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Full text of "Der zunehmende Mond"

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Der 

zunehmende 



ond 






Rabindranath 
Tagore 



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ARTES SCIENTHA VERITAS 



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RABIN DRANATH TAGORE 

der' 
zunehmende 

MOND 



KURT WOLFF VERLAG 
MÜNCHEN 



891.46 
tE27 



Siebzehntes bis einundzwanzigstes lausend 
Copyright 1915 by Kurt Wotff Verlag, Leipzig 
Druck voti Poeschel äf Trepte, Leipzig 



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D.I. 

7'9<?f 

Berechtigte deutsche Übertragung von 
HANS EFFENBERGER 
nach der von Rabindranath Tagore 
selbst veranstalteten englischen Ausgabe 



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DIE HÜTTE 

Ich ging allein den Weg über das Feld, 
während der Sonnenuntergang sein letz- 
tes Gold wie ein Geizhals verbarg. 

Des Tages Licht sank tiefer und tiefer 
in die Dunkelheit, und das verwitwete 
Land, der Ernte brach, lag schweigend. 

Plötzlich stieg eines Knaben schrille 
Stimme in den Himmel. Er durchdrang 
ungeselin das Dunkel und ließ die Spur 
seines Liedes über der Stille des Abends. 

Seine Hütte lag im Dorf am Ende des 
öden Landes, hinter dem Zuckerrohr- 
feld, verborgen in den Schatten der Ba- 
nanen und der schlanken Areka-Palme, 
der Kokosnuß und der dunkelgrünen 
Brotfruchtbäume. 

Ich hielt einen Augenblick inne auf 

7 



meinem einsamen Gang im Licht der 
Sterne und sah ausgebreitet vor mir die 
dunkelnde Erde, in ihren Armen zahllose 
Hütten mit Wiegen und Betten, Mutter- 
herzen und Abendlampen und jungen 
Leben, froh von einer Freude, die nicht 
weiß, was sie der Welt bedeutet. 



8 



AM MEERUFER 
Am Meerufer endloser Welten treffen 

sich Kinder. 

Der grenzenlose Himmel zu Häupten 

ist ohne Bewegung, und das ruhlose 

Wasser ist ungestüm. 
Am Meerufer endloser Welten treffen 

sich Kinder mit Jubeln und Tanzen. 



Sie bauen ihre Häuser aus Sand, und 
sie spielen mit leeren Muscheln. Aus wel- 
ken Blättern flechten sie ihre Boote und 
lassen sie lächelnd über der ungeheuren 
Tiefe treiben. Kinder haben ihr Spiel am 
Meerufer der Welten. 

- 

Sie können nicht schwimmen, sie kön- 
nen nicht Netze werfen. Perlenfischer 



9 





tauchen nach Perlen, Kaufleute segeln 
in ihren Schiffen, während Kinder Kiesel 
sammeln und sie wieder verstreun. Sie 
suchen nicht nach verborgenen Schätzen, 
sie können nicht Netze werfen. 

Das Meer schäumt auf in Gelächter, 
und fahl glänzt das Lächeln des Gestades. 
Todbringende Wellen singen verständ- 
nislose Balladen den Kindern, wie eine 
Mutter beim Einwiegen. Das Meer spielt 
mit Kindern, und fahl glänzt das Lächeln 
des Gestades. 

Am Meerufer endloser Welten treffen 
sich Kinder. Sturm streicht am pfadlosen 
Himmel, Schiffe kentern in dem spur- 
losen Wasser, der Tod ist unterwegs, und 

10 



Kinder spielen. Am Meerufer endloser 
Welten ist das große Begegnen der Kin- 
der. 



1 1 



DER URSPRUNG 
Der Schlaf, der über des Kindleins 
Augen huscht — weiß jemand, woher 
der kommt? Ja, es geht ein Gerücht, daß 
er in dem Märchendorfe wohnt. Unter 
Waldesschatten, von Glühwürmern trüb 
erhellt, hängen zwei Zauberknospen. Von 
dort kommt er, des Kindleins Augen zu 
küssen. 

Das Lächeln, das auf des Kindleins 
Lippen flackert, wenn es schläft — weiß 
jemand, wo das geboren ward? Ja, es 
geht ein Gerücht, daß ein junger, blasser 
Strahl des zunehmenden Mondes den 
Saum einer schwindenden Herbstwolke 
berührte, und da wurde das Lächeln zu- 
erst geboren in dem Traum eines tau- 
reinen Morgens — das Lächeln, das auf 

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des Kindleins Lippen spielt, wenn es 
schläft. 

Die süße, sanfte Frische, die auf des 
Kindleins Gliedern blüht — weiß jemand, 
wo die so lange verborgen war? Ja, sie lag r 
als Mutter noch ein junges Mädchen war, 
ihr Herz durchdringend, im zarten und 
schweigenden Geheimnis der Liebe — 
die süße, sanfte Frische, die auf des Kind- 
leins Gliedern aufgeblüht ist. 



DES KINDCHENS WESEN 
Wenn Kindchen nur wollte, könnte 
es in diesem Augenblick zum Himmel 
auffliegen. 

Es ist nicht umsonst, daß es uns ver- 
läßt. 

Es liebt es, seinen Kopf auszuruhn an 
Mutters Brust und kann es niemals er- 
tragen, wenn seine Augen sie nicht sehn. 

Kindchen kennt allerhand weise Worte, 
wenn auch Wenige auf Erden ihren Sinn 
verstehen können. 

Es ist nicht umsonst, daß es niemals 
zu sprechen verlangt. 

Das einzige, das es verlangt, ist Mutters 
Worte von Mutters Lippen zu lernen. 
Darum schaut es so unschuldig drein. 



Kindchen hatte einen Haufen Gold 
und Perlen und doch kam es wie ein 
Bettler in diese Welt. 

Es ist nicht umsonst, daß es in solcher 
Verkleidung kam. 

Dieser liebe, kleine, nackte Bettler 
gibt vor, ganz hiltlos zu sein, damit er um 
Mutters reiche Liebe betteln kann. 

Kindchen war so frei von jeder Fessel im 
Lande des kleinen, zunehmenden Monds. 

Es war nicht umsonst, daß es seine 
Freiheit aufgab. 

Es weiß, daß Raum ist für endlose 
Freude in dem kleinen Winkel von Mut- 
ters Herzen und daß es viel süßer ist als 
Freiheit, in ihren lieben Armen gefangen 
und geherzt zu werden. 

'5 



Kindchen wußte nichts vom Schreien. 
Es wohnte im Lande der vollkommenen 
Seligkeit. 

Es ist nicht umsonst, daß es das Wei- 
nen erwählt hat. 

Wenn es auch mit dem Lächeln seines 
lieben Gesichtes Mutters sehnendes Herz 
zu sich zieht, so schlingen doch seine 
kleinen Schreie über winzige Kümmer- 
nisse das doppelte Band von Mitleid und 
Liebe. 



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DAS UNBEACHTETE SCHAUSPIEL 
Ach, wer war's, der diesen kleinen 
Kittel bunt färbte, mein Kind, und Deine 
süßen Glieder mit diesem kleinen, roten 
Rock bedeckte? 

Du bist herausgekommen im Morgen, 
auf dem Hof zu spielen, torkelnd und tau- 
melnd, wenn Du läufst. 

Aber wer war's, der diesen kleinen 
Kittel bunt färbte, mein Kind? 

Was gibt's zu lachen, Du kleine Le- 
bensknospe? 

Mutter steht auf der Schwelle und 
lächelt Dich an. 

Sie klatscht in ihre Hände, und ihre 
Spangen klirren, und Du tanzest mit Dei- 
nem Bambusstock in der Hand wie ein 

x Tagore, Mond 



kleinwinziger Hirte. 

Aber was gibt's zu lachen, Du kleine 
Lebensknospe? 

O Bettler, was bettelst Du, Mutters 
Nacken mit Deinen beiden Händen um- 
schlingend? 

O gieriges Herz, soll ich dieWelt pflük- 
ken wie eine Frucht vom Himmel, um 
sie in Deine kleine, rosige Hand zu legen? 

O Bettler, um was bettelst Du denn? 

Der Wind trägt lustig das Klingen Dei- 
ner Fußschellen davon. 

Die Sonne lächelt und bewundert Dein 
Kleid. 

Der Himmel wacht über Dir, wenn 
Du schläfst in Mutters Armen, und der 

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Morgen kommt auf Zehenspitzen an Dein 
Bett und küßt Deine Augen. 

DerWind trägt lustig das Klingen Dei- 
ner Fußschellen davon. 

Die Feenkönigin der Träume kommt 
zu Dir durch den Dämmerhimmel ge- 
flogen. 

Die Weltenmutter sitzt bei Dir in Dei- 
ner Mutter Herzen. 

Er, der seine Musik den Sternen spielt, 
steht an Deinem Fenster mit seiner Flöte. 

Und die Feenkönigin der Träume 
kommt zu Dir durch den Dämmerhim- 
mel geflogen. 



19 



SCHLAFDIEBIN 
Wer den Schlaf von Kindchens Augen 
stahl, muß ich wissen. 

Den Krug auf der Hüfte, ging Mutter 
Wasser holen aus dem nahen Dorf. 

Es war Mittag. Der Kinder Spielzeit 
war vorüber. Im Teich die Enten schwie- 
gen. 

DerHirtenknab' lageingeschlafen unter 
dem Schatten des Feigenbaums. 

