist  (Fig.  122),  so  dass  das  Kupferoxyd  beim  Erkalten  keine  Feuchtigkeit 
anziehen  kann ;  auch  das  zur  Verbrennung  zu  benutzende  Verbrennungsrohr  wird 
vor  dem  Füllen  mit  heissem  Kupferoxyd  ausgespült  und  durch  ein  aufgesetztes 
Chlorcalciumrohr  vor  Feuchtigkeit  geschützt.  Das  Fülleu  des  Rohres  mit  Substanz 


Digitized  by  Googl 


ELEMENTARANALYSE.  689 

und  Kupferoxyd  geschieht  möglichst  schnell,  um  keine  Veranlassung  zur  Aufnahme 
von  Feuchtigkeit  zu  geben. 

Das  in  vorher  beschriebener  Weise  gefüllte  Rohr  wird  nun  in  den  Verbren- 
nungsofen gelegt  und  mit  den  Absorptionsapparaten  verbunden. 

Zum  Erhitzen  des  Verbreunungsrohroa  benutzte  LlXBlO  einen  mit  Holzkohlen 
heizbaren  Ofen  (Figv  123),  welcher  aus  einem  kästen  förmigen  Gefäss  a  ans  Eisen- 
blech mit  schrägen  Wänden  und  einem  rostartig  durchbrochenen  Boden  bestand; 
zwischen  je  zwei  Ausschnitten  des  Bodens  waren  Träger  aus  starkem  Eisenblech 
angebracht,  auf  welche  die  Verbrennungsröhre,  unterstützt  durch  eine  Rinne  von 
Eisenblech,  zu  liegen  kam.  Durch  verschiebbare  Schirme  b  aus  Eisenblech  konnte 
man  die  Hitze  von  gewissen  Theilen  des  Rohres  abhalten;  diese  Oefen  sind  der 
Anwendung  des  Leuchtgases  in  den  Laboratorien  entsprechend  nur  noch  wenig 
in  Gebrauch.  Hit  Gas  heizbare  Verbrennungsöfen  sind  von  vielen  Chemikern,  so 
von  Erlbxmeyeb,  Glaser,  Hofmasn  etc.,  in  den  verschiedensten  Formen  con- 
struirt  und  empfohlen  worden;  Fig.  124  zeigt  einen  Verbrennungsofen  Erlenmeyer- 
scher  Construetion,  der  steh  besonderer  Verbreitung  erfreut.  Der  Ofen  besitzt  eine 
Lange  von  75 — 90 cm  und  wird  durch  BuNSEN'sche  Brenner  geheizt ,  deren  jeder 
mit  einem  besonderen  Hahn  und  einer  Luftregulirungsvorrichtung  versehen  ist; 
diese  Brenner  sind  auf  ein  weites  Gassuleitungsrohr  aufgeschraubt,  welches  sich 
in  dem  Gestell  in  vertioaler  Richtung  verstellen  laset,  so  dass  man  die  Flammen 
in  beliebige  Entfernung  von  der  Verbrennungsröhre  bringen  kann,  diese  selbst 
liegt  in  einer  Rinne  von  gebranntem  Thon  oder  in  einer  mit  Asbest  ausgefütterten 
Eisenrinne. 


Fig.  im. 


Die  Flamme  wird  durch  schräg  aufgestellte  Thonkacheln  zusammengehalten 
und  ist  dadurch  gezwungen ,  die  Röhre  auch  von  oben  au  bestreichen.  Durch 
Auf-  oder  Zuklappen  der  Thonkacheln  gelingt  es,  die  Temperatur  auf  der  ge- 
wünschten Höhe  au  halten.  Bei  Ausfahrung  der  Analyse  erhitzt  man  zunächst 
den  hintersten  Theil  der  Röhre,  um  ein  Ansammeln  der  Verbrennungsproducte  an 
dieser  Stelle  an  vermeiden  und  dann  von  vorne  anfangend  die  ganze  Röhre  nach 
und  nach  bis  zur  Zersetzung  der  organischen  Substanz;  nach  Vollendung  der 
Zersetzung  —  was  etwa  1*7»  bis  2  Stunden  Zeit  in  Anspruch  nimmt  —  leitet 
man  reinen  trockenen  Sauerstort*  durch  die  Röhre,  indem  man  Uber  die  Spitze  des 
bajonettförmigen  Endes  einen  Gummischlauch  überzieht ,  welcher  mit  einem  Sauer- 
stoffgasometer  in  Verbindung  steht,  und  hierauf  die  Spitze  des  Rohres  abbricht; 
nachdem  durch  den  Sauerstoff  das  durch  Verbrennung  der  organischen  Substanz 
zum  Theil  an  Kupfer  reduoirte  Kupferoxyd  wieder  oxydirt  ist ,  löscht  man  die 
Flammen  und  leitet  zur  Verdrängung  des  Sauerstoffs  mittelst  eines  mit  Luft  gefüllten 
Gasometers  einen  Strom  reiner  atmosphärischer  Luft  durch  den  ganzen  Apparat. 

Aus  der  Gewichtszunahme  der  Absorptionsapparate,  d.  h.  aus  der  Menge  der 
gebildeten  Kohlensäure  und  des  Wassers,  berechnet  man  den  Gehalt  der  Substanz 

Real-EneyclopÄdie  der  z«.  Ptiannacie.  III.  44 


690 


ELEMENTARANALYSE. 


an  Kohlenstoff  und  Waaserstoff.  Das  Sauerstoffgas  und  die  atmosphärische  Luft, 
welche  bei  Beendigung  der  Verbrennung  durch  den  Apparat  geleitet  werden, 
müssen  von  Kohlensäure  und  Feuchtigkeit  zuvor  vollständig  befreit  sein ;  zu 
diesem  Zwecke  lässt  man  dieselben  vor  ihrem  Eintritte  in  da9  Verbrennungsrohr 
einen  Wasch-  und  Trockenapparat  passiren,  welcher  mit  Schwefelsäure,  Kalilauge, 
Chlorcalcinm  und  Aetzkalisttleken  gefüllt 
ist.  Die  ganze  Anordnung  der  Verbren- 
nung zeigt  Fig.  125,  bei  welcher  A  den 
Wasch-  und  Trockenapparat,  B  den  Ver- 
brennungsofen mit  Rohr,  C  das  Chlor- 
calciumrohr  und  I)  den  Kaliapparat  be- 
zeichnet. (Um  die  Zeichnung  zu  verein- 
fachen ,  ist  ein  LiEBiG'scher  Ofen  ge- 
zeichnet.) 

Bei  Substanzen,  welche  sehr  schwer 
verbrennlich  sind,  genügt  die  oxydirende 
Wirkung  des  Kupferoxydes  allein  nicht 
zur  Verbrennung;  derartige  Substanzen 
verbrennt  man  mit  Kupferoxyd  in  einem 
an  beiden  Enden  offenen  Rohre  gleich 
von  Anfang  an  in  einem  Strome  reinen 
Sauerstoffs.  Bei  dieser  Anordnung  schliesst 
man  das  an  beiden  Enden  offene  Ver- 
brennungsrohr vorn  durch  einen  locke- 
ren Bausch  von  Kupferdraht ,  füllt  es 
zu  circa  s  s  mit  gekörntem  Kupferoxyd 
und  hindert  dieses  durch  einen  aufge- 
setzten lockeren  Asbestbausch  am  Heraus- 
fallen; hierauf  erhitzt  man  das  Kupfer- 
oxyd im  Verbrennungsofen,  indem  man 
einen  Strom  trockener  Luft  durch  das 
mit  einem  Stopfen  und  eingesetztem 
Glasrohr  verschlossene  hintere  Ende  des 
Rohres  einleitet.  Nachdem  das  Kupfer- 
oxyd wieder  erkaltet  ist,  führt  man  in 
einem  Schiffchen  die  Substanz  ein  und 
erhitzt  das  Kupferoxyd  und  hierauf  vor- 
sichtig die  Substanz  bis  zu  völliger  Ver- 
brennung, wobei  man  einen  Strom  von 
reinem  Sauerstoff  durch  das  Rohr  strei- 
chen lässt.  Dieses  Verfahren  hat  den 
Vortheil,  dass  man  das  Rohr  zu  mehreren 
Verbrennungen  benutzen  kann  und  dass 
dasselbe  sofort  wieder  zur  nenen  Ana- 
lyse vorgerichtet  ist,  indem  man  nur 
das  Schiffchen  durch  ein  zweites  mit 
der  abgewogenen  Substanz  versehenes 
zu  ersetzen  braucht,  um  nach  neuer  Be- 
schickung der  Absorptionsapparate  zur 
Analyse  schreiten  zu  können. 

Schwer  verbrennliche  Körper  verbrennt  man  auch  mit  Bleichromat  Cdem  zur  Er- 
höhung der  oxydirenden  Wirkung  noch  1  10  seines  (iewichts  Kaliumdichromat  zugesetzt 
werden  kann),  welche«  bei  genügeuder  Hitze  schmilzt  und  dabei  Sauerstoff  entwickelt ; 
das  gekörnte  Bleichromat  wird  ebenfalls  vorher  ausgeglüht  und  geschieht  die  Be- 
schickung des  Rohres  in  derselben  Weise ,  wie  bei  Verwendung  von  Kupferoxyd. 


v.Jp! 


Digitized  by  Google 


ELEMENT AR ANA LYSE. 


Organische  Substanzen,  welche  Schwefel  enthalten,  wurden  bei  der  Verbrennung 
mit  Kupferoxyd  schweflige  Säure  liefern,  welche  ebenfalls  von  der  Kalilauge  ab- 
sorbirt  wurde;  man  verbrennt  dieselben  daher  mit  Bleichromat,  wobei  sich  nicht 
flüchtiges  Bleisulfat  bildet,  welches  in  der  Röhre  verbleibt. 

Substanzen,  welche  Chlor  (Brom,  Jod)  enthalten,  können  bei  der  Verbrennung 
mit  Kupferoxyd  und  Sauerstoff  flochtiges  Kupferchlorür  oder  auch  freies  Chlor 
liefern,  welche  beide  das  Gewicht  der  Absorptionsapparate  vermehren  würden; 
man  vermeidet  diesen  Uebelstand,  indem  man  in  den  vorderen  Theil  der  ent- 
sprechend langer  gewählten  Verbrennungsröhre  eine  circa  20  cm  lange  Spiral» 
von  metallischem  8ilber  vorlegt,  welche  selbst  bei  Rothgluth  das  Chlor  (Brom, 
Jod)  zurückhält.  Bei  Anwendung  von  Bleichromat  sind  keine  derartigen  Vorsichts- 
m  assregem  nöthig,  da  das  gebildete  Chlorblei  bei  der  Temperatur  der  Verbrennung 
nicht  flttohtig  ist. 

Bei  der  elementaranalytischen  Verbrennung  stickstoffhaltiger  Substanzen 
entweicht  der  Stickstoff  entweder  als  solcher  gasförmig  oder  in  Gestalt  seiner 
Oxydationsstufen ;  da  nun  letztere  von  der  Kalilauge  zurückgehalten  werden ,  so 
muss  man  dem  Auftreten  dieser  vorbeugen.  Oxydationsproduote  des  Stickstoffs 
entweichen"  besonders  dann,  wenn  die  Verbindung  bereits  Stickstoff  in  Verbindung 
mit  Sauerstoff  (z.  B.  Nitrogruppen)  enthielt ,  sowie  bei  Verbrennung  mit  Blei- 
chromat oder  im  Sauerstoffstrome.  Man  vermeidet  diesen  Uebelstand,  indem  man 
vorn  in's  Verbrennungsrohr  eine  ca.  20  cm  lange  Schiebt  von  metallischem  Kupfer  in 
Gestalt  von  Rollen  aus  blankem  Kupferdraht  oder  Blech  einbringt  und  diese 
während  der  Analyse  im  starken  Gltthen  erhält.  Das  glühende  Kupfer  entzieht 
den  Oxydationsstufen  des  Stickstoffs  den  Sauerstoff  und  der  Stickstoff  entweicht 
gasförmig,  wird  somit  von  den  Absorptionsapparaten  nicht  zurückgehalten. 

Bei  Verbrennung  der  Verbindungen  organischer  Säuren  mit  den  Alkalien  oder 
alkalischen  Erden  bleibt  ein  Theil  der  gebildeten  Kohlensäure  an  diese  gebundeu 
zurück  und  entzieht  sich  der  Absorption  im  Kaliapparate,  man  kann  dieselben 
daher  nicht  mit  Kupferoxyd  verbrennen;  die  Verbrennung  mit  Bleichromat  gibt 
dagegen  richtige  Werthe. 

Bestimmung  des  Stickstoffs.  Die  Ermittelung  des  Gehaltes  einer  Sub- 
stanz an  Stickstoff  geschieht  meist  durch  einen  besonderen  Versuch  und  wird  diese 
entweder  durch  Abscheidung  des  Stickstoffes  in  gasförmiger  Gestalt  und  Messen  des 
Volumens,  oder  durch  Ueberführung  in  Ammoniak  —  sei  es  durch  Verbrennung 
mit  Natronkalk  nach  der  Methode  von  Varrrntrapp  und  Will  oder  uach  der 
Methode  von  Kj ei  dahl  durch  Behandlung  mit  rauchender  Schwefelsäure  —  und 
Bestimmung  des  gebildeten  Ammoniaks  vorgenommen. 

Die  Bestimmung  des  Stickstoffs  in  gasförmiger  Gestalt  nach  der  Methode  von 
Dümas  geschah  in  der  Weise,  dass  die  Substanz  in  einem  mit  Kohlensäure  ge- 
füllten Verbrennungsrohr  mit  Kupferoxyd  und  vorgelegtem  metallischem  Kupfer 
nach  Art  einer  gewöhnlichen  Elemeutaranalyse  verbrannt,  das  entwickelte  Gas 
über  Quecksilber  aufgefangen,  durch  Kalilauge  von  der  Kohlensäure  befreit  und 
das  Volumen  des  übrig  bleibenden  Stickstoffs  gemessen  wurde.  Jetzt  ist  die 
Methode  etwas  vereinfacht,  man  fängt  das  Gas  direct  über  Natronlauge  auf  und 
ist  das  Verfahren  kurz  folgendes: 

In  das  circa  80cm  lange,  am  hinteren  Ende  zugeschmolzeue  Verbrennungs- 
rohr a,  Fig.  126,  bringt  man  zunächst  eine  circa  10cm  lange  Schicht  von  pulveri- 
sirtem  trockenem  Natriumbicarbonat  oder  Magnesit,  führt  sodann  einen  lockeren 
Asbeststopfen  ein,  um  eine  Verunreinigung  des  Kupferoxyds  mit  dem  Carbouat  zu 
verhindern  und  beschickt  sodann  das  Kohr  in  der  gewöhnlichen  Weise  (aus  der 
Zeichnung  ersichtlich)  mit  Kupferoxyd,  Substanz,  Kupferoxyd  und  metallischem 
Kupfer.  Das  Verbrennungsrohr  ist  an  seinem  vorderen  Ende  mit  einem  durch- 
bohrten Stopfen  geschlossen,  welcher  das  zur  Ableitung  der  entwickelten  Gase  be- 
stimmte Rohr  b  trägt ;  dieses  mündet  iu  einer  Schale  unter  Natronlauge  (circa 
lOprocentiger)  und  über  seine  Mündung  wird  das  zum  Auffangen  und  Messen  be- 

Digitized  by  Google 


692 


ELEMENTARANALYSE. 


Btimmte  (ebenfalls  mit  Natronlauge  gefüllte),  calibrirte  Rohr  c  übergestülpt.  Das 
im  Verbrennungsofen  befindliche  Rohr  wird  nun  zunächst  am  hinteren  Ende  erhitzt, 
bis  durch  die  entwickelte  Kohlensaure  die  atmosphärische  Luft  vollständig  ans  dem 
Rühre  vordrängt  ist,  sodann  erhitzt  man  die  Kupferspiralen  znm  Glühen  und  ver- 
fahrt nun  weiter,  wie  bei  einer  gewöhnlichen  Verbrennung;  ist  dieselbe  beendet, 
so  treibt  man  den  noch  im  Rohre  befindlichen  Stickstoff  durch  abermaliges  Erhitzen 
des  Carbonats  vollständig  in  das  Messrohr  über,  lässt  das  aufgefangene  Stickgas 
bis  zur  völligen  Absorption  der  ihm  beigemischten  Kohlensäure  mit  der  Natron- 
lauge in  Berührung  und  führt  sodann  das  Messrohr  —  indem  man  die  untere 


Oeffnung  mit  dem  Daumen  oder  einem  geeigneten  Löffclchen  verschliesst  —  in 
einen  mit  Wasser  gefüllten  Cylinder  (Iber.  Nachdem  das  Gas  im  Messrohro  die 
Temperatur  des  äusseren  Raumes  angenommen,  bringt  man  das  Wasser  im  Rohre 
und  das  im  äusseren  Cylinder  auf  das  gleiche  Niveau  und  liest  das  Volumen  des 
Stickstoffes  unter  Beobachtung  von  Temperatur  und  Barometerstand  ab.  Ist  Pdas 
abgelesene  Volumen ,  t  die  Temperatur ,  b  der  Barometerstand ,  w  die  Tension  des 
Wasserdampfes  und  s  das  Gewicht  der  angewandten  Substanz,  so  ergibt  sich  der 
Procentgehalt  der  verbrannten  Substanz  an  Stickstoff  aus  der  Formel: 

Proe.  N  =  lf  ■  kVxWI,»  ■  0.0012562. 

Im  Buchhandel  existiren  Tabellen  (z.  B.  von  Kohlmann  und  Frerichs),  denen 

die  Werthe  von  ~£ — ,c    .  .  0.0012562   für  eine  Reihe  von  Barometer- 

<oO  (l  x  0.003«.  »bo  .  t) 

ständen  und  Temperaturen  direct  entnommen  werden  können. 

L'm  das  beim  Füllen  des  Messrohres  mit  Lauge  nach  diesem  Verfahren  nicht 
zu  umgehende  Beschmutzen  der  Hände  mit  Lauge  zu  beseitigen,  sind  verschiedene 
Apparate,  so  von  Haxko,  Zulkowski,  Schwarz,  Ludwig,  Städel,  Schmitt  etc. 
construirt  worden. 

