Preussische
geschichte
Hans Prutz
GIFT OF
EVGENE MEYER, JR.
i$Ml|HhflC CjScÜtjtilltf
VOM
£an$ prüf
(Srfter 23an5
{von bcn crffen Unfämjen Jn$ 1655)
Stuft gart 1900
3. <£. Äötfa'fcbc ^Sucftbanbfuna 3la<$fol'<jcr
6. m. 6. Ä.
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von . • .. . s: .. -.
(Srßer Tßanb
(pon 6en erßcu anfänden fei* 1655)
Stuüsarf 1900
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£IU Krrtjtt uorbcljnltfn.
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Vorwort.
Pen Stanbpunft, von bem aus ber uorliegenbc Serfudj
einer überftd)t(ia) 3itfammenfaffenben Sarftellung ber preufeifdjen
Wefdjjid&te unternommen würbe, babc td) in ber Einleitung
auöfüfirlid) bargelegt unb in feiner ^Berechtigung begrünbet.
Safe icf) mit fetner Vertretung midj nid)t in ber 9tidjtung
bewege, bic auf biefem Oiebietc bermalen twrberrfcbt, beffen
bin ia) mir roor)I bemufet. 'Bann aber bie SBefdjäftigung mit
ber oaterlänbifcben ©efdjujfjtc, naajbem fte gegen f rüber fo cr=
freulieb in Sfafnatyme gefommen ift, bie Seitfterne fo oft aus bem
2tuge läfet, benen bie @cfd)ia)tfd)rcibung aud) ba unoerbrücblid)
naebftreben foll, mo fic oljne gelcfjrteö 9tüft3cug fid) an möglidjft
weite Greife 311 wenben unternimmt, unb wenn infolgebeffen
bie £ifferen§en jwifeben ber einmal reetpierten Vulgata unb ben
©rgebniffen ber neueren #orfdjung immer gröfeer 31t werben
brofyen, fo erfdjeint cö nid)t blofe als eine wiffenfd)aftltd)e, fonbern
als eine patriotifaje s ^flia)t, iftenfdjen unb Singe, bic meift nur
in einer ffinftlidjen, b. b- ai, f einen beftimmten Gffeft in ber
(Gegenwart bereebneten 23elcud)tung gcfeljen werben, einmal obne
jebe 9ttidfid)t auf bie ©egenwart allein in bem &td)te 311 be-
trauten, baö ir)re eigene Seit auf fic fallen liefe. 9)tan füfylt
baß Scbürfniö — um ein neuerbingö oft angefülltes, aber aud)
oft miftbeutcteö 2Bort bcö 9lltmeifterö ber ©efcbicbtfd)reibung 311
gebrauten — 311 fagen, wie es „eigentlid) gewefen ift".
Gin §anbbucb ber preufeifeben (>5efa)id)te freilia) tonnte unb
follte aueb nid)t auf biefem SÖegc entftefjen, unb ben 9)tofeftab
eines folgen möcbtc id) bafjer an biefen $crfud; aud> nicfjt an=
gelegt feben. &as mir oorfdjwcbenbe Siel unb bie 9iatur bes
6toffeö matten eine gewiffe Unglcidjmäfeigfeit ber N ^ebanblnng
unoermciblidj, inbem baö eine in breiterer 2lusftibrung, baß
anbere in fnapp fft^ierteu Umriffen gegeben würbe. 3m Littel;
punft bes 3 ntcrc ff cö ftc^t eben burebaus ber Staat: er ift unb
bleibt bod) baö oornebmfte Dbjeft ber Öefd)id;tfcbrcibung überall
813308
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IV
Sorwort.
ba, wo fie auf weitere Greife würfen, national anregen unb
politifdt) bitbeit möd)te.
2lnbererfcitö erfd)ctnt es gerabe in unferen £agen, wo ber
ftuftuö ber f)iftortfd)en ^erfönlidjfcit, blofj weil fie fjiftorifd) ift,
fo fct)r in Sdnoung gefommen ift, bcredjtigt unb nüfclid), baö
pcrfönlid)e Moment gerabe mit biefem yolitifaien $u oerrnüpfen
unb an ifnn 51t meffen, um fo bciber 2Öcd)felwirfung nad^iu
weifen. (5s wirb ifnn, im Gniten wie im 33öfen, bodj eine
größere fyiftorifdje Sebeutuug 3uerfanut werben müffen, als bie
fosialr>fncf)otogifd)c Gkfd)id)tfd)reibung unterer £age 2öort fyaben
will. £)er Unteren Berechtigung unb $>erbienftlid)feit 31t be=
ftrcitcn bin id) weit entfernt: aber bic tl)eorctifd)cn (Erörterungen
über bas ^rtnjip ber 0efd)id)tfd)reibung unb ifjr barauö f)tx$\i'-
leitenbes magres $Befen, bie neuerbingö mit ebcnfooiel §cftigfeit
wie breite geführt roorben finb, Imben midj bod) nid)t baoon
überjeugen fönnen, baß es für bie $efd;id)tc wie nur eine
SJtetljobe ber gorfdnmg, fo aua) nur eine, gleid)fam aüeinfelig=
mad)cnbe 2Trt ber £arftellung gebe. Vielmehr werben cntforecfyenb
ber unenblid) bunten SJlannigfaltigfeit bes gefd)id)tltd)en SebenS
aud) immer oerfa^iebene xUrten ber ®efdnd)tfd)reibung als gteia>
berechtigt, aber fid) gegenseitig ergänjenb nebeneinanber beftefjen
fönnen unb t>cfter)cn müffen. 3e mehr Med ber Jyall ift, um fo
förbernber unb bilbenber, um fo erfjebenber unb ftiirfenber wirb
bie Befdjäftiguug mit ber ®efchid)te auf bie (Gegenwart toirfen.
£a& eine jufammenfaffenbe Sarftellung wie bie oorltegcnbe
nid)t burd)weg auf eigener, oon Örunb aud neu bauenber
gorfd)ung beruhen fann, brauet wol)l faum bemerft $u werben.
3Me umfangreichen 2lbfd)nitte, wo bas ber galt ift, werben fid)
für ben funbigen £efer aud) ofmc SBelegfteHen unb CueUencitate
leicht ergeben. 3n anberen burften banfbar bie (Srgebniffe ber
5yorfa)ungcn anberer aufgenommen werben, jum £eil unoer=
änbert, 511m Seil infolge einer ^adjprüfung mobifijiert.
£)er britte iBanb, welcher bie $tit von 1740 — 1815 be=
r)aubctt, wirb ©nbe bes Jahres 19U0, ber oierte, ber bie £ar-
ftellung bis 1888 fortführen wirb, 1902 erfdjeinen.
Höutgsberg i. tyv
Gnbc Cf tober 1899.
f ans y>t\\%.
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j
«fitt
ginOihitifl 1— ;{7
T. Tic .ftauntririitunflen t>cr prcuf;ifdicn (>>cidiitf)t *
fducifmufl i 22
1. Die teleolofltfdjc unb praftifcft politifcfte Denbens . . 1— 11
2. Die populär - patriotische %enben^qefajiri)tfd)reibuna,.
Der oefd)ta)Uia)e Unterricht 11—17
3. Dag perfönlirtK Moment in bor < s k'fcl)tchto .... 17 — 22
II. D)ie £ea,cnbe in ber preuftifcfjen ftiefdjicfjte . . . 23— 37
Giftes 33urfi. fftweuU 6es preufjffcfiett £faa(rs
(0te 1598) 38— 268
I. $er Staat be3 £euti*d)cn Crbeuä in %reufeen . 38—109
1. Die Eroberung ^rcuiVnö. 1228—1295 .... 38 59
2. Die SBtute beg Crbengftooteg in %reufeen. 1295—1382 59— 80
3. Der aqü beg Orbengftaateg. 1382—1466 .... 80— 96
4. Die Deformation in foeuften. 1466—1568 . . . 96—109
II. Tic Duut ^ranbenbura llu m
1. Die harten unter ben flnhaltinern, gBitteiobadKra
unb £urembura,ern (big 1411) 110—125
2. Die fränfifeften ftolicmoUern in iBronbcnburß. 1411
big 126-171
(ftrtebria) I. 1411—1438. — grriebria) II. 1438—1470
unb 3Ubrea)t 2lü)iUeg 1470—1486.)
III, ^ranbenburfl im Uebera,anQ $ur neueren ßett unb
bie erften märfifdjen ftofrenfloflem. 1486—1535 172—196
1. ftoftann gicero 14*6—1499 172—177
2. >act)im I. 1499—1535 17* 19ö
IV. Deformation unb ftänbifd)eg ?He^itnent. 1535—1598 197—268
1. >acl)im II. 1535—1571 197—24:'.
a) Die Deformation in ber X'unf ^ranbenbura,. 1535
big 1563 197—228
b) Dag Muffommen ber ft&nbtjdjen 3Kitrea.ieruna, im
Innern unb bie yolitif fror Jlnnnuticiuuton. 1563
Ino 1571 22^—213
2. ;Ao6ann Heor« 1571—1598 243—268
VI 3nfalt.
Stitf
Profites JSmfi. $ie erfte 00Brn}oflVrufd)e ptaatsgrünbting
«Hb l$r £trfaff. 1598—1640 269—377
I. &ie i'matlidje Neuorflanifation ber Warfen bind)
partum ATicDiidt unb bic .Lüftung sur (rrwcrbuna
^rcufu-no mit* pülidi - Cflcrco. 15t«8— -16'..'* . . 2>;i>— 2S7
II. &ie Gnuerbuna, (Slepeo unb ^reufeeno unb ber
Stnfdihife an bic Reformierten burd) ^oftann
aigiömunb. 1608—1619 293—323
III. %oflenbuno, unb ffanferott beö ftänbifcfren s Jte -
flimentö unter 03eora %Mlftelm. 1619—1629 . 324—345
IV. 2)ie $3ernid)tuna, ber ftaatlidjen ßriftens Trauben *
6urao burd; bie beutfcfoc Resolution unb ben
curopäifdicn ffriea,. 1629—1640 846—377
Drittes 3Su(fi. Vit ^Ifttung &fr ftuftuitfl. 1IS4Q- -I6.>.» . 37-V-463
I. 3Me ftänbijdje Reaftion unb bie %nfäna,e ^riebrid)
%MlF)elm3. 1640- 1643 378-420
II. %ie .fteereQfdjbpfuna,, bie bewaffnete Neutralität
unb ber Seftfälifdje triebe. 1643— 164h . . 421—444
ITI. £ie ffriebenScrefution unb ber 3?crfnd? einer
beutfcften jlolitif. 1648—1655 445-463
. - -
..... .. . , . .
* * * * ■
<&\nizxtxxn#.
frfrreibung.
1. $U tthologtfdje nni> praktifä paltttfäc Kenten?.
(Steimel, Sankt, BronTcit, ». (Ertitfdjhe.)
^Rcit bic 3a^rc 1866 unb 1870—1871 ben beutföen
▼§5| Staat unter Spreu&enfi güfjrung oermtrflidjten, gilt
(5©© manchem als oornefjmfte Aufgabe ber preufeifdjen @e;
fö)id)tfdjreibung, in ber (Sntnricfelung ^reufeenö bie jeitig eins
fefeenbe Vorbereitung auf bie fünftige Vilbung biefes bcutfdjen
(Staates nadföuroeifen.
&at bodj oon beutfdjen politifdjen Sdjöpfungen feine fo
früf>, fo ausgeprägt unb fo felbfU unb jielberoufet bie gormen
entroüfelt, bie Gräfte betätigt unb bie Veftrebungen »erfolgt,
in benen nur baö SBefcn ftaatlidjen Sebend 511 fetyen gewohnt
finb, wie bie ju Sranbenburg-^reufeen oerroadjfenen Gebiete.
(Srfdjeint Sßreugen bcör)alb bodj oielen als ber ooräugöroeife
beutfdje 6taat unb oon jefjer berufen, 31t ber (Stellung auf*
steigen, in ber nur es fceute erblicfen.
£>er praftifa) politifdje unb gennfiermafjen agitatorifdje
2Bert biefeö (Stanbpunfteö ift erroiefen bttrd) bas, was oon
ifjm aus nad) bem Scheitern ber nationalen Bewegung oon
1848 — 1849 tapfere 2J2änner — ein Subroig §äuffer, ein
2lbolf ©djmibt u. a. — für bie ©rroeefung bes beutfdjen Volfeft
getfjan fwbcn. 3l(s man bem fid& felbft untreu geworbenen
(Staate bes großen griebrid) oerftimmt, entmutigt ober gar
erbittert ben SHücfen feierte, fjaben fic fein Verbtenft um $eutfa>
tanbö Vergangenheit unb feinen 93eruf für Seutfdjlanbs 3 Us
tpruU, ipreufei?*« ©<fd;i*tf. I. 1
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2 .**:■!" ©inleitung.
tühft ^torifd^ - crmicfcn. So würbe bie preufcifdje ©efdnchte
in 4 ben OTtfelpunTt beS neu entbrennenben Kampfes um bie
fünfttge ©eftaltung &eutfd)lanbs gefteflt. $aburdj ftieg groar
ir)re Vebeutung für bas nationale ©eiftesleben, aber fte mürbe
gugletdj aus ber Sphäre bes ausfdjliefjlich rotffenfehaftlichen 3nter=
effes in bie ber £agespolitif oerpflanjt, fo bafc bei ihrer ©eljanb*
lung bie ber (enteren entnommenen ©eftdjtspunfte jumeilen mehr
einmieten als bie, roeldje jene allein als berechtigt anerfennt.
9Sie oiet bennod) auf biefem ©ebiete auch roiffenfchaftlich
geleiftet ift, braucht hier nicht in Erinnerung gebracht ju merben.
$)ie preufjifche ©efct)iöt)tf<%rcibnng r)at ihren reich gemeffenen
Slnreil an bem Sluffchtoung, ben bie ©efehtchtsroiffenfehaft roährenb
ber legten jroei 2ttenfchenalter bei uns genommen tyat. ©ine
güfle neuen Materials ift ber gorfdjung erfdjloffen unb ftrömt
ifn* noch in unausgefefct roadjfenbem SReidjtum $u, fo bafj ber
Sffiunfä) erlaubt ift, es möchte mehr für bie Verarbeitung als
für bie Veröffentlichung oon SWaterial getfjan merben. 2luS
einer faum überfef)baren 2Haffe oon einjelunterfuc^ungen mächft
bie preufjifche (SJefdjichte als eine burch bas geuer fritifct)er
gorfchung geläuterte, mifjenfc^aftlia) lebenbige Einheit allmä>
lieh oor unferen Vlicfen empor.
2)ennoc§ h at bie preufetfehe (Stefdjidjtfchreibung ben ©ins
flufe ber politifdjen Verljältntffe nod) nicht übermunben, unter
benen fte einft begonnen. SBar es bamals toefentlich ein prafs
tifdj politifches 3ntereffe, bas ir)r ber ©iftorifer unb bes ges
bilbeten ^publifums Teilnahme geroann, fo ift ir)r oon bafjer
eine geroiffe Voreingenommenheit eigen geblieben, bie nierjt feiten
ju einer beftimmten ^enbenj erftarfte. §atte burch bie 33cfdt)äf=
tigung mit ber preufeifdjen ©efdjidjte ber ©laube an Sßreu&en
als an ben ©taat ber beutfd&en 3ufunft neu belebt unb jur Ve=
thätigung geftärft merben foQen, fo betrachtet man bie Entroicfe=
lung ^reufeens heute oorjugsroeife oon bem «Stanbpunft aus,
ben bie fcbliefeltche Erfüllung alter nationaler Hoffnungen burd)
bie preufeifchen unb beutfdjen Siege ergibt, als ob fie oon ben
erften Slnfängcn an auf biefen 2lusgang angelegt gemefen märe,
unb fief)t barin nichts als bie oon einer inneren 9lotroenbigfeit
beherrfd)te folgerichtige Eoolution beS beutfdjen Staates.
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I. 35ic ^auptric^tungen ber preuj$tfcf>en ©efdjicfjtfc&reibung. 3
3n ben utcrjtöer unb fünfziger QaJjrcn berechtigt als eine
95?affe nationaler ^ropaganba, befielt eine foldje Sluffaffung
ber preugifa^en ©efajidjte nicht, an bem sprinsip ber fjiflorifa^en
SBiffenfchaft gemeffen. £)enn jic trägt immer etwas in bie
Vergangenheit hinein, was nach ber 9totur ber 2)inge nicht
barin fein tonnte, unb macht fo bie ootte ©achlidtfett unb
Unbefangenheit bes Urteils unmöglidj. £)enn wer einen 3af>r=
hunberte umfaffenben (Sntwicfelungsgang nicht aus ftd^ felbft
ju begreifen ftrebt, fonbern barin biejenigen Momente aufs
fudt)t, bie bas fdr)liegCtdr) erreichte, ber ©egenwart angeljörige
Ergebnis oorbereiten Ralfen, ber oer$id)tet jum ooraus auf
möglichft objeftipe ©rfajfung ber Vergangenheit unb wirb fie
nie in ihrem in fid) felbft bebingten unb auf fich felbft ges
richteten Seben oerftehen lernen. SBer bie ©ntwicfelung auf
ein befHmmtes 3*^ angelegt fein lägt, wirb überaß &in=
weifungen auf biefes unb Momente ju feiner Erreichung fehen
unb auch anbere fehen laffen motten: er wirb baräber bei
aller fubjeftioen 9Bar)rr)cit objeftto leicht unwahr werben, in=
bem er biefem teleologifchen ^rin^ip juliebe Zfyatfafyn unb
9Henfchen in eine anbere Beleuchtung rücft, als ihnen jurommt,
wenn man fie allein aus ben ihrer 3*it f clbfi eigenen ©efichts?
punften betrachtet.
freilich Hegt bie Neigung ju biefer teleologifdjen SBetrach-
tungsweife tief in ber menfehlichen Statur begrünbet. £as 23er=
hältnis jwifchen ber greiljeit bes menfehlichen Einselnfjanbelns
unb ber ©efefcmäfeigfeit ber menfehlichen ©efamtentwitfelung
enthält ein Problem, bas ^iftorifcr)e Ein$elforfd)ung fo wenig
wie umoerfalgefchtchtliche ©pefulation oößig befriebigenb löfen
wirb. 2Hag ber einzelne feljen, wie er fich mit biefem 2Belt=
rätfei abpnbet. Unb ba werben 31t bem Spiel miHffirlich waU
tenber Gräfte, bas in ber ®efd)ichte 511 f^nfehen fchetnt, bie
meiften eine befriebigenbe Stellung gewonnen 311 hoben glauben,
wenn fie fich basfelbe burch einen oorausbeftimmenben höheren
SöiUen georbnet, auf ein oon ihm gewolltes 3\d gerichtet unb
$u feiner Erreichung geleitet benfen. 35Me fie fich reffen ^Balten
im einzelnen oorftellen, ift gleichgültig. 3* überrajehenber aber
bie gefchichtlichen SSenbungen finb, je gewaltiger bie fie herbeU
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•1
©inlettung.
führenben Creigniffe unb je größer baö Erreichte ift, um fo
mehr wirb, wie ber einzelne, fo auch ein ganzes Volf geneigt
fein, in bem ©roßten, was ihm geroorbcn, bie Verroirflic^ung
einer längft obrcaltenben höheren 2lbficht unb bie Erreichung eines
tfpn längft gefieeften SitUi ju erbltcfen. 2lud& baft preufeifd^e
Volf ift geroöfjnt roorben, feine Vergangenheit oornefmilich oon
biefem (Stanbpunfte aus betrauten.
9Joch ein anberefi Moment ^at baju beigetragen.
@s ift fein Ofücf für bie preufeijdje ©efchidjtfdjreibung ge*
roefen, baß itjrc nnffenfchaftliche Vegrünbung in eine 3*it ftet,
roo auch innerhalb Greußens bie politifchen ©egenfäfee iia; ju
äu&erfter Schärfe jufpitjten unb jebe Partei aus ber Vergangen:
heit ^Baffen $ur Verfettung ifjrer Sache entnehmen rooHte.
Sachlicher unb nüchterner als ®. Stemel (1880—1837)
fonnte man bie preu&ifdje öefchichtc roahrlid) nicht auffaffen.
£cm <35efrf)idr)tfd^reibcr ber fränfifchen Äaifer tag nichts ferner
als polittfehe £enben$macfjerei irgenb toeldjer 2lrt. dennoch §at
er fein SBcrf mannigfach angefochten fehen unb unooHenbet
laffen muffen, rocit fclbft feine mafjooHe Vetradjjtungöroeife, bie
jebe Vejiehung auf bie politifchen Probleme ber Öegenioart
oermieb, ihn in unliebfame flonflifte ju oernricfeln unb in ben
9hif beS SiberalismuS 311 bringen brof)te. Wenige 3af)re fpäter
ging Seopolb 9tan£e an bie Bearbeitung ber preuftifchen ©e;
fliehte, für "bie ftdfj ihm juerft bie eigentlich amtlichen Duellen
aufttjaten, mit jenem neroöfen (Sifer, ber ihn in jüngeren 3ahren
ba ju ergreifen pflegte, roo bie ©egenroart fia) mit bem in
Siberfpruch jefcte, tuas er nach feiner ^iftorifd^cn 3luffaffung
allein als berechtigt anerkennen ju tonnen meinte, unb er mit
feinen religiöfen unb politifchen 2lnfidfjten auf prinzipielle ©egner*
fchaft fttefj. 3)?an tritt bem Verbienfte oon Banfes „91eun
Vüchem ^reufeifcher ©efchidjte" (1847) nicht ju nahe, wenn
man fie weniger als ein gefdnchtlicheö Sßcrf benn als eine gelehrte
hiftorifch^politifche ^arteifdjrift bezeichnet, benimmt, bie alt*
preufnfehe Staats* unb ©efellfchaftsorbnung mit bem abfoluten
Königtum von G5ottcö ©naben au ber Spifec gegen ben am
brängenben fiiberalismus 3U oerteibigen. §s fam barin weniger
ber über ben Parteien ftehenbe Mtorifer ju äöorte, als oiel=
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I. 2>te §ouptri(f)tungcn ber pmifcifdjen @e)d)icf)tfd)reUmng. 5
mehr ber Herausgeber her tyijforif<f):politifdjen Stätter unb ber
Utterarifche Bortampfer ber preufcifchen Honferoatioen.
3n fpäteren ruhigeren Qeittn ift bas auch dlanfo nicht ent=
gangen, unb er hat fianb angelegt an bie Umgestaltung eines
Sßerfes, bas, ein $inb gärenber $a\)vt, fid^ afljufehr oon bem
©oben ausfcf)liefjlich rotffenfehaftlicher Betrachtung entfernt hatte,
©r fdjuf es um $ur „©enefisbes «Preufjifchen Staates" (1874).
Eabei ftanb er unter bem (Sinbrucf ber (Sreigniffe oon 1866
unb 1870—1871. 9lud) er fonnte ftd) bem (Sinflufj nicht ent=
äiefjen, ben bie grofje Gegenwart auf bie Beurteilung ber Ber*
gangenfjeü ausübte. üRicht mehr ber Berteibiger bes 2lltpreufeen=
tums unb ber Sobrebner bes Slbfolutismus füfjrt r)ier bas Söort:
mit Vorliebe geht er jefet in ber preu&ifchen ©efdjichte ben
Momenten nach, in benen fidj — unbeabftdjttgt unb unberoufet,
gelegentlich unb anbeutungsmeife — bie 1866 jum Siege ge=
langte SRidjtung fdjon früher offenbart hatte. Bereits in bem
roerbenben Staat ber §o^engollern ^eigt er ben Staat ber
beutfcfjen 3"*""^ maioott unb oorfichtig, inbem er feinen auf
bie ©egenroart ausmünbenben ©ebanfengang mehr anbeutet als
barlegt unb s $erfpeftioen eröffnet, bie fdjärfer ju umreißen unb
ins einjelne auszuführen er bem Sefer überläfet. 2ludj hier
maltet alfo eine gemiffe hiftorifch^politifche £enben$, bie um fo
mehr ©inbruef machte, als fie berjenigen entgegengefefct mar,
in beren £>ienft fRanfe benfelben Stoff guerft behanbelt rjatte.
Ob aber babei nicht felbfl ein J)iftortfd^er ©enius mie SRanfe
©efafn* gelaufen fein foHte, in ber Vergangenheit mehr 311 finben,
als thatfächlich in ihr mar, Slnfchauungen unb 2lbfichten, bie
nur bie kämpfe ber ©egenroart jeitigen fonnten, bei ^erfonen
ju fuchen, beren Kenten unb föanbeln in ganj anberen, nur
ihrer 3eit eigenen Momenten murmelten? Solche 2lnticipationen
finb nicht ju oermeiben, wo man eine gefdnchtliche (Sntrotcfelung
nicht aus fidj felbft betrachtet, fonbern oon einem Stanbpunfte,
ben erft fpätere (Sretgniffe ermöglichten, unb ben SHafcftab für
fie bem entnimmt, was erft nach $urcf)laufung anberer 3mifchetti
fhifen aus ihr geworben ift. UnroiUfurlich fefct man babei bas
fpäter ©eroorbene als immanent in bem Srüheren enthalten
ooraus, unb ftatt bem Äettengange oon Urfache unb SBirfung
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Ii
Ginleitung
nachzugehen, operiert man mit einem 3roecfbegriff, ber bie ®e=
fdjichte unter ben 3wang e i" cä teleologijchen ^rinjipS ftellt.
2ßas 9ianfe gelegentlich als ©efichtspunft geltenb macht,
t>on bem aus er lehrreiche ^er|peftiuen eröffnet unb bas Fnftorijdjje
Bcrftänbnis förbembe parallelen sieht, bas beherrfdjt von 2ln;
fang bis ©nbe als leitenber GJebanfe 3of)ann Ghiftau SroufenS
„©ejehichte ber ^reu&ifchen ^olMf (1855). «Bon ben erften
Anfängen bes branbenburgifchen Staate« an meint Eronfen
bie gäben aufroeifen su fönnen, roelche bie Sßolitif ber &ohen=
$ottern ju einem in ftch gefd)loffenen, ftets auf basfelbe $it[
gerichteten 6«ftem oerfnüpfen, bas bie ©reigniffe ber jüngften
Vergangenheit nicht blofc als ben natürlichen, fonbern auch ol*
ben längft gewollten 2lbfchlufi ber oorangegangenen ©ntroicfelung
erfcheinen lägt, bereits in bem Branbenburg ber erften §ofjens
jollern fieht $ro«fen rücffichtlich ihres Berfiältniffes 311 Seutfdj:
lanb unb ihrer Sebeutung für $eutfa)lanb bas oerfleinerte
Sßorbilb bes Greußen, bas an bie Spifee Seutfchlanbs 311 treten
berufen mar. 3n griebrich I. unb Wibrecht 2(d)ilIeS zeichnet er
gürften, bie ihren Beruf, roenn auch nidt)t 3ur ©inigung, fo
boer) jur Seitung Seutfdjlanbs in ähnlichem SDiafee erfannt unb
ju erfüllen gejucht hätten, nrie bas ihre legten 9iachfommen
erft roirtfchaftlich, bann militärifd) unb fchliejjlich politifch ge*
than haben. £)abei aber muft einmal eine 9Henge uon Singen
in ben 5lreis ber Betrachtung gesogen roerben, bie eigentlich
hiftorifdje Bebeutting nicht Iwben, gelegentlich auftauchenbe unb
gteichfam nur ht»9eroorfene 3been, um nicht 311 Jagen einfalle,
Anläufe unb Bcrfuche, bie feinen gortgang gehabt höben. Ss
mufj nicht blofe bas ®efd)ehene unb GJethane, fonbern auch baö
©emottte unb ©eplante bebanbelt roerben, als ob es in bie
2Sirflichfett getreten unb ein bie fernere (Sntroicfelung beeim
fluffenbes fjiftorifdr)cö Moment geroorben märe. £al)er gilt es
nicht bloß bem an [ich fdfjon recht oerfchlungenen SSeg nad)su=
gehen, ben bie preufetfehe ^>oliti£ ucrfolgt hat, fonbern auch
allen ben ins Seere führenben 2lb= unb 3rouegen «nb ben ent=
täufchenben ©aefgaffen, in bie fie gelegentlich geraten ift.
(Schwerer aber noch wiegt bie bei folajer Behanblung unoer=
meiblichc Betonung bes praftifch politijchcn 3ntcreffes ber ©egen=
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I. Sie §auptridjtungcn ber preufjifd)en ßtefcfyidjtfdjretbung. 7
wart. «Sie brängt einem bie grage auf, ob hier nicht fchon bic
Formulierung bes F)iftorifd)en Problems gegen bie ©runbgefefee
ber ©efehichtfehreibung oerftofjen fmt, inbem fie bic erft gefugte
Antwort jum Teil oorroegnahm ober bodj bie 9iid)tung fchon
genau bezeichnete, in ber bie Antwort liegen foQte.
£)te feurige Sebenbigfeit bes S)roufenfcjen ©eiftes, ber
ftd) in paefenben Slntithefcn bemegenbe Vortrag, bie äßeite bes
©efichtsfreifes, bie patriotifche, nid&t bloß preufjifche, fonbern
auc^ beutfd&e 33egeifterung, mit ber bes (^cfd^id&tfd^rcibcrö £er$
ben ©egenftanb umfafet unb ben £efer zu gleich warmer 2ln=
teilnähme mit fidj fortreißt — alles bas fiebert bem Sebenfis
werfe ©roofenS einen (Sfjrenplafc in unferer hWorifd^en £it=
teratur. 2lber bajj bas preufnfdje, bas beutfdje SBolf barin bie
preufeifche ©efchidjte erhalten hätte, bereit es 6ebarf, um feine
93ergangenf)eit zu oerftehen unb fid) in ©egenmart unb 3" 5
fünft suredjtsufinben, toirb niemanb behaupten motten. £)enn
wenn ^roofen oor allem bie Momente aufbeeft, in benen
PreufcenS SBeruf für Seutfchlanb offenbart fein fott, fo ift fchon
bamit eine oöHig unbefangene Söürbigung ber 33orjeit er*
fdjwert, ja unmöglich gemacht. &ier liegt bie «Schwäche oon
$roufens ©erf, bas, felbft in ben roichtigften Partien um=
ftritten, bereits manche tiefgreifenbe Slorreftur erfahren t)at.
3fnn gerecht 511 werben, muß man es als eine nationale po=
litifche Sfmt auffaffen, weniger einem wiffenfehaftlichen als einem
politifchen SBebürfnis entfprungen. 33ebenft man, baf? tropfen
als Schriftführer in bem Skrfaffungsausfchufj bes granffurter
Parlaments au beffen Sifopfwsarbeit heroorragenben Anteil
gehabt unb baher auch bas Scheitern folcher patriotiiehen
2lnftrengungen befonbers fchwer zu empfinben hatte, fo barf es
als ein beweis feltener Ueberjeugungstreue unb tapferften
9)Jannesmutes gelten, baß er bie politifchen Prinzipien, für bie
er in granffurt oergeblich geftritten, nun mit ben SSaffcn t)ifto=
rifcher äSiffenfchaft 311 oertreten unb als einige 33ürgfchaft für
£cutfd)lanbs 3"?unft zu erweifen eilte. Seine ©cfchidjte ber
preufeifchen Politif entfprang unmittelbar aus ben politifchen
Äämpfen jener 3^t/ meniger als ein gelehrtes ©efchichtswerf
beim als ein Programm preujnfcfjer beutfdmationaler Politif.
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8
einlettung.
Unb bie mutige £fjat trug ihren SoFin nicht blofe in ftdj
felbft. 9Benn bas SSort oon bem &iftorifer als rücfroärts ge*
roanbtem Propheten je bewahrheitet rourbe, fo war bas droofen
mit biefem Söerfe befchieben, bas mehr als auf bie Vergangen*
fjeit auf ©egenroart unb 3ufunft gerietet mar. ©einen gort=
gang begleitete bie fortfajreitenbe ©rhebung Spreu&enS: in ber
neuen 2lera befann es fid^ auf feinen beutfdjen 23eruf, in heifiem
inneren Äampfe fd^miebetc es roährenb ber Stonfliftsjeit bie
SBaffen, beren es ju feiner Erfüllung beburfte, unb gelangte
1866 unb 1870 in fajnellem Siegeslauf an bas noch fo
fern fcheinenbe 3iel. demgegenüber ift es ju bebauern, bafc
dronfens SSerf, bas anfangs fo hxapp unb fachlich unb baher
rafd) unb etnbrucfsooll oorroärts fdiritt, burdj bie SWaffe bes
juftrömenben SHaterials ju dimenfionen anroudjs, bie feine
SBirfung auf roeitere Äreife beeinträchtigten, ba fo ber leitenbe
©ebanfe, ben es Durchführen mollte, aDfmö^Üdh oölltg in ben
fiintergrunb trat, ©o franft bie unooHenbet gebliebene ©es
fliehte ber preufeifdjen ^ßolitif an einem gemijfen SBiberfprudj
jmifchen ber 2Iftualität unb prafttfdj politifdjen £enbenj ihres
Anfangs unb ihrem breit in bie Stoffe ber (Sinjelheiten aus«
laufenben gortgang.
Ob aber droofen, märe es ihm oergönnt gemefen, fein
SBerf, wenn auch nur in großen 309*" anbeutenb, bis auf
ben 2lbfdf)Iuf3 ber 3aljre 1866 unb 1870 §u führen, in jenen
triumphierenben £on eingeftimmt ^ätte, ben mir fo oft oon
benen anfcfjlagen hören, bie in all bem ©rofeen unb herrlichen
jener 3af}re nichts fehen moflen als ben oom ©djuffal längft
gewollten, gteichfam naturnotioenbigen Ausgang einer (Snt*
roicfelung oon ^ahrbunberten? ©eroife nicht! denn aud) als
er es unternahm, ben oon ihm in fernerer 3eit oertretenen
politifchen ©tanbpunft f»iftorifd& nicht bloß als berechtigt,
fonbern als benjentgen ju erroetfen, ben bie Sogif ber ©e-
fliehte als ben für deutfcblanb gebotenen ergibt, übte er bod),
burdj fein ^arteibogma befangen, an ber Vergangenheit bes
Staates, ber ihm §u bem ©roßten berufen mar, unb an ben
Scannern, in beren öäitbe fie gelegt getoefen mar, politifä)
unb moralifdj eine unnachfichtige tfritif. denn nicht bloß
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I. 3)ie §auptri($tungen bcr preufctfdjen ©efdjtcbiidjretbung.
9
belehren tooßte er, fonbern audj beffern unb burd) fein frei;
mutiges Slufbecfen bes $erfcf)lten unb 93erfd)utbeten äfynlidje
3rrtümer für bie 3"^"«^ abroenben Reifen. Sas bttbet bei
tym ein ftarfes ©egengeroidjt gegen ben teteotogifdjen ©tanb=
punft.
SBo aber biefes fel)lt, tritt bie oon ber teleologifdjen 93e=
tradjtungsroeife untrennbare £enben$ nodj ftärfer fjeroor, unb
aus bem ®efd)id)tfd)reiber roirb bann leid)t ein eifernber $ar;
teimann. ©egen feinen von ben neueren Bearbeitern ber
beutfdjen unb preujjifd&en 0efd)td)te ift biefer Vorwurf lauter
erhoben tuorben als gegen &einndj o. Sreitftfyfe. Unb wer
möa)te behaupten, er fei ganj unbegrttnbet ! So fdjroer es ift,
fidr> bem 3 a "^ cr Der *>• £reitfd)fefd)en Sarfteßung 51t ent*
Steden, bie burdj Patriotismus, (jofien fittlidjen (Sifer unb 33c=
rebfamfeit ben Sefer gefangen nimmt, fo gern man bcr praf*
tifd> politifdjen 2BeiSf>eit laufet, mit ber bas 93udj bnrdrfefet
ift, unb fo banfbar man ftd) aß bes teilen erfreut, bas es aus
ben Sajäfcen ber 2lrdjioe ju fpenben Ijat: — audj ben gut
preufjifdj gefinnten Sejcr manbeCn gelegentlich bod) 3 roc Uct an,
ob bie (Sntnmfehing Seutfdjlanbs unb ^reugens f)ier niä)t aß^us
fcr)r oon bem auSfdjliefjlid) preufcifdjen Stanbpunfte aus ges
fefjen unb fo bargefteßt ift, als ob Preußen eben ju allem be?
rufen, ju aßem befähigt unb $u aßem berechtigt gemefen fei.
3>as ju erflären reicht bie (sinfeittgfeit bes oornefnulid) be=
nufcten ardnoalifdjen Materials nid)t aus» Saß ein 2lutor, ber
bie neueftc ©efdjidjte £eutfd)lanbs unb Preufeens auf ©runb
preufeifdjer Staatspapiere fdjreibt, afles mit ben Slugen feiner
preufnfd)en ©eroär)rsmänner fteljt, fiefj mit if)rem ®ebanfen=
gange oößig ibentifaiert unb fo fdtjlicfelidt) unberoufjt ein Par*
teigänger Preußens wirb, — bas wirb fidjj nad) ber 9?atur ber
9)2enfd)en unb ber Singe faum ganj oermeiben laffen. 3(ber
0. £reitfd)fe gcf)t nidjt feiten aud) nodj barüber f)inaus. 2ludj
in ber „Seutfdjen ©efdjidjte im 19. 3af)rf>unbert" (1879) ftef)t
er ganj auf bem Stanbpunfte, ben er in ben fedjjtger 3af)ren
in ben f>ei&en kämpfen um bie Söfung ber beutfdjen grage
einnahm. Weniger als ^iftorifer benn als Polittfer, rceniger
um eine flare (Srfenutnis unb geregte 28ürbigung ber jtingften
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10
ßinleitung.
beutfdjen Gntwitfelung ansubalmen, als um bie 33eredjtigung
unb -ftotwenbigfett bcö ^a^rcö 1866 311 erweifcn, fdjreibt er
bie beutfd&e Öefdjidjte. Dafyer fommt bei if)m allzuoft ftatt
bcö unparteiifdjen Se^rers für 3Rit- unb 9iad)welt ber gewaltige
Slgitator 511 SSort. Durdjbrungen oon ber Unfefjlbarfett feiner
X^efc [türmt er in fjinreifeenber 9?ebe fampffrof) einher, unb
inbem er bie (Segner balb mit ben fdjarfen Pfeilen feines nie
fefylenben Sarfaömuö, balb mit wudjtigen Steulenfdjlägen nieber=
ftredt, entwirft er oon ber beutfdjen ®efdjid)te in unferem Satyr*
fnwbert ein 33ilb, baö fie als eine fortlaufenbe Offenbarung
befi infallibeien ^Preufeentumä erlernen läfet. Sdjon bie un=
befangene SBürbigung ber politifdjen unb litterarifcfyen ßnt=
wicfelung beö nid)t preufjifdjen Deutfdjlanb ift bamit !aum ver-
einbar. 3Rit 9ied)t ijt bagegen namcntlid) oon ©übbeutfd)lanb
f>er ©infpradje erhoben. SRedjten Grfolg aber fann biefer boety
erft Imben, wenn nun audj oon jener Seite bie Mnue er=
fdjloffen unb aftenmäfeige Darlegungen ber fontrooerfen fünfte
gegeben werben. 9ftöd)re man bamit nia)t zögern ! ©erabe bie
preujjifdje ©efdjid)te mürbe baoon Gewinn tyaben. Denn je
länger 0. £rettfd)feö Darftellung, bereu formaler SReij unb
fad)lidjeö SSerbienft jufammen mit ityrem begeifterten $reufjen=
tum weite Seferfreife feffelt, in biefen Dingen unroiberfprodben
bleibt unb it)re Uebertreibungen ju ©unften ^keufeenö nidjt auf
baö richtige 9Jiaft aurürfgefüfjrt werben, um fo mein* ftetyt 311
befürd)ten, bafe fie uoUenbö bie &crrfdiaft gewinne unb baö
Urteil mandjer aud) in ben gragen ber Gegenwart befange.
Gin flafüfdieö Denfmal beö füljnen Sluffdjwungö, ben baö
^reufjentum na$ langer @rfd)laffung in bem erneuten SBewu§t=
fein feiner flraft genommen f)at, gehört u. Dreitfdjfeö SBerf
alö Symptom unb sugleidj alö $robuft einer 3citweiltg bc=
red)tigtcu Stiftung tycutc fd)on felbft in gewiffem Sinne ber
Öcfdjidjte an. Darin liegt feine Grö&e, aber audj feine
Sdjwädje. Spätere Generationen werben fidj feiner in banf=
barem Genuß erfreuen, nidjt wenn fie bie beutfd)C unb preu-
feif drje Gefd)td)te unfereö 3af)rl)unbertö, oon allem 3»f«Htö^
gelöft, rein fad)Iidj uor Singen geftellt l;aben wollen, fon=
bem wenn eö gilt ein SBilb 311 gewinnen oon ber Äütyntyeit
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I. 2>ie §auptrid>tungcn ber preufrifdjen ®efd)td>tfd)mbun0. H
unb flampfesfreube, womit in bcm ljeißefien fingen um bie
nationale Sötebergeburt, getragen oon betn ©tauben an bie
eigene Unfcfjlbarfett bas ^reußentum ftcgesgeroiß einher*
ftürmte.
2. fHe püpulfir-patrtotifdjc ftenbfnjgcfrijtdjtfdjretbuttg.
gtr grfdjidrtüdjc |lnttrridjt.
Stüein freiließ fteht o. £rettfd)fe bamit nid)t. 9iur fommt
biefe Dichtung bei ihm am ftärfften jur ©eltung, roeil er an
Sßudjt ber fachlichen Momente, an rhetorifchem ©chroung unb
überjeugungsoollem (Sifer aßen ihren Vertretern roeit überlegen
ift. $enn er fämpft auch fjier noch ben Kampf gegen bie beutfehe
tfleinftaaterei, beffen mutige Aufnahme ihm einen ©hrenplafc
gefiebert t)at unter ben litterartfdjen Vahnbrechern ber beutfehen
©inhett unter Greußens Sü^rung. tiefer Kampf aber ift aus*
gefämpft, unb bie Seibenfehaften, bie er entfeffeln burfte unb
entfeffeln mußte, roenn er anberö glücflidj ausgehen follte,
haben ihr stecht oerloren unb follen beruhigt fein unb bleiben.
2(m roenigften ber öefdjichtfchreibung fteht es an, fie roieber
roadjjurufen. $a$u aber gehört oor allem, baß fte auch bem
unterlegenen £etle geredet werbe, auch fein relatives Stecht an;
erfenne, bei ihm nicht f Rechtere 9Jiotioc oorausfefee als bei
bem Sieger, unb ihm namentlich nid)t bie Vefugnis abftreite,
für feine ehrliche Ueberjeugung auch feine Littel unb Kräfte
einjufefeen. 9hir fo werben bie ehemaligen Gegner über bie
3rrungen ber Vergangenheit fidr) in einer 2öeife oerftänbigen,
bei ber fein unbeglichener SReft bleibt. <5rfcir)roert aber roirb bas,
roenn ber £cil, ju beffen GJunfien bie gefdjid)tlid)c (Sntroicfelung
ausging, barin noch nachträglich eine 3lrt oon ©ottesgeriebt
fieht unb bie Vergangenheit fo bcleudjtet, baß fein (Bieg gleich-
fam als baö Vernunftgemäße erfcheint, alles aber, was ihn
hinbern foflte, wie eine Auflehnung gegen ben SBiHen beS
Schicffals.
3n biefen gehler aber oerfallen bie populären EarfleHungen
ber preußifchen ©efebichte nur aü> häufig, erfcheint biefe
als mit einer jroingenben Sogif oon jeher gerichtet auf bie
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12
Einleitung.
Einigung $eutfd)lanbs burdj $reu§en als ihr notroenbtges <Sr=
gebnis, fo bafe bic preufeifdje $olitif nie ein anberes $kl im
2luge gehabt hätte, als bie 2£of)Ifahrt ®efamtbeutfd)lanbs unb
bie 3ntereffen $Preufeens immer mit benen beS übrigen $eutfa>
lanbs sufammengcfatlen roären. 3<* felbft bie &t\ttn, wo Greußen
ertmefenerma&en eine entfdjieben unbeutfdje ^olttif oerfolgt
hat, werben mit biefem teleofogifdjen Stjftem in (Sinflang ge=
bracht, inbem man fie ju Sehweiten macht, burdj bie ^reufjen
hinburchgehen mufjte, um burd) «Schaben flug unb feines Berufs
für £eutjd)lanb oollenbs betou&t $u werben. £tefe 33etrachtungs=
roetfe uerfduebt ben ©tanbpunft ber ^iftortfd^^polittfd^en 33es
urteilung natürlich auch ben einzelnen gerichtlichen Momenten
gegenüber, ba fie mistige (Sntfdjeibungen nid)t aus ber nüch=
ternen Grroägung oon Greußens Vorteil ^ersuleiten liebt, fon«
bern aus ber uermeintlidjen Sorge für $}eutid)lanbs 3 u ^ un f^/
bie jenen 3eiten unb ^erfonen fremb mar. So lehrt 3. 93. bie
lanbläufige ftarftellung ber greiheitäfriege, wie fer)r biefe teleo^
logifdje 33etrad)tungsmeife burdj Slnroenbung politifdjer (BefidjtS;
punfte, bie erft einer fpäteren angehören, bie Hebers
lieferung mit legenbaren Elementen burcr)fe^t. 9iiä)t blofj bie
auswärtige, namentlich bie beutfd>c ^oliti! ^reufjens, audj
feine innere Gntmidclung ^at man fo te(eotogifdt) behanbelt.
3Äan fann bie Bebeutung, bie ^reuften burdj ben fonfequenten
Sluöbau feines Staates für bie (Sntmidelung bes ftaat(tdt)cit
Sehens in $eutfd)lanb überhaupt erlangt t)at, fefjr t)od) ans
fliegen unb bie frühe BoHfommenheit biefes Staatsroefens mit
feinem pflichttreuen Beamtentum, feiner geroiffenfjaften ginanj
unb feinem unübertroffenen &eere als in ihrer Slrt einzig be*
rounbern — unb roirb barin boef) nicht Seroeife bafür finben
motten, bafe Greußen con Anfang an einen befonberen Beruf
gehabt unb trofc gelegentlicher, mehr fdjeinbarer als nrirflidjer
2lbirrung von bem baburch oorgeseichneten $fabe alle $eit in
ber fortfchreitenben[©rfüUung besfelben begriffen geroefen fei.
2(us einem 9Kenfdjenroerf, an bem, ftdj ablöfenb $roar, aber
boch nicht immer jtdj ergänjenb unb planooH ineinanber ar*
beitenb, ©enerationen gefchafft haben, mad)t man fo aud) fyux
bie fortfdjreitenbe Entfaltung eines geroifiermafeen burd) ?rä=
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I. $ie §auptric$tuiigen ber preujjifäen (Def$i($tfäw6ung. 13
beftinatton fcflftc^cnbcn planes, beffen fdjliefeliche 33erroirflidjung
fein menfchlicbes Srren unb gelten in gragc fteQen tonnte.
9?un ergeben mir fteutfdjen gegen anbere SSölfer fo Ieid)t
ben SSorrourf ber Selbftüberfcbäfeung : üerfaüen wir aber nicht
in benfelben geiler, wenn mir uns unb anbere glauben machen
motten, bafe ein £eil unferer Nation, unb sroar ein folcher, ber,
ursprünglich ohne innere ©inbeit, im £aufe einer langen Gut*
miefetung 33rud)ftücfe ber oerfdjtebenften beutfdjen Stämme in
fio) Dereinigte unb bafjer oiel mehr als bie Verkörperung eines
politifchen Begriffs benn als ein ethnologijcbeS ®anjes erfd)cint,
r>or ben anberen gleidjfam auSermählt, unb bajj aus feinen
£änben ihr ©efd)icf entgegenzunehmen ben anberen oon 2ln=
fang an beftimmt geroefen fei? SBenn bem gegenüber befonbers
bei ben «Stammen bes Sübens, meldte bie ©ntrotdelung $eutfd)=
lanbs getragen haben, lange beoor auch nur bie Elemente bes
fpäteren preujnfchen Staates sufammengefügt waren, gelegene
Iidt> eine gereifte (Smpfinblid&feit laut würbe unb fid) $u einer
antipreufciföen Stimmung oerbid)tete, fo mar bas bod^ nur
eine natürliche fReaftion gegen bie Art, roie jener ©laube an
ben befonberen 33eruf, ben SBorjug unb bas Vorrecht bes
spreufeentums oon anberer Seite als ein Moment fogar ber
praftijdj politifdjen Argumentation geltenb gemalt mürbe.
93on ber populären Öefdjidjtfcijreibung in allen Xonarten oariiert,
fd) lug biefer Glaube jum £eil im preufeifdjen 93olfe felbft SBurjel,
mürbe für manage fogar ein SDogma, baß fie mit bem ®eroidjt
eine« folgen in ben politifchen Äontrooer(en ber ©egenroart
geltenb matten. 2)aft baburch bier unb ba gegen ^reu§en
fierrfdjenbe Antipathien nicht überrounben mürben, liegt auf ber
§anb: man liefert ihnen bamit nur neue SBaffen.
9Jeuerbings ifl in biefer Siidjtung nun gar ein bebeutenber
Schritt oorroärts getban unb bie teleologische ÖehanblungSroeife
ber preufnfehen ©efcbidjte auf bem äöege 311 allgemeiner §err«
fdjaft, feit bie Autorität bes preufnfehen Staates für fie eins
tritt. Senn barauf läuft bie fteugcftaltung bes ^tftorifc^cn
Unterrichts hinaus, roclche bie autihumaniftifche Reform bes
höheren .Schulmefens oon 1892 in ^reu&en mit fich gebraut
hat. Sie geht gcrabe$u barauf aus, fd)on bas heranroadjfenbe
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14
Einleitung.
©efdjlecht mit jener unhtftorifchen 2luffaffung ber preufjifchen
©efchichte ju burdjbringen, nach ber biefe nichts fein foU als
bie (Soolution einer bem preufjifchen Staate immanenten Ve=
fHmmung, unb mit bem ©lauben an ben barin beruhenben
Vorzug Greußens $u erfüllen. Saju wirb entgegen bem 2Befen
ber ©efchidjte unb ber erften ^rinjipien aller gef (Sichtlichen @rs
fenntnis ber gefdjidjtlidje Unterrid) t mit ber ©egenwart begonnen.
Von ir)rcr fierrlichfeit, bereu bie 3ugenb ftch ftolj freuen foü,
wirb mit ber grage, wie unb burdj tuen benn all bas ©rofje
geworben, ber neumobifdje Jtrebsgang ber gefdjidjtlidjen Ve=
trachtung angetreten. aWufc ba nicht fdjon bie gaffung ber grage
balun führen, ba§ aus ber Vergangenheit, bie es bem finbüdjen
Verftänbnis ju erfchliefjen gilt, oorsugsweife bie ^atfad^en er*
wähnt, bie $erfönlid)feiten gefdjilbert werben, bie jur (Schaffung
biefer herrlichen ©egenwart beigetragen höben? Unb mit ber
gleiten Voreingenommenheit unb (Sinfeitigfeit geht es bann auf
ben oberen (Stufen weiter: b. h- es werben oorjugsweife bie
Momente aus ber Vergangenheit jur ©eltung gebracht, bie jene
fonoentioneöe Sluffaffung ber preu&ifd&en ©efdjidjte alz äutreffenb
erweifen. SSirb bamit nicht ber Unterricht fowofjl in feiner
wiffenfcfjaftlichen ©runblage, als auch in feinem wiffenfchaft=
liefen (Srnft unb feinem wiffenfehaft liehen (Srfolge gefährbet?
Senn bei einem folchen Verfahren letftet man Versieht auf bas
höchfte wiffenfehaftliche $rin$ip, bie (Srfenntnis ber 95?ar)rr)cit.
3a, ein berartiger r)iftorifc$er 6flefti3ismus, aus teleologifcher
Voreingenommenheit entfprungen, greift hart an bewufete Schön*
färberei unb enthält eine ©efat)r, bie ben fo ftarf betonten
Vorteil einer planmäßigen ©tärfung bes Dtoiionatgefühls unb
ber Vaterlanbsliebe bei ber 3ugenb fchliefelich mehr als auf-
wiegen Dürfte. £enn wenn erft etliche Generationen biefe 3lrt
oon ©efchiehtfiunterricht empfangen fyabtn, wirb bie 3J?ef)rheit
ber gebilbeten Greußen oon ber Vergangenheit ihres Vater*
lanbeö eine Vorfteflung hoben, bie fich nur wenig oon ber
unterfcheibet, welche bie fo oiel getabelte ©itelfeit ber gran=
äofen nch ehemals oon ber ihrigen 5uredjt gemacht rjotte.
3luch oerjichtet eine foldje Vehanblung ber oaterlänbifchen
©efchichte auf bie Venufeung gerabe ber Momente aus ber
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I. 2>ie §auptri$tungen bcr preufeifäen ®ef<$t(§tf($ret6ung. 15
Vergangenheit, bie für bie fittlidje Slusbilbung ber 3ugenb unb
ber gon3en Nation befonbers roertooü* finb. SSenn ein Volf ju
betn ©(auben gewöhnt wirb, es fei oor anberen berufen unb
00m @efa)id begünftigt, fo entwöhnt es fid) balb jener fyaU
fräftigen unb pflidjttreuen 2luffaffung bes SebenS unb ber oon
ihm gefteüten Slnfprüdfje, bie ber ju haben pflegt, ber ftaj be*
wufjt ift, fein fieben jeben £ag erft oon neuem gewinnen ju
müffen. 91ur aßju leicht wirb es forglos bem ©enuffe bes
Erreichten leben, ftatt in ausbauender Selbftjucht fein Streben
auf immer fyöfjere Qitit ju richten. 3nfofem roirb jene 33c*
hanblung ber oaterlänbifchen (Befdjichte, roenn fic nicht mehr
eine litterartfdje Erfdjetnung ift, fonbern ein fiaatlich aner=
fanntes unb ftaatlidj angemanbtes SWoment ber nationalen ©r*
ätehung unb Vilbung wirb, gerabeju eine nationale ©efafjr.
$ie jüngeren ©enerationen, meldje bie Vergangenheit allein
unter biefem ©eftchtstoinf el fefjen lernen, werben ju einer irrigen
2Bertfdjäfcung berfelben oerleitet, bie auch ir)rc Stellung jur
©egemoart unb ihre Erwartungen oon ber 3ufunft beein*
trädjtigt. Entgeht ihnen bamit boch einer ber roirffamften
3mpulfe 311 eigenem pflidjtmäfjigen öanbeln. Es genügt auch
bafür an bie Erfahrungen gu erinnern, meldte bie granjofen
gemalt haben. $er entfdjloffene Vrudj mit bem bisherigen
Softem ber Schmeichelei gegen bie nationale Eitelfeit, als beffen
oornehmfter unb unheilooflfter Vertreter tyim mit feiner plan*
mäßigen gälfehung ber ©efdjichte erfcheint, mar jroeifelloö eine
ber bejeidhnenbften unb fegensretchften Söirfungen, welche bas
nationale Unglücf bes 3ahreS 1870—1871 auf bie gran3ofen
ausgeübt hat : benn fic !am unmittelbar ber Volfsmoral 3U gute.
treiben mir jefct nicht einer ähnlichen ©efahr entgegen?
£enn man roirb boch rooht annehmen bürfen, bag bie für ben
©efdf)id)t8unterrid)t auf ben preufcifchen höheren Spulen als
leitenb anerfannten ©eftchtspunfte biefelben ftnb, welche in ben
für ben Unterricht ber fünftigen Offijierc beftimmten ©runb*
riffen entwicfclt roorben finb. 2£of)l hat es nicht an Stimmen
gefehlt, bie mit ernfter Tarnung auf biefe bebenflidje Seite
ber jüngften Unterria)tsreform hinroiefen. 21uch hat bie hiftorifa>
SBiffenfchaft laut Einfpradje erhoben gegen .eine aflethobe, bie
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16
Einleitung.
trofc aller fünftücben SBenbungen mit bem oberftcn ©efefe aller
©ef Richte, bcr 2Baf)rheit, in ftonflift geraten muß. Slber rote
man feiner 3 C ^ J cnc folgenfdjroeren Neuerungen befchlofe, ohne
— im ©egenfafc ju bem bei allen anberen 28tfienfchaften be*
obadjteten Verfahren — auch nur einen einzigen ber berufenen
Vertreter ber ©efchtchtöroiifenfchaft 31t hören, fo finb auch jene
Verwahrungen uub Mahnungen ungebört »erhallt.
3n einem gerotfien @rabe freilich ift bie ^Jcfarjr teleo=
logifdfjer Voreingenommenheit unb patriotischer llebertreibung
mit allem Unterrieht in oaterlänbifcher ©efebiebte oerbunben.
2lber burd) bie offoielle 2lnerfcnnung ber erfteren unb bie mittel*
bare Empfehlung ber festeren ift fie für bie Vehanblung ber
r»aterlänbifd)en ©ef<f)icbte auf ben preufeifdjen (Schulen roefentlicb
gefteigert. Söeniger roof)l als bie $arftellung ber X^atfad^en
unb Verbältnijfe roirb barunter junächfl bie ber ^iftorif^en
^erfönlichfciten 31t leiben ^aben, an welche bie gefd^idt)tlid^e
2ßat)rr)ctt oer^üHenbc ober entftetlenbe legenbare 3ü9* ftcfj ohne*
bin fo gern anbeften. ©eroiffe ©chranfen werben ber WU
teilung ber ooUcn f»iftorifct)cn 2öar)rt)cit im Unterricht immer
gesogen roerben, einmal burdj bie fdjulbige «Pietät, bann burdj
bie md)iä}t auf bie 3ugenb felbft. 3efet aber ftefjt 311 befürchten,
baß ftatt mit gerichtlich mögltcbft ähnlichen Porträts unfere
Vergangenheit mit lauter 3 Dea ^9uren beoölfert roerbe. 2lm
meiften bürfte baö natürlich in betreff ber ^»errfcher jetbft ber
gall fein, bie bei folcfjer Vehanblung nur aHju leicht 3U roefen=
lofen ©ehernen werben. 2lla Verförperungen mehr ober minber
aller menfchlichen Vollkommenheiten unb als £räger fon ©in=
fichten unb 2lbfichten, mit benen fie ihrer 3 C ** weit oorauö=
geeilt fein f ollen, roerben fte oon bem Voben gänjlich gelöft,
in bem fic murmelten, ber ihr £anbeln unb ihre (Srfolge be=
bingte unb ohne ben auch ihr geschichtliches Verftänbniä nicht
möglich ift, ©ollten aber einer folgen panegwriiehen ®efchichtö=
behanblung gegenüber bcm Knaben unb Jüngling nicht allerlei
3rocifel auffteigen? 2)ie moberne 3ugenb, auf bie früheren
©efchlechtern unbekannte gaftoren in Sflenge oorjeitig aufflärenb
cinroirfen, ift 311 gläubiger 3tuf= unb Annahme oon berglcidjen
nicht naio genug, ©ie roirb ftd) ih« befonberen ©cbanfen
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I. 2)ic §auptrtd>tungeu ber preufiifdjen öefd>i(f>tfd)rcibung. 17
madjen, raenn fte eine 9ieil)e oon §errfdjern oorgefüfjrt erhält,
bie, oon betn erften unb älteften bis fn'n 311 bem, ben fic felbft
als Ujren Äönig oereffren, alle auf bas gleite 3**1 f)ingeftrebt,
alle ebenfo fe^r beutfaje wie preufcifd&e Patrioten unb roomög^
lidj ebenfo gute Diplomaten roic Slbmtniftratoren unb <5oU
baten geroefen fein follen. 0ef)t babet nid^t gerabe bas 3" ;
tereffantefte r-erloren, bas, roas bie 3ugenb am meiften padft,
ber SRei$ einer fdjarf ausgeprägten $erfönlid)feit mit tyren
fjeroorragenben (Sigenfdfiaften fo gut wie mit tyren Sd>roäd)en?
$Benn ber @ef$ia)tsunterrid)t befonbere 3roede, bie au§erf)alb
feines in ber SBiffenfdjaft bebingten SBefens liegen, fo roenig
roic irgenb ein anberer richtig gegebener Unterridjt ©erfolgen
foß unb, ti)ut er es bennodj, 311m ooraus auf ben oor allem
erftrebenöroerten ©rfolg oerjidjtet, fo roirb audj bie if)m auf-
gebrungene patriottfdje Xenbcnj, 3uma( fic auf ganj befHmmte
fojiaCc unb potttifdjc ßontrooerfen ber öegenroart 3tigefpifet ift,
nidjt nur bic erwartete Söirfung nia)t ausüben, fonbern bei
mandjen Sd)ülern ©frupcl unb 3roeifet erroeefen, manage rooljl
gar in einer fRidjtung anregen, bic ber gcroünfdjten gerabe
entgegengefefet ift.
8. Pas iifrfönltityt |öomfnt in Hrr G5ffttj trifte.
3)Mt gutem Wrunbc fwt man efjemals auä) in Greußen
ben gefdn'^tlufjen Unterricht mit bem Slltertum begonnen. Die
Ginfaa)^eit unb tflarljeit ber polttifd&en unb geiellfd)aftlid>en
$erf)ältmffe, um bie es jid) ba fjanbelt, unb ber SReia, ben bie
feft in ftd) gefdjlojfenen unb fdjarf ausgeprägten ^erfönlia>
feiten ber griedjifdjen unb römifdjen @efdn'd)te immer oon
neuem auf bas jugenblidje ©emüt ausüben, läfjt gerabe biefen
Stoff audj deute nodj als üorjugsroeife geeignet erfdjeinen, um
erfl Suft unb 3nterc(fe, bann Sinn unb SBerftänbnis für ge=
fdjidjtlidje 23etradjtung 311 erroeefen. Die fjeute bditbte 2lrt
oerjirfjtet bagegen barauf, eine Saite an3ufdj(agen, bie bei
Knaben unb Sünglingen befonbcrS leidjt unb t>oH roibertönt.
Unb bodj läge gerabe barin ein befonbers roirffames ©egengift
gegen ben begciflerungslofcn Sfeptijismus unb ^efftmismus,
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18
Einleitung.
benen ein £eil unterer Qugenb nur aHjufrüf) oerfäHt imb
ber es unmögttaj maö)t, bei Seginn befi fnftorif d&en Untere
ri<f)t$ mit ber ©egenroart ju tmrflidj objeftioer Setradljtung
oon -Dienfd&en unb fingen früherer 3eiten S u Gefangen.
9ludj fjeute nodjj wirb ber jugenbltdfje ©eift am Icid&tcftcn
vom Altertum aus, baö, in fidj abgefdjjloffen , auä) aus
fidtl felbft verftänblig ift, ben 9Henfd(jen als Sräger ber ©e*
f$i$te begreifen lernen, in feiner trofe fdfjeinbarer Setbftänbig;
feit oielfac&en Sebingtfjeit, feinem Streben unb 3rren, feiner
©röfee unb feiner Sdfjwädje. (Statt beffen fteHt ber Seginn
mit ber ©egenroart unb bie oorgefd&riebene patriottfd&e Senbenj
audfj bie großen 3Wänner ber preufnfd&en Vergangenheit unter
ben 3 roon 9 De r leibigen tefeotogifdfjen Setradjjtungöroeife. %xvc
unbefangene ©emüter fönnen fie babei aber boa^ faum gewinnen.
Senn ein gfirfi, ber mit feinem £f)un unb Saffen einer oer=
meintlidfjen SBorfjerbeftimmung feine« (Staates bient, füfyrt bod)
nur afe Söerfjeug aufi, roas eine fjöfjere 9)iad&t feftgefefet Ijat.
@r ift nid&t in bem SWafee 'um ben Erfolg »erbient unb für
baö Sulingen oerantroortlia) roie ber, ber feiner 3eit $uerft
ein neues Siel fteeft, in itu* ben 3Biflen unb bie flraft erroedft,
banadf) 311 ftreben unb biefe jur glüdlidjen ßrreidfjung ftärft unb
(eitet. So minbert bie teleotogifd&e Setradfjtungäroeife ber preu*
fnfdjen ©efdfjicfjte gerabe bie Sßerbienfte, bie befonbers f)eroor=
gehoben unb ber Sugenb gu patriotifdjjer Erbauung oor Slugen
gefteüt werben foflen.