Der Kranich stand ernst und still in 
dem Sumpf am Mangohain. 

Mittlerweile kam die Schlafdiebin, 
haschte den Schlaf von Kindchens Augen 
und flog davon. 

Als Mutter heimkehrte, fand sie Kind- 
chen auf allen Vieren durchs Zimmer 
kriechen. 

20 



Werstahl von Kindchens Augen Schlaf, 
muß ich wissen. Ich muß sie finden und 
anketten. Ich muß dort in die schwarze 
Höhle schaun, wo durch Felsen und 
düstres Gestein ein kleiner Bach sickert. 

Ich muß suchen in dem Schlummer- 
schatten des Bakulahains, wo Tauben in 
den Verstecken gurren und Elfenringe in 
der Stille der Sternennächte klirren. Des 
abends will ich in das flüsternde Schwei- 
gen des Bambuswaldes lugen,wo Leucht- 
käfer ihr Licht verschwenden, und will 
jedes Wesen fragen, das ich treffe : » Kann 
einer mir sagen, wo die Schlafdiebin 
wohnt?« 

Wer stahl von Kindchens Augen Schlaf, 
muß ich wissen. 



21 



Würd' ich ihr nicht ordentlich Be- 
scheid sagen, wenn ich sie nur erwischen 
könnte! Ihr Nest würd' ich überfallen 
und sehn, wo sie all ihren gestohlenen 
Schlaf hütet. Ich würde es ganz plündern 
und ihn heimtragen. 

Ich würd' ihre zwei Flügel fest zu- 
sammenbinden,sieandasUferdes Flusses 
setzen und sie dann die Fischerin spielen 
lassen zwischen den Binsen und Wasser- 
lilien. 

Wenn abends das Markten vorüber 
ist, und die Dorfkinder ihren Müttern im 
Schoß sitzen, werden die Nachtvögel ihr 
spottend in die Ohren kreischen: 

> Wessen Schlaf stiehlst Du Dir jetzt? c 

22 



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DER ANFANG . 

»Wo bin ich hergekommen, wo hast 
Du mich aufgelesen?« fragte das Kind 
seine Mutter. 

Sie antwortete halb weinend, halb 
lachend und drückte das Kind an ihre 
Brust: 

i Du warst verborgen in meinem Her- 
zen als seine Sehnsucht, Liebling. 

Du warst in den Puppen meiner Kin- 
derspiele; und wenn ich aus Lehm das 
Bildnis meines Gottes formte jeden Mor- 
gen, dann formte und vernichtete ich 
Dich. 

Du warst mit eingeschlossen in der 
Gottheit unsres Hauses; sie verehrend, 
verehrte ich Dich. 

In all meinem Hoffen und Lieben, in 

2? 



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meinem Leben, in dem Leben meiner 
Mutter hast Du gelebt. 

Im Schoß des unsterblichen Geistes, 
der über unserm Hause waltet, bist Du 
genährt worden durch Menschenalter. 

In meiner Mädchenzeit, da mein Herz 
seine Blumenblätter aufschloß, schweb- 
test Du als ihr Duft darüber. 

Deine zarte Sanftheit blühte in meinen 
jugendlichen Gliedern wie ein Wolken - 
glühn vor Sonnenaufgang. 

Himmelserwählter Liebling, Zwilling 
des Morgenlichts, Du bist den Strom des 
irdischen Lebensheruntergeschwommen 
und zuletzt bist Du an meinem Herzen 
gestrandet. 

Ich schaue in Dein Gesicht, und Un- 
faßbares überkommt mich: Du, der allen 



gehört, bist mein geworden. 

Vor Angst, Dich zu verlieren, halt' ich 
Dich eng an meine Brust. Welcher Zau- 
ber hat den Schatz der Welt in diese 
meine schlanken Arme verstrickt! < 



25 



KINDCHENS WELT 
Ich wünsche,ich könnte eine stille Ecke 
haben im Herzen von Kindchens ureigen- 
ster Welt. 

Ich weiß, sie hat Sterne, die zu ihm 
reden, und einen Himmel, der nieder- 
steigt zu seinem Gesicht, um ihn mit 
seinen närrischen Wolken und Regen- 
bogen zu vergnügen. 

Solche, die tun, als wären sie stumm 
und dreinschaun, als könnten sie sich 
niemals bewegen, kommen zu seinem 
Fenster gekrochen mit ihren Geschichten 
und mit Kästen voll herrlichem Spiel- 
zeug. 

Ich wünsche, ich könnte die Straße 
wandern, diedurch KindchensGedanken 

26 



führt, und weiter, hinaus über alle Schran- 
ken; 

Wo Sendboten unterwegs sind ohne 
Grund zwischen den Königreichen der 
Könige, die keine Geschichte kennt; 

Wo die Vernunft Drachen macht aus 
ihren Gesetzen und sie fliegen läßt, und 
die Wahrheit die Tat befreit von ihren 
Fesseln. 



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WANN UND WARUM 
Wenn ich Dir buntes Spielzeug bringe, 
meinKind,begreifeich,warumeinsolches 
Spiel von Farben in den Wolken und auf 
dem Wasser ist, und warum die Blumen 
in Farben gemalt sind — wenn ich Dir 
buntes Spielzeug schenke, mein Kind. 

Wenn ich singe, damit Du tanzest, 
weiß ich fürwahr, warum Musik in den 
Blättern ist, und warum Wellen ihrer 
Stimmen Chor zu dem Herzen der lau- 
schenden Erde senden — wenn ich singe, 
damit Du tanzest. 

Wenn ich Süßigkeiten bringe für Deine 
gierigen Händchen, weiß ich, warum 
Honig in dem Kelch der Blume ist, und 
warum Früchte heimlich mit süßem Saft 
gefülltsind— -wenn ich Süßigkeiten bringe 

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für Deine gierigen Händchen. 

Wenn ich Dein Gesicht küsse, damit 
Du lächelst, mein Liebling, begreife ich 
gewiß,welche Wonne vom Himmel träuft 
im Morgenlicht, und welch Entzücken 
die Sommerbrise meinem Körper bringt 
— wenn ich Dich küsse, damit Du 
lächelst. 



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VERLEUMDUNG 

Warum sind diese Tränen in Deinen 
Augen, mein Kind? 

Wie grausam von ihnen, Dich immer 
zu schelten, ohne Grund! 

Du hast Dir Finger und Wangen mit 
Tinte beschmiert beim Schreiben — hei- 
ßen sie Dich darum schmutzig? 

O, pfui! Würden sie es wagen, den 
Vollmond schmutzig zu heißen, weil er 
sein Gesicht mit Tinte besudelt hat? 

Wegen jeder Kleinigkeit tadeln sie 
Dich, mein Kind. Sie sind bereit, Fehler 
zu finden, ohne Grund. 

Du zerreißest Deine Kleider beim Spie- 
len — heißen sie Dich darum unordent- 
lich? 

3° 



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O, pfui! Was würden sie einen Herbst- 
morgen heißen, der durch seine zerfetz- 
ten Wolken lächelt? 

Achte nicht darauf, was sie zu Dir 
sagen, mein Kind. 

Sie machen eine lange Liste Deiner 
Missetaten. 

Jeder weiß, wie Du Süßigkeiten liebst 
— heißen sie Dich darum naschhaft? 

O, pfui! Was würden sie dann uns 
heißen, die Dich lieben? 



DER RICHTER 
Sagt von ihm, was ihr wollt, ich kenne 
doch meines Kindes Fehler. 

Ich lieb' ihn nicht, weil er gut ist, son- 
dern weil er mein kleines Kind ist. 

Woher wollt ihr wissen, wie lieb er 
sein kann, wenn ihr versucht, seine Tu- 
genden gegen seine .Schwächen abzu- 
wägen? 

Wenn ich ihn strafen muß, wird er 
um so mehr ein Teil meines Seins. 

Wenn ich Ursache bin, daß ihm die 
Tränen kommen, weint mein Herz mit 
ihm. 

Ich allein habe ein Recht, zu tadeln 
und zu strafen, denn der nur darf züch- 
tigen, der liebt. 



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SPIELZEUG 

Kind, wie glücklich sitzest Du im Staub 
und spielst mit einem zerbrochnen Zweig 
den ganzen Morgen. 

Ich lächle über Dein Spiel mit diesem 
kleinwinzigen, zerbrochnen Zweiglein. 

Ich bin eifrig bei meinen Rechnungen, 
stundenlang Zahlen zusammenzählend. 

Vielleicht schaust Du auf mich und 
denkst: »Was für ein dummes Spiel, 
damit Deinen Morgen zu verderben?« 

Kind, ich habe die Kunst vergessen, in 
Stöcke und Sandhügel vertieft zu sein. 

Ich suche nach teurem Spielzeug und 
sammle Klumpen von Gold und Silber. 

Was immer Du findest, Du schaffst 
Dir damit Deine frohen Spiele; ich ver- 
schwende meine Zeit und Kraft an Dinge, 

Ii 

? Tagore, Mond 



die ich niemals erreiche. 

In meinem schwanken Boot kämpf ich, 
der Sehnsucht Meer zu durchkreuzen und 
vergesse, daß auch ich ein Spiel spiele. 



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DER ASTRONOM 

Ich sagte nur: > Wenn sich des abends 
der runde Vollmond in den Zweigen jenes 
Kadambaums verwirrte, könnte ihn da 
jemand fangen?« 

Aber Dada 1 ) lachte mich an und sagte : 
> Bubi, Du bist das dümmste Kind, das 
ich je gekannt habe. 