Eine  einfache  Vorrichtung  der  Art  beschreibt  Ilinski  (Ber.  XVII,  1347);  bei 
dem  von  Schiff  empfohlenen  Apparate  (Fig.  127)  wird  das  Gas  Über  50pro- 
centiger  Kalilange  aufgefangen  und  gemessen ,  wobei  man  dasselbe  als  trocken 
betrachten  kann.  Das  Gas  tritt  bei  a  aus  dem  Verbrennungsrohr  ein  und  wird  in 
dem  Messrohr  b  gemessen,  indem  man  nach  beendigter  Verbrennung  den  Quetsch- 
hahn bei  a  schliesst  und  durch  Verschieben  des  Niveaugefässes  d  die  Flüssigkeit  in 
diesem  und  dem  Messrohre  auf  gleiches  Niveau  bringt. 

Uebcr  volumetrische  Bestimmung  von  Stickstoff  in  gewissen  Substanzen  durch 
Behandlung  mit  Bromlauge  s.  unter  Ilarnstoffbestimmungsmethoden. 

In  vielen  stickstoffhaltigen  Substanzen  kann  der  Gehalt  an  Stickstoff  auch  nach 
der  Methode  von  Varrentrapp  und  Will  durch  Erhitzen  mit  Natronkalk  als 
Ammoniak  bestimmt  werden:  man  bringt  zu  diesem  Zwecke  in  die,  an  einem 
Ende  zu  einer  Aufwärts  gebogenen  Spitze  ausgezogene ,  circa  50  cm  lange  Ver- 
brennungsröhre zunächst  grobkörnigen  Natronkalk,  sodann  ein  Gemisch  von  Natron- 
kalk mit  der  Substanz  und  füllt  sodann  das  Rohr  mit  Natronkalk,  welcher  vorher 
ausgeglüht  sein  muss,  vollständig  an.  Am  vorderen  Ende  wird  das  Rohr  mit  einem 


Digitized  by  Google 


ELEMENTARANALYSE. 


G93 


durchbohrten  Stopfen  geschlossen,  welchem  eine  WiLL-VARRENTRAPp'sche  Absorptions- 
birne eingefügt  ist ;  diese  letztere  ist  mit  verdünnter  Salzsäure  oder  mit  einer  be- 
stimmten Menge  titrirter  Normalsaure 
beschickt  (Fig.  128).  Die  Röhre  wird 
in  einem  Verbrennungsofen  in  gleicher 
Weise,  wie  bei  Analysen  mit  Kupfer- 
oxyd, erhitzt  und  das  nach  der  Ver- 
brennung noch  im  Rohre  befindliche 
Ammoniak  nach  dem  Abbrechen  der 
Spitze  des  Rohres  durch  Verbindung 
der  Absorptionsbirne  mit  einem  Aspira- 
tor  in  diese  übergeführt.  Das  gebildete 
Ammoniak  wird  entweder  als  Platin- 
salmiak gewogen  oder  f>ei  Anwen- 
dung einer  titrirten  Säure  als  Absorp- 
tionsflüssigkeit durch  Rücktitriren  die- 
ser bestimmt. 

Das  vorbeschriebene  Wjll-Varren'- 
TRAPP'sche  Verfahren  ist  jedoch  nicht 
von  allgemeiner  Anwendbarkeit,  indem 
Substanzen,  welche  den  Stickstoff  zum 
Theil  an  Sauerstoff  gebunden  enthalten 
(Nitro-  und  Nitrosoverbindungen),  sowie 
die  Azo-  und  Diazoverbindungen  beim 
Glühen  mit  Natronkalk  ihreo  Stick- 
stoff nur  zum  Theil,  oder  auch  gar 
nicht,  als  Ammoniak  ausgeben  und  ver- 
schiedene andere  Körper  beim  Glühen 
mit  Natronkalk  den  Stickstoff  in  Gestalt 
organischer  Basen  entlassen;  so  ent- 
wickelt Indigo  beim  Glühen  mit  Natron- 
kalk Anilin. 

Bei  Verwendung  eines  Gemisches 
von  Natronkalk  mit  Natriumformiat 
und  Natriumhyposulfit  an  Stelle  des 
reinen  Natronkalkes  soll  sich  nach 
Arnold  der  Stickstoff  in  sämmtlichen 
Substanzen  —  selbst  Nitraten  —  als 
Ammoniak  bestimmen  lassen. 
Nach  der  Methode  von  Kjeldahl  wird  der  stickstoffhaltige  Körper  mit  rauchen- 
der Schwefelsäure  bis  zur  gänzlichen  Zerstörung  der  organischen  Substanz  erhitzt, 
das  gebildete  Ammoniak  nach  dem  Verdünnen  der  Flüssigkeit  mit  Wasser  durch 
Uebersättigen  mit  Natronlauge  nnd  Destilliren  übergetrieben,  sowie  durch  Auf- 
fangen in  Normalsäure  und  nachträgliches  Titriren  dieser  bestimmt. 

Die  Zerstörung  der  Substanz,  die  bei  schwer  zersetzlichen  Körpern,  wie  Eiweiss- 
8toffen  etc.,  eine  Dauer  von  5  Stunden  und  mehr  in  Anspruch  nehmen  kann,  wird 
durch  Zusatz  geringer  Mengen  von  Metallsalzen  (z.  B.  des  Quecksilbers,  Kupfers, 
Platins)  erheblich  beschleunigt.  Mit  Sauerstoff  verbundener  Stickstoff  lässt  sich  auch 
nach  dieser  Methode  nicht  in  Ammoniak  überführen,  doch  soll  dies  durch  Zusatz 


Substanzen  hohen  Kohlenstoffgehaltes,  wie  Zucker  und  besonders  Benzoesäure, 
mit  Leichtigkeit  gelingen. 

Die  elementar-analytische  Bestimmung  von  Kohlenstoff,  Wasserstoff  und  Stick- 
stoff in  explosiven  Substanzen  lässt  sich  nur  unter  besonderen  Vorsichtsmassregeln 
ausführen;  am  zweckmäßigsten  ist  das  Verfahren  von  H Empel,  nach  welchem 
Nitroglycerin,  Schiessbaumwolle  etc.  gefahrlos  verbrannt  werden  können.  Hierbei 


Digitized  by  Google 


[ 


694  ELEMENTARANALYSE. 

wird  die  Substanz  in  einer  mittelst  der  TöPLER'schen  Quecksilber!  oft  pumpe  luft- 
leer gepumpten  Verbrennungsröhre  mit  Kupferoxyd  und  vorgelegtem  metalli- 
fiebern  Kupfer  in  gewöhnlicher  Weise  verbrannt  und  die  Verbrennungsproducte 
werden  mit  der  Pumpe  aus  dem  Rohre  gesaugt:  das  Wasser  wird  in  einem 
U-förmigen  Chlorcaleiumrohre,  die  Kohlensaure  in  einem  mit  Natronkalk  gefüllten 
Bohre  zurückgehalten  und  der  Stickstoff  in  einem  Messrohre  gasförmig  gemessen. 
Man  kann  mit  Hilfe  dieser  Methode  Kohlenstoff,  Wasserstoff  und  Stickstoff  durch 
eine  einzige  Analyse  ermitteln. 

Es  sind  weiterhin  verschiedene  Methoden  empfohlen  worden,  welche  die  Be- 
stimmung der  genannten  3  Bestandteile  durch  ein  und  dieselbe  Analyse  bezwecken; 
dieselben  beruhen  meist  darauf,  dass  man  die  Substanz  in  reinem  Sauerstoff  mit 
Kupferoxyd  etc.  in  gewöhnlicher  Weise  verbrennt,  die  Kohlensäure  und  das  Wasser 
wie  gewöhnlich  absorbirt,  dem  Gemisch  von  Sauerstoffgas  und  Stickgas  das  erstere 
durch  geeignete  Absorptionsmittel  entzieht  (z.  B.  Chromchlorür)  und  den  übrig 
bleibenden  Stickstoff  mis^t. 

Der  Sauerstoff  der  organischen  Substanzen  wird  gewöhnlich  nicht  direct  be- 
stimmt, sondern  nach  Ermittelung  aller  anderen  Bestandteile  aus  der  Differenz 
erhalten :  es  existiren  jedoch  auch  Methoden  zur  directen  Bestimmung. 

Ein  von  den  im  Vorstehenden  beschriebenen  Methoden  abweichendes  Verfahren 
znr  Bestimmung  von  Kohlenstoff  und  Wasserstoff  ist  von  F.  Kopfer  beschrieben 
worden.  Nach  dieser  Methode  wird  die  Substanz  in  einem  Sauerstoffstrome  erhitzt 
und  die  Verbrennung  durch  Platinasbest  vermittelt 

Das  circa  50  cm  lange  Verbrennungsrohr  ist  durch  Stopfen  und  eingesetztes 
Rohr  an  einem  Ende  wie  gewöhnlich  mit  den  Absorptionsapparaten,  am  anderen 
Ende  mit  dem  Pauerstoffgasoraeter  verbundeu  und  in  geeigneter  Weise  zu  eirca 
'  s  mit  Platinasbest  gefüllt.  Die  Substanz  wird  in  einem  Schiffchen  in  den  hinteren 
T heil  des  Rohres  eingeführt  und  durch  Erhitzen  verflüchtigt,  die  gasförmigen  Pro- 
duete  werden  im  Sauerstoffstrome  von  dem  erhitzten  Platinasbest  in  Kohlensäure 
und  Wasser  übergeführt,  was  bereits  bei  einer  nicht  zu  hohen  Temperatur  statt- 
findet :  der  Vortheil  der  Methode  liegt  in  dem  geringen  Gasverbrauch,  da  die  Ver- 
brennung mit  4  Bunsenbrennern  ausgeführt  wird  und  ferner  darin,  dass  man  dasselbe 
Rohr  zu  10 — 15  Analysen  hintereinander  benutzen  kann.  Bei  der  Analyse  stick- 
stoffhaltiger Substanzen  wird  vor  den  Platinasbest  eine  Schicht  von  grobkörnigem 
Blcihyperoxyd  vorgelegt,  welches  die  gebildeten  Oxyde  des  Stickstoffs  zurückhält ; 
Substanzen,  welche  Schwefel  oder  Phosphor  enthalten,  können  in  derselben  Weise 
behandelt  werden,  indem  deren  Oxydationsproducte  von  dem  Bleihyperoxyd  eben- 
falls zurückgehalten  werden. 

Bei  der  Verbrennung  von  Substanzen ,  welche  Halogene  enthalten  ,  wird  dem 
Platinasbest  eine  Silberspirale  beigefügt ,  welche  die  Halogene  vollständig  zurück- 
hält und  nach  dem  Ausglühen  im  Wasserstoffstrome  wieder  von  Neuem  verwendet 
werden  kann  (Fresenius,  Zeitschrift  für  anal.  Chemie.  17,  1). 

Zur  Bestimmung  der  Halogene,  sowie  des  Schwefels  und  Phosphors  wendet 
man  meistens  die  Methode  von  Camus  an ,  bei  welcher  die  organische  Substanz 
mit  rauchender  Salpetersäure  in  einem  zugeschmolzenen  Rohre  von  Kaliglas  längere 
Zeit  auf  hohe  Temperatur  erhitzt  wird.  Die  organischen  Substanzen  werden  durch 
die  Salpetersäure  verbrannt  und  die  resultirenden  Säuren :  Halogenwasserstoffsäuren, 
Schwefelsäure ,  Phosphorsänre ,  nach  den  in  der  anorganischen  Analyse  üblichen 
Methoden  quantitativ  bestimmt. 

Eine  andere  Methode  zur  Bestimmung  der  Halogene  in  organischen  Substanzen 
besteht  darin,  dass  man  dieselben  mit  reinem  Aetzkalk  in  einem  schwer  schmelz- 
baren Rohre  glüht,  den  ganzen  Rohrinhalt  in  verdünnter  8alpeterBäure  löst  und 
das  gebildete  Chlorcalcium  (Brom-,  Jodcalcium)  durch  Fällen  mit  Silbernitrat  in 
gewöhnlicher  Weise  bestimmt. 

Zur  Bestimmung  des  Schwefels  und  Phosphors  kann  man  auch  die  Substanzen 
mit  einer  Mischung  von  Salpeter  und  Soda  schmelzen  und  in  der  Lösung  der 

Digitized  by  Google  I 


ELEMENTAR  AN  ALYSE.  —  ELEMENTE.  CHEMISCHE. 


695 


Schmelze  die  gebildete  Schwefelsäure  und  Phosphorsäure  bestimmen,  oder  man  löst 
die  Substanz  in  Kalilauge,  leitet  Chlor  bis  zur  völligen  Oxydation  ein,  verdampft 
die  Flüssigkeit,  glflht  die  resultirende  Salzmasse  und  fällt  die  Schwefelsäure  oder 
Phosphorsäure  aus  der  Lösung  der  Salze  in  gewöhnlicher  Weise. 

Schwefelhaltige  Substanzen  werden  auch  durch  Verbrennen  in  einem  Ver- 
brennungsrohre in  einem  Strome  von  Sauerstoff,  welcher  mit  höheren  Oxyden  des 
Stickstoffs  gemischt  ist,  unter  Zuhilfenahme  von  Spiralen  glühenden  Platins  in 
Schwefelsäure  übergeführt  und  diese  als  BaSo4  oder  durch  Titriren  bestimmt 
(Ber.  XLX,  1910). 

Durch  die  im  Vorstehenden  beschriebenen  Methoden  ist  man  im  Stande,  die 
procentische  Zusammensetzung  der  organischen  Substanzen  zu  ermitteln;  dividirt 
man  die  erhaltenen  Procentzahlen  durch  die  Atomgewichte  der  entsprechenden 
Elemente,  so  erhält  man  das  relative  Verhältniss,  in  welchem  die  Atome  des 
Kohlenstoffes,  Wasserstoffes ,  Stickstoffes  etc.  in  der  betreffenden  Verbindung  zu 
einander  stehen,  und  dieses  Verhältniss  drückt  man  zunächst  in  den  einfachsten 
ganzen  Zahlen  aus.  So  erhält  man  bei  der  Analyse  der  Essigsäure,  welche  aus 
Kohlenstoff,  Wasserstoff  und  Sauerstoff  besteht,  40.0  Procent  Kohlenstoff,  6.7  Pro- 
cent Wasserstoff  und  durch  Ergänzung  der  Summe  beider  zu  100  =  53.3  Procent 
Sauerstoff.  Durch  Division  mit  den  Atomgewichten  erhält  man: 

C  —  40.0  Procent :  12  =  33.3 

H  —   6.7       „     :   1  =  6.70 

0=53.3  „  :  16  =  3.33 
und  durch  Rednction  auf  die  einfachsten  ganzen  Zahlen :  C,  H2  0t  als  das  Ver- 
hältniss, in  welchem  die  Atome  der  drei  Elemente  zu  einander  stehen.  Die  wahre 
empirische  Formel,  d.  h.  die  Anzahl  der  in  einem  Moleküle  der  Verbindung  ent- 
haltenen Atome  der  einzelnen  Elemente  lässt  sich  aus  der  Elementaranalyse  dieser 
allein  nicht  ableiten.  Znr  Bestimmung  dieser  Grösse  kann  man  unter  Umständen 
—  falls  Basen  oder  Säuren  vorliegen  —  ein  Salz  mit  einer  bekannten  Säure  oder 
Base  darstellen  und  dieses  analysiren  oder  man  bestimmt,  wenn  die  Verbindung 
flüchtig  ist,  die  D  a  m  p  f  d  i  c  h  t  e  (s.  d. aus  welcher  sich  die  Molekulargrösse 
direct  ergiebt.  So  erfährt  man  aus  der  Analyse  des  Silberacetates ,  dass  die  der 
Essigsäure  entsprechende  empirische  Formel  nicht  C,  H20n  sondern  Ht  02  ist, 
welches  Resultat  mit  den  Ergebnissen  der  Bestimmung  der  Dampfdichte  der  Essig- 
säure im  Einklänge  steht. 

Bei  indifferenten,  nicht  flüchtigen  Stoffeu,  z.  B.  den  Kohlehydraten,  kann  man 
sich  nur  durch  das  Studium  ihrer  Umsetzungen  und  Spaltungen  Kenntniss  von 
der  wahrscheinlichen  Grösse  des  Moleküls  verschaffen.  Ehrenberg. 

Elemente.  Chemische.  Die  griechischen  Naturphilosophen  bezeichneten 
Wasser,  Feuer,  Luft  und  Krde  als  die  4  Elemente,  indem  sie  annahmen,  das*  alle 
Naturkörper  durch  deren  Einwirkung  entstünden.  Als  später  erkannt  wurde,  dass 
Wasser  eine  chemische  Verbindung,  Luft  ein  Gasgemenge ,  Erde  ein  Conglomerat 
von  Tausenden  verschiedener  Körper  und  Feuer  überhaupt  nur  eine  Erscheinung 
sei,  mussten  die  4  Elemente  der  Alten  fallen.  Heutzutage  werden  unter  Ele- 
menten solche  Stoffe  verstanden,  welche  mit  den  der  Chemie  bislang  zu  Gebote 
stehenden  Mitteln  und  Kräften  nicht  weiter  zerlegbar  (einfache  Stoffe,  Grund- 
stoffe, Urstoffe)  sind,  und  die,  indem  sie  sich  miteinander  vereinigen, 
chemische  Verbindungen  liefern. 

Bevor  diese  Ansichten  völlig  geklärt  waren,  hat  die  Chemie  verschiedene  Wand- 
lungen durchgemacht.  So  wurde  z.  B.  von  Stahl  gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
die  Theorie  aufgestellt,  dass  alle  verbrennlichen  Korper  einen  eigenen  Stoff, 
Phlogiston,  enthielten ,  der  während  des  Verbrennungsprocesses  daraus  ent- 
weiche. Die  Beobachtung,  dass  manche  Metalle  beim  Verbrennen,  wobei  sie  in  Folge 
des  Entweichens  von  Phlogiston  eine  Gewichtsverminderung  hätten  erleiden  müssen, 
im  Gegentheil  eine  Gewichts  Vermehrung  erfuhren,  führte  zur  Annahme  eines 
negativen  Phlogiston s. 

Digitized  by  Google 


696 


ELEMENTE.  CHEMISCHE. 


Nachdem  von  Priestley  und  Scheele  der  Sauerstoff  entdeckt  worden  war. 
stellte  Lavoisier  durch  Experimente  fest,  dass  die  Körper  sich  bei  der  Verbrennung 
mit  Sauerstoff  verbänden.  Als  Hümphry  Davit  entdeckte,  dass  mittelst  der 
VOLTA'schen  Säule  die  bis  dahin  für  einfache  Stoffe  gehaltenen  Alkalien  und 
Erden  sich  in  Sauerstoff  und  ein  eigenes  Metall  zersetzen  Hessen,  war  ein  Mittel 
gefunden,  mit  dessen  Hilfe  im  Laufe  der  Zeit  eine  Anzahl  von  Elementen  isolirt 
werden  konnten.  Das  auf  Grund  des  chemischen  Verhaltens  seiner  Verbindungen 
schon  lange  als  Element  anerkannte  Fluor  ist  erst  in  der  jüngsten  Zeit  (1886) 
durch  Moissan  ebenfalls  durch  den  elektrischen  Strom  isolirt  worden. 