Ü(m roenigften foüte man bie &o(jen$oHern fo befjanbcln.
Sie bebürfen nidfjt eines fo fladfj panegurifdfjen £oneS: if)r
Sirfeii brauet nid&t an einem uerroafdEjenen gürftenibeal ge=
meffen 3U werben, um cor 2Rit= unb 9?ad£}wett 31t befielen,
^ielmebr fönnen fie red^t begriffen unb gewürbigt werben nur
aus iljrer befonberen, menfdjlid&e ©röfee unb menfdjltdje Se=
fd&ränftljeit eigenartig mifdfjenben 3nbioibualität unb bereu
SBeajfefwirfung mit ben realen Serfjältniffen, bie ifjnen i^r
Staat mit feinen Sebürfniffen unb ben biefen entfpringenben
Aufgaben barbot. ©erabe bie größten 9)?änner, aud) wenn fie
Jerone einnehmen unb bie Sdjidfale oon $ö(fern in i^rc
£anb gelegt wiffen, finb fid; ber Sebingtfieit ifjres SSiüenö,
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1. £ie §aupirtd)tungen ber preufcifcf)en 0efcf>td>tfd)rei&ung. 19
bcr Sdjranfen tt)res Könnens unb ber 3)iangelf)aftigfeit it)res
£f)im§ am metften bemüht. ÜJton fott fie besf)alb nidjt als
Heroen auffaffen unb nidjt alles, was unter ifmen geleiftet ift,
als ifjr r»erfönlidjes 2Berf barfteHen. 3m (Gegenteil roirb man
ifjnen um fo mef>r geregt werben, fie menfd)lidj um fo beffer be;
greifen unb bann aud) ben &erjen ber -Jtodfilebenben unb nament=
liö) ber 3ugenb um fo näfjer bringen, je merjr man fte als
3Renfd&en betrautet unb fie aud) auf bem Sfjrone in if)rer
menfajlidjen Eigenart gelten lägt. £ann wirb aud), roas fie
geleiftet, red)t jur ©eltung fommen unb nad) Urfprung unb
SBert doH geroürbtgt roerben. 2ludj bie SRadjroelt roirb bann jui
i^nen ein fojufagen perfönltdjes 23erf)ältnis geroinnen. $>ie
Pflege bes Patriotismus aber roirb ftd) auf btefem Sßege ganj
ungefudjt ergeben, jidjerer unb roirffamer als burd) eine 93e=
fjanblung ber oaterlänbifdjen ©efdjidjte, bie ber ®efafjr eines
geroiffen 33njantinismus eigentlid) bauernb ausgefegt ift.
2lber aud) bas entgegengefefete (Srtrem gilt es &u oermeiben.
öeroife foU man felbft ben größten öerrfdjer nidjt gelöjt mahnen
ober ber 3ugenb barfteüen als gelöft oon ben allem 2ttenfa>
liefen anljaftenben Sdjroädjen unb ^efchränftfieiten, nid)t aus
übertriebenem Patriotismus ben ©lauben auffommen laffen,
ausfd)ließltdj aus ber eigenen ßtaft fyabt ein joldjer fein unb
feines 93olfes Sd)tdfal gefdjmiebet. 93ielmet)r roirb man ben
Scfylüffel feinem ooflen Sßerftänbnis unb ben 3Wafeftab su
feiner geregten Sßürbigung finben in einer flaren Ginfidjt in
bie 2lrt, roie feine 3»bioibualität burd) bie ifjm gefdjidjtlia}
gegebenen, unabhängig oon ifmt geworbenen SJerfjältniffe feiner
3eit beeinflußt roorben ift unb roie fie bann roteberum oon
fia) aus beftimmenb auf beren ©eftaltung eingeroirft r)at. £od)
ift aud) eine Unterfd&äfcung bes »erfönlidjen Moments in ber
©efdjidjte möglid) unb heutigentags üblidj. 2lud) bas hängt $u=
fammen mit geroiffen (Srfdjeinungen in bem geiftigen unb fitt=
lidjen £eben unferer 3 C ^-
9iidjt o^ne <3orge roirb man beobad)ten, roie bie 3ugenb
unferer £age, bie für bas näcr)fte Üftenfdjenalter jur Trägerin
ber beutfd)en 3ufunft berufen ift, fia) äufeerlicr) unb innerlid)
einer geroiffen (Sdjablonenhafttgfeit befleißigt unb alles »er*
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20 Ginleitung.
meibet, roaa in bem einzelnen eine fd)arf ausgeprägte $Perfön--
tid^f eit mit einer in feften ^rinjipien rourjelnben Ueberjeugung,
bem baraus entfprtngenben 2)tut ber eigenen Meinung unb ber
biefe ju betätigen geneigten Äraft eines eigenen 2ßiflenS oer=
muten laffen fönnte. ©eroifj foü bie 3»Ö e,t ^ nify, roie $ur
3eit bes franfenben nationalen Gebens, berufen ju fein glauben,
uon ftd) aus auf if)re 3eit beftimmenb einäuroirfen. Slber fie
foU audj nidjt genug getfwn ju Ijaben roäfinen, wenn fie fid) unter--
fdjiebslos $u williger Aufnahme unb Vertretung jeber augenblid;
lidt) t>on ben mafegebenben Autoritäten gebilligten 9iid)tung Ijer;
gibt unb biefe als bie beroegenbe ftraft in bem fyiftorifdjen
Seben gelten läftt. Seit juerft ©erwnuft in ber oon ifjm wx*
fr'mbigten bemofratifdjen 0efdudjtspf)ilofopf)ie behauptet f)at,
im GJegcnfafc ju ben üergangenen 3 a Wunberten, \ n b €ncn bie
äöeltgefd)idjtc ftdj burdj bie SBeäjfelrotrfung großer $erfönltaV
feiten unb ber allgemeinen ßufiänbe fortgebilbet fjabe, werbe
fie im 19. 3af)rf)unbert ofme bie 9ttadjt bes GJeniuS, allein
burdj bie Meinungen unb Seibenfdjaften ber SRaffe beroegt,
tyat man fid) uielfad) geroofmt, in ben non ben Staffen ge*
tragenen ©rfdieinungen, roie fie fdjliefcltdj am fid)erften bie
Statiftif feftljält unb 511m Ausbrutf bringt, bie lebenbigen 2Wo;
mente ber gefd)id)tlid)en Gntroirfelung 511 feljen unb gef)t mit
Vorliebe ben rotrtfdjaftlid)en unb gefeHfdjaftlidjen $Rid)tungen
unb (Strömungen nadj, in benen fie fid) ber Ijiftorifdjen Ve*
tradjtung barfteßen. Von fidj aus aber fjaben SRidjtungcn unb
Strömungen berart niemals Öefd)id)te gemadjt: Männer be=
tyerrjdien ben fiauf ber Stittn, SWänner finb es, bie entroeber
allmäfjlidj entftanbene Strömungen oermöge ber Öeroalt ir)rer
ftarfen Snbioibualität &u gefd)id)tlidj) roirffamen 9)?ätf)ten ergeben
ober burd) bie güüe ber oon ifjnen ausgefjcnben Anregungen
erft Ijeroorrufen unb in glufe bringen.
2lua) bei ber mobemen beutfdjen ©efdn'djtfdjreibung ift
biefe alte 2öal;rr)cit aß$ufef)r in Vergeffenfyeit geraten. 3m
6'inflange einerfeits mit jener Neigung, bie inbioibueUe 33c=
fonber^eit, roeld)e bie in fid) beruljenbe unb if>r 9ied)t forbernbe
^>erfönlid)fett jum 2lusbrud bringt, möglidjft surürftreten gu
laffen unb anbererfeits unter bem Ginflun, ben neuerbings bie
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I. Eie .ftauptrid&tunßen ber preufjifcfien 0ejd)icf>tfcf>reibung. 21
wirtfdjaftlidfjen gragen auf bas öffentliche Seben ausüben, fief)t
man bic uornefnnfte Aufgabe ber 0efchidjtsmiffenfd)aft melfadj
in ber (grforfdjung unb ftarftellung jener allgemeinen wirt=
fdjaftüd&en 5Berf)ättmffe. 2ln bie ©teile bes perfönlia^en 9Ho;
ments, burd) bas große Männer für bas gefdjid)tliä)e Seben
ber SBölfer entfdjeibenb geworben finb, fefct man mirtfdjaftlidje
Bewegungen unb geiftige (Strömungen, bie bodj, wenn fie nidjt
t)on einer ftarfen, ihnen (Geltung ju oerfd)affen geeigneten $Per=
fönlidjfett getragen werben, immer nur 93egfeiterfdjeinungen,
nie felbftänbige Trägerinnen neuen gefdjidjtlidjen Sebens fein
werben, daraus ift bann weiterhin bie gorberung erwachfen,
bie ©efdjichte folle ftd) weniger mit bem Staat unb feinem
Seben alfl mit ber wirtfd)afttid)en Kultur befdjäftigen : ftatt mit
ber ^olitif wirb bie öefdjtdjte mit ber s 3ktionaIöfonomie
fchmefiertidj jufammengefügt. 9iiemanb wirb bie S3ebeutung in
3meifel sieben, bie ber (Srfenntnis bes wirtfd&aftlichen Sebens
ber Vergangenheit für beren ooUe 9ieubelebung gebührt. 2lber
fie betrifft bodj immer nur eine Seite ber (Sntwidefung : fie
bahnt ben 2Beg jum Verftänbnis ber wtrtfdjaftftch bebingten
gefeüfdjaftliä^en 93erf)ältniffe, unb auf biefer äwtefad)en örunb*
tage gilt es bann bie (Srgrünbung unb Veranfchaulidjung ber
SBanbfungen bes ftaatlidjen Sebens als bie eigentlich ^tftorifd&c
Aufgabe. 2)em gegenüber perfällt bie moberne mirtfchaftsgefdjtcht=
ttdje Dichtung in ben gehler, bafj fie einer lange 3eit un=
gebührlich oernaä}Iäffigten ©eite nun eine aflju hohe Vcbeutung
beimißt, unb was für bie $)arftellung bes ftaatlidjen Seben s
ber Vergangenheit ben §intergrunb ab^btn foß, in breiter
Ausführung fctbft $um ©emälbe ausgeftaltet. £amit oerliert
fie ftdt> in bas ©ebiet ber SHbftraftioncn unb läßt ben Sttenfchen,
ber bod> 3uerft unb julefet ber Träger ber ©efdjidjte ift, un=
gebüljrliä) jurüdtreten gegen bie materiellen Verhältnijfe. ©emifi
roirfen auch biefe auf bie ©eftaltung unb bie (5d)idfale ber
ftttlid^en unb geiftigen ©emeinfdjaften ein, aber fie geben babei
bod) für ben ©tnjelnen fo wenig wie für bie ©efamtheit ben
Slusfdjlag. 9todj weniger aber fteflen fie bas llnoergängliche
in ber gefdn'cht lieben Gntmitfelung bar unb finb bafjer and) nicht
geeignet, ben ibeeßen ©ewinn ju oermittefn, ben bie 33efd&äf=
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22
ßinlettung.
tigung mit ihr ben SKachlcbenben gewähren fott. 3m ©egenfafc
biefer 2luj(bfung ober Verflüchtigung bcr @efd)idjte in um
perfönlidje SRidjtungen ift es für jcben ein fo natürliches, weil
pfndjologijch begrünbetes Vebürfnis, bie SWänner, in bcncn er
bie Präger einer grofcen gefd)ichtlichen Vergangenheit, oft bic
6d)öpfer bcr ihn umgebenben Verhältniffe erbtieft, in ihrer
geiftigen nnb fittlichen 3noioibuolitat unb ber burdj fie U-
bingten perjönlichen Gtgenart ihres föanbelnS oor 2lugen gefteflt
51t haben. £eute haben mir beutfdje ©efdjidjten, roo bie gelben
ber Vorjeit, bie, oft oon Sieb unb ©age oerherrlidjt, als fdjarf
ausgeprägte Gharafterföpfe in ber £rabition fortleben, faum
genannt ober bod) nur mie im Vorbeigefm ermähnt rcerben, fo
bafj fie, bie als bie betou&ten Vorkämpfer ober als entfchloffene
©egner neuer 3been in perfönlichem ©anbeln ben Sauf ber
Seiten beherrfdjt haben, nad) 2trt eines auffchäumenben 2Be0djens
fidj faum über all bic SJlißionen unb aber Millionen erheben,
bie mit ihnen gemeinfam ber angeblich nur oon bem ©efefe ber
roirtfehafttidjen Schtoerfraft beherrfchte (Strom bes gef<hichtlid)en
Sehens willenlos mit fich fortführte. $iefe 3(rt ber ©efd)icht-
fchreibung oerjichtet auf bie (Mtcnbmadning gerabe berjenigen
Momente, bie ben Sefer am lebhafteften in bie Vergangenheit
oerfefcen unb ihm für fie einen 2lnteü nicht blofe bes Verftanbes,
fonbern bes §er$ens abgeminnen. 9<*irgenbs aber fcheint ein
fold&er Verzicht roeniger angebracht als bei ber preufeifchen
fchichte, benn ganj befonbers taut unb nad)brüdlid) oerfünbet
gerabe fie bie grofce Wahrheit, baf, Banner ben Sauf ber 3eiten
beherrschen .
Siefe grofjc Wahrheit oon neuem $ur (Mtung 511 bringen,
ihrer Vethatigung, in bcr fie auf jebein Vlatt oon neuem oer=
fünbenben preufnfehen Öefchidjte nachzugehen unb baburdj in
etwas ba$u beizutragen, baß fie jich aud) in ber Sufunf t ^.'reufeens
fiegreid) betätige, bamit es ^rennen niemals an ben SRänncm
fehle, beren es bebarf, um ben Sauf bcr Seiten aud; ferner 31t
beherrfchen — bas ift eine bcr Aufgaben, in beren meun auch
unooHfommener Sbfung ber nachfolgenbe Verfuch einer preu=
ßifchen ©efdndjtc feine Vercdjtigung 311 finben hofft.
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II. Sie Segenbe in ber preu&ifcfien ®efd>id)te.
23
II. ®iz legcnbe in ber pmtßifrfj*n G3£[rfricf;fe.
Söcnn bemnadj baran feftjuhalten tft, ba& bie preufeifdje
<5Jefdjid)te nicht mit einem anberen 2Jia{je gemeffen werben barf,
wie bie jebes anberen Voltes, fonbern unter ben für bie Gut;
wicfelung aller Völfer geltenben ©efefeen ftefjt, fo fnüpft fid^
tin befonberes 3ntereffe an bie 3uthaten unb Slusfdjmticfungen,
welche burct) bie früt) jur ©eltung gelangte Vorftelluug oon
einem befonberen Berufe Sßreufcens in fte hineingetragen finb.
So fehr bie gorfdjung unfere Kenntnis ber ^atfadjen
unb 3uftänbe berichtigt unb oertieft hat : man fann nicht fagen,
bafe eine planmäßige Säuberung ber £rabition oon ber fic
burdjfefccnben Segenbe bereits in Angriff genommen toäre. 3a,
bie bisher gewonnenen (Srgebniffe finb nur $u einem Meinen
^cil ©emeingut auch nur ber ©ebtlbeten geworben. 9)lan
fträubt ftdr) uielfadj gegen tr)re 2ln= unb Aufnahme. ®as Volf
gibt ihm lieb geworbene 93orfteßungen nicht leidet auf, mögen
He aud) längft als ^iftorifd) unhaltbar erwiefen fein. Von benen
<xbcr, welche bie ©rrungenfdjaften ber gorfdjung 3um ©entern*
gut ber ©ebilbeien ju machen berufen finb, tragen manche
IBebenfen, bem Sßolfe feine übernommenen Vorftettungen ju
nehmen, unb fjalten ftdj für oerpfttdjtet, es wenigftens auf
biefem ©ebiete oor einer Sweifel oeranlaffenben ftritif ju be*
wahren.
2tuch beftfct biefe Segenbe ja einen gewiffen SSert, tnfofem
fie jeigt, wie ein SBol! feine Vergangenheit auffaßt, beurteilt
unb ftd) äuredjt legt. Sie enthält gewiifermafjen felbft ein
Stücf feiner ©efchidjte, fpiegelt eine gewiffe Seite feines Seelen*
lebens wieber unb jeigt in ihrer wedjfelnben ©eftaltung, wie
«s ju oerfd)iebenen Seiten badjte unb fühlte. Von biefem ©e=
ftdjtspunft aus fann man bie Segenbe aud) als eine Duelle
tjiftorifcher ©rfenntnis bezeichnen, freilich nicht ber Entfachen,
fonbern ber ^Stimmungen : fie l)at ein ausfdjliefelich ober bodj
-übernriegenb oölferpfndjologifches 3ntereffe, unb es oerlofjnt Reh
baher, fie nach ih rer Vebeutung für bie preu&ifdje ©efd)id)te
einheitlich 511 behanbeln unb bie Momente bar^ulegcn, bie für
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24
Gmleitung.
bie Kenntnis ihres Siefens unb bic ^Beurteilung ihres Wertes
befonbers in Vetradjt fommen.
£ie ©rfahrung tc^rt, baß jebes Volf aus feiner Vers
gangenheit mit Vorliebe bie 3 c ^ e « «nb ©reigniffe be=
trautet, bie ihm ©lücf unb 9iuf)m gebracht. Von ben trüben
Partien feiner ©efdjidjtc wirb es weniger angesogen. 91ur in
ber Sorge oor brohenber öeimfuchung ober auch erft nach neuen
©chicffalsfchlägen roenbet es fidj ben 3^^ c « früheren Unglücfs
311, um aus ber ©rfenntnis oon beffen Urfachen Sicherung für
bie 3»frinft ju geroinnen. ©riebt bodj in oerfleincrtem s Mafr
ftabe ieber einzelne 3)lenfch ähnliches. 2lud) ift es eine glücf liehe
Mitgift, bajj in ber Erinnerung bie trüben 3^^/ 1° f<hroer
mir unter ihnen gelitten ^aben mögen, uns nicht blofe ftirjer,
fonbern auch weniger trübe erfdjetnen, bie Sage m @lüc!s
aber noch lichter unb glänjenber, als fie in Wahrheit geroefen.
Slber roährenb ber ©in3clue fid) feine Vergangenheit ruhig oon
einer beglücfenb trügerifd)en Erinnerung oerflären (afjen mag,
roirb ein grofjes Volf biefer Neigung nicht ungeftraft nachgeben,
äöerben unter ihrem ©inftuß boch nidjt blo& ein$elne Jiftorifdje
Momente gefärbt ober umgebiajtet, fonbern große, über bie
£eben$fpf)äre bes einen Voltes hinaus mistige ©reigmsreihen
3ttroei(en gerabeju roat)rr)citöir»ibrtg umgeftaftet. 2Bas ^at Jyranf=
reich in biefer 2lrt an ber 0cfd)ia)te ber SHeoolution unb bes
Äaiferrcidjcs erlebt! $cr roiffenfehaftlichen Arbeit eines 9tten=
fchenalters unb ber tfataftropfjc oon 1870 t)at es beburft, um
ben trügertfehen ^radjtbau 311 zertrümmern, ben auf folgern
©runbe ZfyM' Sügenluft nationaler ©itelfcit jutiebe aufgeführt
hatte.
Deicht entfernt fo fchlimme, aber är)nHd^e ©rfdjetnungen
roeifl bie gefdjtchtlidje Ueberlieferung eines jeben Volfcs auf,
unb es ift bie nicht immer banfbare 2lufgabe ber @efchichts=
forfdnmg, fte aufjubeefen unb 3U befeitigen. 2>enn nur bann
roirb bie Vergangenheit Sehrertn unb Erzieherin ber 91ad)roelt
fein, toenn fie oon biefer gefehen roirb, roie fte roirflidj roar,
unb nicht, roie biefc fie um ihrer eigenen gntereffen willen
hätte geftaltet haben mögen. Sticht oon bem Stanbpunfte aus,
ben roir im 3ufammenhang bes fortfdjreitenben t)iftortfd;en
Digitized
II. Sie gcgenbe in ber preufetfäen Öefd)icf>te.
25
Sebenö einnehmen, foüen roir bic Vergangenheit auffaffen:
recht oerftchen wirb fte nur, wer fie ohne SRüdficht auf bie
golgejeit in ihrem in ftch felbft bebingten unb auf ftch felbft
gerichteten Sehen *u erfaffen weife, &ier liegt alle &it baß
eigentliche ^tßorifdjie Problem, bafi nur in ihrem 3 u f ammen;
roirfen hiftorifche 3Ketr)obe unb hiftorifdje äunft $u löfen oer=
mögen.
£ie ooltetümliche ©efchichtäbetrachtung hält fid) bamit
nicht lange auf. ©ie legt fid) bie Vergangenheit 3urecht nach
ben 3ntereffen ber ©egenroart unb greift baraus mit Vorliebe
gerabe biejenigen Momente herauf roo fie, wenn auch nur oer^
möge einer Hmbidjtung beö gefd)tchtlid; ©egebenen, ihre eigenen
©efüfjle, Hoffnung unb gurcfjt, §aj3 unb Siebe, fid) felbft recht
uerftänblich $um 3lufibrud bringen fann. $ie Neigung baju
aber wirb um fo ftärfer fein, je lebenbiger ein Volf ben 3" :
fammenhang sroifchen Vergangenheit unb ©egenroart mit bem
§er3en erfaßt fyat, je mehr es bie ©egenroart, in ber es lebt
unb roirft, als baö natürliche unb bis ju einem geroiffen ©rabe
notroenbige, gleichfam uom ©ajidfal gewollte Ergebnis ber oor=
aufgegangenen (Sntrotdelung betrachtet.
<pier liegt bie ©rflärung bafür, baj? gerabe bie preufeifche
©efdnchte an folgen legenbaren Elementen fo reich tf-
legenbar barf man fie nennen, roeil fie, roie bie eigentliche,
firch liehe Segenbe, auch eine erbauliche £enben$ »erfolgen, er=
baulidj im patriotifchen ©inn. ©ie geben ber lanbläufigen
£rabition ber preußifchen ©efchiehte gerabesu ihr <$arafteriftifdje§
©epräge. 3h rem wrfprung nach mv auönahmöroeife einmal
nadjroeiöbar, roie bie firchlichen Segenben, roie biefe balb nur
Umbichtung h»ftorifcher Momente, balb freie (Srfinbung, ju=
roeilen aber auch nur auf geroiffe Veleud)tungseffefte berechnet,
rourjeln bie meiften biejer Segenben eben in ber Vorftellung,
bafe in ber ©ntroidelung fßreugeud eine geroiffe ^räbeftination
oorroalte, oermöge beren baöfelbe trofc aller ©inberungen unb
Srrungen baft ihm oom ©djidfal nun einmal geftedte 3^ c ^
fchtieftlich bod) erreichen mufcte.
2Bohl roäre auö biefem bie preufetfdje @efd)id)te umrahmen^
ben unb burdjfefcenben (egenbartfehen SRanfenroerf manches gur
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2(5
Einleitung.
^fndjologie beö preufjifdjen Volfögetfteä $u geroinnen, roenn
von jebem einzelnen 3roeige 3eit nnb Veranlagung ber <5nt=
ftefnmg nachweisbar roären. 3n jebem galle aber füllte efl
mein* al« bisher gefdjefjcn, feinem un&iftortföen ober bod) nur
halbhiftorifchen SBefen nach weiteren Äreifen $um Serou&tfein
gebraut unb aus bem Scftanbe beö als fnftorifdj beglaubigt
ju Ueberliefernben auSgefdjieben, namentlich überall ba außer
Slnfafc gelaufen roerben, roo bie preufjifdje ©efdhidjte roifien:
fdjaftlid) bebanbelt unb eine ernfte äßürbigung ber in ihr roir=
fenben politifchen Momente oerfucf)t roirb. Samit ift freilich
nicht gefagt, baf3 alle legenbarifdjen Elemente in ber preu^
feigen @efdjid)te gleich wertlos feien. Viele oon ihnen ent;
galten fo gut roie geroifie firdjlid)e fcegenben 3roeifelloS einen
Ijiftorifchen £ern, anbere roieber finb olme fotogen für 3*i*
s JKenfd)en fo djarafteriftifrf), bafi fie beibe beffer neranfehau liehen
unb oerftänblich machen als manage ausführliche fjiftorifc^e
Sa)ilberung. Sieker gehören alle jene legcnbarifdjen Vefianb*
teile ber Ueberlteferung, bie in ber fnappen gorm ber 3lneJ-
bote ^iftoriferje ^erfönlidjfeiten nadj it)rer inbiuibueOen Gigcm
art roie in einer Momentaufnahme hell beleuchtet und cor Slugen
ftcllen. Sie Regenten, bie gelbhcrren, bie (Staatsmänner finb
es, beren Vilb auf biefem Söcge am fi^crften auf bie Fachwelt
fommt, namentlich in 3etten, benen eine regelmäßige öffent*
lidje 33ef)anblung biefer Gebiete noch fremb roar. ©s genügt
an tfarl Sriebrich oon Ventfenborffs selm Sammlungen oon
„Gf)arafter$ügen aus bem Seben Stöntg griebridj SBilljelms I.
nebft uerfdjiebeneu ^nefboten non wichtigen unter feiner 9ic*
gierung oorgefaüenen Gegebenheiten" (1788) $u erinnern unb
an bie Ucbcrfüüc oon ähnlichen Sammlungen für griebrid) ben
(Großen, um Umfang unb Vebeutung biefer 2lrt oon £egenbe
in ber preufjifchen ®efd)id)te ju oeranfdjaulichen. 2£>ie naaV
teilig fie aber auch gelegentlich gewirft, roie fie bie Kenntnis
oerbunfelt unb bas Verftänbnis erfdjwcrt hat, baö lehrt bie
Verwirrung, bie besVifchofs <5t)lert (1770—1832) „ßbarafter
$üge unb htftorifdjc gragmente aus bem £eben griebrid) 2Bil*
hemlö III." (3 Seile, 1846) angerichtet haben, inbem fie —
5um Seil unter bem (Sinflufs ber Sclbftgcfälltgfeit beö Tutors
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II. £ie ficgcnbe in ber preufjtfäen @ef$ict|te.
27
— ben ßönig in eine ganj un$utrefjenbe Sfleleudjtung rütftcu
unb faft ju einem wanbelnben SWrjtlmS matten, ein Sdjidial,
bem aud> bie 3bealgeftalt ber Königin ßuife in ber golge nidjt
ganj entgangen ift. Unb wela^e güfle oon ^Übungen äfjnlidjer
2lrt ^aben wir felbft oor unferen 3lugen unb O^ren erftefjcn,
33oben geroinnen unb fidb einbürgern fef>en im Stnfc^dig an bic
£elbengeftalt flaifer Söilfielms unb feines f)errlid)en Sohnes,
eined "äHoltfe unb nidjt sulefct bes 2lltretdjsfan$lers !
23efonberes 3"terefie beanfprudjen oon biefen Segenben bic=
jenigen, in benen bie SBolfsfeele, oon bem ©inbruef einer ge=
wältigen ^erfönlidjfeit tief ergriffen, bas von i&r gewonnene
23ilb in freiem Spiel ber $fmntafte auf 3eiten überträgt, benen
es fo gan$ fremb ift, unb fidj baburd) in bem ®lauben, ein
befonbers treues 99ilb &u geben, mit ber ©efdjidjte vielmehr
in SÖiberfprudj fefet. So fjat 5. 23. bie Öeneration bes preufei:
fajen Golfes, bie ben großen ftönig in ben lefeten freublojen
3eiten feiner ©errfdjaft nur ald oereinfamten Öreis gefannt,
biefes 33ilb bereits auf ben @inunbfünf$igjäf)rigen übertragen,
wie er aus bem Siebenjährigen Äriege fyeim fam. SBie er
felbft feine beoorftef)enbe SRüäfefjr in bie feit 3af)ren nidjt be*
tretene ^auptftabt, bie if)m ebenfo fremb geworben war wie
er \i)v unb wo er feine müben ©ebeine bemnädjft ju bem legten
Schlafe &u Utten hoffte, in bem befannten fdjwermütigen Briefe
an b'2lrgens (25. gebruar 1763) fid) ausmalte, fo läßt bic
Segenbe, inbem fie biefes Stimmungsbilb wörtlia) nal;m, ben
König wirflia) unempfangen, unerfannt, in trüber SRefignation
fpät abenbs in Berlin einfahren. Xl)atfäo^lia^ ocrlief fein
(Smpfang gan$ anbers. 21 m granf furter XI) or war ein (S^ren-
bogen errietet mit lateinifdjen 3nfd)riften oon Garnier. 2lbcr
obgletdj bie am frühen 9iad)mtttag erwartete SHnfunft griebridjs
erft am SSbenb bes 30. 2)Jär$ unb bei üblem SBetter erfolgte,
würbe er bo# von bem ganzen SHagiftratßfollegium e^rerbietigft
bewillkommnet. £)cn bereit gehaltenen „^runfwagen" freilidj
beftieg er, wie Garnier flagt, nidjt, fonbern fur)r im Steife*
wagen nad) bem Sd)loft, geleitet oon ben angefeljenften flauf*
leuten, bie prädjtig uniformiert waren unb an ben &üten grof3e
Äofarben trugen mit ber golbgeftidten 3"fd)rift n Vivat Fridericus
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28
einleüung.
Magnus". 33eim Schein oon 3Bad)öf adeln folgten ihm, oon
feftlidj gefdjmücften $oftiHonen unb ^oftbeamten begleitet, bie
33ürgercompagnien bis sunt Schlofc, wo fie wieberholt ein jubelm
bes „SMoat bem Äönige" anftimmten.
So oerlief t)ifiorifc§ bes ftegreidjen Königs ©injug in
Berlin: bie Segenbe wanbelt fein 23ilb, inbem fte barauf bie
trübe SBereinfamung unb mübe Xobesfehnfu<f)t fpätercr Otiten
überträgt, Derfelbe Vorgang fehrt mehrmals roieber. 2lns
fdjauungen unb Urteile über bie Tragweite eines ©reigmffes,
bie erft im Fortgang ber ©ntmicfelung gewonnen fein tonnen,
werben nachträglich in ber GJeftalt 311m 2lusbru<f gebraut, in ber
ftcfj basfelbe angeblich ooßjogen haben fott. 3n biefem Sinne
läfet bie Segenbe in ber Sdfjladjt bei Seidig bie brei oerbün=
beten Monarchen angeftchts ihrer fiegrcidj oorbringenben &eere
&u gemeinfchaftlidjem Danfgebet nieberfnieen. Unb wie oft ift
oon bem „gebrochenen Serjen" bes ©rafen SBranbenburg ge*
fprochen! &>eil er ftarb, ehe ^reufeen ben bodj oon ihm ges
wiefenen ^Büßgang oon SBarfc^au bis nach Clmüfe fortfefcte,
— ftarb (6. *)iooember 1850) inmitten ber Erregung, welche
bie im äöiberfprudj mit feiner ^olitif unb ofme fein Söiffen
angeorbnete Mobilmachung Ijeroorrief, unb butd) ben 2ob ge*
fjinbert würbe, bie Unterwerfung Greußens unter bas oom
3aren unterftüfcte ©ebot Cefterreicbs felbft ju Gnbe 511 führen —
fjat man ben ©rafen Söranbenburg oötlig unhiftorifch ju einem
(Gegner eben biefer ^olitif unb 311 einem bas 3leuj?erfte ju
wagen cntfd&toffenen SBorfämpfer für ^reufjens 9Jecf)t unb tyu
gemalt. &ier ift, was bas %$olt in einer erfdjütternben Mrifts
oergeblidj erfelmte, inbioibualifiert als SBilte unb (Sntfdjhiß auf
eine fjeroorragenbe $perfönlichfeit übertragen, um bie SScrant*
wortung für eine tief empfunbene Demütigung, beren politifche
Unoermeiblidjfeit uns flar ift, auf bas Schitffal ab^uwäl^en,
bas ben angeblia) ber Situation allein gewadjfenen Mann burdj
einen oorjeitigen £ob abrief.
Das Gharafteriftifche biefer unb oerwanbter Scgenben liegt
weniger in bem hiftorifd&en Stoff als in ber 2lrt, wie ein an
fich siemlidj gleichgültiger Vorgang gleichfam jum ©efäfc ge*
macht wirb, um bie Stimmungen unb (Gefühle bes Golfes
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II. 2>te £egent>e in ber preufjifcf>en Öefd)id)te.
29
grofjen 3 c ^ ere *9 n ifi en gegenüber aufzunehmen. 3m (?5egenfa&
baju ruf)t bei bem, roas man füglich als militärifche Segenbe
bezeichnen fann, aller £on auf bem Xljatfäd)Ud)en. £)ajj biefe
in ber preufetfdjen ftefdnchte eine heroorragenbe !Roüe fpielt,
wirb niemanb rounber nehmen. 3ft bei ihr boch bas oorbilbltche
Moment oon großer SBebeutung: ber SBerid&t oon friegerifdhen
©rofethaten foll bei ben §örern bie gleidjen militärifdjen £ugenben
5iir (Entfaltung bringen, bie ber §elb ber (Stählung geübt hat.
gerner ift jebe größere militärifdje 2lftion an unb für ft<5
legenbenfwfter Sluöfd&müdung unb Umgeftaltung bispomert, ins
fofern es nur feiten gelingt, bie 9Raffe ber babei ineinanber*
greifenben (Sinjelmomente genau nad) bem fie thatfächlidj ht-
herrfchenben ftaufafneruft aufjufajfen unb roieberjugeben. §at
es boch felbft im Kriege 1870 — 1871, roo bei uns alle 33e=
bingungen ju fofortiger unb genauerer Ermittelung unb forg:
famfter 3luf$eid)nung ber hiftoriföen 3Hahrf)cit uorhanben roaren
unb Sachfenner aflererften langes baju $ufammenarbeiteten,
ntd&t immer gelingen motten, ben 3$atbeftonb in aßen ®inje(=
Reiten fidjer gu f onftatieren : auch ba gibt es nod) ein gute«
<5tücf Segenbe mobernften Urfprungs. 3n oiel höherem 3)ta&e
ift bas natürlich ber gaß, roenn mir uns oon ber ©egemoart
entfernen. 3 ur SBefeittgung ber nod) immer üppig touchernben
militäriidjen Segenbe nal)m bie friegsgefd)t<htliche Abteilung bes
©roften ©eneralftabes auf ©runb einbringenbfter gorfdjmng eine
neue Xarjtcttung ber Kriege griebrichs bes ©roften in Singriff.
Uebler noch ftefjt es in biefer £inftcf)t mit ben greiheitsfriegen,
fcfion infolge ber großen 9JoHe, bie ba bas populäre Clement
fpielte, bas ber fiegenbe einen befonberS günfligen ©oben bietet.
(Sin lehrreiches Seifpiel bafür haben ro ir in ber lieber;
lieferung oon bem ©efecht bei föagelberg (27. Stuguft 1813),
mo ber greife ©eneral fiirfchfelb bas ©irarbfdje (SorpS auf:
rieb. „5ßelch ein Slnbltcf" — fo berietet noch Heinrich
o. Xreitfdjfe (£. ©. I, 480) nad) öäuffer — „nrie bie dauern —
furmärfifd)e Sanbnjefjren — auf ein bichtgebrängtes ^tereef
fran$öjifdjen gufeoolfs an ber $orfmauer losfd)lugeu, fdnoetg--
fam, unerbittlich, in namenlofer &>ut: als bas bumpfe brachen
ber ©eroehrfolben cnblidj oerftummte, ba lag ein fcheufclicher
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30
Einleitung.
Seidjenljaufen fjod) aufgefdjidjtet bis $um 9lanb ber SHauer, bas
§irn quoll ben Joten aus ben aerfdnnetterten Sdjäbeln." flein
©eringcrer als TOoltfc Imt (aWilitär^iEöoc^enblatt 1865, $ei=
fjeft 27) nadjgetoiefen, bafj bamals nur 30—35 granjofen ben
Äolbenfdjlägen ber Sanbmefjr erlegen finb — benn eben nur
fo oiel rourben an ber berühmten 9Hauer oerfdjarrt — unb f)ut
im 2lnjd)lufj baran bargetfjan, auf roeld) befd&etbenes 9Jia§ über=
f)aupt bie immer roieberfjolten (Srsäfjlungen über bie SBBirfungen
oon Bajonett unb Äolben befdjranft werben müffen.
2lber aud) an einjelne ^erfonen heftet ftdt> bie militärifdje
Segenbe, inbem fie $ur (Srjielung eines größeren ©inbrutfs ent=
roeber bie gefeierte $elbentljat über bie Söa^rrjeit hinaus fteigert
ober räumlidj unb seitlia) getrennte Vorgänge ju einem Silbe
oereinigt. $as gefdjiefjt 3. 23- in ber Segenbe oon groben*
Opfertob bei gef)rbeHin. £fjatfäd)lid) mürbe biefer jur Sinfen
bes einen Sdjimmel reitenben Äurfürften töblid) getroffen, bem
Öeibjäger Ul)fe aber, ber infolgebejfen feinen &erm ju einem
£aufa) ber ^Pferbe beftimmte, ber ©Gimmel unter bem Seibe
getötet, roä^renb er felbft unoerfefyrt blieb, ebenfalls an bie
geljrbeHiner ©djladjt fnüpft bie burd) £einridj o. Äleift poe*
tifö) oerroertete Segenbe oon bem ^rtnjen oon Hornburg an:
ein übereilter Angriff foll tym trofe bes glfidliajen Ausgangs
bes Äurfürften Ungnabe $uge3ogen baben. Saß ber &elb bie
3lrmee balb banad) unbelofjnt oerliefe, ift richtig, aber abgefef)en
oon Umftänben, bie tyn bereits früher ben SHüdtritt aus bem
Sienft Ratten erwägen lajfen, mar ber ©runb oielmcfn* bas
gänjlidje SHi&lingen feiner 2lttatfe auf bie gegen @nbe ber
Sajladjt oorbrea)enben frifdieu fd)ioebifd)en %xuwtn, bie mit
einer gänjliä^en £eroute ber branbenburgifdften Reiterei enbetc.
öS mag unentfdjieben bleiben, ob biefe ©ntftellung bes Sad^
oerbalts in ber Ueberlicferung oielleiajt auf eine beroufete 33e--
einfluRung berfclben oon einer intereffierten Seite jurücfju:
führen ift. Sin Scifpielen bafür fc()lt es anberroeitig nid)t, unb
bis in unfere Sage oerbanft meljr als eine milüärtfd)e Scgenbe
ifjrc Gntfieljung bem Umftanbe, bafe oon intereffierter Seite,
um einen ber beteiligten güfyrer, fei es in (jeHeres £id)t jut
fefeen ober aus übertriebener, je uadjbem militärifdier ober
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31
nationaler (Smpfinblichfeit, oon Vorwürfen 311 entlaften, in
beredjnenber Slbft^ttid^feit beftimmte Angaben mit autori=
tatioer ^uoerfichtlichfeit fo lange nrieberholt nmrben, bis fie
jum Nachteil ber hiftoriidjen Sßafjrheit oon ber ©efehichtfehreibung
als wohlbeglaubigt aufgenommen mürben. 60 ift 5. 33. bas
Vilb bes Siebenjährigen Ärteges in mefentlidjen &üQtn jum
Nachteil bes großen Königs uerfchoben roorben infolge bes
planmäßigen (Sinflufies, ben bes Königs Vrüber imb ihre
greunbe mit einer gemiffen litterarifchen Vetriebfamfeit auf bie
Ueberlieferung ausgeübt ^aben. 3ft bod) auch bie ©rjählung
uon bes Königs SDiutlofigfeit oor ber Schlacht bei Somofifc aus
ben 2Wemoiren bes ^rt^en 2luguft SBilhelm in bie £rabition
eingef abwärst.
£te Segenbe ift alfo nicht immer als ein fojufagen natura
wücfjfigeS $robuft aus bem burch große (Sinbrücfc befruchteten
©oben bes VolfsbewußtfeinS fpontan h^orgeroachfen. 2Bie
eine Anregung berart aufgenommen roirb unb roeiter wirft,
hängt freilich ab oon ber Sispofitton ber öffentlichen Meinung.
Söeit entfernt oon bem äuge nach 2öaf)rheit beherrfcht ju fein,
läßt biefe ftdt) vielmehr gern täufdjen, wenn es gilt, bas Vtlb
ber Vergangenheit ben fie erfüöenben Söünfchen unb Neigungen
anjupaffen. $aher fann biefe 9lrt oou Segenbenbilbung auch
auf bie politifche ^ßrarjs ber ©egenwart nachteilig einmirfen.
£enn fie rüett nicht nur einzelne ^erfönlidjfeiten ober einzelne
aus ihrem 3ufammenhange getöfte Sreigniffe in ein unrichtiges
Sicht, ionbem entwirft oon ganjen ©reignisreihen, ja ganzen
inhaltreichen 3 e toäumen ein Vilb, bas beren Verhältnis ju
bem weiterhin ©efchehenen gan$ anbers erfcheinen läßt, als es
in Wahrheit geroefen ift.
©erabe in ber lanbläufigen Ueberlieferung ber preußifdjen
©efchichte ift bas vielfach ber gaU. $enn auch bas preußifdje
Volf uerweilt beim SRücfblict auf feine Vergangenheit mit
Vorliebe bei ben lichten, glüdlidjen, fein Selbftgefühl $u heben
geeigneten 3riten. So bietet ihm biefe ein Vilb bar, ähnlich
wie auch bas innerlich 3erriffenfte unb $erflüftetfte ©ebirge bem
fernen Vefdjauer als eine in fdjöner (Einheit ber Sinien frteb=
lieh gelagerte Kette erfdjeint, beren oon blauem $uft um=
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32
Einleitung.
wobene §öben nidjts afyncn laficn von ben Sa)lud)ten unb
grüuben, ben Steinroüften unb SSübbädjen, bie bcr 2Öanberer
barm §u überroinben tjatte. £ierf)cr gehört namentlich, roas
man bie bnnaftifdje Scgenbe nennen mödjte. Sie bebingt lücfcnt-
ltdj bas eigen tümlidje Kolorit, bas ber fonoentioneUen 3)ar;
fteflung ber älteren preufeifdjen Gtefdu^te eigen ift. £enn je
banfbarer ein $olf auf bie SBerbtenfte feines &crrfd)crf)aufes
5urücfblicft unb je oertrauensooller es feine 3uf"nft in beffen
©änbe legt, um fo mebr wirb eö geneigt fein oorausjufcfcen,
bafj bas immer fo geroefen fei unb bafe jenes innige 2krl)älU
nis von jefjer unb 31t allen 3eiten beftanben Ijabc. So f)at
fidj aud) bas prcufu'fdjc 93olf gewöhnt, bereits bie Anfänge ber
$of)en$olIern in einem £idjte ju fehlen, in bem fia) itjrc Söer^
binbung mit ifjrem 23olfe t^atfäd^Tidt) bodj erft feljr oiel fpäter
barfteflt. 2ludj luer tiberträgt eine fpätere (Generation bie &t-
ftif)le, bie fic erfüllen, auf bie früheren (Generationen, bie fie
in biefem 9Kafje gar nidjt Regelt tonnten, unb fefet lieber*
jeugungen, bie für ftc bie Summe aus ber Erfahrung von
3afjrf)unberten barfteHen, bei it)ren Sinnen ooraus, bie bodj nur
bie erften, ferner oerftänblid&en Anfänge biefer Gntroicfelung
gefeljen Imben, i^ren gortgang aber nidjt atjnen fonnten. iUud^
ofme Umbiditung ber einzelnen Xrjatfadjen crfjält bie ältere
branbenburgtfdj=preuftifdje ©efdjidjtc baburdj im ganzen ein ftarf
legenbarifdjeö (Gepräge.
tDas mag befremblid) Clingen. £eimifd) in ber 9)iarf abe
unb if>r unlösbar oerbunben F)at fid) bodj r»or 3of)ann Gicero
fein &of)en$oHer gefüfjlt. So (GrojjeS griebridj I. in 23efrie:
bung unb Orbnung bes auctjtlofer Söerroilberung oerfaßenen
Sanbes geleiftet: nid)t eigentlich um bes fcanbes unb feiner
©inroofjner willen tt)at er es, fonbern um in 33ranbenburg ben
Stüfcpunft 311 gewinnen für bie SBerroirfltdmng ber il)n er*
füHenben ehrgeizigen $läne jur Schaffung eines and) Bommern,
9Jlccflenburg unb Saufen umfaffenben ©rofjftaats. 2lls biefe
fläglid) gefdjeitert, r)at bie 9Rarf fein Qntcreffc mcl)r für it)n
unb er oerläfet fie (1426), um fie nie merjr roieber aufju*
fudjen. Sein ifyn als Statthalter oertretenber Sofm Qobann,
ber £anb unb Seilten oöllig fremb blieb, nmr fror), als er nadj
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II. £ie i'eßenbe in b«r preufttfdjen ÜJefttyidjte.
33
bem frönen granfen gurficffehrcn fonnte. fortbin 50g ftc^ nach
3at)ren felbftlofen unb pflichttreuen Bingens auch griebridj II.
enttäufdjt unb gebrochenen 2Jlutefi jurücf. Wibrecht Achilles ^at
bie ÜHarf nur betreten, wenn e« @elb baraufi ju fdt)affcn ober
fidt> mit Bommern unb SJlecflenburgern henmtjufchlagen galt,
unb wie bie SRärfer oon ihm unb feinen habgierigen fränftfchen
Begleitern bauten, lehrt bafi noch lange umgehenbe böfe 2Bort
oon ben „&ungerfranfen". Erft 3ohann Etcero ift notgebrungen
in ber 2Rarf geblieben. Dicht gang fo turannifch tote bie jeit*
genöffifdje ^erleumbung ihm nadjfagte, aber boch mit harter
Strenge t)klt Joachim I. bafi fnirfchenbe £anb nieber, oon
bem ihn feit bem Einbringen ber Deformation eine unüber-
brücfbare Äluft trennte unb baö er trofebem noch ttn £obe burch
ben ben Söhnen abgebrungenen Gib an bie alte Äirdt)c ju feffeln
ftch unterfing. $afe 3oadnm II. bie Deformation eingeführt
habe, läßt fidf) nicht behaupten: ohne fein 3utfnm roa ^ DaS
Sanb ber eoangelifchen Sehre zugefallen, unb wenn er felbft
auch feft in ber Erlöfungfilef>re fiutherfi murmelte, fo waren efi
boch nicht bloß polttifche Dücfftchten, bie ihn als Vertreter ber
unflaren „mittleren Dichtung" oeranlaßten, aHefi an bie Er=
haltung ber fircblichen Einheit 311 fefcen, bie ihm um Bei-
behaltung ber bifdjöflichen Berfafiung, ber fatholifdjen ßult*
formen unb ber päpftlichen Suprematie nicht ju teuer erfauft
fd)ien. &at er boch burch fein Eintreten für bafi 3nterim M
feinen in ihrem ©etoiffen beunruhigten Untertanen eine mit
geioaltfamer Entlabung brohenbe Erbitterung herauf bef dnooren !
2Saö oon ber märfifchen Deformation, fo weit fie ben Stempel
feines (Seiftefi getragen, ju halten ift, lehrt sur Genüge bie
Xlwtfache, baß noch fein Enfel 3oad)im griebrtch, ber bie
geffeln ber Jlonforbienformel mutig abgefkeift, Mißbrauche
abschaffen fyattt, mie bie Eleoation befi Saframentö, bafi
3lufjiehen ber höljernen £aube am ^ßpngftfeft, bafi kaufen ber
3ünger am Dfterfeft, bie 2)arftettung ber 2eiben Ebrifti in ber
ßanooche u. a. m., bie allem eoangelifchen $cnfen §ofni
fprachcn.
^crgegemoärtigen mir uns bem gegenüber baö Bilb, bafi
oon ber £hätigfcit unb ben Erfolgen ber erften &of)en$olIern
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34
(Einleitung.
in ben populären Starftedungen, bcn &anbbüchern unb Seitfäben
gegeben 511 werben pflegt, fo werben wir feinen legenbarifchen
Gfwrafter nicht in Äbrebe ftetten fönnen. <5s wäre bod) wohl
an ber Qtit, mit ihm $u brechen unb auch fykx bie fn'ftorifdt)e
2Bahrheit ju ihrem fechte gelangen ju (äffen. 9Kag baräber
and) ber eine ober ber anbere &errf$er oon feinem trabitio-
neden ©lortenfchein etwas einbüßen : it)re ©efamtheit gewinnt.
2)enn was bura) fic erreicht unb geleiftet ift, erfajeint um fo
bebeutenber, je mehr wir uns ber Schwächen unb 3 rrtümer bes
einzelnen bewufet werben, ihnen bamtt menfdjlid) näher treten
unb auch bie öinberniffe recht würbigen lernen, bie fic gu über--
winben Ratten. (Sin mutiger 33er$icht auf bie bimaftifche Segcnbe,
bie eine an fidj oerftänblidje Pietät bisher gehütet, würbe bie
patriotifch anregenbe SBirfung ber 23efd)äftigung mit ber oater=
fänbifdjen (Sefdnchte nur noch fteigern.
©röfeere Erfolge gewann bie (nftorifdje SBiffenfdjaft gegen:
über ber politifdjen Segenbe. Schon fmt im Vergleich mit ber
fonft ^errfa^enben Ueberlieferung mandjer Slbfdjnitt ber prcu=
fjifdjen (SJefdndjte ein wefentlidj anbercs Sluöfefjen angenommen.
Stafe bie politifchc Segenbe bei uns üppig ins ßraut gefchoffen,
ift begreiflich genug. $enn wo bie ftaatlidje ©ntroicfelung fta)
im Kampfe fetnblicher politifdjer ^rinjipien oolljieht — unb
bas ift boä) eigentlich bei aßen großen (Sntfcheibungen ber gall — ,
ba benufet, wie wir aud) in unferen £agcn beobachten fönnen,
ber fiegreidje £eil feine Äraft namentlich, um ben unterlegenen
©egner aud) oor ber Fachwelt ins Unredjt 311 fefcen unb bie
Ueberlieferung fo gu beetnfluffen, ba& fein Triumph als bas
für bie ®efamtt)eit SöünfchenSmertc unb öeilfamc erfdjeint.
$)er augenblicf lidt)e Erfolg fott majjgebenb fein für bas Urteil
ber ®efa)ichte. Unb wie fdjwer ift es bann, bcn SBann ber eins
mal jur &errfchaft gelangten ^arteitrabition 311 brechen unb
ber geflieht liehen Sßahrheit gur (Mtung ju oerhelfen !
Ob bas 3errbilb ber ßegcnbe jujumeifen ift, bas ehemals
oon flönig griebrich Silljelm I. entworfen würbe, mag 5wctfcl=
haft ericheinen. Sicher aber gehört ihr gu bas jur Qzit ,,oa )
fafl allgemein rezipierte 35ilb ©eorg SÖtlbelms unb mehr noch
3(bams oon Schwarzenberg. 2l(s Sanbesoerräter unb gartet;
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II. Sie Scgenbe in bcr preufetfdjcn 0efrf)icf>te. 35
ganger beä flaifers unb bei* flatholifcn oerfchrieen, ift tefeterer
burch bic neuere gorfchung ats ein roürbiger 3ettQenofjc S^id^c-
lieuö erroiefen roorben. 3m ftampf mit ben Stänben, bie ein
lanbeaFjerrlüijefi Decht nach bem anberen an fid) gebraut ober
entwertet Ratten, oerfudjte er für Skanbenburg bie erfte 93e=
bingung einer felbftänbigen ^olitif 51t fdjaffen, ein ftehenbefi
§eer, unb mar bem 3iele gan§ nahe, als ber 2ob bes ihm un*
bebingt oertrauenben ®eorg Söilbelm einen jähen Umfchnmng
herbeiführte, ^erfönttdj gegen Sdjroartjenberg erbittert, fd)lug
fldtj ber junge „neue £err'"' öuf bie Seite ber Stänbe unb oer*
fu^te efi mit ber oon ihnen gewollten Neutralität, ofjne ben
5Rücff)alt eines fdrtagfertigcn leeres, um fid) nad) brei fahren
oerjroeifelten Bingens oon ihrer Unmögtichfeit 311 überzeugen
unb burd) bie SRücffehr jtt bem Softem bes oerfjafcten oäter;
liefen 2ttintfter8 Rettung 31t fudjen unb 31t finben. 3n3roifchen
aber mar unter eifriger 2Ritroirfung ber Stäube, bie, eben
noch bem erliegen nahe, über Schwarzenberg triumphiert hatten,
unb nicht jute&t burd) amtlidje 2leufterungen über biefen bie
politifdje fiegenbe fonftruiert unb in Umtauf gebradjt, bie jefet
erft oon feinem 3(nbenfen genommen roirb. @S braucht faum
noch h crüor Ö c ^ oöen 5 U werben, roie anberö ftdt) nun auch baö 33ilb
oon ben gemeinhin ftarf Bezeichneten Anfängen beö ®rofeen
Murfürften geftaltet. 2tud) ber Ausgang oon beffen Regierung
ijt legenbarifd) ausgefdjmütft, roenn im $ienft einer feine 3cit
erfüöenben politifdjen unb fonfeflioneUen £enben$ behauptet
unb lange geglaubt roorben ift, branbenburgifche Gruppen
hätten Wilhelm oon Oranien auf feinem bie Freiheit Guropas
unb bie Deformation rettenben 3"Ö* (Snglanb begleitet:
nur um eine ©edung ber 9iieberlanbc in feiner Stbroefenhcit
gegen einen franjöfifa^en (>teroaltftreich h a,l ^ e ^ e cö W ^ti Dcm
betrefjenben Slbfommcn.
©in Seitenftücf 311 ber Schroarfcenberglcgenbe bietet in ge=
roiffer &infid)t bie traurige ©efdnd)te berühre 1805 unb 1806.
SBährenb für bie roiberfpruchsoolle unb unreblidjc s J>olitif, bie
Greußens SSerhängniö befdjleunigte, nach ber h^fömmtichen
3(uffaffung bie Unfähigfeit unb Gigenmächtigfeit oon £augroifc
oerantroortlid) gemacht rourbe, beffen tarnen in ben äugen ber
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36 (rinleitung.
Patrioten raie gebranbmarft fdüen, hat bic (Srfchließung bcr
arcf)it>aüfdf)en CucHcn oielmebr gelehrt, baß biefen faum eine
befonbere Schulb trifft, ba er in ber föauptfache nur bic vom
$önig perfönlich gewollte unb ihm »orgeseichnete $o(itif burcb=
führte. 2lls politifche Segenbe ift ferner bie 3lrt $u bezeichnen,
rote man gemeinhin bie ftataftropbe bes Qahres 1806 in erfter
Sinie unb foft afletn ber 23efd>affenf)eit bcr preußifchen Slrmcc
fdjulb gibt. Sem wtberfprechen bic aeitgenöfftfehen Senate,
wiberfpridjt bas Urteil ber fompetenteften SHänner, eines Scharm
r)orft, eines Glaufewife, eines Dtüdjel u. a., wiberjpricht namens
lief) auch bie für feine gan$e 3"^nft entfebeibenbe Stebeutung,
bie 23onaparte fetbft gerabe biefem SBaffengange, als er ilm
antrat, beimaß. SBeber bie regenbare SBorfleHung r»on bem $u
hoben Silter ber preußifchen (Generale, noch bie r»on bem niebrigen
geiftigen unb fittlichen Staube bes Offtsiercorps ift aus ben
Duellen erweisbar, bie geringe numerifdje Stärfe bes &cereö
aber, foroie bie jweifellos unglüefliche 3ufammenfefcung bes
Hauptquartiers reiben felbfl in Skrbinbung mit ber altmobifcb
oerfünftelten 2luffaffung ber Kriegführung, bic ftatt auf Ver-
nichtung bes geinbes $u benfen, auch auf bem Schlad)tfelbe
nur 3Jlanööerer.er5itien machte, nicht aus, um bie uernichtenben
Solgen einer oerlorenen Schlacht für ben ganjen Staat 31t er-
flären. Üflun erft offenbarte fich in ber Slrmcc, woran mit ihr
bie Regierung, bie Veamtenfdjaft, ber 2lbel unb bas Bürger:
tum, mit einem Sßorte bas 93olf in feiner ©efamtheit franste,
bie burch eine feichtc Hufflärung großgezogene falfdje föumanU
tat mit ihrer leichtfertigen ©enuß= unb Selbftfucht unb bem
felbftbetrügeriichen Kultus ber in lichtem ©lorienfehein gefehenen
Vergangenheit. <5s mar baber ungerecht unb roiberfprach bem
wahren Sachverhalt, wenn bamals bie Slrmee allein für bic
ftatafkophe oerantmortlicb gemacht rourbe, bie ben Staat bes
großen griebrich su oernichten brohte. SÖcil bem Volfe bic
(Sinfidjt in bie üHotroenbigfeit, ben 9lufeen unb bas SRccbt bes
fieeres abbanben gefommen mar, hatte auch biefcs ben (Glauben
an fich fetbft unb bamit trofe aller £üd)tigfcit im einzelnen
bie erfte unb oornchmfte SBebingung bes (Belingens eingebüßt.
3Jton fönnte gcrabeju fagen : an ber Segcnbc oon ber Unfebl--
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II. Sie Scgcnbe in ber preufctföen Öeföidjte.
87
barfett beö frtbericiamfc^cn Sßreufeentums ift ^reufeen 1806 $u
fajanben geroorben, unb bcnnodj ift bicfer Vorgang fetbft als=
balb roieber burdj eine neu emporfpriefjenbe Segenbe oerbunfelt
unb entfteat roorben! lieber bas furchtbare ©rroadjen auö bem
einen oer^ängniöootten Irrtum fudjte man ftdj In'nroegsutä'ufdjen,
inbem man fiä) alsbalb in einen anberen einfpann.
SSer mit und ber heutigentags ja mandjem altmobifdj er«
fcfyetnenben Meinung ift, ba& bie ©efc$ic&tfcfjreibung ifjre oor=
nelmtfte ©inroirfung auf bie ©efamtfyeit ber Nation in politifdj
aufflärenber unb cr§icf)lidr)er SRidjtung gu fud)en r)at, unb bafj
fic bafjer im Streben nad) (Srfenntnte ber SBafn-ljeit unb wu
gefdjminfter Mitteilung berfelben eine oon ü)rem SBefen un=
trennbare moralijdje ^ftidjt erfüllt, ber wirb eä mit uns im
nationalen Sntcrcffc für geboten erachten, bafe aucf) bie preu=
fjtjdje ©efdjidjte ber im Saufe ber 3^it in fie fnnemgefommenen
legenbaren Elemente mefjr alö bisher unb aßmäfilid) gan$ ent=
ffeibet werbe.
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Mt (Elemente te* pmißiftfien Staates
(bis 1598).
I. J&tv £faaf b*s Ifoutfdjtn #rbcns in }2reuf**n.
1. pte ©robmmg 9raftrit*. 1228—1295.
ben tarnen atiein »erbanft bcr Staat bcr ftotyn--
Sottern bcm urfprünglidj unbeutfd&en ^reufjen. (Srft bic $er=
einigung mit biefcm befähigte if)tt, bic Sdjranfen bloß rcidjs=
ftänbiftöen ©afeins ju burdjbredjcn unb als Staat eine im
eigenen SRedjte rourjelnbe 3«^««^ 3« geroinnen. Senn Spreufjen
braute if)m als foftbare Mitgift ju eine in if)rer 2lrt einige
Vergangenheit, bie ben roerbenben Staat mit ben [topften @r=
innerungen ber beutfdjen Vorjeit, ja ber abenblänbifdjen
6t>riftenf)eit uerfnüpfte.
Saft mit 9icib blidte man jur ftcit bes finfenben SReidjes
oon !Rf)ein unb Sonau nad) bem „neuen Seutfdjlanb" an $regel
unb Kernel — einem ßrieger= unb Seamtenftaat, rote ilm bic
Sßelt nod) nid&t gefef)en. Obgleid) entfprungen aus bcr GUaubenS=
fd)roärmerei, bic in ben Ärcujjägen bie föomantif bes 9Mttcl=
alters 511 ebenfo glänjenber roie oerganglidjer Gntfaltung braute, •
rourbc ber Staat beö Seutfdjen Orbens in ^reufeen bas Ur=
bilb militärifd^politifdier Organifation im $ienft au^eit fdjlag=
fertiger 2öef)rf)aftigfeit, unb roeift fo Ijin auf ben Staat, ber
als ßrbe feines Samens sugleicf) fein SSefen nodj ausgeprägter
unb nodj roirffamer roieberfjolen foHte. ©rinnern bodj felbft bic
preugifdjen garben an ben mit bem fdjroarjen Strebe ge$eia>
neten roeifcen Hantel ber Seutfdjorbensritter, unb ben ein;
föpfigen 2lblcr, einft bes «Reimes 2lbaetd)en, führte ber 9tfeifter
bes Orbens im Sdjilbc. £al)er griff nod) Äönig grtebrid) mu
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I. 2>er Staat be$ $eutfäen Drbenö in ^teufeen.
39
fyelm III., als es galt, ben Selben bes greiljeitsfampfes einen
mürbigen Sofm ju ftiften, jurütf auf bae flreug ber beutfdjen Herren
$u ©t. SHarien: nad) if;m bilbete er bas ©iferne Äreua. 60
fnäpfen l)ier efjrroürbige ©ombole ber ©egenroart an baö «Mittel*
alter unb lajfen fid) oolle fieben 3a Wunberte rücfroärts »erfolgen.
2)enn ftebenfjunbert 3<»f)re ftnb oerflofien, fett wäfjrenb
ber Belagerung von Slccon (1189—1191) gur Pflege beutfdjer
Äreujfa^rer unb $ilger unter 3 e ^ clt / b* c man auö Den Regeln
bremtfdjer unb lübifdjer ©djiffe erridtfete, unter 2luffid)t bes
3o()anniterorbens ein gelbf)ofpttal entftanb, als Erneuerung unb
gortfefcung einer ctr)n(id^en Stiftung, bie feit 1128 in 3*ni s
falent beftanben fjatte. ©länjenbe Qeittn fdjienen bem beutfd)en
iBolfe aufzugellen. $es «Rotbart <5of)n r)attc bas 3beal faifer*
tiefer SBeltfjerrfcfcaft nafjeju oerroirflidjt unb rüftete ftdj, aud)
im Sanbe ber ßreuafaljrer bie beutfdje $Borf)errfd)aft 5U be*
griinben. 3(>m oorauSsiefjenbe beutfdje gflrften erroeiterten 1197
jenes fiofpital ju einem geiftlidjen «Ritterorben, ber nad) bem
SBorbilbc ber Templer unb 3of)önniter mit ben ^Bflic^teu bes
s JRönd)tums bie bes Kampfes gegen bie Ungläubigen oerbanb.
Sollte man babei nid)t 00m flaifer gebilligte nationale Qielt
im 2luge gehabt, jugleid) militärifdje unb politifdje 3we<fe oer*
folgt fjaben ? @s fdjeint, als ob ber neue Drben beftimmt mar,
als eine 2lrt oon äolonialrruppe bie beutfdje Soweit im Dften
ju fiüfcen. 2lber foldje (Sntmürfe burdfifreuste §einrid)S VI. Xob.
2)oa) fjat ber Drben aud) fo ©roges geleiftet, ©röfceres als
ifnn jenfeits bes SReeres möglidj geworben märe. ^roar rourbe
er, aus ber 2lbf)ängigfeit oon ben 3^annitern gelöft, 1199
burd) ^apft 3nnocen$ III. reid)lid) mit 9led)tcn unb greifieiten
ausgeftattet, erwarb aud) in ben Sergen um Xoron (Xibnin)
unb um fein fiauptljaus ©tarfenberg (9Rontfort), norbroeftlid)
oon Slccon, ©üter, bie er geroinnbringenb beroirtfdjaftete : aber
es bort ben beiben älteren Drben gleid) gu tljun, mar ifmt bod)
nid)t möglid). 3m 9(benblanbe fid) älmlid) 511 entroicfeln wie
bie Templer, f)inberte if)n fein national beutfdjer Gfarafter.