Der Mond ist, ach so weit von uns, 
wie könnte ihn denn einer da fangen ?< 

Ich sagte : > Dada, wie närrisch Du bist! 
Wenn Mutter hinausschaut aus ihrem 
Fenster und herunter lächelt auf uns 
beim Spielen, würdest Du sagen, sie wäre 
weit weg?« 

Doch Dada sagte: »Dabist ein ein- 
fältiges Kind ! Bubi, wo würdest Du denn 

*) Der ältere Bruder. 

?5 



ein Netz hernehmen, groß genug, um den 
Mond damit zu fangen ?t 

Ich sagte: »Sicherlich könntest Du ihn 
mit Deinen Händen fangen. « 

Aber Dada lächelte und sagte. »Du 
bist das dümmste Kind, das ich kenne. 
Wenn er näher käme, würdest Du sehn 
wie groß der Mond ist. « 

Ich sagte: »Dada, was für Unsinn sie 
in Deiner Schule lehren ! Wenn Mutter 
ihr Gesicht herunterbeugt, um uns zu 
küssen, schaut ihr Gesicht sehr groß aus? « 

Dada sagt aber doch: »Du bist ein 
dummes Kind.« 



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WOLKEN UND WELLEN 

Mutter, das Volk, das in den Wolken 
droben wohnt, ruft mir zu: 

»Wir spielen vom Aufwachen bis der 
Tag endet. 

Wir spielen mit der goldnen Morgen- 
röte,wirspielenmitdemsilbernenMond.« 

Ich frage: > Aber wie kann ich zu Euch 
hinaufgelangen?« 

Sie antworten: »Komm' an den Rand 
der Erde, heb' Deine Hände zum Himmel 
und du wirst aufgenommen werden in 
die Wolken.« 

> Meine Mutter wartet auf mich zu 
Hause«, sag' ich. »Wie kann ich sie ver- 
lassen und kommen?« 

Dann lächeln sie und schwimmen vor- 
über. 

?7 



Aber ich weiß ein schöneres Spiel als 
das, Mutter. 

Ich werde die Wolke sein und Du der 
Mond. 

Ich werde Dich verdecken mit meinen 
beiden Händen und unser Giebel wird 
der blaue Himmel sein. 

Das Volk, das in den Wellen wohnt, 
ruft mir zu: 

> Wir singen von Morgen bis Abend; 
wir wandern und wandern und wissen 
nicht, wohin wir gleiten, c 

Ich frage: »Wie soll ich mich denn zu 
Euch gesellen ?< 

Sie sagen mir: »Komm' an den Rand 
des Ufers und steh' mit fest geschlosse- 
nen Augen und Du wirst davongetragen 

58 



werden auf den Wellen.« 
■ 

Ich sage : > Meine Mutter braucht mich 
immer daheim des abends — wie kann 
ich sie verlassen und gehn?< 

Dann lächeln sie, tanzen und gleiten 
vorüber. 

Aber ich weiß ein besseres Spiel als das. 

Ich will die Welle sein, und Du wirst 
eine fremde Küste sein. 

Ich werde rollen fort und fort und fort 
und an Deinem Schoß zerschellen mit 
Gelächter. 

Und niemand in der Welt wird wissen, 
wo wir beide sind. 



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/ 



DIE CHAMPABLÜTE 

» 

Denk' Dir, ich würde eine Champa- 
blüte, nur zum Scherz, und wüchse auf 
einem Ast hoch oben in jenem Baume 
und schütterte im Wind vor Lachen und 
tanzte auf den neu entkeimten Blättern ; 
würdest Du mich kennen, Mutter? 

Du würdest rufen: > Kindchen, wobist 
Du?«, und ich würde lachen für mich 
und ganz stille sein. 

Ich würde heimlich meine Blüte öff- 
nen und Dir bei der Arbeit zuschaun. 

Wenn Du nach dem Bad, das nasse 
Haar über Deine Schultern gebreitet, 
durch den Schatten des Champabaumes 
gingest zu dem kleinen Hof, in dem 

4° 



Du Deine Gebete sagst, würdest Du 
den Duft der Blume merken, aber nicht 
wissen, daß er von mir käme. 

Wenn Du nach dem Mittagsmahl 
am Fenster säßest, Rämäyana lesend, 
und des Baumes Schatten über Haar und 
Schoß Dir fiele, würd' ich Dir meinen 
kleinwinzigen Schatten auf die Seite 
Deines Buches werfen, grad dahin, wo 
Du liest. 

Aber würdest Du raten, daß es der 
zarte Schatten Deines kleinen Kindes 
war? 

Wenn Du des abends zu den Kühen 
gingest, mit der brennenden Lampe in 
der Hand, würde ich plötzlich wieder 
auf die Erde niederfallen und noch ein- 
mal Dein eignes Kind sein und Dich 

4* 



bitten, mir eine Geschichte zu erzählen. 

>Wo bist Du gewesen, Du schlimmes 
Kind?« 

»Ich mag's nicht erzählen, Mutter.« 
Das würden Du und ich dann sagen. 



42 



MÄRCHENLAND 
Wenn die Leute wüßten, wo meines 
Königs Palast ist, er würde entschwin- 
den. 

Die Mauern sind von weißem Silber 
und das Dach von leuchtendem Gold. 

Die Königin lebt in einem Palast mit 
sieben Höfen und sie trägt ein Juwel, das 
war wert allen Reichtum von sieben 
Königreichen. 

Aber laß' es mich, Mutter, Dir flüsternd 
sagen, wo meines Königs Palast ist. 

Er ist da in der Ecke unsrer Terrasse, 
dort wo der Topf mit der Tulsispflanze 
steht. 

Die Prinzessin liegt schlafend an der 
weit weiten Küste der sieben unweg- 
samen Meere. 

43 



Es gibt keinen in der Welt, der sie fin- 
den kann, als ich. 

Sie hat Spangen an ihren Armen und 
Perlentropfen in ihren Ohren; ihr Haar 
wallt nieder bis zum Boden. 

Sie wird aufwachen, wenn ich sie mit 
meinem Zauberstab berühre, und Edel- 
steine werden von ihren Lippen fallen, 
wenn sie lächelt. 

Aber laß' mich Dir ins Ohr flüstern, 
Mutter; sie ist da in der Ecke unsrer 
Terrasse, dort wo der Topf mit derTul- 
sispflanze steht. 

Wenn es Zeit für Dich ist, zum Flusse 
baden zu gehn, steig' hinauf zu der Ter- 
rasse auf dem Dach. 

Ich sitz' in der Ecke, wo die Schatten 
der Mauern zusammentreffen. 

44 



Nur Miez darf mit mir kommen, denn 
sie weiß, wo der Barbier aus dem Mär- 
chen wohnt. 

Aber laß' mich, Mutter, Dir ins Ohr 
flüstern, wo der Barbier aus dem Mär- 
chen wohnt. 

Es ist da in der Ecke der Terrasse, wo 
der Topf mit derTulsispflanze steht. 



45 



DAS LAND DER VERBANNUNG 
Mutter, das Licht ist grau geworden 

am Himmel; ich weiß nicht,wie spät es ist. 
Mich freut mein Spiel nicht, da bin ich 

zu Dir gekommen. Eis ist Sonnabend, 

unser Feiertag. 

Laß' Deine Arbeit, Mutter; sitz' hier 

beim Fenster und erzähl' mir, wo die 

Wüste vonTepäntar in dem Märchen ist. 

Der Regenschatten hat den ganzen 
langen Tag zugedeckt. 

Der wilde Blitz zerkratzt den Himmel 
mit seinen Nägeln. 

Wenn die Wolken rollen und es don- 
nert, lieb' ich es, mich zu fürchten im 
Herzen und mich an Dich zu schmiegen. 

Wenn der schwere Regen stundenlang 

4 6 



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auf die Bambusblätter plätschert, und 
unsre Fenster schüttern und klirren unter 
den Windstößen, sitz' ich gern allein im 
Zimmer, Mutter, mit Dir und hör' Dich 
erzählen von der Wüste Tepäntar in dem 
Märchen. 

Wo liegt sie, Mutter, an der Küste 
welchenMeeres,amFußewelcherHügel, 
in wessen Königs Königreich? 

Da gibt's keine Hecken, die Felder zu 
grenzen, keinen Fußpfad hindurch, auf 
dem die Dorfbewohner des abends ihr 
Dorf erreichen oder die Frau, die dürres 
Holz im Walde sammelt, ihre Bürde zu 
Markte bringen kann. MitFlecken gelben 
Grases im Sand und einem einzigen 
Baum, in dem das weise, alte Vogelpaar 

47 



sein Nest hat, liegt die Wüste von Te- 
päntar. 

Ich kann mir vorstellen, wie gerade 
an einem so wolkigen Tage der junge 
Königssohn auf grauem Roß allein durch 
die Wüste reitet, auf der Suche nach der 
Prinzessin, die im Palast des Riesen über 
dem unbekannten Wasser gefangen liegt. 

Wenn der Regennebel herunterrieselt 
am fernen Himmel und der Blitz aufzuckt 
wie ein plötzlicher Schmerz, denkt er da 
seiner unglücklichen Mutter, wie sie, vom 
König verstoßen, den Kuhstall fegt und 
ihre Augen wischt, während er durch die 
Wüste Tepäntar reitet, wie das Märchen 
erzählt? 