Die  Zahl  der  als  solche  anerkannten  Elemente  betrug  im  Jahre  1886  66 ;  die 
Zahl  derselben  vermehrt  sich  bestandig,  wenn  auch  langsam,  und  voraussichtlich 
werden  noch  verschiedene  der  jetzt  als  Elemente  angenommenen  Stoffe,  vielleicht 
mit  Hilfe  von  bis  jetzt  noch  gänzlich  unbekannten  Kräften,  entweder  als  Gemische 
bereits  bekannter  Elemente  oder  als  Gemische  bekannter  Elemente  mit  noch  un- 
bekannten erkannt  werden. 

Eine  andere  Quelle  für  die  Entdeckung  neuer  Elemente  bieten  seltene,  neuauf- 
zufindende Mineralien. 

Letzterem  Umstände  verdankt  die  Chemie  das  von  Ol.  Winkler  (im  Jahre 
1886)  in  dem  neuen  Mineral  Argyrodit  entdeckte  Element  Germanium, 
dessen  Echtheit  als  Element  zweifellos  zu  sein  scheint. 

Eine  Anzahl  der  im  Laufe  der  Zeit  als  neue  Elemente  angesprochenen  Stoffe 
hat  bei  weiterer  Untersuchung  wieder  aufgegeben  werden  müssen,  da  sie  sich  als 
Gemische  bereits  bekannter  Elemente  herausstellten. 

Von  derartigen  wieder  verlassenen  Elementen  sind  zu  nennen :  A  r  i  d  i  u  m, 
Donarium,  Urnen  ium,  Norium,  Pelopium.  Terbium.  Ein  in  jüngster 
Zeit  (1886)  von  Linnemann  und  Wenzel  im  Orthit  von  A r e n d a  1  entdecktes 
Element  A  u  s  t  r  i  u  m  ist  noch  nicht  völlig  sichergestellt.  Das  Gleiche  gilt  von 
den  folgenden :  Dysprosium,  Gadolinium,  Holmium,  Mosandrin,  Neodym,  Praseodym, 
Samarium. 

Ein  Verzeichniss  der  bis  1886  bekannten  Elemente  befindet  sich  Bd.  I, 
pag.  714. 

Döberriner  hatte  1830  gefunden,  dass  die  Atomgewichte  von  Elementen  mit 
ähnlichen  Eigenschaften  nahezu  um  16,  oder  ein  Vielfaches  von  16  differiren  und 
Mendelejeff,  der  die  bekannten  Elemente  nach  ihren  Atomgewichten  aufsteigend 
in  Tabellen  ordnete,  sagte  auf  diese  Weise  eine  Anzahl  neuer  Elemente  vorher. 
So  hat  Mendelejeff  bereits  dem  später  von  Nilson  und  Cleve  entdeckten 
Scandium  als  Ekabor*),  dem  später  von  Pifrrefitte  und  Bensberg  ent- 
deckten Gallium  als  Ekaaluminium  und  dem  später  von  Cl.  Winkler  ent- 
deckten Germanium  alsEkasilicium  eine  Stelle  in  seiner  Tabelle  eingeräumt. 

Diese  Tabelle  von  Mendelejeff  befindet  sich  Bd.  I,  pag.  717. 

Das  Vorkommen  der  Elemente  in  der  Natur  ist  ein  sehr  verschiedenes;  die 
wenigsten  finden  sich  im  elementaren  Zustande,  die  meisten  kommen  nur  in  Ver- 
bindung mit  anderen  Elementen  vor.  Während  eine  Anzahl  Elemente  in  den  ver- 
schiedenartigsten Verbindungen  in  grossen  Mengen  und  überall  verbreitet  vor- 
kommen und  für  das  Leben  von  Thier  und  Pflanze,  sowie  für  die  Industrie  von 
grösster  Wichtigkeit  sind,  finden  sich  andere  nur  in  höchst  geringen  Mengen  an 
einzelnen  Orten. 

Man  hat  früher  die  Elemente  eingetheilt  in  Metalle  und  Nichtmetalle, 
oder  Metalloide,  d.  h.  den  Metallen  ähnliche  Elemente.  Dieser  Eintheilung 
liegt  die  Ansicht  zu  Grunde ,  dass  den  Metallen  gewisse  charakteristische,  physi- 
kalische Eigenschaften,  wie  Metallglanz,  Leitungsfähigkeit  für  Wärme  und  Elek- 
tricität,  hohes,  die  Zahl  6  überschreitendes  speeifisches  Gewicht,  Undurchsichtigkeit 
allein  zukämen.   Obwohl  nun  eine  derartige   Eintheilung  in   Folge  des  lücken- 


*)  Eka  bedeutet  im  Sanskrit  =  1. 


Digitized  by  Google 


ELEMENTE,  CHEMISCHE.  —  ELEMENTE,  GALVANISCHE.  697 


haften  Princips  nicht  aufrecht  zu  erhalten  ist,  wird  dieselbe  doch  aus  praktischen 
Gründen  noch  benutzt,  indem  zur  Classificirung  jedoch  (nach  Kolbe)  die  chemi- 
schen Eigenschaften  der  Elemente  herangezogen  werden. 

Diejenigen  Elemente,  welche  bei  ihrer  Vereinigung  mit  Sauerstoff  Oxyde  mit 
vorwiegend  basischem  Charakter  liefern,  sind  Metalle,  diejenigen,  welche  Oxyde 
mit  vorwiegend  saurem  Charakter  liefern,  sind  Metalloide. 

Jedoch  auch  diese  Eintheilung  ist  nicht  einwandsfrei ,  da  einige  Elemente  mit 
Sauerstoff  Verbindungen  mit  saurem  und  auch  mit  basischem  Charakter  liefern  und 
der  Sauerstoff  selbst  zu  keiner  von  beiden  Classen  gehört,  jedoch  zu  den  Metalloiden 
gezahlt  wird. 

Zu  den  Metallen  zählen  daher  die  nachfolgenden  Elemente,  die  wieder  von  den 
Eigenschaften  der  Sauerstoff-  und  Schwefelverbindungen  ausgehend,  weiter  zer- 
gliedert werden: 

Alkalimetalle  (deren  Oxyde  und  Oxydhydrate  sind  in  Wasser  leicht  löslich 
und  von  stark  alkalischer  ßeaction) :  Kalium,  Natrium,  Lithium,  Rubidium,  Caesium. 

Erdalkalimetalle  (deren  Oxyde  und  Oxydhydrate  sind  in  Wasser  weit 
weniger  löslich,  von  geringerer  alkalischer  Reaction  und  erdiger  Beschaffenheit): 
Calcium,  Baryum,  Strontium,  Magnesium. 

Erdmetalle  (deren  Oxyde  sind  in  Wasser  unlöslich  und  besitzen  ebenfalls 
erdige  Beschaffenheit) :  Aluminium,  Chrom,  Beryllium,  Zirconium,  Yttrium,  Cerium, 
Lanthan,  Didym. 

Schwere  Metalle,  I  (deren  Schwefel  Verbindungen  werden  ans  neutralen 
Lösungen  durch  Schwefelammonium  gefällt):  Eisen,  Mangan,  Uran,  Zink,  Kobalt, 
Nickel. 

Schwere  Metalle,  II  (deren  Schwefelverbindungen  werden  aus  saurer 
Lösung  durch  Schwefelwasserstoff  gefällt):  Blei,  Wismut,  Thallium,  Cadmium, 
Indium,  Zinn,  Kupfer. 

Edle  Metalle  (wegen  der  grossen  Beständigkeit):  Quecksilber,  Silber,  Gold, 
Platin,  Iridium,  Palladium,  Rhodium,  Ruthenium,  Osmium. 

Zu  den  Metalloiden  zählen  folgende  Kiemente,  von  denen  einige  ebenfalls  in 
Gruppen  geordnet  werden  können : 

Sauerstoff,  Wasserstoff. 

Haloide  oder  Halogene  (weil  sie  durch  unmittelbare  Vereinigung  mit  den 
Metallen  Salze  bilden):  Chlor,  Brom,  Jod,  Fluor. 
Schwefelgruppe:  Schwefel,  Selen,  Tellur. 

Stickstoffgruppe:  Stickstoff,  Phosphor,  Arsen,  Antimon;  ferner:  Bor, 
Silicium,  Kohlenstoff,  Titan,  Molybdän,  Wolfram,  Vanadin,  Niobium,  Tantal. 

Ueber  die  zur  Bezeichnung  der  Elemente  in  Formeln  benutzten  chemischen 
Symbole  (die  aus  den  Anfangsbuchstaben  ihrer  lateinischen  Namen  gebildet 
sind),  sowie  über  die  Atomgewichte  der  Elemente  (in  Bezug  auf  Wasserstoff 
=  1),  über  das  Gesetz  der  Gleichheit  der  Atomwärmen  (von  Ddlong-Petit) 
und  das  Gesetz  von  der  Gleichheit  der  Molek ul ar volumin a  (von  Avogadbo), 
mit  deren  Hilfe  die  Sicherstellung  der  Atomgewichte  sämmtlicher  bekannterer  Ele- 
mente ermöglicht  wurde,  ferner  über  das  Verhältniss,  in  dem  sich  die  Elemente 
untereinander  zu  chemischen  Verbindungen  vereinigen  (ihre  Atomigkeit, 
Werthigkeit,  Valenz),  siehe  die  Artikel  Atom  in  Bd.  I,  pag.  710—718, 
Bindung  in  Bd.  II,  pag.  260  und. Chemie  in  Bd.  II,  pag.  659—666. 

A  Schneider. 

Elemente,  galvanische,  sind  Apparate  zur  Erzeugung  continuirlicher ,  gal 
vanischer  Ströme.  Ein  galvanisches  Element  besteht  mindestens  aus  zwei  Leitern 
erster  Ordnung,  das  ist  solchen,  welche  den  elektrischen  Strom  ohne  Zersetzung  leiten, 
und  einem  Leiter  zweiter  Ordnung,  das  ist  einem  solchen,  der  vom  elektrischen  Strom 
zersetzt  wird.  Das  Element  heisst  offen,  wenn  die  beiden  Leiter  erster  Ordnung 
nicht  untereinander  in  leitender  Verbindung  stehen,  geschlossen,  wenn  dies  der 
Fall  ist.  Im  Schliessungsleiter  circulirt  dann  ein  elektrischer  Strom  (s.  Galvanis- 


Digitized  by  Google 


KLKMKNTE,  GALVANISCH K 


mue).  Die  mit  dem  Leiter  zweiter  Ordnung  nicht  in  Berührung  stehenden  Enden 
der  Leiter  erster  Ordnung  des  Elementes  nennt  man  dessen  Pole.  An  den  Polen 
eines  isolirten,  offenen  Elementes  tritt  immer  freie  Elektricität ,  positive  an  dem 
einen,  negative  an  dem  anderen,  auf,  weshalb  man  von  einem  positiven  und 
negativen  Pol  des  Elementes  spricht. 

Die  Güte  eines  Elementes  benrtheilt  man  nach  seinen  Constanten,  nämlich  der 
elektromotorischen  Kraft  und  dem  inneren  Widerstand  desselben 
(s.  Galvanismus).  Die  elektromotorische  Kraft  hängt  nur  von  der  Art  des 
Elementes,  nicht  von  seiner  Grösse  ab,  der  Widerstand  aber  ist  von  beiden  abhängig 
nnd  wird  insbesondere  unter  sonst  gleichen  Umstanden  um  so  kleiner ,  je  grösser 
die  Berührungsfläche  der  Leiter  erster  Ordnung  mit  jenen  «weiter  Ordnung  wird. 

Da  die  Wirkung  eines  Elemeutes  für  viele  Zwecke  zu  gering  ist,  verbindet 
man  mehrere  Elemente  derart,  dass  sie  sich  gegenseitig  unterstützen.  Eine  solche 
Verbindung  bezeichnet  man  als  galvanische  Batterie,  eine  Bezeichnung,  die 
in  seltenen  Fällen  auch  fttr  ein  einzelnes  Element  gesetzt  wird.  Eine  solche  Com- 
bination  führt  auch  den  Namen  galvanische  Säule,  da  die  erste,  von  Volta 
construirte  Batterie  säulenförmig  aus  ihren  Elementen  aufgebaut  war.  Auch  dieser 
Ausdruck  wird  auf  ein  einzelnes  Element  angewendet.  Da  die  Elemente  einer 
Batterie  sich  wie  die  Glieder  einer  Kette  aneinanderreihen,  erklärt  sich  auch  die 
häufig  gebrauchte  Benennung  galvanische  Kette  für  dieselbe  nnd  in  Uebertragung 
auch  für  das  einzelne  Element. 

Das  erste,  von  Volta  construirte  galvanische  Element  bestand  aus  einer  Zink- 
nnd  einer  Kupferplatte ,  zwischen  welchen  sich  als  Leiter  zweiter  Ordnung  eine 
mit  Salzlösung  getränkte  Tuchscheibe  befand.  Cm  einen  merkbaren  galvanischen 
Strom  zu  erzielen  ,  muss  man  eine  grosse  Anzahl  solcher  Elemente  aufeinander - 
schichten.  Der  Strom  entsteht  dann ,  wenn  man  die  erste  Zink-  mit  der  letzten 
Kupferplatte,  die  Polo  der  Säule,  leitend  verbindet.  Die  Sänlenform  der  Batterie 
führte  manche  Unannehmlichkeit  mit  sich.  So  floss  z.  B.  in  Folge  des  Druckes 
die  Flüssigkeit  ans  den  Tuchscheiben  ans,  wodurch  die  Säule  sehr  bedeutend  an 
Wirksamkeit  verlor.  Man  construirte  daher  später  Batterien  aus  Becher-  oder 
Zellenelementen,  viereckigen,  mit  verdünnter  Schwefelsäure  gefüllten  Glasgefässen, 
in  welche  je  eine  Zink-  und  Kupferplatte  eintaucht.  Bei  der  Zusammenstellung 
der  Batterie  verbindet  man  Ieiteud  die  Kupferplatte  je  eines  Elemente«  mit  der 
Zinkplatte  eines  anderen ,  bis  schliesslich  wieder  eine  freie  Zink-  und  eine  freie 
Knpferplatte  als  Pole  der  Säule  übrig  bleiben. 

Eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  VoLTA'schen  Säule  zeigt  die  trockene 
oder  ZAMRONi'sche  Säule,  bei  welcher  die  Kupfer-  und  Zinkplatten  durch 
Scheiben  von  Gold-  und  Silberpapier  ersetzt  werden ,  die  man  mit  ihren  blanken 
Seiten  aneinanderlegt,  so  dass  die  feuchte  Papiermasse  den  Leiter  zweiter  Ordnung 
bildet.  Man  schiebtet  einige  tausend  solcher  Scheibenpaare  aufeinander  und  ver- 
schliesst  sie  dann  in  eine  Glasröhre,  deren  in  Messing  gefasste  Enden  die  Pole  der 
Säule  abgeben.  Diese  Säule  findet  eine  wichtige  Anwendung  beim  Bohnenberg  er- 
schen  Elektroskop  und  zuweilen  auch  als  Ladungssäulu  bei  Elektrometern. 

Ebenfalls  aus  Zink,  Kupfer  und  Flüssigkeit  setzt  sich  die  Pul vebmacher1  sehe 
Kette  zusammen,  deren  Anwendung  in  der  Therapie  vor  ungefähr  drei  Decennien 
eine  ziemlich  verbreitete  war.  Diese  Kette  besteht  aus  kleinen  Holzcylindern  (s. 
Fig.  lL".t\  auf  welchen  spiralig  in  kurzer  Entfernung  von  einander  ein  Kupfer-  und 
ein  Zinkdraht  so  aufgewickelt  ist,  dass  je  eine  Windung  des  einen  zwischen  zwei 
Windungen  des  anderen  fällt.  Die  Drahtenden  sind  zur  Vermeidung  jeder  Oxydation 
vergoldet  und  biegen  sich  zu  Oesen  um,  mit  Hilfe  welcher  man  eine  grössere  Anzahl 
solcher  Cylinder  derart  aneinanderhängt ,  dass  stets  die  Zinkdrahtösen  des  einen 
Elementes  in  die  Kupferdrahtösen  des  zweiten  eingreifen.  Die  letzten  Enden  des 
Kupferdrahtes  sind  dann  durch  eiuen  Metallstab  K,  jene  des  Zinkdrahtes  durch 
Z  verbunden,  welche  Stäbe  die  Pole  der  Kette  bilden.  Vor  dem  Gebrauch  wird  die 
Kette  kurze  Zeit  in  Essig  getaucht,  wodurch  die  Holzcylinder  Flüssigkeit  genug 


Digitized  by  Google 


BLEUEM  GALVANISCHE. 


b99 


annehmen,  um  die  Säule  zur  Wirksamkeit  zu  bringen.  Der  Ersatz  des  Zinkdrahtes 
durch  Magnesiumdraht  erhöht  bedeutend  die  elektromotorische  Kraft  der  Kette. 

Der  Strom,  welchen  eine  VOLTA'sche  Säule  liefert,  nimmt  bald  beträchtlich  ab. 
Er  wirkt  nämlich  zersetzend  auf  die  Flüssigkeit  des  Elementes,  also  beim  Element 
Zink-Kupfer-Schwefelsäure  auf  die  verdünnte  Schwefelsäure  ein  (s.  Elektrolyse), 
wobei  sich  die  Zersetzungsproducte  an  die  Metallplatten  begeben  und  Veränderungen 
im  Zustand  derselben  hervorrufen.  Im  angegebenen  Beispiel  scheidet  sich  Wasser- 
stoffgas  an  der  Kupferplatte,  Sauerstoff  mit  wasserfreier  Schwefelsäure  an  der 
Zinkplatte  ab.  Letztere  oxydirt  sich  und  löst  sich  allmälig  zu  Zinkvitriol  auf, 
wodurch  der  Process  der  Stromerzeugung  nicht  weiter  behindert  wird,  an  ersterer 
aber  ruft  die  sich  anlagernde  Schichte  von  Wasserstoff  eine  elektromotorische 
Gegenkraft  hervor,  welche  den  ursprünglichen  Strom  schwächen,  ja  vollständig 
vernichten  kann.  DaB  Auftauchen  dieser  elektromotorischen  Gegenkraft  bezeichnet 
man  als  Polarisation  (s.  d.)  des  Elementes.  Ein  Element  wird  nur  dann  einen 
constanten  Strom  geben,  wenn  das  Anlegen  solcher  Zersetzungsproducte,  meistens 
des  Wasserstoffes ,  verhindert  wird ,  oder  wenn  sich  nur  Substanzen  ausscheiden, 
die  keine  Polarisation  bewirken  können.  Elemente,  welche  diese  Bedingungen  er- 
füllen,  nennt  man  konstant.  Die  Haupttypen  derselben  sind  das  I  Uni  eil-, 
das  Grove-  und  das  Bunsenelement. 