©tanb ba nid)t 311 fürdjten, ber Langel einer feiner 23eftim=
mung entfprecfjenben Sbätigfeit mürbe ifnn nad) bem na^en
SBerlufte $aläfHnas ernfte 0efaf)ren bereiten?
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40 ©rfteS $Jud). Sie Elemente be« pmtfcifäen Staatcö (6i$ 15i*s).
$as erfannte toeitblicfenb fein brittcr SUieifter, ber ftaats*
Muge Hermann oon Salja (1210 — 1239), ber Vertraute flaifer
grtebrtcbs II. : er fieberte bem Orben aud) für bie 3"^»ft bic
SRöglidtfeit bes Kampfes für ben ©lauben, in bem bie 33e=
redjtigung feines Safein* tour$ettc. 3"ölei<h bahnte er
ihm ben 2öeg $ur ©rünbung einer eigenen £erritoriaff)err=
fd^aft, bie U)n unabhängig machte oon ber Ghmft ober Ungunft
lucltlid^er unb geiftlicber ©eroaltbaber. greilicb führte nicht
gleich ber erfte Verfucb jum 3iele; tool)l aber geigt er, nrie
auch biefe ritterliaVmöndjifdje ©enoffenfdjaft frür) nach 33eftfe
unb SJtadjt ftrebte unb babei aud) oor Unrecht nicht jurürf=
freute. So gemährt er uns bie Sßittel, um bie ftarf legen:
barifdj gefärbte (Srjäblung tum ber nachmaligen ©rünbung
bes Orbensftaates auf ihren btjtorifcben Kern $urücfjufübrcn.
Senn toas ber Orben in $reufjen erreichte, wirb er wohl ä&m
licben Mitteln ju bauten gehabt haben, wie er fie bei bem
erften Unternehmen ber 2lrt im Surjenlanbe angetoanbt ^atte.
3m 3atjr 1211 gab König 9tnbreas II. oon Ungarn bas
unbewohnte JÖurjenlanb im Süboften oon Siebenbürgen bem
Orben ju fielen, um es als 3Rarf gegen bie wilben Humanen
etn&uridjten unb mit Kolonisten ju befefcen. 33alb erhoben ftd^
ftatt ber anfänglichen hö^ernen Sdjuferoebren ftattliche Surgen,
barunter auch eine 9ftarienburg, Unb fächfifche unb flanbrifcbe
©inwanberer begrünbeten eine höhere wirtfdjaftlicbe Kultur, bie
bei Steuer; unb öanbelsfretheit balb fröhlich gebieb. 2lber
ber Orben fud)te [ich ber Sebensabbängigfeit 511 entjicben unb
ootle Sanbesbobett 311 gemimten. Ser König rootttc ihn beslmlb
auörocifen, boch [teilte firchliche Vermittlung ben grieben noch
einmal her. 2tls bann aber bie beutfehen Herren in Verfolgung
bes gleichen 3ieles bas Sanb bem heiligen ^ßetruä $u eigen gaben
unb fo auch ben Sifd)of oon Siebenbürgen in feinen SRedjtcn
bebrobten, erhoben mit biefem König 3lnbreas unb fein tbat:
fräftiger Sohn 93ela IV. ßinfpracbe, unterftüfot oon ber natio*
nalen Abneigung bes ungarifchen 3lbels gegen bie gremben.
Sas Sttfommen oon 1211 tourbe wiberrufen: 1225 mußten bie
bitter bas öurjenlanb räumen, unb alle Bemühungen ber römi;
fchen Kurie 511 ihren fünften blieben erfolglos. Sa mar es benn
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1. Xtx Staat beö 2)cutfa)cn Crbenä tu ^reufeen.
41
eine glüdlichc gügung, Da & eDcn batnatd bem Orben fidj bie
3ttöglid)feit crfc^Iofe, ben SBerfuch jur ©rünbung einer eigenen
Xerritorialherrfchaft anberroärts unb unter günftigeren Um=
ftänben ju erneuern: bie Erfahrungen im SSursenlanbe lieg er
babei nicht unbenufct.
Unfähig fidj ber heibnifchen Greußen ju erwehren, ging
§erjog Konrab oon 9J}afowien ^ermann oon ©alja um §ilfe
on. $enn biefe für bie djriftltcfye Kultur 511 gewinnen, fjatte
$o(en ftdt) unfähig erwiefen, unb fehr mit Unrecht ift nach=
mals öifdjof Valbert von $rag (983—997) als 2lpoftel ber
^reufcen gefeiert worben. 93on (Geburt ein (Sjeche, ein ©enoffe
jener ©djwärmer, mit benen ber unbeutfdje Otto III. bie theo:
fratifdjen 3beale bes granjofen Oerbert oerwirflichcn wollte,
im ©ebränge sroifc^en ber hierardjifchen Strenge feines Ober=
Birten unb ber Unbänbigfeit feiner Sanbsleute, ging er unter
bem ©chufe unb im 3"tereffe dolens jur 93erfünbigung bes
©hriftentums nach Sßreufjen unb fanb, plan= unb äiellos barauf
los abenteuernb, von ben ©einen oerlaffen, im ©uchen nach
einem rettenben SÄuSmeg an unbekannter ©tätte einen nicht
begehrten 3Wärt»rertob. (Srft fpäter ift bas unüberlegte Stben*
teuer $u einer firchlichen ©ro&that gemalt, welche bie fiegenbe
bis jur Unfenntltchfeit mit üppigem SRanfenwerf ummuchert
^at. $er heimatlofe g3ifd)of, ber ein oerfehltes Seben ofme
©ewinn für bie Kirche ruhmlos befchlofe, würbe jum ^reu&em
apoftel, ben bas ©laoentum, um feine 2(nfprüdje auch auf
einen firchlichen SRechtstitel ju grünben, ju feinem 9totional=
^eiligen machte. 5Dic ©eutfdjen gebadeten feiner erft, als ber
Orben ihn für feinen Vorläufer in ^reufeen ausgeben tonnte.
Stuf feinen tarnen mürbe bie Kathebralfirdje bes öistums
©amlanb in Königsberg geweiht. 2)as erweefte wieber ben
©lauben, er fei im ©amlanbe, bis wohin er gar nicht ge-
fommen fein fann, erfragen roorben. ©chlie&lid) lofaTifierte
fi<h bie ©age in bem Sttaße, bafi 1422—1424 ber Orbens=
marfchall ftibmig oon Stanfe auf ber ©öfie beS famlänbifc&en
©tranbes bei £enfitten, n)efilicr> oon gifchhaufen, eine ©t. 9tba(:
bert geweihte Kapelle errichtete, für bereu SBefudj ^apfi (Sugen IV.
einen befonberen 2tblnft gemährte, ©päter oerpel fie, roic 2lbal--
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42 Grfteö ©ua). 2)ie demente bes preujjiföen Staates (5te 1598).
bert felbft feit bcr SReformation in $ergeffenbeit geriet. (Sin
Sturm legte fte 1669 in Xrümmer, unb erft in neuerer 3*i*
fwt eine fromme spolin ju @t)ren ibres 9ktionalf)eiligen bort
ein Ijofjes eifernes flreu^ errieten (äffen. 2lts SRadjfolger 3tboI=
berts galt 23runo oon Querfurt, ein bem Äaiferlmufe oermanbter
<5ad)fe : aber obgleich er jur 3eit bes £öf>eftanbes dolens unter
fiersog 33oleslato III. in päpftlid&er $olhnadjt als Grsbiföof
bas Söagnis unternahm, fiel auä) er 1009 unter ben ©treiben
ber f)eibnif<^en ^Breufeen.
Grft im ftaufifdjen 3 e i ia ^ cr mürbe bie Sefe^rung ber
v £reu&en oon neuem in Singriff genommen, einmal oon bem
fübluf) benachbarten 2Hafoioien f)er burdj bie (Siftcrcicnfer oon
Sefno, bann oon ^ommereHen au«, einem buräj bie Söeicfcfel
oon s ?reu&en getrennten polmfdjen Xeilfürftentum, in bas oon
Bommern f>er bie beutfdje Äultur Eingang fanb. ©ort fatte
1178 gürft ©ambor roeftlid) oon Stanjig, am Ausgange eines
licblid&en 28albtf>ales nafje bem SWeere, bas Älofter Dlioa ge=
grünbet ; 1186 tourbe es mit (Siftercienfern aus bem fd)lesroigfdjen
tflofter iRoe befefct, gebiet) aber nid)t unb erfjiclt 1195 einen
neuen ftonoent. 2(ud) gab ©ambor bem 9tttterorben oon <£ala=
traoa bie 93urg £uman bei 2)ietoe, bod) roofjl um fid^ feiner
gegen bie ^ßreuften 511 bebienen. 2Utd) bie tfomturei ber 3° $
banniter in ©d)önecf wirb einen ähnlichen Urfprung faben.
3uerft aber fammelte ein 9Wönd) oon Dlioa, Gfjriftian, in bem
naben ^reufeen eine f leine cbriftlidje Öemeinbe, bie 3"nocen$ III.
1210 bem (Srabißtum ©nefen unterftellte ; 1215 aber mürbe
Gfjriftian 33ifd)of oon Greußen. S3alb jebodj geriet bie junge
^flanjung r)art ins ©ebränge: §u ibrem heften lieg fd)on 1217
&onorius III. in ben 9tocparlänbem bas flreuj prebigen, mujjte
aber fdjon 1221 bie fiegretdjien jlreujf obrer ermabnen, nid)t
übermütig ju werben, fonbern S3ifdt)of ßbrifttan bie fdjulbige
CSt)rc $u erioetfen. tiefer nämlidj bad)te, fo fdjetnt es, in
^reufjen einen älmlicben Staat ju grünben, mie er in Stolanb
unter bem 33ifd)of oon SRiga entftanben mar. £0511 bot ^er^og
tfonrab oon SMafonrien bie fianb: jum ®anfe bafür, bafe ©bris
ftian bem als tfreu$faf)rer ins Sanb gefommenen ^erjog ©ein*
rief) oon ©d)lefien erlaubt falte, bie oon ben Greußen jerftörte
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I. $er Staat beö 2>eutfd)en Crben* in ^ßreu&en.
43
23urg Rulm roieber aufzubauen, fd&enftc er if>m einen Xeil bes
flulmer £anbes, 23 Surgen nebft ben $ugef)örigen Dörfern, mit
allen herzoglichen Hechten »nb fügte bann noch 100 Dörfer unb
©üter (jinju mit allem, was ihm felbft in jenem ©ebiete ge=
hörte. 2fadjj oer$icf)tete auf bes &eraogfi Sitten ber Sifchof unb
bafl &apitel oon 5Hocf 511 gunften (Sfjriftianö auf alle ©üter
unb fechte im ßulmer fianbe. CShriftian gewann alfo für bie
eine 33urg eine umfängliche XerritorialheTrfchaft. 3(uä) foflte
Don bem (Ertrage ber in anberem (Eigentum oerbleibenben ©üter
bafelbft if)m in 3utunft ein £eil zufallen. $och traten ron
ben benachbarten dürften unb ©rofjen manche (Stjriftian ge*
fliffentlich Abbruch, inbem fie bie Reiben heimlich aufregten.
Slufeerbem mifchte fid) im SRärj 1224 Äaifcr griebria) II. ein,
inbem er bie neubefefjrten ^ßreu&en unter Seftätigung if»rc«
Seftfceö, ihrer SRedjte unb greiheiten, oon jeber anberen fürft-
liefen Roheit erjmiert, ben freien Unterthanen bes deiche«
gleichfteHte, fo ba& fie nur biefem unb ber römifchen 5Ur<hc
gehorchen faßten, dagegen erflarte $aoft ©onorius III. burdj
eine Öutte 00m 3. 3anuar 1225, fie feien allein Ghriftuft unb
ber römtfehen Äirche ©eljorfam fchulbig. ©eroinn aus biefem
Streit ber hochften ©eroalten hatten natürlich nur bie Spreufjen.
So fah Öifchof Ghrifticm balb feine ©rfofge gefährbet. $a
errichtete er, roieberum nach bem SBorbilb beö Sdjroertbrüber*
orbenä, ben ber SRigaer Sifchof zur Sefämpfung ber Reiben
geftiftet hatte, einen geiftlichen SRitterorben. Stach ber 23urg
$>obrin benannt unb beftimmt, SWaforoien 311 fcfjüfoen, rourbe
biefer auch oon ©erzog ftonrab unb bem Sifdjof oon 93locf mit
fianb befchenlt unb erhielt roie bie älteren ©enoffenfehaften ber
2trt bas blecht, Kirchen zu bauen, Pfarrer 3U ernennen unb
00m 3 e h"ten freie beutfehe floloniften anjufiebeln.
2Bie eö nun aber fam, baß ©erzog flonrab um biefelbe
3eit auch ben ftcutfehen Drben herbeirief, oermögen mir nicht
$u fagen. 9iach bem 9Ri6gefcf)icf, baö er eben im Surzenlanbe
erfahren hatte, ging ©ermann oon Salza gern auf ben Antrag
ein, fobalb er burch auögefanbte Orbenöbrüber oon ben SBer*
hältniffen beö Sanbeö einige ßunbe erhalten hatte. 9JHt bem
©erzog mar er fchnett einig; auch Sijchof Gfjriftian machte feine
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44 t^rftcö öud). £ie (demente be$ preufeifdKn Staates i:»9*).
©djioierigfeiten : glaubte er bod) nach, ben ibm geroäbrtcn Ur=
funben bcr £erridmft im Äulmcr Üanbe unb fogar eines Xcilö
oon bcm eroberten spreufcen fid&cr 511 fein. Ob aber ber Orben
cbenfo backte, ift jtoeifelfjaft. Sein SBerfafjren im Surjenlanbe
itnb ber oon Äaifer griebridj II. be$eugte Eifer feines StteifkrS
für ©etoinnung einer Gerrit orialberrfdjaft laffen anbere $läne
bei if)m oermuten. $enn nur einen jeljr befdjetbenen 3lnfang
bebeutetc, was i^m bei ber Uebernafjme bes Kampfes gegen bie
^reufeen oon ben beteiligten 3Jiäd)tcn junädjft jugeftanben rourbe.
3m 3Här3 1226 erlaubte ifym ber S^aifer bie Shtnafjme bes tljm
oon &er$og flonrab angebotenen flulmer Sanbes unb oerlief)
ifmi für bie (Gebiete, bie er in ^rcujjen eroberte, rcid)Sfürftlidje
9Jed)te. 2$enn er babei bie Erwartung ausfpradj, bcr Drben
roerbe bie (Sadje energifd) angreifen unb burdjfübren unb nidjt
oon bem begonnenen jurüdtreten, roie anbere getrau, bie 9)tübe
unb 9lrbeit oerfebroenbet, of)ne etroas ^u leiften, fo ging bas
roohj auf 23ifdjof ©f)riftian unb bie Alirdjc. §cr$og ßonrab
(rotte ocrfprodjen, bem Drben im $ulmer £anbe unb in ber
(Srenjmarf jroifd)en 9)toforoien unb ^Preufeen Sanb 51t übcrlafjen.
©eine ©djenfung fann ntd&t, wie ber Orben nadjmals behauptet
bat, bas gauje Äulmer Sanb umfaßt baben, bas ja 311m größten
Seil bereits Sijdjof (Sbriftian geborte. SMelmeljr erhielt ber Orben
nad) Slusroeis einer päpftlidjen Steuerung oon 1230 nur bas fdjon
früher f)ergeftellte Äulm nebft einigen anbercu örensburgen, fo=
roie bie Slnerfennung feines Eigentumsrechtes auf bie ©ebiete, bie
er ben Greußen abnehmen mürbe. 3a, es fdjeint fogar bie JHüef =
gäbe bes flulmer Sanbes an ben öerjog in 2lusfid)t genommen
ju fein, fobalb bie Eroberung ^preupens beenbet fein mürbe.
$te Ueberlieferung fdnlbcrt bie Anfänge bes $eutid)en
Orbens in $reufeen freilief) gan$ anbers. $a erfdjeint er fo=
fort als ooHberedjtigter Eigentümer bes tfulmer Raubes — eine
9luffaffung, bie polnifdjcrfcits ftets beftritten ift unb ber audj
bie fixere fnftortfdje Segrünbung fcfjlt, trofc bcr Urfunben, bie
ber Orben 311m Grroeis feiner 9tcd)te naä)mals beijubriugen
gemußt bat. 2lud) nationaler Eifer, mie er fpäter $mifdjen
Seutfdjen unb ^olen entbrannte, Ijat bie gefd)id)tlid)C 2Bat)rf>eit
oerbunfelt. Slam bod) mit ber Uncrroeisbarfcit einer Sdjcnfung
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I. 2>er Staat bcä 2>eutfa)en Crbcnö in $>rcufjen.
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bcö ganzen Jlufmer Sanbefi an ben Orben bic rechtliche ®mnb=
tage für ben Orbenäftaat überhaupt in grage. Olme im ein=
jetnen flar 511 fehen, lägt bie ganj 311 gunften beö Orbend ge^
färbte Ueberlieferung bod) ernennen, bajj ber Orben, eingeben!
beö im 93uraentanbe erfahrenen, bie ©unft ber Umftänbe ohne
Sfrupeln autinufcte unb bie ftinberniffe, welche feine entwürfe
and) bieämal an oereitetn brohten, rtidfftd&töloö befeitigte.
£a$ iBerhältniö, baft nun im ßulmer Sanbe swifdjen 93ifd)of
6()riftian nnb bem Orben beftanb, mar unhaltbar. behauptete
erfterer feine Stellung, fo mar ber Orbcnöftaat unmöglich ; beffen
SBerwirflidjung hatte ben gaH ber bifd)öflid)en Roheit jur $or*
ausfefcung. Obenein waren beibe in $3e5ug auf ^reugen SRebem
buhler. Gö gejehah wof)l fdjon nid^t ganj freiwillig, bafj 33ifdjof
Gbriftian auf päpfUidje Ermittelung 1230 bem Orben alles
abtrat, was er burd) Jfonrab oon 9Jiafowien unb ben SBifdjof
0011 $locf im tfulmer l'anbe über bafi eine drittel befl fianbes
hinaus erhalten ^atte : baoon foflte ihm in 3 u * u nft ieber
beutfehe Sßflug 3wei unb jeber flar-ifdje ein 2Wa§ ©etreibe ent*
rieten, währenb er bas ihm oerbleibenbe fianb — 200 pflüge
§u je 3 §ufen — mit ßoloniften befefcen ober befefeen laffen
fonntc. Seine bifdjöflidjen SRea^te unb einfünfte blieben uns
geminbert. 2>on bem burch ihn in ^reufeen Groberten aber
foflte ber Orben groei, ber SMfdjof ein ©rittet erhatten, beibe
mit üoHem tanbesh^rrti^en SHcd&t. erfüllte ber Orben biefe S3c-
bingung nicht, fo mar ber öifchof berechtigt, bie eben abgetretenen
©ebiete jurüefsunehmen. 3m tfutmer Jßanbe mar bie bifchöfliche
Öerrfdjaft bemnach fchon arg gefügt : es fragte fid), ob fie in
^reufeen überhaupt würbe auffommen fönnen.
28ie wenig wußte man bisher oon Sanb unb beuten in
Greußen ! Sie unbefangen tennen ju lernen, h a * ber erbitterte
Äampf ber nächften 3ahr5efmte ben SJeutfchen ooflenbö unmöglich
gemacht. 3br ®laubensetfer hat bem überwunbenen unb fchliefc
lieh auggerotteten SBolf möglichft Schlechtes angebietet, einiger:
mafcen befannt war oon ^reufeen ben Bewohnern ber Oftfee
burdj ihre nörbtichen £anbelsfabrten bisher nur bie tfüfte ber
£albinfel Samlanb : nach ihr nannten fie bie Seoölfcrung bes
ganzen fimterlanbes Samen, währenb bie ^olen fie als prüften
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46 G-rfte« $uc$. 2>te (demente bc* preujjifc^en etaaicä (ötö ir»9S».
ober ^ßreu&en bejeidmcten. $on bicfen rühmten Scripte bes
11. 3al)rlmnberts ©leidjgültigfeit gegen ben SReij bes Gbel=
metaßs: nichts fei an ifynen ausjufcfcen als if)r föcibentum.
(StmaS genauere Äunbe oon ben ^preufjen oermittelten erft bie
folgenben Kämpfe. 2)ie SRefte feiner Spraye fennjeidjnen baS
$olf als ein inbogermanifdjes, baS $unäd)ft mit Litauern unb
fietten jufammenge^ört. <5s jerfiet in Stämme, bie erft im
Kampf gegen bie grembfjerrfdjaft jeitmeife gern ein jam Ijanbeln
(ernten. Sieben ben ©tammfürfken, bie woljl als fHeifö beseidmet
werben, ftanb ber 2lbel ber Sitinge, unter bicfen unb ben
greien bie 9Kenge ber hörigen unb ©flauen. (Srbberedjtigt
waren nur bie ©öfme; bie $öa)tcr, mit 3lusnafmu ber älteften,
burften getötet werben. @s fjerrfdjte Vielweiberei : bie grauen
mürben gefauft unb roie 3Wägbe gehalten. £)ic Sebensweife
ber $Preufeen fennjeicf)nete unoerborbene (Sinfadjbett : aber beut
ßob ibrer (Baftfreunbfdjaft ftanb ber £abel ber Neigung $um
£runf gegenüber. ©djrift unb georbnetc 3ettred)iuing waren
unbefannt. Unerbittlidfj würbe bie Slutradje geübt. 2Bas uon
if)ren Kuttbräudjen berietet wirb, §cigt fte als 23ef cnner einer
einfachen iRaturreligion : in Sonne, 9)2onb unb Sternen unb
ben fie fonft umgebenben Staturgebilben fafjen fie Offenbarungen
ber ©ottfjeit, bie man audj in Rainen unb Duellen oercfjrte.
25odj war ifjnen and) Qbolfultus nid)t fremb. $5as &afein im
Senfeitft bauten fie ftdj bem irbifdjen Seben entfpredjenb. Tarier
gab man ben £oten allerlei ©eräte mit: mit Dorncfymen Herren
mürben SBaffen unb 9lojfe, 3agb^unbc unb galfen, 5loftbar=
feiten unb Sdjmucffadjen, ja felbft ©flauen unb Kriegsgefangene
nerbrannt. So fjattc ber Xob für fie feine Sdjrccfen: frei*
wittig entjog man fidj burdj tfm brobenbem Unheil.
2Us ber Seutfdje Orben bie Eroberung Greußens begann,
f>atte er es bemnaa) mit einem fo gut wie unbefannten geinbe
ju t^un. Um fo mein* bewahrte fidj bie mititärifaje Sedjnif, bie
er im 9J2orgenlanbc ausgebilbet fyattt auf ©runb ber 33er*
quitfung oon bitter- unb 9Wöntf)tum. SBaffnung unb 3)tarfdj,
2luffdjlagen unb Slbbredjen beö £agers, Orbnung beö Singriffs
unb bes 0cfed)ts, alles war auf @runb ber Orbensregel auf
bas genauefte beftimmt. 2Bie alle Kreuzfahrer waren aud) bie
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I. Xer Staat bcS $eutf$en Drbenö in ^reufjen.
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beutfdjen ©erren burd& bic (Schule ber Normannen gegangen,
beren in Unterhalten nnb «Sizilien entmufelte Äampftoetfe fid>
in Sorten glänjenb beroäf>rt hatte. Sie fudjten bie (Sntfcheibung
nicht in offener gelbfdjlacht : an ber ©renje ber junächfl su er=
obernben Sanbfchaft errichteten fie unter bem Schüfe eines größeren
fieeres eilig aus fto^ unb ©rbe ein fdjüfcenbes SSerf unb legten
eine Sefafcung hinein, bie nach 2lbjug ber Hauptmacht im Keinen
Ärieg bie Umioohner immer weiter nieberfämpfte. £as fo ge=
roonnene ©ebiet mürbe bie Dperattonsbafis, oon ber aus bic
nädjfte Sanbfchaft ebenfo bewältigt mürbe.
(Sin fleines Säuflein oon 2)eutfchorben$rittern eröffnete
ben ftampf. $onrab oon £anbsberg, ber bie SSerfjanblungen
mit bem maforoifchett öerjog geführt fjatte, föermann 23atf,
ber als Sanbmeijter bas Unternehmen leitete, ber -äflarfchall
©ietridj oon Sernljeim, ein granfe, Dietrich oon 3nteln, einft
ber Äämmerer ber ^eiligen (Slifabeth, ber 2:^üringer £einrid)
oon bem Serge unb enblich ber in ber ©cgenb oon 3eife hei*
mifche Äonrab oon 2Biltenf)of mit Änappen unb Ältesten, er*
bauten auf ber §öf>e bes linfen Söeichfeluferö bie 93urg 9iejfau,
nachbem fierjog ßonrab Urnen Xerrain unb etliche Dörfer
jum Unterhalt angemiefen (;atte. $urch polnifdje unb beutfdjc
Äreujfahrer oerftärft, festen fie bann über ben glufc unb legten
um ben gufj eines mächtigen (SidjbaumeS, beffen 3 rocl Ö c culc
roeite Umfchau erfdjloffen, einen Söerhau an, ber fie mit ihren
Bieren unb Vorräten oor Ueberfällen notbürftig barg. &lüd-
(idj behauptete ftch bie fleine Schar gegen ben 2(nfturm ber
Reiben. Unoergänglich lebte bie romantifche 93aumfefte in ber
Erinnerung fort : felbft in ©eioänber mebte man £arftellungcn
baoon ein. 2Us mit $tlfe eines Verräters bic benachbarten
'"BurgroäHe ber ?ßreufsen genommen roaren, räumten biefe bao
Äutmer ßanb unb ber Orben begann feine -öefefttgung unb $e;
fiebelung. 3 n & cr SWittc ber buref) bie Sßeichfel gebilbeten 2Bcft=
grenje mürbe 1231 bie 33urg Äulm aufgeführt, $unädjfl: nur
aus §olj unb ©rbroerfen. $em befeftigten @id)baum gegen:
über entftanb 1232 Xf)oxn f toof)t nach bem paläftinifchen Xoron
(S. 39) genannt, $or ihren Sporen mürben beutfcfje (Situ
manberer mit $aus unb &of unb 2lcferfanb oerforgt. £en
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48 tSrftcä $ud). Sie Gtemente beö preufjifc&en Staates (biä 1598).
Sujug, 5" mehren erhielt ßulm bereits Sßeibnadjten 1233
beutfdjes StabtredEjt mit Selbftoerroaltung.
9focf) aber galt es unausgefefeten flampf. Sd&on 1230
unb 1231 machten bie Sßreu&en oerroüftenbe ©tnfäfle. Selbft
SDlaforoien, Äujaoien unb ^pommerellen gefäfyrbeten fie. Smtner
oon neuem rief bafyer bie flirdje jutn flreuje unb verwieg benen
befonberen 2o\)t\, bie bem Orben ©ilfe brauten. So rourbe
bie ftrifis übernmnben : ber Orben behauptete bas äulmer Sanb
unb tonnte balb über beffen ©renken hinaus ftreben. SBon
9)iarienn>crber aus begann er bie Eroberung bes nörblidj be=
nacharten ^omefanien. ©in Sieg, ben er im ©erbft 1233 mit
polnifdjer unb pommerifeber ©ilfe an ber Sorge, bem füblidjen
3nfluB bes &raufenfees, baoontrug, unterwarf biefe Sanbfdjaft
unb bahnte ben 2Beg nadjj bem öftltdfj angrenjenben $ogefanien.
5Jei bem Singriff auf biefes oermieben bie SHitter bie gefabr*
liebe Sumpfniebernng im Süben bes ©raufenfees. 2luf jicei
Skiffen, bie ber als Slreujfafjrer ins Sanb getommene 3Warf=
graf ©einrieb *>on Zeigen haute — „^ilgrim" unb „grieb*
lanb" Ijie&cn fie — , fuhren fie bie Sttogat fjinab unb ernteten
1237 auf einer 3nfel bes bem Sraufenfee entfliefeenben (Slbing
eine iöurg biefes Samens, oon ber aus bie pogefanifdjen Greußen
niebergefampft mürben. 3 unt 2taQ r iff au f Grmelanb erftanb
am ©äff 33alga, gegenüber ber (fpäter oerfanbeten) ^Durchfahrt
bureb bie Gehrung. Stucb in 9iatangen, ju beiben Seiten ber
^affarge bis jum $regel bin, faßte ber Orben bereits feften
Jyufe unb unterwarf füblicb baoon jenfeits ber 2HIe bas 33ar*
tener Sanb teilroeife.
3e^n 3abre nadj ber Slnfunft ber erften bitter febien
^reufcen unterroorfen. Slber biefen militärifeben ©rfolg bes
Orbens übertrafen noch feine f olonifatorifcben Stiftungen. 23e=
fämpfung ber Ungläubigen unb frieblicbe Kulturarbeit gingen
©anb in ©anb. $abei offenbart bie 2öaf)l ber Oertlidjfeit für
bie neuen Burgen unb Stäbte fidleren ©lief für bie Stärfe
geograpbifeber ^ofitionen. $m allgemeinen folgte ber Orben
ben glufjläufen, benufete aber gelegentlich auch preu&tfcbe 2Bafls
bürgen. So entftanb im nörblidjen tßomefanien Gbriftburg,
im ©rmelanbe Sraunsberg unb nahe ber @ren$e gegen ©arten
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Wilsberg. Hattingen rourbe burdj Äreujburg, harten burdj
Sartenftein unb bas gegen bie SBälber ©alinbiens oorgefdjobene
SRöffer gebedt. Stäbtifd&es Seben erblühte in Äulm unb Jlom,
ben ftnotenpunf ten bes beutfdj=polnif<f)en 23erfefnrs, unb in
(Slbing, bas bie ^erbinbung über See oermittelte. Stärkerer
3ujug beutfdjer Sauern wirb Damals no$ nic^t erfennbor : bie
Oerrfa^enbe Unfidjerfieit erfdjroerte bie 2(nfiebelung im offenen
Sanbe. 2tu$ glaubte ber Orben rooljl nodj, bafür bie ^ßreufeen
felbft gewinnen 311 tonnen, dagegen mürben beutfdje unb poU
ntfdje ebelleutc, oft foldje, bie als ßreu$fal)rer ins Sanb ge*
fommen maren unb bann it)re gamilien unb suroeilen it)re ganje
Sippe nad) ftd) jogen, mit £ef)engütern auSgeftattet.
äßicfytige SBanblungen aber erfuhr bas SSerfiältnis bes
CrbenS ju ben tt)n umgebenben ©eroalten: bie UeberUeferung
baoon ift unflar unb roiberfprudjsooll, ja fd&eint geflijfentlid)
getrübt. £er SRitterorben oon $obrin (S. 43) mar nun über*
flüfiig, er mürbe 1235 mit bem £)eutfd)en Orben oerfdjmoljen.
28as ibm ftonrab oon SHaforoien an Sanb gefdjenft r)attc, gab
man flugerroeife an biefen jurtid: man roünfdjte if)n in gün=
ftiger Stimmung 511 erhalten, golgenreidjer mar bie Union
bes $eutfd)en Orbens mit bem Sd)roertbrüber* ober <£f)riftus=
orben, ben Slbalbert oon 9iiga geftiftet r)atte / um Stolanb su
beroältigen, C5ftr)Ianb gegen bie 2)änen ju behaupten unb burdj)
Unterroerfung flurlanbs unb eines £eils oon Litauen bie 3>er=
binbung mit v $reufcen unb $)eutfdjlanb ju geroinnen. Sd)on
balb naa) ber Slnfunft ber beutfdjjen Herren in ^reujjen mar
fie crmogeu roorben. 3lber bie 93e5ief)ungen Gftr)Ianbfi 511 £äne=
marf unb bie 2(nfprüdje ber baltifdfjen 2Jifd)öfe auf bie Sanbes--
^ot)eit über bie ben Sdjroertbrübern eingeräumten ©ebiete oer=
zögerten ben 3lbfa)lufj. (Snblidj oerfügte 3nnocenj IV. bie 2kr=
einigung furjroeg, als (September 1236) eine fernere 5Hteber=
läge ber Sd>roertbrüber burdj bie Litauer unb Semgallen bort
alles in grage ftellte. 2>er Eeutfdje Orben ftimmte ber lieber^
lafiung (Sftfjlanbs an bie £änen ju unb nafmt in Siolanb bie
bifdjöflidje £of>ett auf fid), bie in fiurlanb nidjt $>lafe griff.
So maren ^reujjen unb Siolanb eng oerbunben unb oerfolgtcn
politifa) einen 2öeg, motten fie aud) nur jettroeifc rotrflid)
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50 Grftcä Sudj. Sie eiementc be$ preufufäen Staates (bis 159*).
einen Staat bilben. $as mar befonbers roid)tig Sitauen gegem
über, bas ftc^ roie ein Äeil sroifdjen fic fdjob.
9Jeue, große Aufgaben waren bem Seutfdjen Orben nun
gefteßt. ßöfen aber fonnte er ftc nur unter beftimmten $or;
ausfefeungen. 9Sor allem fonnte er im Stulmer £anbe, auf bem
bei ber Unfidjerfjeit feines preufeifd&en 33e|lfceS feine gan$e Stel^
hing rufjte, eine neben= ober gar übergeorbnete (bemalt nidjt
bulben. £as GJleidje galt es bann in Greußen ju erreichen,
öeioes fjat er burdigefefct, nietjt of)ne ^erlefcung ber 9tedjtc
anberer unb nidjt ofme Slntoenbung bebenflidjer SMitteL 3ioti)
befaß SBifdjof (Sfjriftiau in einem 2)rittei( bes tfulmer £anbes
lanbesljerrlidje 9*ed)te; nodj fonnte er, fam ber Orben ben
eingegangenen $fftd)ten nid)t nadj, audj bas aufgegebene ©ebiet
Surüdforbem (©. 44). £>a rourbe er, oon abtrünnigen Greußen
fn'ntertiflig gefangen, feinem 2lmte auf lange $eit entrüdt.
£as benufcte ber Orben, um ftdj junäa^ft bes ganjen eroberten
preußtfdjen Sanbes ju bemäd)tigen, otine bas bem $ifd)of ge;
büljrenbe ©ritteil auSjufdjeiben, unb ßonrab oon 9)tofoioien
fdjenfte tfnn, toie aus einer päpftlu&en 33eftätigung oom
3. 3luguft 1234 erhellt, nun bas ganje ftulmer Sanb nebft aßen
ben Greußen bisher cntrijfencn (Gebieten. 6id) feiner auf bie
Stauer ju oerftd)ern, gab ber Orben — tuie er es einft mit
bem 23ur$enfanbe getooflt Imtte (©. 40) — bas Eigentum baran
bem fjeiligen Petrus, unb ^apft ©regor IX. naljm bas an unb
übertrug ben Öefife gegen 3^^»ng eines Seljenjinfcs bem Orben ;
nur bie 2(usftattung ber fpater in Greußen 311 errid)tenben
©istümer behielt er ficr) oor.
60 büßte Sifdjof (Sfjriftian feine £anbes(jobeit ooflenbs
ein, unb es ging fogar bie 9iebe, ber Orben ^abc feine fiöfung
aus ber ©efangenfdjaft oereitelt. 9lls er bann aber, uacb um=
f!änbltd)eu 33erf)anblungen mit Grlaubnis ber römifdjen tfurie
freigefauft, laute JUagen erljob, ba mußte er erleben, baß
6t. $eter es um bes eigenen Vorteils roiHcn audj l)ier mit
bem ©tarieren luelt. 3 n Dem angeftrengten ^ßrojeß unterlag
er: brad)te ber Orben bodj Urfunben bei, nad) benen Monrab
oon ÜJtaforcien ifmt oon Anfang an bas ganje ftulmer V.'anb gc=
fdienft fmtte, 9lls Gljrifttan fid> babei niajt beruhigte, fdjalt
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I. £cr Staat bcs 2cutfd)en CrbenÖ in ^reuftcn.
man if)n einen (Sinbringling unb Störenfrieb. 3«»ocens IV.
(teilte ifjm frei, eines oon ben brci neu abgegrenzten preujsifdjen
Bistümern ju ioäf)lcn: er oerroeigerte eß, um fid) md)t feiner
älteren SRedjte 51t begeben, unb befam nun eine letjte grift ge=
(teilt, nadj bereit 2lbtauf er beö bifdjöflidjen Gimtes oerluftig
gefjen follte.
%uä) ba§ #crl)ältniö beö Orbend $u ben ^olen ioar roefent=
lid) geänbert. tfonrab oon s J)iafoioien ^atte il)tn aud) bie bem
Mulmer £anbe öftlidj benadjbarte ÜÖbau abtreten muffen, obgleid)
er fie früher felbft ben $reu§en entriffen Imtte. <3ie mürbe
eine Duelle enblofen Streites jrotfdjen beiben. 91odj fernerer
bebroljt faf> (td) ©roantopolf oon ^ommcrelfen. ®enn ber
Orben mußte (id) biefer £anbfd)aft bemädjtigen, um bie $er=
binbung mit bem SReidjc (jersuftellen. So mar ©mantopolf
fdjon 1238 cbeufo wie Mafümr von tfujaoieu bei Strafe be§
Sannes verboten morben, ofjne Erlaubnis beö Crbens mit ben
Greußen grieben 511 jd)(ie§en. Erbittert burd) biefe SWebiati--
(ieruug ftörte er bie ©d)iffaf)rt ber Orbensfd)iffe auf ber SBeidjfel,
unb als ftdj 1242 bie ^reuften erhoben, ergriff aud> er bie
23affen.
3er Stufftanb ftelfte alles in grage. 311 ben nörblidjen ober
nieberen \>anbfd)aften (nelten fid) junädjft nur Glbing unb Salga,
im tfulmer £anbc nur £fjorn, Mulm unb SWcrjbcn. 311 £aufenben
follen bie beutfe^en 3lnfiebler unb bie im Gljriflentum oerfjarren;
ben ^reu&eu f)ingemorbet morben fein. Um (td) in glanfe unb
dürfen frei 311 machen, bradjtc ber Orben gegen ©roantopolf burd)
Ueberlaffung eines Xeils ber Söbau beffen Detter fterjog Monrab
oon ftrafau mit feinen Söhnen Soleslaro von ÜWaforoten unb
Mafimir oon Mujauien in Staffen unb brang felbft in s 4?ommercHcn
ein. ©roantopolf bat jroar um grieben unb fteÜte feinen ©ofni
3)iefiroin als Weifel, crjcrjien aber balb roieber im gelbe, braute
bem Orben eine ^ieberlage bei unb fam bis unter bie dauern
oon Äulm, erlitt jebod) auf bem 9iütf$ng an ber 2Beid)fel eine
arge Schlappe, Sennodj fiel er in Mujaoien ein, oerfud)te
bem Orben bie 2Beia)fcl fperren unb fogar (Slbing 311 über=
rumpeln. 3njroifdjen aber erhielt ber Orben auf feinen £ilfe=
™f 3«3»Ö öuö Tcutfdjlanb, ber namentlich ^ommcrcUcn f)eim=
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52 £rf* eo £ic demente beö preufjtfdjen Staates (bio 159*).
fucf)te. $a beugte fidf) ©roantopolf, erfjob jidjj aber gleid)
roieber, weit man ifmt bie greilaffung feinea nadf) Seutfd&lanb
abgeführten Sohnes SDteftroin oerroeigerte. s Dlit ben ^reufeen
oereinigt, jerftörte er baö rotdjtige Gljriftburg in ^omefanien;
bodf) baute es ber Orben unter bem ©dnifc eine« £reu5fafn*er=
tyeereä alöbalb roieber auf (1247) unb fdjlug einen neuen Sin-
griff blutig $urütf. 9hm enblidf) bequemte fid) ©roantopolf 1248
$um Rieben.
$amit roar baä ©df)idfal befl 2lufftanbeö entfd)ieben. Unter
SBermittelung be§ päpftlidf)en Legaten 3afob von Sütticf) unb
beö Söifdfjofs §eibenreidj oon Äulm madfjten bie 93omefanier,
©rmelanber unb Watangcr am 7. gebruar 1249 ju Gljriftburg
mit bem Orben grieben. $on einem ooHen Siege ber SRittcr
fann bemnaa^ nidjt gefprodfjen werben. 9ludj ift bie 3af)l oon
ßirdfjen auffaüenb flein, 511 beren 93au bie (Srmelänber unb
Watanger bie Wittel aufjubringen oerfprad&en, roäbrenb es in
^omefanien bamit augenfdjeinlidj günfttger ftanb. 3lber bie
^teuften entfagten ber SBielroeiberci unb bem Häuf ber grauen
unb gelobten ibr Seben ber djrifHidjcn Sitte aujupaffen. $a*
für behielten fie greifyeit unb (Eigentum unb Durften innerhalb
ber ©diranfen bes fanonifdjen Sflecbtö pollgültige (Sljen fd&licftcn,
oor ©crid)t jeugen, bie SRitterroürbe erroerben unb nad) polni:
fasern $Redf)t leben. 92ur in ben unjugängftdjjen teilen Grotes
lanbö unb Watangenö rourbe ber 2öibcrftanb erft roäfjrenb ber
näd&ften brei 3af)re bewältigt, nidf)t oljne gelegentlichen $erluft
für ben Orben. 3a, als eine beutfd&e Abteilung bei tfreuäburg
äufammengefjauen roar, ertyob fid) ©roantopolf oon $ommcretlen
nod) einmal. Slber neue ftreusfafjrerfdjaren eilten fjerbei. £a
madfjte 1253 ©roantopolf enbgültig grieben, beffen $rud) er
mit 2000 9Rarf unb ber Uebergabe feiner ©auptftabt Xanjig
büßen fotlte.
£)er äel)njäf)rige 2lufftanb Ijatte bie ©djroädjen beö Orbenö
offenbart. (Sä fehlte bie @inf)eit ber milttärifd&cn unb ber fira>
lid&en Leitung, ber erobernben unb ber befe^renben £l)ätigfeit.
2Bas ba nottf)at, fonntc audü bie tfirdje nidjt leiften. Samit
ocrlor 33ifdf)of <5t)riftian jebc Sluäfidjt. ©dfjon roar er oon 9lom
l)er $ur 9hibc oerroiefen. ^ergeblidj oorroanbte fid) baö ©cneral^
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I. £er Ztaat beö £eutf$en Crbens in Greußen. 53
fapitel ber (Siflercicnfcr für ihn bei ber ftiirie. 2luch bic lefete
griji jur SBahl eines ber brei preufeifdjen Bistümer liefe Ghriftian
unbenufet : er hat an ber Söeiterfüfjrung ber bnrd) if>n begonnenen
Verehrung ber ^reufeen feinen Anteil gehabt unb wirb es vor-
gesogen haben, [ich in ber Stille eines fllofterö über bie er-
littene Unbill 51t tröften. <Hun hatte ber Orben oon ber flirdje
öinberung nicht mehr fürchten. 2>emt bafj auch in ben
sBiötümern oon Äulm, ^omefanien unb Grmelanb ein Sritteil
beö fianbeö jur 2luöftattung beö $ifa)ofö biente, swet Sritteile
bem Orben oerblieben, tfmt nichts bei ber engen 33erbinbimg
ber Bistümer mit ber fird^Iic^^rittertid^ctt Drganifation beö
Crbenö. 2Ü8 3nnocenj IV. 1246 einer ber preufjifdjen Siefen
einen geiftltchen 93niber beö Orbeuö felbft oorfefoen wollte, er*
hob ber (Srsbijchof oon SRiga alö Metropolit ©infpradhe.
Sieber nahm bie flurie bie Partei beö Orbenö unb erflärte
firc^Iidtje ^enfuren, bie ber Grjbifdjof etwa gegen ihn oerf)ängen
mürbe, sum oorauö für ungültig. Salb barauf erhob ein 9Racht*
fpruch 3nnocetiä' IV. einen fteutfchorbenöflerifer ^einrieb oon
Stritberg 5um Sijdjof oon (Srmelanb.
2)ie folonifatortfehe £bätigfeit beö Orbenö nahm nun
rafdjeren gortgang. Xcx griebe mit ^ommcretlen unb ein
oortetlhafter föanbelöoertrag mit ^olen öffneten beutfehen flauf=
teuten unb 2lnfieblern ben 2Beg nach bem Often. Xie Öeroährung
mehrjähriger greiheit auch oon firchlichen Abgaben sog oiel
2fafiebler nach bem .Mulmer ttanbe. 33on ben Stäbten erhielt
Glbing 1246 lübifcheö Siecht. Sie Sßerbinbung mit tfur= unb
^iolanb aber oermittelte über See namentlich £übecf: mit ihm
erwog ber Orben baher bie ©rünbung einer Stabt an ber
famlänbifchen ßüfte. Sie unterblieb, aber in ©emcinfdjaft mit
bem 33ifchof oon Jfurlanb baute ber Drben 1252 am 2luögange
beö furifchen ^affö bie 33urg Kernel, bie biö 1328 $u Murlanb
gerechnet unb oon bort auö oermaltet mürbe. 2)od) blieb biefe
gefährbet, fo lange baö bajroijcben liegenbe Samlanb nicht
untermorfen war. Seine Eroberung war bie nächfte militärifche
Aufgabe. Söieber würbe in 3>eutfchlanb baö Äreuj geprebigt,
unb im Sinter 1254—1255 fam ein <geer oon 60 000 2Rann in
baö Sanb. £er bebeutenbfte Teilnehmer war tfönig Ottofar II.
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54 (rrfteö $ud). £te Elemente beä preußtidjen Staates (bio 1598).
oon iööfnnen. 9(6er aud^ ber branbenburgifd)e SWarfcjraf Otto
^atte fid) angefdjloffen, nid)t minber bie 9iittcrfd)aft Sadjfens,
ÜReiftenS, !Ebüringens, bes SRbeinlanbcs imb Ocftcrreid^ö. $on
33alga auö brad) ittan in bas Samlanb ein, 3crftörtc etliche
preufeifdje Burgen unb erjroang bic Stellung oon ©eifeln.
$ann erridjtete man an ber füblidjen ©renje auf ber $ö(je
über bem redjten ^regclufer aus &ol$ unb (Srbe einen feften
«piafc, ber nad) ber gewaltigen flreu$faf)rcrfcfte s J)iontrona( im
fübltdjen ^aläfiina Königsberg genannt mürbe — ein tarnen,
ber fpäter fälfd)lid) auf bie £cilnaf)me bes 23öf)menfönigs an
biefem 3 u 9 e gurücf geführt mürbe. bereits 1257 rourbc ber
prooiforijdie 33au in etroas oeranberter Sage unb beträdjtlidj
ermeitert in «Stein ausgeführt : in if)m folltc bereinft bie Sötcgc
bes preufjifd)en SlönigtumS ftefjen. 33is 511m Ausgang ber
fünfziger %afyxt befdjäftigte ben Orben oornefmtlidj Samlanb.
9Ber oon ben einl)eimifd)en (rblen fi<3t) miUig beugte, crljielt
fianbgüter mit umfänglichen gutsberrlidjen Stedten. 9iur in
ber 9iorbofterfc ber £albinfel, mo Greußen unb Äurcn fid; be=
rührten, brang ber Drben nodj nidjt burd). 2Bol)l aber untere
roarf er oon Söeljlau aus, am 3ufammenf[uf > oon 2lHe unb
kregel, baö ©ebiet oon Diabrauen.
9iun maren aber biefe Dreißig ^c^n an bem Orben felbft
ntdjt fpurlos oorübergegangen. Wit feinen urfprünglidjeu
$flid)tcn mar ber Seruf eines Eroberers unb Sanbestyerrn nidt)t
objte roettcres oereinbar. £ic kämpfe in Greußen fofteten
größere Opfer an SJZenfdienleben, als er bei feiner befdjränfteu
9Hitglieber$af)l bringen fonnte. $eöf)alb erlaubte ^apft 2lle=
ranber IV. 1256 bie 5Utfnaljme neuer ©enoffen ofme oorfjcr--
gefjenbes 9?ooi3tat unb oerf)ieß 1257 ben als 3lnf)änger ber
©taufer gebannten Gittern, bie bem Orben bettraten, Söfung
oom 93ann. $as broljte eine Sodcrung ber ftrengen 3"$t-
£0511 fam bic Entfernung Greußens oon bem Sifc ber Orbens=
leitung in 2lccon, ber fic eine bauernbe ©inroirfung auf bas
Orbenslanb unmöglidj madjtc. £er prcußifdje 3^eig mar nidjt
nur roie fclbftänbig, fonbern f)attc aud) bie 3utunft bes Orbens
in ber §anb. 3i?ar bod) 1251 in bic Diegel bic SBeftimmung
aufgenommen, $ur 3lbbaltitng eines ©eneralfapitcls in bem
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I. £er Staat bes Eeutfcfien Crbenö in ^reufcen.
55
prcuj$ifd)en §auptbauje 511 Glbing foHte bie 2lnroefenf)cit von
je aä)t 33rübern aus 33alga unb ßbriftburg genügen, über bie
«erfjältnifie $reufeenß aber aHjäfjrlidj nadj Slccon berietet unb
afle sroci biö brei Sabre ein Sruber gef^idt werben, um
münblid) genaue Mitteilungen ju maäjen.
tiefer SSiberfprud) $nrifdjen ber urfprünglidjen 33eftimtnung
unb ber tbatfädjlidjen Stellung beß Drbenß blieb nid)t uns
bemerft. -DIU feinen Grfolgen roud)ß bie 3<rf)l feiner ©egner.
S)ie 28ettflud)t ber bitter, r)ieg eß, fei eitel Sä)ein : ber 9*iegel
5um £rofe führen fte ein roeltltdjeß Seben unb fe|en bie 3n=
terejfen beö ©laubenß ibrem eigenen Vorteil naäj, ja fjinbern
roobl gar felbftfücbtig ben Uebertritt ber Reiben. Solare 23e=
fdjulbtgungen $u roiberlegen, fdtflbert ber ©uarbian beß Xborner
tflofterß, roie eifrig ber Crben burd) &eran$iebung von ^rebigern
unb Seffern, namentlid) audj ber preufeifajen Spraäje funbigen,
bie ßbriftianifierung betriebe, ©egrünbeter mar roobl ber SSor^
rourf ber föärte gegen bie 33efiegten, mod)te fie aud) oft burd)
bereit Haltung oerjdjulbet fein, £atte bod; $apft 3lleyanber IV.
bem Orben erlaubt, bie ^reuften, bie ficr) beß ftampfeß gegen
ibre nodj unbefebrten Sanbßleute ober ber Arbeit beim Surgbau
weigerten, burd) Segnabme it)rer Äinber baju anjuf)alten. Solcher
3roang fteigerte natürlidj baß SBiberftreben unb bereitete fd)liefc
lieb ber &errfdjaft beß Orbenß eine furdjtbare tfrifiß. Seit
fie bie alte grciljeit unb ben ©lauben ber 33äter bem Unter«
gange oerfaHen faben, fdjeinen bie Greußen nur auf ben 2lugen=
blief geroartet $u fyabtn, roo fie fidj mit 2lußfid)t auf Grfolg
311m SJerjroeif lungßfampfc ergeben tonnten. (Sr fd)ien gefommen,
alö ber SDieifter non Siulanb auf bem 3uge Gntfafe ber
St. Öeorgßburg im Memeltbalc am 13. 3uli 1260 bei Würben
burdj ben litauifd;en Stamm ber Samaiten eine blutige 9iieber=
läge erlitt. SBietfeidjt um bie an tt)ren Letten SRüttelnben
burdj Sdjreden $u bänbigen, tiefe ba ber SBogt von (Srmelanb
unb ^atangen in ber SBurg £en&en preugifaje Gble, bie alß
©äfte bei ifjm roeiltcn, einfperren unb oerbrennen, roeil einige
tfjm nadj bem fieben geftanben fjaben füllten.
2llßbalb erhoben fidj bie ^reufcen in Samlanb, 91atangen,
©arten, Grmelanb unb ^ogefanien, aber nidjt mefir in oer=
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5(> Cirfteä Surf). Sie Elemente be$ preufeifcfjen Staate^ (biö 1598).
einjeltem Sosfdjlagen, batb f)iec, balb ba, fonbern einheitlich
nadr) einem oereinbarten $lane. Dicht umfonft fjatten fie bes
Orbens mititarifd^e Ocganijatton unb friegerifche £e<hnif fo
lange oor 2(ugen gehabt. Stuf einem ber OrbenSbäufer ober in
Seutfchlanb erjogen war mannet preußifche (Sbtc felbft ritter=
lieh geflutt, wie J&einrich TOontc, ber Führer ber Datangcr
unb, wie es fcheint, jeitweife bas §aupt ber ganjen nationalen
(Erhebung. 3ln bemjelben £age, ben 20. September 1260, fam
ber 2lufrut)r überall jum Stusbrudj. Ser Orben war oöllig
überrafcfjt. Sie Heineren Surgen gingen faft {amtlich oerloren.
93on ben größeren mürben fdjließlich nur wenige behauptet.
Sraunsberg unb §eilsberg fielen trofe oerjwetfelter ®egenwec)r;
SJiarienwerber würbe serftört, Sfjrift&urg nieberge6rannt. %u$
äreu^burg in Datangen unb Löffel in ©arten mußten auf--
gegeben werben. Saß aber Salga trofe ber Dieberlage bes 3um
@nt|a^ eilenben OrbenSheeres öanuar 1261) fidfj ^iett, uferte
wenigstens bie SBerbinbung ber öftlia^en unb ber weftlichen
Saubfchaften unb sugleidfj mit Seutichlaub. 2lucJj (Slbing blieb
bem Orben. 3t6er bis tief in bas Äulmer 2anb hinein ftreiften
bie Empörer unb oernidjteteu bie Kulturarbeit oon Sahrjelmten.
©in OrbenSheer, bas ihm ben 2öeg fperrte, fdjlug $)tonte im
3uli 1263 in offener gelbfdfjlacht. Sie ©ntfeheibung aber mußte
in ©amlanb faden. 3luf brei Seiten oon ben Raffen unb bem
SWeere befpült, ermöglichte es, nur oon Often angreifbar, nach
allen Dichtungen hin ben «erfehr. (Srft unlängft unterworfen,
hatte es unter ber Orbensherrfdjaft wenig gelitten. Saher
fonjentrierten bie 3lufftänbifchen monatelang alle ihre Gräfte
gegen Königsberg, beftürmten es oon ber £anb= unb glußfeite
her unb fuchten es burdj Sperrung bes ^regets auszuhungern.
3lber es hielt [ich, unb als er bann 1265 burdj bie Einlage
oon Xapiau auch bie bisher ungefchüfete ©übofteefe ber £anb=
fchaft swifchen Seime unb Sßregel gebeeft hatte, tonnte ber
Orben h^r ber 3ufutxft getroft entgegenfehen, $umal ihn bie
liolänbifche Dttterfchaft fräftig unterftüfcte. 9lud) aus Seutfa>
lanb ftrömten immer neue Kreujfahrerfcharen &u, währenb bie
Greußen allmählich sufammenfehmoljen.
Seit 1264 machte ber 2luffianb feine gortfdfjrittc mehr:
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I. £er Staat be$ Deutfa)cn Drbenö in "^rcu&en. 57
balb ging cö rüdwärtö mit if)m. £ann lähmte ifjn ooHenbö
bic Uneinigfeit bcr güfjrer. 9hm gewann ber Orben oon $önigö=
berg unb SSalga auft wieber £errain. 3eben Stritt oorroärtä
fidjerte er burd> öerfteQung ber alten unb Sluffüfjrung neuer
Bürgen. Xk 2lufftänbifdjen roidjen in bie unzugänglichen 2Batb-
regionen befi inneren unb brauen oon bort nur nod) in eins
gelnen Ueberfäffen ^eroor. Sie gefjoffte auswärtige §ilfc fam
niebt. &er £itauerfönig 9)itnbowe griff bafi Orbenälaub wiber
Erwarten nid>t an. 2ludj Swantooolf oon $ommeretfcn blieb
rufng, unb alö nad) feinem Xoo (1266) feine Söfjne 3Bratiö-
tarn unb SHeftmin bem Slufftanbe burd) Sperrung ber Scid)fel
unb Einfälle in bafi ftulmer i'anb &uft madjen wollten, mürben
Tie fdjnell gum grieben genötigt. Seine beutfd>en £eben*leute
jum 2lufi(jarren ju ermuntern, gewährte ber Orben tfmen 33e=
freiung oon ber tfanbwebr jenfeits ber Söeidjfel. £ocb ^atte er
ju$ aud) oor übermächtigen $erbünbeten ju hüten, gorberte
bod) öttofar II. oon Söhnten als Sofm für feine &ilfe ®alinbien
unb baä &anb ber 3 a bswinger. So hätte er ^reu&eu oon
Süben umfafjt unb ber böbmifchen §errfcbaft ben 2öeg gebahnt.
3nfolge beä milben 9Binterö 1267 — 1268 aber fam er gar nicht
über £f)orn hinaus : nur ben grieben sroifajcn bem Orben unb
SWeftwin oon ^ommerellen oermittelte er.
2htcf) obne oon einem entfdjeibenben Silage getroffen 51t
fein, erlahmte ber 2lufftanb. SRun mürbe noch £etnrid) 3)iontc
1273 in ben Söälbern Stotangenfi, wäbrenb feine Seute ber 3agb
nachgingen, oon ftreifenben Gittern überrafdjt unb aufgefnüoft.
S3on ßönigfiberg, Salga unb (Slbing auf ber einen, jRefjben,
(Sbtiftburg unb 3)larienmerber auf ber anberen Seite breitete
ber Drbeu feine ©errfdiaft oon neuem aus. Sie im äöiber=
flanb Seharrenben fafjen ftdt) immer enger umfteUt, fammclten
ftch in ben feenreidien SSälbem bes füblicben ^ogefanien, ftreiften
wohl noch einmal bis #eilöberg unb felbft btfi @lbing, bis ber
Orbensmarfdjall tfourab oon Kierberg 1274 fie oottenbö bc^
wältigte. $on einem griebenafchlufe wie 1249 war jefct nicht
bie SRebe. Surd) ben fünfzehnjährigen SBiberftanb Ratten bic
^ßreugen alle« oerwirft: nur bas SRedjt ber Eroberung galt.
$te wenigen, bie ben gaU ihrer nationalen Sache überlebten,
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58 erflcö *Ui$. Sie Elemente be3 preufeifaen Staate* 1098).
bargen ftdj teils in ben Sumpftoälbern bes Sübens, teils bei
bcn Litauern, um oon bort aus ben Äampf gegen ben @rb=
feinb aufzunehmen. $ie im Staube blieben, oerfielen in flnedjt=
fdjaft unb trugen als porige unb £interfafien ber beutfdjen unb
preufeifdjen ©utöfjerren fernere gronben. 2)af)er flammte ifcr
&aij gegen bie Sieger suraeilen nod) in oerjioeifelten Saaten
auf, toäfjrenb bem Orben neue geiube in ben benachbarten
Stämmen erftanben. So mürben bie IRabrauer niebergefämpft,
inbem bie bitter oon £apiau aus erft bas ^regeltf)a( unb
bann cinerfeits bie ^ufter unb anbererfeitö bie 2lngerapp auf=
roärts oorbrangen. Wegen bie nörblid) baoon fifcenben Sd)alauer
fuf>r man oom flurifdjen $aff aus ben Sttemelftrom hinauf,
©in mündiger, toedn'elooller fleiner .Krieg entbrannte mit
ben Subauern, bie, burd) bie preu&ifdjje Seenplatte geberft,
längs ber Sübgrenje fafeen. 2Wmäf)lid) madjte oon iljren (Sblen
einer unb ber anbere feinen grieben mit bem Orben unb über;
fiebelte in ben oon ber 9Jatur metyr begünftigten 2Teil Greußens.
Sd)licfjltd) rourbe ein großer Xeil bes Sßolfs in bie norbtoefb
licr)e ($de bes Samlanbes oerpflanjt, bic Ijinfort ber Subauifdje
Fintel fjiefe. Subauen mar entoölfert unb fd^ieb mit feinen
oon bunflen 2Bälbern umgebenen Seen als „Sötlbnis" ben
Orben oon feinen füböftlid)en 9kd)barn.
©anj unfidjer mar nod) bie Örenje im Horben unb Often,
too bie £f)äler bes Sßcmel unb Riegel unb ifjrer 3uflüffe ben
Litauern unb namentlid) tf)rem toeftlidjen Steige, DC »
maiten, bequeme ßinbrudjsftrafjen barboten. £>ier fonnte ber
Orben fid) nur burd) einen bauernben 21ngrtffsfrieg fdjüfcen.
tiefer aber oerfd)ärfte ben religiöfen unb nationalen @egen=
fafe 3U töblidjer geinbfdwft. So fnüpftc jid) unmittelbar an
bie Jöetoältigung ^reufjens ber Seginn ber Sitauerfampfe, bie
ein ^atyrljunbert lang bes Crbens ttraft üben unb ftäl)len,
fdjliefeltd) aber fein 2krf)ängnis werben foUten. 2lfS Stüfepunft
für bie £itaucrfaf)rten erftanb 1289 im SHemcltljale bie Surg
Sanbesljut, nachmals Siagnit genannt. Oft genug aber brangen
bie leid)tbctoeglid)en Litauer plöfolidj bis an bic STüfte bes
leeres oor. £as erroedte bei ben heften ber altpreufjtfdjen
s Jiationalpartei neue Hoffnungen. Sic Ijatte jur fyit bes Saues
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I. 3er Staat bcd Eeutfdjen Orbcnö in $reuften.
59
von SRagnit baran gebadjt, bcn Neffen Swantopolfs oon ^>om=
mereHen, s iöi^IatD oon SRügen, an bic Spifoe eines neuen $e*
freiungsfampfes 511 (teilen. 2lndj fam cd 1295 in 9totangen
noch einmal jum 2lufftanb. 3m Samlanbe erhoben fid) bie
gefnechtcten &interfajfen gegen ihre vom Orben begünftigten
preußifdjen Herren unb richteten ihre 2öut befonbers gegen
flirdjen unb ^riefter — ein lefctcs 2lufflacfern beft §etbentums.
2. Die $ lütt *ts ©rbfiisftaatr* in ilmiffcn. 1295-1382.
Sich bes ©emonnencn in ruhigem @enuffe 311 erfreuen,
märe mit ber 93eftimmung beä Orbens unvereinbar geroefen.
3u bem ampf gegen bie Ungläubigen wuselte feine ftrchliche
unb weltliche 2lusnahmeftellung. Obenein bereitete gerabe ba=
mals bas fläglidje Gnbe ber ftreu^üge ben geiftlichen bitter-
orben eine fernere Griffs, ber bie Soljanniter beinahe, bie
Templer oöUig erlagen. 6s mar ein ®lücf für bie beutfdjen
Herren, bafc fie gegen bie Litauer ben ^eibenfampf uor ber
95?elt 2lugen fortfefcen fonnten. 9lber ber Schmerpunft ifjrer
^fjätigfeit lag anberwärts. (Sie waren Herren eine« Sanbefi
geworben, befjen natürliche Hilfsquellen es planmäßig 31t ent-
wicfeln galt. Seine oielfadjen Sejielniiiflen, einerfeitft 31t bcn
Staaten bes Horbens unb Dftens unb anberfeits su bem
beutfdjen SHutterlanbe, matten fie 3U Prägern einer ^olitif,
bie nia^t auf baö Schwert allein gegriinbet fein femnte. Sie
mürben bie Vertreter ber beutfeben 3»^reffen gegenüber bem
Slaoentum unb ben Sfanbinauiern: auf ihnen beruhte in ben
baltifcbcn Rauben bie 3"fr' n fl ®eutfdjlanbs.
Xa^u mußte ber Orben im inneren aus einem gefdjicften
flolonifator ein im großen Stil waltenber Sanbeehcn werben
unb fechte unb Pflichten eines folgen um fo gewiffenhafter,
aber auch um fo fraftooHer üben, je weniger er urfprünglidj
baju berufen war, nach h" 1 ober mit weit ausgreifenber
öanb bie gäben ber allgemeinen ^olitif 311 leiten fliehen. 9tor
fo fonnte bas Orbenslanb 311m Orbensftaat werben. So galt
es, bic aus bem (Reifte ber tfrei^ügc geborene ritterlich ; wön=
chifche ©enoffenfehaft mit einem Qnljalt 311 erfüllen, ber bie
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60
irrfteö $ud>. 2>te Glemcntc bes preu^tfd^en etcmtcä (bie 1Ö98).