4 8 



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Sieh', Mutter, es ist beinahe dunkel, 
ehe noch der Tag vorüber ist, und es gehn 
keineWandrer drüben auf der Dorfstraße. 

Der Hirtenknab' ist frühe heimgekom- 
men von der Weide und die Menschen 
haben ihre Felder verlassen, um auf Mat- 
ten zu sitzen unter der Dachtraufe ihrer 
Hütten, nach den dräuenden Wolken 
spähend. 

Mutter, ich habe alle meine Bücher 
in dem Spinde gelassen — heiße mich 
nicht, jetzt meine Aufgaben machen. 

Wenn ich aufwachse und groß wie 
mein Vater bin, werde ich alles lernen, 
was gelernt werden muß. Aber nur heute 
gerade, erzähle mir, Mutter, wo die 
Wüste von Tepäntar ist, von der das 
Märchen erzählt. 

49 

4 Ttfore, Mond 



DER REGENTAG 
Tückische Wolken ballen sich rasch 
über der schwarzen Franse des Waldes. 
O Kind, geh' nicht hinaus! 
Die Palmenreihe am See schlägt ihre 
Häupter wider den schrecklichen Him- 
mel; die Krähen mit ihren schmutzigen 
Schwingen sitzen still auf den Tama- 
rindenzweigen, und das östliche Ufer des 
Flusses geistert in einem verdunkelten 
Glühn. 

Unsre Kuh muht laut, an den Zaun 
gebunden. 

O Kind, wart' hier, bis ich sie in den 
Stall bringe. 

Menschen drängen hinaus auf dasüber- 
schwemmte Feld, um die Fische zu fan- 

5° 



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gen, die aus den überflutenden Teichen 
entkommen; das Regenwasser rinnt in 
Rillen durch die engen Gassen, wie ein 
lachender Junge, der seiner Mutter da- 
vongerannt ist, um sie zu necken. 

Horch', irgendwer ruft nach dem 
Bootsmann an der Furt. 

O Kind, des Tages Licht ist trüb' und 
die Arbeit an der Fähre ruht. 

Der Himmel scheint rasch zu reiten 
auf dem wildstürzenden Regen; das 
Wasser im Fluß ist laut und ungestüm; 
Frauen sind früh nach Haus geeilt vom 
Ganges mit ihren gefüllten Krügen. 

m 

Die Abendlampen müssen fertigge- 
macht werden. 

5« 



O Kind, geh' nicht hinaus! 

Die Straße zum Markt ist einsam, die 
Gasse zum Fluß ist schlüpfrig. Der Wind 
stöhnt und wütet in den Bambuszwei- 
gen wie ein wildes Tier, in einem Netz 
verfangen. 



52 



PAPIERSCHIFFCHEN 

Tag fürTag laß* ich meine Papierschiff- 
chen, eins nach dem andern, den eilenden 
Strom hinunterschwimmen. 

In großen, schwarzen Buchstaben 
schreib' ich meinen Namen darauf und 
den Namen des Dorfes, wo ich lebe. 

Ich hoffe, daß irgendwer in einem 
fremden Land sie finden wird und wissen, 
wer ich bin. 

Ich belade meine kleinen Boote mit 
Shiuliblumen aus unserm Garten und 
hoffe, daß diese Blüten der Dämmerung 
heil ans Land getrieben werden zur 
Nacht. 

Ich lichte meine Papierschiffchen und 
schaue hinauf in den Himmel und sehe 
die kleinen Wolken ihre weißen, blähen- 

53 



den Segel setzen. 

Ich weiß nicht, wer von meinen Ge- 
spielen im Himmel sie hinunterschickt 
durch die Luft, damit sie Wettlaufen mit 
meinen Booten! 

Wenn Nacht kommt, vergrabe ich 
mein Gesicht in meine Arme und träume, 
daß meine Papierschiffchen weiter und 
weiter treiben unter den Mitternachts- 
sternen. 

Die Schlafelfen segeln darin, und die 
Ladung sind ihre Körbe voll Träume. 



54 



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DER SEEMANN 
Das Boot des Bootsmannes Madhu ist 

an der Werft von Rajgunj verankert. 
Es ist unnütz beladen mit indischem 

Flachs und liegt schon so lange zwecklos 

da. 

Wenn er mir nur sein Boot leihen 
wollte, ich würd' es mit hundert Rudrern 
bemannen und Segel hissen, fünf oder 
sechs oder sieben. 

Ich würd' es nicht nach dummen 
Märkten steuern. 

Ich würde über die sieben Meere segeln 
und die dreizehn Flüsse des Märchen- 
landes. 

Gelt Mutter, Du würdest nicht weinen 
um mich in einer Ecke? 

55 



Ich geh' nicht in den Wald wie Räma- 
chandra, um erst nach vierzehn Jahren 
heimzukehren. 

Ich werde der Märchenprinz sein und 
mein Boot füllen, mit allem, was mir 
gefällt. 

Ich werde meinen Freund Ashu mit 
mir nehmen. Wir werden frohlustig über 
die sieben Meere segeln und die drei- 
zehn Flüsse des Märchenlands. 

Wir werden die Segel setzen im frühen 
Morgenlicht. 

Wenn Du des mittags am Teiche ba- 
dest, werden wir im Land eines fremden 
Königs sein. 

Wir werden die Furt von Tipurni pas- 
sieren und hinter uns lassen die Wüste 

56 



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von Tepäntar. 

Wenn wir heimkommen, wird es 
anfangen zu dunkeln, und ich werde Dir 
von allem erzählen, was wir gesehen 
haben. 

Ich werde die sieben Meere kreuzen 
und die dreizehn Flüsse des Märchen- 
landes. , 



57 



DAS ANDERE UFER 

Ich möchte hinübergehn an das Ufer 
des Flusses drüben, 

Wo jene Boote angeseilt sind an die 
Bambuspfähle in einer Reihe; 

Wo Männer in ihren Booten überfahren 
in der Frühe, mit Pflügen auf ihren Schul- 
tern, ihre Felder weit draußen zu ackern; 

Wo die Kuhhirten ihre blökenden 
Kälber über den Strom schwimmen 
lassen nach den Uferweiden; 

Von wo sie alle heimkommen am 
Abend und lassen auf der Insel, der von 
Unkraut überwucherten, die heulenden 
Schakale zurück. 

Mutter, erlaubst Du's, so würd* ich 
gern Bootsmann bei der Fähre werden, 
wenn ich einmal groß bin. 

58 



Sie sagen, es sind seltsame Sümpfe 
verborgen hinter jenem Ufer, 

Wo Schwärme wilder Enten hin- 
kommen, wenn die Regen vorüber sind, 
und dickes Rohr wächst um die Ränder, 
da Wasservögel ihre Eier legen ; 

Wo Schnepfen mit ihren tanzenden 
Schwänzen ihre kleinen Zehenmale in 
den reinen, weichen Schlamm drücken; 

Wo im Abend die hohen Gräser, mit 
weißen Blüten behelmt, den Mondstrahl 
einladen, auf ihren Wogen zu spielen. 

Mutter, erlaubst Du's, so würd' ich 
gern Bootsmann bei der Fähre werden, 
wenn ich einmal groß bin. 

Ich werde hinüber- und herüberfahren 
von Ufer zu Ufer, und alle die Jungen 

59 



und Mädchen im Dorf werden mich an- 
staunen, während sie baden. 

Wenn die Sonne des Himmels Mitte 
erklimmt und der Morgen in den Mittag 
vergeht, werde ich nach Hause gelaufen 
kommen und sagen: »Mutter, ich habe 
Hunger! c 

Wenn derTag um ist und die Schatten 
unter den Bäumen kauern, werd' ich im 
Dämmern heimkommen. 

Ich werde nie weggehen von Dir, in 
die Stadt arbeiten, wie Vater. 

Mutter, erlaubst Du's, so würd' ich 
gern Bootsmann bei der Fähre werden, 
wenn ich einmal groß bin. 



60 



DIE BLUMENSCHULE 
Wenn Sturmwolken am Himmel rumo- 
ren und Junischauer herunterkommen, 
Kommt der feuchte Ostwind über die 
Heide marschiert, um seinen Dudelsack 
im Bambusgeröhr zu pfeifen. 

Dann kommen auf einmal Scharen 
von Blumen heraus — weiß niemand 
woher — und tanzen auf dem Gras in 
wilder Lust. 

Mutter, wirklich, ich denke, die Blu- 
men gehn unter der Erde zur Schule. 

Sie machen ihre Aufgaben bei geschlos- 
senen Türen, und wenn sie heraus- 
kommen wollen, zu spielen, eh' ihre Zeit 
ist, läßt sie der Lehrer in einer Ecke stehn. 



61 



Wenn die Regen kommen, haben sie 
ihre Ferien. 

Zweigeprasseln zusammen imWalde, 
und die Blätter rascheln im wilden Wind, 
die Donnerwolken klatschen ihre Riesen- 
hände, und die Blumenkinder stürzen 
heraus in Kleidern rosig und gelb und 
weiß. 

i 

Weißt Du, Mutter, ihre Heimat ist im 
Himmel, wo die Sterne sind. 

Hast Du nicht gemerkt, wie gierig sie 
sind, dahin zu gelangen? Weißt Du nicht, 
warum sie in solcher Eile sind? 