Fig.  12;». 


Das  Danicllelement  besitzt  meist  ein  cylindrisehes  Glasgefäss,  in  dem  sich 
ein  ähnlieh  gestaltetes,  poröses  Thougefäss  von  kleinerem  Durchmesser,  das  Dia- 
phragma, befindet.  Das  Glasgefflss  ist  mit  verdünnter  Schwefelsäure  gefüllt,  in 
welche  ein  amalgamirter  Zinkcylinder  so  «intaucht,  dass  er  das  Diaphragma  um- 
schliesst.  Letzteres  selbst  enthalt  eine  eoneentrirte  Lösung  von  Kupfervitriol  und 
eine  cylindrisch  gebogene  Kupferplatte.  Der  Kupfer-  und  Zinkcylinder  tragen  dann 
noch  passende  Klemmen  zum  Befestigen  des  Leiters,  durch  welchen  das  Element 
geschlossen  werden  soll.  Der  Strom  zerlegt  beim  geschlossenen  Element  die  Schwefel- 
säure, wodurch  Sauerstoff  und  wasserfreie  Schwefelsäure  an  die  Zinkplatte  treten 
und  an  dieser  Zinkvitriol  bilden,  während  sich  der  von  der  Zersetzung  herrührende 
Wasserstoft'  an  das  Diaphragma  begibt.  Gleichzeitig  tritt  aber  auch  eine  Zer- 
setzung des  Kupfervitriols  ein,  in  Folge  welcher  sich  metallisches  Rupfer  an 
den  Kupfereylinder  niederschlagt,  Sauerstoff  und  wasserfreie  Schwefelsäure  sich 
am  Diaphragma  ausscheidet  und  mit  dem  dort  vorhandenen  Wasserstoff  wieder 
Schwefelsäurehydrat  bildet.  Die  elektromotorische  Kraft  dieses  sehr  constanten 
Elementes  beträgt  1.12  Volts.  Da  sich  durch  den  chemischen  Process  nach 
und  nach  die  Schwefelsäure  in  eine  Lösung  von  Zinkvitriol  verwandelt,  so 
verändert  sich  der  innere  Widerstand  des  Elementes,  worunter  ebenfalls  die  Con- 
stanz  des  Stromes  leidet.  Man  hilft  diesem  Uebelstand  durch  ciue  Beschickung  des 
Elementes  mit  einer  Lösung  von  Zinkvitriol  an  Stelle  der  Schwefelsäure  ab.  Die 
Concentration  der  Kupfervitriollösung  wird  durch  ein  oben  hineingehängtes  Draht- 
sieb, welches  Krystalle  des  Vitriols  enthält,  erhalten.  Das  Amalgamiren  des  Zink- 
cylinders  in  diesem  und  den  folgenden  Elementen  verhindert,  dass  sich  das  Metall 
nicht  schon  ohne  Stromeswirkung  in  der  Säure  auflöst  (s.  Elektrolyse).  Dag 
Daniellelement  wird  in  zahlreichen  Modifikationen  construirt ,  die  sich  jedoch  im 
Princip  nicht  von  der  ursprünglichen  Construction  unterscheiden.  In  diese  Kategorie 
gehören  die  Elemente  von  Siemens,  Meidinger  und  Callaud. 


Digitized  by  Google 


700 


ELEMENTE,  GALVANISCHE. 


Die  elektromotorische  Kraft  des  Daniellelementes  ist  nicht  besonders  gross,  sein 
innerer  Widerstand  nicht  unbedeutend,  zwei  Ursachen,  welche  eine  grössere  Strom- 
intensität mit  Datenelementen  nur  schwer  zu  erreichen  gestatten.  Nach  beiden 
Richtungen  hin  ist  das  Groveelement  bedeutend  besser.  Der  äusseren  Form  nach 
gleicht  es  dem  Daniellelement ,  doch  ist  in  demselben  an  Stelle  des  inneren 
Kupfercylinders  in  Kupfervitriollösung  ein  Platinblech,  welches  in  concentrirte 
Salpetersäure  taucht,  gesetzt.  Auch  in  diesem  Element  kann  der  von  der  zersetzten 
Schwefelsäure  herrührende  Wasserstoff  nicht  an  das  Platin  gelangen,  da  er  in  der 
Salpetersäure  zu  Wasser  oxydirt  wird,  hierbei  aber  die  Säure  zu  Untersalpeter- 
säure reducirt ,  die  sich  theilweise  löst ,  theilweise  aber  in  Gasform  ausscheidet. 
Der  letztgenannte  Umstand  verringert  sehr  bedeutend  die  Anwendbarkeit  des  Ele- 
mentes, da  die  ausgeschiedenen  Dämpfe  nicht  nur  auf  die  Respiratiousorgane 
schädlich,  sondern  auch  auf  alle  metallischen  Gegenstände  der  Umgebung  ver- 
derbend einwirken.  Die  elektromotorische  Kraft  des  Elementes  beträgt  2  Volts; 
sein  innerer  Widerstand  ist  relativ  gering. 

An  Stelle  des  theueren  Platinbleches  setzte  Bcnsen  in  seinem  Elemente  Platten 
oder  Cybnder  der  billigeren  Retortenkohle.  Vortheile  und  Nachtheile  hat  das 
Bunsenelement  mit  dem  Groveelement  gemein.  Für  grössere  Stromintensitäten  und 
längeren  Gebrauch  verbürgen  beide  eine  grössere  Constanz  des  Stromes  als  das 
Daniellelement. 

Zur  Vermeidung  der  lästigen  Dämpfe  ersetzte  Bunsen  die  Salpetersäure  durch 
eine  Mischung  von  61.82  Gewichtsth eilen  saurem  chromsaurem  Kali,  115.7  Ge- 
wichtstheilen  Schwefelsäure  und  604.7  Gewiehtstheilen  Wasser,  eine  Mischung, 
aus  der  sich  Chromsänre  bildet,  die  aber  mehr  Schwefelsäure  enthält,  als  zur 
Bildung  von  Chromalaun  bei  der  Reduction  der  Chromsäure  durch  den  Wasserstoff 
nothwendig  ist.  Poggendorff  empfiehlt  eine  Mischung  von  respeetive  3,  4  und 
18  Th.  Das  so  construirte  Chromsäureelement  besitzt  eine  noch  etwas 
grössere  elektromotorische  Kraft  als  das  GROVE'sche,  ist  auch  ziemlich  constant,  zeigt 
aber  unter  sonst  gleichen  Umständen  einen  etwas  grösseren  Widerstand  als  dieses. 

Die  Wartung  bei  den  genannten  Elementen  beschränkt  sich  darauf,  dass  man 
für  Concentration  der  Säure  respeetive  der  Kupfervitriollösung  sorgt,  die  Elemente, 
sobald  man  sie  nicht  mehr  braucht,  auseinandernimmt,  die  Diaphragmen  in  Wasser 
aufbewahrt,  damit  die  an  ihnen  abgelagerten  Substanzen  nicht  die  Poren  durch- 
wachsen und  die  Zellen  brüchig  machen,  dass  man  ferner  den  an  der  Zinkober- 
fläche in  Folge  der  Verunreinigungen  dieses  Metalles  sich  ansetzenden  Schlamm 
beseitigt  und  dieselbe  von  Zeit  zu  Zeit  frisch  amalgamirt. 

Ausser  den  constanten  Elementen  gibt  es  noch  manche  Constructionen  von 
balbconstanton ,  bei  welchen  der  Strom  nur  während  eines  kürzeren  Gebrauches 
verhältnissmässig  constant  erhalten  werden  kann.  Ein  ziemlich  häufig  angewendetes 
Element  dieser  Art  ist  das  SMEß'sche.  Es  besteht  aus  einer  mit  Platinmohr  über- 
zogenen Silberplattc,  die  an  einem  Holzdeckel  zwischen  zwei  untereinander  leitend 
verbundenen  Zinkplatten  isolirt  befestigt  ist.  Die  Platten  sind  mit  passenden  Zu- 
leitungsklemmen versehen  und  tauchen  durch  Aufsetzen  des  Deckels  auf  ein  mit 
verdünnter  Schwefelsäure  gefülltes  Glasgefäss  in  die  Säure  ein.  Man  verwendet 
selten  einzelne  Elemente,  sondern  vereinigt  mehrere  zu  einer  Batterie,  wobei  man 
die  Platten  aller  einzelnen  Elemente  so  an  einem  Brette  befestigt,  dass  sie  gemein- 
sam aus  ihren  Gefässen  mittelst  einer  einfachen  Hebevorrichtung  herausgehoben 
werden  können.  Bei  diesen  Elementen  verhindert  die  rauhe  Oberfläche  des  Platins 
das  Ansetzen  des  Wasserstoffgases,  das  in  kleinen  Blasen  entweicht.  Die  be- 
schriebene Form  der  Batterie  nennt  man  Tauchbatterie. 

Auch  Bensen  construirte  eine  solche  Tauchbatterie,  bei  der  die  Kohlen-  und 
Zinkplatten ,  aus  welchen  die  Elemente  bestehen ,  ebenfalb  an  einem  Holzrahmen 
befestigt  sind  und  aus  ihren  Glasgefässen ,  die  eine  der  oben  angegebenen 
Chromsäuremischungen  enthalten ,  gemeinsam  beim  Nichtgebrauch  herausgehoben 
werden. 


Digitized  by  Googl 


ELEMENTE,  GALVANISCHE. 


701 


Ein  sehr  weit  verbreitetes,  halbconstantes  Element  ist  jenes  von  Leclaxche. 
Das  Glasgefäss  desselben  wird  durch  eine  poröse  Thonwaud  in  zwei  Abtheilungen 
geschieden.  Die  eine  erfüllt  eine  Lösung  von  Salmiak  oder  Kochsalz,  in  die  ein 
Zinkstab  eintaucht ,  die  andere  enthält  eine  kleinere  Menge  derselben  Lösung ,  in 
die  sich  eine  Kohlenplatte  senkt,  während  den  noch  übrigen  Raum  kleine  Stückchen 
von  Mangansuperoxyd  ausfüllen.  Das  Element  ist  gewöhnlich  mit  einem  Deckel 
geschlossen,  an  welchem  die  mit  dem  Zink  und  Kohleneude  in  Verbindung  stehen- 
den Zuleitungsklemmen  sitzen. 

Eine  eigenthümliche  Art  von  Elementen  sind  die  Gaselemente.  Ein  solches 
Element,  wie  es  z.  B.  Grove  construirte,  entsteht,  wenn  zwei  durch  Platinmohr 
rauh  gemachte  Platinplatten,  an  deren  eiue  sich  eine  Schichte  Waaserstoffgas  an- 
setzte, während  die  andere  mit  Sauerstoffgas  behaftet  ist,  in  verdünnte  Schwefel- 
säure tauchen.  Der  Strom  geht  dann  ausserhalb  der  Flüssigkeit  von  der  mit 
Sauerstoff  belegten  Platte  zu  der  mit  Wasserstoff  in  Berührung  stehenden.  Da 
durch  diesen  Strom  die  Schwefelsäure  des  Elementes  derart  zerlegt  wird,  dass  sich 
Sauerstoff  an  der  Wasserstofffläche,  Wasserstoff  an  der  Sauerstofffläche  abscheidet, 
und  sich  hierdurch  unter  Verdrängung  der  Gase  Wasser  bildet,  so  hört  die  Wirk- 
samkeit des  Elementes  bald  anf.  Eine  praktische  Form  gewannen  die  Gaselemente 
erst  in  den  Accumulatoren  (s.d.,  Bd.  I,  pag.  4JI). 

Was  die  Verbindung  der  Elemente  zur  Batterie  anbelangt,  bq  unterscheidet  man 
die  Schaltung  auf  Quantität  und  Intensität.  Bei  der  Schaltuug  auf  Quantität, 
die  man  auch  als  Nebeneinanderschaltung  der  Elemente  bezeichnet,  ver- 
bindet man  von  den  zu  vereinigenden  Elementen  alle  Platten  des  einen  Metalles 
leitend  untereinander  und  ebenso  alle  des  andern.  Das  Resultat  einer  solchen 
Schaltung  ist  ein  Element,  dessen  Plattengrösse  die  Summe  jener  aller  angewen- 
deten Elemente  ist.  Die  elektromotorische  Kraft  der  Batterie  ist  dabei  allerdings 
nicht  grösser  als  die  eines  Elementes,  ihr  innerer  Widerstand  ist  aber  auf  den 
n-ten  Theil  jenes  eines  Elementes  gesunken,  wenn  n  die  Anzahl  der  geschalteten 
Elemente  bezeichnet.  Die  Schaltung  auf  Intensität,  die  Hintereinander- 
schaltung der  Elemente  besteht  darin,  dass  man  je  den  positiven  Pol  des 
einen  Elementes  mit  dem  negativen  eines  anderen  verbindet.  Eine  solche  Ver- 
einigung von  n-Elementen  besitzt  die  n-fache  elektromotorische  Kraft,  aber  auch 
den  n-fachen  Widerstand  des  eiuzelnen  Elementes.  Die  erste  Art  der  Schaltung 
hat  einzutreten,  wenn  der  Widerstand  der  äusseren  Leitung  klein  ist  im  Vergleich 
zu  jenem  eines  Elementes,  die  zweite  Art,  wenn  der  äussere  Widerstand  den 
inneren  bedeutend  (Iberwiegt.  Die  Schaltung  auf  Intensität  ist  daher  auch  die 
Schaltungsweise  der  Batterien  zu  therapeutischen  Zwecken,  indem  die  Theile 
des  menschlichen  Körpers ,  durch  welche  der  Strom  geschickt  werden  soll ,  einen 
grossen  Widerstand  besitzen.  Alle  solche  Batterien  enthalten  daher  eine  grosse 
Anzahl  kleiner  Elemente,  da  wohl  die  durch  die  groBse  Anzahl  der  Elemente 
beträchtliche  elektromotorische  Kraft,  nicht  aber  der  durch  ihre  Kleinheit  bedingte 
grössere  Widerstand  in  Betracht  kommt. 

Zu  ärztlichen  Batterien  eignet  sich  auch  so  ziemlich  jedes  Element ,  welches 
für  einige  Zeit  einen  constanten  Strom  gibt.  Der  Unterschied  dieser  Batterien  liegt 
daher  weniger  in  der  Art  der  Elemente,  die  nnr  insoweit  in  Betracht  kommt,  als 
die  Transportfähigkeit  und  die  Möglichkeit,  sie  in  gutem  Zustande  zu  erhalten, 
davon  abhängt,  sondern  hauptsächlich  in  der  mehr  oder  weniger  compendiösen 
Zusammenstellung,  der  bequemen  Handhabung  nud  der  geschickten  Verbindung  der- 
selben mit  den  zu  ihrem  Gebrauch  notwendigen  Nebenapparaten.  Ein  Beispiel  solcher 
Elemente  ist  die  Modification  des  Daniellelementee  von  Remak  und  später  von 
Trouve,  welche  kleine  Zink-,  Thon-  und  Kupferschüsselchen  nach  Art  der  Volta- 
schen  Säule  aufschichteten,  wobei  jede  Zink-  und  Kupferplatte  auf  einem  Tuchlappen 
oder  Fliesspapierbauseh  aufruhte,  der  mit  Zink-  respective  Kupfervitriol  getränkt  war. 

Beim  Chlorsilberelement  nach  Pincus  befindet  sich  am  Boden  eines  mittelgrossen 
ReagirglaseB  ein  kleiner  Cylinder  aus  Silberblech,  von  dem  ein  Zuleitungsdrabt  isolirt 


Digitized  by  Google 


702  ELEMENTE,  GALVANISCHE.  —  ELEMI. 

in  einem  Kautschukröhrchen  nach  aussen  geht.  Der  Cylinder  ist  mit  Chlorsilber 
gefüllt ,  über  welchem  verdünnte  Schwefelsäure  oder  Kochsalzlösung  steht.  In 
letztere  taucht  ein  Zinkstab ,  welcher  durch  den  Stöpsel  des  Glase«  geht  und  an 
ihm  befestigt  ist. 

Das  LECLANTHä-Element  wurde  von  Beetz  in  sehr  zweckmässiger  Weise  für 
therapeutische  Zwecke  umgestaltet.  In  ein  Reagirglas  ist  von  unteu  ein  Platindraht 
so  eingeschmolzen,  dass  seine  Enden  innen  und  aussen  hervorragen.  Das  innere 
Ende  umgibt  ein  Gemisch  von  Retortenkohle  und  Braunstein,  auf  das  concentrirte 
Salmiaklösung  bis  zu  zwei  Drittel  der  Höhe  des  Gefässes  gegossen  wird.  Den 
oberen  Theil  des  Glases  bestreicht  man  dann  mit  Talg,  damit  nicht  Salmiak  an 
ihm   emporkriecht.    Durch  den  Stöpsel  des  Reagirglases  hindurch  geht  in  die 


Fig.  130. 


Salmiaklösung  ein  unamalgamirter  Zinkstab,  der  nach  oben  zu  mit  einem  geraden 
Messingdrabt  als  Zuleiter  in  Verbindung  steht.  Die  Vereinigung  solcher  Elemente 
zur  Batterie  zeigt  Fig.  130.  Jedes  Element  wird  mittelst  des  oberen  und  unteren 
aus  ihm  herausrageuden  Drahtes  von  zwei  Klemmen  an  einem  Holzgestell  festgehalten. 
Dabei  sind  immer  die  untere  Klemme  des  einen  Elementes  und  die  obere  des 
nächsten  leitend  verbunden,  die  Elemente  also  auf  Intensität  geschaltet.  Die  Figur 
zeigt  weiters  noch  die  mit  Holzstielen  versehenen  Federklemmen,  durch  deren 
Anstecken  an  die  geraden  Messingdrähte  der  Elemente  man  eine  beliebige  Anzahl 
derselben  in  den  Stromkreis  schalten  kann,  und  zwei  Elektroden,  zu  welchen  die 
Leitungsdrähte  führen.  Pitsch. 