(Srgebntffe ber mittelalterlichen 2lufflärung gleichfam oorweg=
nahm unb in ber ntilitärifdjen, politischen, gejeUfchaftlicben unb
wirtfdjafttidhen Organisation uermertete. (Erleichtert wurbe ihm
ba© burdj bie Slbrunbung, bie fein Eerritorialbefife gerabe ba--
mal© erfuhr.
2lud> in Siolanb ftrebte ber Orben fich ber bischöflichen
Roheit ju entlebigen. daraus entfprang Streit mit bem 9ügaer
©rjbifdjof ; aber bie 33ebrofmng burcr) bie Sitauer nötigte beibe
wieber äufammenjugehen. 3 um 35ruc^ fam c© enblidj über bie
Stabt SRiga. Schon 1274 hatte ttönig 9tubolf fic bem Orben
unterstellt, ohne bafe biefer fein Siecht jur Suerfenuung bringen
fonnte. 211© er aber 1297 ben abwefenben (Sr$bijchof certrat,
fdjritt ber Orben gegen angebliche Uebergriffe ber ^Bürgerschaft
ein. Ser ßrjbifchof ergriff bie Partei ber Stabt ; bafür mürbe
er oon ben Gittern gefangen genommen. $a riefen bie 3ligenfer
bie ßitauer ju §ilfe, bie ba© Sanb weithin »erwufteten. 3lber
erft um ben greift weiterer 3ugeftänbniffe erlangte ber ©rjbtfchof
bie Freiheit. 9Jtit ber Stabt flagte er gegen ben Orben am
römifc$ett fiofe. £)er $rojeg fchmebte noch, als ba© SHigaer
(Srjbiötum gum zweitenmal erlebigt mürbe. £a erwarb ber
Orben 1305 ba© oon ben Litauern jcrs'törte ftlofter £üuamünbe
unb brohte bie Stabt oon ber See ab^ufdjneibeu. $iefe ocr*
anfaßte einen neuen SitauereinfaH, mährenb ber neue Grjbifchof
ben Orben in 2loignon al© Verfolger unb Gerächter ber lio=
länbijchen Äirche benunjterte. Da aber balb barauf (Siemen© V.
ftorb unb ber päpftlidje Stuhl jmei 3af>re unbefefet blieb, be*
hauptete ber Orben feine Stellung.
©rö&er uoch mar ber (Erfolg, ben er um bicfelbe 3*i*
burch bie (Erwerbung ^ommerellen© gewann. 2>ics"e© fyattt
Smantopolf 1266 fo unter feine Söhne geteilt, bafj 2Srati©law
bie nörbliche, 9Reftwin bie fübliche Hälfte erhielt. 33alb tagen
beibe im Streit, unb 3Keftwin fuchte Schüfe gegen ben öruber
unter branbenburgifcher £et)eitöf)oI)eit. Sttarfgraf ftonrab legte
eine $efafrung nach ®<»WÖ- 9to<S Sratiälaw© Xobc aber wollte
s JReftwin fich ihm wieber entziehen, boch würbe fein 2(ngriff auf
2)angig t>on ben SBranbenburgern abgefchlagen. £>a wanbte er
fich öii £erjog öoleslaro oon ©rofepolen, unb biefer nahm 1272
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I. 2)cr Staat bcö Seutfajen Crbenö in $reufccn.
61
£an$ig ein. gür ben roeftlidjen £eil feines ©ebietes jebodj,
Sd)Iaroe unb Stolp, blieb 2)iefhoin branbenburgifdjer 3>afaÜ
aus Sorge oor feinem Iänbergierigen Steffen 2Bi|laro oon SRügen.
$ann aber fefcte er 1282 roieber iperjog 23oleSlaroS ^ad^folgcr,
<präcmi;S(ato oon ©roßpolen, jutn ©rben feines ganjen ©ebietes
ein. $aburd) far) fidj ber Orben bebrof)t: i^itt batte nämlidj
2Keftroins Obeim Sambor, ben jener allmäf}lidj aus feinem
33efi& oerbrängt l)attc unb ber mit ber flirre oielfadj laberte,
1276 bie &anbfd)aft SWeroe gu eigen gegeben, fäblidj oon SDirfdjau,
jnrifdjen SBeidjfel unb gerfe. $ie ©djenfung mar audj 1282
vom $apft beftätigt toorben : aber oon bem mädjtigen ©ro&polen
befd)üfct, fjatte 3)?eftroin bie Uebergabe bisher oerroeigert. 35a
erlofd) mit 9)Jeftnrins $ob 1294 bas pommereHifdje gürftenbaus.
3ugteid) entbrannte in ^olen neuer ^fironftreit. SBäbrenb in
einem £eit 23en3el II. uon Söhnten, OttofarS II. Sofm, bie
£crrfdjaft gewann, rourbe 3)ieftroins bisheriger 23efd)üfcer
^rjemosfaro im Sommer 1295 jum ftöuig oon ©rofjpolen unb
§er$og oon ^ommereflen gefrönt, fonnte aber ben SBiberftanb
ber äujaoier unter Sßtabislaro Sofietef nid)t bredjen. SBofjl
aber braute er Sandig trofc bes SBiberftanbeS ber beutfdjen
33ürgerfd)aft in feine (bemalt. 2lber fdjon 1296 rourbe er
ermorbet, unb nun gewann ber 93öfjmenronig bie Oberbanb.
Um ftdj ^PommereUens ju oerfid>ern, begttnftigte er bas bort
reid) begüterte föaus bes ^atattn Sroen$a, bem er bie Statt*
batterfajaft in ^anjig übertrug. (Sbenfo oerfufjr fein jugenblidjer
9tod>folger a^enjet III., ber $ugleidj um bes Orbens ©unft roarb,
aus Sorge oor Mabistaro Sofietef, beffen 2lnbang roud)S.
Eeötwlb fud)te SSenjel III. aber audj bei ben 2lnf)altinern oon
Sranbenburg 3(nlef)nung, bie ifjre 2tnfprüd)e auf Oftpommern
nod) nid)t aufgaben. 3m Sluguft 1303 fa)Io§ er mit ben
3)iarfgrafen Otto IV., Hermann unb SBalbemar einen Vertrag,
bureb ben er ifjnen, gegen Serausgabe ber oon feinem 23ater
oerpfänbeten 9)farf 2Jfeiften, Dftpommern überliefe. Stber nadj
SBenjetsIII. (Srmorbung (Sluguft 1306) fanb 2ßlabislaro Mottete!
faft in gan$ ^?o(en Slnerfennung, unb oerroeigerte nidjt Hofe
bie Auslieferung Oftpommerns, fonbern oerfolgtc aud) bie
Sroenja unb trieb ftc ooflenbs jum Slnfdjhifj au bie Scutfdjen.
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G2 Grfteö $ud). £ie Elemente beä preufeifd>cn ctaateö (biö 1Ö98).
©inen Xcil ifjreä pommerellifdjen 33cfiöeö batten biefe bereits
bem Orben oerfauft; nun fjulbigtcn fic unter Berufung auf
äßen^elö III. Vertrag im Sommer 1307 für iljre übrigen Sans
bereien, bie oon £ud>el unb Neuenbürg bis nad) Wügenroalbe
reiften, ben öranbenburger SRarfgrafen. öanj äfmlid) Ijanbelte
SBlabiölaro &ofietef. 211$ Otto IV. oon 23ranbenburg mit feinem
Neffen 28alDemar fid) 1308 im roeftlidjen ^ommercllen feftfefcte
unb and) oon ben beutfd) geturnten 2>an&igern in it)re 3tabt
aufgenommen tourbe, in bereu 33urg beö $otcnfönigö &eute
balb Ijart belagert roaren, ba erbat er für biefe oom £eutfd)en
Orben öilfe. eifrig griff biefer $u: er übernahm, bie eine
ßätfte ber Staubiger Surg 311 oerteibigen gegen ßrfafc ber Soften,
flaum aber Ratten bie Orbcnörittcr bie ^ranbenburger gemein^
fam mit ben ^3olen oerbrängt, alä fie mit biefen §änbel bc*
gannen. (£rft oecupierten fie bie eine Hälfte ber Surg; bann
nahmen fie einen polnifd)en 3lnfü^rer gefangen unb nötigten
ifmt bie anbere .©älftc ate s J>fanb für bie 3 a ^»»3 &er Mrieg$=
foften ab. darauf überfielen fic in ber 9Jaa)t bcö 14. 9io;
oember 1308 bie Stabt felbft, fdjlugcn ben üBibcrftanb ber
23ürgerfd)aft blutig nieber unb jerftörten bie fd)üfeenbcn üoiy-
njetjren, bie fic gegen bie 23urg gebceft Ratten.
(Sö jdjeint, als ob ber Orben burdj rürfftdjtölofcä 3 u 9 rc U^ 11
gut machen rooßte, toaö er in 9tiga burd) aHju pemlidjc Sab 5
rung beö Sdjetnes oerfeljen batte. 3Üö äBlatiölaio Vofictef
herbeieilte, mar es ju fpät. 9hir gegen 10 000 2ftarf Silber
wollte ber Orben $an$ig ^ausgeben. SMefe Summe fonnte
ber ^olc ni$t aufbringen. 9iun befehle ber Orben audj $irfd)au
unb Sdnucfe: im grü^jal^r 1310 mar er £err ^ommereUcnö.
$on ben 33ranbenburgern l)atte er nia)tö mein* $u fürchten:
beim ein tfampf jroijdjen tfmen beiben märe bloft ben ^olen ju
gute gefommen. So fdjloftcn bie 3)iarfgrafen ben Vertrag oon
Solbin (13. (September 1309), nad) bem fie bem Orben bie
(Gebiete oon Sanjig, Sd)toefc unb 2)irfd)au überließen, bagegen
als Herren oon Stolp, Sdjlaroe unb Wügcntoalbe anerfannt
mürben. 3lls bann aud; ber piaftifdje .fterjog oon <>Mogau unb
28itjlaro III. oon 9iügcu 511m ^er^idjt beftimmt waren, fdjloffcu
ber ü)iarfgraf unb bie beutfdjen Herren am 12. Qnni 1310 einen
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I. £er Stant be$ Seutfdjen Ovbene in $reufscn.
03
neuen Vertrag, nadj bem SSatbemar jug(eid) im tarnen feines
SRünbetS, bes 9)Jarfgrafen 3ofjann aus ber ottonifdjen Sinic,
bcn ttyatfädjtid) bereits an ben Orben gefommenen (Gebieten
gegen 3fl^»»9 uon 10 000 2)tarf <SiI6er nodjmals ausbrürflid)
entfagte. @rft als biefer $aft am 27. 3uli 1310 von £>ein=
rid) VII. beftätigt unb bie 3 a ^ u "Ö geleiftet, bem Orben aber
ber neue 33efi(j oom $aifer üerbrteft mar, mar bie pommerellifd)e
grage gelöft. Sie 3ufunft in bem biötjer \)<xib potnifd&en Sanbe
geprte ber beutfd>en Äultur, für bie ein flampf äroifdjen bem
Orben unb ben S3ranbcnburgem oerfjängnistiou' geworben märe.
Senn Skanbenburg mar nodj nicr)t ftarf genug, um bie Wteny-
(jut im dlorboftcn roafjrjuneinnen. Qat Söalbcmar bod) fclbft
Stolp, Sdjlaroe unb s Jiugenroalbe 1310 gegen ©elb an &erjog
28ratis(aro IV. oon $ommern'2Bolgaft abgetreten : bie 3eit mar
nod) nid)t gefommen, roo ber 33ranbenburger Stbfer ftd) an ber
Oftfee einniften fonnte.
Sie (Eroberung ^ommereffenö fct)Io6 ben Orbensftaat aufter;
(idj ab. (Ss erfdjien nun tJoHenbö als unnatürtid), bafj ber
SReifter bes Orbens nid)t bort feinen ©ifc batte, fonbem feit
bem SBerlufte Seeons (1291) geroöfmlid) in SSenebig roeUte.
Sort r)atte ber Soge Rainer bem Orben 511m Sauf für bie
©ilfe, bie er ber Mepubfif 1252 — 1258 gegen Wenua geteiftet
Gatte, bie Stirpe bella £rinita gebaut, neben ber ein ftattlidjes
Orbensfjaus entftanben mar. 2Iber wegen beö Streites mit
bem (Srjbifdjof oon iHiga unb ber pommcrcüifdjen grage mar
bereits s 3Heifter ©ottfrieb oon §obenIo()e 1302 nadj ^reufeen
geeilt. Sod) ift 3rueifetr)aft, ob fdjon bamals bie Verlegung
feines ©ifces nadj bem Orbenstanbe erörtert rourbe. Sidjerlid)
trotte §ofjenlof)es Wtdtritt 00m 2(mte nia)ts bamit 511 ttjun,
ebenforoenig mie nad&ber fein 35>iberruf, ber heftige Streitig-
feiten im Orben oerantafjte. Sic .Kräfte bes Orbens in ^reufjen
ju fonjentrieren, erforberte fdjon feine Sidjerfjeit. Sas Sdjitf:
fal ber Sempelberren enthielt in jebem gaH eine einbringlidjc
Söarnung. 3» ^reufjen fonnte ber Orben jebem ©eroa(tftretd)
ber 3lrt -utüerfidjtlia) begegnen.
<So nafmt benn etwa ein %a{)x nad) ber Eroberung Sanjigs
Siegfrieb oon 3cud)troangen feinen Stfe in ^reufjen, aber ntd)t
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64 erfles »ud>. Sie Elemente bes preufeifaen Staates (big 1598).
in bem bisherigen &auptf)aufe (Slbing, fonbern ber auf bem
rcdjten Ufer ber 9!ogat gelegenen SJlarienburg. (Sine 33urg war
bort Sur Sicherung ber Söafferftraße wobl fdfjon wäfjrenb beä
Vorbringens oon ^iomefanien nadj ^Sogefanten errietet; bie
unter ifjrem Sdfjufc entftanbene Slnfiebelung erhielt ben 27. 2lpril
1276 Stabtredf)t. SRefibenj bes öodjmetfters würbe bie 3Warien=
bürg tDof>t wegen itjrer Sage : fic bezeichnete ungefähr bie 9Witte
bes Orbenslanbes unb fcatte burdf) bie Söajferftraßen nadf) aßen
Seiten tun bequeme Skrbinbungen. $od) mußte fic i^rer neuen
SBeftimmung erft burdf) einen großartigen Um= unb Hudbau
angepaßt werben, ber fic 311 bem altgemein bewunberten 3Kcijter=
werf ber Orbensbaufunft machte.
2amit fanb bie (Sntmicfelung äußerlich ihren Slbfdfjluß,
bie unter ben 3elten bes beutfdhen gelbhofpitals oon Slccon
begonnen hatte (S. 39). $er fefte §att befl Orbenfi war
babei feine Siegel. 9Jid)t berechnet auf fo großartige $erf)ätt=
ntffe, oereinigte fic bodj glüeflief) ^efmbarfeit in ber oielge=
ftaltigen ^rnris mit Strenge in ben ^rinjipien. So fonnte
fic bas Grunbgefcfe eines eigenttid) uerfaffungslofen Staates
werben. .ßufammengefefct aus Slbfdjnittcn ber Regeln ber
Templer unb ber Sominifaner, fptegcltc fic bie Soppclnatur
bes geiftlicben iHitterorbenS wieber. 9Mag auch bie gorm, in
ber fic oorliegt, erft ber $eit angehören, wo bie Eroberung
Greußens ooücnbct war: in ben Ieitenben ®efidf)tSpunften ijt
ber urfprüngliche Seftanb fidler bewahrt. Ü5ie Xcbnbarfeit auf
bie aeönberten Verbältniffc fieberte bie ergänjenbe „®emohn=
beit". 3nbem ber Orben fo bie alten formen mit einem neuen
Weift erfüllte, erwies er feinen biftorifdEjen Söeruf. Tic CrbenS-
ämter erhielten, ohne bic urfprünglich ben befchränften Orbens=
jmeefen entfprecf>enbe 33ebeutung 311 oerlicren, einen weitum*
faffenben militärifchen unb politifeben 3ntjatt unb würben Organe
eines Staates, ber weltliche 3iclc mit weltlichen Mitteln oer=
folgte. 2luS bem ©aupte einer möndnfa>rit tertiären ©enoffem
fajaft, bereu 33eruf fieb in 9(rmen= unb Mranfenpftege, frommen
Hebungen unb bem Jlampf gegen bie Ungläubigen erfdjöpfte,
würbe ber 9)letfter bas £aupt einer l)ierardf)ifcf) geglicberten
JBeamtenrcpublif unb einer Sanbesoerwaltung, welche bic oer=
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1
I. 2>er etaat beö Scutföen Drbenö in ^reufjen.
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fa)iebenften Aufgaben su löfen Imtte, unb bartiber fu'naus ber
Präger einer oerantroortungsoollen ausroärttgen $olitif\ 2)cr
DrbenSmarfdjatl, urfprünglid) ber Seiter beö bauernben flehten
Krieges gegen bie Ungläubigen, mar nun ber ftriegsminifter
eines ausgefproajenen Sttilitärftaates unb ber öeneralftabsdjef
eines ade 3eit fdjlagfertigen $ecres, bas ber 3 ll 3"9 von tfreujs
fairem aus aller §erren Säubern ^eitroeifc 311 einer (Glaubens*
artnee ber abenblänbifäjen <5r)riften^cit oerftärfte. ®er Sreftler
aber, einft ber Söerroalter bes befd)eibenen Vermögens, bas bem
Crben aus mitben ©aben unb frommen Stiftungen junmdjs,
tonnte nun bem ginan§mimfter eines grofjen Staates oerglidjen
werben. Unb im Keinen tuieberfiolt itdj biefe SDoppelnatur in
jebem Orbensbruber : sugleia) SJtöndj unb bitter, ift er als
2Hitträger beS OrbensftaateS je naa)bem Solbat ober SUer*
roaltungsbeamter ober Diplomat.
3ebem ber sroanjtg SBejirfe bes SanbeS ftanb ein &om=
tur üor. 2)ie Srüber feines ftonoentd roaren feine S^äte unb
©efjilfen in ber SBerroaltung, feine Offiziere im gelbe, kleinere
ober entferntere Sejirfe leitete ein bitter oljne ftonoent als
Pfleger. $ie SBermenbung bes ßinjelnen f)ing allein ab oon
feiner £üä)tigfeit. 3lber felbft bas größte SBerbienft gab fein
SRed)t auf ein böseres 2lmt, unb nidjt feiten finben mir be=
mährte $orftef)er mistiger tfomtureien, ja felbft 3nfwber $of)er
Orbensämter naa)ber in untergeorbneten Stellungen. 9iodj
lebte in ben SBrübern bes Seutfäjcn Kaufes ibealer Sinn unb
begeifterte fie su felbfUofer Unterorbnung unter ben SEBiHen ber
Oberen unb ju roetteifernber Eingabe an bas 2ßof)l ber ©es
famtf)eit. So uerfügte biefer Staat über ein Seamtenperfonal
oon unoergleid)licf)er 23raud)barfett. Senn jeber eti^elne mar
f»ier äugleidj ©err unb Liener, Regent unb Untertan, Offizier
unb Solbat. 2)at)er mürbe bie ©efamtfjeit als Trägerin ber
öffentlichen ÖJeroalt oon lebenbigftem Staatsberoufetfein erfüllt.
9ßar bodj jene prioatred&tlidje Slttffaffung bes Staates, in ber
bas Mittelalter befangen blieb, Oier fd)on baburd) ausgefdjloffen,
ba& ber ein$elne Orbensritter befifelos mar unb perfönltd) feinen
Anteil r)atte an ben nufcbaren SHedjten, in benen jene &t\t bas
SBefen bes Staates (ab- 2lud) ber 3SiHe bes einzelnen bebeutete
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66 Grjlcä «uc$. 2>tc tilemente beä preufcifäen Staateö (Mo 1598).
hier nid^ ts : gemeinfames (Srmägen unb Geraten gab bcn 9luS;
fdjlag. ©ern unb fleifeig 9iat ju fuchen unb gutem 9tot willig
jiu folgen, war jebem ©ruber geboten; benn ba ift &eil, wo
nie! SHat ift. £icr entfpringt bie futliche Straft biefcö friegerifchen
Veamtenftaates in feiner Vlüteaeit, liegt aber auch bie SBurjel
bes Uebels, bem er nachmals oerfiel, $enn es tarn eine 3«t,
wo ein geiftlidjer 9litterorben auch bei ber oollrommenften Drganis
fation bie bem Staate gefteHten Aufgaben gerabe feiner Goppels
natur wegen nicht (Öfen Eonnte unb umgeftaltet werben ober
untergeben mufjtc. Vis bahin aber fmt ber Drben in Greußen
©ro&es für $eutfd)lanb geleiftet.
60 ©rofees bie ©eutfajen als fiegreiche Präger ir)rcr Äultur
in fremben Sanben geleiftet haben, baß ©röfete hat boch ber
Eeutfche Orben burd) bie Eroberung unb ©ermanifierung
^ßreufeens geleiftet. ffaum fonftwo ift babei fo jielbewufjt unb
planmäßig, mit fo ausbauendem tfraftaufwanb unb bura>
fd)lagenbem ©rfolge gehanbclt worben. Sil« eine ©renjmarf
gröfeten Stils mürbe ^Preufeen organifiert. ©in 9iefe oon feften
^läfoen überfpannte bas fianb, bie, nachbarlich aufeinanber
augewiefen, fidj gruppenweife ju VerteibigungSfnftemen jus
fammenfdjlojfen. 2)ie Orbensburgen trugen babei einen mefent*
lia) anberen Gfjarafter als bie Sdjlöffer unb geften bes mitt*
leren 2eutfd)lanb, bie auf fiöhen angelegt ft<3t> mit ihren dauern
ber gorm bes Vergplateaus anfd)loffen. £er Orben fährte feine
Käufer im Vieretf auf: tt)rc Stauer ift bie 2(ufeenmauer oon
SSofjn: unb ©irtfdjaftsgebäuben, beren Einlage unb Verteilung
ber mönchifcfjen Orbnung bes ritterlichen Sebens entfprad): fic
waren unb blieben befeftigte 5Uöfter. Slufeer dauern unb ©räben
fdjtifeten bie wichtigeren auch noch e i nc ober mehrere Vorburgen.
2>ie ©renje, namentlich gegen Sitaucn, beeften ©räben unb
Verhaue, bie nur an wenigen, burd) befonbere SBerfe gefperrten
Stellen einen ßugang freiließen. 9iodj Fleute finben fidt> Spuren
biefer „ßanbroeljr", tiefte alter Schüttungen, bie fidt) ehemals
meilenweit hinzogen, niebrige SSälle, auf beren flrone immer
nur ein SKann hinter bem anberen $u gehen ^?lafe hatte, mä>
renb ben gufj bichtes ©cbblj unzugänglich machte. Leiter jurücf
lagen in bem SSalbreoier befeftigte Vlotfhäufer, Vorwerfe ber
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bann folgenben Surgen. 3n bcren 9iäf)e befanben fid& juwcilen
„gliehhäufer", beftimmt, beim hereinbrechen feinblicher 9toubz
fdjaren bie benachbarten 2lnfiebler mit ihrer beweglichen &abe
aufzunehmen. 3>er OrbensmarfchaH hatte bafür ju forgen, baß
überaß baö nötige ßriegsgerät bereit mar. lieber bie Sefchaffen-
heit beö feinblichen Sanbes unb bie Slbficfjten unb Bewegungen
feiner Bewohner unterrichtete ben OrbenömarfdjaH ein jahtreidjed
^erfonal oon ftunbfchaftern unb ßeitsleuten. Sie lieferten auch
genaue SBefchreibungen ber SBege, bie bei einem 3uge gegen
bie Sitauer benufct merben fonnten, gaben 2lusfunft über bie
©reite ber ju paffierenben Brüche, bie beim Ueberbrücfen ober
durchwaten ber glüffe ju beachtenben 33erf)ältnifie, bie 311m
Sägern geeigneten $lä|e unb bie Möglich feit beö gouragierens,
aber auch über bie oon ben geinben befehlen ober ju &tnter=
halten benufeten fünfte — fürs über alles, was ju roiffen
wünfcf>enswert mar, um foraohl r»or einem .§anbftreich beö geinbeö
ficher ju fein, mie überrafchenb in bas feinbliche Sanb einbrechen
unb mit ber Seilte fdmetl roieber r)intcr bie fdjüfcenben ©renjs
mehren eilen §u fönnen.
Slber auch bie frieblid)en Aufgaben ber Kultur hat biefer
amiitärftaat in bewunberungswürbiger Seife gelöft. ©0 ©ro&es
Staufer, 2Belfen unb 3ähringer als Stäbtegrünber geleiftet
haben : ber deutfcfje Orben übertrifft fte alle burch bie 3af)l ber
oon ihm gefchaffenen ©ifce bürgerlicher Selbftoerroaltung. 2lls
bafi Stäbtewefen in ben beutfehen Sanben alter Kultur oerfiel,
rourbe Greußen bie SSiege neu erblübenber fommunaler greifjeit.
33on ben nahezu fedj$ig Stäbten, bie jwijchen 1233 nnb 1416
in Greußen entftanben, mareu etwa äwanjig — obenan tfulm,
£fjorn unb ©Ibing — Orte älteren Urfurungs, bie ber Orben
mit Stabtredjt beroibmete, bie übrigen finb, auf bas ihnen $um
ooraus oerliehenc Stabtrecht hin oon Unternehmern begrünbet,
allmählich h^rangemachfen. 2>aoon waren, entfprechenb ber
©erfunft ber erften Ginjügler, bie Sinnenftäbte meift mit magbe=
burgifchem, bie an unb nahe ber See gelegenen mit lübifchem
Stecht btQabt 2Bas bas beutfehe Stäbtewefen bisher an @r=
gebniffen für bie wirtfdjaftliche unb fojiale Äultur gezeitigt
hatte, baö rourbe mit einemmal in bas ftäbtelofe Greußen uer=
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68 Grfteo 23uct>. Sie ©lementc bcs preufeiföcn 6taaies (friö 1598).
pflfanjt. 3n bcm offenen Sanbe aber nmrbe eine jahlretdje
beutfdjc Sauernfchaft fcfehaft, inbem ber Orben teils felbft,
teils burd) Unternehmer Dörfer meift nach fulmifchem 9*ed)t
grünbete. Q^re Einwohner jinften balb Naturalien, balb ®clb
unb leifteten Scharm erfsbienfte, blieben aber com tfrtcgsbienft
frei. 3Me wenigen prcu&ifchcn Sauern bagegen Ratten auch
bieten ju leiften. 2SaS es an preufrifdjen Gbelleuten gab, maren
■J}ad)fommen ber roäfjrenb bes großen Shifftanbes treu gebliebenen,
bie bafür ungefähr burdj bie (Stellung ber beutfdjen Gbelleute
belohnt roorben waren. 9tudj polmfdfje 2lbelige fafjen im Orbens=
lanb, namentlich in ben ^olen benachbarten Sanbfdmften. $ie
überroältigenbc 3)ie^rf)eit bes in ipreufeen angefiebelten 2lbefs
mar beutfcher 3lbfunft. «DWitärifd) galt für il)n bie allgemeine
£ienftpflicht, bie er je nad) bem Umfang bes ihm üerliefjenen
©utes in ooHer fernerer SRttterrüftung ober in leidjterer SÖaffs
nnng leitete. $afür batte er auf feinen ©ütern umfangreiche
9runbr)errlicr)c 9?ed)te unb in $oQmad)t unb SScrtrctung bes
ßanbesherrn bie niebere ©erid)tsbarfeit über feine §interfaffen.
Gr oornehmlid) fennjeichnete ^reufcen als ßoloniallanb
famtbeutfd)lanbs. £)cnn in ihm roaren mie im Orben felbft ade
Sanbfcbaften unb alle Stämme fteutfdjlanbs in buntefter
TOfdwng oertreten : baburch mürbe Greußen gleichfam 0emein=
beftfc beö beutjdjen «olfes.
Sod) r)at auch ber internationale 3«9/ ber allen tfreu$=
fahrten eigen mar, benen nach ^reufeen nicht gefehlt. 9lament=
lieh fyabcn feit bem s #erluft 5lccons 1291 aufter Italienern unb
Spaniern Singehörige aller SBölfer bes Söeftenfi ihren ®laubenä=
eifer unb ihre 5lbenteuerluft bort ju befriebigen geflieht. 3a
in fürftfidjen unb ritterlichen Greifen gehörte es junt guten
$on, bort gefochten unb ben -Jfitterfchlag empfangen 311 haben,
©ine 3eitfong erfdnenen (Snglänber unb Sdjottcn faft rc^cl-
mäfjig als flriegsgäfte, unb &cinridj oon 2)erb«, fpäter Slönig
&einrid) IV., 50g ämeimal nach bem Orbenslanbe (1390—1391
unb 1392). 2ludj granjofen fanben fid) ein: Saucicaut hat
unter bem Orbenöbanner gefönten. Ungarn, £änen, Söhnten,
■Hicberlänber unb lothringer crfdjicnen mehrfach. $on beutfehen
gürftenhäufern gibt es faum eines, bas nicht burch einen ober
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I. £er Staat be$ £eutfd>cn OrbenS in ^reufcen.
«9
ben anberen Sprojfen unter bcn $Preußenfaf)rern oertreten wäre.
Tas fteigerte bas Snterefie bes beutfdjen Stbetö an bem MoniaU
lanbe, mit bcm auch Bürger unb Sauern Sentfchlanbs ähnlich
oerfnüpft roaren. So fanb bas beutfdje 93olf bie Einheit, bie
i^m baheim oerloren ging, toieber in ber Cftmarf an $regel
unb SHemel, welche bie müitärijdjen Xugenbcn feines 2lbelS im
Sunbe mit ber 2^^atfraft feines SürgertumS unb ber 2lrbeit8s
freubigfeit feiner dauern mit 33fut unb (Stfen nicht blofe, fons
bem auch mit Schroeifj unb ©eiftesarbett erfauft Ratten. &ier
fehlte bahcr auch noch ber ©egenfafc ber Stäube, unb 3lbel,
Bürger unb Sauern lebten in grieben unb eintragt unter bem
Regiment ber 9iittermöncf)e. $as fam äimächft ber wtrtfchaft=
liefen (Sntwicfelung ju gute. So märe Damals ein SHiefenwerf
burchjuführen geroefen roie bie Xrocfenlegung ber ÜHieberung
3wifdjen 29eichfel unb 9iogat, bie oierjig Duabratmeüen frudjt:
6arften 2lcferlanbes für ben 2lnbau gewann? 2ßo eine (o JjciT-
fame Reform, roie bie (Einführung oon einheitlichem 2Haf? unb
@ewtcf)t (1335—1336)? a»it Staunen bliefte man im Dieia)
nach bem „neuen $)eutfchlanb" im fernen Sttorboften, roo aHeft
gebieh, was man baheim oermifete. Gin maffentüdjtiger, be=
güterter 2lbel, ooU Saterlanbsliebe unb öemeinjtnn, ein ge=
werbthätiges, an bem wachfenben 3BeItocrfer)r lebhaft beteiligtes
Sürgertum, oofl berechtigten Selbftgefüf)ls, unb ein tüchtiger,
wirtschaftlich gebeif)enber Sauernftanb im Sefifc ungeminberter
Freiheit oerbanben fich bort $u einer ©emeinjehaft beö Sebens,
beren SBert unb Segen ihnen um fo mehr jum Semufjtfein
fam, je mehr fie im ©egenfafc 311 bem mifegünftigen $olentum
jlol$ ihr Seutfchtum betonten.
gür Sßolen roar ber Orben längft ein gefürdjtetcr ^adjbar
geworben. 3 UDem f a f) eft f lc &> fei* Detn ^Bwlufte ^ommereQens
oon ber Oftfee abgefdmitten, wirtschaftlich ferner gefdjäbigt.
9ton hatte SBlabislaw Sofietef bas <Reid) in ber £auptfache
toieber geeinigt, mochten auch SKafowien unb ßujaoien felb=
ftänbtg bleiben unb bie fd&Icüfdjen ^iaften fidt) Böhmen an=
fchliefjen. 2tucf> rechnete er auf päpftlid)e $ilfe, beim bie fturie
mi&gönnte bem Orben feine ftolje llnabhängigfeit in firajÜchen
fingen. Seit bie ^Bistümer ^omejanien, tfulm unb Samlanb
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70 Grfteö »ua). Sie demente beä preu&ifd>ett Staate« (KS 1598).
mit Orbensfleritcrn befe^t würben, war bie preumfdje £anbes=
firdje ganj in bes Orbens &anb, jumal er aud) in ben bifd)öf;
lidjen öebietsbritteilen als Sanbesfjerr gebot. s JJun weigerte
er bie 3 a ^ un 9 oeö ^eterspfennigs, bie früber wenigftens oom
tfulmer Üanbe geteiftet worben mar. £en Unwillen ber gelb*
bebürftigen fturie nährten bie übrigen (Gegner bes Orbens, nnb
fo erlangten bie ^ro^effe polittfdje 33ebeutung, bie ber ßr^
bifdjof oon SRiga wegen Sünamünbe (3. 60) unb Sölabislam
Siofictef roegen ^>ommereltens in Sloignon gegen ben Orben
anftrengten. 2lbcr bes Orbens Sadjmalter waren gemanbte
fünften unb getiefte Diplomaten. $urd) 3uwarten, 3Sermeiben
jeber ernftlid)en Grörtcrung unb genaue ©rffiflung. aller 3or=
malitäten, beren 9Hifead)tung ir)rcn Klienten ins Unredjt oer^
fefet fjätte, ermübeten fie (Gegner unb 9ttd)ter, Erging fdjliefc
tidt) ein ungünftiger Sprud), fo wuf3ten fie feine SBolIftrecfung
aufhalten ober ifjn wofyl gar in bas (Gegenteil ju wanbeln.
So erwirf te 1319 £od)meifter tfarl oon £ricr perfönlid) in
Slmgnon bem Orben bie 93eflätigung bes ftaufs oon Düna;
münbe. 3n betreff ^ommereHens oerurteilte gwar 1320 3o*
bann XXII. ben Orben jur Verausgabe an $olen unb 3af>lung
oon 3000 Tlaxt Soften, liefe ben Sprud) aber unoollftrccft, alö
ber Orben itjm ben ^eterspfennig oom Aiulmer l'anbe bewilligte.
So griff ^olen fdjliefelid) p ben Waffen im Sunbc mit
Litauen, beffen .König OJcbimin 1325 feine £od)ter Sölabislams
Sofm Jlafimir oermäl)lte. $n s 2)iarienburg oerfannte man bie
$efaf>r nid)t : mit SÖratislam oon Bommern, ©eorg oon dlufc
lanb, Semomit oon 2Jtafowien unb ,$einrid) oon 33raunfdjroeig
mürben 33ünbniffe gefdjlojfen, roäljrenb ^olen bie &ilfe Ungarns
gewann. (Sin neues politifdjes Softem taud)te bamit im Often
Europas auf. $m $entrum ftanb ber Orbensfiaat, um ben
bie übrigen Sttädjte freunblid) unb feinblid) graottierten, fefetc
ftd) aber $ugleidj bem 'tßapfttum mutig entgegen: trofe Sann
unb ^nterbift oermeigerte er ben ^eterspfenuig unb bielt an
£ubrotg bem 33a«ern feft.
SUfjneoerfudK unb Stillftänbe 3ögerten ben 2lusbrucfy bes
törieges bis 1327 (jin. 2llö er erfolgte, griffen aud) bie SRtgenfer
wieber $u ben Staffen unb riefen ©ebimin föilfe. Deshalb
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I. Ser Staat bcä $eutfö)en Drbens in ^reufeen.
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fd^tog ein Orbenöf)eer bie ©tabt ein, imb im grüf)jaf)r 1330
mufcte fic fidj mm boc^ unterwerfen. 2ludj in ^>olen brang ber
Orben 1332 ero6ernb ein, inbem er burd) erneute Seroißigung
beö ^eteröpfennigs com ftulmer £anbe bie Äurte oon ber Unter*
ftüfeung 2Ö(abislaros abhielt. $)en $rieg gegen Litauen aber
fteßte er fjinfort als einen ifmt burdj feine SHegel gebotenen
ßampf gegen bie Ungläubigen bar : balb organifierte er tfm
als eine gortfefeung ber ftreujjüge. darüber ftarb fjodjbetagt
Äbnig Sßlabislaw 1333, unb fein ©ofm flaftmir, oon feinen
©dnoägern Olgierb unb flnnftut, ©ebiminö ©öfmen, ungenügenb
unterftüfet, mar fdjlte&lid) frofi, erneuten griebensmalmungen
mit Slnftanb nachgeben m tonnen. 3m 3uli 1343 traf er
mit föodjmeifter $ietrid) oon Ottenburg in flaltfd) mfammen
unb trat nitt)t Moft bas Jtulmer ßanb unb ^ommereßen, fonbern
audjj bie erfterem fübroeftlid) benadjbarte 2Jfid(ielau ab.
3n^mifü;en mar in Gftt)lanb im grüf)jaf)r 1343 ein Sluf*
ftanb ber einfjeimifdjen Sauern, ber bie beutfdje Kultur unb
bie bänifdje &errfd)aft bebrof)te, mit £ilfe be§ Orbens nieber-
geflogen. $tefes mächtigen Sdntfeeö münzte man fidj bort
aud> ferner &u t>erfid>ern, jumal 1345 baö benachbarte £iofanb oon
einem Sitauereinfaß fjeimgefudjt mürbe. 3nfolgebeffen überliefe
Äönig Söalbemar IV. oon Sänemarf eftfjlanb für 19 000 Wart
bem Orben, ber audj bie 2Inredjte feines Sdjroiegerfofmes, beö
9ttarfgrafen Subroig oon Sranbenburg, um 6000 3Warf erwarb,
gür ben Orben galt es ben neuen £tetlfc gegen bie roeftroärts
ftrebenben Muffen m fduitjen, bie tf)rerfeits mit fiitauen ju«
fammenfjielten. 2)ort f>errfd)tcn feit Öebimtnfi £ob (1. Of=
tober 1341) in eintragt feine ©öljne Olgierb unb tfnnftut;
iuäf)renb erfterer ftd) gegen ^reugeu roanbte, fud)te teuerer mit
ben Stoffen oon ^Pfforo ttiolanb f)eim. Um fo brtngenber be=
burfte ber Orben einer fidleren ^erbinbung gnrifdjcn Mur=, Sio*
unb (Sfttylanb eincr= unb Greußen anbererfettö. 2)aju mufjtc er
oon 3Wemel unb $agmt ben 2Hemel unb feine 3uflüffe aufwärts
bringen unb bura) ein «Softem oon 23efeftigungen ben Samaiten
ben 2Öeg oerlcgcn, um baö breite unb fumpuge 9tieberungs:
fanb aßmäfjlid) m bewältigen. 3roei 2)ienfd)enaltcr fjat biefer
flampf ifm oorjugsweifc befd&äftigt : ein burdjfdjfagenber Crfolg
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72 Grfteö «ucf>. Sic demente beä preu&tfäen Staate«* (6te 1598).
ijt tljm nid)t bcfd&ieben geroefen, ja nidjt einmal ben Einfällen
ber Litauer fjat er ein @nbe machen fönnen. Sennodj Ratten
bie Sitauerfaljrten für ifw eine §of>e 33ebeutung: fie galten
alö gortfefeung beö ßampfeö für ben ©lauben. 3 UDem führten
ftc jaf)treiä)e Äriegögäfte in baö Sanb, abenteuer= unb beuteluftige
bitter aller Nationen, bef onberö natürlicf) beutfdje, unb erhielten
fo bie SBerbinbung jroifrfien bem Äoloniallanbe unb bem SReidje.
2lua) würben fie für ben Drben unb feine Untertanen eine
treffliche <5djule beö Krieges, bie fie su fd&lagfertiger Sßaffem
bereitfdjaft bilbete. greilid) lag barin audj eine ©efa&r, weit
fie ben <£l)arafter ernfter friegerifdjer 2lftionen allmählich ein*
büfeten unb $u roüftcn SRaubfahrten entarteten.
2)2an unterfdneb jroei Birten biefer „Reifen", aufeerorbent?
tic^e unb geroö&n ltdje ober gro&e unb t leine. 9hir erftere roaren
flriegöjfige: längere 3 e ** oorfier angefagt, würben fie oom
Öochmeifter felbft ober oom DrbenömarfchaH befehligt. 2(uf ben
©ammelpläfeen erfc^ienen bann bie ßomture unb bitter ber
©ren5burgen, oft auch ber 2Heifter oon Siolanb, bann bie abiigen
fianbfaffen unb bie ftäbtifdjen 2Behrmannfchaften mit flriegö*
materialien unb Vorräten. Saher mar ber £ro& oft grofe, unb
man mahlte jum Einbruch in getnbeölanb ben fidjereren unb
bequemeren SBafferroeg. §äufig mürbe oon folgen 3ügen längere
3eit oorfier nach Seutfchlanb unb weiterhin $unbe gefanbt unb
bie SHitterfd)aft jur Teilnahme eingelaben. Saun rourbe auch
mof)l ber ^fjrcntifdt) gehalten, b. fj. ein Sßrunfmahl, ju bem
oon ben erfdjienenen Gittern bie berühmteren burch §erotböruf
gelaben mürben. Sabei ging eö hoch $tx, mie überhaupt bie
Teilnahme frember gürftlidjfetten an ben „Reifen" raufchenbe
geftltchfeiten unb üppige ©elage oeranla&te, bei benen man eö
einanber äuoorjuthun fuä)te an auöcrlefenen Speifen, föftlidjen
©etränfen unb prachtooHem (Geräte. 3n S3ejug auf baß eigent*
lieh s J«ilitärifa)e, bie SJcarfchorbnung, baö ©efecfjt u. f. m. hatte
fidj ein beftimmter 23raud) herauögebilbet, oon bem nur aus
befonberen 2lnläffen abgewichen rourbe. 3m allgemeinen aber
entfprad) bei ber ftatur beö tfriegöfdfjauplafces unb ber Kampfs
art beö geinbeö bie ftlcinheit ober öinfäfligfeit beö ©rfolgeö
nicht ber ©rö&e ber aufgeroanbten ÜHittel.
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I. £cr Staat beS $eutfdjen Drbenö in ^reufeen.
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2Sichttger für bic frtegerifche ©Pulling bes Orbens waren
bie Heineren „Reifen". Sie waren Sache allein ber Komture
ber ©ren$burgen unb foQten bie Sitauer oon beä Orbens fteter
ftriegsbereitfehaft überzeugen. Sie fanben gewöhnlich oon ben
baju geeigneten ©renjburgen aus jweimal im 3af>re ftatt : benn
nur ftarfer groft ober Sommerbürre machte bie Sumpfmälber
mit ihren Saasen unb gliejjen paffterbar. 2Iber gerabe biefe
„Reifen" entarteten früt) ju rauften ftaub fahrten unb felbft rohen
"äRenfchenjagben. 2Bie t)cutc fürftlichem Sefuch ju (Sljren ein
&of 3agben oeranftaltet, fo oeranftaltete ber Orbcn für oor=
nehme grembe fötale Reifen, bie fo gu einem Sport fjerab=
gemürbigt mürben. 3)ie giftion freilief) beftanb, es hanble fich
um eine ritterliche ©laubenöthat. Sie fotlte auch bie ©raus
famfeiten rechtfertigen, bie man babei oerübte. „23as in tut
we, bas tut uns wol", befennt ein jeitgenöffifcher dichter unb
erjärjlt, roie bie bitter in bem litauifchen ©renslanbe mit
ÜWorb unb 9iaub unb 33ranb Raufen, „ben ©t>riften jum @e=
winn, ben §eiben gum SBerluft". Sie Männer werben nieber=
gemacht, SBeiber unb ßinber gefangen unb jujammengebunben
wie Goppeln oon gunben in bie ßnechtfdjaft geführt.
üRerfmürbig fontraftiert bamit bie Pflege, welche bie geu
fügen 3ntereffen im Orben fanben. greilich wirften ba per*
fönliche SRomente mit. ©er godjmeifter ßothar oon 93rauns
fchweig (1331 — 1335), ber guerft in biefer Dichtung thättg
war, wirb als Sohn Ulberts bes ©ro&en (t 1279), beffen
Schwefter Helene mit germann oon Thüringen, bem Sofme
ber heiligen (SUfabctfj, oermäfjlt war, burch feine ^cjiehung
gu bem bichterfreunblichen §of auf ber SSartburg auf ähnliche
33eftrebungen hiugewiefen fein. @r überfefcte aus bem Sateu
nifchen ein poetifches Seben ber heiligen Sarbara unb oeran=
lafete, wohl jum 3wedf ber burch bie Siegel gebotenen $or=
(efungen bei ben gemeinsamen ^Jiahljeiten, ^arapfjrafen ber
33üa)er ^Daniel unb &iob. 2utch fehlten in ben ^Büchereien bes
Orbend nicht ältere Richtwerte, beren Vorwurf ber &f für
ben ©lauben war, wie 93arlaam unb 3ofapf)at, bas Siolanbslteb
u. a. m. 9Joch bewahrt bie Jlönigsberger 33ibliotf)ef etliche reich
ausgeftattete ganbfehriften, bie Öotfjar oon 23raunfdjweig an=
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74 ©rftcä Sua). 2>te demente beo preujjtfa)en Staates (bio 1598).
fertigen liefe, damals bearbeitete Heinrich £esler bie Offene
barung Johannis, ein #artäufer $l)tlipp toibmete fein Seben
ber 3 un 9? rau Waxia bem Orben, unb 9?ifolaus oon ^erofehin,
ber aud) bas Seben bes IjeiUgeit 3lbolbert befang, erjagte int
2tnfd)lufe an bas SBerf Meters oon Tusburg bie Crbensgefdjid)te
in einer 9ieimd)ronif, Deren SÖeiterführung ihn Sotbars
Nachfolger, Tietrief) oon Slltenburg (1335 — 1346), ermunterte.
SBalb banad) oerbeutfebte Nifolaus, ber $uftos ber preufjifchen
SHinoriten, auf Söunfch bes Orbensmarfchalls ©iegfrieb non
Tahenfels (1347—1359) bie «einen unb großen Propheten
unb bie 2lpoftelgefd)ichte.
©o erfebeint bas fyalbt Sabrbunbert nach bem grieben oon
ßalifd) als bie glüdlicbfie 3«it bes Orbens. Tauemb oerjüngt
burd) ben 3 u ft rom tüchtiger Gräfte aus bem beutfcfjen 2lbel,
benen ber toeijje 3Jlantel eine ftattlidje Verforgung oerf)iefe,
waltete er, jebe gäfngfeit an ber regten ©teile oerroenbenb,
feines f)of)en Gimtes in fchönem ©(eidjmafj ber Gräfte unb über=
roanb fo bie ©efahren, bie feine Toppclnatur mit ftdj braute.
3ugleidj attöndje unb bitter, ©olbaten unb Beamte, tfaufleuic
unb Diplomaten, roaren bie Teutfdjen Herren in ihren Ijeroor*
ragenbften Vertretern Staatsmänner, unübertroffen an Vtel=
feitigfeit ber Erfahrung, Höeite bes 33licfs unb Kühnheit bes
fianbclnö. Qnbem fie alle bie gleiche ©djule burcbmadjten, im
Tienfte berfelben 3beale unb unter bem ©influf? berfclben £ra=
bition gebitbet mürben unb totrften, entroicfelten fie eine ^olis
tif, bie, unabhängig oon bem 2Sed)fel ber ^erfonen, in ber
Erfahrung oon ©enerationen murmelte unb fid) bod) bem SBanbel
ber Reiten gefdneft anpaßte. Tie grage aber mar, ob ber
Orben auf biefer &öl)e bauemb erhalten roerben fönnte. 3Bic
nahe lag jebem feiner ©lieber bie Verfügung, auf bas ftedjt
ber ©efamtbeit r>in ftcb felbft Vorteile ju fdjaffen unb feinen
eigenen Hillen für ben ©cfamtmitten ausjugeben ! deiner wohl
oon ben Sfleiftern r)at biefe ©efafn* fo. flar erfannt unb fo oor=
forglia) ab$uioenben gefugt, roie ber eble Einrieb oon tftüp*
robe (1351—1382), an bcjfcn tarnen fid) bie berrlia^ften ®x*
innerungen aus ber Vlütcjeü bes Orbens fnüpfen.
SBenn 2öinridj oon Äniprobe nachgerühmt mürbe, er habe
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I. £er 6taat bcä Seutföcn Qrbenö in ^reu&en.
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bic ©ebietiger in ß&rbarfeit unb bie Srübcr in frommer 3ud)t
gehalten, über Gittern unb Gbelleutcn geredjt gewaltet, Bürger
unb dauern löblich regiert, Söitwen unb S&aifen uerforgt, nidfjt
minber aber aud) bie Sitauer mit tfrieg r)eimgefucr;t, 3crftbrte
Crtfdiaften wieber aufgeridjtet unb fefte Surgen erbaut, im
übrigen jebod) fid) beö Krieges nad) 5)iöglid)feit enthalten, fo
baß ber Orben fid) unter ifjm beö beften SRiifö erfreute: fo läßt
tfm biefe gütle bes Sobes als baä 3beal eines gürften er=
fdjeinen, mag aud) ein Seil bauon auf 9*edjnung bed ©egern
fafces fommen, in bem gleid) bie nädrftfolgenben 3eite» 511 ber
feinen ftanben. SBejeidmenbermeife wirb beS 3Jkifters SiLUrfcn
innerhalb beß Orbenö oorangefteHt, gewiß weit gerabe in biefer
föinfidjt balb fo oieleö fo anbers würbe. 2öenn SBinrid) bie
(Statuten burdj SefHmmungen ergänzte, bie ben Orbenöbeamtcn
fd)onenbe 33eljanblung ber Untertanen jur s $fltd)t matten, fo
jeigt bas, baß fd)on bamala über 2luöfdjrcttungen ber 3lrt ge=
flagt würbe, (Sbenfo führte er regelmäßige SBifitationen ber
Crben8f>äufer ein. Um bie Srüber beffer für if)re £f)ätigfeit
als Beamte oorjubereiten, errötete er in flulm eine 3lfabemie,
mo namentlidj bie SRedjte gelehrt werben fofiten. Sie frönt
ben planmäßigen Umbau befi preußifdjen Sdntlmefens burd)
ben Orben. Sdjon feit Seginn bes 14. ^afjrfjunberts waren
neben ben elementaren ä?olfsfdjuten audj $farrf$ulen unb
ftäbtifdje 2lnftalten entftanben, auf benen Latein gelehrt würbe,
wie bie fc&on 1300 erwähnte 9iatsfdjule 511 (Slbing. ©er 53ifd)of
oon (Srmelanb rjatte in SBormbttt eine Slnftalt jur Slusbtlbung
feiner §ofjunfer unb in &eilsberg ein Seminar für junge
©eift(id)e preußifdjer Slbfunft errietet. 2lud) auf biefem @e*
biet f)attc Greußen bas SJiutterlanb bereits eingeholt. £as
bezeugt audj bas (Srblüfjen ber prcußifd)en öefctytc&tfdjreibung,
bie bem tf)r gebotenen großen Stoff geregt würbe.
(Sine foldje Pflege ber geiftigen 3nterefien aber war bodj nur
möglich ju einer 3«t, wo bcö Sanbes Gräfte ftiegerifa) weniger
in 2lnfprud) genommen waren. 0eruf)t fabelt bie Staffen frei=
liä) audj unter Sßinrid) oon itniprobe tüd)t. Xenn nod) er=
füllte bie eine ober bie anbere Örenjtanbfdjaft gelegentlid) ein
plöfeltdjer Sitauereinfall mit ben Sdjrcden bcö &eibenfampfeö.
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76 <Srfteo 23ua). Sic demente bcä preufcifo)en Staate« (biö 1598).
Slnbererfeits lieft trofe bes griebens oon tfalifd) $öntg flaftmir
feine Gelegenheit unbenufct, um bem Crben 31t fdjaben. 2)enn
bie 2Biebergeroinming $ommereHens unb bes Äulmerlanbes blieb
bie SeJinfudjt aller pofnifa^en Patrioten. Sie 3luöfid)t barauf
mar bamals freilief) gering. 3°/ * n Wörter finanzieller Sebräng«
nis mujjte flafimir von bem Crben 40 000 (Bulben leifjen gegen
$erpfänbung bes £anbes ®obrtn, bes auf bem redeten 2Betd)fel=
ufer gelegenen £eils t>on tfujaoien. tiefer ©anbei, burdj ben
ber Orben fid) wie ein $cil jroifdjen tfujaoien unb 2Haforoien
einfdjob, mürbe bie dueOe enblofen Streites aroifdjen tf)m unb
^olen. 2lud& roeil ber Orben tfjn gegen bie SttaucreinfäHc
nid)t flauer fteHte, flagte flaftmir gegen ifm in SRom, als ob ba
eine 33ernad)läfftgung ber $flid)t bes Kampfes gegen bie Reiben
oorläge. 2)enn gern benufcte bie Äurie jebe (Belegenfjeit, um
ben auf feine Unabf)ängigfeit fo flogen Crben if)re Autorität
ftiljlen $u (äffen. So blieb aua) unter 2Btnridj bas SBerf)äItnis
3U $olen unfreunblid), trofc bes glänjenben (Smpfanges, ben
ber SHeifter bem ßönig bei einem 33efudj in 2Raricnburg bes
reitete.
2Bie grunblos bie polnifdjen 93efd)ulbigungen gegen ben
Crben waren, leljrt bie ©efdjidjte ber £itauerfämpfe jener
3eit. Safe SBinridj ben politifdjen Vorteil feines Staates über
ben eitlen 9iul)tn bes ©laubensfampfes fefcte, fonnte ifjm nur
fird&lidjer Uebereifer 311m Vorwurf madjen. Stellte bodj jdjon
bamals bie SJerfdjroägerung ßaftmirs mit bem litautfdjen
gürftenfyaufe ben Crben cor bie Sflöglia^feit einer Union dolens
unb Litauens. Um fo mef)r fuetyte 2öinrid) ben Litauern ben
2Beg bas 3Jtemertl)al abroärts gu »erlegen, ©eftiger entbrannte
bafjer ber tfampf. 3 TOe t ma ^ Äpnftut in bie ©efangenfdjaft
ber bitter, geroann aber burd) £tft bie greiljcit roieber. 3nt
griibjaljr 1362 brang ber 9Jieifter mit bem 3J?arfajalI &enmg
Sdjinbefopf, ber fd)on als Komtur oon SRagnit ber Sdjreden
ber Sitauer geworben mar, bis nadj Lorano oor, eroberte unb
jerftörte es. 3a bis SBilna, Clgierbs ©auptftabt, famen bie
Scutfdjen gelegentlid). Streit im litanifa^en gürftenfyaufe er«
fd)lofe ifjnen nod) größere 2(usfid)ten. 2£aibot, ein Sofm fli;n=
ftuts, verfiel mit bem SBater, fuctjte ben Sd)ufc bes CrbenS unb
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I. £er Staat be$ 2>eutfö)en DrbenS in ^reujjen.
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etnpftttg in Königsberg bie Saufe, um bann am faiferlichen §ofc
als „ßitauerfönig" §ilfe für feine ehrgeizigen entwürfe 511
werben. deshalb brachen Olgicrb unb Knnftut im Januar 1370
plöfclich mit einem gewaltigen &eer in 'ßreu&en ein. $te 316=
teilungen, bie auf oerfdjiebencn Söegen bas Sanb oerwüftenb burcfj=
flogen, oereinigten fidt) am £aff, über beffen (£is jie in fdjnettem
9Utt Samlanb erreichten. 2lber burdj ben Komtur oon SRagnit
unb feine Kunbjdjafter mar ber Orbensmarfchall rechtzeitig ge=
warnt, ©in 9ßadjtmarfä) braute bas Orbensheer oon Königsberg
am Sttorgen bes 17. gebruar 1370 nad) bem Orbcnshaufe
SRubau, nahe ber 9iorbfüfte Samlanbs. 2lm Wittag entbrannte
bort eine furchtbare Schlacht : ju fpät mürben bie Sitauer inne,
bafc fie es nicht mit eitig jufammcngerafften Saufen, fonbern
ber ganzen Streitmacht bes Orbens zu tf)un Ratten. öftrem
2lnfturm toaren fie nicht gemachten: 511 Saufenbcn mürben fie
auf ber gludit znfammengehauen. 2lber auch ber Orben hatte
fernere Verlufte: and; ber Orbensmarfchall mar gefallen, in
übereifriger Verfolgung oon einem feinblichen ©efdjoß getroffen,
dennoch mar bie ©stacht bei Siubau nur burdj bie klaffen ber
Streiter oon früheren unb fpäteren Sitauerfämpfen oerfchieben :
fo fehr Dichtung unb Sage fie gefeiert, bas Verhältnis ber
beiben ©egner mar burd) fie nicht geänbert unb ber Krieg
bauerte in ber alten 2öeife fort.
künftigere SluSftchten erfdjloffen fic^ bem Orben, als 1377
Olgierb ftarb unb fein Sohn Qagal, beftrebt bas ganze Sanb
Zu geminnen, um feine greunbfdjaft marb. heimlich traf 3 a 9^l
auf einem 3^gbausflug mit bem Veoollmäcbtigten bes &odj=
meifters 3ufammen: er oerfpradj gegen Greußen unb Siolanb
nichts zu unternehmen, wenn er auch Knnftut 5"m Schein
$eeresfolge leiftete. 3 um Kampf gegen biefen gewährte er bem
OrbenSheer Durchzug; fchetnbare geinbfcligfeiten füllten Knnftut
täuichen. £a fiel biefer 1381 plöfclich über ben oerräterifchen
Neffen her unb nötigte ihn zur glucbt nach SBitebsf. Valb a6er
ftanb berfelbe, oon bem Orben unterftüfet, in SBaffen. 3"9^iö)
brach gegen Knnftuts Sohn SfiHtowb ein 2Iufruf)r aus. Gin
wechfelooller Kampf entbrannte. $a machte 3agat Vergleichs:
oorfdjläge. 3:t)5ric5t begab ftch ber greife Ki;nftut mit feinem
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78 Grftcö Sud;. Xk (rlemente beä preufcifdjen Staate* (bis 1598).
Sofnt in bas Sager bes Neffen : er tourbe gefangen unb enbete
balb im Werfer.
SBäfjrenb feinem 23crf)ältnis ^olen unb fiitaucn bauemb
crnfie SBerroirfelungen broljten, ftieg unter SÖinrid) oon Kmprobe
ber @influ& bes Crbens auf bie ©eftaltung ber baltifd&en
gelegensten. Saju mirfte bie eigentümliche SoppelfteHung ber
größeren Stäbte Sßreu&ens. ©eit ber 3)ittte bes 14. 3a^r=
fumberts erfd&einen erjt Xfyoxn, Kulm unb Glbing, bann audj
Sanjig, Sraunsberg unb Königsberg als ©lieber ber &anfa
unb nafnnen als fold)e an ber auswärtigen ^oliti! ber §anfa
teil wie freie ©täbte, wäf)renb fie mit ifjren inneren 3lngelegen=
Reiten üon bem Sanbesfjerrn abhängig blieben, fia) aud) wof)l
barauf beriefen, um fta) läjtigen 2lnforberungen ber §anfa ju
entstehen. Eiefes £oppeloerl)ältnis erlangte um fo größere
Sebeutung, je mef)r ber §anbel ber preufeifdien Stäbtc erblühte
unb bie föanfa jur Trägerin einer eigenen See= unb §anbelö;
politif emporwudjs. £>ie preujjifdjeu Stäbte waren namentlich
an ben ffanbinauifd)en 3«l^ejfen ber &anfa, befonbers bem
§eringsfang unb §erings()anbel intereffiert. 2lls es nadj bem
Ueberfatt äüisbns bnrd) SSalbemar IV. 1361 jum Krieg ber
£anfa gegen £änemarf fam, leifteten bie preufjifdjen (Stäbte
trofc ber Neutralität bes Crbens baju wenigftens finanzielle
Seifjilfe, inbem fie bas <Pfunbgelb einführten. Sann aber in
ben ©tiHftanb md)t ausbrüdlidj etngefdjloffen, jafjen fie ifjren
#anbel burdj bie Seinen empfinblid) gefdjäbigt unb brangen
auf balbige Grnenerung bes Krieges. 3lls bicfelbe 1368 erfolgte,
nahmen bie preufeifdjen ©täbte mit 500 5)?ann unb fünf Sdjiffen
baran teil unb erhielten in bem ©tralfunber grieben uom
24. 2J?ai 1370, ber ben ööfjeftanb oer fjaniifa^en 3Hadjt im
Horben bejeid^net, itjren Anteil an bem föeringsfang in Schonen
wieber. Sßie lcirf)t aber fonnte audj einmal bie auswärtige
politif bes Orbens mit ber ber Stäbte in Sßiberfprud) geraten!
Würben bie Stäbte bie ofjne fein 3utf)un gewonnenen föedjte
unb Weidjtümer bem Orben in jebem galle für feine 3metfe
$ur Verfügung ftellen, nia)t oielmef)r, in fo widrigen fragen
ber 3ugef)örigfeit &um Drbensftaate cntwöfmt, ein foldjes Skr*
langen als Eingriff in \f)n ©eredjtfame abweifen?
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I. 2>er Staat bcd 2>eutföen OrbenS in ^reufcen.
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Uebrigend vertrat audj bcr Orben felbft feine 6täbte energifä)
nad) außen. Verlegungen ber t)anftfd)en spriotlegien in Gng=
lanb oeranlaßten Älagen ber preußifdjen Stäbte unb fdjließttdj
ftepreffalien gegen bie englifdjen tfaufleute in Greußen, bie
bann roieber entfpredjenbe ©egenmaßregeln in ©nglanb jjur
golge Ratten. £a bie ©anfa untätig blieb, tourbe 2öinrtdj
oon ftniprobe jnm eingreifen oeranlaßt. $>ennodj würben nadj
(Sbuarbs III. £ob (1377) in (Snglanb preußifdfje <5d)iffe unb
23aren als f einbüße bebanbelt, unb erft 1379 fam ein 33er*
gleidj ju ftanbe, ber ben preußifdjen ©täbten ©djabenerfafc
oerf)ieß. erneute ©treitigfeiten aber oeranlaßten einen förnu
lidjen 3°H ; unb &anbclsfrieg. 2)a ergriff SBinrid) ernfte 3Jlafe-
regeln gegen (Snglanb. 2lber erft bas nod) energifdjere Vorgehen
feines 9tadjfolgers Äonrab 35ßner oon 9iotf)enfkin beioirfte
eine befriebigenbe Söfung bes Jtonfliftes. Slebnlid&e Differenzen
gab es 1379 mit granfreidj, bod) roies auf bes £od)meifterS
(Srfudjen flönig Start VI. feine flüftemoädjter atsbatb an, Seute
unb 6djiffe bes Orbens unb ber ©anfa ntdjt mein* ju betäftigen.
2tudfj fdjenfte er betn Orben eine foftbar gefaßte ^artifel bes
^eiligen Äreujes, toie einige &t\t juoor Jtaifer flarl IV., ber
nidjt ju feinen juoerlälfigen greunben gehörte, if)m eine Reliquie
ber tieiligen ßatfjarina gefpenbet tyatte, oon ber aus biefem
2lnlaß ein foftbares, aus Silber getriebenes unb oergolbetes
SMlbnis f)ergefteUt würbe.