Freilich, ich kann's erraten, zu wem 
sie ihre Hände erheben: sie haben ihre 
Mutter, wie ich die meine hab\ 

62 



V 



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DER KAUFMANN 
Stell' Dir vor, Mutter, daß Du zu 
Hause bleiben müßtest, und ich müßte 
in fremde Länder reisen. 

Stell' Dir vor, daß mein Boot bereit- 
liegt an der Brücke, voll geladen. 

Nun denk' gut nach, Mutter, eh' Du 
sagst, was ich mitbringen soll für Dich, 
wenn ich zurückkomme. 

Mutter, willst Du Haufen und Haufen 
von Gold? 

Dort an den Ufern goldener Ströme 
sind Felder voll goldener Ernten. 

Und in den Schatten des Waldpfads 
tropfen die goldnen Champablüten auf 
den Weg. 

Ich will sie sammeln, alle für Dich, in 

63 



vielen hundert Körben. 

Mutter, willst Du Perlen so groß wie 
Regentropfen im Herbst? 

Ich will hinüberfahren nach der Perlen- 
insel. 

Dort zittern im frühen Morgenlicht 
Perlen auf den Wiesenblumen, Perlen 
tropfen ins Gras, und Perlen sind ver- 
spritzt im Sand vom Gischt der wilden 
Meereswogen. 

Mein Brudersoll ein PaarRösserhaben 
mitFlügeln,ummitdenWolkenzufliegen. 

Für Vater werd' ich eine Zauberfeder 
mitbringen, die, ohne daß er es weiß, von 
selber schreiben wird. 

Für dich, Mutter, muß ich das Käst- 
lein und das Kleinod haben, das sieben 
Königen ihre Königreiche kostet 

6 4 



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MITGEFÜHL 

Wenn ich nur ein kleines Hündchen 
wäre, nicht Dein Kindchen, Mutter lieb, 
würdest Du »Nein« zu mir sagen, wenn 
ich es wagte, von Deiner Schüssel zu essen ? 

Würdest Du mich wegjagen, zu mir 
sagend: >Mach' Dich fort, Du garstiges, 
kleines Hündchenpc 

Dann geh', Mutter, geh'! Ich will nie 
mehr zu Dir kommen, wenn Du mich 
rufst, und mich nicht mehr von Dir füt- 
tern lassen. 

Wenn ich nur ein kleiner, grüner Pa- 
pagei wäre und nicht Dein Kindchen, 
Mutter lieb, würdest Du mich an der 
Kette halten, damit ich nicht wegfliegen 
kann? 

5 T»gore, Mond 



Würdest Du mir mit dem Finger dro- 
hen und sagen: »Was für ein undankbarer 
Racker von einem Vogel! Er knabbert 
an seiner Kette Tag und Nacht?« 

Dann geh', Mutter, geh'! Ich will fort- 
laufen in den Wald; ich will nicht mehr, 
daß Du mich wieder in Deine Arme 
nimmst. 



66 



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BERUF 

Wenn der Gong zehn schlägt des 
morgens und ich wandre unsre Gasse 
zur Schule, 

Treffe ich jeden Tag den Händler, 
schreiend: > Ringe, kristallne Ringele 

Es gibt nichts, das ihn zur Eile treibt, 
es gibt keinen Weg, den er nehmen, 
keinen Ort, nach dem er gehen, keine 
Zeit, zu der er heimkommen muß. 

Ich wünschte, ich wäre ein Händler 
und verbrächte meinenTagauf der Straße, 
schreiend: »Ringe, kristallne Ringe!« 

Wenn ich um vier des nachmittags 
zurückkomme aus der Schule, 

Kann ich durch das Tor jenes Hauses 
den Gärtner die Erde graben sehn. 

6 7 



Er tut, was er will mit seinem Spaten, 
beschmutzt seine Kleider mit Staub, kei- 
ner stellt ihn zur Rede, wenn er gebraten 
wird in der Sonne oder naß wird. 

Ich wünschte, ich wäre ein Gärtner, 
drauflosgrabend im Garten, und keiner 
hielte mich ab vom Graben. 

Just wenn es dunkel wird am Abend 
und meine Mutter mich zu Bett schickt, 

Kann ich durch das offne Fenster 
den Wächter sehn auf und abschrei- 
ten. 

Die Gasse ist dunkel und einsam, und 
die Straßenlampe steht wie ein Riese 
mit einem roten Auge im Kopf. 

Der Wächter schwingt seine Laterne 
und schreitet mit seinem Schatten zur 

68 



Seite und geht nicht e i n mal zu Bett in 
seinem Leben. 

Ich wünschte, ich wäre ein Wächter, 
die Straßen schreitend alle Nacht, und 
scheuchte die Schatten mit meiner La- 
terne. 



69 



ÜBERLEGEN 

Mutter, Dein Töchterchen ist dumm! 
Sie ist so schrecklich kindisch! 

Sie weiß nicht den Unterschied zwi- 
schen den Lichtern auf der Straße und 
den Sternen. 

Wenn wir > Essen < mit Kieseln spielen, 
glaubt sie, sie sind wirkliche Speise und 
versucht, sie in ihren Mund zu stecken. 

Wenn ich ein Buch aufmache vor ihr 
und sie ihr A B C lernen heiße, zerreißt sie 
die Blätter mit ihren Händen und brüllt 
vor Freude über nichts. Das ist die Art, wie 
Dein Töchterchen ihre Aufgaben macht. 

Wenn ich den Kopf über sie schüttle 
in Ärger und sie schelte und sie schlimm 
nenne, lacht sie und hält es für einen 
Hauptspaß. 

70 



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Jeder weiß, daß Vater fort ist, aber 
wenn ich im Spiel laut »Vaterc rufe, 
schaut sie herum in Aufregung und denkt, 
daß Vater nahe ist. 

Wenn ich Schule spiele mit den 
Eseln, die unser Wäschemann bringt, 
um Wäsche zu holen, und ich drohe ihr, 
daß ich der Lehrer bin, wird sie kreischen 
ohne Grund und mich Dada nennen. 

Dein Töchterchen will den Mond 
fangen. Sie ist so drollig, sie nennt: Ga- 
nesh Ganush. 

Mutter, Dein Töchterchen ist dumm, 
sie ist so schrecklich kindisch ! 



7* 



DER KLEINE GROSSE MANN 
Ich bin klein, weil ich ein kleines Kind 

bin. Ich werde groß sein, wenn ich so alt 

bin wie mein Vater ist. 

Mein Lehrer wird kommen und sagen : 



»Es ist spät; bring' DeineTafel und Deine 
Bücher, c 

Ich werd' ihm antworten: »Weißt Du 
nicht, daß ich so groß bin wie Vater? Und 
ich muß keine Stunden mehr haben, c 

Mein Lehrer wird sich wundern und 
sagen: »Er kann seine Bücher lassen, 
wenn er will, er ist ja erwachsen.« 

4 

Ich werde mich anziehn und zum Jahr- 
markt spazieren,wo das Gewühl am dich- 
testen ist. 

Mein Onkel wird auf mich zugestürzt 




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kommen und sagen : > Du wirst verloren 
gehn, mein Junge; laß' mich Dich tragen. « 

Ich werde antworten: > Kannst Du 
nicht sehen, Onkel, ich bin so groß wie 
Vater. Ich muß allein auf den Jahrmarkt 
gehn.« 

Onkel wird sagen: »Ja, er kann gehn, 
wohin er will; er ist erwachsen.« 

Mutter wird vom Bade kommen,wenn 
ich meiner Amme Geld gebe; denn ich 
weiß, wie sich die Büchse aufmachen läßt 
mit meinem Schlüssel. 

Mutter wird sagen : »Was hast Du vor, 
Du schlimmes Kind?« 

Ich werd' ihr erwidern : » Mutter, weißt 
Du nicht, ich bin so groß wie Vater und 
ich muß meiner Amme Silber geben.« 

73 



Mutter wird zu sich sagen: >Er kann 
Geld geben, wem er will; er ist ja er- 
wachsen.« 

In der Ferienzeit im Oktober wird 
Vater heimkommen und, weil er meint, 
daß ich noch ein kleines Kind bin, wird 
er für mich aus der Stadt kleine Schuhe 
und kleine seidene Röcklein mitbringen. 

Ich werde sagen: > Vater, gib sie mei- 
nem Dada, denn ich bin so groß wie Du 
bist, « 

Vater wird denken und sagen: »Er 
kann seine eignen Kleider kaufen, wenn 
er will; er ist ja erwachsen, c 



74 



ZWÖLF UHR 

Mutter, ich will jetzt aufhören mit 
meinen Aufgaben. Ich habe den ganzen 
Morgen über meinen Büchern gesessen. 

Du sagst, es ist erst zwölf Uhr. An- 
genommenes ist nicht später: kannst Du 
Dir niemals denken, es ist Nachmittag, 
wenn es nur zwölf Uhr ist? 

Ich kann mir leicht vorstellen jetzt, 
daß die Sonne den Rand jenes Reisfeldes 
erreicht hat, und daß die alte Fischer- 
frau Kräuter sammelt für ihr Nachtmahl, 
drüben am Teich. 

Ich kann meine Augen fest zumachen 
und denken, daß die Schatten dunkler 
werden unter dem Madarbaum und das 
Wasser im Teich glänzend schwarz aus- 
sieht. 

75 



Wenn zwölf Uhr in der Nacht kom- 
men kann, warum kann die Nacht nicht 
kommen, wenn es zwölf Uhr ist? 