Elemi  ist  ein  Sammelname  für  harzartige  Produete  verschiedener,  vorwiegend 
dem  Verwandtschaftskreise  der  Durserarme  angehöriger  Bäume. 

Das  Elemi  der  Alten,  das  afrikanische  Elemi,  wird  aut  das  Exsudat  der  dornigen 
Form  des  wilden  Ölbaumes,  oder  wahrscheinlicher  nach  FlüCKJGER  auf  dasjenige 


Digitized  by  Google 


ELEMI. 


703 


von  Bo8tcellia  Frereana  Birdvo.  der  Somaliküste,  das  alte  LubanMati,  zurück- 
getunrt. 

Die  Elerai8orten  der  Jetztzeit  gruppiren  sich  in 

1.  Amerikanische,  von  Icica-  und  Amyrt's-Arten  abstammend.  Sie  werden, 
respective  wurden  im  Handel  nach  Herkunft  bezeichnet  als  Brasil-  oder  Rio-Elemi, 
Elemi  in  panis  von  Columbien  und  Neu  Guinea ,  Westindisches  Elemi ,  Yucatau- 
Elemi  und  Mexico-  oder  Veracruz-Elemi.  Von  allen  diesen  gelangt  nur  Mexico-, 
respective  Yucatan-Eleroi  in  den  Handel.  Beide  bilden  die  als  hartes  Elemi 
bezeichnete  Waare  der  Drogenhfiuser. 

Mexico  - Elemi  wird  in  der  Gegend  von  Oaxaca,  von  Amyris  elemifera  Royle 
gesammelt,  wurde  vor  30  Jahren  zuerst  eingeführt.  Es  bildet  blassgelbliche  harte, 
auf  dem  Bruche  glänzende  Stücke,  die  theilweise  mit  porzellanartigen,  weissen, 
glänzenden  Partien  durchsetzt  sind. 

Yucatan-Elemi  ist  in  der  jetzigen  Handebjform  mehr  hell  graugrünlich, 
auf  dem  Bruch  an  polirtes  Horn  erinnernd ,  aussen  weisslich  bestäubt ,  daher  in 
den  kleinsten  8tücken  an  Olibanum  erinnernd.  Geruch,  ebenso  wie  die  übrigen 
festen  Elemisorten,  schwach  aromatisch,  terpentinartig. 

Yucatan-  oder  westindisches  Elemi  der  Ph.  Germ.  I.,  welches  oitronen-  oder  dunkel, 
pomeranzengelb  ist  und  von  Amyris  Plumieri  DC.  oder  Icica-  und  Bursera- Arten 
der  Antillen  abgeleitet  wird,  scheint  nach  vorliegenden  Proben  nicht  gleichbedeutend 
mit  dem  jetzigen  Yucatan-Elemi  zu  sein.  Die  jetzt  im  Handel  gebräuchliche  Gleich- 
bedeutung von  Mexico-  und  Yucatan-Elemi  erklärt  sich  durch  die  politische  Zuge- 
hörigkeit Yucatans  zu  Mexico. 

Elemi  in  panis  von  Columbien  (Neu-Guinea)  kommt  nicht  mehr  in  den 
Handel.  Es  bildet  bis  Kilo  schwere  dreieckige  oder  abgeplattete,  in  Palmen  oder 
Marantablätter  eingewickelte  Stücke.  Es  stammt  von  /c/ca-Arten. 

Brasil-  oder  Rio-Elemi.  Heute  selten,  von  Icica -Arten  abstammend,  ist 
weich  und  erinnert  in  Consistenz  und  Geruch  an  Manila-Elemi.  Ein  neues  Elemi 
in  Form  eines  Weichharzes  stammt  von  Icica  heptaphylla  AubL  in  Britisch- 
Guyana,  wo  es  als  Hiawe  bekaunt  ist. 

2.  Manila-  oder  Philippinisches  Elemi,  das  weiche  Elemi  des  Handels ; 
zur  Zeit  die  einzige  regelmässig  im  Handel  erscheinende  Sorte.  Es  wird  auf  Luzon 
von  einem  oder  vermuthlich  mehreren  Baumarten,  welche  als  Arbol  al  Brea  oder 
Harzbaum  bezeichnet  werden,  aber  botanisch  nicht  genau  bekannt  sind,  gewonnen. 

Die  Handelsform  des  Manila-Elemi  bildet  weiche,  zähe,  fettglänzende,  klebrige 
Massen,  von  der  Consistenz  eines  sehr  dicken  Terpentins,  in  Farbe  und  Ausseheu 
dem  weissen  Honig  sehr  ähnlich  und  mit  kleinen  Rindenstückchen  untermischt. 
Die  anfangs  weissliche  Färbung  geht  mit  der  Zeit  in's  Gelbliche  und  in's  Grünliche 
über,  auch  tritt  grössere  Härte  ein.  Der  Geruch  ist  sehr  charakteristisch  und 
stark,  erinnert  an  Terpentinöl,  an  Macis,  und  etwas  an  Fenchel  oder  Ol.  Cumini. 
Der  Geschmack  ist  aromatisch  und  bitterlich.  Unter  dem  Mikroskop  zeigen  sieh 
Krystalle,  die  besonders  deutlich  beim  Verdunsten  einer  ätherischen  Lösung  zu 
erkennen  sind. 

3.  Ostindisches  Elemi  von  Canarium  Arten.  Dasselbe  bildet  bis  Uber  pfund- 
schwere harte  Stücke,  an  denen  Reste  von  Palmblättern  als  Verpackungsmaterial 
kleben.  Bruchstücke  zeigen  eine  weissliche  mattglänzende  Innenfläche.  Die  Aussen- 
seite  ist  dunkel  citronengelb,  leicht  abreibbar.  Oft  bildet  diese  gelbe  Aussenseite 
eine  Rinde,  die  als  deutliche  Schicht  von  der  helleren  Mittelpartie  abgetrennt  ist. 
In  grösseren  8tücken  sind  grünliche  Partien  erkennbar.  Geruch  tritt  nur  beim 
Reiben  deutlich,  aber  auch  dann  nur  schwach  hervor. 

4.  Bengal-Elemi.  Dasselbekam  1830  von  Calcutta  nach  England  als  weiche, 
weisse,  in  Bambusröhren  eingeschlossene  Masse  von  starkem  Elemigerucb.  Es  soll  von 
Amyris  Agallocha  Bxb.  oder  von  Balsamodendron  Boxbourghii  A  •'.  abstammen. 

5.  Neu-Guinea- Elemi  soll  von  Canarium -Arten  stammen,  ist  gelblichweiss, 
hart  und  bestäubt.  Keine  Haudelswaare. 


Digitized  by  Google 


704 


ELEMI.  —  ELETTARIA. 


6.  Mauritius-Elemi.  Dasselbe  gelangte  bis  jetzt  nur  im  Jahre  1855  in 
den  Handel,  gleicht  dem  Manila-Elemi  und  stammt  von  Golophonia  Mauritiana  DC. 

Am  genauesten  untersucht  ist  das  Mauila- Klemi.  Dasselbe  ist  löslich  in  Chloro- 
form, in  Aether,  warmem  Benzol,  Alkohol,  Terpentinöl,  fetten  und  Ätherischen 
Gelen  und  hat  das  specifische  Gewicht  1.02 — 1.08.  Die  Hauptmasse  wird  von 
einem  amorphen  Harz  (C„  H8)j  -f  OH2  gebildet.  Daneben  findet  sich  eine  geringe 
Menge  krystallisirbare  Elemisäure  CJ5H4604,  krystallisirendes  Amyrin  CiöH120 
und  Krystalle  von  Bryoidin  C80Hs8O3.  Aetherisches  Oel  befindet  sich  zu  etwa 
1 2  Procent  darin.  Dasselbe  bedingt  den  Geruch,  besteht  aus  verschiedenen  Terpenen 
und  ist  wasserhell.  Ausserdem  ist  ein  Bitterstoff  vorhanden. 

Westindisches  Elemi  ist  nur  zu  60  Procent  in  warmen  Spiritus  löslich,  der 
Gehalt  an  ätherischem  Oel  ist  ungefähr  derselbe. 

Ostindisches  und  amerikanisches  Elemi  löst  sich  nach  vorliegenden  Proben  in 
denselben  Lösungsmitteln,  liefert  auch  wie  Manila-Elemi  deutliche  Krystalle,  wahrend 
das  Harz  von  Boswellia  Frereana  keine  Krystalle  zeigt. 

Die  Unterscheidung  der  Elemisorten  ist  sehr  schwierig,  wenn  nicht  unmöglich. 
Chemische  und  mikroskopische  Unterschiede  sind  nicht  festzustellen.  Ueberhaupt 
würde  nur  eino  Unterscheidung  in  hartes  und  weiches  Elemi  für  den  Fall  einer 
Aufnahme  in  eine  spatere  Pharmakopoe  praktisch  durchführbar  sein  und  auch 
genügen,  denn  die  Unterschiede  unter  den  einzelnen  harten  Sorten  sind  nicht 
grösser  als  die  zwischen  den  Terpentinsorten  verschiedener  Pinus- Arten.  Weiches 
Elemi  ist  durch  Reiuen  viel  grösseren  Oelgehalt  abweichend,  daher  vielleicht  wirk- 
samer und  medicinisch  und  pharmaceutisch  zu  trennen. 

Die  Gewinnung  des  Elemi  ist  nur  von  Luzos*  bekannt,  wo  die  Bfiume  ange- 
schnitten und  durch  Feuer  der  Austritt  des  Harzes  beschleunigt  wird. 

Anwendung  findet  Elemi  nur  noch  zur  Lackfabrikation. 

Als  Verfälschungsmittel  dient  Fichtenharz.  Prollius. 

Elemisäure,  C36  H60  04.  Wenn  man  aus  dem  Elennharz  das  Amyrin  vom 
Elemin  trennt,  bleibt  in  der  alkoholischen  Mutterlauge  des  erstcren  die  Elemisäure 
zurück.  Kleine  glänzende  Krystalle,  unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  Alkohol 
und  Aether.  Schmelzpunkt  215°.  Linksdrehend. 

ElephantenlällSe  heissen  die  Früchte  von  A  n  acard  ium  (s.  Bd.  I,  pag.  347). 

Elephantiasis  ist  eine  meist  auf  die  unteren  Extremitäten  beschränkte ,  mit- 
unter aber  auch  an  anderen  Körpertheilen  vorkommende  Erkrankung  der  Haut, 
in  deren  Folge  die  betroffenen  Organe  unförmlich  und  oft  in  sehr  hohem  Grade 
vergrössert  werden. 

Elephant0pif8,  Gattung  der  Compositae.  Gruppe  Vernoieae.  Ausdauernde 
Kräuter  mit  3 — f>blflthigen  Köpfchen.  Der  Hüllkelch  zeigt  2  Reihen  von  Hüll- 
blättern; die  Krone  ist  handfÖrmig-5theilig ,  mit  einem  tieferen  Einschnitte:  die 
Staubfäden  sind  kahl;  die  Griffeläste  dünn;  die  Frucht  ist  zusammengedrückt, 
vielrippig,  behaart;  der  Haarkranz  einreihig. 

Elephantopus  tomentosus  auet.  (non  L.)  =  inollis  HBK„  ausgezeichnet 
durch  zottige  Behaarung,  wird  in  Nord-Amerika  neuerlich  als  Expectorans  und 
Diaphoreticum  empfohlen. 

Elettaria,  Gattung  der  Zingiberaceae,  Unterfamilie  Amomeae.  Südasiatische 
Kräuter  mit  kriechendem  Wurzelstock,  zweizeilig  mit  scheidigen  Blättern  besetztem 
Stengel  und  theilwcise  kriechendem  Blüthenschaft.  Von  der  doppelten  Blüthenhülle 
ist  das  äussere  Pcrigon  röhrig,  das  innere  lippig.  Das  einzige  fruchtbare  Staub- 
gefäß schliesst  zwischen  den  Antherenhälften  (ohne  Anhängsel)  den  Griffel  ein, 
dessen  Narbe  klein,  nicht  gefranst  ist.  Die  Frucht  ist  eine  lederige,  stumpf  drei- 
kantige Kapsel     it  zahlreichen,  von  einem  zarten  Arillus  umwachsenen  Samen. 

Elettaria  Cardamomum  White  et  Mat.  (Anwmum  rejtens  Sonn., 
Alpinia  Cardamomum  Jixb.)   besitzt  ein  stark  daumendickes ,  reich  bewurzelte« 

Digitized  by  Google 


ELETTARIA.  —  ELFENBEIN. 


705 


Fig.  131. 


illililllUlii 


Rhizom,  aus  welchem  sich  2 — 3  m  hohe  Stengel  mit  big  60  cm  langen,  gehilfähn- 
lichen, fein  behaarten,  drüsig  punktirten  Blättern  abzweigen.  Die  Blüthenstiele  mit 
häutigen  Scheidenblattern  liegen  auf  dem  Boden  auf,  erat  die  Blüthenrispeu  erheben 
sich.  Die  Blllthen  sind  unscheinbar  grttnlichweiss,  die  Kapseln  bis  fast  2  cm  lang, 
dreifächerig,  mit  zwei  Reihen  Samen  in  jedem  Fache. 

Von  dieser  Art  stammen  die  kleinen  oder  Malabar-Cardamomen  (s.  Bd.  II, 
pag.  552). 

El  ettaria  major  8m.  ,  die  Mutterpflanze  der  langen  Ceylon-Card  a- 
momen,  ist  vielleicht  nur  eine  Varietät  der  vorigen,  indem  sie  sich  wesentlich 
nur  durch  die  doppelt  so  grossen  Früchte  und  durch  die  oberseits  kahlen  Blätter 
von  ihr  unterscheidet. 

Elfenbein  im  engeren  Sinne  ist  die  Zahnbeinsubstanz  der  Stogszähne  des 
Elephanten  und  des  fossilen  Mamuth,  doch  bezeichnet  man  mit  diesem  Namen  auch 
andere  Zahnsubstanzen ,  namentlich  auch  die  grossen  Eckzähne  des  Nilpferdes 
(Hippopotamus),  des  Walross  (l'richechus),  den  Stosszahn  des  Narwal  oder 
Einhorn  (Monodon),  die  Zähne  des  P o t  w a  1  ( Physeter),  und  vegetabilisches 

Elfenbein  nennt  man  das  weisse  und 
beinharte  Endosperm  einiger  Palmensameu, 
welche  gross  genug  sind,  um  technisch  ver- 
werthet  zu  werden.  —  S.  S  t  e  i  n  n  u  s  s. 

Alle  die  oben  genannten  Zahne  stimmen 
in  ihren  histologischen,  chemischen  und 
physikalischen  Eigenschaften  nahe  ttberein, 
und  wenn  sie  dessenungeachtet  technisch 
nicht  gleichwerthig  sind ,  so  liegt  dies 
hauptsächlich  au  ihrer  Form  und  Grösse, 
theilweise  auch  an  gewissen  physikalischen 
Verschiedenheiten,  welche  an  und  für  sich 
sehr  geringfügig,  aber  für  bestimmte  Ver- 
wendungsarten ausschlaggebend  sind ,  wie 
Härte,  Zähigkeit,  Farbe. 

Die  Grundmasse  aller  Zahne  ist  das 
Zahnbein  ( Dentin).  Es  besteht  aus  den 
verknöcherten  Zahncanülchen,  welche  dicht- 
(vllrl  gcdrflngt  in  radialer  Richtung  mehr  oder 
weniger  geschlängelt  von  der  Pulpa  aus- 
strahlen. Zwischen  den  innig  verschmolzenen 
Röhrchen  des  Zahnbeins  bleiben  mikrosko- 
pisch kleine  Lücken  frei,  die  sogenannten 
Interglobularräume ,  welche  eine  gewisse 
Regelmässigkeit  in  der  Anordnung  zeigen 
und  dadurch  das  sicherste  Mittel  zur  Unterscheidung  der  Zahnarten  im  verarbeiteten 
Zustande  darbieten.  Im  Elfenbeinzahne  (Fig.  131)  sind  sie  in  dichten  parallelen 
Reihen  gruppirt,  im  Nilpferdzahu  sehr  klein  uud  kaum  merklich  geschichtet,  im 


p  ■ ,  « $MMmk 


Dünnschliff  de»  Elfenbein*;  die  Inter- 
globulärräume  >  kreuzen  die  Zahiieauabhen 
(nach  Obermayer).    Vergr.  300. 


Walrosszahn  sehr  gross,  geschwänzt  und  zerstreut,  im  Narwalzahn  in  ab- 
wechselnd schmalen  und  breiten  Streifen  dicht  gereiht. 

Das  Dentin  enthalt  20—30  Procent  organische  Substanz ,  welche  gleich  dem 
Knochen  beim  Kochen  Leim  gibt;  die  Asche  besteht  vorwiegend  aus  Kalksalzen. 
Seine  Härte  schwankt  zwischen  5  und  6. 

Das  Elfenbein  findet  ausschliesslich  gewerbliche  Anwendung.  Der  Cement-  oder 
Schmelzüberzug  wird  vor  der  Verarbeitung  entfernt.  Das  sogenannte  „Ebur  U8tumu 
wird  nicht  aus  Elfenbein,  sondern  aus  Knochen  und  anderen  thierischen  Abfällen 
dargestellt. 

Real-Encyclopädio  der  ge*.  Pharmacie.  III.  45 

Dil 


igitized  by  Google 


706 


ELFENBEIN.  —  ELIMINATION. 


Fälschungen  mit  Knochen  (s.  d.)  sind  unter  dem  Mikroskope  auf  den  ersten 
Blick  zu  erkennen,  da  die  Knochensubstanz  von  der  ihr  chemisch  so  nahe  stehen- 
den Zabnsubstanz  histologisch  völlig  verschieden  ist. 