<Bo l)at äBinridj» oon ftniprobe, weithin als ßaupt eines
mädjtigen Staates gefeiert, länger als ein 93ierteljal)rf)unbert
feines fürftlidjen 2lmteS gemattet, mefjr Staatsmann als Ärieger,
um eine frieblidjc 3ufunft bemüht. Das lefjrt namenttidj aud)
feine litautfdje Sßotitif. Den 33efife bes Orbens im unteren unb
mittleren 2ttemeltf)al 31t fidlem beftrebt, wollte er bodj äugletdj
bie alte geinbfd^aft befeitigen unb ein frieblidies 9iebeneinanber
beiber Vötfer ermöglidjen. Sdjon mürben bie Sitauerfabrten,
beren SBiberfinn unb s Jiof)eit tfnn ntd)t entgangen fein fanu,
gelegenttidj aud) in weiteren Greifen abfällig beurteilt: man
erfannte ben funbamentalen SBiberfprudj, an bem ber Orben unb
fein Staat franften. §ier entfprang mot)l aud) bes &od)meifiers
33emtif)en, mit ber flirdje bes Orbenslanbes in gutes ßinoer^
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80 (Srftcö 93ud). Sie eiemente bcö preufctföen ©taatcö (Mo 1598).
nehmen ju fommen. $en alten 3roift mit bcm Grjbifdjof oon
SRiga beglid) er, inbem et ber £errfdjaft über bie Stabt ent^
fagte, bod) bc^ieTt ber Drben fein feftes &aus unb burfte bie
Bürger audj in 3ufunft sunt flriegsbienft aufbieten. Streitig;
feiten mit ben Bifdjöfcn oon Samlanb unb oon ©rmelanb
mürben beigelegt. 2ludj lieg bie flirdjenfpaltung bem Orben
unbequeme f)ierard)ijd)e Senbenjen bamals nid)t auffommen,
unb audj oon feiten bes Sfaidjes ift Greußen in feiner Söeife
als ifjm jugeljörig ober gar untergeorbnet in 2lnfprudj ge=
nommen roorben. Unabhängig oon ben fjödjften firdjlidjen unb
loeltltdjen ©eroalten, in bem felbftbegrünbeten 9ied)t fiegreidjer
(Eroberung unb ftegreidfierer .Kulturarbeit rouraelnb, gefeftigt
burd) bie praftifdje Bewährung feiner ben 93erf)ältniffen meifter*
^aft angepafeten Organifation, ein SJiilitär; unb Beamtenftaat,
ber bod) feine oon ben Aufgaben fiaatlidjer griebensarbeit oer*
fäumte, getragen oon bem einmütigen 3ufammemoirfen ber ein*
anber fonft überaß befämpfenben Stänbe — fo erfdjien Greußen
bamalö ben Stammesgen offen bafjeim als bas „neue £)eutfd>=
lanb". Unb bod) mar audj in ifjrn bereits ein 3erfefeungsprt>3ef$
im Crange, beffen jerftörenbe SSirfungen ber erfte Sturm oon
äugen furdjtbar offenbaren fodte.
3. fltr £all tes ©rfccnsjtaatfs. 1382—1466.
$er Orben blieb nidjt unberührt oon ber 3luflöfung bes
gefamten mittelalterlichen Sebens. Söurjelte fein Staat bod)
in beffen ftrdjlidjen, gcfettfchaftlidjen unb roirtfcJ>aftltdjen 33er«
f)ältniffen, bereu fortfdjreitenber Verfall aud) tfjn ergreifen
mu&te. 2)tc Emanzipation bes Staates oon ber Äirdjc, bie
Slusbtlbung nationaler 3Jionardjien unb bas Sluffteigen bes
Bürgertums jufammen mit ber 2Banblung bes roirtjdjaftltd)en
Gebens entzogen if)m bie bisherigen Bebtngungen bes SafeinS.
3lbel unb «Rittertum oerloren bie leitenbe Stellung mit bem
militärifdjen Uebergeroidjt. Sern gufcoolf unb ben geuerroaffen
gehörte bie 3ufunjt. 3«>ar ging ber Orben gerabe auf biefem
(Gebiet mit ber 3*it "»b Inelt fein tfriegsroefen auf ber ©öf)e.
hieben ber fajtoergerüfteten heiteret ber Orbensritter unb bes
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I. $er Staat bcs 2eutf($en Drbenö in ^reufcen.
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bienftpflichtigen £e(jenöabefa (ulbeten feine §eere bie 51t guft
ferfjtenben ftäbtifehen Aufgebote, unb auch burdj SSeruföfolbaten
hat er fie zeitig ergänzt. Öenueftfche ©eftüfeen roarb er bereits
1394, burgunbifdje 1397, unb 511 Anfang bes 15. 3af)rbunbertä
Schroeijer. eine „Sombarbe" brauchte er fdjon 1381 gegen
eine litauifche gefte. $ie preujjtföen glüffc befugen sinnen*
gefrönte Äriegöfch iffe ; fpäter [teilten ihm bie Seeftäbte ftattlidje
Stötten. 9hir ^oben foldfje gortfd^rtttc boch ben SSiberfprnch
nicht auf, an bent er innertieft franfte.
3n Armut, GJehorfam unb Äeufcftfteit verpflichtet, (ebten
biefe Dittermönche in Reichtum, §errfdj>aft unb Ueppigfeit.
<gatte bie Orbenäregel einft für eine pflichttreue 9tegententf)ätig=
feit ben Gahmen abgegeben: ben erftarfenben roeltlichen 3n-
tereffen erlogen bie ©ebote ritterlicher £ugenb unb grömmig--
feit. Unb boch blieb ber SRechtStttel für bie gan$e Stellung
be$ Orbenö ber flampf gegen bie Ungläubigen, durften aber
bie 31t greulichen atfenfehenjagben entarteten Sitauerreifen al$
ein foldjer gelten? Schien nicht oielmeftr biefeö ritterliche
treiben nur ein £ecfmantel für bie 93efriebigung jeber 23e-
gierbe? SSenn es fpäter oon ben ©ebietigern ftiefe, fiefagten:
v 3BaS ift fulmifch SRecht ? 3Öir finb euer 9ied)t ! — fie sroängen
bie Schöffen 311 Urteilen nach tyxtm 23iHen, oergemaltigten
ehrbare Seute, mißachteten bie verliehenen ©anbfeften, be=
reicherten ftch ro iberrecht lieh , oernadjläfftgten ihre firchlichen
Pflichten, lebten in Unfeufchheit unb liefeen bie preußischen
dauern bei hetonifcher Abgötterei : fo hobelt cö fidt) boch um
Uebelftänbe, bie erft allmählich fo fdjreienb mürben, ben An-
fängen nach aocr W on V* ®wb* beö 14. 3al)rhnnbert$ oorfjanben
roaren, mie ja auch bie föeformbeflrebungen SBtnrichfi oon Xlnip=
robe ^igen.
Auf bie 3unehmenbe Unfirchlichfeit beft Orbend allein,
bie er mit ber ganzen 3«* teilte, wirb bafi nicht jurücf zu-
führen fein. ®och riieften ihn fchon feine äonfliftc mit bem
^Bapfttum gelegentlich in ein bejonbereö Sicht, unb bie flurie
trug fich mit bem ©ebaufen an feine „Deformation". 2Belcf)er
Art fie fein mürbe, liefe fid) erraten. GJennß hätte ^olen gern
bie Sfranb baju geboten. Unoergeffeu mar bort, roaö man
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82 ©rfteS »ud>. Sie Gletnente beä preufciföen ©taatcä (6iö 1598).
fcmrd) ben Orben oerloren fjatte, unb baucrnb fürchtete cö neue
SSerlufte. 3lbcr bic ©rfenntniö feiner Ueberlegentyeit nötigte
bie erfefjnte Sßergeltung 511 oertagen. $ie 2lrt, wie er nad>
Agnftutd £ob ben ©aber SBitorob« mit 3 a 8 a * benufcte, um
ftd) eines £eil« oon Samaiten 511 bemächtigen, mußte ben
alten ber Litauer nodj fteigern. Unb nun rourbe nad>
bem £obe Subioigs beö ©ro&en oon Ungarn unb Polen eben
biefer 3agal, getauft unb Subioiga jüngerer Softer ©ebroig
oermäfjlt, als äölabislaio II. ßömg oon Polen. SRufete er
aua) feinen Detter ©ttotob als ©ro&fürften oon 2itamn fclb--
ftänbig laffen, fo entftanb bodj fdfoon burd) biefe lodere 23er;
einigung beiber !Reicr)e eine 9Wadjt, in ber ftd? bie alte geinb=
fdjaft ber Polen mit bem töblia^en fiaft, roeldjer bie ftetft
bekämpften unb nie übenounbenen, jahraus jahrein nrie roilbe
Siere gefjefcten Sitauer erfüllte, ju leibenfdjaftlidjem Streben
nad) SBernidjtung bes Crben« oerbanb, unb ba« 3U einer 3rit,
too ba« Slaoentum auf ber ganzen Sinie gegen bie £eutfd>en
auftürmte. Sutern nalnn bie 23efef)rung ber Sitauer bem Crben
mit bem ®lauben«fampfe ben ftedjtötitel, auf bem feine 2lu«=
nafmteftcHung beruhte.
3um ©lud fonnte ber Orben ftd) nodj redjtjeitig au« bem
©anbei löfen, ber ifm ber 3"fel ©otlanb toegen in einen
Äampf mit ben ffanbinaoifdjen SHcidjen ju oermicfeln brof)te.
Tort Ijatte bie ©nttfjronung be« Sdnoebenfönigfi 9Ubred)t oon
2Hedlenburg burd) Margarete oon Xänemarf unb Dlorroegen
einen tfrteg ocranlafet, in ben mit ber &anfa aud) £an$ig,
ßlbing unb Xfjorn gebogen maren. 3&n benutzten bänifdje unb
beutfdje Seeräuber, um, angeblich alö Parteigänger 2llbred)tß,
fict) auf ©otlanb, eitift bem flnotenpunft be« norbtfajen ©anbei«,
einjuniften unb traten oon ba aud) ben preufcifdKtt Seefiäbten
fd)toeren Slbbrud). £e«f)alb fanbte ber Crben im grüljjafn* 1-398
gemeinfam mit ben preufhi^en Stänben 4000 s JHann auf
84 Sdjiffen borten unb naljm bie 3nfel nad) bem 2lb$ug ber
Seeräuber in Söefife, bie ^Ibredjt oon 5)Jetflenburg, obgleich
barüber 311 oerfügen nidjt berechtigt, Unit um eine beträchtliche
Summe oerpfänbete. Unmöglich fonnte bie Königin Margarete
auf ein fo anfechtbare« ©efdjäft hin eine foldjc ÜWadjt ftd) bort
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I. $er Stoot beß £eutfd)en Crbenä in ^reufecn.
83
feftfefeen laffen. 3af)relang würbe beöhalb oerfjanbelt. Doch
tarn es trofe bcr Sftä&igung beö bebäditigen 3Kcifterö tfonrab
von 3ungingen fd>lie&lich junt 23rudj. Die Dänen eroberten 1403
©otlanb bis auf SBi&bn; oon bort au« gewann ber Crben
eö 1404 jurüd, nahm bann aber bie früher abgemiefene 93er *
mittelung ber §anfa an unb tutdt) wegen beö brohenben ftrieged
mit s J>olen unb Sitauen fchliefettch fo weit jurfief, ba& ein
Unternehmen, baö ihn f)ätte 311m &errn ber Oftfee machen
tonnen, als gewöhnlicher Spfanbfwnbel enbete. Wibrecht oon
s J)ted(euburg, ber feine angeblid)en SRedjte auf bie 3nfel erft
bem Orben oerfauft r)attc , überliefe fie bann Margarete.
Daraufhin oon ben brei norbifdjen Neichen bebrobt, gab Äonrab
oon 3ungingen ©otlanb auf, als er im 3uni 1407 burd) ben
oon Sübecf »ermittelten Vertrag oon £elfingborg mit 9000 $lo=
beln wenigftena für bie bort aufgeführten bauten entfd)äbigt
würbe.
Diefer Sluögang febäbigte bcö Crbenfi 2lnfehen auch bei
jetneu Untertanen. $?er3id)tete er bodr) auf eine Sßolitif, bie,
wie ber Gifer ber Stänbe bei bem elften 3"9 C ©otlaub
gejeigt, aller Beifall hatte. Sei bem tfamof mit Litauen unb
?olen lag baö anberö. Söaa tonnten bie Stänbe ^reuften«
ba gewinnen? Die $olen benachbarten Sanbfchaf ten, wie g$om=
mereßen unb baö äulmer Sanb, fjatten nur Schaben baoon ju
erwarten. 3 UDem W«i»t bort bie Orbenöhetrfchaft bereits
(äftig empfunben 311 fein. Der in $reufjen heimifch geworbene
3lbel mar oon bem Orben fo gut wie auögefdjloffen, unb bie
wenigen, bie Aufnahme fanben, tarnen nicht in bie höheren
3lemter, fonbern mußten fid) mit bem Dtenft bei bem &och*
meifter, ben ©ebtetigern unb ben 2aubesbifd;öfen begnügen.
Die baburch erzeugte il^rftimmung wuchä oon ©efdjledjt 311
(iJefchlecht. 2liuf) blieb ber heimifche 3lbel an politifcher Ȇbung
unb SHegfamfeit gegen bie Stäbte 3urüd. 3n bem benachbarten
^oleu aber fahen bie Herren ihre Stanbeögenoffen immer größere
9ted)tc gewinnen. Daher ridjtete fid) benn auch ber iHitterbunb
ber fogenannteu (Sibechfengefeflfdjaft, ber 1397 im ÜulmerSanbe
entftanb, nicht, wie ähnliche ^erbänbe in Deutfdjlanb, gegen
bie Stäbte, fonbern »erfolgte oon Slnbeginn eine $olen freund
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84 (rrftcö $ud). Sic eiementc bes preujjtf a)en Staates (bt$ 1598).
lidje 9itd)tung. Dabei fjattc ber Slbel Stnteil an ber Verwaltung,
infofern gewiffe Seiftungen nnr auf ©runb feiner ^Bewilligung
geforbert werben f onnten. infolge biefer ftänbifa>n entwirf elung,
bie im Äulmer Sanbe am weiteften gebieten mar, übten bie
©tänbetagen Bereinigten Vertreter bes 2lbels unb ber Stäbte
gewof)nf)eitsredjtlidj auf geroiffe 3 roc ^ö e Deö ©taatslebens be=
flimmenben (Sinfluft, junädjft auf bas Steuerwefen unb fo audj
auf bie ©efefcgebung unb in befonberen gäflen felbft auf bie
auswärtige $olitif.
2ludj bas Verhältnis bes Orbens ju ben Stäbten war
atttnätjlia) gewanbelt. Rotten bie ©täbte gelegentlid) fogar eine
von ber bes Orbens abweidjenbe auswärtige $olitif oerfolgen
bürfen, empfanben fie <5infa)ränfungen, bie ifinen auf anberen,
minber wichtigen ©ebteten auferlegt würben, um fo fernerer,
am meiften bie, weld)e ifiren ©anbei bef)inberten. 9iun fonnte
ber Orben oon ben SMurallieferungen, bie ifmt oon ben Unter:
ttjanen jugingen, bodj nur einen fleinen £eil felbft oerbraud)en ;
ben Ueberfdjuö oertaufdjte er gegen auslänbifdje ^robufte.
tiefes faum anfedjtbare ©efd)äft aber erweiterte er aHmäf)lid),
inbem er aud) anberweitig erworbene Vorräte exportierte unb
frembe 3lrtifel über ben eigenen 33ebarf f)inaus importierte unb
im Sanbe mit ©ewinn uerfaufte. <So maajte er fdjliefjlid) als
ein über riefige Littel oerfügenber ©rojtfaufmann bem ©anbei
feiner Stäbte erbrücfenbe flonturrena. 2ln ber (Sptfee ftanb
ber ©ro&fdjäffer 511 3Jfarienburg, ber in ben preufjifd)en Stäbten
feine Sdjäffer unb in ben ©anbelsjentren bes Sluslanbcs feine
Sieger als Äommiffionäre unb 2tgenten t)attc. 9tomentlidj ber
©etreibel)anbel nadj ©fanbinaoien unb ©ngtanb würbe faft
Monopol bes ßanbeöfjerrn. Die bamit betrauten Beamten
umgingen, fo fragte man, ungeftraft bie Sanbesgefefec, inbem
fie oon ifyren ©Riffen bas Spfunbgelb nidjt jagten, eine juerft
1361 in ben Ijanfifdjen §äfen erhobene Abgabe, 3lusfufiroerbote
mifead)tcten unb für tl)re gorberungen 511m 9tad;teil anberer
©laubiger ein VorsugSred)t bcanfprudjten.
^irtfa)aftria^c flonflifte, fokale ©egenfäfee unb politifdjc
Differenzen Ratten alfo bie fd)Öne Ginfjeit bereits geftört, 51t
ber bie ©eoölferung $rcuf?ens oerbunben gewefen war, als in
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äßlabiölaw II. Bereinigt bic Xobfeinbfd&aft ber Sitauer unb bcr
91attonaIfjaf} ber ^olen enblidj) if)re 3*it gefommen fafjen. Sie
£üdjtigfeit beö Orbend beftanb bie $robe fo roenig rote bie
£reue jetner Untertanen : fo führte ein unoerfdfoulbetes 3JH6=
gefdjicf im gelbe $u einer folgenfdjroeren flataftropfje im 3nnem.
2£as einft ba$ @lücf ^reugenö geroefen, bafj eö jtott eigen«
nüfcigen Stmaftien einer in ben Siettft einer gro&en 3bee
geftedten C^enoffcnfc^aft untertfmn war, rourbe jefct fein $er--
tjängnis. (Sa oerbitterte ben tfonflift 3rotfd)en £errfdjern unb
Untertanen unb mad)te au$ bem Stampf um ein politiföea
^Jrinjip ein roüftcö fingen um materielle 3ntereffen. 3nbem
eine in übernmnbenen 2lnfä)auungen mur^etube ©enojfenfdjaft,
bereit ©lieber bie ber @efamtf)eit ätifteljenben $3efugntffe für ftdj
perfönlidj nufebar matten, bie i^r SRecfjt f)eifä)enben Stäube
um jeben ^3rctö niebertreten rooüte, trieb fte fte in bas Sager
beß (Srbfeinbeö unb oerfürjtc tu fjcillofer $erblenbung ben
©efamtbeftfc ber beutfd)en Nation um ein foftbare* Stücf.
Sagen bie ©rünbe für ben 3ufammenftofj jroifd)en ^olen
unb bem Orben in ber ©efdu'djte ber legten anbertljalb 3af>r=
Rimberte: ben SInlafe gaben neue Streittgfeiten über mistige
Oirenjgebtcte. Um 50 000 ungarifdje Bulben fjatte 1391 fierjog
SBlabifilato von Oppeln einen £eil ber §errfcbaft Sobrin, an
ber SDlünbung ber 2)reiuen3 in bie Söeidjfel, bem Orben oer=
pfänbet unb biefer 1302 befefct. äLUabiälaro II. fjatte bas ge=
fdjefjen laffen müffen, roeil er, in Streit mit 28itorob, eö mit
bem Orben nidjt oerberbcn motzte. Grft alö SSitomb unb bcr
Äönig üerföljnt mar, oerftänbigte fid) ber Orben 1404 mit
if)nett baljin, baß er gegen ©rftattung ber ^fanbfumme Sobrin
Verausgab unb bagegen Samaitcn erhielt. Säjon mar aber
ein äljnlicfjer gefährlicher tfonflift entftanben. 9iad) langen
$erf)anblungen ^atte im Sommer 1402 $öntg Siegmunb uon
Ungarn als 2Rarfgraf uon SBranbenburg bie 92eumarf für
63 200 ungarifdje (Bulben bem Orben oerpfänbet, für ben fte
wegen ber 33erbtnbung mit bem 9ietd)e befonberfi mistig mar.
dagegen erhoben nid)t blofi ber 3lbel bes Sanbeö unb s #olen,
jonbem audj bie ^ommernljerjöge unb Siegmunbs lujremlmrgifdje
^enoanbte (Sinfpraaje. 3näbefonbere forberte aölabiölaio II. bie
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86 toftcg öudj. Die (demente beö preufeifc^en atnötes (biö 1508).
Verausgabe beö auf einer 9iefceinfel gelegenen feften £aufcS
Briefen, bas ber von ifjm leljensabljängige Seftfeer ebenfalls
bem Orben überantroortet batte. £ie SBcrbanblungen ließen
erfennen, baß es $o(en nur um einen $orroanb $u tfjun war,
um im redeten 2lugcnblicf losjufdjlagen unb ben SReoandjefrieg
$u beginnen, 2)as uereitelte bie oorfidjttge unb oerföbnlidjc
©altung ftonrabs r»on 3u»9inge»- Neffen Diadjfolger aber,
fein «ruber Ulridj (1407—1410), 30g tbatentuftig bem un=
fieberen unb unebrlidjen grieben ben ftrteg oor. 2lls baber
SBitorob, obgleich Vermittler in ber Sriefener 3treitfaä)e, einen
Slufftanb ber ©amatten unterftüfete unb 2Blabislaw II. feine
Partei nabm, erflärte er am 6. 3lugnft 1409 beiben ben Slrieg.
Sdmell eroberte ber Crben bas ®obriner Sanb: ba fdjlofj
ber ^olenfönig Slnfang Cftober einen neunmonatlid)en SBaffen*
ftiUftanb auf ©runb bes gegenwärtigen 23efifeftanbes. $er=
mittclungsoer[nd)e SBenjcls oon 5Jbbmen blieben erfolglos.
Greußen mar oon fieberhafter friegerifdjer Sljätigfeit erfüllt;
aber mir fyöxtn nid):, bafe man irgenbroo uerfud)t babe, fid)
ben fdbulbigen Seiftungen 5U entjie^cn. ®as polnifdje £eer
oerftärften barbartfdje 8djaren, 8amaiten unb SRuffen, ja fogar
Tataren — angeblid) 80 000 3)iann, bie Sitorob herbeirief.
©0 tourbe ber Orben wieber ber 23orfämpfer bes Seutfcbtums
unb ber Kultur gegen föeibeutum unb Barbarei. Sein &aupt=
beer fammelte er im fübtoeftlidien 52Tcil bes fianbes 3tr>ifd)en
©djtoefc unb ©ngelsburg, wo einerfeits bie 3Beid)fel oon Zfyorw
bis gur 9JcTmbung ber Sralje gegen ttujaoicn, anbererfeits bie
$)rewenj gegen bas £obriner Sanb bie Ören$c bilbetc, um
ftdj babin su roenben, wo bie geinbc biefc weftöftltcbe Sinie
überfdjreiten mürben. fDJit bem 2lblauf bes um jebn Xagc
oerlängerten ©affenftillftanbes, mäljrenb beffen ber Ungarnfönig
Siegmunb nochmals 511 »ermitteln oerfudjt batte, ging &>labis=
laro am 30. 3uni mit bem iHeidr)dr)eer bei bem tflofter Q^x-
wtnsf näcfyi ^5locf über bie äöeid)fel, oereinigte fid; mit bem
längs bes 9?arew beranjiebenben äßitowb, überfdjritt am 9. Quli
bei Tautenburg bie ©renjc bes öftli^en ttulmer Sanbes, um weft=
wärts über bie $ur 2öeid;fel fliefteube Xreroenj in bas &erj bes
Sanbes einzubrechen. Sengen unb «rennen bezcidjnete feinen 2£cg.
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I. $er Staat beö 2)eutf$en Drbcnä in ^keufjen. 87
Ulrich von 3ungtngen fiatte ben Singriff weftlicf) von ber
2Beid)fel auf ^ommerelleu erwartet. 25odj berfte er bie ftrewcnj:
(inte nodj redjtjeitig. 25er flönig fanb bte gurt über bie obere
Erewenj bei ßauernif gefperrt unb ftarf befefct. $a trat er
fdjeinbar ben Rücf3iig auf Tautenburg an, fdjwenfte aber
plöfelidjj linfe, nad) Horben, ab unb erreichte fo am 13. 3uli
(Bttgenburg, bas greulief) oerwüjtet würbe. Stuf biefe flunbe
eilte bafi Orbenäljecr burdj einen Radjtmarfd) unter ©turnt
unb biegen f>eran unb [tiefe am 15. guli früf) bei ©rünfelb
unb Dannenberg auf bie $olen, bie norbmärtö oorgerfieft waren
unb am ßaubenfee lagerten. föätte eß fte angegriffen, beoor
fie aus bem walb* unb fumpfreidfjen £ügellanb in bie ©bette
famen, märe ifjm ber ©ieg nidjt entgangen. 2lber bie ©rmubung
ber Gruppen unb ber ritterlidje 99raudj, bem ber Angriff auf
ben ungeorbneten geinb nia)t für e^renfjaft galt, beftimmten
bie Süfn-er &u warten. @o famen bie ^ßotcit in« greie unb
Hellten jtd) in Sdjladjtorbnung, auf bem redjten glügel SBitorob
mit ben fiitauern unb barbartjdjen Silfsoölfern, auf bem Unfen
bie $olen. 2lber erft auf eine förmlidje ßerausforberung bea
£otf)tneifter« befahl ber Äönig um Wittag ben Angriff. 3n
ber Senfung jwifa^en ben oon if)nen befefcten Serrainwellen
praßten bie 9teif>en gufammen. Rad) einer Stunbe blutigen
Bingens manbten ftd) bie Sitatter jur gludjt. 2lud) bte ^olett
wanften, unb als ber linfe glügel beä Orbenöfjeereö, oon ber
Verfolgung ber Sitauer jurücffefyrenb, fitt) aud) gegen fte wanbte
— es war etwa brei Uf)r nadf)tnittags — , ba ftimmten bte
$eutfcf)en ftcgeöfror) bas „Gfjrift ift erfianben 1 ' an. 21bcr bie
<Polen gelten ftanb. konnten Tie boefj bei if>ren minbeftens
35 000 «Wann, ben Seutfd&en, bie etwa 19 000 2ttann gölten —
14 000 Reiter unb 5000 9ttann 31t gufe — , immer neue 3Kann=
fdjaften entgegenwerfen, wätyrenb biefe längft if)re lefeten Re=
feroen eingefefet Ratten. 3llö bie $olen jum Angriff übergingen,
unterbrüefte ein £eil ber preufeifdjen Sanbritter, ooran bte
(Sfenoffen bed @ibed)fenbunbe3, ir)re SBanner unb eilten bauon.
25a fprengte ber §ocf)meifter felbft mit etlichen gäfmlein gegen
bas feinblidje 3entrum, wo SBlabißfam neben bem Reichsbanner
f)ielt: er würbe mit ifnten $ufammengef)auen. Run wanbten
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88 fcrftea $itd). Tic (Elemente bcö preuftifcfjcn Staates (biö 15D8).
fid) aud) bie übrigen 3iir gludjt. Die einen roarfen fidj auf
bie Wagenburg: mit reifer Seilte fiel fie in bie §änbe ber
Sieger. 2)ie anberen würben, oon ben bie ®egenb bebcefenben
Seen unb Sümpfen bef)inbert, niebergemad[>t ober gefangen.
£ie 23lüte bes Orbens beefte bas Sdjladjtfelb. Sßon ben
öebietigern lebten nur nodj cinjelnc. GJlänjenb rjattc bie
Sapferfeit ber beutfdjen Herren ftd) bewährt, unb bodj fehlte
es jefet nid&t an folgen, bie, nur auf it)rc eigene Rettung
bebaut, bie iljnen anvertrauten 33urgen feige oerliefeen unb,
®elb unb @ut jufammenraffenb, nadj 3tb(egung bes Drbensfleibes
ins SReict) flogen. $er Sanbabel, ooran ber längft ju $olcn
neigenbe bes tfulmer £anbes, eilte burd) fd&nelle Unterwerfung
bes Siegers ©unft $u geroinnen. Söor allem glaubten bie
Stäbte bie 3ett ber greiljeit gefommen. „9Hrgenbs fonft" —
fo ruft ein Gf)ronift aus — „f)at man größere Untreue unb
ärgere Un$uoerläffigfeit erlebt." ÜHoajte bas sum £eil ber
Eigenart entfpringen, bie Rolonialbeoölferungen anjuljaften
pflegt: es enthielt bod) eine r»ernid)tenbe ftritif ber Orbenö=
fjerrfdjaft. ßubem trat l>ier ber Staat ben Untertanen nidjt
in bem Sprofc eines ben SBaubel ber Reiten überbauernben
,§crrfa>rgefd)lea)ts pcrfönlicr) entgegen, fonbern in einer ®e-
nofienfd&aft, bie mit iljnen nidjts gemein Ijatte, ba fie ftdj aus
ber grembe ergänzte. 3efet hoffte man biefe oielföpfigc gremb=
fjerrfdjaft unb bie il)r entfpringenben Uebel loSjnroerben, bie
burd) fie erlangten Vorteile aber unoerfürjt $u bewahren. $er
Sclbftfuajt ber einen begegneten bie anberen mit gleid) hartem
Gigennufc. Sßürbe bas aud) gcfdjefjen fein, roenn bie &errfd)aft
bei einem im Sanbe fjeimifdj geworbenen ftürftengefd)led)t gelegen
fjätte, bas in bem Staat nidjt, roie ber Drben, blofc eine $Ber=
forgung, fonbern ^ugleicr) mit feiner Vergangenheit feine 3 U =
fünft unb feine (Sljre 311 oerteibigen IjatteV 2lufgaben, roie fie
ber Staat bamals $u löfen fjatte, roar ein geiftlidjer bitter;
orben nidjt geroaa)fen. $as bewies ber gortgang. 2Benn ber
Crbensftaat bie ftrifis, bie mit ber Sd)lad)t bei Dannenberg
bereingebrodjen roar, fdjliefjlid) nodj überbauerte, fo lag bas
nur jum £eil baran, bafe ber ^polenfönig ben Sieg nidjt ju
benufcen oerftanb, f)auptfäd)lidj aber baran, ba& ber S^ang
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I. £er Staat be$ $eutfa)en DrbenÖ in $reujjen.
89
bcr 9cot alle (Gewalt in bic £anb eine« Cannes legte. 2lls btefer
bann aber ben geretteten Orben auch innerlich neu gefialten, fein
Sfeformator werben wollte, ba mürbe er als £orann unb $Bcr=
räter oerfdjrieen, entfefet unb in elenber tferferfjaft begraben.
Offen (ag bas £anb oor bem Sieger. Selbft bie 9Jiarien=
bürg war auf eine SBerteibigung nicht eingerichtet. 3Wit ir)r
wäre ber ^ßitnft gefallen, um ben bie Elemente bes 2$iber=
ftanbes fidj allein fammeln tonnten. 2lber erft am 25. ^ult fam
2Blabislam bort an. Snjwifchen hatte ber Komtur oon Schwefe,
$einri<h oon flauen, ber, mit ber $ecfung $ommercllens
beauftragt, nicht mit bei Dannenberg gefönten ^atte, alles
oon Gruppen 23orf)anbene gefammelt, ^rooiant fierangefüljrt,
bie ber 93erteibigung hinberliche Stabt niebergebrannt unb bie
Einwohner in bic 33urg aufgenommen. 3"*" äu&erften 2Biber=
ftanb entfd)loffen, mußte er bitter, Sölbner unb Bürger mit
bem gleichen 9Kut erfüllen. 3 um Statthalter erhoben, waltete
er wie ein Siftator: fo rourbe er ber Detter ber Bonenburg
unb bes Orbensftaates.
2Bäf)renb ber f>o^e fllerus, ooran bie 33ifd)5fe oon tfulm,
(Srmelanb unb ^omefanien, ben $olen hulbigte, ber Sanbabel
fidj ihm bienftbeflifien beugte unb aus ben Spolien bes Crbens
reich oerforgen lieft unb bie Stäbte, obenan (Slbiug, biefem
Seifpiel nacheiferten, bie wichtigfte aber, Stanjig, fich etwas
^urücffnclt, um möglichft große ^ßrioilegien herausschlagen,
(uelt flauen bie Bonenburg fo lange, bis Langel, tfranf;
hetten unb Entmutigung bie unbisjiplinierten Scharen ber
Belagerer aufeulöfen anfingen. 2luch wollte Söitowb ben ftönig
nicht 51t mächtig werben laften unb brang auf ^rieben. 3lm
22. September 50g SSlabislaw ab unb fehrte in bas ftobriner
&anb äuriief.
Unb ihm auf bem gufee folgenb, gewannen bie Orbens=
ritter bas Sanb wieber. SBillig fehrten bie meiften Orte jutn
CÜehorfam jurücf, auch bie größeren Stäbte, ^anjig, wie es
fdjeint, nidjt ohne — freilich oergeblich — oerfucht $u haben,
bie ihm 00m ^olenfönig gewährten s $rioilegien oom Orben
beftätigt $u erhalten. 3llsbalb nahm man in Bonenburg bie
SReorganifation bes Orbens in Singriff. Sein Detter würbe
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90 Grftes 33udj. Sie demente bc$ preufjtfdjen Staates (&ie 1598).
311m 9)2eifter erhoben, ßbcnba aber entfpraug ein Öegenfafe,
ber 5U ernften Äonfliften führen mufete. ©lieb ber Orben, wie
er fidt) eben gezeigt f)attt, fo war an feiner Spifee fein 93lafe
für einen 2Rann oon fo ernft tbealem Sinn, unerfchroefener
Jlonfcquenj unb rücf ftd^tölofer £f)atfraft wie Heinrich oon planen.
Schon an bem paffioen SBiberftanb ber an bem alten Sd)len=
brian hängenben 93rüber muftte er fc^eitern. (Belang es ihm
aber ben Orben empor$ureifeen, fo ergab bas bie 9iotmcnbigfeit
einer Reform, bie oon feiner bisherigen Öeftolt nur wenig
übrig laffen fonnte. an bem Verfuge, ifjn ohne rabifale
Söanblung lebensfähig &u machen, ift §einridj oon flauen
tragifd) 3U ©runbe gegangen. Saft toar ein Verhängnis auch
für bas Sanb. ®enn flauen begriff, bafe es oor allem bie
flluft $ti überbrüefen galt, bie fid) jtoifcjen ßanbesherrn unb
Untertanen geöffnet hatte.
Set ber SHuflöfung ber milttärifchen Crganifation bes
Sanbes toar ber neue SWeifter für bie gortfefcung bes Krieges
fafi ausfchliefelid) auf bie aus Seutfdilanb jugejogenen öäfte
angemtefen. $icfe aber nötigten ihn, nach bem erften fleinen
SHifegefchid mit Sölabislaw $u utttcrhanbeln. $en weiteren
Lüftungen fteflten fid) fteigcnbe ftnanjieHe Schwierigfeiten cnt=
gegen. ®ie unabgelofmten Sölbner erwiefen fid& als unjuocr;
läffig. ©ilfe oon auswärts toar nicht 511 hoffen. £od) war
auch ^olen bes Krieges mübe. So fam am 1. gebruar 1411
in tyoxn ber griebe 3um 2lbfd)lufe. ®as £obriner £anb foQtc
bauernb, Samaiten $unädjft für bie Sebensjeit SSlabislaws II.
unb SBitotobs bei $olen bleiben, über bie anberen Strcitpunftc
ein Sdjiebsfpruch ergehen. $as entfprad) ja ben gegebenen
9Jtod)toerbältni{fen, mar aber oerhängnisooü für ben Orben.
3n Samaiten oerlor er bas ©ebiet, too er im Kampfe gegen
bie tingläubigen feine Griftenjberechtigung noch ertoeifen fonnte,
unb bie 3)löglichfeit ber Verbinbung mit Siolanb. (Sin ®cheim=
oertrag oerpflichtete ihn, für bie greilaffung ber sahireichen
©efangenen binnen Qahrcsfrift in oier Serminen 100 000 Schorf
böhmifche 0rofd)cn, etwa 4 r>00 000 üJfarf, 311 jahlen — eine
Summe, bie bei ber Verarmung ^reuftens burd) ben ftrieg
unerfchwinglich war.
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I. 2)er Staat bcs 2)eutfa)en Drbenö in ^reufcen.
91
2ln bicfem Vertrage ift ber Orben roäbrenb bes impften
s JJ?enfdjenalters elenb 511 ©runbe gegangen. Tenn boö eitrige
fixere SRettungsmittel anzuroenben, fyinberte ber SHitter uer=
blenbete Selbftfudjt, ber ftdf) bie Unzufriebenf)eit mit bem neuen
3Weifter un^eilooH oerbanb. 2lls ftrenger SHädfoer ber fajnöbe
oerlefeten Orben$pflid)t trat flauen unter bie trüber, nid)t
ofjne $ärte unb ©emalttfyätigfeit. 2ludj bie Untertanen fügten
feine eiferne &anb. $ie s ürt, wie fein Vruber, ber flomtur beß
Orbensfdjlofies Ranzig, bie sroeibentige Haltung ber reiben
©tabt mäfjrenb bes Krieges firafte, tnbem er ben fonft um ben
Orben mofyloerbienten Vürgermeifter flonrab Sefcfau nebft einigen
SHatSfjerren töten lieft, mürbe bem 3fleifter zugeredjnet. £abei
gmang ifm bie finanzielle 9?ot, bie jener ©eljeimoertrag l)erauf=
befdjroor, bie 2lnfprüdje an bie Untertanen unerhört 51t fteigern,
©djeine auszugeben unb einen aflgemeinen ©d) 06 auszutreiben,
ber aud) ben 2lermften traf. Sie roadjfenbe Unjufricben^eit
fanb im ©ibedjfenbunb, beffen geheime 2Bünfd)e bei Dannenberg
offenbart waren, eine organifierte Vertretung. ©djon bot bie
Unpünftlidjfeit in 3af)lung bes Söfegelbes 3BIabislaw unb
Söttorob Slnlaft, mit neuem ßrieg zu brofjen. $er ©d)icböfprud&
©iegmunbs über Briefen fiel gegen ben Orben aus, unb 1412
mürbe bie Heumar! $olen als $fanb für bie rücfftänbigc
3af)lung zugefprodjen. ©0 oon £eutfd)lanb abgefdjmtten, mußte
ber Orben erliegen. Xa appellierte flauen an bie Opferwillig;
feit bes Sanbes, unb bie Stäube gemährten tym bie nötigen
Littel. ©af)en fie bodj, roic er aud; bie Orbensbrübcr fjeram
50g unb if)re ftoftbarfeiten jum (Sinfdjmelzen abzuliefern nötigte.
2lber immer neue Slnforberungen er^ob^Solen: es rooüte nidjt
befriebigt fein, es roottte ben flrieg.
ßeroife mar es polttifd) unb militärifd) ridjtig, menn flauen
ba nid)t roartete, bis Sölabislaro angriff, fonbern losfdjlug,
et)e jener biplomatifd) ben Orben oollenbs ifoliert unb fertig
gerüftet fwtte. Vor allem aber galt es, ben ftampf zur ©ad)e
beß Voltes z" wachen unb biefes mit bem Orben neu zu oer^
fnüpfen. $azu gewährte flauen ben Untertanen über bas
$erfömmlidje f)inaus Anteil am Sanbcsregiment. Senzig
Vertreter bes 9lbels unb ftebenunbzroan$ig ber ©täbte foüten
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92 Grfteö »"4. £ie eiemente bcö preufcifcfien 3taateö (bi$ 1598).
aüjäf)rftd) in Gtbing atä Sanbesrat lagen. 2lber eben bas
nmrbe ifmt oom Orben als 3Herbred)en angereajnet : jeber bitter
faf) babura) bie 3)Jad&t geflirrt, bie er afe Präger ber ©taatfi*
outorität 311 eigenem Vorteil $u üben gewohnt mar. ©ie alle
waren befllmlb gegen ben ßrieg, unb flauen fonnte fein 33or=
fjaben burdjfüf)ren nur im ®egenfafc ju bem t^n umgebenben
SRat ber ©ebietiger. 25aö oerftiefe gegen bie SRegel unb liefe fein
Regiment üoöcnbs als tnrannifd) erfdjeinen, roäfjrenb mau ifjm
ben Untertanen gegenüber f$roä$lii$e 9Zad)giebigfeit oormarf.
$)ennodj mürben brei §eere aufgeftellt. tfaum aber mar ba&
eine unter bem OrbensmarfdjaH W\ä)ad flüdjjmeifter oon ©tern;
berg, einem perfönlidjen @egner beö SJJeifterö, in 0)tafomien
eingebrungen, als bie Rebellion offen auöbradj. Ser s Dtarfdjall
führte baä &eer nadj SRarienburg äurücf, unb mä^renb flauen
in aufflammcnbem 3om bie Meuterer gebüfjrenb 311 ftrafen
backte, mürbe er am 14. Oftober 1413 redjtömibrig feine*
2tmteö entfefet. SÖenn jur 33egrünbung auä) SBefd&roerben be&
Sanbeö über feine SHijjregierung angeführt mürben, fo roaren
fie mofjl ni<f)t oon beffen Vertretern, fonbern oon feinen geinben
im Orben erhoben, um ben ©emaUftreio) mit bem ©djein ber
$oltefreunblid)feit ju umgeben, mie aua) ber tfrieg gegen tßoten
ifmt burdj Sternbeuter unb 2£af)rfager gottlofenueife aufgerebet
fein fönte.
2Jitt bem ©turje feines gelben mar bes Orbenä ©d)t<ffal
befiegelt: er moHte uid)t gerettet fein, moHte nidjt in rittet-
lidjem ßampf efjrenuoll untergeben, fonbern, müfjfelig ein un=
fidjcreä $afein friftenb, fid) oon bem burdj ftete gurdjt ges
fd)ürten &afe ber spolen gemiffermafeen ju Xobe quälen taffen.
©djon im nädjftett grüf)jafjr mußte Clauens 9iadjfolger 3)iid)ael
.Hüa)meifter bemütig um grieben raerben. £abei foßte eine
Verfdjrobrung entbeeft fein, burd) bie flauen, nun Komtur ber
(Sngelfiburg, mit dolens £ilfe baö SDieiftertum tmtte nrieber*
geroinnen rooflen. Sie ©eroaltfmber fürajteten i()n atfo nodj.
£arauf(u'n mürbe er Heben Safere in ber Sanjiger 33urg unb
bann in Sranbenburg am .ftaff in &aft gehalten — mie uiu
roürbig, leljrt ein 29rief, roorin er ffagt, man fmbc ü)m feinen
s ü?eiu unb ÜWet unb fioniß fortgenommeu ; if>m fehlen 33rot,
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I. Ser Staat bcs £eutfa)en Drbcnö in ^reufeen.
93
gleifö) unb gifdje, unb für einen 9iocf nnb Hantel banft.
Grfi 1429 würbe er Pfleger in Sodjftäbt jmif d)en Villau nnb
Königsberg ; bort ftarb er in bemfelben 3af)re. $on bem ge*
pranten Verrat ift nie etroas bemiefen roorben.
2lua) feine ©egner mürben iljres Sieges nidjt frol). s Mt
$olen bauerte ber 3ufianb smifdjen flrieg nnb grieben fort,
gcljrte am 9Warf bes fianbes, entmtirbigte ben Orben nadj aufecn
nnb untergrub fein 2lnfcf)en nadj innen. 2ludj ber Stillftanb,
ber 1420 mit SRiidtfid^t auf bie &uffttengefaf)r in Breslau oer=
cinbart mürbe, bejferte nid^ts. Entmutigt banfte ftücfymeifter
1422 ab. 2luä) fein s J{adjfolger tyaul oon SRu&borf tonnte
meber bie 3"$* i m Orben Ijerftetten, nodj bie Untertanen ge;
minnen, nod) bas SBerljältniS ju ^ofen beffern. 2lls es mit
biefem bod) enblia) sunt Kriege fam, madjte er 1423 ju SJielnofen
gleidj roieber grieben, als bie (Stäube es oerlangten unb fernere
§ilfe oerioeigertcn. Samatten unb ©altnbien mürben nun enb=
gültig aufgegeben, bie Steftimmung a6er, baft bem Steil, ber
ben grieben bräche, feine Untertanen nidjt beijufleljen brausten,
gab ben Stänben für ben gaß eines neuen Krieges bas SRedjt
bes Abfalls. 2ludj ben Sanbesrat Clauens mufete $aul oon
SHufjborf in geänberter Öejtalt erneuern: neben fedjs ©ebietigern
foüten je fed)S Vertreter ber Prälaten, bes 2lbels unb ber
Stäbte bie Regierung in allen mistigen gragen beraten,
namentlich in ber Orbnung bes 3Hfin5toefens, beffen 3^r»ttung
fianbel unb 93erfef)r aufs fdnoerfte fdjäbigte. SDaju mürben bie
meftlidjen Sanbfdmften burd) bie ©uffiten l)eimgefud)t, bie 1433
bis £an$ig famen. Unb eben bro^te ein neuer Krieg mit $olen,
als ber Xob 2iUabislams II. 1434 eine frieblidje 3Benbung I)erbci=
führte. Sein 9Iad)folger 2£labislaro III. fd)lofj mit bem Orben
1435 ben fogenannten emigen grieben ju SBrjesc, ber mit bem
bcrmaligen 33efifeftanb and) .alle Streitpunfre fortbefiefjcn rieft.
Sofort entbrannte nun ber fiaber im Qnnern mieber
heftiger. 3 m Orben oeranlafjten lanbsmannfdjaftlidje SBerbänbe
^arteiungen. $aul oon SRufeborf unb ber £eutfd)meifter Gber-
f>arb oon SaunSljetm erhoben öffentlich gegeneinanber bie ärgften
SInflagen unb riefen bie Untertanen teils ju SHidjtern, teils
jut beugen auf. Um fo einmütiger gelten bieje jufammen,
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94 Gtffca öud>. Sie (Elemente be$ preufeifäen Staate* (bte 1598).
wie bte Stäbte längft gefdjloffen Rubelten. 9lamentlidj traten
fte ben ftefalifdjen fünften entgegen, burd) bte ber Orben feiner
gtnansnot abjuf)e(fen fudjte. 2)abei Ratten fett 1439 etbing,
Äufni unb Xljorn bie güfjrung. 2(m tl)ättgften war bte Oppo=
fitton im flulmer Sanbe unb in spommeretlen. £)ort oerbanben
fid) auä) suerfi tfanbabel unb Stäbte 511 gemeinfamem $anbeln,
bei bem man jajon bamal« auf Herfen regnete, daraus crwudj«
im 3)tärj 1440 ber üWarienwerberer 93unb, ber bie Stäbte unb
Slbligen be« flulmer 2anbe«, eine« Seite oon ^ommereHen,
ber Öebiete Ofterobe, (H)riftburg unb ©Ibing unb ber Bistümer
9Mefenburg unb ßrmelanb, ba« f)eijjt beinahe be« gan$en m)U
liefen $reufjen«, einigte 3tir ülbroe^r jeber oon ber Sauber
Jerrfdjaft brofjenben ©ewalt. $aul oon SRufcborf betätigte ilju
wof)l in ber Hoffnung, barin einen SRttrffjalt gegen bie Oppo^
fttion im Orben fetbft 51t gewinnen: um fo heftiger würbe er
oon ben trübem angegriffen.
So t)errfd)te in ^Sreufeen bereit« ein latenter Sürgerfrieg,
unb bem 1449 erhobenen 3Heifter $onrab oon Grlidj«f)aufcn
fmlbigten bie ©tänbe erft, nadjbem er bie oon ifjnen biftierte
2£af)lfapitulation angenommen t)atte. 211« bann aber ber
menternbe Orben tf)n 311m Verbot be« SDiarienwerberer 93unbeö
nötigte, begann ber lefcte 2lft in bem £obe«fampf befi Crbcn«=
ftaateß. Sem 2luflÖfung«befet)l weigerte ber 33unb ben (Befyorfam,
Gewalt brof)te er mit Slnfajlufe an ^olen 31t beantworten. £a{?
ber Orben barauf gegen Ujn beim flaifer Hagte, war ein offene«
Sefenntni« feiner Ofjmnadjt. Unb jd)ou ritt ©abriet oon ^aifen
an ben polnifdjen £of, um im tarnen be« ftulmer Sanbc« wegen
ber Uebergabe 31t unterf)anbeln. £a& ber Orben bie ©inljebung
einer für bie gemeinfamc sßerteibigung beftimmten 23unbe«--
umlage oerbot, ftetgerte bie Erbitterung, jumal aud) bte
päpftlidje fturte mit fird)lid)en Strafen brofjte. Sennod)
wartete ber SBunb ben s ilnögang be« $ro3effefi am faifer*
ltdjen &of ab. £)abei f;at ber Orben oerräterifd^en Ueber=
fall ber 31t &ofc reifenben 33unbe«gcfanbten fo wenig gefdjeut
wie bie Vorlegung gefälfdjter Urfunben. $urd) Skftednmg
erwirfte er fd)liefelid), ba§ ber am 1. Sejember 1453 er*
geljenbe 3pntcr) ben #unb alö wtberredjtlid) auflöfte, bie
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J. Xcr Btaat beö £eittf($en Crbcnä in ^reujjen. 95
©lieber 511 fdjtoeren ©elbftrafen unb bie £äupter $um £obe
oerurteilte.
£ie Slnttoort mar bie ©rgebung an $olen. Quid) $er=
iagung ber Orbenöbefafcungen gaben Zfyoxn, tfulm unb Sanjig
baö 3«i^en $um 2tuffknb. <SdjnelI mar bas Sanb für ben
Crben fo gut roie oerloren. 2lber eö lebte in biefem nodj einmal
bie alte friegerifd^e ^üdjtigfeit auf. Trei$ef)n 3ahre lang f)at
er fich beö Aufruhrs ertoehrt. 3m Cften, too bie polnijchen
Sympathien unb bie Organisation ju gemeinfamem äöiberftanb
fehlten, behauptete er feine £errfchaft. Unb bafj er im SSeften
unterlag, beroirfte nicht bie Ueberlegenfjeit ber (Gegner, fonbern
bie (Srfd)öpfung feiner fmanjietten Littel, bie bem Abfall ber
Untertanen ben ber ju ihrer Sefämpfung geroorbenen ©ölbner
folgen lieg. Sie Orbenöburgen, bie ihnen 1455 für ben rücf=
jiänbigen Solb oerpfänbet toaren, oerf auf ten biefe 1456 ben
$olen. 3 roar ^ c ^ rtc 3Hartenburg 1457 unter bem Sürgermeifter
Sartbotomäuö sBlume nodj einmal §11 bem rechtmäßigen &errn
äurücf, mürbe a6er oon ben $olen roieber genommen. Sölume
enbete unter bem Seil bes $enferä. Sennodj famen beö Crbens
GJeaner auch jefet nicht 511m 3iel. 2Us 1466 ber jioeite Xliorner
griebe ben unter beifpiellofer Henoüftung beö Sanbes geführten
Ärieg beenbete, ging jtoar ber toeftlidje Seil ^reu&cns unter
feierlicher SBerbriefung feiner Freiheiten unb SRedjte in polnifa)c
©d)ufohoheit über, bie Sandig unb Zfyoxn nafjeju republifanifdjc
3rei()eit fieberte, im öftlidjen aber blieb bie £errfd)aft bem
Orben, jebodj unter ber Roheit ^olenä, bem fein SHeifter als
SBafaa Milbigen foate.
2öie lange tonnte ein fo unnatürlicher 3ufto"& bauern?
Softer foüte Seftpreufcen, nun baö gelobte Sanb fiänbifcher
©elbftregierung, außerhalb jebeö größeren ftaatlidjen 33erbanbe$
unb innerlich oielgcteilt, bie tfraft nehmen, um bem Srucfe beö
nun boppelt äuoerüchtlichen ^olentumö 511 loiberftehen ? (Schmer
hat es ben 2lbfaH 00m Orben unb oon ber beutfehen (Sache
gebüfet. äModjten Sandig unb Zfyoxn banf ihrer fommerjieUen
ÜWacht ihre Freiheit behaupten: fie haben bod) nicht ^inberu
tonnen, bafe ein 3at)rt)unbcrt fpäter ber ßubliner SReidjStag
(1564), trofc ber feierlichen 3"faö«n Äafimird IV., baä Sanb $ur
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96 Grftes $11$. Sic (rfcmente bcö preufcifäen Staateö (bio 1Ö9*).
polnifdjen ^rooinj fjerabbrüdte. £amtt verfiel cfi aud> ber
fatf)olifd)en 9leaftton. Unb mit ber irtat^otificrung ging bie
^olonifterung &anb in $anb. Reiben aber folgte ed)t polnifdjc«
fokales unb roirtfd)aftltd)e$ Skrfommen. Grft nad) sroei 3al)r=
f)unberten follte griebridj ber (Brofee baß Sanb aus bem felbft
oerfdwlbeten (Slcnb erlöfen unb einer bejferen Sufunft cnt=
gegenfittyren.
tiefem Sdjitffal ift ©ftpreufoeu entgangen, obglctdö eä in
troftlofer (Srfd)öpfung, burd) Sßeftpreufeen uon bem SWutterlanbc
getrennt, roie eine Qnfcl in baö ÜHeer beö (Slauentums cor;
öefcr)obeit lag. £afj es beutfdj blieb, ift be$ Orbend äkrbienft :
bebrof)t, gebrttdt unb mife&anbelt , rettete er bennod; feine
Nationalität. 3nbem er Rd& in säfjem pafjioen SBiberftanbe ein
fjalbcö 3af)r$unbert allen ^olomfterungsoerfudjen, güttidr) lodern
ben fo gut roie rob mit GJeroalt brofjenben, roiberfefcte, bedte
er gleidjfam mit feinem Seibe bie einft burd) if»n in baö fianb
gefommenen beutfdjen (Sbelleute, Bürger unb Säuern, bis if>nen
bie Deformation eine neue ©emeinfdjaft mit bem SHutterlanbe
erfd)(o&, bie trofc ber räumlichen Entfernung unjerretfebar
werben follte.
4. 5tf »fforinotion in Jlrtußcn. 1466-1568.
3Jiit ber Seljenöabfyängigfeit beö Crbenö mar ben polnijdjen
(Siferern nierjt genug getfjan. 3nbem fte bei tfjm auf bie (Sr=
füttung ber 3"f a 9 e brangen, biß jur ©ärfte feiner SMitglieber
polnifdje (Sbelleute aufjuneljmen, bauten jte auf einem Umwege
aud) Dfrpreuften jur polnifdjen ^rooinj ju machen. 3um <2d)ufc
bagegen berief ber Orben 1497 &er$og griebridj oon Saufen
*um ©odjmeifter, um fid) roieber £eilnat)me im Deidje unb ein
mädjtiges beutjd)eö gürftenbaufi jur &ilfc ju geroinnen. Siefer
beftritt bie föedjtsoerbinblidjfeit beä Horner griebenö, ber
erzwungen unb 00m Staifer unb ^apft nidjt beftätigt fei, unb
verweigerte bie ßulbigung. 2)afj Spolen fd>liefelidj auf eine ©r*
örterung btefeö (Stanbpunftefi einging, mar immerhin ein biplo;
matiidjer Grfolg. Sonft aber blieben bie auf bie 2öaf)l beä
fädtfifdjen ^rinjen gefegten ©Öffnungen unerfüllt, unb aU
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I. £er Staat beö Seutfdjeii Drbcnä in ^reufeen.
97
griebrid) in £eutfd)lanb, roo er perjönlta) um &ilfe roarb, fdt)it»er
erfranfte, fdjroanben bie SUtfifidjten ooüenbs. Xa lenfte bie
53lide ber um fein töranfenbett oerfammelten (5Jebictiger &iob
von $obenef, ber $8ifd)of von ^omejanieu, auf einen ber Sölnie
beö finberreidjen 9NarFgrafen griebrier) von 53ranbenburg=2lnd=
bad), ber eben um 2lufnaf)me in ben Orben warb, ben JQer^og
©corg von Saufen treffenb ein fiofpital für bie jüngeren Söfjne
beutfdjer gürften unb Gbelleute genannt. Senfelben empfahl
namentlich feine #erroanbtfd)aft mit bem polntfd)en ftönigöfjaufe,
baö ilnn als Orbensfjaupt gegenüber SHücffidjt nehmen 311 müfien
fdjien.
2lm 17. üDiai 1490 alö britter So^in griebridjö von 2kan*
benburg^nöbad), beö sroeiten Sofyneö Sllbrcdjt 2ld)illö, aus feiner
finberreidjen (Slje mit ber 3ageÜonin Sophie geboren, burd) feine
3)2utter üReffe eines ftöntgö r»on Söhnten unb Ungarn unb breier
Äönige oon s $olen, brüefte 2llbred)t oon 3»0^nb auf ber SBiber*
fprudj $nrifd)en fo erlaubter &erroanbtfd)aft unb bem njirtfa)aft=
lidjen Glenb beö beutfd&en fllcinfüiTtcntumö jener 3eit. 3$n burd)
eine fianbeögemäfje &erf orgung &u löfen, oerf)ie& am erften ber
geiftlidje ©taub. 2Han befahl ben ßnaben bem Kölner (Srjbifdjof
ftermann IV. oon Reffen (1480 — 1508), ber itjm eine ^frünbe
gab, an weiterer görberung aber burd) ben %oo geljinbert mürbe.
2lud) eine äfjnlidje 2lnfnüpfung in äöürjburg fdjlug fcf)l. £a
oerfudjte 2llbred)t fein OJlücf alö Solbat : mit bem SBater fodjt er
1508 unb 1509 für Slaifer SJfarjmüian oor ^pabua unb SHooerebo.
$uf)mloö unb franf f>eimgefef)rt, warb er and) am &ofe feines
Ofjeimö Sölabiölaio oon 23öf)men unb Ungarn oergebenö um
eine Stellung. (So beftimmte ifm ber Sktcr 511m Eintritt in
ben beutfdjen Orben. £er aber fuajte gerabe ©rfa& für ben
fterbenben griebrtd) oon Saasen unb trug bem unbenmfjrten $üng;
ling, ber eben erft um 2lufnal)me roarb, baö 2)ieiftertum an in
ber Hoffnung, burd) bie SKütffidbt auf it)n ben tfönig $u fdjoncin
berer SBefjanblung ^reujjenö 311 beftimmen. So fam eö 31t einem
förmlichen ^>aft jroifdjen 3)iarfgraf griebrid) oon Slnöbad) unb
bem Orben, nad) bem 2Ubredjt am 13. gebruar 1510 ju 3fo)iücn,
einer fädnifdjen Crbenöpropftei, jugleid) mit bem Orbeusgeroanb
bie 3»fag,e ber 91ad)folge in bem s J)ktfteramte crljielt.
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98 GrfieS ®u$. $te glemente beä preufciföen ©taoteö (bis 1598).
Oljne geifitge ober ftttlid&e ©emeinfdjaft, nur um beft
äußeren Vorteils nullen geeinigt, foHten beibe Seile arg ent=
täufd^t werben. ©djon biefe Stteifterwafjl, bie bem 33udjftoben
ebenfo wie bem ©eifte ber Siegel wtberfpradj, erwie« bie Uns
^altbarfeit bes Orbenft unb oou>g innerlidj feine Säfularifation.
93on ben Scjwierigfeiten ber Aufgabe, bie er übernahm, inbem
er Greußen oon ber polniföeu 8ef)enöf)ol)eit 51t befreien oerfprad),
blatte 3llbrec^t feine 2(f)nung. $urdj wirtfdjaftlidje 9lot, ©teuer*
brucf unb ftänbifdjen §aber erfdjöpft, mar bas Sanb coli gärenber
Unjufriebenfjeit ; ber Orben, einft ber Präger ftttltdjer 3beale
unb reifer politifdjer $rari§, ofme 33egeifterung unb oljne
$flid)tgefüf)l, unfriegerifdj unb oou* ©elbftfudjt : — unabroenb=
bar fcf>ien ber SSerluft ber foftbaren Kolonie, bie ber Hbel mit
feinem Slute, bie Bürger mit if)rer Arbeit, bie Sauern mit
if)rem ©djweiße 311m ©emeinbefife $eutfdjlanbs gewonnen Ratten.
3llbredjt aber na^m fid) iljrer roeber als ©olbat nod) alfi 93er*
walter an, fonbern begnügte fid) in ber gerne mit feiner fo=
Sufagen biplomattfdjen Sebeutung, inbem er oielgefdjäftig immer
neue politifdje Kombinationen oerfudjte, um $olen ben SBünfdjen
befi Orbenä geneigt 31t ftimmen ober fiimmen 511 (äffen. 3J2an
mag es feiner Uncrfaf)renf)eit 311 gute galten, wenn er bie
fdfjönen SBorte ßaifer ÜKarimilians ernft nafjm unb barin felbft
bura) wieber^olte @nttäufd)ungen ni<f)t belehrt würbe. iiludj
fwtte an biefer biplomatifdjen 3(ftion größeren Anteil als er
felbft fein älterer 93ruber ftafimir, ber bei tfönig Sigifimunb
wenigftenö erreichte, baß bie 2tufnaf)me polmfdjer (Sbelleute
Sunädtf na^gelaffen würbe, mäljrenb bie preufeifd^cn ©tänbe
1513 bie föegentfdjaft baten, im 3ntereffe beö griebenö auf
jebe 2lenberung beö Xfiorner ^rieben« $u oersidjten, jumal if)n
manage oon tynen fjätten befdjwören müffen, fo baß jie in
©ewiffenänot 311 geraten fürchteten, ©teilten bamit nidjt audfj
fie bie Sosf^gung 00m Orben in 9luöfid)t? Scnnod) würbe
mit ßaifer üftarimilian eine norbifd)e SlHianj gegen $olen
geplant, bie außer beutfdjen dürften unb ©eeftäbten $änemarf
unb ben ©roßfürften oon 9ttoöfau bem Orben oerbinbcn foflte,
wäfjrenb nach bem Sfwrncr ^rieben ^olcn 00m Orben £ilfe
gegen Siußlanb oerlangte. 2)a er aber jur % erwirf lid&ung
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I. $er 6ioot beS $eutf($en Crbenä in ^reufjen.
99
feiner 2lbfid)ten ouf Ungarn ber greunbfa^aft ber 3agelIonen
beburfte, tiefe 3Harünilian nidjt bloß biefen $lan fallen,
fonbern gab $olen gegen Spreufeen freie £anb, inbem er burd>
ben SBiener Vertrag vom 22. 3uli 1515 ben Orben förmlid)
au« bem Serbanbe be« SReid&e« entliefe.
@ben bamalft aber fä)ien bas ScJncffal bem ratlofen SWeifler
in bem Saufen Sietricb oon SdjÖnberg ben erfefjnten Reifer
jujufübren. Seine nie oerfiegenbe 33erebfamf eit , fruchtbare
^ßf)antafie unb unuerbefferliä^er Optimiömu« fpiegelten 2llbreä)t
glänjenbe 3ufunfUbi(ber oor unb oerleiteten ifm trofc feiner
fcilftofigfeit ju einer offenfioen Haltung, burdj bie Spreufeen
ntdjt blofe ber polnifcfjen £of>eit entzogen, fonbern ju lettenber
Stellung erhoben werben follte. 2)er ©inftufe biefefi Abenteurers
trübte fein 33erf)ältm$ &u bem Orben unb untergrub bie @runb=
lagen feiner Stellung. $as Serben um rufjifäe fiilfe fteigerte
bafi SHifetrauen Motens unb erfdjroerte bie SBerflänbigung. ©r=
reidfjt mürbe nidjtfi, unb felbft 3Warfgraf flafimir oerroarf bie«
Treiben unb ertlärte, 3llbrea)t feinem Sdjicffal überlaffen ju
müffen, befam aber barauf ben 33orrourf ju työren, eigentlich
babe er boa) ben 33ruber jum Gintritt in ben Orben oeranlafet.
$a« SBerfjältnte su $olen rourbe immer übler: ofjne flriegßs
erflärung befanb man fidj mit ifmi bereit« im flrieg, roäbrenb
bie Oppofition ber Stänbe roud)«. 211« 3l(bred)t (Snbe be« Safere«
1517 mm oergeblidjem Silferoerben nad) $reufeen fam, roaren
alle bittet erfd)öpft. $aö £anb brofjte mit Slbfatt, ber Orben
mit Aufruf roä^renb ber unerfdjbpftidje Sdjönberg 2llbred>t
burdfj immer neue ^ßrojefte über bie uer^tueifette Sage hinweg:
}utäuf<$en, balb SRufelanb, balb ©nglanb, balb granfreidj unb
Sdwttlanb, balb ben lanblofen $änenfönig Gfnriftian IT. alö
Detter »erliefe unb mit bem 9Wunbe ober auf bem Rapier mit
Armeen unb Gelbfummen operierte, tum benen nicht ein 3Rann
unb nicht ein OJrofdjen oorbanben ober je $u befdfjaffen mar.