7 6 



SCHRIFTSTELLEREI 
Du sagst, daß Vater eine Menge Bücher 
schreibt, aber was er schreibt, versteh' 
ich nicht. 

Er hat Dir den ganzen Abend vorge- 
lesen, aber konntest Du wirklich heraus- 
bekommen, was er meinte? 

Welch schöne Märchen,Mutter, kannst 
Du uns erzählen! Warum kann Vater 
nicht solche schreiben? 

Hat er niemals von seiner eignen 
Mutter Märchen gehört von Riesen und 
Elfen und Prinzessinnen? 

Hat er sie alle vergessen? 

Oft, wenn er spät kommt zum Baden, 
mußt Du gehn und ihn hundertmal 
rufen. 



77 




Du wartest und hältst sein Essen warm 
für ihn, und er schreibt weiter und ver- 
gißt. 

Vater spielt immer Büchermachen. 

Wenn ich je spielen gehe in Vaters 
Zimmer, kommst Du und rufst mich: 
»Was für ein schlimmes Kind!« 

Wenn ich den leisesten Lärm mache, 
sagst Du: »Siehst Du nicht, daß Vater 
arbeitet?« 

Was hat das für Sinn, schreiben und 
immer schreiben? 

Wenn ich Vaters Feder oder Bleistift 
nehme und in sein Buch schreibe, ge- 
rade wie er — a, b, c, d, e, f, g, h, i, — , 
warum wirst Du dann böse mit mir, 
Mutter? 

78 

> 



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Du sagst nie ein Wort, wenn Vater 
schreibt. 

Wenn meinVater solche Haufen Papier 
verschwendet, Mutter, scheint es Dich 
gar nicht zu stören. 

Wenn ich aber nur einen Bogen 
nehme, um mir ein Schiff draus zu 
machen, sagst Du : » Kind, wie Du einen 
quälst!« 

Was hältst Du von Vaters Bogen und 
Bogenverderben mit schwarzen Zeichen, 
über und über auf beiden Seiten? 



79 



DER BÖSE POSTBOTE 
Warum sitzest Du hier auf dem Boden 
so still und schweigend, sag' mir, Mutter 
lieb? 

Der Regen kommt herein durch das 
offene Fenster, macht Dich ganz naß, 
und Du merkst es gar nicht. 

Hörst Du den Gong vier schlagen? Es 
ist Zeit für meinen Bruder, daß er heim- 
kommt aus der Schule. 

Was ist Dir geschehn, daß Du so fremd 
ausschaust? 

Hast Du heut keinen Brief von Vater 
bekommen? 

Ich sah den Postboten Briefe bringen 
in seinem Sack, für jeden fast in der 
Stadt. 

Nur Vaters Briefe behält er, um sie 

80 



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selber zu lesen. Ich bin gewiß, der Post- 
bote ist ein böser Mann. 

Aber sei nicht unglücklich darüber, 
Mutter lieb. 

Morgen ist Markttag im nächsten Dorf. 
Du sagst Deinem Mädchen, daß sie Fe- 
dern und Papier kauft. 

Ich selbst will Vaters Briefe schreiben; 
Du wirst nicht einen einzigen Fehler 
finden. 

Ich werde vom A drauf los bis zum K 
schreiben. 

Doch, Mutter, was lächelst Qu? 

Du glaubst nicht, daß ich so schön 
schreiben kann wie Vater? 

Aber ich werde mein Pgpier sorgfältig 
linieren und alle Buchstaben schön groß 

81 

6 Tagore, Mond 



schreiben. 

Venn ich mein Schreiben fertig habe, 
meinst Du, werd' ich so dumm sein und 
es hineinwerfen in des gräßlichen Post- 
boten Sack? 

Ich werd' es Dir selber bringen, ganz 

rasch, und Dir Brief für Brief meine 
Schrift lesen helfen. 

Ich weiß, der Postbote gibt Dir nicht 
gern die wirklich netten Briefe. 



82 



DER HELD 
Mutter, denk* Dir, wir reisen und kom- 
men durch ein fremdes und gefährliches 
Land. 

Du reisest in einem Palankin, und ich 
trabe neben Dir auf einem roten Pferd. 

Es ist Abend, und die Sonne geht unter. 
Die Wüste von Joradighi liegt fahl und 
grau vor uns. Das Land ist öd und brach. 

Du bist erschreckt und denkst: »Ich 
weiß nicht, wohin wir geraten sind.« 

Ich sage zu Dir: »Mutter, hab' keine 
Angst.« 

Die Wiese prickelt vor spitzigem Gras, 
und drüber läuft ein schmaler, holpriger 
Pfad. 

Kein Vieh ist zu sehn auf dem weiten 

8j 



Feld; es ist in seine Ställe heimge- 
kehrt. 

Es wird dunkel und düster auf Land 
und Himmel, und wir könnend nicht 
sagen, wohin wir gehn. 

Plötzlich rufst Du und fragst mich 
flüsternd: »Was für ein Licht ist dort am 
Ufer?« 

Just da gellt ein furchtbarer Schrei, und 
Gestalten kommen laufend auf uns zu. 

Du sitzest zusammengekauert in Dei- 
nem Palankin und wiederholst betend 
die Namen der Götter. 

Die Träger, vor Schrecken zitternd 
verstecken sich im Dornenbusch. 

Ich schrei' Dir zu: >Hab' keine Angst, 
Mutter, ich bin da!« 

8 4 



Mit langen Stöcken in den Händen 
und ganz wild flatterndem Haar um ihre 
Schädel kommen sie näher und näher. 

Ich schreie : > Seht Euch vor, Ihr Schur 
ken! Einen Schritt weiter und Ihr seid 
des Todes!« 

Sie stoßen noch einmal ein schreck- 
liches Geheul aus und stürzen vorwärts. 

Du packst meine Hand und sagst: 
> Lieber Junge, um Himmels willen, halt' 
Dich fern von ihnen!« 

Ich sage: > Mutter, gib Du nur Obacht 
auf mich.« 

Dann sporn' ich mein Roß zu wildem 
Galopp, und mein Schwert und Schild 
klirren aneinander. 

Der Kampf wird so gräßlich, Mutter, 

8 5 



daß Dich ein kalter Schauer überliefe, 
wenn Du ihn sehen könntest von Deinem 
Palankin. 

Viele von ihnen fliehn, und eine große 
Zahl ist in Stücke gehaun. 

Ich weiß, Du denkst, ganz versunken 
in Dich, Dein Junge muß tot sein in dieser 
Stunde. 

Aber ich komme zu Dir, ganz mit Blut 
befleckt und sage: »Mutter, nun ist der 
Kampf vorüber. « 

Du kommst heraus und küssest mich, 
drückst mich an Dein Herz und sagst zu 
Dir selbst: 

»Ich weiß nicht, was ich tun würde, 
wenn ich nicht meinen Jungen zum Ge- 
leit hätte, c 

86 



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Tausend nutzlose Dinge geschehen 
Tag für Tag, warum könnte nicht so 
etwas zufällig wahr werden? 

Es würde wie eine Geschichte in einem 
Buch sein. 

Mein Bruder würde sagen: »Ist das 
möglich? Ich dachte immer, er wäre so 
zart!« 

Unsre Dorfleute würden alle in Ver- 
wunderung sagen: »War es nicht ein 
Glück, daß der Junge mit seiner Mutter 
war?« 



*7 



DAS ENDE 
Es ist Zeit für mich, zu gehen, Mutter. 
Ich gehe. 

Wenn Du im fahlen Dunkel der ein- 
samen Dämmerung Deine Arme aus- 
streckst nach Deinem Kindchen im Bett, 
werde ich sagen: > Kindchen ist nicht 
da!« — Mutter, ich gehe. 

Ich werde ein zarter Lufthauch wer- 
den und Dich liebkosen; und ich werde 
das Kräuseln auf demWasser sein, wenn 
Du badest, und Dich küssen und wieder 
küssen. 

In der Sturmnacht, wenn der Regen 
auf die Blätter prasselt, wirst du mein 
Flüstern hören in Deinem Bett, und mein 
Lachen wird mit dem Blitz durchs offne 
Fenster in Dein Zimmer leuchten. 

88 



Wenn Du wach liegst, an Dein Kind- 
chen denkend bis spät in die Nacht, werd* 
ich singen zu Dir von den Sternen: 
»Schlaf, Mutter, schlaf.« 

Auf den irrenden Mondstrahlen werd* 
ich mich über Dein Bett stehlen und auf 
Deiner Brust liegen,während Du schläfst. 

Ich werde ein Traum werden und 
durch die kleine Öffnung Deiner Augen- 
lider werd' ich in die Tiefen Deines 
Schlafes schlüpfen; und wenn Du auf- 
wachst und bestürzt herumschaust, 
werd' ich wie ein glitzernder Leucht- 
käfer hinaus ins Dunkle schwirren. 

Wenn zum großen Puja- Feste die 
Nachbarskinder kommen und herum- 
spielen im Haus, werd' ich in die Musik 
der Flöte schmelzen und in Deinem 

8 9 



Herzen schlagen den ganzen Tag. 

Die liebe Muhme wird kommen mit 
Puja-Geschenken und wird fragen: »Wo 
ist unser Kindchen, Schwester?« 

Mutter, Du wirst ihr leise sagen: »Er 
ist in den Sternen meiner Augen, er ist in 
meinem Körper und in meiner Seele.« 



9° 



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KOMM ZURÜCK! 