I 

Elimination  (elimino,  über  die  Schwelle  setzen)  heisst  in  der  Pharmakologie 
und  Toxikologie  die  Fortschaffung  der  eingeführten  und  resorbirten  Medicamente 
oder  Gifte  durch  die  Secrete.    Dieselbe  geschieht  vorzugsweise  durch  die  Nieren, 
bei  gasförmigen  Stoffen  durch  Lungen  und  Haut;  ausserdem  nehmen  Speichel- 
drüsen, Thränendrüsen,  Leber,  Magen-  und  Darmschleimhaut,  die  Schleimhaut  der 
Athemwerkzeuge,  unter  Umständen  auch  die  Brustdrüse  an  der  Elimination  mehr 
oder  weniger  wesentlichen  Antheil.  Das  Verhalten  der  einzelnen  Medicamente  und  Gifte 
ist  den  Secretionsorganen  gegenüber  verschieden,  ohne  dass  der  Grund  dafür  überall 
klar  vorliegt,  weshalb  gerade  dieses  oder  jenes  Secretionsorgan  bevorzugt  wird. 
Von  einer  specifischen  Attractionskraft  kann  nicht  wohl  die  Rede  sein,  da  häufig 
ein  secernirendes  Organ ,  welches  gerade  in  erhöhtem  Maasse  tbätig  ist ,  gewisse 
Substanzen  fortschafft,  die  unter  normalen  Verhaltnissen  von  einem  anderen  aus- 
geschieden werden,  z.  B.  Chinin  im  Schweisse  bei  stark  transpirirenden  Personen,  ver- 
schiedene Alkaloide  im  Speichel  bei  künstlich  durch  Pilocarpin  erzeugter  Salivation. 
Eine  grosse  Anzahl  von  Stoffen  verlässt  den  Körper  unverändert  in  wenigen  Tagen 
wieder.  Von  einzelnen  dieser  als  Organodecursoren  bezeichneten  Substanzen, 
z.  B.  von  chlorsaurem  Kalium ,  ist  der  Nachweis  geliefert ,  dass  sie  in  der  ein- 
geführten Menge  auch  wieder  ausgeschieden  werden.    Zu  den  Organodecursoren 
gehören  die  meisten  lösüchen  Salze  der  Alkali-,  Erdalkali-  und  Erdmetalle  (Jodüre 
und  Bromüre,  Carbonate,  Sulfate,  Hydrochlorate,  chlorsaure  und  unterchlorsaure, 
borsaure,  unterschwefelsaure  Verbindungen),  ebenso  die  Verbindungen  der  meisten 
Pflanzenbasen.  Bei  auderen,  insbesondere  bei  den  Verbindungen  der  Schwerraetalle, 
erfolgt  die  Elimination  in  Folge  von  zeitweiser  Ablagerung  (s.  Bd.  I,  pag.  24) 
erst  in  weit  längerer  Zeit ,  auch  nicht  in  Form  der  eingeführten  Salze ,  sondern 
in  solcher  metallorganischer  Verbindungen.  Manche  Medicamente  und  Gifte  erleiden 
im  Organismus  solche  Veränderungen,  dass  sie  nicht  als  solche  in  die  Secrete  Uber- 
treten.   Einzelne  organische  Substanzen  unterliegen  einer  Destruction  durch 
Oxydation,  insofern  sie  durch  Einwirkung  des  Sauerstoffs  im  Blute  und  in  den 
Geweben  die  gewöhnlichen  Endproductc  der  Verbrennung,  wie  sie  in  den  Secreten 
zur  Ausführung  gelangen  (Kohlensäure  und  Wasser  bei  den  nicht  stickstoffhaltigen 
Substanzen,  Harnstoff  bei  den  stickstoffhaltigen)  liefern.    In  diesem  Falle  können 
die  Secrete  unter  Umständen  keine  Spur  der  eingeführten  Substanz  enthalten ; 
doch  kann  die  Verbrennung  auch  nicht  vollständig  zu  Stande  kommen  und  ein 
Theil  unverändert  in  die  Secrete  übertreten.    Letzteres  ist  namentlich  der  Fall, 
wenn  grössere  Mengen  eines  Stoffes  eingeführt  werden ,  für  die  der  vorhandene 
Sauerstoff  nicht  ausreicht ;  man  kann  häufig  den  Uebergang  eines  Stoffes  in  diese 
Secrete  nachweisen,  wenn  derselbe  als  Gift  eingeführt  wurde,  während  derselbe  in 
medicinalen  Dosen  nicht  in  nachweislichen  Mengen  eliminirt  wird.  So  entzieht  sich 
der  Alkohol  bei  kleinen  Dosen  mitunter  dem  Nachweis  im  Harn,  in  dem  man  ihn 
bei  berauschenden  Dosen  regelmässig  findet.  Verschiedene  organische  Säuren  treten 
auch  wieder  unverändert  im  Harne  auf,  wenn  sie  als  solche  in  grösseren  Dosen 
gereicht  werden,  z.  B.  Apfelsäure,  Weinsäure,  GitronenBäure ,  während  dieselben 
in  kleineren  Mengen  mit  den  Alkalien  im  Organismus  Salze  bilden  und  so,  oder 
wenn  sie  als  neutrale  Alkalisalze  eingeführt  werden,  wie  auch  die  entsprechenden 
Salze  der  Essigsäure,  Ameisensäure  und  Baldriansäure,  als  Carbonate  im  Harne  auf- 
treten. Neben  den  Endproducten  der  Verbrennung  organischer  Körper  finden  sich 
aber  nach  manchen   unorganischen  und  organischen  Stoffen  noch  Körper  in  den 
Secreten,  welche  ebenfalls  dem  Einflüsse  der  Oxydation  ihre  Entstehung  verdanken. 
So  findet  sich  Schwefelnatrium  bei  Einführung  medicinaler  Dosen  im  Harn  als 
Natriuinsulfat  wieder ,  schwefligsaure  und  unterschwefligsaure  Alkalien  verbrennen 
ebenfalls  zu  Sulfaten,  salpetrigsaure  Salze  zu  Nitraten.    Neben  der  Oxydation 


Digitized  by  Googl 


ELIMINATION. 


707 


können  aber  auch  andere  Processe  im  Organismus  Anlass  geben,  dass  andere  Ver- 
bindungen als  die  eingeführte  in  den  Secreten  erscheinen.  So  erscheint  Ferricyan- 
kalium  theilweise  als  Ferrocyankalinm  im  Harn,  wahrend  Ferrocyankalium  durch 
Oxydation  in  ersteres  verwandelt  wird.  Auf  die  Combination  von  Oxydation  und 
Kednction  und  die  dadurch  bedingte  Wasserentziehung  hat  man  auch  die  Bildung  von 
Harnstoff  aus  kohlensaurem  Ammoniak  zurückgeführt,  welche  von  Anderen  indessen 
auf  complicirtere  Processe  bezogen  wird.  Solche  Processe  sind  theüs  Spaltungen, 
theils  8ynthesen,  vereinzelt  auch  moleculäre  Umlagerungen,  die  nicht  selten  auch 
mit  Oxydations-  und  Reductionsprocessen  einhergehen  und  sich  mitunter  nicht  am 
ursprünglich  eingeführten  Körper,  sondern  an  einem  Oxydationsproducte  vollziehen. 
So  erscheinen  dann  in  den  Secreten,  namentlich  im  Urin,  von  der  eingeführten 
Substanz  ganz  verschiedene  Verbindungen,  häufig  mehrere  neben  einander  und 
mit  einem  Theile  des  durch  die  Organe  ohne  Veränderung  hindurchgegangenen 
Arzneimittels.  Spaltungen  sind  weniger  häufig  als  Synthesen;  doch  findet  sich 
nach  Salicin  Saligenin  neben  einer  Reihe  anderer  Körper,  nach  Solanin  Solanidin 
(Draoendorff).  Auch  der  Uebergang  der  Gerbsäure  in  Gallussäure  ist  als  Spaltung 
gedeutet,  gehört  aber  wohl  zu  den  moleculären  Umsetzungen,  für  welche  Chinin 
ein  anderes  Beispiel  gibt,  das  nach  Kerner  theilweise  als  amorphes  Chinin,  theils 
als  Oxydationsproduct  (Dihydroxylchinin)  im  Urin  auftritt.  8ynthesen  verschiedener 
Art  finden  sich  besonders  bei  aromatischen  Verbindungen.  Am  längsten  bekannt 
ist  die  von  Wöbler  entdeckte  Umwandlung  von  Benzoesäure  (C,  Hs  04)  in  Hippur- 
sflure (C,  Hj,  N08)  durch  Paarung  mit  Glycocoll  (C4  H5  NOa)  und  Abgabe  von 
Wasser,  der  sich  der  Uebergang  von  Toluylsäure,  Salicylsäure  und  Anissäure  in 
analog  zusammengesetzte  8äuren  (Tolursäure,  Salicylursäure,  Anisursäure)  anschliesst. 
In  ähnlicher  Weise  paart  sich  die  aus  Chinasäure  und  Zimmtsäure  durch  Oxydation 
im  Thierkörper  entstehende  Benzoesäure  mit  Glycocoll  und  erscheint  als  Hippur- 
süure  im  Harn.  Eine  andere  Paarung  ist  die  von  Baumann  und  Hertel,  entdeckte 
mit  Schwefelsäure,  welche  für  Phenol,  Cresol,  Thymol,  Naphtol,  Salieylamid  und 
Ähnliche  Körper  nachgewiesen  wurde,  die  als  Aetherschwefelsäuren  im  Harn  er- 
scheinen. Eine  dritte  ist  diejenige  mit  Glycuronsäure  (C„  H10  Ot),  welche  sich  bei 
Einführung  von  Kampfer  uud  Terpentinöl  (Schmiedebero),  aber  auch  bei  Phenol, 
Thymol,  Naphtol  und  diversen  aromatischen  Stoffen  neben  der  Paarung  mit 
Schwefelsäure  vollzieht.  Auf  Glycuronsäurepaarung  ist  auch  die  Ausscheidung  des 
Chloralhydrats  und  Butylchlorats  als  Urochloralsäure  und  Urobntylchloralsäure  zu 
beziehen,  doch  findet  diese  erat  nach  zuvoriger  Reduction  der  eingeführten  Körper 
zu  Trichloraethylalkohol,  beziehungsweise  Trichlorbutylalkohol  statt.  Als  Beispiel 
complicirter  Veränderungen  nennen  wir  das  Jodoform,  von  dem  sich  Jod  abspaltet 
und  in  Form  von  Jodalkalien ,  zum  Theil  vielleicht  auch  von  jodsauren  Salzen 
erscheint,  neben  denen  dann  aber  auch  noch  eine  organische  Jodverbindung  im 
Urin  sich  findet,  ferner  das  bereits  mehrfach  erwähnte  Phenol,  das  bei  Vergiftungen 
theils  als  solches,  theils  als  Aetherschwefelsäure  oder  Glycuronsäureverbindung  im 
Harn  erseheint,  daneben  aber  auch  zu  Hydrochinon  und  Brenzcatechin  sich  oxydirt, 
von  denen  das  erstere  wieder  theilweise  mit  Schwefelsäure  sich  paart,  theilweise 
zu  gefärbten  Producten  weiter  verbrennt. 

Die  Kenntniss  der  Elimination  der  einzelnen  Stoffe  hat  namentlich  dadurch  Be- 
deutung, dass  die  Secrete,  und  vor  Allem  der  Urin,  ein  werthvolles  Untersuchung»- 
object  für  gerichtliche  Fälle  abgeben,  da  das  Gelingen  des  Nachweises  eines  Giftes 
oder  daraus  im  Thierkörper  entstehender  Substanzen  in  denselben  den  Beweis 
einer  stattgehabten  Vergiftung  liefern  kann.  Die  Elimination  durch  den  Harn  ist 
mitunter  so  bedeutend,  dass  der  Urin  selbst  giftige  Wirkung  äussern  kann.  Durch 
glaubwürdige  Reisende  ist  verbargt,  dass  der  Harn  der  Personen,  welche  in  Ost- 
asien  den  Fliegenpilz  als  Berausohungsmittel  verwenden ,  dieselben  Erscheinungen 
hervorruft.  Fast  alle  oben  angeführten  Beispiele  für  die  verschiedenen  Aus- 
scheid ungsweisen  beziehen  sich  auf  den  Harn,  und  einzelne  Arten  der  Elimination 
baben  nur  für  diese  Giltigkeit,  z.  B.  die  Hippursäurebildung  aus  Benzoesäure,  die 

igitized  by  Google 


708 


ELIMINATION.  —  EL1SABKTII  QUELLE. 


aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  den  Nieren  durch  ein  eigentümliches  Ferment 
(Histozym)  bewirkt  wird.  Aber  auch  andere  Secrete  entbehren  der  toxikologischen 
Bedeutung  keineswegs;  namentlich  erscheint  die  Galle  für  die  Elimination  der 
Metalle  von  besonderer  Wichtigkeit.  Weniger  Bedeutung  besitzt  die  Elimination 
durch  die  Haut ,  (»bschon  nicht  blos  flüchtige  Stoffe ,  wie  Schwefelwasserstoff, 
Tellurwasserstoff,  Kakodyl,  die  Stinkstoffe  von  Asa  foetida  und  Allium,  welche  der 
Hautausdünstung  ihren  Geruch  mittheilen,  durch  dieselbe  eliminirt  werden,  sondern 
auch  Quecksilber,  Jod  und  Jodalkalien,  Arsenikalien,  Kupfer,  Chinin,  verschiedene 
organische  Säuren  und  Farbstoffe  (Indigo,  Rhabarber),  die  im  Schweisse  nachgewiesen 
wurden.  Im  Speichel  sind  Quecksilber ,  Jod ,  Saiicylsäure ,  Chlorlithium ,  diverse 
Alkaloide,  namentlich  auch  das  im  Harn  nicht  nachweisbare  Physostigmiu,  aufge 
wiesen;  im  Magensaft  Natriumsalicylat ,  Quecksilberchlorid,  Jod,  Chlorlithium, 
Chinin,  Atropin,  Strychnin  u.  a. 

Ein  besonderes  Interesse  gewährt  die  Elimination  durch  die  Milch,  nicht  blos  wegen 
der  reichlichen  Anzahl  von  Stoffen  (Zink,  Blei,  Eisen,  Wismut,  Saiicylsäure,  Jod, 
manche  Riech-  und  Farbstoffe,  wie  Anis-,  Cumin-,  Dillöl,  Wurmsamenöl,  Terpentin, 
Knoblauchöl,  Copaivaöl,  Indigo,  viele  Bitterstoffe  n.  a.),  die  in  dieselbe  übergehen, 
sondern  auch,  weil  einzelne  Stoffe  unter  Umständen  in  solchen  Mengen  in  die 
Milch  übertreten,  dass  sie  vergiftend  und  selbst  letal  auf  den  die  Milch  geniessenden 
Säugling  wirken  können.  Es  gilt  dies  ganz  besonders  für  arseuigsaures  Kali  und 
Morphium  (Opium),  doch  nur,  wo  diese  in  toxischer  Dose  gegeben  wurden,  nicht 
nach  den  internen  oder  subcutanen  Medicinalgaben  (Rkouardel  ,  Fehling).  In- 
wieweit der  purgirende  Effect  der  Milch  von  Müttern ,  welche  Sennesblätter, 
Scamraoniura,  Ricinusöl  genommen  haben,  auf  dem  Uebergange  des  activen  Stoffes 
in  die  Milch  beruht,  ist  nicht  völlig  sicher. 

Die  zeitlichen  Verhältnisse  der  Elimination  sind  nur  für  wenige  Stoffe  genau 
erforscht.  Unter  den  Organodecursoren  werden  Stoffe  von  sonst  gleichen  Eigen- 
schaften mit  grösserem  Diffusionsvermögen  rascher  als  diejenigen  mit  geringerem 
Diffusionsvermögen  eliminirt.  Manche  Stoffe  erscheinen  schon  in  wenigen  Minuten 
in  den  Secreten,  selbst  ehe  sie  deutliche  Wirkung  ausgeübt  haben,  z.  B.  Salicyl- 
säure  und  Strychnin  im  Harn,  Jodkalium  im  Speichel  und  Harn.  Die  Elimination 
erreicht  bei  solchen  ihre  Höhe  in  den  ersten  Stunden  und  ist  in  24 — 36  Stunden 
nahezu  vollendet.  Auf  die  Schnelligkeit  der  Ausscheidung  wirken  übrigens  alle  die 
Resorption  fördernden  Momente  (».Aufsaugung,  Bd.  II,  pag.  18)  beschleunigend; 
namentlich  sind  die  Applicationsstellen  von  besonderer  Bedeutung.  So  erscheinen  Jod- 
kalium, Ferrocyankalium  u.  a.  rascher  nach  directer  Einführung  in  das  Blut  und  bei 
Subcutanapplication  in  den  Secreten 'als  nach  interner  Verabreichung.  Bei  letzterer 
wirken  Fieber  und  pathologische  Zustände  des  Magens  retardirend.  Bei  Stoffen, 
welche  in  Folge  von  Deposition  langsamer  und  intermittirend  ausgeschieden  werden, 
läset  sich  die  Elimination  durch  chemische  Lösungsmittel  und  secretionsbefördernde 
Substanzen  (s.  Antidota,  Bd.  I,  pag.  420)  beschleunigen  oder  wieder  in  Gang 
bringen.  Th.  Hasemann. 

Elisabethiner  Blutreinigungspillen  des  Apothekers  neüstein  in  Wien 

bestehen  nach  Hahn  vorwiegend  aus  Aloe  und  Jalapa  mit  einem  geringen  Zusatz 
von  Rheum  und  Pulpa  Tamartndorum.  Sie  sind  weiss  caudirt.  Von  derselben 
Firma  werden  auch  verstärkte,  rosa  candirtc  Pillen  in  den  Verkehr  gebracht. 

Elisabethiner  Kugeln,  Globuli  ad  erysipelas,  sind  (nach  einer  österreichischen 
Vorschrift)  circa  30  g  schwere  Kugeln,  welche  aus  einer  Pulvermischung  von  25  Tb. 
Ammonium  chloratum,  25  Th.  Camphora,  50  Th.  Alumen,  300  Th.  Cerwaa  und 
600  Th.  Greta  mit  Hilfe  von  Stärkekleister  geformt ,  dann  bei  gelinder  Wärme 
getrocknet  werden.  Weiche  Leinwandlappen  werden  mit  diesen  Kugeln  reichlich 
bestrichen  und  über  die  entzündete  Stelle  gelegt. 

Elisabethquelle,  s.  Homburg,  Mehadia,  Giesshübl. 

Digitized  by  Google 


ELIXIB.  —  ELIXIR  APERITIVUM  GLAU  DK  R. 