$on Albrecht« politifdjer ©inftdjt, ja tum feiner moralifchen
geinfüf)ligfeit gibt e« feinen boh cn Segriff, bafe er jahrelang
für fia) unb fein fianb auf ben oon einem folgen Schroinbler
gejeigten Siegen ba« fieil filmen fonnte. Öing ihm bodj felbft
ba« ©efüfjl feiner fürftlicben ©ürbe barüber oerloren : er liefe
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100 Grfteö »u$. 2>ie Glemente bes preu&tfdjen Staates (bis 1598).
feinen ©efauDten cor bem Ütfosfauer ®roßfürften einen gu&faH
tfum unb war es jufrieben, baß befien ©efanbten ttjn f elbft
nur mit einem Steigen bes £auptes grüßten.
©nblidj aber mar felbft Sietridj von Sdjönberg mit feiner
Sikisljeit jn ©übe, nadjbem audj ber £f)ronmedjfel in Seutfcfc
lanb ben geäfften Umfdilag nidjt bewirft batte, unb nadj neun
3«l)ren vergeblichen Bingens blieb 9llbred)t fdjließltdj bodj nidjts
übrig, als unter ben benfbar ungünftigften Umftänben 311 ben
Staffen 511 greifen. 5Uäglid) mar benn audj ber Verlauf biefcs
„SReiterfrieges" : unter greulicher $ermüftung beö Sanbes,
33ranbfä)afeungen, Ueberfaü offener Spläfee, ©rftürmung fefter
©djlöffer fdjleppte er fid) Inn. Senn eine ©djladjt burftc 2tlbrcdt)t
nid)t wagen. $a3u fam brütfenber Öelbmangel, unb was man
mit 9cot unb 9)iüfje bura) öranbfd&afeen unb (Sinfdjmeljen ber
Mird>engcräte erfajarrte, baS würbe burd) nufelofe SRiffionen
unb vergebliche SBerbungen im 9ieidt)c verzettelt. (Sntfefelicbes
bat bas arme Greußen wäbrenb ber anbertbalb ftriegsjaljre
gelitten. Grreidjt aber war md)ts, als 2llbred)t, jur gortfefeung
bes Kampfes unfähig, im Slpril 1521 mit ^ßoleu in £l)orn
einen 3tißftanb fd)loß.
Seine Sage war vcrjwcifelt. $er Orben verweigerte iljm
weitere Wittel, bie Untertanen lehnten bie Uebcrnalnue jeber
neuen Saft ab unb verlangten trieben mit ^olen um jeben
^reiö. £ief entmutigt, olnic Untertanen, otjne greunbe, olme
Gielb, mit unfürftlidjcr 9iot ringenb, jog 2Ubred)t wieber ins
9ietd), um £ilfe 511 werben, lieber fer)rtc er mit leeren £änben
beim, um fict) 3U überzeugen, baß im Sanbe vollcnbs nid)ts ju
l)abcn fei. 3m ^rür)jat)r 1522 trat er eine neue ötttreife nad)
Xeutftt)lanb an, inbem er bie Verwaltung bes Sanbes abermals
in bie $änbe bes !öifdwfs von Samlanb legte, 05eorgs von
^olenfc, bes Sprößlings eines im Weißcnfdjen b^iwifa;en fäaV
fifdjeu (^cfd)lcd)ts. 3)iebr benn jeljn $al)xc älter als 2llbrea)t
(geb. 1477 ober 1478) batte ^olente in Bologna bie 9?ed)te
ftubiert, als ©efretär am &ofc ^>apft Julius II. gelebt, bann
unter 9Kartmiltan 15()8 »nb 1509 in Italien gefönten unb
bort im gclblager 2llbred)tö :öefanntfd)aft gemacht, war naa)
beffen s J)ieifterwabl in ben Crben eingetreten unb Sauofomtur
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I. $er Staat bed $>eutfd)cn Crbcn$ m ^fmßcn.* . "'• . -föj* " .
oon Königsberg unb 1519 23tfdjof oon Samlaub, 1521 and)
2lbmimftrator beö 33ißtumö ^omefanicn geworben, ein 9Ratm
oon flarem 23licf unb ruhigem Urteil, praftifd^em Sinn unb
begonnener £f?atfraft. Sei itjm lag bie nädjften 3af)re bie Ver=
tretung ber Sanbeebcrrfdjaft ben auffäfngen Untertanen gegeiu
über fo gut mie bem ungebulbigen 2lnbrängen ber römifcfyeit
Äurie, bie eine Deformation beö Drbens im altfirdjlidjen Sinne
betrieb. 3lufl biefen Sdjnrierigfciten 3eigte potent? ben Sluöroeg:
er mürbe ber Reformator ^reujjens unb bahnte bie Verroanb;
lung bc« Orbenöftaateo in ein roe(tlid)eö £er3ogtum an, mag
aud) gleichzeitig unabhängig baoon in 2llbred)td religiöfem
Kenten ein Sßanbet eingetreten fein, ber ifjm bas, maß ofjne fein
3utf}im gefdjaf), annehmbar madjte unb fo alle Sdnoierigfeiten
unoerfjofft glürflid) töfte.
2llfi 2t(brecr)t 1522 Greußen oon neuem oerlieft, fjofftc er
feine &ilfe mebr für ben Orben. %nx fidt) felbft Ijoffte er bie
ftanbesgemäfee Verforgung, bie if)m ber Orben nid)t gemährte,
alö güfjrer fei ed be* faiferlidien, fei e* bes päpftlic^en §eereö
gegen bie dürfen. 2lud) bei granj I. oon granfreid) hat er
fid) bemüht. Ta3roifd)en ocrfua)te bann Sietrid) oon Sd)ön=
berg toieber ifjn burd) eine feiner grofeen Kombinationen 311
einer eurooätfdjcn SRoHe 311 ergeben. $olitifd) mar 9llbred)t 311
Gnbe. 2lud) finanjieß fjatte er melir mie abgemirtfdjaftet unb
tuufjte nid)t mein*, mie er fein beimatlofeö Söanberleben beftreiten,
nod) weniger, wie er bie aufgefummten 82 000 ©ulben Sd)ulben
bejahen fofftc. 3n ocrjmeifelter Stimmung raeilte er 1522
auf bem SRetdjfttage 31t Dürnberg: aud) fein ©ebanfe, ben
beutfdjen 3lbel jur fiilfe gegen ^polen $u genmmen, mar mit
ber tfataftroofje beö 311m gityrer beftimmten Siefingen hinfällig
geworben. £a Ijörte er 2lnbreas Oftanber baö ©oangelium
oerfünbigen unb mürbe tief bauon ergriffen. 3Wäd)tig 30g eö
if)n 311 ben greunben ber neuen Sefire. Sie fd)ien ifjm beffer
begrünbet alö bie fatfjolifdje, ber man nad) feiner Meinung
burd) Verbrennen anftöftiger Sdjriften mdjt aufhelfen fonnte.
$amtt erljielt fein Seben erft redeten Qnfjalt unb grünbete fidj
auf ben gelfen beo eoangelifajen (Glaubens. s 3)Ht Dedjt fjat
2Ubred)t nadunatö Cftanber feinen geiftigen Vater genannt.
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V. : ! *lOä . ttfW fcYe ©lemente be* preufcifaen Staate* (6i« 1598).
-••' •*»*.* • .
Unb oon ^ier aus erfdjlofj ficf} ihm juerft bic Hoffnung, aus
bcm politifdfjen Söirrfal gelöft 311 werben. $on bem ©tanb*
punfte bes ©oangeliums aus ging ifim ber Söiberfinn bes geift*
liefen ^Rittertums um fo flarer auf, als er offenbar nie ein
überzeugter 2Inf)änger besfelben gemefen, fonbern blofj aus
trbifdfjen 9lüdfftd^ten tfun beigetreten war. Schon Stetrieb oon
Dönberg t)atte empfohlen, ßutbers 9lat ju erbitten, roätjrenb
biefer mit ber genialen Sicherheit feines $licfs bas frier geftellte
Problem bereits fflfri gelöft t>attc. «om 28. mx$ 1523 batiert
feine Schrift : „9ln bic bitter beutfdjjeS Orbens, ba& fte fatfd&e
fleufdjheit meiben unb ju ber rechten cr)eli<^cii tfeufchhett greifen
foQen", bie ben SSiberfinn ber Siegel nachwies unb bie Säfu=
larifation bes Orbens empfahl, bamit „eine recht orbentliche
$errfd>aft" entftehc. SaS fei in ^reufeen leidet, weil bic SHttter
bes neuen Staates „geborene 2lmtleute* feien unb felbft oer^
forgt mürben, bort alfo „nicht bie elenbe *32ot oorhanben fei,
bie manchen 33cttelmönch im fllofter halte, nämlich beö Saumes
Sorge". Sebhaft griff 2llbred)t ben GJebaufen auf. bereits
im 3uni 1523 febiefte er ben 9)Jagifter Oeben r)eimti<$ nach
Wittenberg, um Snther bie Siegel oorjulegen unb feine $or=
fdtfäge jur Deformation bes Orbens entgegen $u nehmen, Sie
Antwort fann nicht ungünftig geroefen fein. Senn febon im
(September erfdnen Wibrecht felbft in Wittenberg: er möge,
fo riet ihm Stüter, fidj oon ber Siegel losfagen, ein Weib
nehmen unb Greußen 311 einem weltlichen gürftentum machen.
3Relandfjtf)on ftimmte bei. 2llbrea)t — fo berietet Sut^er —
fdnoieg, aber lächelte. Ob es ein befriebigtes 2äa)e(n ber
Suftimmung roar ober ein Säbeln ber SRcfignation — roer
weif* es?
3lus ^reufeen lauteten bic Berichte immer troftlofer. Sie
Stänbe oerroeigerten jebe &ilfe. 3roang bättc ben Ausbruch
gebraut, Schon badete Wibrecht oem &mbc ben SRücfen 311
fefjren. „«erhungernd willen/ fo fcbrteb er an s }>olenfe, „febre
er nicht surücf, ba er als geborener gürft 311 Skanbcnburg ftch
ja oon feinem Väterlichen erhalten unb bic anberen in s l?reuf?en
in ber Srül)e fttjen raffen tonne" — Worte, bereu fraffer
Egoismus jeigt, ^af3 ihm nod) jeoe (SJcmcinfdwft mit bcm feiner
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I. £er Staat beö 3)eutfd&en Drbenä in $reufcen.
103
Obhut befohlenen 2Mfe fehlte. Sie galt es 311 Raffen. Unb
baö hat nid»t 2llbred)t getrau, fonbern ^olenfc, ber eine nid&t
gang ohne fein 3"tfmn entftanbene populäre Seroegung ftärEte
unb leitete, ben fidj äufeernben SBolffiroiUen entfchlofjen oou>g
unb fo eine ooQenbete ^^atfad^e fdjuf, bie Wibrecht um fo
bereitwilliger aeeeptierte, als fie feinen perfönlichen 3"tereffen
entfprad). ©0 ift bie Deformation in Sßreufjen — unb jwar
eigentlich bort allein — als SBolföfadje ooüjogen. Unb was
wollte bafi fagen 511 einer 3*it, wo Sutbers Sehre noch nirgenbs
roirflidj ftegreidfj mar, ba bidt)er nur bas Bürgertum fidt) für
fte erflärt J>atte? 3uerft in ^reufeen ift wirflid) reformiert
worben, unb $war in ber bem urfpriingli^en unb eckten Suther*
tum entfprechenben 2Seife. Senn noch mar ber Reformator nicht
an fich felbft ine geworben unb jurüefgefchreeft uor ben Ron-.
fequenjen, bie fich <w§ feiner greiheitsthat ergaben. Seglücft
fd)rieb er im Frühjahr 1525 in ber 33orrebe ju bem ®eorg
r»on Sßolenfe gemibmeten Kommentar jum £euteronomium :
„SBelch ein Sähinber ift eö, wie baö ©oangelium, in Ober* unb
ÜRteberbeutfchlaub, roo es juerft ocrfüubigt würbe, abgelehnt
ober angefeinbet, gleich einem mit fdf>wetlenben Segeln bahins
fliegenben ©djtff nach b*nt fernen Greußen geeilt ift, baß bisher
tum bem $unfel ber alten flirre bebeeft mar." ffixtm ur=
fprüngtichen 2ßefen getreu, r)at bie Reformation bort genau
ben 9ßeg oerfolgt, ben ihr Suther, nid&t ohne eine biplomatifch
feine Senufeung ber allgemeinen Sage unb ber befonberen $er=
hältnijfe beö Drbenölanbefi, oorgejetefmet hatte.
(Seit bem ©ommer 1523 wirfte in ^reufeen ber ehemalige
granjiöfanermöndj Johannes 93rieömann. Surdfj ihn ift ^olenfc
gewonnen toorben: bereits JÖeihnachten 1523 bt'fannte er ftch
in einer Sßrcbigt uon ber $lan$el beö ÄÖnigöberger Cornea ju
bem ßoangelium unb erlief} im 3anuar 1524 als „SMfchof
allein burch ©otteö Öuabe" ein 3)ianbat, baö bie £aufe in
beutfeher Sprache oorfchrieb unb ben ©eiftlidjen baö ©ttibium
ber ©djnften Sutherö empfahl. Salb fanbte Suther als „Goan=
geltfien" 9lmanbuö borthin: burd) ih" bem ßoangclium ge*
roonnen, foUteu Slbel unb SJolf 00m £od)ineifter forbern, ba&
er ft<h oermähle unb ben 3witterftaat in eine retfjtmämge £err=
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104 <^rfteS 93uc$. Site (Elemente be3 preu&tföen Staates (fctS ir>98).
fdjaft vcrroanbele. SlUmäblid) — fo inftruicrte Sutber Skies^
mann am 4. guli 1524 — müffe man fic baf)in bringen, ju
biejer Grfcnntnis anleiten, mit biefem Verlangen erfüllen unb
fdjliefelid) beftimmen, ben 2Jtcifter jnr Erfüllung ihrer gorberung
fchetnbar jn 3roingcn. $ßolentj möge fid) vorläufig jnriicfljalten
nnb erft ber fcfjetnbar ohne fein 3 ul () im oollcnbeten Sliatfadje
fid) fügen. Gienau fo verfuhr man. $ie gaftengebote mürben
aufgehoben; ber beutfdje ßircfjengefang rourbe eingeführt; bas
evangelifdje „KönigSberger Sßaterunfer" erfaßten, unb in feinem
£raftat „33on breierlei (eüfamer Seidjte" miberlegte $rics=
mann bie fatfjolifche Seichtlehre. £ie öeiligenbilbcr mürben
beseitigt, unb am Ofterfeiertag beftieg >J?olenfe mieber bie Äanscl,
um ganj evangelifch 511 prebigen. 2lls bas erregte $olf am
jroeiten Oftertage bas granjisfanertlofter im Söbenidjt bebrohte,
rourbe efi glüdlid) bcfdjroidjtigt. deinen Slugcnblicf fonft rourbe
ber frieblidje Verlauf ber Deformation in Greußen gefährbet.
£er 93ann, ber ^ßolenfc traf, blieb ohne 38irfung. 3 um britten*
mal nahm biefer ^ftugften felbft bas 2öort unb tlmt bie Un=
verbinblid)feit ber 9Jtönd)Sgelübbe bar.
eben in jenen Sagen mar 3llbredjt roieber bei ßutfjer.
damals rourbe verabrebet, bie Serocgung gewähren ju laffen.
Wibrechts Unentfd)Ioffenheit fagte bas 51t. Tantals crfd)ienen
in Königsberg ber bitsige ^olianber unb ber geiftooUe Speratus.
Schon griff bie 93crocgung auf bas fladje Sanb hinaus; aber
bie fatf)olifd>en <prebiger mürben nicht befeitigt, fonbern mußten
nur bie neubefteHten neben fid) bulben. Unb gan$ roie Suther
gewollt, baten bie im Suli 311 Königsberg verfammclten Stänbe
?llbrcd)t, fid) 31t vermählen unb ein weltliches gürfteutum 311
errichten. £as febien bie £chensabbängigfeit von ^?olcn 31t
verbieten. 23äl)renb ber Sieg ber Deformation 311 Cnbc bes
3af)res 1524 frieblid) entfehieben mar, rourbe bie politifdje
Sage immer fchroicriger. 3hr entfprach bie, roenn nicht 3roei=
beutige, fo bod) äufeerft unflare Haltung 2llbred)ts. 3»»"
SHärtvrer feines ©laubens 311 roerben, fehlten ihm Neigung unb
gäfjigfeit. £afe er bas ©efdjehenc billigte, fjinberte ihn bod)
nicht, päpftlichen 93cbrof)ungcn gegenüber ^olenfc, beffen Damen
alles berfte, gelegentlich 311 verleugnen, unb bie Ginfidjt, bafj
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I. 2?cr Staat beS £eutfa)en Crbenä in Greußen. 105
er feine lanbeSfjerrlicbe Stellung, bie allein in bem ^ieiftcr=
tum beruhte, burd) bic Deformation verloren (jabc, bat Um
nicht abgehalten, um grieben mit $olen auf QJrunb ber alten
Crbnung 3U werben. 2lls bas unerreichbar fdjien, wollte er
baß 9Reiftertum, bas ifjm nicht gehalten, maß er baoon erwartet
hatte, nieberlegen, Sanb unb Seilte bem Hemeler Momtur ©rief)
oon Vraunfcbweig überantworten unb fid) in ben lofmenberen
$ienft ber fran&öfifd)en Slrone begeben.
£as aber wollte aud> ^olen nicht, jumal feine unfluge
ßartnäcfigfcit ben Orben bodj $um .sirieg 311 treiben brofjte
unb and) £an3ig unb Styoru rüfteten. Dun mar im Saufe ber
Unterbanblungen ber (Sjebanfe aufgetaucht, bie Sebensabhängig;
feit, bereu ber Orben fidj weigerte, auf bie ^erfon feines
Hauptes 311 bejehränfen, fo bafe Sllbredjt ^reuHcn als weltliche
&errfchaft oon $olen 311 Sehen nähme. 3b n nahm Jlönig
©igismunb auf, als er in biefem frittfeben Moment burd)
2(cbatiii3 oon 3ebwen, htn Hauptmann von Stargarb, 3(lbred)t
heimlich erfueben tieft, bas 3)teifteramt an niemanb als ifjn
felbft abzugeben: er werbe ifm „bafür mit Sanb unb Seilten,
auch mit einem Sienftgelb freunbfieb oerforgen unb verfehlt".
$ie 3uftimmung ber preufeifdjen Stäube war gewiß, fobalb
bie neue Crbnung fie nid)t weiter befrfiwerte unb ihre Dedjtc
unb Jvrcibciten nicht fürjte: 30g man fo bod) — ganj im Sinn
Suthers — nur bie politifdje ftonfeouen3 aus ber Deformation.
9Wit ungewöhnlicher @ntfd)loffenbcit griff Sllbrcdjt 311. 31ber aud>
r)ter gaben feine perfönltd)en 3"^rclK» ben 9Ui8fd)lag. £od>
minbert bas nicht bie Vebeutung feines Sdjrittes. ©ine ab-
fonberlidje Verfettung ber Umftänbe fügte es, bafe ^»ttf»,
beffen Söfung oon ber polnifcben £ol)eit 2llbred)t fjatte erreidjen
follen, jefet, naajbem es im Dingen barum bem (Soangelium
gewonnen war, biefes nicht beffer fiebern tonnte alö unter bem
©djufe dolens. Vom Deid)e, wo eben mit bem Vauernfricgc
bafi Verhängnis ber Deformation hereinbrach unb bie fmbs=
burgifdje SBeltmacbt ftd) 311 rücffidjtslofcfter Deaftion rüftete,
hätte es nur 3(nfcinbung unb Verfolgung 311 gewärtigen gehabt.
9llbrecht war in Ungarn, bei .ftönig Subwig ©ilfe gegen
$olen ju werben, als in Pratau bie SSenbung eintrat, bie bes
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106 GrfteS »u$. Sie (SUmente bee preufrifaen Staate« (bi« 1598).
Partus oon 3ehmen SWiffion eingeleitet tyatte. Sllsbalb machte
er ftcb bortfnn auf ben SBeg. 91achbem für bie SSerftänbigung,
um bie man fidf) jahrelang oergeblicb bemüht b fl ite, enblicb bie
formet gefunben mar, mürbe man fcbnell fwnbelseinig. Unter
Suftimmung ber Söeoollmäcbtigten bes Crbens unb ber preugi*
fdjen Stänbe mürbe ^reufjen als in feinem §aufe erbliche*
weltliches ^erjogtum Sllbredjt oon ^Jolen ju Sehen gegeben.
2lm 10. Äprit 1525 fanb bie feierliche SBelefmung fiatt unb
(eiftete SUbredjt ben SBafaHeneib. 21m 11. mürben ben preufcu
fd)en Stänben ihre *Prh>ilegien betätigt, roelcbe ihre Sibertät
auf Soften ber Sanbesberrfcbaft befeftigten unb gegen etmaige
eingriffe bes lehensherrlicben Scbufees fieberten. 9lm 12. oer*
fdjrteb ber 5tönig Sllbrecbt eine 3öhre*fuboention oon 4000 ©ul=
ben, unb am 13. ritt ber neue &er$og heimroärts. 3luä) bort ging
nun alles nach Söunfd) : jroar fträubten ftch bie Staube, nament;
Itd) bie burdj bie 9iot ber legten 3abre »erbitterten Stäbte,
anfangs gegen bie Slnerfennung ber neuen Orbnung, aber fäjon
©nbe 2Hai mar fte aud) oon ihnen üoH^ogen.
$reiunboier$ig 3abre (1525—1568) bat 2llbrecht als £erjog
gemattet, minber ferner bebrängt $roar, aber im ganzen bodfc
fo roenig bef riebigt unb glücfltdj, roie in ben oierje^n 3abren
feine« StteiftertumS. 2lua) am 3iele feines nicht fclbftlofen unb
besbalb erft recht forgenooHen Strebenö t)at er fidj beffen bod)
nie recht freuen fönnen, nie bas ®efüf)l ber Sicherheit bes
löefifees gehabt. Mannigfache (Üefährbung oon äugen, Sorge
oor ben Solgen ber auf ihm laftenben 9>letcböacbt, finanzielle
39ebrängniffe, &aber mit ben Stänben, hnfjlidje Streitigfeiten
liegen ir)n bes neuen ftafeins nicht fror) roerben unb brauten
fein 33emüben um ^preiifcens 3Bor)[far)rt um ben redeten Segen
unb bie reefite Jvrudjt. Seine größten Erfolge lagen in bem
Gebiete ber Saubcsfultur. Sie füblicben (Gebiete *Prcufjeus, bie
„als Silbnis" überfommen maren, machte er urbar unb ftebelte
dauern unb ©bellente bort an. 3lber ber eigentlich fürftlidje
3ug gebt feinem ^Balten ab, bem etroaö MübfeligeS unb ßleim
liebes anhaftet. 3 u ^ em machten Mangel an Urteil unb Scheu
vor Uebcrnahmc einer Verantwortung ihn abhängig oon feiner
Umgebung, feine liebenSioürbige Menfajenfreunbltcbfett aber,
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I. 35er Staat bes £eutfd)cn Drbenö in ^reufjen.
107
feine gelehrten Liebhabereien unb fünftferifdjen Steigungen unb
namentlich bie mit ben 3af)ren roadjfenbe Vorliebe für t^co=
logifdje ©iftinftionen überlieferten ben balb attju Strglofen,
balb attju befangenen ber Ausbeutung burch cigennüfeige ©trebcr,
hartherzige religiöfe Gtferer unb geroiffenlofe Abenteurer. $aj$
ein 2Rann wie ber Sdnoinbler Scaltdjius, ber bem Saufe ber
Scaliger oon Verona entfproffen fein wollte, eine 3^it in
fdjranfenlofer ©unft ftefien unb ben SanbeSprioilegien jum
£rofe ein ©illrurregiment führen fonnte, betoeift feine unfürfc
liehe Urteilslofigfeit. Unb bann oeranlafite im 3ufammenhang
bamit fein unfluger (Sifer für bie heftig angefochtene Sehre bes
oon ihm in Königsberg aufgenommenen Anbreas Oftanber einen
Kampf, ber fird)lidje unb politifdje Momente unheilooll oermifchte
unb erft lange nach bes eigentlichen Slnftifters Xob (1552) mit ber
Einrichtung bes §ofprebigers 3ohanne$ %\mh unb jroeier SRäte
(1566) ein blutiges @nbe fanb, zugleich aber eine tiefe $emütu
gung bes in feiner Sttadjt r)eiI[oö gefügten gürftenredjts 511
©unften ber triumpln'erenben Stäube jur golge hatte. 3n ber
Seoölferung ^reufjens aber erroedteu biefe Vorgänge, welche
bie 3ntereffen ber ftänbtfdjen fiibertät mit benen bes redeten
©laubens oerhängnisooll oerquidten, leibenfchaftlidjen (Sifer für
bas reine Suthertum, ber aud) politifd) bebeutfam würbe. 2111
bas bebrüdte Albrechtö 511 trübem (Grübeln geneigtes @emüt.
Unb baju (am fdjwereS r)ttuöttcr)eö £eib. £ie flinber, bie ihm
feine bänifche ©emahlin gebar, ftarben bis auf eine £od)ter
r»or ihm, unb oon bem unheilbaren SBahnfmn, in bem er ben
Steter fich hatte Gnbe rafen fehen, entbedte er nad) bem
furchtbaren ©efefee ber Vererbung bie fehredlichen Spuren früh
in bem einzigen Sohne wieber, ben ihm feine sroette braun*
fehwetgifdje ©emahlin als erben bes £erjogtumS gefdienft hatte.
Schmer hat ber forgenbclabene gürft am Sehen getragen.
Unb ba nun rourbe ihm fein coangclifcher erlaube ber im
Sturm oon 9iot unb Xrübfal bewährte Anfer. Sann braute
in bas freublofc Einerlei nie recht gelohnten Sichabmühens
Erholung unb @rf)ebung bie 93efchäftigung mit ben uerjehiebenften
geiftigen Sntercjfen, wiffcnfchaftliche unb fünftlerifche 33e=
ftrebungen. Auf biefem ©ebiet hat Wibrecht toirflid) SHeibenbes
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108 ßrfteö 33ud>. Sie (demente be$ preufcifdKn etaateä (biö 1598).
gefcfjatfen. Studj Imt feine weiche 9?atur, ber bie gähigfeit bes
cnergifchen 5£iberftanbes abging, oornelnnlich ba ifjre liebens=
roürbigcn Seiten entfaltet. £er eoangelifchen Ueber$eugungs=
treue unb bem roiffenfehaft liehen Sinn 2Ubretfits entfprang ber
grofte ©ebanfe §ur ©rünbung einer Unioerfität in Königsberg,
bie roof)lburd)bad)te planmäßige Vorbereitung erfpriefelichen Söir?
fens für fic burdj bie Pflege erft bes iBolfSnnterrichtS unb bann
bes froheren Sdjulrocfens. So fnapp feine ginanjen roaren,
immer hatte er eine offene §anb, roo es begabten £anbesfinbern
bie (Srroerbung r)bt)erer 99ilbung in ber grembe 511 ermöglichen
ober Männer ber Sötffenfdjaft für Greußen 511 geroinnen galt.
Cr ermöglichte bie Errichtung einer 33ud)brucferei, pflegte bie
SRufif burdf) ©rünbung einer Äapctte unb bie Veröffentlichung
oon Äompofitionen unb r)at in einer für jene &it ungeroöfms
liefen 2Bcife burdj bie Berufung unb ©efchäftigung füb= unb
roeftbeutfeher Vaumeijter unb iDfaler ben bilbenben fünften im
fernen 9iorboften eine Stätte bereitet. So erfchloft er burdj
perfönlidjes eintreten fein ber Verbinbung mit bem 9ttutter=
(anbe entrüeftes ßerjogtum bem befrudjtenben Strom beutfdjen
©eifteslebens, wie er es burdj einen umfänglichen 33riefroed;fet
mit ben Männern ber 25>iffenfd)aft bauernben Anteils an ber
fortfehrcitenben ©eiftesfultur tierftdjerte. £aburdj W er es
befähigt, inmitten ber mächtig anbrängenben ©efarjr ber
flatholifterung unb ber ^otonifierung eoangelifd) unb beutfeh
311 bleiben.
So unflar, unfertig unb in mancher &infidjt unerfreulich
bie 3uftänbe in ^reufecn fein mochten — eine güHe uerheifjungs=
ooller Anfänge 311 folgenreicher Gntroicfelung fnüpfen ftd) an
$er$og 3llbrea)t. 2lud} ben ^eitgenoffen erfdjien er baljer als
ber Präger unb ber Vürge für bie ßufunft bes £anbes, nament-
lich feines euangelifdjen ©laubens. $cm hat einmal ©eorg
oon ^olenfc faft rüfjrenb Slusbrud gegeben, inbem er eine
Mahnung an 2llbred)t oor polnifchen 9?ad)fte Hungen mit ben
Korten begrünbetc: „So etroas ©. g. ©. $urd)laudjt gefdjähe,
mürben roahrlidj nicht elenbcre unb betrübtere teilte in ber
ganzen Gl)riftenheit fein als roir armen ^Preufjen biefes gürten:
tum«/' benn „roir roürben fdjroerltdj bei bem ©oangelium
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I. Eer Staat beö £eut|d}eit Drben« in }>reu&en.
109
bleiben fönncn, fonbern mit ©etoalt unb grämtet baoon ge;
brungen unb abgehalten werben."
£en großen SRänncrn wirb man Wibrecht nidjt $u$äblen:
bodj f)at er ©rofces ermöglicht, kommen bod) in rceltgefcbicbt:
liefen tfrtfen jurocilen gerabe folebe Naturen 5u fegensreiebftem
Söirfen: ohne felbftänbige, in eigener fcböpferifd)er ftraft
rutyenbe 33ebeutung bringen fie, mehr paffit» als aftiu, aus;
gleicbenb, milbernb unb oermittelnb, oft freilid) unter Vergebt
auf bas oon härteren Naturen oerfod)tene ^rinjip, bod) bas
jur &it Erreichbare in Sicherheit unb legen fo inmitten ftür=
mifdjer flämpfe ben ©runb für bic allmählich fortfdjreitenbe
unb gefunbenbe Gntroicfelung fpäterer 3*^"-
©in müber 3)iann f)at igerjog Wibrecht ad)tunbftcb$ig jährig
1568 fein geben befdjloffen. £rüb unb forgenooll blidte er in bie
3ufunft feines §aufes unb Sanbes. Sein eii^igcr Solm unb
erbe, Wibrecht griebridj, ein unreifer fünfsefmjätjrigcr 3üng=
ling, mar förderlich ^infäüig unb geiftig febroaeb unb befdjränft.
60 fd)ien ben Stäuben bie 3eit gefommen, um ben Sieg, ben
fie 1566 mit dolens &ilfe über ben Vater gewonnen, bem
©ohne gegenüber auöjunufeen unb 31t oollenbcn. £ie mittel
mäßigen ©oben beö jungen „blöben £crrn" oerfümmerten unter
ber Surannei ber bie Vormunbidjaft fübrenben abiigen 5Hegi;
mentsräte. Sein ©emüt oeröüfterte unter bem Xxud eines
elenben SebenS in fteter 9lngft uor ©ift unb ber ihn innerlich
oerjehrenben äöut über ben frechen Uebermut feiner Sluffeber
unb Reiniger. Xas fcfnoadje 2id)t feines ©ctftes crlofch fcbliefe*
lid) in bem aufreibenben 2ßiberftreit jwifdjcn feinem fürftlidjcn
SRcd)t unb biefem unfürftltdjen $afein. ©in unglütflidjer gaff
machte ihn oollenbs clenb. dennoch £>attc man ihn, um bie
Selbftänbigfeit bes &er3ogtums 31t erhalten, oerheiratet: aber
fein Sohn, nur Södjter entfprangen ber ©he mit '3)Jarie (Eleonore,
ber älteften Tochter bes &er$ogö 2Bilh c ^ m üon Gleoe. Xuxti)
bie Vermählung mit jroeien oon ihnen bereiteten bie branben=
burgifchen ftobenjoßern bie wirf jame ©eltenomadjung bes Rechts
oor, bas ihnen nad) bem £obe Sllbrcdjt gricbrid&S auf baö
£er$ogtum juftanb.
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II. J&'xt Ußark Brandenburg.
1. porkcn unter tat Anljnltintrn, pitttisbnriimt unt>
gurtmnttrgfrtt (bie 1411).
©ranbenburg ift ein beutjdjes floloniallanb. (Sin
3af>rf)unbert früher als in ^reufeen mar bort bic beutfdje §err=
fdfoaft begrünbet, bod) ^atte ber Äampf länger gebauert, mefjr
gefdjroanft unb bafjer nict>t ein älniltdj feftgefügteft Staatöroefen
Ijeroorgebradjt. $>ie territoriale Erweiterung unb ber ftaatlidje
2lu$bau gefdjafjen f)ier meljr fto&roeife, getragen ntdjt oon einer
fjalb geijilid&en, (»a(6 roeltlidjen ©cnofycnfd&aft unperfönlidjen
unb im ©runbe ftabilen SBefenö, fonbern £)nnajiien mit roedjfelns
ben SRidjtungen, in benen roieber bie 5öefonberf)eit ber einzelnen
dürften bie Entroicfelung roedjfelnb beeinflußte. 2öäf)renb baö
Orbenälanb eine SSelt für ftd) bilbete, mürben bie nadjmald
511 Sranbenburg vereinigten ©ebiete burd) bie 3ug^örig!eit jum
SReicfie in politifdje, bnnaftifd&e unb fira;lid)e flämpfe gebogen,
bie fic um fo meljr ber ©efa^r ber 3^fp^tterung auäf«feten,
als audj bie flaoifdjen 9tad)barftaaten jeitroeiltg ftarfe 2ln*
3ie^ungöfraft auf fie übten. $odj ermedte baß in ber 93eoölferung
früb bas ©emufetfein beö Seutjdjtums. $aö aber mürbe tfire
«Rettung, als fie jur 3eit fdjranfenfofer ftänbifdjer Sibertät,
oon fokalen unb roirtfdjaftlidjen ©egenfäfcen jerfpalten, ebenfo
ber leitenben Autorität mie ber Vertretung nad) aufeen entbehrte.
3enfeitö ber mittleren Glbe feften gu§ 511 faffen, fmtte
äuerfi $önig föeinridj I. oerfudjt. 2lber bie 9iorbmarf, bic
er 928 burd) bie Eroberung 33ranbenburg3 grünbete unb bie
©einen 929 burd) ben Sieg bei Senden, ben bie fäcbfifdje
Stammfage ftarf übertrieb, behaupteten, ging trofc ber fefteren
fird)lid)en Organifation burd) bas ben älteren Bistümern 93ram
benburg unb §aoelberg übergeorbnete Grjbiötum Sttagbeburg
I
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II. $ie matt Sranbenfcurg.
III
511 ©nbe ber Regierung Ottos II. (982 — 983) roieber oerloren.
9Gur bas linfä oon bcr (Slbe gelegene ©ebiet, bie fpätere WlU
matt, blieb beutfa) unb tourbe audfj in ben nädfjjten ^unbert
3af)ren nur bis $ur £aoel erweitert. <£rft als gegen bie SRitte
be« 12. 3af)rf)unbertfi ber ©adjfe Sotljar ben nationalen flampf
gegen bie SBenben für bie bentfdfje flultur toteber aufnahm,
begann audf) für bie Sanbe jioifcljen Glbe unb Ober eine neue
3eit. 3 um 2^n für bie if)m auf ber SRomfafjrt geleifteten
£)ienfte oerlief) Sottyar bie 1133 burdf) ben £ob beft ©rafen
flonrab oon ^lötjfau erlebigte -Jlorbmarf feinem Sanbfimann
Sllbrecljt oon 93attenftäbt aus bem §aufe 2lnf)alt, ber fein
2lnredf)t barauf fdjon früher mit SBaffengetoalt geltenb §u mad&en
oerfu^t J)atte. 2Bof)l r)at Sllbredfjtft ©inn auf 1)tym 3iele
geftanben, unb nid)t ofme ein ©efüf>l ber (Snttäufcbung ©erntete
er fef)ließlidj barauf, bie SBcIfen aud bem fädf)fifd)en ßerjogtum
ju oerbrängen. SÄber für bie 9?orbmarf mar eö eine glücfücbe
gügung, baß er auf biefen befdfjeibenen SBirhingfifrei* befdfjränft
blieb. 2Bof)l ftefjt 2llbrecf)t ber Söär — fo nannte man if)n
im ©egenfafc ju &einrid) bem Söioen — an @lan$ ber 6r=
fdjeinung jurüd gegen ben erften großen ©taufer unb ben legten
großen Söelfen, aber fein Sebenfiroerf ^at, anbers als bafi jenes,
ifjn weit überbauert unb ift einer oon ben Pfeilern ber beutfeljen
3ufunft geworben.
SBon bem gortgange ber <Sfn*iftianifterung unb ©ermani=
fiemng bcr 3Harf fyabtn mir fein fo anfdjaulidfje« 2Mlb roie oon
ber Greußen«, $a f)ier roeber fo planmäßig oorgegangen, nodj
bauernb fo große Äräfte cingefefet tourben mie bort, fo be=
frembet bie Sdfjnefltgfeit, mit ber fic fidfj oofljog. Stnbertfjalb
3a^»rl)unberte nad) ber 2lnfunft ber Slnfjaltiner ift Brannenburg
faft oöllig beutfdj, oljne baß eine fo ftarfe beutfd&e ©inroanberung
unb eine fo rücf[icf)tslofe ©ermantfterung nadjtoeiöbar mären,
roie fie bie ©dEjnettigfeit biefer Söanblung eigentlich oorauäfefct.
2Wan ^at bcdr)a(b oermutet, bie $eutfd)en fyaUn öftlid) bcr
eibe jioar 28enben als r)errfcr3cnbcö 9Solf oorgefunben, baneben
aber jarjtreic^e ifmen unterworfene ©ermanen, meiere nun mit
ben ftammoenoanbten Eroberern gemeinfamc Sad)e matten.
$od) trat ja gerabe $ur 3ctt 9Ubred)ts be§ Bären burd) ben
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112 ©rftcs $ud). £ie demente beä preufcifdjen ©taateä (&tö 1598).
Sob be$ 2lbot>ritcnfÖniöö &einrid) bei ben Söenben eine 3^ s
fplitterung ein, bie ifjre SBioerftaubsfraft minberte, ja managen
ifjrer gürften bie greunbfdjaft bes benachbarten 2Jlarfgrafen 511
fud)en unb ber Ausbreitung beö Gljriftentumö nnb ber beutfdjen
Äultur $orfdjub 511 leiften ueranlafete. T>urdj) bie Eroberung
ber ^riegnifc fafcte 2llbred)t im 3öinter 1136—1137 auf beut
rcdjten Ufer ber ftaoel feiten guf3. £er 511 Sranbenburg
fjerrfdjenbe ^ribislaw aber, ber famt feiner @emaf)lin ^ßctruffa
Ctjrift geworben war, fünfte ntd&t btofi 2llbrcd)tfi erftgeborenem
Sofm Otto, ben er aus ber Saufe (job, bie Sanbfä^aft 3™$*
(bei Scljig), fonbem jefete, felbft finberlos, ben 9Harfgrafen
jum Grben ein. 3tud) fiel, als er 1150 ftarb, fein Sanb toixU
Ud) an biefen, wie es fjeißt, banf ber Gntfdfjlojfenfjeit ^etruffas,
bie ber broljenben wenbifdjen SReaftion getieft guoorfam. Grft
biefe (Srwcrbung gab 2llbredjts Söirfen foroof)l nad) ber frie*
geritten roie nad; ber folonifatorifdjen Seite eine fixere breite
$afts. Kaum (jatte er einige benachbarte Stämme unterroorfen,
als er $oten nach bem ^ieberrbein unb Utrecht fanbte unb
Äoloniftcn herbeirief, um mittels ber bei ihnen alteinheimifchen
Sedjnif bie roaffer- unb fumpfretdje 3)iarf für ben Sltferbau $u
erobern. Sie würben ber tfern eineö SJauernftanbes, ber, burd)
3ujug aus anberen Seiten «£entfd)lanbs oermehrt, gegen 3*»$
unb £icnft mit Sanb verfemen, bem S3oben balb reiben Ertrag
abgewann. 2lud) bie Stäbte, wo oon ben Scnben meift nur
bie ärmfien als gifdjer jurüdgebtieben waren, würben neu be:
oölfert unb balb Sifce mannigfacher gewerblicher unb rommer*
3icHer Sbätigfeit. bereits burd) Sllbredjt erhielten 23ranbenburg,
3al$mebet, Sangermüube, Serben, Angerburg unb Ofterburg
Stabtrea)t. 9lud) beutfdjc Gbelleute famen inö Sanb. $on
bem 2)?arfgrafcn als alleinigem &errn bes eroberten £anbcs
gegen Ucbernabmc beö üblichen JHitterbienftcs mit Burgen unb
(Gütern oerjeben, würben fie militärifd; ber widjtigftc ftüdhalt
bes £cutfd)tums, im ^ergleid) mit bem bie iEcmpelberreu unb
Johanniter, bie ebenfalls 9iicbcrlafjungen errichteten, nur eine
untergeorbnete 3iolle fpielten, febon weil hier ber ritterlidje
©laubensfampf gegen bie Kulturarbeit jurüdtrat, unb bann bie
9)iiffion im ^aljmen einer feften fird)lid)eu Organisation oon
1
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II. 2)ic SRarf SJranben&urg.
113
einem gebilbeten unb prafttfd) gefällten Äleruö fortgeführt
würbe. S)ie ©isttimer 23ranbenburg unb §aoelberg erftanben
neu unb gewannen feit ber Grrjebung Norberts jum ©rjbifd^of
oon 9)iagbeburg (1126) in ben sprämonftratenfern wertoolle
SBunbefigenoffen. keltere ßirdjen unb ftlöfter würben ftattlidjer
ausgebaut, neue entftanben in SJienge, wobei ben wenbifdjen
Selbfteinbau ber oon ben nieberlänbifdjen Ginwanberern mit*
gebraute Siegelbau erfefcte.
9tor einmal brorjte 2llbred)ts $l)ättgfett eine ernfie ©efaljr.
25er &eoellerfürft 3<*c$e, ber ju ßöpenicf fafe, bemädjtigte fidj
iöranbenburgö, bas er als Verwanbter $ribislaws beanfprudjte.
SCber im 33unbe mit 2Bidjmann oon SWagbeburg, beffen ebenfo*
fer)r oon nationalen unb weltltdHürfiltdjen wie großen hrd)lidjen
©eftd)tspunften ausgerjenbeö Söirfen aucfj jenem ©renjlanbe ju
gute fam, gewann 2Hbred)t bie ©tabt bereits im 3uni 1157
mit ftürmenber §anb jurM 2ludj fjaben bie Söenben r)iufort
nidjt mefir oerfudjt, bie beutfdje öerrfdjaft ab$ufd)ütteln. 3n
ber <3age war 3aqe iJ>r lefeter SBorfämpfer: oon ber 2lu«*
fidjtsloftgfett ferneren SSiberfianbes überzeugt, foH er ftd) fwben
taufen laffen. SSaß an 2öenben im Sanbe blieb, büfjte feine
SBolffiart fdjliefjltdj ein, benn aud) ber wenbifdje 3tbcl oerftdjerte
ftd) gern ber ftänbifd&en unb wirtfdjaftlid)en SBorjüge feiner
beutfdjen ©tanbeögenoffen.
2llbred)ts £ob (18. 9?ooember 1170) änberte nia^ts an
biefen 33erf)ältniffen. 2)odj 30g ber ältefte oon feinen fieben
Söhnen, Ottol. (1170—1184), gur ^örberung beö ilulturwerfs
bie (Siftercienfer ins Sanb, bie oon bem ßtofter Seljntn au« bie
©umoflanbfd&aft fübltd) oon SBranbenburg urbar matten. 9Mit
§einridj bem Sbwen befämpfte er Bommern unb madjte cß,
wie nad) fpäteren Vorgängen angenommen werben muü, lebend:
abhängig: nur fo fonntc bie 9Harf militärifdj gefidjert unb
burdf) bie Sßerbinbung mit ber Oftfee wirtfdjaf tlid) gehoben werben.
£)er 3turj bes äöelfen unb bie 3erfd)lagung bes fädjftfdjen
§er3ogtumfi erhoben ©ranbenburg bort im ^orboften $ur führen;
ben 3Wa(r)t, jumal bem SMarfgrafen mit ber 2lnffidr)t über bie
©lauen jwifd&en Ober unb ^ieenc bie Vertretung ber beutfdjcn
SRedjtc auf bie Oftfeefüfte in erfter Stute juftanb. $em ttyat
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114 ©rfteö $u$. Xu ©femente be$ preufcifcfien Staate* (bis 1598).
es aud) nt(Jt 2(bbrud), bafe bie ©öfme Ottos I., bic if>m naa>
einanber foCgten, Otto II. (1184—1205) unb 3Ubred)t II.
(1205—1220), 1196 oom ©rjbifdjof Subolf oon 9)iagbeburg
genötigt würben, i^re reajts oon bcr @lbc gelegenen Sanbe oon
ifjm $u Segelt ju nehmen.
©inen bebeutenben gortfd)ritt für 93ranbenburg bejeidjnct
bie gemeinfame Regierung ber Söfme 2Ubred)ts IL, 3<rfjanne$ I.
(1220—1266) unb Ottos III. (1220—1267), bie anfangs unter
33ormunbfd)aft bes 3Wagbeburger ©rjbifd)ofs ftanben. 23on bem
Söenbenfürften 33orwtn fauften fte bie ©ebiete Barnim unb
Geltow unb erweiterten bie 3Warf fo bis jur Ober, £ort
ftiftete 3oljann bas (Sifiercienferff öfter Gf)orin. £urd) fie erhielt
©panbau unb bann um 12:12 ftöUn an ber ©pree unb etwas
fpätcr bas benachbarte Berlin Stabtredjt. 3n wed)fe(ooHem
Kampf fdjüttelten fte bie 3Jiagbeburger 2ef)ens()of)eit ab. $or
allem aber entwiefeften fie bas 33ert)ättniö &u Bommern weiter,
©eit bem SRücf gange ber 3)lad)t 2)änemarfs infolge ber ©djtadjt
bei $ornl)öoeb (1227) (jaben fte bie oon ftaifer unb SReid)
oernadiläffigtcn baftiföen 3«t ere fl cn £eutfdjlanbs oertreten,
wofür Äaifer griebridj II. ü)nen 1231 bie Sef;cnftr)of)eit über
Bommern betätigte. Sie 3ur älnerfennnng ju bringen, beburfte
es freilid) eines mehrjährigen Krieges. Ghrft burd) ben Vertrag
oon Dremmen im 3uni 1236 beugte fidj it>r ^erjog äöratistaw
oon ^ommerm£)emmin, trat bie Sanbe ©targarb, SBerent unb
Sßnftrow ab, bas fjeiftt ben gröfeten £cil oon :JWedIenburg=
©trelitj, unb fieberte bem 3)iarfgrafen für ben gaH feines
finbertofen Xobes bie s )Jad)folge in feinem gefamten 33eftfee ju.
£as ^erjogtum SStolgaft, bas 3o(jann als SJiitgtft feiner &c-
malilin, einer £odjter &>albemars II. oon £änemarf, bean=
fprudjte, occupierte SBratiölams Detter Barnim, unb erft 1250
tarn es ju einem s 25ergleidj, narf; bem audj biefer bic branben;
burgifd)C Se^enöt)or)eit auerfannte unb ftatt Söolgaft bic Utfer=
marf feiner £odjter, bic 3of)ann oermiifjlt würbe, als s J)litgift
überliefe.
2lud) nadj Often unb ©üben würbe bie s J)tarf bamals be*
träcr)tttcr) erweitert. $er$og 23oleSlaw oon Siegmfe wnrbe 1253
bas Gkbiet oon Sebus abgefauft, wo granffurt an ber Ober
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II. Sie 9Harf $ranben6urg.
115
entftanb. Tie Cberlaufitj, oon ber Otto III. einen Teil burdj
bie @fye mit einer Tochter SSengels oon Böhmen erworben hatte,
braute bereits Äönig Ottofar II. 1255 ooHenbs an 23ranbenburg.
Vor allem aber faßten bie Warfgrafen bamals jenfeits ber Ober
in ber „neuen Warf" feften gufc, wo fid& nnter bem Sd)u&
ber in Äiiftrin ^eimtfejen Tempelherren bereits beutfdje @bel=
(eilte angeüebelt hatten. 3efct mürbe bas Sanb oon ^r3emnslam
oon $o(en, bem es bie oommereüifdjen ^erjöge ftreitig machten,
als Witgift feiner einem Sohne 3o^anns oermählten Todjter
39ranbenburg überlajfen. Üöie ein Keil jwifdjen Stolen nnb
Bommern einfpringenb, ftärfte es beffen Offcnfiofraft gegen
6eibe, ba es Bommern nun aud) oon Cften t;er faffen unb bie
Oftfee bei Tanjig erreichen tonnte, Tafjcr würbe 51t feiner
Sicherung alsbalb eine große 2ln$ahl oon Stäbten gegrünbet,
wie fcanbsberg an ber ©artfje, Königsberg, SBärwalbe,
Solbin 11. a. m.
9(iia) waren bie änfjaltiner in Vranbcnburg auf bie um
geteilte Erhaltung ihres ftattlichen Vefifees bebad)t, ber für bas
SReidj fdjon fo oiel bebeutete, baft nad) bem Tobe SBilhelmS oon
&ollanb bie Grhebung Ottos III. auf ben Thron erwogen war.
Um aber aud) ihre jahlreichen Söfme 311 oerforgen, oereinbarten
bie Vrüber 1258 bie 3 er ^9 u "9 ^res Raubes in jwei gleiche
Teile, bereu jeber als ein Öanjes an eine ber oon ihnen jtoms
menben Linien fommen unb ihnen bie gemeinfame Verfolgung
einer §auöpolitif ermöglichen foöte, währenb bas mit ber Warf
oerbunbene Grjfämmereramt unb bie auf ihr beruhenbc flur
immer oon bem Öefdjlechtsälteften geführt würbe. Sängere
Seit ^at |ld) bas bewährt. Wadjbem ber ältefte oon Sofcanns
fünf Söhnen, Johann IL, bereits 1281 geftorfcen war, regierten
feine beiben jüngeren trüber, Otto IV. mit bem Spfeif unb
flonrab, oon Stenbal aus ihren Anteil. 30* iüngftcr Söruber
£einrid) gewann in ber Warf £anböbcrg 3wifdjen Glbc unb
Wulbe unb ber fädjftfdjen $falägraffd)aft eine Verforgung,
währenb ber nächftältere Gridj 1277 oon einer gartet im Toim
fapitel jum GrjbÜdjof oon Wagbeburg gewählt würbe, gür
ihn fod)t Otto IV., ein fampffrojjer bitter unb auch als Winne-
fänger gefeiert, wiber ben oon ben ftegnern erhobenen ©rafeu
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116 ©rftea 5Ju$. 2>ie Elemente bes preufetfäen ©taateö (6is 1598).
©fintier von Schmalenberg, rourbe aber 1278 befielt unb ge^
fangen. Jtaum loagefauft, griff er oon neuem 511 ben ÜBaffen.
Bei ber Belagerung Sta&furtö empfing er bie SBunbe am #opf,
bie ihm ben Beinamen „mit bem Sßfeil" eintrug. 2lber erft 1283
fam @ridj 3um heftige kämpfe Ratten Otto IV. unb ftom
rab mit Bommern 511 beftehen, baä fich ber Se^enö^o^eit 311 ent;
jiehen oerfud)te, nad) mehrjährigen kämpfen aber (1280—1284)
aud) nod> Stargarb, ^nrife unb ©arj in ber SDtarfgrafen 0e;
malt (äffen mufete. (Srft flönig SRubolfö eingreifen im Sommer
1284 ftellte ben ^rieben her. £)odj t)atte er nicht lange Beftanb.
3)enn nach ber Trennung Bommerns in bie ^erjogtümer Stettin
unb SSolgaft (1295) oerbanb fidj Bogtälaro oon Söolgaft mit
bem ben ©eutfdjen bitter oerfeinbeten ^olenfönig 2Blabiölan>
Sofietef, bem auch bas burd) baö Sluöfterben feines §erjogö-
haufes erlebigte ^ommereHen suftel. 2Bäf)renb bes mehrjährigen
Krieges \)aüt bie Wart burd) roteberbofte Einfälle Bogislaroö
unb feiner polnifdjen Berbünbeten 311 leiben, ©och behaupteten
fia) bie SHarfgrafen nid>t Mofj, fonbern gemannen fogar burd)
ihre oon ben ftreitenben Parteien neranlafitc ©tnmifdnmg in
bie pommereüifdhen &änbel biefe Sanbfdjaft famt bem wichtigen
SDanjtg unb bamit in ben baltifdjen Rauben eine weithin gc=
bietenbe Stellung.
£tefe Qtit be$ei<f)net ben ©öljeftanb ber branbenburgifchen
3Jtod)t im Mittelalter. 3hm f^Ö* ein tiefer gall. Vilich
ber anhaltinifdjc Befi& mürbe jerfplittert. @ö entftanb eine
3)2engc anhaltimfdjer Sinien mit entfprechenb fleinen Territorien,
mag bie Sage auch übertreiben, bie oon einer ßufammenfunft
oon neunjehn ÜJiarfgrafen uon Branbenburg berichtet. £ann
fdjroanb baö &aufi fchneU. Bon ber 91ad)fommenfd)aft Ottoö III.
(t 1267), bie 311 Saljroebel fafe, lebten 1305 nur noch WaxU
graf ©ermann unb fein jugenblidjer Sofm Johann V., roährenb
bie 3of)ann$ I. 311 Stcnbal in Otto IV. mit bem ^feil unb
bem jungen SDalbemar, bem Sohn beß 1304 uerftorbenen tfon-
rab, ihre einzigen Vertreter hatte, tiefer lefetc aber fchicu $u
großen fingen berufen.
Sein unfeheinbarefi Slcufiere barg nicht blofc eine ftählerne,
in aßen ritterlichen fünften gefchulte Jlraft, fonbern aud; einen
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I
II. Sie 5Rarf »ranbenburg. H7
füfjncn, weitblicfenben fiaatsmännifdjen ©eift. grüfyretf warf
ftd) 3öalbemar fampfluftig ber Uebermadjt entgegen, wufete aber
aud) ftd) ber Sage gefdntft anjupaffen. 3n ben kämpfen mit
Bommern unb $>olcn bereits bewährt, trat er an bie ©ptfce
feine« Kaufes, als er nad) bem £obe Hermanns oon @al$mebet
für befielt fedjfljäljrtgen Sof)n 3oljamt, beffen (Sdjwefter er
heiratete, bie ftegentfdjaft an ftd) rife. 9lls balb banadj Otto IV.
ftarb, mar er &err oon ganj SBranbenburg. ftlufl gab er bas
unhaltbare ^ommereQen auf, inbetn er es gegen lOOOO SJiarf
Silber bem Qeutjdjen Crben überliefe, ber, oon ben ^3olen r)erbei-
gerufen, ftdj bereits £an$igs, £irfd)aus unb <5d)we{}S bemächtigt
fjatte. 3d)lawe, Dflügenwalbc unb Stolp übertiefe er 1313
3BratiSlaw oon ätfolgaft. Denn ein fdjweres Unwetter 50g fldt>
gegen if)it jufammen. 3Xls er otralfunbsgreifjeit gegen Sßifelam
dou öligen fdjüfcte, oerfudjtc biefer im SBunbe mit SDänemarf,
©djweben unb ^olen, mit ©ad)fem£auenburg, Sraunfdnoeig
unb anberen gflrften bie 3ttad>t ber 2lnf)altiner oon S3ranben=
bürg $u bredjen. 2lber obgleid) er beim Angriff auf baß Sanb
©targarb, bas #eiurid) oon 9)tedlenburg als SRitgift ber £odjter
9llbred)ts III. oon 33ranbenburg erhalten, bann aber oertrags=
wibrig trofc bes Langels au männlidjer 9tod)rommenfd)aft nid)t
herausgegeben hatte, 1316 bei gflrftenfee unb bann oon ben
in ber ^riegnifc eingebrochenen geinben nochmals bei ©ranfee
gefdjlagen würbe, rettete er boch 1317 im ^rieben $u $emplin
burdj ben ^erjidjt auf jenes ©ebiet ben fonftigen Seftfeftanb
feines Kaufes, ben er bamals nad) bem finberlofen £obe feines
Schwagers 3of)ann V. enbgültig in fetner &anb Gereinigte unb
1319 burd) bie Erwerbung oon flroffen, 3üflia)au unb ©djwiebus
oergröfeerte. Salb Danach (am 14. 9luguft 1319) ftarb er, erft
28 ^afjre alt, 511 ©ärwalbe in ber 9ieumarf nach furjer 5lranf=
rjeit, ohne tfinber 51t fjinterlafien : in ber ©ruft 511 Gfjorin fanb
er feine ftufjeftätte.
gür Sranbenburg war bas ein fchweres Verhängnis. (Sö
entfprad) bem SEBefen ber 2)?arf, bafe and) bort bie fürftlicfte
£anbesf>of)eit fcbneöer unb ooöftänbiger ausgebilbet war als
anberwärts, tttdrjt im ©iberftreit mit Äaifer unb SRetd), fonbem
auf Äoften ber bepofiebierten unb unterworfenen Söenben. 9Jnr
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118 Grfte§ tJud). 2>ie Gtemente beS preu&ifd>en ©taateö (biö 1598).
in ber Slltmarf gab eö einzelne reidjöunmittelbare Herren: fonft
waren Gbclleute nnb Stäbte bem 3)krfgrafeu unterfteüt, unb
nur bic 33ifc^öfe oon 33ranbenburg unb fiaoelberg empfingen
Sanb unb Rechte bireft vom &aifer. 3o mar ber 5kanben=
burger Stfarfgraf in ungewöhnlichem 3)2afec .§err in feinem
Sanbe, unabhängig oon oben unb gebieteub nach unten. -Das
fam auch ber auöioärtigen ^olitif ju gute unb fdjüfcte bie innere
©ntwicfelung vor bem ftörenben Ginfhife beö Reichs. Sic üflarf--
grafen waren ftets oberftc Richter, oberfte Äriegsherren unb
oberfte Eigentümer befi ©runb unb 33obenS: biefe 3 c « traI i=
fation förberte bie Sicherheit "ebenfo wie bas wirtfdjaftlidje
©ebeihen beö Sanbes. Xas föeerwefen beruhte auf ber $ienft=
Pflicht ber bei ber 2lnjtebelung mit Rittergütern oerforgten ©bei:
leute unb ber bem 2Warfgrafen perfönlid) oerpflichteten Xienft=
mannen, £te £orfgrünbungen waren gewöhnlich oertragämäfeig
Unternehmern überlafien, bie für ihre 3)tüheioaltung burch bas
erbliche £d)ul$enamt belohnt mürben, mit bem ber Vorfifc im
Sorfgericht unb ber 33e$ug eines Drittels Der eingehobenen
(Gefälle, aber auch bie Verpflichtung 511m Ritteroicnft oerbunben
mar. Sie angefefcten SBauern erhielten ihre ©runbftücfe erb;
unb eigentümlich, beburften jeboch 511m Vcrfauf unb ^ur SBcr=
pfänbung ber 3 u fti mimi "9 beö ©runbherrn unb entrichteten
bem Sanbesherrn ben £ufen$ins, ber ftiraje ben gelntten m< b
leifteten l)kx unb ba 8pannbienfte. 3^e Sage mar alfo be:
fonbers günftig. £em entsprach bas fröhliche ©ebeihen ber
Sanbmirtfchaft, welche bie einft oon jJBalb, Snmpf unb 2J2oor
bebeefte 3)?arf in blühenbes 2lderlanb oerwanbelte. 9lud) bie
Stäbte waren fd)neH gebieten. Seils mit bem einft SJranbeiu
bnrg oerliehenen, teils mit magbeburgifdjcm Recht beroibmet,
oon felbft gewählten Räten regiert unb wohlhabenb burch &anbel
unb ©emerbe, sogen fie ein felbftbewufetes Vürgertum grofc.
00 ftanben ben s J)farfgrafen aud) reiche Littel 3ur Verfügung,
beren Verroenbung in ber älteren 3^it fein ftänbifcher ßinfpruch
ftörte. Roch waren bie in Vranbenburg oereinigten (Gebiete
mehr äußerlich jufammengefügt als $u ooller Sebensgemeinfchaft
oerroachfen, unb hielten an ber alten lanbfchaftlid)en 8onbcnmg
feft. 80 fam bas lanbftänbifdjc Sßeien hier fpätcr unb weniger
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II. Xu mxt ©ranbenburg. 119
•
als anberroärts jur (Geltung. 3 uer ft ^ tt0 m| b Sodann III.
mußten ©elbberoilligungen ber Stäube burd) Ueberlaffung eim
Seiner £oheitsred)te erfaufen. £as gefthah in ben folgenben
friegerifdjen 3«itcn häufiger, roo namentlich bie kämpfe mit
Bommern immer neue Dpfer perlangten unb bie Stänbe ber
ein&elnen Sanbfdjaften es als oortctlfiaft erfannten, fürftltche
Anliegen ber 2lrt nur gemeinfam auf einem fianbtage 311 er^
tebigen. 2Burben fie r»on altcr*r)er befragt, wenn es fid) um
flrieg, Verträge, ßrbteilungen u. a. Imnbelte, fo matten fie
jefet bie gürften gerabe in ben entfcheibenften Momenten oon
ihrem guten 2$iÖen abhängig, ja bie ber 2Utmarf festen es 1282
burch, bafc ihnen als Sßfänber für bie SRefpeftierung ir)rer SRedjte
bie brei Sanbesfeftungen tiberliefert mürben unb bas SRedjt ju
geroaffnetem äöiberftanb unb 511m Uebertritt ju einem anberen
§errn ausbrücflich juerfannt mürbe.
2)ie äeitcn, bie SBalbemars £ob folgten, begünftigten bie
(Snoeiterung ber ftänbifcben «Rechte, ba bie einjelne Seile an
fid) reifjenben 9tod)barfürften bie £erren, Prälaten unb Stäbte
für fid) su gewinnen fud)ten. 21ls lefcter männlicher ©profe ber
2lnf)altiner mar &einriä) II. übrig, ber Solm Heinrichs oon
Sanbsberg. <Bo fudjte 2£albemars 2Bitme 2lgnes, auf bie als
^oc^ter bes 3)larfgrafen Hermann bie SRedMe ber Salaroebeler
fiinie übergegangen roaren, bie £errfd)aft p geminnen, fanb
aber nur in ber Httmarf unb einem Seile ber ÜRittetmarf 3lns
erfennung. 9(ls fie aber föerjog Ctto oon 33raunfcbroeig beiratete,
crflärte ftd) ihr 93efd>üfeer SRubolf oon Sadbfen-Sßittenberg für
ben jungen Sanbsberger SDiarfgrafen. ©egen ihn, bie ftauptftüfce
griebridjs oon Oefterreid), oeranlaftte, wie es fdjeint, Subroig
ber Saper &er$og SSlabislaro oon ^ommermSöolgaft , ber
Slufforberung etlicher Stäbte folgenb, als SBormunb Heinrichs II.
ficb ber SReumarf $u bemächtigen. 9hm trat auch ^einrieb oon
Schlefien mit Slnfprüchen h^roor unb fanb gegen Ueberlaffung
ber Dberlaujtfe unb bes ©örlifcer Sanbes bie &ilfe Johanns oon
Böhmen. 2)er Xob &etnrid)S IL, mit bem bie Slnhaltiner er=
lofdjen, fteigerte bie Verwirrung. Sadjfen fud)tc fich in ber
Sau|t(j unb SRittelmarf einjuniften. eignes flüchtete unter bie
Sehenshoheit bes SRagbeburger (Srjbifchofs, ber bie l'aufifc an
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120 GrfteS ^udJ- £i« (demente beö prcufeifäen Staates (biä 159*).