Die Nacht war schwarz als sie fort- 
ging, und sie schliefen. 

Die Nacht ist schwarz jetzt, und ich 
rufe nach ihr: »Komm zurück, mein 
Liebling; die Welt liegt im Schlaf; und 
niemand würde wissen, wenn Du kämst 
für eine Weile, während die Sterne den 
Sternen zublinken.« 

Sie ging weg, als die Bäume in Knos- 
pen standen und der Lenz jung war. 

Nun sind die Blumen in voller Blüte 
und ich rufe: » Komm zurück, mein Lieb- 
ling. Die Kinder sammeln Blumen und 
verstreun sie in unbekümmertem Spiel. 
Und wenn Du kämest und nähmest 
eine kleine Blüte, es würde sie keiner 

9 1 



vermissen, f 

Die damals spielten, spielen noch, so 
verschwenderisch ist Leben. 

Ich lauschte ihrem Plaudern und rufe : 
>Komm zurück, mein Liebling; denn 
Mutters Herz ist voll bis an den Rand 
mit Liebe, und wenn Du kämest, nur 
einen einzigen kleinen Kuß zu haschen 
von ihr, es würde Dir's niemand neiden. « 



92 



DER ERSTE JASMIN 

Ah, dieser Jasmin, dieser weiße Jasmin! 

Mir ist wie am ersten Tag, da ich 
meine Hände füllte mit diesem Jasmin, 
diesem weißen Jasmin. 

Ich habe die Sonne geliebt, den Him- 
mel und die grüne Erde. 

Ich habe das rieselnde Rauschen des 
Flusses gehört durch das Dunkel der 
Mitternacht; 

Herbstsonnenuntergänge sind zu mir 
gekommen an eines Weges Biegung in 
einsamer Öde wie eine Braut, den Schleier 
hebend zum Empfang des Geliebten. 

Und doch ist mein Erinnern noch süß 
von dem ersten weißen Jasmin, den ich in 
meiner Hand hielt, als ich ein Kind war. 



93 



Manch' froher Tag ist in mein Leben 
gekommen, und ich habe gelacht mit 
Spaßmachern in festlichen Nächten. 

An grauen Regenmorgen hab' ich 
manch* müßig Lied gesummt 

Ich habe um meinen Nacken getragen 
denAbendkranzaus Bakulas, vonHänden 
der Liebe geflochten. 

Und doch ist mein Herz süß von dem 
Erinnern an den ersten frischen Jasmin, 
der meine Hände füllte, als ich ein Kind 
war. 



94 



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DER FEIGENBAUM 

0 Du zottelköpfiger Feigenbaum am 
Ufer des Teichs, hast Du den kleinen 
Jungen vergessen wie die Vögel, die in 
Deinen Zweigen genistet haben und Dich 
verließen? 

Erinnerst Du Dich nicht, wie er am 
Fenster saß und sich wunderte über das 
Gewirr Deiner Wurzeln, die unter die 
Erde tauchten? 

Die Frauen kamen immer, ihre Krüge 
zu füllen am Teich, und Dein riesiger, 
schwarzer Schatten räkelte sich über das 
Wasser wie Schlaf, der sich anstrengt, 
aufzuwachen. 

Sonnenlicht tanzte auf den Wasser- 
wirbeln wie ruhlose, winzige Weberschiff- 
chen, die eine goldne Tapete wirken. 

95 



' V 



Zwei Enten schwammen am ver- 
wilderten Rande über ihren Schatten 
und der Junge saß still und sann. 

Er wollte der Wind sein und durch 
Deine rauschenden Zweige blasen, Dein 
Schatten sein und mit dem Tage länger 
werden auf dem Wasser, ein Vogel sein 
und auf Deinem höchsten Wipfel sitzen, 
und wie jene Enten unter Unkraut und 
Schatten schwimmen. 



96 



SEGNUNG 
Segne dies kleine Herz, diese weiß? 
Seele, die des Himmels Kuß für unsere 
Erde gewonnen hat. 

Er liebt das Licht der Sonne, er liebt 
den Anblick von seiner Mutter Antlitz. 

Er hat mich gelehrt, den Staub ver- 
achten und nach Gold trachten. 
Schließ* ihn an Dein Herz und segne ihn. 

.... -i 

Er ist in dieses Land der hundert Kreuz- 
wege gekommen. 

Ich weiß nicht, wieso er Dich wählte 
aus der Menge, an Dein Tor kam und 
Deine Hand faßte, um seinen Weg zu 
fragen. 

Er wird Dir folgen, lachend und plau- 
dernd und ohne Zweifel im Herzen. 

97 

7 Tagen, Moad 



Erfüll' sein Vertrauen, führe ihn zum 
Rechten und segne ihn. 

Leg* Deine Hand auf sein Haupt und 
bete: wenn auch die Wogen unten be- 
drohlich werden,so möge doch derOdem 
von oben kommen und seine Segel füllen 
und ihn in den Hafen des Friedens wehn. 

Vergiß* ihn nicht in Deinem Hasten, 
laß' ihn an Dein Herz kommen und segne 
ihn. 



98 



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DAS GESCHENK 
Ich möchte Dir was schenken, mein 
Kind, denn wir treiben auf dem Strom 
der Welt. 

Unsre Leben werden auseinandergehn 
und unsre Liebe wird vergessen werden. 

Aber ich bin nicht so töricht, zu hoffen, 
ich könnte Dein Herz mit meinen Ge- 
schenken kaufen. 

Jung ist Dein Leben, Dein Pfad lang, 
und Du trinkst die Liebe, die wir Dir 
bringen, auf einen Zug, kehrst Dich um 
und läufst weg von uns. 

Du hast Dein Spiel und Deine Ge- 
spielen. Was tut's, wenn Du nicht Zeit, 
nicht Sinn für uns hast. 

Fürwahr, wir haben Muße genug im 
Alter, die Tage zu zählen, die vergangen 

99 



sind, in unseren Herzen zu hätscheln, was 
unsre Hände für immer verloren haben. 

Der Fluß läuft schnell mit einem Lied, 
alle Schranken durchbrechend. Aber der 
Berg steht und erinnert sich und folgt ihm 
mit seiner Liebe. 



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MEIN LIED 

Dies Lied von mir will seine Musik 
winden um Dich, mein Kind, wie die 
zärtlichen Arme der Liebe. 

Dies Lied von mir will Deine Stirn be- 
rühren wie ein Segenskuß. 

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Wenn Du allein bist, wird es an Dei- 
ner Seite sitzen und Dir ins Ohr flüstern; 
bist Du in der Menge, wird es Dich ein- 
frieden mit Entrücktheit. 

Mein Lied wird ein Flügelpaar für 
Deine Träume sein, es wird Dein Herz 
an die Grenze des Unbekannten reißen. 

Es wird wie der getreue Stern zu Häup- 
ten sein, wenn finstre Nacht über Deiner 
Straße liegt. 

Mein Lied wird in den Sternen Deiner 
Augen sitzen und Deinen Blick in das 

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Herz der Dinge führen. 

Und wenn meine Stimme still ist im 
Tod, wird mein Lied in Dein lebendes 
Herz sprechen. 



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DER ENGEL 

Sie schreien und kämpfen, sie zweifeln 
und verzweifeln, sie wissen kein Ende 
ihren Zanken. 

Laß' Dein Leben unter sie kommen 
wie eine Flamme Licht, mein Kind, ohne 
Flackern und rein, und entzücke sie zum 
Schweigen. 

Sie sind grausam in ihrer Gier und 
ihrem Neid; ihre Worte sind wie ver- 
borgene Messer, dürstend nach Blut. 

Geh' und stelle Dich unter ihre schelen 
Herzen,meinKind,undlaß'Deinemilden 
Augen auf sie fallen wie der verzeihende 
Abendfriede über den Streit des Tags. 

Laß' sie Dein Antlitz sehn, mein Kind, 
und so den Sinn aller Dinge erkennen; laß' 
sie Dich lieben und so einander lieben. 

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Komm* und wohne im Busen der Un- 
endlichkeit, mein Kind. Mit Sonnenauf- 
gang öffne und erhebe Dein Herz wie 
eine blühende Blume, und zum Unter- 
gang neige Dein Haupt und vollende im 
Schweigen des Tages Gottesdienst. 



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DER LETZTE VERTRAG 

»Komm und miete mich«, schrie ich, 
als ich des Morgens auf der steingepflaster- 
ten Straße ging. 

Das Schwert in der Hand, kam der 
König in seinem Wagen. 

Er hielt meine Hand und sagte: »Ich 
will Dich mieten mit meiner Macht.« 

Aber seine Macht war mir nichts wert, 
und er fuhr davon in seinem Wagen. 

In der Hitze des Mittags lehnten «die 
Häuser mit geschlossenen Türen. 

Ich wanderte entlang die krumme 
Gasse. 

Ein alter Mann kam heraus mit seinem 
Sack voll Gold. 

Er sann nach und sagte: »Ich will 

105 



Dich mieten mit meinem Geld.« 

Er wog seine Münzen, eine nach der 
andern, aber ich wandte mich fort. 

Abend war's. Die Gartenhecke stand 
ganz in Blüte. 

Das liebliche Mädchen kam heraus 
und sagte: >Ich will Dich mieten mit 
einem Lächeln. « 

Ihr Lächeln blaßte und schmolz in 
Tränen, und sie ging zurück allein im 
Dunkel. 