709 


Elixir  (Elixirium).  Vom  arabischen  eksir  oder  iksir,  Stein  der  Weisen,  mit  dem 
Artikel  «/,  nicht  von  iXifc,  AXtfe,  Lecksaft,  oder  elixus,  in  einer  Brühe  gesotten, 
abstammende,  von  den  Paracelsisten  angewandte  Bezeichnung  für  von  ihnen  als  Uber- 
aus werthvoll  erachtete,  mit  Weingeist  oder  mit  Weingeist  und  Säuren  oder  Alkalien 
gemachte  flüssige  Auszüge  aus  mehreren  Drogen.  Das  Elixir  ist  somit  eine  Tinctur 
oder  Tinctura  composita,  mit  welchem  Namen  man  jetzt  auch  die  Mehrzahl  der 
unter  dem  Namen  Elixir  officinellen  Präparate  belegt,  und  unterscheidet  sich  von 
gewöhnlichen  Tincturen  nur  durch  grössere  Concentration  und  davon  herrührende 
dickflüssige,  häufig  trübe  und  sedimentirende  Beschaffenheit.  Viele  der  älteren 
Elixire,  z.  B.  Elixir  amarum,  Elixir  Aurantiorum  compositum,  sind  jetzt  nicht 
mehr  Auszugsformen,  sondern  Lösungen  von  Extracten  und  Mischungen  von 
Tincturen  (Mixturen).  Vereinzelt  ist  auch  für  besonders  wirksam  gehaltene  Mix- 
turen anderer  Art  der  Name  Elixir  beibehalten,  z.  B.  für  Elixir  pectorale  s.  e 
succo  Liquiritiae,  dessen  Basis  Wasser  bildet,  oder  Mischungen  von  Mineralsäuren 
und  Alkohol  (Elixir  acidum  Rabeiii,  El.  acidum  Halleri).  Neueren  Datums  ist 
die  Verwendung  der  Bezeichnung  für  Tafelliqueure,  die  durch  Mischung  von  Spiri- 
tuosen Destillaten  oder  in  Weingeist  gelösten  ätherischen  Oelen  mit  Zucker  erhalten 
werden  (Beral).  Auch  in  diesem  Sinne  ist  der  Ausdruck  in  einzelne  Pharma- 
kopoen Ubergegangen ,  besonders  in  die  französische ,  die  das  Elixir  als  eine 
Mischung  von  Syrup  mit  Alkoholarten  definirt,  ohne  dass  ein  einziges  ihrer  Elixire 
genau  in  dieser  Weise  hergestellt  würde.  Solche  moderne  süsse  Elixire  sind  das 
Elixir  de  Garus,  Elixir  de  jyepsine,  Elixirium  Coca  Belg,  und  Elixir  Aurantii 
der  amerikanischen  Pharmakopoe.  Die  Zahl  der  Elixire  nimmt  in  den  Pharma- 
kopoen von  Jahr  zu  Jahr  ab,  die  Ph.  Austr.  kennt  gar  keine  „Elixire"  mehr,  die 
Ph.  Germ,  führt  deren  noch  drei  auf.  Th.  Hose ma an. 

Elixir  acidum  Haller  Oder  Dippel  ist  gleich  Mixtura  sulfurica  acida  Ph. 
Germ,  und  Liquor  acidus  Hallen  Ph.  Austr. 

* 

Elixir  ad  longam  Vitam,  schwedisches  Lebenselixir,  Augsburger  Lebens- 
elixir,  KiNSOW'sche  Lebensessenz.  Die  Ph.  Germ.  I.  gab  unter  dem  Namen  „Tinctura 
Aloös  composita"  folgende  Vorschrift  zu  dem  Elixir :  9  Th.  Aloe  und  je  1  Th. 
Enzianwurzel,  Rhabarber,  Zittwerwurzel,  Safran  und  Lärchenschwamm  werden 
mit  200  Th.  Spiritus  dilutus  durch  Digestion  zur  Tinctur  bereitet.  Nach  älteren 
Vorschriften  werden  den  vorstehenden  Species  noch  hinzugefügt  1  Th.  Galgant- 
tcurzel,  1  Th.  Myrrhe  und  2  Th.  Theriak.  —  Vergl.  auch  Augsburger 
Lebensessenz,  Bd.  11,  pag.  28. 

EllXir  alexipharmaCUm  Huxham  ist  eine  Tinctur,  aus  24  Th.  Gortex 
Chinae,  6  Th.  Gortex  Aurantii,  5  Th.  Radix  Serpentariae,  2  Tb.  Crocus  und 
1  Th.  Goccionella  mit  275  Th.  Spiritus  dilutus  bereitet. 

EllXir  amarum  Ph.  Germ.  II. :  10  Th.  Extractum  Absinthii  und  5  Th. 
Elaeosacch.  Menthae  piper.  werden  in  25  Th.  Aqua  vertheilt  und  dieser  Mischung 
je  6  Th.  Tinct.  amara  und  Tinct.  aromatica  zugefügt.  —  Nach  Ph.  Germ.  I. 
dagegen  wurden  je  2  Th.  Extractum  Trifolii  und  Extractum  Aurantii  cort.  in 
16  Th.  Aqua  Menthae  piper.  und  16  Th.  Spiritus  dilutus  gelöst  und  1  Th. 
Spiritus  aethereus  hinzugemischt. 

EllXir  ammOniacale-Opiatum  ist  eine  Mischung  aus  40  Th.  Elixir  e  succo 
Liquiritiae  und  1  Th.  Tinct.  Gpii  crocata. 

Elixir  antiCatarrhale  Hufeland  ist  eine  Mischung  aus  4  Th.  Extr.  Cardui 
bened.,  1  Th.  Extr.  Dulcamarae ,  5  Th.  Aqua  Laurocsrasi  und  30  Th.  Aqua 
Foeniculi. 

Elixir  aperitivum  Ciauder,  s.  unter  ciauder,  Bd.  in,  pag.  im. 

Digitized  by  Google 


710  ELIXIR  AURANTII  COMPOSITUM.  —  ELLAGENGERBSÄURE. 


EliXir  AurantÜ  Compositum  (Ph.  Germ.),  Elixir  viscerale  Hoffmann,  E.  bal- 
saniicum  temperans ,  E.  stomachicum.  50  Th.  Gortex  Aurantii,  10  Th.  Cortex 
Cinnamomi  und  2Va  Th.  Kalium  carbon.  werden  mit  250  Th.  Xereswein  acht 
Tage  lang  maeerirt ;  in  der  abgepressten  Colatur,  welche  durch  Zusatz  von  Xeres- 
wein auf  230  Th.  zu  bringen  ist,  werden  je  5  Th.  Extr.  Absinthii,  Extr.  Cas- 
carillae,  Extr.  Gentianae  und  Extr.  Trifolii  gelöst.  Man  lasst  längere  Zeit  ab- 
setzen und  filtrirt  dann. 

Elixir  de  Garus,  ein  iu  Frankreich  sehr  irebräuchliebes  Stomachicum ;  die 
ursprüngliche  Bereitungsweise  ist  ziemlich  umständlich,  und  da  das  Elixir  mehr  als 
Tafelliqueur  wie  als  Medicament  dient,  so  gibt  Dorvault  auch  eine  vereinfacht« 
Vorschrift :  Je  10  Tb.  Tinctura  Croci,  Tinct.  Cinnamomi,  Tinct.  Caryophyllorum 
und  Tinct.  Mocidis,  100  Th.  Aqua  Aurantti  ftorum,  400  Th.  Alkohol  und  550  Th. 
Syrupus  Capilli  Veneris  werden  gemischt. 

EliXir  paregoriCUm  ist  Tinctura  Opii  benzofca. 

Elixir  pectorale  und  E.  p.  Regia  Oaniae,  8.  Elixir  e  Sueco  Liqui- 
ritiae.  —  E.  p.  Hüfeland.  Je  10  Th.  Bulbi  Scillae,  Radix  Helenii  und  Rhi- 
zoma  Iriditt  Flor.,  je  5  Th.  Ammoniacum,  Benzo?,  Myrrha,  Fructus  Anisi  und 
Succus  Liquiritiae  depur.  und  4  Th.  Crocus  werden  mit  120  Th.  Spiritu* 
dilutus  digerirt. 

Elixir  ProprietatiS  Paracelsi  (Ph.  Germ.  I.),  Elixir  Proprietät  acidum. 
2  Th.  Aloe,  2  Th.  Myrrha  und  1  Th.  Crocus  werden  mit  einem  Gemisch  aus 
24  Th.  Spiritus  und  2  Th.  Acidum  sulßiricum  dilutum  acht  Tage  hindurch 

maeerirt.  —  E.  P.  sine  acido  oder  E.  P.  aaünum  oder  E.  P.  Boerhave.  Eine 

Tinctur  aus  6  Th.  Aloe,  2  Th.  Myrrha,  1  Th.  Crocus,  8  Th.  Kalium  tartaricum, 
7  Th.  Aqua  und  14  Th.  Spiritus  dilutus.  —  E.  P.  OtlRI  Rheo.  6  Th.  Aloe, 
2  Th.  Myrrha,  1  Th.  Crocus,  4  Th.  Radix  Rhei,  64  Th.  Vinum  Hispan.  und 
4  Th.  Acidum  hydrochloricum. 

Elixir  Regis  Daniae  und  Elixir  Ringelmann  =  Elixir  e  Sueco  Liquiritiae. 

Elixir  Rhei  DarelÜ  =  Tinctura  Rhei  vinosa. 

EliXir  rODOrailS  Whytt  =  Tinctura  Chinae  composita. 

EÜXir  StOUgthOn.  Eine  Tinctur  aus  je  1  Th.  Aloe  und  6  Th.  Radix  Rhei, 
je  6  Th.  Herba  Absinthii,  Herba  Chamaedryos ,  Radix  Gentianae  und  Cortex 
Aurantii  mit  200  Th.  Spiritus  dilutus.  —  Im  Handverkäufe  wird  an  vielen 
Orten  für  „STOUGTHON'sehes  Elixir"  Tinctura  amara  gegeben. 

EÜXir  e  SUCCO  Liquiritiae,  Elixir  pectorale  Regis  Daniae,  Elixir  RiNGRL- 
MA3fN.  10  Th.  Succus  Liquiritiae  depur.  werden  in  30  Th.  Aqua  Foeniculi 
gelöst  und  10  Th.  Liquor  Ammonii  anisatus  hinzugemiacht.  —  Ph.  Germ.  I.  lies» 
die  Mischung  vor  dem  Dispensiren  aufschütteln ,  nach  Ph.  Germ.  II.  dagegen  soü 
die  Mischung  nach  zweitägigem  Stehen  von  dem  Bodensatze  abgegossen  werden. 

EÜXir  Uterinum  CrolÜUS.  Eine  Mischung  aus  15  Th.  Tinctura  Castorei 
canad. ,  5  Th.  Tinct.  Absinthii,  5  Th.  Tinct.  Croci  und  10  Tropfen  Oleum 
Anisi. 

EliXir  Viscerale  Hoffmann  =  Elixir  Aurantii  compositum.  —  E.  v.  Klein 
ist  dasselbe  mit  einem  Zusätze  von  5  Procent  Liquor  Kalii  acetici. 

EÜXir  Vitriol!  MynsiCht  =  Tinctura  aromatica  acida.         G.  Hof  mann. 

Ellagengerbsäure,  cmh10o10,  der  Eiiagsaure  isomer,  kommt  mit  ihr  ge- 
meinsam in  den  Dividivischoten  und  den  Myrobalanen  vor.  Darstellung  s.  Ellag- 


Digitized  by  Google 


ELLAGENGERBSÄDRE.  —  ELÖPATAK. 


711 


säure.  Das  die  Ellagengerbsäure  enthaltende  Filtrat  wird  mit  Chlornatrium  gefällt. 
Der  Niederschlag  wird  mit  einem  Gemisch  gleicher  Volumina  gesättigter  Rochsah- 
losung und  Wasser  behandelt  und  mit  Essigäther  ausgeschüttelt.  Bräunliche, 
amorphe  Masse,  welche,  mit  Wasser  auf  110°  erhitzt,  in  Ellagsäure  übergeht. 

Ganswind  t. 

Ellagsäure,  Cu  H6  Os  +  2  H,  0.  Kommt  i  dj  Pflanzenreich  ziemlich  häufig  vor, 
hauptsächlich  dort,  wo  sich  Gerbsäuren  in  grösserer  Menge  vorfinden ;  nicht  selten 
entsteht  sie  aber  auch  als  Spaltungsproduct  anderer  Gerbsäuren  und  somit  erscheint 
die  Frage  berechtigt,  ob  sie  in  jenen  Pflanzen,  in  denen  sie  gefunden  wird,  prä- 
formirt  vorhanden  ist  oder  als  ein  Zersetzungsproduct  betrachtet  werden  darf.  Die 
Ellagsäure  findet  sich  in  den  Galläpfeln,  in  einigen  (nicht  schmelzenden) 
indischen  Bezoaren ,  in  den  Dividivischoten ,  den  Myrobalanen ,  der  Eichen- 
rinde, Ficbtenrinde ,  Tormentillwurzel  und  wahrscheinlich  noch  in  einer  Anzahl 
anderer  Pflanzen.  Sie  bildet  sich  neben  Zucker  bei  der  Spaltung  der  Granat- 
wurzelgerbsäure ,  ferner  geht  Gallussäure  auf  mehrfache  Weise  in  Ellagsäure 
über;  auch  bildet  sich  letztere  schon  bei  der  üblichen  Darstellung  der  Gallus* 
säure  als  Nebenproduct.  Zur  Darstellung  erwärmt  man  eine  mit  Soda  ver- 
setzte wässerige  Lösung  von  Gallussäureäthylester  auf  60°  oder  erhitzt  Gallus- 
säure mit  Wasser  und  Jod  (2  C,  H„  0,  +  2  J  =  C14  0„  +  2  H,  0  +  2  HJ).  Viel- 
fach benutzt  man  zur  Darstellung  die  Dividivischoten,  welche  man  zerkleinert  und 
mit  kaltem  Alkohol  digerirt;  das  alkoholische  Filtrat  wird  eingedampft  und  der 
Rückstand  in  Wasser  gegossen;  dabei  fällt  die  Ellagsäure  aus;  das  Filtrat  enthält 
Ellagengerbsäure,  welche  dureh  Erhitzen  auf  1 10°  in  Ellagsäure  übergeführt 
werden  kann.  Beim  Verdampfen  der  Lösung  und  Uebergiessen  des  Rückstandes 
mit  Wasser  wird  dann  eine  neue  Menge  Ellagsäure  abgeschieden.  Die  Ellagsäure 
bildet  ein  gelbliches  krystallinisehes  Krystallpulver  von  1.677  spec.  Gew.;  sie  ist 
geschmacklos  und  reagirt  schwach  sauer;  löst  sich  sehr  wenig  iu  kochendem 
Wasser ,  ebenso  wenig  in  Weingeist  und  fast  gar  nicht  in  Aether ;  dagegen  in 
Kalilauge  mit  tiefgel  ber  Farbe.  Letztere  Lösung  färbt  sich  an  der  Luft  tief  roth- 
gelb und  scheidet  schwarze  Krystalle  von  glaukomelansaurem  Kalium  ab.  Ueber* 
giesst  man  Ellagsäure  mit  Salpetersäure,  welche  salpetrige  Säure  enthält,  und  fugt 
etwas  Waaser  hinzu,  so  entsteht  eine  blutrothe  Lösung.  Diese  Reaction  ist  für  die 
Ellagsäure  charakteristisch.  Eisenchlorid  färbt  die  Säure  erst  grünlich,  dann  schwarz- 
blau. Bure  Salze  mit  den  Alkalien  sind  in  Wasser  löslieh  und  bilden  hellgelbe  bis 
citronengelbe  krysUllinisehe  Pulver.  Ganswind t. 

ElleP'S  Liquor  antarthritiCU8  ist  eine  Mischung  aus  gleichen  Theilen 
Liquor  Ammonü  suednici  und  Spiritus  aether eus. 

£lmen  bei  Magdeburg  in  Preussen  besitzt  eine  Trink-,  eine  Badequelle 
und  zwei  Soolen.  Sie  sind  sämratlich  kühl  und  stark  kochsalzhaltig.  Die  erst- 
genannte Quelle  führt  Na  Br  0.211  und  NaCl  26.44.  die  zweitgenannte  Na  Br 
0.658  und  Na  Cl  48.97  auf  1000  Th.;  die  Soolen  enthalten  104.04,  bezüglich 
44.44  NaCl  in  1000  Th. 


ElÖpatak  Oder  Arapatak  in  Siebenbürgen  besitzt  drei  Eisensäuerlinge  von 
folgender  Zusammensetzung: 


Stammhrunnen 

Nenbrunnen 

B&dibrnnnen 

1.284 

0922 

0.627 

1.175 

1.382 

0  599 

0.780 

0.581 

0:777 

0.208 

0.306 

0.145 

3.643 

3.359 

2.360 

1.983 

1.536 

1.215 

Digitized  by  Google 


712 


ELORRIO.  —  EMBLICA. 


ElorHO  in  Spanien  besitzt  kalte  Schwefelquellen. 

Elsholtzift,  Gattung  der  Labiatae,  Unterfamilie  Satureineae,  charakterisirt 
durch  glockigen,  fünfzähnigen  Kelch,  vierspaltige  Blumenkrone,  aus  welcher  die 
spreizenden  Staubfäden  etwas  hervorragen. 

Elsholtzia  cristata  Willd.  (Hyssopua  ocimifolius  Lam.)  ist  ein  0, 
aus  Asien  stammendes  Kraut  mit  behaarten  Stengeln  und  kahlen  Blättern,  welches 
wegen  des  rosenähnlichen  Geruches  in  Gärten  gezogen  wird. 

Elster  in  Sachsen  hat  sechs  kalte  Quellen,  von  welchen  die  Salzquelle  eine 
alkalisch-salinische,  die  übrigen  fünf  Eisenquellen  sind.  Die  erstere  enthält  NaCl 
0.801,  Na2S04  5.262,  Na  COs  1.718  und  Fe ^(COg),  0.062  in  1000  Th.  Dieser 
zunächst  stehen  die  Albert s-,  Königs-  und  Marienquelle  mit  XaCl  1.08, 
1.39  und  1.88,  Na^SO,  3.13,  2.05  und  2.93,  NaHC03  0.86,  0.87  und  0.72  und 
FeH2(C03)2  0.058,  0.084  und  0.062  in  1000  Th.  An  fixen  Bestandteilen  die 
ärmsten  und  an  Eisen  relativ  die  reichsten  Quellen  sind  die  Johannisquelle 
und  die  Moritzquelle,  welche  neben  Na Cl  0.39  und  0.68,  dann  Na2S04  0.59 
und  0.95  noch  FeH3(COs)s  0.056  und  0.085  enthalten. 