Jriebrid) oon 3Heifeen gab. £ie ©tänbe ber Utfermarf unb bcr
SPriegnifc riefen ben ©dnifc 9ttedlenburgS an, einige udermär=
fifcbe ©täbte ben Stänemarfs unb Bommerns, baß fid) nun
mühelos ber branbenburgifdjen &of)eit entjog. (5rft als er 1322
über griebriaj oon Cefterreidj gefiegt fwtte, fonnte ftönig Sub;
mig ber SBaijer, ben 2lgnes roieberfiolt um ftilfe angerufen
fjatte, bas größte norbbeutfdje 5Reid)Slanb für fein $aus ß* s
roinnen. 9iur bie 2lltmarf überliefe er 1323 2lgnes unb ihrem
^weiten ©emafjl auf fiebenöscit : mit bem übrigen branbem
burgtfdjen Sanbe belehnte er 1324 feinen aajtjäfjrigen ©of)n
Subioig, für ben er bie Regierung führte.
3n feinem territorialen 23eftanbe arg gefürjt, fam 33ran=
benburg an bie 9Bittelsbad)er. £ie 9Jiarf Sanbsberg unb bie
fädtfifdje ^pfal$graffdmft fielen an öraunfdjmeig, bas nad) 5lgnes'
£ob audj bie 2lltmarf behauptete. $ajj er oon ber Ucfermarf,
bie jum Xtil an SHecflcnburg oerpfänbet mar, menigftens ein
©tücf surücf erhielt, oerbanfte 9)larfgraf Submig nur bem ©dwfce
feines ©djroiegeroaters, bes £änenfönigs. Xk von SSratislan)
oon Bommern occupierten ucfermärfifdjen ©ebiete bagegen
mürben nur jum Stcit rotebcrgeroonnen, mie benn audj bie bran--
benburgifdje ßcr)cnöt)or)cit über Bommern, bie tfönig üubroig 1324
betätigte, nidjt jur ©eltung fam. ©djlimmer nod) mar bie roüfte
Agitation, bie buraj Äönig Subioigs Äampf mit bem spapfttum
ins ßanb fam. 33tf(ftof ©tepfjan oon SebuS oeranlafete ben
Bommern uerbünbeten s }>olenfönig SBlabislam Softetef 1325 311
einem oerroüftenben ©infall, mäfyrenb ber tropft 91tfolaus oon
Bernau, ber bie Bürger oon 33erlin Innbern wollte, bem jungen
ÜWarfgrafen $u ^ulbigen, oon bem SBolf oerbrannt mürbe.
Tafür traf bie ©tabt bas 3nterbift, oon bem fie fid) erft nadj
3al)ren burd) l)olje ©elbbufce löfte. $er ärieg mit Bommern
bauerte fort. 3^n beenbete, mäf)renb bie iDitttclmarf 1328
oon 9iubolf oon Saufen geräumt mürbe, erft 1338 ein griebe,
nad) bem bie &crjöge Otto I. unb Barnim bie nod) in iljrer
Öeroalt befinbltd)en £eile ber -Reumarf bis auf ein fleineS
©tücf Verausgaben, bagegen aus ber branbenburgifdien Sehens^
f)ol)eit entlaffen mürben ; beim (rrlöfdjen it)rcö öefchledjts aber
füllten bie ^ranoenburger in Bommern folgen.
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II. Sie Waxt Sranbenburg.
121
2lber aud(j jefet mar bem Sanbe nur (urjc 9iuf)e oergönnt.
$er 33rudj mit ben Suremburgern, ben Äaifer Subwig burdfj
bie 5>ermnf)lung ber wiberred^tCirf) oon ifjrem ©atten getrennten
Margarete oon Xixol mit bem SJtarfgrafen Subioig oerfdfjulbete,
braute neue fernere Sturme über bie 2Harf. Senate bodfj auf
ifir oornefjmlid) bie 3fladf)tftellung ber SBittelsbacfier, obgleich
fie bisher (oum 2lnl)änger gewonnen Ratten, fo freigebig fte
(anbeöfjerrlicbe ©üter, SHed&tc unb einnahmen ocrfd^Ieubert
Ratten. £aft baö Sanb, baö oon ben SReidjsangelegenfjeiten btö=
ber faum berührt mar, jefet für bie ifmt fremben nrittelöbadjfdjjen
3ntereffen fdfnoer belüftet mürbe, erbitterte allgemein. 3"ro
2tufibru(^ tarn es, als ber SWarfgraf, jur 2lbroef)r ber Surems
burger rüftenb, ntdfit bewilligte Steuern geroaltfam eintrieb unb
bie s DJünje rebujieren tieft. Ta befdjloffen 1345 SRitter unb
©täbte auf bem berliner Sanbtage, auf örunb beö ifjnen ein=
geräumten 9Siberftanb«red)teö fidr> 511 gemeinfamer Sßertetbigung
gu erbeben, unb mähten je jtoei IHbgeorbnete, bie fid^ an ben
&of begeben unb bie Regierung beauffid&tigen foflten. $te <*r;
Hebung bcs Suremburgers tfarl unb feine allgemeine 2(nerfennung
nad) Subungö beö £taoern £ob ftcigerte bie tfrififi aufö äu&erfte.
Xie (Gegner ber Sfötttelöbadjer fannten bie Stöi&ftimmung beö
93olfefi, baö bie glücfltdjen 3^iten beö testen großen Slnfjaltinerö
jurüdfe^nte, unb bebienten firf» tfjrer mit ungeioölmlidjer $er*
toegenf)eit. ®erabe in ben Sagen, too bafi roie eine tounber=
bare göttlidje gügung erfochten muftte, taufte 1348 am &of
beö 3)lagbeburger Grjbtfdjofs ein greifer Pilger auf, ber 3Harf=
graf &>albcmar ju fein behauptete. Ueber bie (£f)e mit feiner
$afe 2(gneö im ©eioiffen beunruhigt, wollte er bas Qtexüfyt
oon feinem £obe trügerifd) fjaben auöfprengen laffen, um alö
33ü&er nad) bem heiligen Sanbe 51t pilgern. $er ©rjbifdjof
erflärtc fidj burd) bie oorgebraajten öemeife oon feiner ©djt-
fieit überzeugt, SKubolf oon Sacbfen, ber alte geinb ber 3£ütefas
badjer, unb ber föraf oon 9(nbalt pflidjteten bei unb ergriffen
bie Söaffen, um ben £eimgefef)rten in ber &errfdjaft l)er$u=
fteöen. &>ie ein Sauffeuer flog bie ftunbe burdj baö Sanb : je
elenber bie Okgemoart mar, um fo lieber glaubte man bie
Sßunbermär, bie (Srlöfung oon ber 2£ittelsbad)er aNiftregierung
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122 Grfteä 33u(f>. 2)ie demente be$ j>reujjifd>en Staates (bis 1598).
uerf)iejj. Sie 9tad)barfürften folgten bem 33eifpie( beö (Srjbifdioffi.
33alb mar um ben gefjeimniöoollen 2llten ein mächtiger Sunb
gefammelt, bem 2)iedlenburg, Bommern, §olftein unb Säne^
marf beitraten. 2ln ber 3pifee ftanb Marl IV., ber nadj mannen
9hi5eid)en, wenn audj nidjt gerabe Urheber, bod) 3)iitroiffer bes
Betruges, an feiner weiteren 3nfcenierung fjeroorragenb beteiligt
mar. £enn bafe eö fidf) bei ber angeblichen ©ieberfetjr beö ad)t=
unbjnjanjiö 3a(jre oerfd&ollenen Söalbemar nid)t um einen jener
merfroürbigen gäüe gefianbelt fwt, bie oeretnjelt erroiefenermafjen
uorgefommen finb, fonbern um einen betrug, ben fein &elb
too^I faum aus eigenem Antrieb unternahm, fonbern auf $ers
anlaffung unb im Sienft berer, bie bei ber SBerbrängung ber
3BUtefebad)er gemannen, fann nadj allem, was mir wiften,
faum zweifelhaft fein. &en größten Vorteil an bem Belingen
hatte augenfdjeinlich 5larl IV. gehabt. So fam er beim auch
felbft nach ber 5Warf, traf in 9Jlüncheberg mit bem angeblichen
Üöalbemar jufammen, erfaunte ihn nach einer nur 511m 6d)ein
angefallen Unterjuchung als echt an unb belehnte ilm mit ber
9Jiarfgraffd)aft, nicht ohne fid) bafiir burdj Ueberlaffung ber
ftieberlaufife belohnen 511 laffen. Subroig geriet f>art ins ®e^
orange: nur einen Keinen £eil bcö Sanbes behauptete er,
banf namentlich ber £reue ber Stäbte Skiefcen, 33efit* unb
2)2ittenroalbe. Sluch baö r<on Anfang an aufifichtslofe ©egem
fönigtum ©üntberö von Sdjmarjburg machte ifjm nidjt Suft.
£)a erbot er fidj jur Sinnahme bes Sdjiebäfprucha bes ßönigft
Magnus oon Schweben. £)en 511 oermeiben erflärte fid) Marl IV.
5um grieben bereit. $er 2lnerfennung burch bie ©ittelöbadjer
fidjer, t)atte er an bem angeblichen äöalbemar fein QntcreRc
mehr: baljer fiel eine neue Unterfudjung gegen beffen (Sattheit
au«, unb im gebruar 1350 betätigte ber Vertrag oon öaufcen
bie Sßtttelöbacher im Söeftfe ber 3)iarf.
3lber noch bef>arrten einige ®egner Subwigs unb weigerten
bie SRäumnng ber occupierten (Gebiete. 2)aö mirtfdmftlichc ©lenb
mar noch gewachfen. 9iie bort heimifch unb tief oerftimmt bnrd)
ben eben erlebten allgemeinen SlbfaH roanbte £ubmig ber 9)Jarf
ben 9iüdcn. (Snbc befi ^aljreö 1351 überliefe er fie feinen Sticf;
brübern fiubroig bem Börner unb bem unmünbigen Otto gegen
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II. Sie 3Rarf Skcmbenlmrß.
123
Säuern unb JEtrol. Grftcrer eroberte in ben nndjften 3a^ren
baö Sanb oollenbö roieber unb beftimmte bie Anhalter (trafen
burd) ©elb, ben Sadjfenljerjog burdj Abtretung 3ofK nö unb
bie ^ommern^er^öge burd) bie eines Seife ber Urfermarf, ben
Abenteurer enblidj faden 3U lafien. tiefer fanb am £ofe 311
Seffern ein Afnl unb ift bort 1357 geftorben. Aber 9iuf)e war
bem Sanbe nod) nid)t befdjieben. $er Streit innerhalb beö
SEBtttelöbadjer £aufeö, erft um bie tfurroürbe, bann um baö
©rbe beö 1361 uerftorbenen fiubroigö beö Weiteren, bahnte ber
fdjleidjenben $olitif ßarlö IV. ben Sföeg jur (Srroerbung ber für
Söfimen fo lodenb gelegenen 2)iarf. Scr ßaifer gewann Subroig
ben Börner ju einem Vertrag, burdj ben für ben §afl beö
finberlofen Xobeö ber beiben 23rüber bie 9fad)folgc feinem
Solme Söcnjcl gefiebert rourbe. Obenein uermcujlte er nad)
ßubmigö £ob ben jungen Otto feiner Softer ßatfmrina. Alö
biefer ftd) ben eingegangenen Sßerpfltdjtungen bennod) ju ent;
jiefjen fud)te, erfdjien er 1373 mit £eereömad)t im Sanbe unb
jroang ifm 311 bem Vertrag oon gürftenroalbe, burd) ben er
gegen eine fjalbe Million öolbgulben bie ©errfdjaft if)m fd)on
jefet abtrat.
3unäd)ft fonnte baö Sanb mit bem Saufdj aufrieben fein.
Senn bie Art, roie Siaxi IV. in Vertretung beö unmünbigen
Söenjel mattete, roieö aDe bie 5öor$üge auf, bie fein {jauftoäter«
liefy fürforgenbeö Regiment in Söfjmen auöjcidjneten. 3 roar
mad)te er feinen Verfug, bie ftänbifajen 5Hed)te roieber cin3u=
fdjränfen, fonbem aeeeptierte bie unter ben 3ötttelöbad)ern
entftanbene Orbnung, fo nachteilig fie für ben 2anbeöf)errn mar.
9Jur bie SMötfimer SBranbenburg unb £aoelberg beraubte er
ifjrer bisherigen fteidjöunmtttelbarfeit. Abel unb Stäbte aber
behielten baö SBefeftigungöredjt, bie ^olisei, bie l)öf)ere unb bie
niebere ©eridjtöbarfctt unb baö 33ünbniövcd)t : ftc mareu bem=
nad) ein burdjauö autonomer gaftor, mit bem eö roie mit einer
felbftänbigen 3)?aa}t 3U paftieren galt. Sie s J)farf erblübte oon
neuem. 2$on £arlö Sorge für bie Orbnung ber 33cfikoerf)äIt=
uiffe unb bie Abwägung oon SKcdjten unb ^füdjten 3eugt fein
1375 angelegtes Sanbbud), baö einen für jene fteit ungeroöfjn*
lidjen ftatiftifdjen (Sinblitf erfdjtieftt in bie roirtfd&aftltdjen $cr=
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124 ßrfieä ^ud). $te (rlemenie bcö preufjifdfen Staateä (6iö 1598).
fyältmffe bes 2lbetö, ber ©täbte unb Oer ©auern. ipanbcl unb
33erfet)r gewannen burd) (£rleid)terung bcr Sdjiffafyrt auf ©Ibc
unb Ober unb &erftellung freunbfdjaftlidjer Skjielmngen 31t ben
&anfaftäbten, namentlich Sübecf. Ter £anbelsmeg oon 99öf)men
unb beffen &interlänbern nad) bcr Cftfee ging burdj bic 9Jtarf.
Um fo me()r mu&te ßarl münfdjen, biefe bauernb eng mit
$öfjmen ju oerbinben. Seilten fierjens opferte er bem ifu-e
ftaatlidje 6elbftänbigfeit, inbem er im «Wai 1374 bie 6tänbe
beftimmte, bie Union bes Sanbes mit Wöllmen gut$uf>etfeen,
wenn aud) unter 33orbel)alt bes SRüdtrittS für ben gaH, bafc
bie Unteilbarfeit unb Unoeräufeerlidtfeit beft flurlanbes oerlefct
mürbe. 9lber aud) barüber mar Äarl IV. fidjer leidet Ijinwegju:
fommen. <5djon burd) f eitt Xeftament oon 1377 gab er ben
&auptteil ber 3Warf nebft ber Äur feinem jmeiten ©of)n Sieg=
munb, bie 9Jeumarf unb bie Sauft bem britten ^o^ann. Ta=
burd) ftürjte er bas Sanb in neues ©lenb. Ter in bie gerne
fdjmeifenbe (Sinn Siegmunbs nafjm fein ^ntereffe an ifjm : für
feine entwürfe fam es nur jo weit in 23etradjt, als es bie
Littel ju ifjrer SBerwirflidjung lieferte, bereits 1388 oerpfänbete
er bie SJJarf, fo weit fie ifnn gehörte, um mef)r als eine falbe
Million ©olbgulben feinen beiben Oettern 3obft unb ^rofop
oon 2ttäf)ren : war fie binnen fünf Sauren nidjt auSgelöft, follte
fie famt ber $ur= unb erjfämmererwürbe tfmen erblidj oer^
bleiben. 3lber obgleid) bie 3«f)lung nidjt erfolgte, oerweigerte
Siegmunb bie Ueberlaffung bes Sanbes. ©rfl 1397 festen bie
beiben 9Räfyren bei Alönig &kn$el if)re $elefjnung bamit burd) ;
nur ifjr flurredjt anerfannt ju feben, gelang ifmen nidjt. Tie
9teumarf aber, wo er feinem 1396 geworbenen Sruber 3of)ann
gefolgt war, oerpfänbete ©iegmunb 1402 an ben Teutfdjen
Drben: ftc entging bem traurigen ©efdjicf, bas bie 9iaä)bar=
lanbe bemnädm traf. Tenn audj 3obft oon 3Jiäljren faf) in
ber iWarf nichts als ein Objeft $u weiteren @e(bgefä)äften.
9iad)bem er 1393 einige Stäote um 12 000 ©olbgulben an
SWarfgraf Sßilfjelm oon ^Reigen oerpfänbet, biefe Summe bann
aber ebensowenig wie fpäter aufgenommene neue Tarieren
3urücfge$af)ft fjatte, überliefe er trofc bes ^roteftes ber ©tänbe
bem 9flarfgrafen bie Statthalter jdjaft, bamit er ftdj baraus
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II. Sie SHarf »ranbcnburg.
125
aUmäl)lid) bejaht madje. 3obft aber fufjr fort, lanbesberrlidje
SRedjte unb ©dfjlöffer oerpfänben unb ju oerfaufen. $er
2lbel tummelte fia) in wüften gebben unb trieb 9iaub unb
SBegelagerei. äßä^rcnb bie fleinen Stäbte arge 9ßiHfür bul=
beten, entjogen fid) bie größeren ber Autorität ber £anbes=
Herren. ©in 3uftanb oöHiger griebloflgfeit trat ein, ber bas
£anb um fo fernerer traf, als bie abltgen öerren aud) bie
9Zaa)barfürften anfielen unb, wenn bie i§nen einhält traten,
förmliche Kriege gegen fie führten. 2lHe aber übertrafen an
greoelmut bie SBräber &ans unb ftietrid) oon Duifcoro. 3eber
SSerfudj ber ©tattfjalter, bem ein (Snbe ju madjen, offenbarte
oon neuem bie Ofmmadjt ber ©taatsautorität. 91ur wer ftarf
genug mar, fict) felbft 311 Reifen unb fein 9ied)t mit gewaffneter
&anb oerteibigte, genofc einiger ©id>erf)eit. Sesfjalb fudjten
fcfbft bie ©täbte jeitweife baö ©ünbnis ber räubertfdjen 53urg=
Herren unb nahmen ftc als gelbfiauptleute jur Slusfedjtung ir>rer
Serben in Sienft. darüber oerfiel ber Sföoljlttanb bes Sanbes
oollenbs. (Sin ßrieg aller gegen alle tyerrfdjte. $as mar bas
Ergebnis ber ins Sdjranfenlofe gefjenben 2lusbilbung ber ftän=
btfdjen greifjeit. $er oöflige SRuin bes Sanbes fd)ien unab;
wenbbar. 93om SRetdje mar Rettung nid)t su fioffen: bie 3lb=
fegung Söenjels unb bie Dfmmadjt SRupredjts matten i^m jebe
©inroirfung unmöglidj. $afe enblidj Siegmunb unb 3obft 1409
einanber audf> nod) als ©egenfönige gegenübergeftellt mürben,
brof)te neues Unheil. 2)a ftarb jum ®üd für bas !Hcid& unb
für bie 9)tarf %obft im Januar 1411: Siegmunb würbe nun
nad> erfolgter SSerftänbigung mit SBenjel allgemein als flönig
anerfannt unb erhielt als <5rbe bes Detters bie oerpfänbete
9Warf jurücf. einer @efanbtf$aft, bie infolgcbeffen im grü>
jaf)r 1411 bei ifjm in Ungarn erfdjicn, oerf)iefc er enblid) &er=
ftcÖung ber Orbnung : bamit beauftragte er griebrid) VI. oon
©o^enjottern, ben SBurggrafen oon Dürnberg, ber fett jwei
3af)ren als oertrauter 31at in feinem $ieufte ftanb. Sine neue,
beffere Qeit begann enblia) für bas arme Sanb, bas, auf Die
33afm jurüdgefübrt, bie es unter ben 2lnl)altincm fo glüdlidj
oerfolgt b,atte, audj für bas jerbröoMnbe 9ieid) balb wteber
eine I>or)c Sebeutung erlangen folltc,*
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12(3 Grftefl SJud). 2>te Elemente beö preu&ifdfen Staatcö {bxü 1598).
2. £ic fränKifrijfn #otjcnjoUmt in g rnirttnburg. Uli— 1486.
^rirbrtiti I. 1411-1438 (1440).
So folgenreid) bie ^erpflanjung ber §of)ensollern nadj 93ran*
benburg rourbe, fo wenig Ratten bie baran beteiligten bafi 93e=
roufctfein baoon ober bie 2lbfid)t ba$u. Eennod) f)at bie teleo=
logtfdje 33etrad)tung$roeife ber preu&ifdjen ©efdjiajte gleich bem
erften fjofjenjollernfdjen 3tfarfgrafen politifdje Begebungen 311=
gefdjriebcn, bie ilm alö eine politifdje ftbcalftgur erfdjeinen
laffen, ooll beutfdmationalen ©efütylö unb felbftlofer Eingabe
an ftaifer unb 9faidj, unb felbft auf flaijer Siegmunb ift ein
Slbglaus baoon gefallen, als tjätte er burdj Uebertragung ber
9J?arf auf ben Burggrafen oon Dürnberg für bie ,3ufunft beö
SRetdjs in nationalem (Sinne jorgen rooUen. $>erfe£t man aber
bamit ben erften $o&enjollern in Branbenburg nidr)t in eine
(Sphäre, in bie er fid) gar nid)t ergeben tonnte? Ungelöft
oon bem Boben ber $cit, in bem er mit feinem &anbeln rour=
^elte, unb gemeffen an ifjren politifdjen ^been, büßt er freilia)
ben gleidjfam propfietifdjen 3«9 ber ifjn als Vorläufer
für baö beutfdjnationale Streben feiner fpäten 9ia#fommen
erfd)einen läßt, gewinnt bafür aber ben 9tufjm eines mldjtern
ertoägenben unb entfdjloffcn fjanbelnben S^ealpolitiferft, ber bie
Sage flar erfaßt unb il)r mit möglidjft geringen Opfern mög=
lidjft grofee Vorteile abzugewinnen roeife, fo fern aud) feine
©rfolgc bem $itk nodj blieben, bafi fein Gfjrgeis fid> geftedt
fjatte. fRur fo wirb man ben müfjfeligen Anfängen ber ^o^ens
5oflcrn in Branbenburg geredet roerben, joroofjl rüdftdjtlid) ir)rcö
Wertes für bie £»naftie als aud) ifjrer (Hnroirfung auf bie
©eftaltung ber bcutfdjen £inge.
©at bod) nidjt einmal eine befonbere fürftlidje 3ntcreffen=
gemeinfdiaft griebridj VI. oon Dürnberg mit tfaiier Siegmunb
3ufammeugefüf)rt. 31uö finanziellen ©rünben trat jener in ben
&tenft bcö Öuremburgerö. Surdj feines Katers 2lbbanfung
mar im grübjaljr 1^97 griebrid) VI. in 2lnsbadj, fein älterer
Buiber ^ofjaim, ber ©atte einer (Sd)tt>efter Äaifer ^enjelfi unb
©iegmunbö, in Baireutl) jur £errfdjaft gelangt. 9llö ©emafjl
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II. £ie aRarf SJranbenGurg.
127
ßlifabetljs oon fcanbsfmt, ber „fd)Önen @lfe", mit beren »ruber
^crjog §einrid) oon Säuern befreunbet unb burd) feine Sajroeftcr
Glifabetf) ber Sdjioager SHupredjtS von ber $fa(3, mar Burggraf
griebridj tief in bie fübbeutfdjen fiänbet oernurfelt unb fjatte
ifjnen Opfer bringen muffen, bie feine Littel überfliegen, ofme
burd) bas Slnfe^en aufgewogen 31t werben, bas er baraus ge-
mann. £urd) eine gef)be mit ber föeidjsftabt Rotenburg ftnan*
jiea ruiniert, löfte er feine Softoltunß auf unb 30g 311 feinem
»ruber gofjann. Sort traf irjn 1409 bes Ungarnfönigs Steg=
munb ©inlabung, in feinen SEtenft 311 treten. Vorurteilslos
genug, bie Stellung eines oon unfürftlidjer Sorge bebrangten
Sanbesfjerrn gegen bie eines einffufereidjen Beamten im £>ienft
eines mächtigen Königs 3U oertaufdjen, 30g er nad} Ungarn
unb fanb bort aud) bas gefugte (SJlüef. Offenbar f)at er
fidt) um ungarifd)e Slngelegenljeitcn oerbient gemalt: benn
mit 3»l"timmung bcr ungarifdjen Magnaten würben 311m
Sofjn 20 000 ©ulben für ifm auf ^refeburg unb tfomorn ein=
getragen.
$a ftürjtc bie Erneuerung bes Sdjismas unb bie (Srlebigung
bes beutfcr)en Grones burdj ben gfeidjjettigen £ob $apft %k-
ranberö V. (4. 9Hai 1410) unb £önig SRupred)tS (18. 3Kai 1410)
ftirdje unb Meid) in Vermiete hingen, bie bem ©fjrgeise Sieg=
munbs (oefenbe SCuftftdgten erfdjloffen. 2ludj jefct oertraute ber=
felbe bie Vertretung feiner ^ntereffen bem §of)en3oHern an.
£as 9ieidr> unb bie nationale 25>of)lfaf>rt famen babei nidjt in
grage : nur für bas ßaus Suremburg galt es möglidrft großen
©eroinn 3U machen. ^uv Sü&nma, ber branbenburgifdjen flur--
ftimme beoottmädjtigt, mätjlte griebridr) mit bem ^fäljer unb
bem Trierer Äurfünten im September 1410 feinen $errn in
granffurt 3um Rönig unb erflärte audj alsbalb in feinem
Kamen bie Slunafjme ber tfrone. Gr mar beteiligt an ben
Verljanblungcn, meldte bie Sreifpaltung beö Meines abmanbten
unb nad) bem Xobe ^obfts oon SHäbren 3ur Verftänbiguug
jwifäyn Siegmunb unb liöenjel oon Söljmen führten. Xod)
Rubelte er babei immer nur als »eoollmädjtigter feines &errn
unb gemäß bcr ifjm erteilten ^nftruftionen : nidjt er fjat Sicg=
munb bie beutfdje tfroue jugenmnbt, fann alfo babei aud) nidjt,
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128 ©rftcö *öu($. Sie Elemente bcö preufitf d>en Staate^ (t»iö 1598).
wie man gemeint fwt, oon nationalen ©eftdjtspunften aus=
gegangen fein.
Söoljl aber lag ber GJebanfe nalje, ben fo ©ernährten ba
äu oerroenben, roo es $ur 2Baf)rnefymung ber Suremburger &aus=
tntereffen befonberer Umfidjt unb ^^atfraft beburfte. £)urd)
ben £ob 3obfts oon 2Räf)ren (18. 3anuar 1411) mar bie
•äflarf SBranbenburg an Siegmunb surücfgefallen, of)ne mirflid)
in feinen 93eftfe au fommen. Ratten fd)on bic 2lnf>altiner ben
Srofc bes 2lbels unb bas eelbftbemujjtfein ber Stäbte faum
niebergefialten unb fieft burtt) feinblidje 9iadjbarn ringsum be=
broljt gefefjen : in ben folgenben troftlofen 3*iten mar bas £anb
judjtlofer SBerroilberung unb einer 3erfplitterung verfallen, bie
mit feiner ftaatlidjen Organifation feinen territorialen 3ufammen=
f)ang ju oernidjten brotjtc. Ueppigcr als irgenbroo im SReidje
mar bas SRaubrittertum bort in« ftraut getroffen, boppelt oer?
IjängnisooU für bas £anb, roeil es ben benachbarten gürfkn
ermünfdjten 33orroanb gab, ftdj bauon ein Stücf nadj bem
anberen anaueignen. Sas gefd)al) burdj ben 3)tagbeburger ©rj=
bifdjof in ber Slltmarf, buraj bie SWecffenburger ^erjöge in ber
93riegnifc unb burdj bie pommerfdjen in ber Udermarf, mäf)renb
bie 9ieumarf fidj im gSfanbbefife bes Seutfdjcn Orbens befanb.
£anbel unb SBanbel lagen banteber, unb in bem fingen um
bes Sebcns Ülotburft mar felbft bem Bürgertum ber ©emeinfinn
verloren gegangen, fo bafe audj oon ben Stäbten jebe nur auf
if)ren eigenen Vorteil badjte. 2)as Sanb, auf bem bie ftur
ruf)te, oor oölligem 9iuin 51t retten, beburfte es eines ganzen
Cannes. Siegmunb felbft mar oon anberen Sorgen ootlauf
in 2lnfprudj genommen. Sdjon eine bauernbe Slnroefenbeit in
ber 2Harf mar für ifm unmöglid). 2tud) f)icr foflte ifjn ber
So^enjoller oertreteu. 2Benn Siegmunb aber bereits im 3a=
nuar 1411 ©efanbten ber märftfdjen Stäbte in Ofen ben 23urg=
grafen als ifjren fünftigen &errn bejcidjnete, fo bat er bamals
bo$ fid^erlid^ nidjt baran gebadet, grtebrid) 311m 9)iarEgrafeu
31t erbeben: bem beroäfjrten Liener follte nur ein neues toiaV
tiges 2lmt aufgetragen roerben. 2lber bie Diatur biefcs Gimtes
unb bie 2lnfprüdjc, bie es an bie Littel gricbrid)S fteHte, er=
forberten einen reiben unb gut oerbürgten Sofm. £as erflärt
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II. 2>te Wart SBranben&urg.
129
bie ungeroölHtlid&en gormen, in bcncn bcr Burggraf mit bcr
SBerroaltung ber SRarf beauftragt rourbe. 2lm 8. 3ult 1411
fibertrug Siegmunb, rote er am 11. ben Stäuben bes Sanbes
funbttyat, griebriä) VI. bie ©auptmannfdjaft in ben Warfen
erblich unb unroiberruflid), fo bafe bie fiuyemburger fie nur
gegen 100 000 ©ulben jurüdjuneljmen beredjtigt fein follten.
S)afür trug ber neue Hauptmann bie Äofien ber Regierung unb
ber SanbeSüerteibigung, fo roeit bie Sanbeseinfunfte fie nidjt
beeften. 9hir für bie erften 3lufroenbungen erhielt er eine 33ei*
$üfe, inbem ©iegmunb ifjm bie 1410 unb 1411 fälligen <Heia>
fteuern, 3ubenfteuern unb Dpferpfennige überlief roas bei ber
Unfidjerfjeit tt)rcs (Einganges roenig bebeutete, £)as war fein
flauf unb nodj weniger ein ^fanbgefdjäft, baä fia> beliebig
rüdgängig madjen liefe. 2tbcr in feiner prir-atreajtlidjen 2hif*
faffung bes Staates fdjäfcte bas Mittelalter ben 2Bert fürft=
Hdjer ©errfcGaft nun einmal nadj ifyrem (Ertrage unb bie bamit
t>erbunbene Saft na$ bem 3lufroanb, ben fie erforberte. 3«
ifjrem bamaligen 3uftanbe nun fteHte bie SWarf einen ®elbs
wert faum bar: roar bodj oon ben einträglichen ©tüden ber
Sanbe«f)o|eit eines nad) bem anberen verloren gegangen. 3*)«
3nf)aber aber badjten nict>t baran, fie of)ne entfprec&enbe 6nt*
fajäbigung tierauSjugeben. 9iamentlidj oon feiten beS 2lbels
mar auf Gntgegenf ommen nid)t ju rennen : fein unbefd&ränf tes
&errenred)t ben Sauern gegenüber, ber bequeme unb einträgt
lid>e Sraudj ber SelbftWfe gegen Stanbesgenojfen unb ©täbte
unb bie gefd)idte Senufeung ber $erroidelungen mit ben 91aa>
barfürften gab biefen Surren eine ©elbftänbigfeit in finanzieller,
militärifdjer unb politifc&er &inftä)t, roie faum fonft roo im
Steidje ifjren Stanbesgenoffen. $>en t)ier brofjenben 2£iberftanb
ju bred&en, faf) Siegmunb für f\6) feine Sflöglidtfeit, jumal
feine Littel anberroärts r»oHauf gebunben roaren. 2)a trat
griebridj für ifm ein: er fteUte if)tn jur Rettung ber 9Jiarf
feine ßraft jur Verfügung, roar aud) bereit, feine eigenen
Littel baranjufefeen unter ber Sebingung, bafe, roaS babura)
erreicht rourbe, burd) bie erblia^e SBelaffung ber Hauptmann*
fdjaft feinem &aufe 9«te fäme. 6s roar ein burdjaus un*
politifdjes ©efdjäft. SBeber bie 3"terefien bes $cidf)S nodj bie
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130 ©rftcä 33u(f>. Sie demente bes preufcifdien Staates (bid 1598).
grofjen firdjlidjen gragen taww babci in Betraft, fonbern
allein bie Bufunft ber SDlarfen. 2ludj> ftnbet fid) feine ©pur
oon weitergefjenben planen bes Königs, namentlidj nid&t oon
ber Slbftdjt jur Uebertragung aud) ber Äurroürbe auf griebridj.
2Bof)l ober erhielt bies ©efe^äft f>öfjere Sebeutung burd) bie
Stellung ber 2Ränner, bie es eingingen, unb burd) bas, was
beibe jur Vertretung ifjrer gemeinfamen ^nterejfen in biefer
Angelegenheit weiter tfmn mufeten. £af)in gehört bereits bie
SSerbinbung, bie ©iegmunb $wifd)en bem neuen branbenburgt*
fd)en Hauptmann unb ^erjog 9tubolf oon (Saufen oermittelte.
211s ftd^ tnfolgebeffen griebridjs 8ofm 3of)ann mit Barbara,
bes ©adjfenfjerjogs £od)ter, oerlobte, oerfdjrieb ©iegmunb bem
jungen $aare auf bie 3)tarf eine Stodfteuer oon 50 000 (Bulben.
2)as Sanb fonnte atfo nur gegen 150 000 (Bulben jurütfgeforbert
werben: bei ber fteten ©elbnot ber ßuremburger burfte bie
$auptmannfd)aft bafjer bereits als bauernber 33efifc ber Qotyiu
joUern gelten. $odj blieb fie nur ein 2lmt unb oerlief) itjrem
3nf)aber feine im eigenen 9?edjt mur5elnben SJefugniffe. Syenit
©iegmunb um jene $tit aud) bie Verlobung ber einzigen £od)ter
beS Burggrafen mit &erjog 2l(6recr)t oon Defterreid) oermittelte,
fo gefdjaf) bas, weil eine fo ungewöf)nlia> Stellung feines erften
Sttinifters tf)m felbft ju gute fam.
Bebenft man, wie in ber 3Karf bie lanbesfjerrtidjen @üter
unb ©eredjtfame an bie fdilofjgefeffenen Herren gefommen waren,
unb bafe biefe nichts fo fein: anftrebten als iljre Behauptung,
fo begreift man, baß in biefen Greifen bie (Srnennung beS
Nürnberger Burggrafen gum SanbeSfjauptmann übet oermerft
mürbe. £af)er fanb SScub oon Qlcburg, ben griebrtd) am
21. 3uli 1411 §um Unterfjauptmann befaßte unb beauftragte,
für ifjn bie ^ulbigung ber <3tänbe ju empfangen, bie Sanbeö*
regierung ju führen unb bie oerpfänbeten Sd)löjfer, ©üter unb
Kenten einjulöfen, bei feinem (Srfdjeincn nirgenbs ®ef)or|*am
unb mugte unoerridjtcter Sadje nmfeljren. Nidjt beffer oerlief
ein ^weiter Verflieg 1412, obgleid) ifjm ©iegmunb burd) eine
einbringlidjc Bermafmnng ber 6tänbc 511 £ilfe fam. Sollte
feine Autorität niajt gleid) rettungslos Sdjtffbrud) leiben, fo
mufjtc gnebrid) if)r Anerfennung erjroingen. $afc er Sieg=
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II. $ie 2Rarf »ranben6urg.
131
munbö Beamter blieb, wenn aud) ein befonberö beoorjugter,
fteigerte bie Sdnoierigfeiten. Sagten bic märfifdjen 3unfer
bod) nidjt baran, roae ber ßönig fclbft nid&t erreicht ober nidjt
ju forbern gewagt fjatte, feinem Untergebenen ju^ngefteljen :
fie meinten ir)n f)eimfd)itfen ju fönnen, toie erft feinen Untcr=
Hauptmann, ©rflärte bod) ber einflufereidje flafpar $and (Sbler
3u ißutlife, bie §ouptmannf$aft über Slltmarf nnb $riegni|j
fei oon 3obft oon SDJafjren ifjm übertragen nnb für festeres
(Gebiet audj oon ©iegmunb belaffen toorben. 23alb genug jebodj
fottten bie fredjen hieben oerftummen, mit benen bie sperren
fid) über ben ju ertoartenben „Nürnberger Sanb" luftig matten.
3m 3uni 1412 erfdjien griebrid) in ber 3Harf. CBteict)
jeigte fidt) mancher gefügiger, £atte ftdj ir)m bod^ ein ftattlidjed
©efolge, sunt Seil — nrie bie &er$öge SRubolf nnb Ulbert oon
(Saufen — freiwillig an gefd) (offen. 2luf ben 10. 3uli betrieb
er bie Stäube nad> 33ranbenburg : aber fdjon oorfjer nahmen
i^n Berlin unb (Solln, Spanbau unb Nauen auf nnb fiulbigten
iljm gegen 93eftätigung i&rer greifjeiten. 2Iuf bem Sanbtage
folgte bie 2Jief)rf)eit ber übrigen Stäbte biefem 23eifpiel. Um
fo feefer trat ber 9lbel auf. töafpar $anfi 31t $utltfc erffärte
erft bic foniglid)e SPerleifjungflurfunbe prüfen unb mit feinen
altmärftfdjen ©enoffen Nütffpradje nehmen ju muffen. 9luf
feinen Antrieb oerioeigerte ber 2lbel ber 2lltmarf unb spriegnifc
griebrid) bie Slnerfennung, unb roofit ober übet mußten bie
Stäbte ein ©leidtjcfi tljun. 2lud) ein Seil ber 9)2ittelmarf fd&fofe
ftdj an, wäbrenb ber anbere famt ber Udermarf 311 Stoantibor
oon Bommern f)ielt, ben bort einft 3obft oon 5D2ät)ren 311m
Hauptmann befteOt fjatte. Nur in einem Seil ber 9)?ittelmarf
brang griebrid) alfo burdj, unb felbft bort fehlte eß nidjt an
Oppofition. 3^e $äupter roaren bie 33rüt>er Sietrid) unb
föanft oon Cuifcoto. 9?orübcrgef)enb oon 3obft oon 3Näl)rcn mit
ber £auptmannfdjaft betraut, fjatten fie allen, bie nadj Urnen
baju berufen toaren, burd) 2£iberfefelid)feit jeber 2lrt bie güfirung
bes 3(mteö unmöglidj gemad)t unb bie fo beioirfte Söfung aller
Orbnung benufct, um fid) nidjt bloß auf Stoften ber geiftlidjen
Stifter, ber Stäbte unb Dörfer 31t bereitem, fonbern aud)
bie Nad)bargebiete, namentlid) baö 2)iagbeburgifdje, räuberi(d)
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132 ©rfteä »uc$. Sie Elemente beS preufcif($en ©toatcä (bis 1598).
heimäufudjen. 3efet errichteten fic einen Slbelsbunb, um bem
„Nürnberger" bie ©ulbigung unb bie Verausgabe ber ihnen
oerpfänbeten «Schlöffer 31t oerroeigern. ©iegmunbs erneute SDial)-
nung oerhallte ungehört. $enn noch regneten bie Herren auf
&ilfe oon ben fürftlichen Nachbarn, bie fidj fett %afyvtn auf
Branbenburgs Stoftcn bereicherten. $em aber beugte griebrid)
im §erbft 1412 burd) eine ftethe oon Verträgen oor, bie er
$ur Begleichung alter Streitigfeiten unb ju gemeinfamem 6in=
fchreiten gegen rebeüifdje Untertanen unb griebensbrecher mit
(Srjbifchof ©üntfjer von 2)tagbeburg, mit ben §erjögen Sern:
barb von Braunfchtoeig^Süneburg unb Heinrich oon Braun«
fdjroeig unb fdjliefjlich au<h mit bem (trafen Wibrecht oon In-
halt einging, ber anfangs feines ©aufes Slnredjt auf bie üKarf
geftenb ju machen gebadet ^atte. dagegen brauen bie Söhne
©erjog SroantiborS oon Spommern=Stettin, Otto unb ßaitmir,
im Oftober 1412 ein, mürben aber auf bem ßremmer $amm
in blutigem äampf jur Umfefcr genötigt, unb ba nun auch ber
9)tagbeburger ©r$bifchof ben einfallen ber QuifeoroS fraftooU
entgegentrat, 30g es balb mancher oon ben ©djlofcherren oor,
grieben ju machen. Stach bie Stäbtc unb SRannen ber ^riegnife
Inilbigten, unb @nbe bes Jahres mar griebrid) Öerr ber 9)tarf,
fo roeit fie nicht in ber Öeroalt ber Bommern ober bem
2)eutfdjen Orben oerpfänbet mar. Nodj aber ftanben bie Duifeoros
unb tfafpar ©ans ju ^utlife in Söaffen. Sie mürben auf ben
17. 3anuar 1413 oor bes Burggrafen £ofgerid)t gelaben. Stvax
erfdnenen fic nicht : aber oon itjren Slnljängcrn eilten nun bod)
manage fidj mit bem neuen &errn ju oerftänbigen. 3lucr) er=
leichterte biefer ifinen bas möglichft. Anfang 3Rai 1413 be=
willigte er ber 3)icr)r3ar)I ber §erren in Berlin einen Bergleid),
naa) bem fte — für fie bie &auptfache — bie oerpfänbeten
Sdjlöjfer oorläufig behielten, aber fpätcr auszuliefern oerfprachen,
auch fi<h oerpflidjteten, griebrid) als ooüberechtigtem Bertreter
bes fianbesherrn 511 gehorchen. Selbft bie Brüber Duifeoro unb
tfafpar ©ans ju ^hitlifc traten bem 2lbfommen bei, bewilligten
fogar bie fofortige 2taslöfung etlicher für ben Burggrafen be=
fonbers michtiger s }>läfcc.
£amit mar ber Streit im ^rinjip 3U ©unften griebrichs
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II. $ie 9Rar! 93rcmbenburg.
133
entfd)ieben. 9lur reiften feine SJlittel nidjt aus, um bas @tiu
löfungsgefd)äft in größerem 5Wafeftabe burdjjufüfiren. @r mujjte
jur 2tuSflellung oon ©djulbfdjeinen feine 3 u P u 4t neunten unb
eben erft eingelöfte (Schlöffet oon neuem oerpfänben, freilid>
nur an juoerläfftge Seute. $afc aber bem räuberif^en treiben
bes märfifdjen 2tbelft überhaupt ein (Snbe gemalt mürbe, mar
erft feinem ^ufammenroirfen mit feinen 9iaa)barn ju banfen,
namentlich mit ben jungen fierjögcn oon ^ommern^SBolgaft,
ben Söhnen feiner Sd&toefter Veronifa, unb i&rem Vormunb,
§erjog Sßratislam VIII., unb mit ®üntf)er von ©djroarzburg,
bem ©rabtfdjof oon 2Wagbeburg. £es (enteren Otebiet fugten bie
DuifcoroS immer mieber f)eim, unbefümmert um fein Sfinbnis
mit bem Burggrafen, 2ludfj ^Sutlife fmtte bie ipanb babei im
Spiel, ßrft als biefer im Rooember 1413 oon feinen ©egnern
gefangen unb feftgefefct mürbe, fonnten bie oerbünbeten gürften
(joffen, bura) eine fraftooöe Efjat bem Cuifeorofcfjen Unmejen
ein @nbe ju matten. $urdj eine 2öaffenruf>e unb Vermittelung
eines Stiflftanbes audj mit bem ^rjbif^of mürben bie ©enoffen
ber Raubritter, bie oon ber Sahlenburg, oon bem ßnefebeef,
oon 3agoro u. a., in Sidjerfjeit geroiegt. Sdjnell traf grieb=
rid^ bie nötigen militärtfdjen, finanziellen unb biplomatifdjen
Vorbereitungen unb oercinbarte mit ©rjbifa^of ©üntljer unb
£er$og SRubolf oon Saufen ben Dperationsplan, um bie greoler
oon aßen Seiten sugleia) ju faffen unb bas ©ntfommen ber
Häupter $u f)inbern. Vergeblich erboten fidj bie Dutfcoros jefet
ju VergleidjSoerfianblungen. dagegen erhielt Rat^enom, bas
bisher &u ifmen geftanben, gegen 3uf a 9 e Dcr &"foiö un Ö Dic
erbetene ©nabe, ba mau fo ben Gegnern einen mistigen Stü>
punft entjog. 3n ben erften Sagen bes gebruar 1414 erfolgte
bann ber Singriff. Vor bem feften ©oljoro, bem ftaubneft bes
ben Cuifcoros oerbünbeten SSidjarb oon SRodjoro, erfd)ien Herzog
SRubolf oon Sad&fen. $er Grjbifo)of oon 3Hagbeburg fdjlofe
$ans oon Duifeoio in ißlaue ein. griebridj felbft legte fid)
mit ber fiauptmadjt oor bas Sajlojj griejaef, um £ietrid) oon
Cuifeoro $u bemältigen, unb eine oierte Abteilung berannte bas
oon einem Cuifeorofdjen Hauptmann oerteibigte Beutzen. $anf
bem ferneren ©efcfjüfc, bas man gegen fte fpielen lieg, roaren
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134 GrfteS »11$. Sic GUmente be* preu&tföen Staate* (bid 1598).
in brei SBodjen äße oier ^Släfee genommen, juerft griefad unb
bann nach furjer 93efiürmung burdj bic ©adfofen ©ol^om. ^}laue
erlag bem gemeinfamen 2lngrtff griebrichs unb ber 3J2agbe^
burger: Sand oon Dutfcoro rourbe auf ber gludjt gefangen
2lts bie fiegreidjen gürften bann oor Reuthen erfdjtenen, ergab
ftd) auch biefes.
9?un beugte fid) alles in ©ehorfam. 3 um crftenmal tonnte
griebrich auf einem fianbtage ju Xangermünbc feine laiibes^
herrlidjen ©erea)tfame ohne SBiberfprua? üben. £ort mürben
auch bie Duifcoro unb ihre SJcitfdjulbigen abgeurteilt : fie büßten
it)rc Sehen unb (Sigengüter ein unb ocrblieben, fo meit fie nicht,
mie Sietridj von Duifeom, entfommen roaren, in fixerem &t-
mahrfam. Sann erließ er bort mit 3"ftamung ber (Stäube
am 20. s Diär3 1414 einen Sanbfrieben: er faßte furj jufammen,
roas 3ur Erhaltung ber öffentlichen 9iuhe unb ber Sicherheit oon
£eib, Seben unb $3efit> bes (Sinjelnen in $)eutfchlanb oon alters
her Rechtens mar, unb gab jeben grtebensbruch um fo fidlerer
ftrenger Vergeltung preis, als er ade (Sinmo^ner ju uxmafy
fid)tigem Ginjchretten bagegen oerpflichtete. Prälaten, ©täbte
unb Mannen mußten SBerseichniffc ber in ihrem Solb ftehenben
33eroaffneten einreiben unb mürben für fie oerantroortltch ge=
macht. Samit griff l)icr ein neues ©oftem bes öffentlichen
Rechtes $lafc. 3nbem griebrich bie ©rhaltung ber öffentlichen
Sicherheit unb bic 23eftrafung aller, bie fie ftörten, für bic
oornehmfte Pflicht ber &errfd}aft erflärte, bie Pflicht, in ber
ihr SBefen unb ihr 9ied)t eigentlich murmelte, oerbanb er jeben
Sanbftonb, in feinem Machtbereich unb mit feinen Machtmitteln
bie gleiche Orbnung burchjuführen, rooüte er fich nicht burch
bic Untcrtajfung felbft eines tfapitaloerbrechens fchulbig machen.
Ohne bie innere Autonomie ber ©täube ju fürjen, traf er boch
ihre politifche 3Had)t an ber SÖurjel. gfir ftänbifchc (Sinungen
blieb fein $lafe: baß geigte gleich bic ftrenge 33eftrafung bes
Gerrit SBerner oon ftolgenborf, ber bem roegelagernbcn Dietrich
oon Duifooro 2Jorfd)ub gcleiftet hatte.
(Sin griebenSjuftanb, mie fie ihn lange nicht gefannt,
herrfchte in ber Marf, balb and) oon benen gepriefen, bic ihn
äunächft als eine Schäbigung ihrer ©elbftherrliditeit befämpft
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II. $te Warf ^ranbenburg.
135
hatten. 2)oß bct Burggraf im übrigen bic ^Hed&tc ber Stänbe
unb ihren Hinflug auf bic Sanbesangelegenheitcn artete, über-
roanb manches Vorurteil. SBcrbanfte man ihm bod> auch ^rieben
mit ben Nachbarn: felbft bic ^ommern^erjögc hielten fta) jefct
oorfid>tig jurütf. So fonnte griebrich nadj jroei 3a^rcn bas
Sanb 511m erftenmal oerlaffen. 3 ur SHegentin befteHte er feine
®emaf)lin ©lifabetf), gab ihr aber in bem gefchäftsfunbigen
Qobann oon Sßalboio, bem fpäteren Söifdjof oon 93ranbenburg,
einen bewährten ©efnlfen unb geroann ihr &erjog Ulrich oon
3Jtecflenburg:Stargarb unb bic gürfien Skltfmfar unb Ghnftoph,
Herren oon Sßerla, burd) befonbere SDienftoerträge 3U ©efchufcern
gegen bie unruhigen Stettiner Herren.
Aber nicht bic Angelegenheiten oon SHeid) unb flird&e
führten griebrich ju Siegmunb unb mit biefem nad) Äonftanj.
©ein Anteil an ihnen ift nur gering: auch erfdjeint er babei
mieber ganj alß 33eamter bes tfatferö, nidjit als gtirft mit eigenen
politischen 3i e ^ n - gö* Um gingen bie märfifchen Angelegens
Reiten jefct allen ooran. $enn feine Stellung in ber 9)larf
blieb unnatürlich unb unjtdier, fo lange er ihr nur als 5Ber=
treter Siegmunbs gegenüberftanb unb ffirftlidj malten follte
ohne eigenes ftirftlidjes Stecht, ßrflärten boch manage Schlojj*
Herren fopfn'ftifch, bie oerpfänbeten ©titer unb SBurgen cinju=
löfen fei ber tfönig, nicht fein Statthalter berechtigt. So mufete
griebrich fudjen, aus einem Beamten felbft 3nfiaber fürftlichen
^Rechts, aus einem Hauptmann £anbesfierr $u werben. Auch
für Siegmunb empfahl (ich baö. $a er bie Sanbesboheit über
bie 3Warf ohnehin nicht mehr in §änben fw***/ 90b er mit
bem 93eräidjt barauf nichts auf. Sßobl aber beburfte er eines
ihm felbftlos ergebenen Parteigängers unter ben 9ieichsftirften.
92iemanb t^atte bisher feines Kaufes 3"^ereff en fo eifrig oer=
treten rote ber 93urggraf : ihn galt es fid) bauernb ju oerbinben.
Auch mar Siegmunb ihm oon föerjen jugethan unb liebte ihn
roie feinen leiblichen Sofm. £od) betrachtete er ihn jugleidj als
„feine Kreatur" unb oerlangte oon ihm bebingungslofe
gäbe, Selbft ohne Sohn, meinte Siegmunb roobl gar für bas
SReid) nicht beffer forgen 511 fönnen, als roenn er ihm jur 91ad)=
folge auf ben Ztyvon oerhalf.
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136 Grfteä 93u$. $te (Elemente beä pmifctfäen Staate* (biö 1598).
3tuf fotd^e ©rroägungen läfet bafi Slbfommeu jdfjließen, bas
ber 5^aifcr am 30. 2lprtl 1415 mit griebrid) oottjog. griebrid)
erhielt bas Sanb, bem er bißher als Hauptmann uorgeftanben,
famt ber £ur* unb (Sräfämmerermürbe, trat alfo in bie Rechte
ein, bic bort ©tegmunb bisher gehabt hatte. 2>odj gefchah baft
nicht jum Sohne für bic SBerbienftc, bic er ftdj um feinen
faiferlidjen &errn erroorben, fonbern allein aus Rücfficht auf
bic Ußohlfahrt ber 9Harf, welche, „roie lanbfunbig, gebauter
griebrich bura) feine Vernunft, mit feiner SHacht, Arbeit unb
SBagniö foroie auch mit großen 2lufrocnbungen unb Soften in
einen fo oortrcfflic^cn 3uftanb befi griebena gebraut" unb ber
biefeä ®lüd erhalten werben follte. Leiter beftimmte ein $er=
trag oom 3. 3Jlat 1415, falls griebrich VI. mit Siegmunbö
©eheijj unb SBitten römifcher tfönig mürbe, foüte er bic 3)torf
ohne (Sntfdjäbigung ^eraufigeben, währenb bie Su^emburger fie
jeberjeit um 400 000 ©ulben jurüeffaufen tonnten. £nrd>
biefen Vorbehalt entjog man Söensel unb ben böhmifd)en ©täuben
bas Recht befi ©infpruchft gegen ben Vertrag. 2)enn von
$arl IV. mit 3 u fti mmun 9 Dcr beiberfeitigen Stänbe S3ö()men
einverleibt, tonnte bie SRarf eigentlich nicht ohne ©utfjeifeeu
berfelben 3nftanjcn mieber baoon getrennt roerben. ^raftifdje
Sebeutung aber fmtte bie ßlaufel nicht, ba bie Luxemburger
bem 9luöfterben nahe unb bic Rücffauffumme aufjubringeu
aufeer ftanbe waren. Obenein blieb bafi Slbfommen vorläufig
geheim, dagegen ftimmten bie fturfürften bura) ihre SBiüebriefe
ber ©rhebung griebrichs ju unb nahmen ihn in ifjr ßoQegium
auf. 2)er feierliche 2lft ber Selefjnung burch ben flaifer er=
folgte aber erft bei einer fpäteren 2lnmefenheit griebrichs in
Äonfianj, am 18. Hpril 1417, mit bem üblichen pomphaften
3eremonieü.
2lla Sanbefih^r f ehrte griebrid) im $erbft 1415 in bic
ÜWarf jurücf. Ungeftört mar bie Ruhe bort injmifchen nicht
geblieben. $ietrid) oon Cuifeow hatte feine Räubereien erneut
unb Rauen niebergebrannt. 2(uch bie 2Jiecflenburger unb bie
Bommern hatten bie ©renjgcbiete h^imgcfudSit. 3tber mie bie
33erhältniffe geroanbelt waren, geigte bie energifche Selbfc
hilfe ber ©täbte gegen folche öeläftigungen. $cfi SJlarfgrafcn
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II. 2>te SRarf öranbcnburg.
137
(Srfcheinen [teilte bie Orbnung ooflcnbs f>cr. 2lm 21. Cf tober
empfing griebrich in Vertin bie £ulbigung ber Stänbe gegen
Veftätigung ihrer SRedjte unb greiheiten. Unb fo fidjer fühlte
er [ich bereits in feiner neuen Stellung, baft er fie alsbalb jur
©runblage weiterer (Sntroürfe machte. £)amit aber änberte fich
fein Verhältnis ju Siegmunb, auf bem boch alles beruhte, roas
er bisher erreicht rjattc. 3i>ie leicht fonnten bie ^ftidjten eines
faiferlidjen aflinifters mit ben ffirfUicfteit 3ntereffen foHibieren!
Unb mar oon ihm 311 oerlangen, bajj er bie Sufunft feines
Kaufes bem Vorteil ber Suremburger opferte? £aran hinberte
ifjn fdf)on bie ernfte Sluffaffung feiner &errfdjerpflidjten. Sanb
unb Seute maren ihm oon ®ott anoertraut, unb für fie
311 forgen mit §intanfefcung jeber perfönlidjen Neigung unb
jeber anberen Verpflichtung mar ihm ein religiöfes ©ebot.
greilic^ h at er nicht oergeffen, roas er Siegmunb fdjulbete.
3lbcr einmal maren bie Verhältniffe ftärfer als er, unb bann
befcfjleunigte Siegmunb ben flonflift burdj bie übermäßigen
2lnfprüche, bie er an feine SDanfbarfeit ftellte.
3Bie heute in ber Ueberlieferung, fo mirb es bamals im
Verlauf einer oerroicfelten biplomatifdjen 21ftion nicht leicht
geroefen fein, in griebridjs I. Anteil baran baS reidjsfürftliche
&anbeln oon bem bes erften faif erliefen SRats 311 fonbern. 3n
beiben (Sigenfdmften fjanbelte er, menn er ftdf> bes $)eutjdjen
Orbens annahm unb felbft nach Bonenburg ritt, um ben
3Weifter 3ur Annahme ber Vebingungen 3U oermögen, oon benen
Siegmunb bie fiilfe gegen $olen abhängig machte, £od) ge=
lang ihm baS fo roenig mie bie Vermittelung eines Stillftanbes
jroifdjen bem Orben unb bem $olen oerbünbeten £er3og Vogis=
lam oon ¥ommern=@to(p. Seinen eigenen Streit mit ben
&er3ögen oon Stettin, bie auf feine älage roegen Einbehaltung
ber uefermärfifchen Gebiete bie SReichsadjt getroffen hatte, er*
(ebigte ein Vergleich, ber ihm bie entfrembeten Sanbe 3tirücf=
gab. 3Kit bem öerjog oon s JftecfTenburg oerftänbigte er fid) über
bie unflare lehensrechtliche Stellung ber Herren oon SBerla. $ie
Vünbnijfe mit bem föersog oon Vraunfchroeig;£üneburg unb bem
(Srjbifdjof oon 3Kagbeburg erroeiterte er. 3lber fä)on fchmeiften
feine ©ebanfen in bie gerne. 2>er ^lan eines um bie 3Rarf
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138 Grfteä »ud>. Die (demente bcö preu&ifäen Staate* (bis 1598).
als §auptlanb gruppierten uorboftbcutfdjen ©ro&ftaats flieg in
ihm auf. 3hm biente bereits im 3Kai 1416 bie $Bermäf)lung
feines ©ofjnes 3o^ann mit Barbara von ©ad)fen : ba fowohl
beren $ater, föerjog iRubolf, wie fein 33ruber ohne ©ofm mar,
festen Saufen in ablesbarer 3 e ^ wit ber 9Jtarf Bereinigt werben
$u müffen. ^Sommern unb Sttetflenburg follten unter branben=
burgifdje 2er)ett3r)or)eit gebeugt werben. 5Dicfc Angelegenheit $u
tietreiben, ritt griebrid), nadjbem er wieberum ein 3<*h r in ber
3Jtarf geweilt fyattc, im &erbft 1418 abermals nadj Äonftanj.
@r fanb ©iegmunb in übler Sage. 23on bem flon$il mar
utdjts mehr ju hoffen. Sie rfjeintfctien ßurfürfien [tauben bem
tfönig feinblich gegenüber; fein 23unb mit Englanb brof>te
friegertfcfje SBerroicfclung mit granfreich. ÜJiehr benn je braud&te
©iegmunb einen äuoerläffigen ftücfhalt. So ging er bereit*
willig auf griebricfjs $lan jur ©rünbung eines großen ©taateS
im 9iorboften ein : fonnte er fid) baoon bod) auch Vorteil gegen
^olen oerfpredjen. ©in Srla§ oom 17. Quli 1417 l)atte ben
^Pommernt)er$ögen bie SehenSabhängigfeit oon 23ranbenburg in
Erinnerung gebraut, ©ie antworteten mit neuen geinbfeligfeiten.
SWecflenburg, ähnlich bebroht, fdjlofc fi<3& ihnen an. Ueberau
erhob man fta) jur 2lbwel)r bes h°h«"äoöernfdjen 9)lad)tftrebens.
Aua) Erjbifdjof ©üntljer griff in ben Söaffen unb leifiete fogar
neuen SRaubthaten Sietridjs oon üuifcow SBorfdjub, wäfjrenb
bie Herren oon 2Berla fid) als „gürften ber SBenben" unab*
gängig matten. 2lHe bisherigen Erfolge griebridjS ftanben auf
bem ©pielc. 3o glaubte ©iegmunb feiner ganj ftd)er ju fein :
um ber eigenen ©tettung willen fdjien griebridj ju ihm galten
$u müffen. 91m 2. Cf tober 1418 ernannte it)n ber flaifer,
ben bie £ürfennot nach Ungarn rief, 511m SReidjsoerwefer. $as
fefcte ooUftes Einuerftänbnis beiber ooraus unb bot griebrtdj
Gelegenheit, feine eigenen Entwürfe wtrffamft 311 förbern. Slber
gerabe babei offenbarte ftch bie Unoeretnbarfeit ber ©teßung
eines erften faifcrlidjen 2)iinifters mit ber eines föeidjsfürften.
Senn eben in ben gragen, 511 benen er als SHeia^Soerwefer
junädjft ©tellung 311 nehmen batte, foflibierte griebrich mit
ben 2Jtädjten, auf bie er mit feinen Entwürfen bejonbers an=
gewiefen war. s #oran ftanb ^olen A bei bem ©iegmunb ungarifdje
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II. $ie aflarf Öranbcnburg.
130
unb böfjmtfdje 3ntereffen auf ftoften bcr beutfdjeu SRedjte 511
fbrbern gewohnt war. Xfyat griebria) baö auäj, fo arbeitete er
ftdj felbft entgegen; roenn nid)t, fo oerfeinbete er fid) Sieg;
munb. &ätte ber tfatfer ben 511 f)odj gefttegenen ©ünjHiug
nnfd)äblid) mad)en motten, ofjne felbft 511 Ijanbeln : — er rjätte
faum einen befferen äBeg einfdjlagen fönnen.
3n bent Streit über bie 2Utöfityrung beä X^orner grieben«
oon Uli fjatte Siegmunb erft bem Orben feine £ilfe an=
geboten, ftc aber an unannehmbare 93ebingungeu gefnüpft.
hinterher ergriff er $olen« Partei unb fperrte bem Orben ben
3u$ug au« $eutfd)(anb. gür 33ranbenburg aber mar ein über*
mädjtiges Polen eine bauernbe 05efar)r. $e$fjalb natym ftdj ber
9Warfgraf mit bem Zapfte unb ben rfjeinifcben Äurfürften beft
Orbens an, forberte aber baburd) erft reajt bie getnbfdjaft
ÄÖnig SBlabUlaios II. heraus, melier tjinfort in aßen ©egnem
ber §obenjoHern feine natfirlid&en $erbünbeten far). Unb nun
ftanb bereits im grüf)jal)r 1419 ein weit uer$roeigter gürftenbunb
gegen griebrid) in äöaffen. 3Jtit ben «perjögen oon aJlecflenburg,
oon PommermStettin unb Pommern*2Bolgaft Bereinigte er bie
oon $raunfd)toeig=£üneburg, Saa^fen^auenburg unb £olftein=
Stormarn unb bie ©erren oon 2öerla. 3lud) ber (Srjbifd&of »on
SJtogbeburg motzte nict)t müfeig bleiben unb felbft bie £anfa=
ftabte erhoben fid) brofjenb. 3 um ©lücf für griebrid) aber fiel
Öerjog Sodann oon 2ftedlenburg:Stargarb in bie §änbe brau;
benburgifdjer 9Jlannen: bas nötigte feine SBerbünbeten 5tu^e $u
galten unb ermöglidjte 9lubolf oon Saufen bie SBermittelung.