Die Sonne glitzerte im Sand, und die 
Meereswellen brachen landeinwärts. 

Ein Kind saß da, mit Muscheln spie- 
lend. 

Es hob seinen Kopf und schien mich 

106 



zu kennen und sagte: »Ich miete Dich 
mit Nichts. « 

Von da an machte mich dieserVertrag, 
im Kinderspiel geschlossen, zum freien 
Mann. 



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ANMERKUNGEN UND 
NACHWORT DES ÜBERSETZERS 



Zu Seite 

7 : Areka-Palme (malayisch arik). Eine 
Abart, Areca cätechu, die Betel- 
palme, trägt orangerote, hühnerei- 
große Früchte, deren Kern, mit den 
Blättern des Betelpfeffers umwickelt, 
gekaut wird. 

Kokos- Palme (von spanisch coca 
»Nuß« oder portugiesisch coco »Po- 
panz« wegen der gesichtsähnlichen, 
daher schreckhaften Früchte). Die 
Kokosnuß gehört in Indien zu den 
heiligsten Früchten, die der Göttin 
derWohlfahrt, Sriphäla,ge weihtsind . 
Brotfruchtbaum (englisch jack- fruit 
aus malayisch chakka; sanskrit pä- 
nasa). Die kopfgroßen Früchte wer- 
den roh und geröstet genossen. 2 bis 
$ Bäume versorgen einen Menschen 
ein Jahr mit Nahrung. 
20: Feigenbaum (englisch banyan tree, 

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sanskrit vata; ficus indica). Die Luft- 
wurzeln der Äste greifen in den Bo- 
den ein und werden zu neuen Stäm- 
men. So wächst der Baum nach allen 
Seiten hin durch Jahrtausende und 
bildet einen Wald, der Tausende von 
Menschen aufnimmt. Er ist der Zeit, 
Kala, heilig Und gilt als Sinnbild der 
Unsterblichkeit. Beim Pflanzen des 
Baumes wird gewöhnlich das Gebet 
gesprochen: »Möchte ich so viele 
Jahre im Himmel weilen als dieser 
Baum auf Erden wächst.« 
: Mango (malayisch mängäy, sanskrit 
ämrajmagnifera indica). Gelbblühen- 
der Baum mit gelblichen, bis zu einem 
Kilo schweren Früchten, die ein be- 
liebtes Obst sind. Der Ärmra gilt als 
Inkarnation der Liebesgöttin. Nach 
einer Legende übte die Göttin Pär- 
vati unter einem Mangobaum Buße, 

1 1 1 



dort, wo jetzt der Saiva-Tempel steht. 
Hier erschien ihr ihr Gatte Siva, der 
als Ekämranätha >der unvergleich- 
liche Herr des Mangobaums« verehrt 
wird. 

2 1 : Bakula (mimusops elengi), Baum mit 
wohlriechenden Blättern und Blüten, 
die ein ätherisches Öl liefern. Die 
süßen Früchte sind eßbar. 

$ 5 : Kadam (sanskrit Kadamba; nauclea 
cadamba), Liane mit orangefarbener 
duftender Blüte. 

Dada (Hindustani), Großvater väter- 
licherseits,dannaufjedeälterePerson 
angewendet, hier: der ältere Bruder. 

40: Champa (sanskrit champaka;miche- 
lia champaka), den Magnolien ähn- 
liche Holzgewächse mit duftenden, 
zarten, weißen und gelben Blüten, 
die Götzenbildern dargebracht wer- 

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den, besonders am 14. lyeshth (un- 
gefähr unserm Juni entsprechend). 
Das wohlriechende Champakaöl ist 
sehr beliebt. 

4 1 : Rämäyana (sanskrit ayana = gehend, 
vonay — gehen), »Die Taten des Ra- 
ma«. Das große Sanskrit- Epos, das 
dem Välmiki zugeschrieben wird und 
im 5. Jahrh. v. Chr. entstanden sein 
dürfte. Vgl. Alex. Baumgartner, das 
Rämäyana und die Räma-Literatur 
der Inder. Freiburg 1 894. 

43: Tulsi (sanskrit tulasi; ocimum sanc- 
tum), heiliges Basilikum. In Ost- 
indien berühmteste Arzneipflanze, 
der Legende nach ausdem Haar einer 
Nymphe erzeugt, die Vishnu in seiner 
Inkarnation als Krishna liebte. Vais- 
nawa- Rosenkränze bestehen aus 1 08 
Perlen von diesem Holz. Alljährlich 
wird in Indien eine ArtVermählungs 

8 Tagor«, Mond 



Zeremonie zwischen dieser Pflanze 
und einem Salagramammoniten(ver- 
steinerte, ausgestorbene Tinten- 
schneckenart, Symbol des Vishnu 
und als Amulett weiblicher Frucht- 
barkeit) als Sinnbild der Muschel 
inkarnation Vishnus vollzogen. 

50: Tamarinde (arabisch tamr hindi, in- 
dische Dattel; tamarindus indica), 
bis zu 25 Metern hoher, immergrüner 
Baum mit gelblichen, purpurgeäder- 
ten Blüten. Die Frucht wird als 
Obst, Nahrungs- und Arzneimittel 
verwendet. 

5 3 : Shiuli (bengali; nyctanthes arbor tri- 
stis), Gattung der Oleaceen. Bis zu 
9 Metern hoher Baum oder Strauch, 
vom Jasmin hauptsächlich durch 
Blütenfarbe (Röhre und Schlund 
orange, sonst weiß) und Fruchtform 
verschieden. Tropische Zierpflanze 

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mit wohlriechenden, nur nachts ge- 
öffneten Blüten, die zum Färben von 
Speisen und zur Bereitung von ätheri- 
schem Öl dienen. 

55: Indischer Flachs (englisch jute, ben- 
gali jüto »die Haarflechte « ; corchorus 
olitorius). Die Faser wird zur Erzeu- 
gung von Matten und groben Sack- 
leinen, Jute, verwendet. 

56: Rämachandra. Das Wort Chandra 
wird oft an Namen angefügt, um die 
Schönheit auszudrücken. Der Retter 
der Welt, der triumphierende Dä- 
monentöter, der rührendste Dulder, 
in den sich Vishnu bei seiner sieben- 
ten Herabkunft verwandelte. Rämas 
vierzehnjährige Verbannung mit sei- 
ner Gattin Sita wird im zweiten und 
dritten Gesänge des Rämäyana ge- 
schildert. 



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-juGanesh (Sanskrit Ganega »der An- 
führerdesGefolges«Shivas,alsdessen 
Sohn er gilt). Er wird oft mit seinem 
Bruder, dem Kriegsgott Skanda ver- 
ehrt. Er ist der Entferner von Hinder- 
nissen, die Verkörperung allen Er- 
folges. Indische Handschriften pflegen 
mit einer an ihn sich richtenden Ver- 
ehrungsformel zu beginnen, damit er 
den hindernden Einfluß böser Dä- 
monen vom Schreiben abwehre: so 
ist der Schein entstanden, als sei Ga- 
nesha eigentlich ein Gott der Wissen- 
schaft. Sein in Indien unendlich ver- 
breitetes Bild zeigt ihn mit einem 
Elefantenkopf, oft auf einer Ratte 
reitend. 

jy.Madar (sanskrit mandära; erythrina 
indica), Dadapbaum, als Stütze in 
Pfeffer-, als Schattenbaum in Kaffee- 
plantagen verwendet.Mitmeistschar- 

1 16 



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lachroten Blütentrauben, zur Gat- 
tung der Korallenbäume gehörig. 

8 $ : Palankin Tragsänfte. 

89: Puja (sanskrit) bedeutet Verehrung 
überhaupt. Als Fest ist das Durgä- 
püjä oder Navaratra gemeint, die 
»Neun Nächte«, beginnt am ersten 
und endet am zehnten Tag der lich- 
ten Hälfte von Äsvina (September- 
Oktober). Es wird namentlich inBen- 
gal gefeiert als Erinnerung an den Sieg 
von Durgä, Shivas Frau, über einen 
büffelköpfigen Dämon. Ihr Bild wird 
mit zehn bewaffneten Armen dar- 
gestellt, ihr rechter Fuß auf einem 
Löwen ruhend, ihr linker auf dem 
Büffeldämon. Nach neuntägiger Ver- 
ehrung wird dieses Götzenbild am 
zehnten Tage ins Wasser gestürzt. 
Näheres vgl. Monier-Williams, Brä- 

117 



manism and Hinduism or Religious 
Thought and Life in India. London, 
1891. 



Die Gedichte 2, 3 und 9 sind mit den 
Gedichten 60 — 62 der Sammlung »Gi- 
tanjali« identisch. 

Es scheint mir wichtig, zu betonen, 
daß die englische, von Tagore selbst ge- 
schaffene Form als die beste europäische 
Mittlerin seiner Gedanken und Gefühle 
zu gelten hat. Selbst die Kunst eines 
Rückert könnte uns die Umdichtung 
aus dem bengalischen Urtext nicht so 
nahebringen, wie eine möglichste Nach- 
bildung der englischen Umdichtung uns 
rühren kann. 



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Bei den Anmerkungen danke ich wie- 
der vieles der Freundlichkeit des Berliner 
Sanskritisten, Herrn Professor Heinrich 
Lüders. 



GEDRUCKT BEI PO ESCH EL & TREPTE IN LEIPZIG 



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