Ema.il,  Schmelze,  Schraelzglas,  Glasur,  ist  eine  leichtflüssige,  meist  undurch- 
sichtige, seltener  durchsichtige,  gefärbte  oder  ungefärbte  Glasmasse,  welche  ent- 
weder zu  Decorationszwecken  (Emaille  auf  goldenen  Schmucksachen,  Ordensdecora- 
tionen, Emaille-Malerei)  oder  als  Schutzmittel  zum  Uebcrziehen  von  Glas,  Porzellan 
oder  Metallen  verwendet  wird.  Ein  Beispiel  der  ersteren  Art  sind  die  Emailleschilder 
auf  den  Glasstandgefässen  der  Apotheken ;  als  Beispiel  der  zweiten  Art  diene  die 
Glasur  des  Porzellans  (im  Gegensatz  zum  unglasirten,  sogenannten  Biscuit-Porzellan ) ; 
die  bei  Weitem  umfangreichste  Verwendung  aber  findet  die  Emaille  als  Schutz- 
mittel für  eiserne  Gefässe,  zur  Fabrikation  des  emai Hirten  Eisens.  Um 
eiserne  Kochgeschirre  (gleichviel,  ob  aus  Gusseisen  oder  Eisenblech)  vor  dem  Rosten 
zu  schützen,  pflegt  man  sie  entweder  nur  innen,  oder  neuerdings  auch  innen  und 
aussen  mit  Emaille  zu  überziehen,  zu  emailliren.  Dazu  benutzt  man  einen 
feuchten  Brei  aus  Borax,  Quarz,  Feldspat,  Thon  und  Wasser,  den  man  in  dem 
betreffenden  Gefässe  umschwenkt,  streut  auf  den  feuchten  Ueberzug  feines  Pulver 
von  Feldspat ,  Soda ,  Borax  und  Zinnoxyd  und  brennt  dann  in  einer  Muffel.  Ein 
Zusatz  von  Blei  zur  Schmelze  macht  die  Emaille  zwar  minder  spröde,  ist  aber 
aus  Gesundheitsrücksichten  für  eiserne  Geschirre  gesetzlich  untersagt. 

Die  undurchsichtige  weisse  Farbe  verdankt  die  Emaille  ihrem  Gehalt  an 
Zinnsäure;  den  gleichen  Effect  geben  auch  Antimonoxyd,  arsenige  Säure,  Calcium- 
phosphat  und  Kryolith;  das  sogenannte  Milch-  oder  Beinglas  und  das  Kryolith- 
glas  oder  Heissguss-Porzellan  sind,  streng  genommeu,  Emaillen  ;  durchsichtige  klare 
Emaillen  sind  richtiger  mit  Fluss  zu  bezeichnen.  Durch  Zusatz  von  Metalloxyden 
kann  man  der  Emaille  jede  gewünschte  Farbe  ertheileu ,  so  z.  B.  gelb ,  roth  bis 
braun  durch  Eisenoxyd,  grün  durch  Chromoxyd,  blau  durch  Kobaltoxyd,  schwarz 
durch  Uranoxyd,  Manganoxyd  oder  Iridiumoxyd.  Vergl.  auch  Schmelzfarben. 
—  Email  der  Zähne,  s.  Schmelz.  Ganswindt. 

Email-Tinten  sind  Verreibungen  von  Erdfarben  oder  farbigen  Metalloxyden 
mit  Wasserglas,  welche  die  Eigenschaft  besitzen,  mit  emailleartigem  Glanz  auf 
Glas  oder  Porzellan  einzutrocknen  und  durch  Wasser  oder  mechanische  Mittel 
sich  nur  langsam  wieder  abreiben  lassen. 

Embelia,  g  attuug  der  Myrsinaceae ,  charakterisärt  durch  die  freiblätterige 
Blumenkrone.  Die  Früchte  von  Embelia  Ribes  Burm.,  einer  indischen  Pflanze, 
sollen  als  Fälschung  des  Pfeffers  vorgekommen  sein. 

EmbÜCa,  Gattung  der  Euphorbiaceae ,  Unterfamilic  Phyllantheae.  Halb- 
sträucher  oder  Sträucbcr.    <J  mit  5-  oder  6theiligem  Kelch,   3—6  Drüsen  und 

Digitized  by  Google 


EMBLICA.  —  KMBRYO. 


713 


3  Staubgefäßen  mit  aufrechten  Antberen.    Q  hat  3  in  eine  8äule  verwachsene 
Griffel  mit  zweitheiliger  oder  gelappter  Narbe. 

Emblica  officinalts  Oaertn.  (Phyllanthus  Emblica  L.) ,   ein  Baum 
Ostindiens,  liefert  in  seinen  KapselfrUchten  eine  Art  Myrobalanen  (s.  d.). 

Embolus  (ev  und  ßäUw,  werfen)  ist  ein  in  den  Blutstrom  gerathener  Fremd- 
körper, welcher  an  einer  entfernten  Stelle  stecken  bleibt.  Schon  dadurch  können, 
wenn  der  Pfropf  einen  lebenswichtigen  Bezirk  von  der  Circulation  ausschliefst,  ge- 
fährliche Zustände,  sogar  der  augenblickliche  Tod  herbeigeführt  werden.  Neben  diesen 
mechanisch  wirkenden  Embolia  gibt  es  auch  solche,  die  Entzündung  erregen  oder 
selbst  zu  bösartigen  Geschwülsten  auswachsen. 

Embryo  (iujäpuo?.  Keim)  beisst  der  sich  (im  Ei)  bildende  thierische  oder  pflanz- 
liche Organismus. 

1.  Der  thierische  Embryo  war  früher  entstanden  gedacht,  indem  man  lehrte 

(SWAMMERDAM,    MALPIGHJ,  VaLLISNERI,   HALLER,  BONNET,  SPALLANZANI,  SBNNE- 

bier)  :  „seit  der  Schöpfung  sind  keine  neuen  Lebengkeime  mehr  entstanden,  sondern 
alle  vergangenen,  gegenwärtigen  und  zukünftigen  Generationen  sind  gleichzeitig,  aber 
in  immer  abnehmender  Grösse  geschaffen  und  in  einander  eingeschlossen  worden ; 
durch  die  Befruchtung  erhalten  sie  nur  Nahrung  und  den  Anstoss  zur  Bewegung 
und  jedes  neue  Leben  bezeichnet  nur  das  Grösserwerden  eines  von  Alters  her  vor- 
handenen Wesens  und  ein  vom  Erwachen  begleitete«  Freiwerden  desselben  aus  den 
mütterlichen  Hüllen"  —  eine  Lehre,  die  als  Präformation ,  Evolution,  Involution, 
Syngenese  oder  Einschachtelung  bezeichnet  wird.  Ihr  steht  die  gegenwärtige, 
auf  Beobachtung  gegründete  Epigenese  gegenüber,  wie  sie  von  Harway  (1851) 
erkannt  und  von  Wolff  (1759)  u.  a.  ausgeführt  wurde,  nach  welcher  der  Embryo 
ans  dem  Eiinbalte  entsteht  und  seine  Organe  allraälig,  die  wichtigsten  zuerst, 
bildet,  bis  erst  später  die  feinen  Einzelheiten  durch  Aus-  und  Zubau  entstanden 
sind.  Diese  Umbildung  wird  eingeleitet  durch  die  Zerklüftung,  Theilung  und 
Furchung  des  Dotters,  der  sich  zuerst  stellenweise  trübt,  eine  kreisende  Bewegung 
annimmt  und  entweder  ganz  oder  zum  Theile  erst  in  zwei  Kugeln  zerfällt,  welche 
sich  nachträglich  wieder  theilen,  so  das«  nacheinander  2,  4,  8,  16  u.  s.  w.  Kugeln 
entstehen,  bis  endlieh  der  ganze  Dotter  die  Form  einer  Maulbeere  (Morula)  hat. 
Während  nun  der  Keimfleck  verschwindet,  bildet  sich  im  weiteren  Verlaufe  eine 
scheibenförmige  Hervorragung  aus  kleinen  Zellen ,  die  sich  langsam  vergrössert 
und  endlich  den  ganzen  Dotter  oder  doch  den  grössten  Theil  desselben  umschliesst 
(Keimhaut,  Keimscheibe ,  Blastoderm).  Die  weitere  Entwicklung  erfolgt  nun 
entweder  unmittelbar  aus  dem  Dotter,  indem  die  ganze  Dottormasse  gleichmässig 
in  den  Embryo  aufgenommen  wird,  also  holoblastisch  (z.B.  bei  den  meisten 
Würmern  und  Mollusken)  oder  durch  Bildung  eines  Prim  itiv  theil  es ,  der  sich  ver- 
dickt und  von  dem  auR  durch  flächenförmige  Ausbreitung  die  Entwicklung  des 
Embryos  allmfilig  vor  sich  geht,  wodurch  oft  ein  Theil  des  Dotters  in  einer  mit 
dem  Embryo  in  Verbindung  stehenden  „Dotterblase"  abgeschieden  wird  und  zu 
dessen  Ernährung  dient,  weshalb  man  dann  Bildung»-  und  Ernährungsdotter  unter- 
scheidet und  solche  Eier  mesoblastisch  nennt. 

Der  Primitivtheil  selbst  lässt  weiters  wieder  mehrere  Schichten,  die  Keim- 
blätter, unterscheiden  .  die  im  Laufe  der  Entwicklung  immer  deutlicher 
werden :  aus  der  oberen  Schichte ,  dem  sogenannten  „Hornblatt",  entstehen  die 
Organe  des  animalen  Lebens,  das  Skelet,  die  Muscnlatur  und  das  Nervensystem ; 
aus  der  zweiten  Schichte,  dem  „Darmdrüsenblatt",  entstehen  die  Organe  der  Ver- 
dauung und  bei  den  niederen  Thieren  auch  jene  des  Blutlaufs;  aus  der  dritten 
endlich,  die  zwischen  beiden  vorhergehenden  liegt  und  nur  den  Wirbelthieren  zu- 
kommt „motorisch  -  germinatives  Blatt"),  entstehen  die  Kreislaufsorgane  und  sie 
bildet  die  Leibeshöhlen. 

Nach  der  Lage  des  Embryo  oder  seiner  Blätter  zum  Dotter  unterscheidet  man 
den  bauchständigen  Dotter  (bei  den  Wirbelthieren),  den  rückenständigen  (bei  den 

Real-Encyclopadie  der  gea.  Pharaacie.  III.  46 

Digitized  by  Google 


714 


EMBRYO. 


Gliederfüssern)  und  den  kopfständifren  (bei  den  Kopffttssern).  Bei  den  höheren 
Wirbelthieren  (Reptilien,  Vögeln  und  Säugern)  entwickeln  sich  überdies  noch  eigene 
Eihäute,  die  Schafhaut  (Amnion)  und  die  Harnhaut  (Allantois),  die  den  Embryo 
schützend  umgeben  und  durch  Ausscheidung  von  Flüssigkeiten  als  Secretionsorgane 
wirken ;  ausserdem  vertritt  die  letztere  die  Stelle  eines  Respirationsorganes.  Bei 
den  Säugethieren ,  sowie  beim  Menschen,  wo  das  Ei  und  der  Ernährungsdotter 
sehr  klein  ist,  erfolgt  die  Entwicklung  des  Embryos  innerhalb  eines  besonderen 
Organes  der  Mutter,  des  Uterus,  und  dieser  erhält  auf  endosmotischem  Wege  durch 
den  gefässreichen  „Mutterkuchen"  (Pl<icenta) ,  der  den  Austausch  zwischen  den 
Blutbestandtheilen  des  Blutes  der  Mutter  und  des  Embryo  besorgt,  die  erforder- 
lichen Mengen  für  die  Ernährung  und  den  Stoffwechsel. 

Die  Entwicklungszeit  des  Embryos  bei  verschiedenen  Thieren  ist  sehr  ver- 
schieden; beim  Menschen  beträgt  sie  280  Tage.  v.  Dalla  Torre. 

2.  Der  pflanzliche  Embryo  stellt  einen  in  Folge  des  Geschlechtsactes  aus  der 
weiblichen  oder  Eizelle  hervorgegangenen  mehrzelligen  Körper  dar,  welcher  einer- 
seits noch  von  der  vorhergehenden  Generation,  welche  die  Geschlechtsorgane  ent- 
wickelte, getragen  und  ernährt  wird,  andererseits  den  Anfang  einer  neuen 
Generation  bildet,  um  später,  meist  erst  nach  einer  Ruheperiode,  sich  weiter  zu 
entwickeln.  Da  bei  den  Thallophyten  das  befruchtete  Ei  sich  sofort  von  der 
Mutterpflanze  trennt  und  zu  einem  neuen  Thallus  auswächst,  kann  bei  denselben 
von  einem  Embryo  noch  nicht  gesprochen  werden,  dagegen  findet  sich  ein 
solcher  in  allen  Classen  des  Pflanzenreiches  von  den  Moosen  aufwärts,  wenn  auch 
die  Theile  der  Pflanzen,  an  denen  er  erzeugt  wird,  je  nach  den  Classen  sehr  ver- 
schieden sind.  Am  höchsten  entwickelt  ist  er  bei  den  Phanerogamen,  wo  er  bereits 
die  ganze  Anlage  der  zukünftigen  Pflanze  darstellt. 

Der  Embryo  oder  Keimling  ist  also  die  jugendliche  Anlage  der  künftigen 
Pflanze  im  Samen.  Er  entsteht  aus  der  befruchteten  Eizelle,  dem  Ei  (s.  d.),  und 
besteht  aus 

a)  den  Cotyledonen,  Keim- oder  Samenlappen  (beiden  Monocotylen  einem, 
bei  den  Dicotylen  zwei,  bei  den  Gymnospermen  und  einigen  Dicotylen  oftmals 
mehreren) ; 

b)  der  R  a  d  i  c  u  1  a ,  der  jungen  Anlage  der  Wurzel.   Dieselbe  ist  stets  gegen 
das  Micropylarende  des  Ovulums  gerichtet; 

c)  dem  hypocotylen  Gliede,  dem  ersten  Internodium  der  Pflanze.  Das- 
selbe liegt  zwischen  der  Anheftungsstelle  der  Wurzel  und  der  der  Cotyledonen 
und  ist  meistens  sehr  verkürzt; 

d)  der  Plumula,  dem  Federchen  oder  Knöspchen,  der  jungen  Anlage  des 
Stengels  und  der  Blätter.  Im  vollkommensten  Zustande,  z.  B.  bei  der  Bohne, 
dem  Mais  u.  a.,  zeigt  die  Plumula  um  den  die  Spitze  bildenden  Vegetationspunkt 
schon  die  Anlage  der  ersten  Blätter.  Bisweilen  ist  auch  schon  das  Stengelchen 
entwickelt  und  schwach  gestreckt.  Im  unvollkommensten  Zustande  besteht  die 
Plumula  nur  aus  dem  Vegetationspunkte. 

Nur  selten  sind  die  oben  genannten  Theile  am  Embryo  nicht  aufzufinden. 
Derselbe  bildet  alsdann  uur  ein  längliches  Körperchen  ohne  jede  Differenzirung 
einzelner  Organe.  Einen  solchen  Embryo  acotyledoneus  besitzen  z.  B.  die  Orchideen 
und  auch  Colchicum. 

Bezüglich  der  Lage  im  Samen  kann  der  Embryo  entweder  gerade  oder  gekrümmt 
sein.  Die  Krümmung  ist  eine  ausserordentlich  verschiedene ;  von  der  nur  schwachen 
Krümmung  bei  der  Bohne  finden  sich  alle  Ilebergänge  zu  der  mehrmals  spiralig 
gewundenen  und  verbogenen  zahlreicher  Solanaceen  und  Cruciferen  (vergl.  Fig.  50, 
Bd.  III,  pag.  322).  Meist  sind  es  die  Cotyledonen,  die  durch  Faltung  oder  Ein- 
krümmung  den  gewundenen  Embryo  erzeugen. 

Auch  die  Lage  des  Embryos  zum  Sameneiweiss  ist  sehr  variabel.  Der  Embryo 
kann  nämlich  entweder  in  der  Axe  des  Albumens  liegen  (E.  axilis)  oder  excen- 
trisch  (E.  excentricus)  oder  peripherisch  (E.  peripherica). 

Digitized  by  Google 


EMBRYO.  —  EMETICA. 


715 


Meist  wird  nur  ein  Embryo  im  Ovulum  entwickelt.  Selten  kommt  es  vor,  dasa 
durch  Sprosauug  anderer  Nuceliareellen  sogenannte  Pseudoembryonen  neben  dem 
eigentlichen  Embryo  entstehen.  Solche  Polyembryonie  findet  sich  z.  B.  bisweilen 
bei  Citrus. 

Die  Embryonen  lassen  sich  aus  den  meisten  der  arzneilioh  angewendeten  Samen 
leicht  herauspräpariren.  Dort,  wo  sie  den  ganzen  Samen  bilden,  d.  h.  Überall,  wo 
Endogperm  fehlt  (Cruciforae,  Cannabis,  Amygdalus),  genügt  die  Entfernung  der 
Test»,  um  den  Embryo  frei  zu  legen.  Aber  auch  die  endospermhaltigen  Samen 
machen  keine  Schwierigkeiten.  Es  genügt,  dass  man  die  Samen  in  Wasser  ein- 
quellt und  das  Kndosperm  vorsichtig  abpräparirt.  So  erhält  man  z.  B.  beim 
Kaffee,  Semen  Strychni,  schwieriger  bei  den  Samen  der  Umbelliferen  die  Embryonen 
freiliegend.  Tuchirch. 

EinbryotortllB  (l[/.ßfH>ov,  die  ungeborene  Leibesfrucht  und  Tspt-vw,  schneiden) 
heisst  die  geburtshilfliche  Operation,  bei  welcher  das  (meist  schon  todte)  Kind 
zerstückelt  wird,  weil  es  in  toto  nicht  geboren  werden  könnte. 

EmergenZ6l1  (emergere,  hervorragen)  sind  haar-  oder  stachelförmige  Bildungen 
an  der  Oberfläche  von  Pflanzentheilen ,  welche  nicht  wie  die  Haare  (Trichome) 
ausschliesslich  aus  Oberhautzellen,  sondern  auch  aus  Parenchym  bestehen,  mitunter 
sogar  von  Oefiissbündeln  durchzogen  sind.  Sie  sind  in  Folge  dessen  von  ihrer 
Unterlage  nicht  so  leicht  abzutrennen  wie  die  eigentlichen  Haarbildungen. 

Emetica  (i[tz-nx6i ,  Brechen  erregend,  von  iptto,  erbrechen),  Rrechmittel 
(s.  d.,  Bd.  II,  pag.  372).  Th.  Hnsemana. 


Digitized  by  Google 


erichtigungen. 


Seit«  261,  Zeile  17  von  oben  soll  es  heissen:  „zweiknöpfig. 
„    263,    „      2    „     „      „    „       „  „nngeformter. 


Druck  von  Oott!i*b  OliUI  *  Coup..  Wien.  1.,  Aur»tta«*tn*M  IS. 


Digitized  by  Google