Sa trieb bes 2Karfgrafen Parteinahme für ben Orben audj
s #olen in bie Leihen feiner (Gegner. Sfytn fdjloft fidt> &er$og
<Srid& oon PommermStolp an, bcr bie norbifdje Unionfifrone
trug, unb auch Siegmunb fnüpfte mit it)m an. Surd) 9luf=
teilung beö Orbenfiftaates badjte man bie 3JJad)toerf)ältnific im
Horben umjugeftalten. ^ie beutfd&en Herren foüten, nad) (Supern
oerpflanjt, it)rcr urfprünglidien ©eftimmung roiebergegeben
werben. 2lud) bie £agc ber &of)en3ollern in ber 3)larf fdjtenen
{je$äf)lt. $a führte ber Xob SBenjcfö oon Böhmen unb ber
2luöbrudj bes .ftuffitenaufftanbes einen Umformung r)erbct. Senn
bie Sorge oor ber Unterftüfeung bcr bbbmifdicn 2lufrüf)rer burdj
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140 ©ffteS 93ud>. 2>te (Elemente bcö prcufcifdjen Staates (bid 1598).
tyokn trieb Siegmunb roieber auf bie Beitt bes Orbens, unk
biefer fonnte mit bem ©djiebsfprud) aufrieben fein, ben ber
$aifer am 6. 3anuar 1420 ju Breslau in feinem ©trett mit
Sßolen abgab. Um ben SWarfgrafen jum Kampfe gegen bie
föuffiten freiaumadjen, »ermittelte (Siegmunb 3roifd)en ifmt unt>
bem fterfcog oon 33raunfd)ioeig=Sfineburg. Stber an bem ßinfaU
ber SPommernfjersöge in bie aflarf im grüf)jaf)r 1420 nahmen
polnifaje &iffötnippen teif. $odj erfodjt griebria), ber auf bie
ftunbe baoon nad) ber ÜHarf 3urücfgeetlt mar, am 25. bis«
27. 2Rär5 über beibe einen entfdjeibenben (Sieg. 21lsbalb jer=
fiel ber grofje Sunb : ber SHagbeburger (Srjbifa^of fdjlog ^rieben,
unb für ^oten trat Siegmunb oermittelnb ein, um SBIabiS:
lato n. jur fiilfe gegen bie §ufftten su gewinnen ober boa>
toenigftens oon beren Unterfififeung jurürf^u^alten.
$)iefe Stnfnüpfung Ijatte unenoartete Solgen. (Sines neuen
Äampfes mit feinen norbbeutfdjen ©egnern gewärtig unb in
Sübbeutfdjlanb namentfidj bur$ ^erjog Subroig oon 33auern=
3ngo(ftabt angefeinbet, fafj ber 3Rarfgraf ben fia^erften 2öeg
jur Söfung aller (Sdnoierigfeiten in ber SSerpänbigung mit
^ßolen. greilicfj bebeutete bas einen oöttigen (Snftemroedjfel : er
tourbe ein ©egner bes Seutfajen Orbend unb Sünbner Motens,
unb jroar in bem Shigcnblicf, roo SBtabisIato« Detter, 2Biton>b
oon Litauen, bie böfmtifdje ftrone annehmen unb als §aupt
ber f)uffitifd)en flefcer ben Äampf gegen bie Supemburger be*
ginnen roottte. 35ennod) warb ber Sflarfgraf für feinen groeiten
Sofjn griebrief) um SSlabislams £odjter ©ebroig, bamals bie
(Srbin ber polnifdjen 5lrone. ©eroife (jatte ba (Siegmunb, burdj
bie Oppofition ber rfjeinifdjen fturffirften bebrängt, ©runb, ti6er
ben Unbanf feines oertrauteften SRateS ju Hägen. $n einem
3orn unb (Sa^merj atmenben ©riefe oom 28. gebruar 1421
erinnerte er biefen an alles, toas er if)tn fdmlbete: er appellierte
an feine Gfjrenljaftigfeit, an feine Vernunft unb 2BeiSf>eit,
benen fein $orf)aben ebenfo roenig entfprädje wie ber £reue
gegen ßaifer unb 9?eid).
$cr 3tppett (am 3u ipät. 3m grfif)jaf)r 1421 30g ber
3Karfgraf nadj 5lrafau. Ser Verlobung feines ©ofmes %x\tb-
rief} mit £ebtoig oon $olen folgte am 8. 3lpril ber 2lbfd)hifr
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II. 2>te SWarf öranbenfcurg.
Ml
«ines polmfd)=branbenburgifd)en <5d)ufe= unb Srufcbünbniffeö.
2lber obgleidj ibm biefes bic Unterftüfcung dolens gegen ben
Orben auferlegte, beroirfte griebria) bod) ^unä^ft bie SBer^
längerung beS ©tiaftanbeö bis gum 3anuar H22. 3ugleid)
ianbte er feinen <Sof>n $ur @r$iel)ung an ben polnifdjen £of
unb fperrte bem Orben ben 3ujug burd) fein £anb, fdntfte
jebodj Sßolen bie fdjulbige fiilfe ntdjt, weil er ©iegmunb gegen
bie §ufftten unterftfifcen mufjte, biefelben £uffiten, für bie
^olemßitauen eben bie SBoffen ergreifen mottle. 91odj unflarer
mürbe feine Stellung, als ifjn Siegmunbs nun fteigenbe geinb=
fdjaft im SReidjje $u engem 2lnfdjlu& an bie rffeinifdjen Äur=
fürften nötigte: brangen biefe bod) auf Ausrottung ber fmffi ;
tifd&en Äefcerei, liegen ben Oberbefehl baju bem SJlarfgrafen
übertragen unb nahmen ftdj be« Orbens eifrig an.
griebridj mar in beillofe SBiberfprfidje geraten: jeber
Partei irgenbroie oerpflidjtet, mußte er fia) oon allen Unju=
oerläfftgfeit unb Eoppelsüngigfeit oorgeroorfen feljen. (Sr rüftete,
angeblid) &um 3uge nadj ©öbmen : liefe fldt> aber fagen, gegen
wen er bie Sßaffen junädjft ju führen haben mürbe? Um im
SRütfen gebeeft ju fein, madjte er nun audj mit ben Ouifeoros
grieben: fonnte bodj bie frtegerifdje Erfahrung ber übel be=
rufenen Herren if)m balb oon SRufeen fein, £)tetridj oon üuiftoro
mar 1417 geftorben: im Quli 1421 oerfdjrieb griebridj feinen
beiben Söhnen unb ihrem Oheim §ans als ©rfafe für bie ihnen
abgefprodjenen ©üter bie 33urg Senjen, nad&bem fic unter
33ürgfrf)aft angefefjener Herren ftd) ihm untermorfen hatten.
3lugenfa)einlia) meinte er feinen 2)tann unb fein Sdjroert ent=
beeren $u fönnen. Sßofür aber wollte er alles bas einfefcen?
$eutfd)e s #olittf mar es bod) nidjt, roenn er auf bem Nürnberger
SReidjstage gemeinfam mit $olen alle bem Orben günftigen
23efd)liiffe hintertrieb. 2U& bann aber SBttoiob oon Sitauen
ben für ben Orben unoerljofft günftigen grieben oon s J)te(nofen
(27. September 1422) ©ermittelte, mar bas eine Sftieberlage
nidjt bloß Siegmunbs, ber in biefer Sache Sdjiebsridjter fein
roollte, fonbern aud) — unb in noch höherem »DJafte — griebrtebs,
mochte er ben Vorgang als 33ünbner dolens ober als SKeid)S:
ftirft anfeben. ®anj übel aber murbc griebriebö Sage, als es
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142 23ud). Sie demente bce preiifciföen Staate* (bis 1593).
Siegmunb gelang, ben rfjeiniicben flurfürftenbunb ju fprengen.
deinem feiner SBerbünbeteu fmttc er bas Sdntlbige geleiftet:
alle roünfdjten ifjm bas fieimäujafjlen. $ie ©elegenfiett ba$u
fanb fidj balb.
Stuf ©runb ber ISlje feines älteften Sofmes griebridj mit
Barbara, ßerjog SRubolfft £od)ter, not)tn er nadj bem finber*
lofen £ob oon SRubolfS Sbruber 2lI6rcct)t oon bem §er3ogtum
Saufen Scfifc. Siegmunb aber »erlief es im Januar 1425
griebridj oon 9Jfeiföen. Sollte ber &of)enjoHer an bie SBaffen
appellieren? £ann mären mit bem SBettiner oon 2Jieifeen unb
bem ftaifer alle feine 2Siberfadfjer im gelbe erfdjicnen. 3)ie
Bommern unb bie 9)?edlenburger mürben fid? beeilt fjaben, ifjre
llnabljängigfeit ficfjer 311 fteHen. $abei tonnte er audj auf
«Polen nid)t mct)r rennen, eilte SBlabislaro II. bodfi bas Unred)t,
bas er burdf) Segünftigung ber ©uffiten begangen, burd) ein
öunbnis mit Siegmunb mieber gut &u mad&en. So ftanb biefer
an ber Spifee einer Koalition, bie alle norbbeutfdjen ©egner
griebrid)S mit bem ^olenfönig unb Gridj) oon Bommern einigte.
Unb fdjon mar ber fd)(aue Suyemburger babei, mit bem polnifd>en
Verlöbnis ben legten ^ücf^alt griebridf)S m gaH 311 bringen.
$a filmte biefer einen SluSroeg Oanuar 1424) burd) 2tnfd)lufj
an ben 33ingener 33unb ber iturfürften, ber jroar Siegmunb
im Sfaidjsregiment oon fid) abhängig madfjen, aber bod) audj) im
3ntereffe beö ßiiffitenfrieges, ber über alle biefe SBirren ganj
in Stillftanb geraten mar, jroifdjen iljm unb bem tfönig oer=
mittein wollte. Stber Siegmunb oerlangte 2luflöfung bes pol*
nifa>branbenburgtfd()en unb bes S3ingener 33ünbnijfes unb 2luf=
fjebung bes polntfdjen 3?erlöbniifes, bas Reifet Unterroerfung auf
$nabe unb Ungnabe. 2l(S griebridj) bas ablehnte, ließ er if)n
megen feines Streites mit ^ubmig oon 53at)ern=3"9olftabt oor
bas föofgeridjt laben unb madjte — ein 2lft ärgfter Sßerfibie! —
bem ^polenfönig unb feinem litauifd)en Detter bie bisber ge*
fjeim gehaltenen llrfunben über bie 33elef)nung griebrid^s mit
ber 9)iarf befannt, um ju bemeifen, bafe ber ^ojenjoller gar
nidjt £err, fonbem nur Spfanbbefifecr berfelben fei unb jeben
£ag mieber baraus entfernt merben tonne.
2lUeS fdjien fia) gegen griebridj oerfdjrooren $u fjaben.
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II. £ie Warf »ranbenburg.
145
$enn aud) bie Hoffnungen, bie er auf baö polnifdje 2>erlöbnte
gefefot, würben hinfällig, als im &erbft 1424 betn greifen
SBlabistaro feine junge britte ©emaf)lin einen <2ofm gebar.
Obenein griffen bie Bommern 51t ben ©äffen. Salb ftanben
aud) bie SWedtenburger im gelbe, <folen leiftete i§nen 3ujug.
2Wit aßen verfügbaren 9)lannfd)aften eilte ba griebria) feibft
Sur SRettung ber SJiarf, mufite aber oor ber Uebermad)t meinen
unb nad) einem mißlungenen Eingriff auf bafi fefte 3?icrrabcn
mit 3» rü ^t a ff un 9 von Öefdn'ife unb ©epäd fid) burd) eilige
gluckt in Std)erf)eit bringen. Selbft ber 93eft^ ber SJJarf ftano
nun auf bem Spiet, unb bie Örofjmadjtöpotttif, 311 bor griebrid)
bie Ueberfdjäfeung feiner Kraft oerleitet fjntte, brof)te baö Sßcr*
I)ängnte feine« §aufes 511 werben. 9hir ein fdjnefler griebe
fonnte es abwenben. ©ntfdjloffen fügte fid) griebrid) biefer
^otmenbigfeit unb mad)te fo bie geiler wieber gut, bie er in
übereilter 3agb nad) Sanb* unb §errfd;aft§geroinn begangen
fjatte. 9tod) im grüljjabr 1426 30g er nad) SSien, um fidj
Siegmunb 311 unterwerfen. $a§ fein 23eftfc ungeminbert btieb,
wirb er fürfitidjer gürfpradie 311 banfen gehabt fjaben. Ser
$erjid)t auf bie pohüfdjen platte unb ben norboftbeutfd)en
Staat mar felbftoerftänblid).
©ben barin aber fdjeint fo fefjr ber 9(nge(punft oon grieb*
ri<$ö gan3em teufen unb Streben gelegen 511 fjaben, ba§ I)infort
aud) bie 9Warf fein 3ntereffe mefjr für ifm fjatte. ßeimifd) ge=
roorben mar er bort nidjt. 2lud) bie Dörfer Ratten ftd) jroar
feiner ftarfen &anb gebeugt, aber ein näheres a3err)ältniö 511
ifmt Ratten fie nidjt gewonnen unb fatyen finfter auf fein frän=
fifd)eö befolge. So glüdlidj griebrid) afß Hauptmann in bem
uerwilberten Sanbe begonnen Ijatte : Talent unb Neigung sogen
ifm bod) mein* 311 ben Kombinationen ber grofeen spolitif ate
ju ben Meinen unb wenig gelohnten 9)iüf)en bloß Ianbeör)äter=
tidjen SÖaltenö. 2lud> modite if)n ber SBtberfprua^i juoifdjcn
SBoflen unb Vermögen, an bem er gefajettert war, oerftimmen
unb »erbittern, Statt fein &au$ fdmeü 3U ber &ö()e ber $)laä)t
3U ergeben, tjatte er ifmt. beinahe eine tfataftropbe bereitet.
Sflan begreift, bafe er mit allebem nid)tö mcfjr 311 tfiun f)aben
mochte: unmutig fefjrte er ber üttarf ben dürfen. Wod) oor
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144 GrfteS »u$. Sie eiemente be$ preufrifäen ©taateä (6iä 1598).
Antritt ber Steife nad) SBien übergab er feinem ©of)ne 3ol)ann
bie ^Regierung. Sein SSirfcn galt fjinfort ben fränfifdjen &i-
bieten unb einer oorfidjtig abmägenben £eilnalmte an ben
9ieidj8angelegcnf)eiten.
9?id)t in ber Sorge für bic 3Harf um i&rer felbft mitten
twtte griebrtdj I. fein ©enügen gefunben: fie mar iljm nur
bittet jum 3roecf geroefen. 3lber biefe einfeitige SBetonung ber
auswärtigen ^oütif fjatte einen SBiberfprud) aud) in bie innere
getragen. @r brof)te Sanb unb Seute in SBirrfale jurürfju=
werfen, benen fie eben entriffen fänenen. griebricf>$ Stellung
in ber 2ftarf fiatte auf ben Stäbten beruht: ifmen r)otte bie
neue Orbnung ^Befreiung tum ber Duifcorofdjen 33efdjroerung,
ben Sanbfrieben unb rotrtfdjaftlidjefi ©ebenen gebraut. 3 n
ifjren inneren Streitigfeiten fyatte griebri(J mel)rfadj gegen bas
ariftofratifdje SRatöregiment bie Partei ber 93ürgerfd)aft ge*
nommen. Sa fmtte er audj Sanf geerntet, inbem bie ©täbte
ifjm fotoor)t gegen bie rebettifa^en ©d)lofef)erren roie bie 9iaa>
tarn mit 3Hannfcf)aften (Mb b.eiftanben. Ser 2lbel aber
fjattc fidj nur bem Sroange gebeugt.
liefen 23erf)ältuijfen nun brachte griebridje (Srftgeborener,
Sodann, fein 33crftänbnis entgegen. Dl)ne bes Katers geiftige
33eweglid)fcit unb Sfjatenluft unb ein greunb betyaglidjer SRulje,
lief? er bie Singe gern gel)cn. Saö erfannten bie abtigen Herren
balb unb geroannen fdjnett ifjre alte greiljeit jurücf. ©elbft;
tjilfc mürbe roieber üblid), unb an ben ©renjen erneute ftd) ber
gefjbejuftanb. Sodann aber legte ftd> auf ba§ Vermitteln.
ginan3ieüe Sebrängniffc nötigten if)u ju neuen Verpfänbungeu,
bie tum ben abtigen Herren abhängig matten, ©ernährte
er bod) ben ©d)lo&gefcffcnen ber 3lltmarf fogar Befreiung von
bem £ofgcriä)t bed Sanbes: nur r«or bem Sanbeöfjerrn felbft
fottten ftc ju !Recr)t fter)en. SBalö litten bie ©täbte unter ber
erneuten 3 ua )tfo)igfeit bes 2lbelä unb roanbten ftdtj uon einem
SRegimentc ab, baö fie nur fdjäbigtc. 3m ®egenfa{j ju bem
Vater erfaßten ifmen 3oIjann alo Stäbtefcinb, 3umal üielfadje
ÄlriegSiüirren ifjn nötigten, tnilitärifcr) unb finanziell fjoljc $Ln~
fprüd^e an fie 311 madjen.
Senn audj bie 9Zaa)barn, bie grtcbrtd) in JHefpeft gehalten,
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II. 2>te Söiarf Söranbcnburg.
145
erneuten bie geinbfeligfetten unb, oom «Statthalter ofme ©ttfe
geladen, oerftänbigte fich t>ou ben bebrohten Stäbten balb bie
eine unb bie anbere auf eigene &anb mit bem geinbe. ^renjlau
hatte 1424 bie mit bem «Rate ftreitenbc SBolfSpartei ben ^onu
mern überliefert : baj? 3of>ann nach ber äötebereroberung ftreng
eintritt, braute ihn erft recht in ben 9hif eines Stäbtefetnbes,
gegen ben man ben Sßater anrief unb jmar, nrie es fcheint, mit
(Srfolg. 2)abet [teilte auch biefer an bie Stäbte immer neue
2lnforberungen, inbem er balb einen Slefeerfchofj, balb 9Rann=
fchaften gegen bie $uf fiten oerfangte. Sabei roirfte bie geiftige
Bewegung, bie oon bem ftuffitentum ausging, auch auf bie
93eoöl(erung ber «Warf ein. 3n ben nieberen Greifen regten ftd)
bemofratifdjer greihettsbrang unb unruhige SReuerungsluft, t>or
benen Qoljann fogar auf einige $cit aus bem Sanbe mich, bis
ber SMfdjof oon Sebus, (S^riftopr) oon «Rotenfmn, ein fränfifcher
©beimann t>on geroinnenber «JHilbc unb biplomatifdjer ©eroanbt:
heit, baS Unwetter befefwor unb bie Stäbte fogar $ur tetlroeifcn
Erfüllung ber gorberungen für baö fReidt) beroog. $ennod>
fliehten bie ^uffiten im §erbft 1429 nnb f Flimmer nod) im
grühjafn* 1432 bas Sanb oerroüftenb tyim. Sofyann fdjeint
nichts sur 2lbrochr gethan 311 \)aben. 9Rit Berlin, bas fdwn
als ©auptftabt galt, mar er fo oerfeinber, bafc er nach ©panbau
überttebelte. ©erabeju oerhängnisooll aber brohte ihm 1430
ein flonflift mit granffurt 311 werben.
Surdj feine SBerfuche, granffurt unter bie 3u«^biftion
bes marfgräflichen §ofgerid)ts 31t beugen, fafjen fich alle mär*
ftfdjen ©tobte bebroht: am 1. gebruar 1431 oerbanben fich
SBerlin, SBranbenburg unb granffurt ju gegenfeitigem Schuft
auch gegen ben Sanbesherrn. Sie rechneten auf Imnfifche Silfe,
fuchten auch mit ber SRitterfchaft $erftänbigung. ©elang fte,
fo mar bas 93ünbnis ber Unterthancn gegen ben Sanbesherrn
fertig unb bie s ])farf trieb ähnlichen kämpfen entgegen, wie fte
bamals ^reufeen jerriffen. $ann mar auch fax bie territoriale
Einheit gefährbet. Senn bem «eifpiel ber brei mittelmärfifchen
Stäbte folgten bie ber 2lltmarf unb "JMegnift, nicht blofe 311m
Schuft gegen Dtoub unb gehbe, fonbern auch 311 gemeinfamem
33efchlufc über fürftliche (Mbforbcrungen. Ueberau* ftiefj 3o*
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146 Grfteä »u*. Sie ©lemenie bcä preufcif^en ©taateö (6i§ 1598).
hann auf SBiberfefelichfeit, unb feit Berlin unb ÄöIIn 1432
burd) eine gemeinfame 9iatS-- unb ©erichtsuerfaffung fidj &u einer
einheitlichen Soppelftabt oerbunben fjattcn, burfte er oollenbs
nicht hoffen, ihrer &err ju werben, So erlitt in ber 3Harf bas
monarchifche Glement fernere (Sinbufee : bas republifanifche ge*
wann an ©eltung unb bas Sanb fchien einer (Sntwicfelung ju
oerfaHen, wie fie früher bas Söerhängnis Schwabens geworben
war. gür Entwürfe, wie fie ^riebrirf; I. gehegt hatte, fehlten
jefct alle SBorausfefeungen. Selbft in ooUer 2luflöfung, fonnte
bie 3Harf auf bie fladjbargebicte feine Slnaiehungsfraft ausüben,
©lücf genug, wenn man feinen SJefifcftanb wahrte. So über=
liefe benn auch ber griebe, ber ben ©rensfrteg mit Bommern
unb SRedlenburg beenbete, bie (Sntfcheibung über bie Sehens*
hoheit bem ßaifer, unb nach Dem 9luSfterbcn ber Herren oon
SBerla 1436 ergaben fich bie Stäube bes Sanbes unter flicht;
achtung ber branbenburgifchen Slnfprüclje an Sttecflenburg.
ÜWarfgraf griebrich oerfolgte biefe Vorgänge mit wachfem
ber Sorge. Slugenfcheinlich war fein ©rftgeborener bem ^lafe,
auf ben er ihn gefteHt hotte, nicht gewachfen. Unb bod) winfte
am erften bort im florboften feinem §aufe eine große 3ufunft.
9Sie er ba $u tjetfen fuchte, jeugt ebenfofefjr oon bes 23aters
reifer ©inftcht, wie bie gfigfamfeit ber Söhne ben fdjönen
gamilienfinn erfennen lägt, ber im ©egenfafc ju manchem
beutfehen gürftenhaufe bie SohenjoIIern auszeichnete unb eines
ber wertooüften Untcrpfänber ihrer 3ufunft war.
2lm 7. 3uni 1437 beftimmte griebrich I. über feine Sanbe.
33on feinen oier Söhnen follte ber ältefte, 3ofjann, ber fidt> in
ber 9Warf fo wenig bewährt hatte, Satreuth, ber britte, Wibrecht,
Ansbach erhatten. Unter auSbrücflichem Verzicht Johanns auf
bas ihm nach ber ©olbenen 53uHe juftehenbe Erbrecht auf bie
ftur würbe biefe mit ber 9J?arf bem jweiten Sohue, griebrich,
jugefprochen, in bem ber SBatcr am meiften oon feiner eigenen
©eifteSart gefunben 31t haben fcheint. $ie 3lltmarf aber follte
biefer nach fünfzehn 3al;ren bem bann erft 311 männlichem
Hilter gelangten jüngften «ruber, ebenfalls griebrich ge*
heißen, überlaffen. 3roifc^cn ben beiben branbenburgifchen Linien
ber fiohenjollern follte bann bie Jturmürbe nach ber golge bes
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II. Sie SRarf 93rcmben6urß.
147
Seniorats toed^fern, alfo jebesmal beut ©efd)led)tsälteften 51U
ftef)en. 3m grü^aJjr 1438 oerlic§ 3oljann bie s J)?arf, imb bicfe
rourbe burd) eine oon bem SSater in ©cmeinfdjaft mit Sofjann
unb 2lt6rcd^t abgegebene (Srflärung bem jüngeren Sofjnc grieb;
rtd) $ur Regierung übcrwiefen. £odj mar beffen Stellung, wenn
er and> junäd)ft unter bes Katers Autorität waltete, gletdj von
Anfang eine fo felbftänbige, bafc fie burdj bcn erft am 21. Sep=
tember 1440 erfolgten £ob grtebridjs I. feine roefentltdje
Slenberung erfuhr.
grtfbriilj U. 1438-70 unfc £U>rrii)t 2L$tUcs 1470-86.
Seidjt mar bie Aufgabe nidjt, oor bic griebridj II. fidj
geftellt faf): feine befonnene £f)atfraft, bie ein erftes SWifclingen
nidjt entmutigte, ()at fie in ber ftauptfadjc gelöft. greilid)
tjalfen if)m babei bie allgemeinen $erf)ältniffe. Xie $f)ron*
ftreittgfeiten in Söfmten, ber Verfall ber ffanbinamfdjen Union
unb ber 3 u f ammen & ru 3> Dcr Orbensfjerrfdjaft in Greußen
manbten Störungen ab, nrie fie feines Katers innere ^ßolitif
otelfadj befn'nbert, bie auswärtige burdtfreujt fjatten. So tonnte
er gut machen, roas fein SBruber oerfef)lt Imtte.
3Kit 2Re(flenburg fd)lofj er fajon im Seginn bes SaljreS 1438
grieben. $en SBcrgteid) mit ^ommern^Stetttn befiegelte bie
s #ermäf)[ung &er3og Soadnms mit einer Softer 3ofjanns. $er
Streit über bie Scr)enßr)or)eit blieb fpäterem Slustrag oorbefialten.
Weue ^erroicfelungen aber brofjten mit Saufen. Tenn in 2luS=
fid)t auf bas Sljüringer (Srbe erfirebte ßurfürft griebritf) ber
Sanftmütige in 3)?ittclbeutfd)lanb eine gcbietenbe Stellung.
$urdj bie Grf)ebung feines jüngften Sritbers Siegmunb jum
SBif^of oon Söürjburg niftete er fidj in granfen ein ; and) bie
fiaufifc/ bie feit Äaifer Siegmunbs 3 c *t im ^fanbbeftfc bes
eblen ®efd)ledjts berer oon ^olenj mar, wollte er an fidj
bringen, gewann audj roirflidj Cottbus. 3ln beiben Stetten
traten iljm bie Sofienjotfern entgegen, unb ba bie Stäbte SJtagbe;
bürg, ßalberftabt, Oueblinbnrg unb s ilfa?ersleben fid) grieb;
rief) II. anfdjloffen, bie Saufifeer Stäube feinen Sdjufc anriefen
unb Siemen für it)n rüitete, fo na$m ber Sad)fe im grübjajjr
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148 Grftc« $11$. 35ie ©letnente beä preu|iftt)en Staates (bis 1598).
1441 einen Söergleich an, ber ihm bas injwij^en frei geworbene
Düringen liefe, fonft ober ben alten 23efifcftanb herftetlte. ©eine
Tochter flatharine gab er bem 9Karfgrafen in bie G&e: ber
^oUtif geopfert, (jat bie gtirftin neben bem ungeliebten ©e*
mahl, ber bie polnifdje §ebtoig ntd&t oergafe, ein freublofes
ßeben geführt. 2luch ben Streit mit SJtecflenburg über bas
menbif^e gürftentum ber Söerla beglich griebrid) IL, inbem
er ftch mit ber 3uf a 9* De * einfügen ©rbfolge in SWecflenburg
begnügte unb bie fiulbigung empfing.
2)iefe SBcrroicfelungen waren für griebrich II. nicht ohne
SBortcil: fic berechtigten ifjn bie 3"gel ftraffer anjujiefjen unb
ben 2lbel unter bem 3 roan 9 c Dcö mtlitärifchen ®ienftes an ®e*
Ijorfam ju gerobhnen. Selbftlulfe unb geljbe bulbete er nicht,
achtete aber feinerfeits bie im £erfommen begrünbeten Siedete
bes 2lbelS. aflufete er mit feineu Slnfprüdjen über baß Uebliche
hinausgehen, fo beftimmte er bie Herren auf ben häufiger ge=
haltcnen Sanbtagen gütlich jur Seroilligung. 2lua) gewann bie
2lrt, roic er feine öerrfdjaft äußerlich einbrudSooH barftellte,
mannen ©beimann bem &of= unb £eerbienfte. 3 uroc ^ cn f re i 5
lid) mujjte auch er aufeerorbentlidje 33eroilligungen erlaufen
burd} 3 u 9 e f*änbmfie an ben ganzen (Staub.
2)a$u nötigte if)n namentlidj bas 23ebürfnis eines fixeren
SRücflmlts gegen bie Stäbte. 3" Drei 23ünbniffe gegliebert, traten
btefe ihm 5Uüerfid)tlicher entgegen, fobalb bie Sorge oor neuen
feinblidjen einfallen fdjroanb. SBugten fie boch bes jungen
&errn SBater geneigt, i()re Partei ju nehmen. £as erflärt bie
anfängliche 3urücff)altung bes 3Jtarfgrafen : fobalb ber Sßater
bie 2lugen gefd)loffen, gab er fte auf. (SrfüHte bie &tit
boch ber ßampf sroifchen bem monardjifchen ^rinjip, bas fich
ber 3ufunft ber beutfdien Territorien bemächtigen rooflte, unb
ben republifanifchcn SWeinftaaten, bie, in ber ©emofratie beä
beutfehen (StnungSroefens rourjclnb, äulefet vornehmlich Träger
bes nationalen Gebens geroefen roaren, jroifchen gürten unb
Stäbten. 3n ihm höben griebrid) II. unb fein 93ruber Wibrecht
als geinbe bes Bürgertums eine heroorragenbe 9Me gefpielt.
©och gewann erft baburch bie hohcnjoUernfche £errfd)aft in
ben Warfen eine fefte ©ruublage: entbehrte fte boch bes rechten
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II. £ie 9Harf SJranbenburg.
149
3nhalts, fo lange bie Stäbte bic auf Soften bcr fürftlidjen
£anbeshor)eit erworbenen fechte, namentlich bie faft oööige 3tbs
gabcnfreil)eit r befyauTptettn.
Segünfttgt mürbe griebrid) babei burct) ^parteiungen in ben
©täbten : fo fonnte er burd) Teilung fyerrfdden, namentlich auch
in ber SDoppetfjauptftabt, bie 3o^ann fdfjeu gemieben tyatte.
$ie Union oon 1432 (©. 146) befriebigte bort nirfjt : befonbers
fdjeinen bie Zöllner fidt) benachteiligt gefugt 511 haben. Sann
[tritt bie ©emeinbe mit bem patrijifa^en 9?at, bem auch
griebrich wegen ßür$ung feiner lanbesherrlichen fechte jürnte.
3um ©chiebörichter aufgerufen, nahm er bie Partei be« Golfes.
$urch Auslieferung ber Stabtfdjlüffel als £err anerfannt,
entfette er ben SRat unb hob bie Bereinigung ber beiben ©täbte
auf. 3ebe erhielt ihren befonberen 9tot, ber, aus ben ©emerfen
unb ber ©emeinbe gewählt, ber lanbesherrlichen 33eftätigung
unterlag. Sluch burften fie hinfort feine 33ünbniffe eingehen
ohne bes -JWarfgrafen (Genehmigung; bie beftehenben mürben
aufgeföft. «Schließlich mußten fie am 24. Sluguft 1442 burd)
eine urfunbliche (Srflärung fich bem 9Harfgrafen auf ©nabe
unb Ungnabe überantworten, anerfennen, baß bie höhere fo*
mof)l wie bie niebere ©erichtsbarfeit famt ber Ernennung ber
dichter oon alters her bem Sanbesherrn juftehe, unb ihm jum
93au eines feften Kaufes Terrain jwifdjen ben beiben ©täbten
abtreten, $ort mürbe am 31. 3uli 1443 ber ©runbftein 511
bem berliner ©djloffe gelegt: griebridj felbft tfmt ben erften
$ammerfd)lag. Um ben Neubau fammeltc fich balb eine 6djloß=
gemeinbe oon fürftlidjen Sienftleuten, unb auch oon ben für ben
$ofbienfi gewonnenen märfifchen ©belleuten jogen manche in
bie ©tabt. 3" fpät erfannten bie Bürger, welchen gehler fie
begangen hatten: mit bem inneren ^rieben hatte ber 2Rarf=
graf ihnen bie Unfreiheit gebracht.
3n bem ©cfncffal Serlin^öllns aber fchien bas aller mär=
fifchen Stäbte entfchieben. Saher fühlte ftä) felbft bie #anfa
bebroht, beren Sage bie märfifchen 93unbesglieber nur noch
feiten befuchten. ^ufammenfünfte, bie griebrid) II. oeranftaltete,
ließen ein gemeinfames Vorgehen ber norbbcutfchen gürften be=
fürchten, wie es im ©üben unter Wibrecht 2lcf)ill im SBerfe
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150 ©rftcö #uc$. Sie Glcmenie bcä prcufctfc^n etaate* (biö 1598).
war. So oerfd)ärften ?ld& bie öcgenfäfee. doppelt fd&roer trug
man nun in Berlin unb &ößn an ber neuen Serrfchaft, als
beren 2Sahr$eidjen bas Sdjlo& rafch empormudjs. Darüber oer-
gagen ®cmeinbe unb GJefd)lechter bie alte getnbfdiaft : lefcterc
erhielten bie Scitung ber Stabt juriief. Balb gab es neuen
£aber mit bem s Diarfgrafen, befonbers wegen bes 8d)lofjbaus,
gegen ben beibe Stäbte BerteibigungSwcrfe aufführten. Schnell
erbifeten fieb bie Seibenfdjaf ten : man warb auswärts um £ilfe,
namentlid) bei ber &ania. 2Bof)l mahnten bie übrigen mär*
fifdjen Stäbte §ur 9iadjgiebigfeit unb erboten fidj 311 Ber*
mittelung. Unter bem Bürgermeifter Bernb dh)U beirrten bie
Berliner in ihrem Drofe unb brauen fchlie&lidj, wie es fcheint,
bitrd& einen 3wifd)enfaH gereist, übereilt los. 2lls nämlich bie
marfgräflidjen Bauleute, um bie Öräben bes neuen (Sd^loficö
511 füllen, bie Spree ftauten, erhob fid) bie Bürgerfchaft unb
[türmte bie alte Ijofjenjollernfdje Sfleftbenj, bas hohe &aus (in
ber tflofterftraBe, 100 heute bas Staatsardno ftel)t), »erjagte
bie Beamten, erbrad) bas 2lrd)iü unb oerftreute ben 3nbalt.
Dann 50g fie burd) einen eilig aufgeführten Verhau ben Sdjlofc
bau in bie ftäbtifche Befcftigungslinie. griebrich bewies bie
äujjerfte Sangmut : er forberte ©djabenerjafc unb Qenugthuung,
unb erft alö fie oertoeigert mürben, ergriff er SRcpreffalien. Da
lenfte man rafaj ein, jumal felbft bie jur &ilfe geneigten mär--
ftfdjen Stäbte nid)ts traten aus gurdjt oor ben benachbarten
Sürften. ftlug fteüte griebrid) bie Sache ber ßntfeheibung ber
Stänbe anheim, oor benen er gegen bie SHcbcHen Silage erhob.
So oermieb er bas Cbium, bas eine ftrenge Vergeltung ihm
eingetragen hätte, unb fnüpftc bas ^ntereffe ber Stänbe an
bas bes Sanbcsherrn. 2luf einem Sanbtage in Spanbau er*
folgte ber Sprud): ber miberfpenftige SRat mad)te einem oon
griebrid) ernannten $lafe, unb am 19. .Juni 1448 unterwarfen
ftch Berlin unb Stölln oon neuem ben Orbnungen oon 1442.
Die &auptfdjulbigen, meift ben Öefd)led)tern angehörig, traf
Berluft ihrer Sehen ober ©elbbunc. Bernb dlyh würbe oer=
bannt: als er oon Saasen aus neue Umtriebe begann, foll er
oon einein übereifrigen Diener griebrichs getötet worben fein. 3n
Berlin unb Äöfln aber fehrten nun aUmär)lidh friebliche 3»ftänbe
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II. $ie SRarl öranbenfcurg.
151
mieber, roeldje bie legten Errungen balb in 33ergeffenf)eit brauten
unb ben einfügen ©egnern ein ehrliches 3ufammenroirfen im
£)ienft ber allgemeinen 2Bof)lfaf)rt ermöglichten.
9?un beugten fid) aucfj bie übrigen märfifdjen Stäbte in
willigem ©et)orfam. £amit mar in ber 9Rarf bie Einfügung
ber republifanifdj organifierten 93ürgergemeinben in ben roer=
benben Staat im roef entließen oottenbet, mäfirenb im SBeften
unb Süben ber Äampf barum erft begann. %üx bie ftaatlidje
ßonfolibierung ber Wlaxt mar baö ein ®tücf. 2)ie Stäbte maren
frier nur nodj fommunale ftörperfdjaften, bie ftcfj innerhalb ber
von bem Sanbcftgefefc gezogenen Sdjranfen felbft oerroalteten,
aber nidjt meljr Trägerinnen eines eigenen öffentlichen SRedjts.
$enn auch bie (Seridjtsbarfeit, fo meit fie ifmen blieb, übten
fie nur als Beauftragte bes Sanbestjerrn. $te !Rätc mürben
in it)rer 2lmtsfüf)rung ftreng beaufftdjtigt. 3^re pnanjieflen unb
militärtfd&en Gräfte aber machte griebridfc) ben allgemeinen
Sanbessroecfen in einem bisfjer nidjt gerannten SWafje bienftbar.
3Me Einnahmequellen, bie im 14. ^ahrfjunbert j Um ^adjteil bes
ßanbesberm an bie einzelnen Stäbte oer^ettelt maren, famen
in ber &auptfadje an biefen gurücf. 2öas aber bebeutete in
jener >}t\t eine (Steigerung ber ©infünfte auf bas 3Sier= ober
Sunffadje für bie fürftlid&e 9Ra$t! Safür aber hob griebrich
ben 2Bof)lftanb ber Stäbte burtf) bie pflege oon ©anbei unb
$erfef)r unb ftärftc ihre 2Bc^rI>aftigfcit, inbem er fic für tt)re
Sefeftigungen forgen unb ihre Sürgerf haften in Sdjüfeengilben
orgamfteren liefe. 2)iefe neue Orbnung ju befeftigen, fjatf er
fpäter ben ©efchledjtern mieber sur föerrfdjaft unb geroann fo
bas früher oppositionelle ^atrtjiat 311 einer ber oornehmften
Stüfcen bes erftarfenben gürftentums.
SWodjten bie märfifdjen Stäbte ben SBerluft ber greit)eit
fo balb »erfahrneren : bie übrigen Stäbte bes Horbens unb Oftens
faf)en in griebridj n. ben glüeflichen Vertreter eines feinblichen
politifa^en ^rinjipö. daraus entftanben Streitigfeiten mit ben
fädtffdjen Stäbten, obenan 3Bagbeburg, unb ben pommerfchen
unter Stettin. 3)tit &atte hatte er einen langjährigen föedjts*
hanbel, roeil es it)m 1457 auf einer SReife ben Surdfoug nur
gegen ein Sßegegelb geftatten mollte. $a ber ©rjbifchof von
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152 ©rfte« »ud>. Sie Elemente be* preufcifäen Staate* (biö 1598).
2Wagbeburg unb föerjog 2£i(f)elm oon Sadifen fidj ber Stabt
annahm, beö (enteren ©ruber, tfurfürft griebridj, aber auf
beö SHarfgrafen Seite trat, wäre eö barüber beinahe jum
Kriege gefommen.
griebrid) II. fodjt baö roenig an. Gr fjatte für bie &err*
fc^aft feineö ftaufcs in ber Wlaxt einen ©runb gelegt, fefter
gefügt alö fonft in irgenb einem 9ieid>slanbe. $icv mar ber
Uebergang oon bem ftänbijdjen Staate beö Mittelalters ju beut
Cbrigfcitfiftaat ber neueren 3 e i* bereits im 3"Ö e - SWodjte bie
gorm beö erfteren nod) beftefjen : ber 3nt)alt war grünblidj ge-
manbelt. Ofjnc feine Stanbe§oorred)te einjubüfeen, mar ber
2lbel an ben &anbeftf>errn gefeffelt, feit er ben &eer= unb &of=
bienft filmte unb aud) bie Sanbeöangelcgcnfjeiten in biefem
Sinne bejubeln lernte. Tk Stäbte (jörtett auf polittfdje
Äörperfdjaften ju fein unb fanben in ber Unterorbnung unter
bas 2Bof)l ber ©efamtfjett eine neue unb wirffame ©ernähr bes
eigenen ©ebeifjenö. £amit löften ftd) t)icr 3lbel unb Stäbte
auä bem ©erbanbe, ber ftc im ©egenfafc 31* bem gurftentume
mit bem 3tbet unb ben Stäbtcn ganj $eutfd)lanbö geeinigt
fjatte. Snbem fie ftd) auf ben ©oben ftellten, ber itynen mit bem
&anbefif)errn gemeinfam mar, burd)brad)en fie bie Sdjranfen bes
abftraften Stanbeögefüljla, bas, glcidjfam heimatlos, fidj nidjt
an eine beftimmte itonbfdjaft banb, unb fafeten ben ©ebanfen
einer territorialen ©emeinfdjaft. £amit entftanb juerft ettoas
roie ein Sanbesberou&tfein, bie erfte Regung beö jener 3*i* «od)
fremben Staatsgebiete. Sogar gegenüber ber ©eiftlid)feit be-
tätigte fidj biefer im Söiberfprud) mit ber Unioerfalität ber
ßirdje.
9ludj biefe r)at griebrid) II. ber lanbesbcrrüdjen Autorität
gebeugt. SDiitfdnübig an ber üblen 9ioHe, bie oas töeid) jur 3 c *t
beö ©afeler Äonjils fpielte, liefe er fia) bod) bie Slnerfennung
ber firdjlidjen Sfleftauration oon ber Äurie burd) 3 u 8 c ft an bniffe
oergelten, bie für bie ftaatliaje tfonfolibterung ber Hiarf mistig
mürben, ©ereitö ber fianbtag oon 1445 r)atte \l)m bie ©efug=
nift eingeräumt, oor baö getftlidje ©erid)t gebraute roeltlidje
Saasen an fid) &ujief)en unter ber ©ebingung if)rer ©rlebigung
binnen fedjs 2itod)en. 2Ils er bann, ber erfte oon ben beutfä)en
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II. £te aWarf «ranbcnburg.
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gfirjten, auf ©runb bes Sötener flonforbats 1447 mit bcm $apfi;
tum feinen grieben machte, erlangte er oon il;m in biefem
fünfte meitcre 3ugeftänbnijfe. 3ein SeooUmädjtigter, griebrid)
Seffelmann, ein Äulmbadjer oon ©eburt, ber in ftaboljburg,
ber SRcfibcnj ber fränfifdjen £of)ensoHern, Pfarrer gemefen unb,
in Bologna gebilbet, bes 3Warfgrafen SBeidjtoater geworben
mar unb nun als 93ifdt)of oon Sebus unb tfan$ler eine bes
beutenbe £f)ätigfeit entfaltete, erroirfte bei ÜRifolaus V. ein
Sßrioileg, monadj fein geiftlidjer Didjter einen Dörfer in roelt*
liefen fingen meiter als jroei Xagereifen oon feinem 2£of)nort
cor ©eridjt jiefjen burjte. $ann beftimmte 1459 s ^iuö II., es
füllten bie furfürftlidjen Untertanen in rocltlidjen fingen ftaj
überhaupt nur oor bes tfurfürften ©eridjt $u oerantroorten
fjaben. 9ton erft fonnte bejfen oberftridjterlidje Autorität fid>
ooll entfalten, unb bereits 1460 oerfügte griebridj, es foUte
fn'nfort fein SSeltlidjer einen anberen oor ein geiftlidjes ©eridjt
Steden; fänbe er aber oor bem angerufenen roeltltdjen binnen
fedjs 2Bod)en nidjt Dedjt, fo foUte er ftd) an bas marfgräflidje
Öanbgeriä^t roenben, bas alle 2Jiittroodj an ber sBrücfe be&
Sdjloffes 311 Xangermünbe $u urteilen bereit fei. ®as bebeutete
einen grofcen gortfdjritt audj gegenüber ber mit ber lanbes=
fjerrlidjen bisher fonfurrierenben ©eridjtsbarfeit ber ©djlofc
Herren unb ber 6täbte. $a& er eigentlidj auf päpftlictjc 93er*
lei^ung jurüefging, mar balb oergefien, jumal ber märfifdje
flleruS audj im übrigen in eine fonft nid)t geroöfmlidje 2lbl)ängig=
feit oon bem gürftentum fam. 3um weiteren £ofm nämlid>
für feine gügfamfeit gemährte ^ifolaus V. griebrid) am
10. September 1447 bas 9iedjt, für bie brei märfifdjen 23is=
tümer 33ranbenburg, $aoelberg unb Sebus jebesmal ben ibm
genef)mften tfanbibaten ju benennen. 2)as begrüßte griebrid)
mit 9led)t als „eine merflidje Befreiung unb $3egnabung".
£>enn es fdjlofj jeben Sßiberftrett smifa^en ben £anbesbifd)öfen
unb bem £anbesf)errn aus unb fteigertc feine moralifdjc 2lutori=
tät ber ©eiftlidjfeit gegenüber. $as aber mar nidjts ©eringes
in einer 3ett, mo ber Älerus nadj glücflidjer 9lbmef)r ber Reform
es ärger trieb als je. 3a, oon ftdj aus r)at griebrid) eine 3lrt
von Deformation ber märfifdjen $ird)e burd)gefüf)rt. $ie £onu
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154 Crftcö $udj. 3>ie demente beg preu&if^en Staates (bt* 159*).
faultet 311 ^aoelbcrg unb ^Brandenburg madjte er roieber 311
<Pflan3ftätten fird)lid)cr unb roijfcnfdjaft lieber SBilbung. 6r ge=
möfmte bic perroilticrte fltoftcrgeiftlid)feit roieber an 3»a)t unb
Sitte. 2lnbcrerfeits aber benrirftc er aud) eine ftrengere &eilt=
(jung be« Sonntags 311m Sdjufc aller bienenben Seute gegen
un3iemlidjc 9lnforberungcn ifjrer föcrridjaften. £enn in feiner
ftrengen ©fäubigfett empfanb er es als eine ©eroiffenspflidjt,
ade 3U gleid) emften 2lnfd)auungen unb 3U gleichem ©ifer in
ityrer iöetbätigung 3U geroinnen. $8011 feinen SHegentenpftidjten
backte er äfmlid) roie fein $ater, ber ftdj fdjön als „Amtmann
©ottes am gürftentum" bejeidmet (mtte. 80 ftiftete er 1440
ben Sdnoauenorbcn, beffen ©lieber, Männer unb grauen, d&rifr
tidje ©efinnung betätigen unb it)tn Sanb unb Untertanen in
©inung unb friebürfjen Stanb 3U bringen Reifen foöten, inbem
fic namentlid) ben 2lbel burd) bas SSorbitb eines roabrljaft
abligeu, Unftttc unb Unredjt meibenben Sebent oerebelten. 00
»erbanben fidj bei griebrid), ber 1453 aud) nad) 9tom unb
bem ^eiligen Sanbe gepilgert war, firdjlidje unb politifdje,
biplomattfdje unb patriotifdjc ÜJtotioe. £>as gab feinem Söalten
ben ©lanj eines geroijfen beiligcn (Stfers, ber in bem ©tauben
an feinen 33eruf rourjelt unb ber Erfüllung besfelben geroife tft.
3)iand)crlei &tnberung fretlid) bereitete il)m bie Unfäbigfett
feines jüngeren SruberS griebrid). 9fod> cor Slblauf ber oon
bem oorforglidjen SJater beftimmten grift (S. 146) trotte tym
biefer 1447 bie Regierung ber älltmarf unb ber ^rtegmfe ab,
jeigte ftd) if>r aber nidjt geroadjfen. $er 2lbel fiel bort in
bas alte 9iaubroefen juriid unb »craniale neuen Streit mit
bem benachbarten 9)2edlenburg. ©in roüfter gebbejuftanb brobte
ben eben roieber erbtütjenben 2Sol)lftanb ber Stäbte 31t ©runbe
311 ridjten, fo bap enblid) griebrid) II. felbft eingreifen mufete.
©rünblidje SJcfferung aber braute erft bes jüngeren griebridj
Xob 1463: ba er feinen Solm batte, fiel bas £anb an ben
älteren trüber unb bie Warfen rourben roieber Bereinigt.
2>od) mürbe griebrid) II. aud) in bie grofeen politifeben
unb fird)lid)eu Äämpfe ber 3eit gesogen. £reu ftanb er ju
feinem trüber 9(lbred)t, ber barin eine fo beroorragenbe $oUe
fpielte. 3ubcm rourbe bic 9JlarF fd&on burd) it>re Sage oon ben
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II. $ie Warf »ranben&urg.
155
grofeen nationalen ©egenfäfcen berührt, bie im Horben unb
Ojlen miteinanber rangen : als SBoHrocrf beö 2)eutfd)tumd mar
fie jugleidj oon ftorb, Süb unb Oft bem erneuten Slnfturm ber
Slaoen ausgefegt. Unb nun mar ber ©egenfafc jtmfdjen ©er^
manen unb Slaoen, oerquieft mit ben grofcen 3 ra 9 en ber
ftrdjlidjen unb nolitifdjen Reform, bamalö baö treibenbe Mo-
ment in ber gefd)id)tlid)en Gntmicfelung. %n\ ^orboften brang
$olen, im Süboften Söhnten fiegreid) oor, jenes im SBunbe
mit ben rebeflifdjen Untertanen bea Seutfdjen Orbens, biefeä
getragen ton bem ftuffttentum, ba« in @corg oon ^obiebrab
bie $anb nad) ber beutfa^en Ärone ausftredte. Leiber Slnprau*
traf junäcbft bie SRarf. Senn jefot entfannen fid) bie pom=
merfdjen unb metflenburgifdien gürften plöfclid) ibreö Slaocn--
tumö, um fiä) burd) ben 2tnfd>lu& an Sßolen ber bcutfdjcn unb
branbenburgifdjen föoljeit ju entjie&en. Söurbe ber Serluft
£>eutfdjlanbö nict)t ganj fo grofc, wie $u befürdjtcn ftanb, fo
mar baö roefentlidj bas Serbienft griebridjß II.
3luö (Sorge vox flurfad)fen (S. 147) tjatten bie Stänbe
ber Sauftfe ftdj auf brei ^afjre in ben Sdjufc ?yrtebrid)S begeben.
Streitigfeiten in bem reiben &aufe ber ^olen$, bas bie Saufifeer
Sanbgraffdjaft in ^fanbbefifc Ijatte, ermöglichten biefem 1445
bie Erwerbung oon Cottbus unb 1450 ben flauf ber Sßolenj;
fdjen ftedjte auf bie SauRfe famt ber Stabt £übben unb ber
i&errfdjaft $eife. SBäfjrenb if)m bie Stänbe, fror), wie efi fdieint,
ber Söfung oon 93öf)men, of>ne SBeigern Inilbigten, bciefcte ber
fädjfifdje ßurfürft auf ©runb einer Serfdjretbung, bie ifnn im
Flamen beö jungen ftönigs Sabiölaus, befi nadjgeborenen 3of)tteö
flaifer 2lI6rccr)tö II. unb ©nfels i>on Sicgmunb, tfaifer grieb^
ridj III. auögeftetlt fjatte, Senftenberg unb .^ouersroerba unb
bebro^te Cottbus. Sergeblid) proteftterten bie Stäube, oergeblid)
erflärte ber ÜHarfgraf, jebem redrtmäfoig gefrönten tfönig oon
Siemen bie 2luslöfung ber oerpfänbeten Sauftfc geftatten ju
wollen: infolge befi gleichzeitig erneuten Streites sroifcfjen bem
fäd)fifd)cn Äurfürften unb feinem Sruber &er3og äLUlfjelm, für
ben ber 3)farfgraf Partei nalmt, fam es bod) jum flrteg, ben erft
im 3um 1450 bie SBermittclung bes (Si*jbifcr)ofö von 9Wagbcburg
beenbete. Sic Saufifc behielt Sranbenburg, Äurfadjfen Scnftem
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156 Grfteä 33ud>. «Die eiemente bcä preufcifdjen etaaieö (btä 1598).
berg imb «ponerSroerba. So lieg es aud) ber enbgültige griebe
im Januar 1451, bodj erneute er bie (rrbücrbrüberung jurifchen
^ohenjollern imb äBettinern, bie gegenüber ber erfkrfenben
nationalen Eeroegung in Böhmen jufammenhalten mufeten.
Sie grage nad) ber 3ufunft ber Saufifc blieb offen.
Sagegen gelang es griebrid), burefj Söieberoereinigung ber
Heumar! mit Sranbenburg ben $olen einen Samm entgegen*
3uroerfen. Surdj ben &anbel oon 1402 (3. 124) mit bem
Orbenslanbe oereinigt, mar bie 9ieumarf ber ülusbeutung burdj
bie Suremburger entgangen unb eines georbneten unb gefe§=
lidjen Regiments teilhaftig geroorben. &atte ber Orben ftch bodj
gerabe bort um guteö (Sinuernefjmen mit ben Stäuben bemüht,
um fid) für ben gall eines 23rudjs mit Bommern bie 93er*
binbung mit bem 9ieid)e 31t fiesem. 3(ber bas 9?edjt ber Cohens
joflern, als Nachfolger ber Suremburger bas $fanb einjulöfen,
mar loteberfjolt anerfannt roorben ; bennodj oerfudjte ber Orben
mehrfadj, bas mistige ®ebiet enbgültig an fid) 31t bringen.
(Sincn Antrag ber Slrt, bei bem ber Orben fid) auf feine*
Katers angeblidjc Geneigtheit ju biefem ®ejd)äft berief, hatte
griebrid) II. abgelehnt: jener höbe baran 100hl benfen fönnen,
ba er oiele Sauber gehabt, er jebod), ber nur ein Sanb fein
eigen nenne, bürfe fid^ barauf nicht einlaffen. Nun aber mußte
ber Orben mit bem brohenben 5lufftanbe feiner Untertjjanen
unb bem Gingreifen dolens redjnen. konnte er ba bie Neu=
marf 311 behaupten hoffen? Sd)ou marb tfönig «Rafimir bort
um IHnfdjluB, iubem er bem £anbe eine Stellung oerhieg, wie
fie nachmals Söeftpreu&eit erhielt. Siefe Gefahr befdjioor ber
Orben unb fidjerte [ich ^ Vorteile, bie ihm ber
33cfifc ber Ncumarf gewähren tonnte, roenn er bas Sanb oor
Ausbruch bes polnifdjen Krieges an 33ranbenburg jurfidgab.
3m gebruar 1454 erbot er fid) ba3u um bie Summe oon
40 000 Gulben. griebrid) griff 311, unb bie Stäube, obgleich
311m £eit ^polen geneigt, leifteten ihm nad» Seftatigung ihrer
s Jkioilegten im 2lyrtl 1454 bie &ulbigung.
So mürbe ^oten hier ber 2Beg nad) 3£eften ocrlegt. Sem
Orben SBaffenhtlfc 311 leiften, burfte griebrid) freilich
roagen : hätte er bann bod) bie Bommern fofort in glanfe unt>
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II. £ie 9Rarf »ronbenburg.
157
Sflütfen gctjabt. ©tu ^ermittelungäoerfud) blieb erfolglos. $er--
gcblid) warb er im föeidje $ilfc für ben Orben unb mahnte
Sänemarf, eine glotte nad) ber 2Betd)fel 511 fenben. Gr eilte
felbft nad) Greußen, um bic meuternben Sölbncr $u befc^rotc^=
tigen. 2lber baö 33erf)ängni& beö Orbenö liefe fid) nid)t aufs
galten. Um fo wichtiger mar eö, bic Heumar! enbgültig oon
i&m ju löfen. 2lm 15. (September 1455 übertiefe er fte &u
3}2eme bem 3)iarfgrafen für „bte merflidjcn 2)ienfte, Guttaten,
oiele Sttfifje, 3*bntng, Soften unb Schaben, bie er jum heften
befi Orbenö in ben flrtegsnbten getrau", mit aßen baju ge=
hörigen fianben, Stäbten, ©d)Iöffem unb 9ted>ten „ju rcdjtem
Grbe erblid)", fo bafe er fte früfjeftenö nadj gricbrtcbs £ob unb
bann nur gegen 3<^lung oon 100 000 ©ulben foHtc $urücf=
forbern bürfen, unb erhielt bafür — worauf eö tf)m oor aflem
anfam — freien Surdwarfd) nadj ^reufeen.
Sßolen fat) barin einen 2lft ber geinbfdjaft. 9Jun fyatte
eft griebridj aber aud) burd^ fein Gingreifen in ber Saufife mit
©eorg oon ^obiebrab oerborben, ber nad) beö jungen Sabislauö
£ob bie Stellung eines GJubernators mit ber eines ftönigö
oon Söhnten oertaufdjt ^atte unb burd) feine glänjcnbc ^erfön^
ltdjfeit ben nationalen Slfpirationen ber Gjecbcn ungeahnte
Äraft oerlieb. Sdjon lag biefer aud) mit 2llbred)t 2ld)illes in
©treit. 31t ben $o^en3oHern fah, er baS &auptf)inbermö für
bie ©etoinnung ber beutfa^en Äronc. 2öät)renb er baf)cr SUbredjts
geinbe nad) Gräften unterftüfcte, liefe er burdj ben Oberftburg;
grafen oon ?rag, ©benfo oon Sternberg, ben er mit bem in
branbenburgifd&em 33efifc befinblidjen Cottbus belcbnte, griebrid)
in ber Saujtfc bebrofyen, ber obenein bem oon ibm oerjagten $cr$og
33altf)afar oon Sagau 3ufh*tf)l getoäljrtc. SBergebltd) beftritt ber
SMarfgraf bie 3uftänbigfeit bes böf)tnijd)en &ofgerid)t$ : ftottbuö
würbe ifmt abgefprocfyen. 3<* im Oftober 1401 fiel Sßobiebrab
oenoüftenb in bie Saufifc ein. 9Son fturjadjfcn ofjne &ilfe ge=
laffen, tonnte griebridj fte nidjt behaupten. Unb nun fd)icfte
ftdj ^Soten an, um ber ÜJcumarf nriUcn mit ^bbmen gemein^
fame ©adje ju mad)en. 3m grübjafn* 1462 trafen bic beiben
Könige in ©logau jufammen. $a blieb griebrid) nidjtß übrig,
als bie Saufifc gegen 3 a W un ö ^ er ^fanbfummc an S3öbmen
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158 ©rfteä $utf>. £te Glcmentc bcö preufeifäen Staates (btä 1598).
jurficfäiigeben , bas if)m bic burd) Kauf erworbene Sauftfcer
&errfdjaften Cottbus, $etfe unb Xeupifc als fiefjen betiefo.
Setbft in Bommern mußte $riebrtdj II. oor bem Slaoeiu
tum meinen, jumal bort audj bie Stäbte alles baranfefeten,
ben Vefieger tf)rcr märftfdjen Sdjroeftern bem Sanbe fern^u*
galten. 2lls nämlid) 1464 baß Stettiner föaus erlofd), rooflte
er ^ommermStcttin als erlcbigtes branbenburgifdjes 2ef)en
einjicfjen. £>er Verlauf im einzelnen ift nidjt Mar. SBäfjrenb
eß fdjeint, als ob ber 9)torfgraf im Stettiner SRat eine flcinc
gartet gewonnen Ijatte, fudjte bodj nadj manchem 2ln3eidjen
gerabe (Stettin $mifdjen ben ftreitenben gürften oolle Unab*
f)ängigfett $u gewinnen, ä&nlidj wie es in ^ommereden e6en
Sanjig gelungen war. £er 2lbel mar jumeift gegen bie bran-
benburgifdje ßerrfdjaft : ber Stamm ber pommerfdjen ^erjöge,
fykb es ba, fei gar nid)t erlofdjen, fo lange bie SSolgafter £inie
befiele; nur Söratislam X. unb (5ria) II. fönne man als
Herren anerfennen. Sdjon baß man ben branbenburgifdjen
2lnfprüd)en bas flaoifdje ©efamtcrbredjt bes fürfUiajen Kaufes
fo entgegenftettte, jeigt, wie feljr audj Bommern bereits ber
Stnjiefiungsfraft bes erftarfenben ^Solentums folgte. Vermittelte
bodj ^erjog (Srid) II. unter eigenen pefumären Opfern ben
Vertrag jwifdjen tfaftmir oon ^Solen unb ben meuternben Sölb*
nern bes Seutfdjen Orbens, ber biefen unbeftegt in bie Gewalt
feiner (Begner lieferte, £ie beutfdjen Oftfeelanbe ftanben jur
Verfügung dolens. SBas nüfete es ba, ba§ flaifer unb SRetd) im
^rür))of;r 1465 Vranbenburgs s J*edjt auf ^ommermStettm an=
erf annten ? Sie gegen $olen burefaufefeen, f)atte griebridj feine
2lusfid)t. So entfa)(ofi er fid) im (Jinoerftänbnis mit feinem
Vruber 2llbred>t ju einem Vergleid). 3m Januar 1466 übcr=
lieg er burd) ben Vertrag gu Solbin Stettin ben äßolgaftern
unb erfjielt bafür bic £ef>ensl)of)eit unb bas &eimfattsred)t
Vranbenburgs oon neuem anerkannt. £interf)er aber oer*
weigerten tfmt bie SBolgafter fowof)l wie bie Stäube Bommerns
unter Vortritt Stettins bie oerfprod&ene (Srbfjulbigung : nur
tyren redjtmäfctgcn Herren, bas Reifet ben ^erjögen oon %oU
gaft, wollten fie biefe fdjulbig jein, unb bie SRoftoder guriften
ftimmteu bem in ifjren 9?ed)tsgutad)tcn bei. 2lber md)t genug
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II. 2>ie SNarf Skanbenburg.
159
bamtt: im Oftober H66 nabm Kaifer griebritt) baö Stettiner
(Srbe alö 9teid)ölef)en in Slnfprud) unb erflärte alle barüber
6iöf)er getroffenen Slbmadjungen für ungültig. grol; ben
£ol)en$olIer loö 311 fein, f)iilbigten bie Bommern ben 2Bol=
gaftern.
Sollte griebridj baö ruf)ig hinnehmen? £ie ©efafjr einer
6öljmiid):polmfdjen Kooperation war befettigt, baö jroeibeutige
Spiel ©eorgö oon ^obiebrab enblidj entf)üHt : fdjon fjatte er
feine Krone gegen ben 9lnfturm ber oon 9tom roiber ifjn ge*
fjefeten Drtfjobojren 31t oerteibigen. 3fm gegen ben Kefeerfönig
ju geroinnen, bem fein Bruber 2ilbred)t eng oerbunben roar,
bot bie Kurie jefct griebrid) bie böl;mifdje Krone. ©eroifj roar
baö für biefen feine geringe Berfudiung. ®eldje 2tuöfidjten
erfd)loffen fid), roenn bie böbmifdje 2flaa)t in ben $ienft ber
fio&enjo llcrnf d)en ^ßolitif gefiellt rourbe ! 3unäd)ft freilia) roärc
eine neue (Srljebung aller geinbe 31t erroarten geroefen, bie mit
ber 9Jtarf ben franfifdjen .'QauöbefitJ gefäfyrben fonnte. £aju ftanb
ber mögliche ©eroinn in feinem ^8ert)ättniö. So lehnte grieb=
rid) auf bringenbeö Anraten 3(Ibrea)td bie Krone ab. 2Bie
redjt er getrau, lefirte ber Ausgang beö Krieges mit Bommern.
2öäf)renb feine Berbünbeten föeinrid) uon s DJetflenburg unb
gürft Ulridj oon ü!Benben Ireptoro eroberten, brad) griebrid)
1468 mit 5roei ^cerljaufen in baö Stettiner ©ebiet, jroang
©ar3 jur £ulbigung unb 2litfnal)mc einer Befafeung, nafim
Bierraben unb Södnifc unb rourbe erft bura) ben SBiberftanb
oon Greif cnfjagen aufgehalten. 31 ls bann aber &er3og 2Bratiö=
laro X. Xreptoro junidgeroaun unb oerljcerenb in baö s H2edfen=
burgtfd)c einfiel, nal)m er bie Bermittelung dolens unb ber
£anfa an. Januar 1469 rourbe 311 s £reii3lau ber Solbiner
Vertrag 'erneut. $ber roieberum rourben bie Bommern roort=
brühig: ftatt bie @rbl)ulbigung 311 leifien, erneuten fie bie geinb;
feligfeiten. Seine gaiise Kraft roanbte griebria) nun gegen
Uedermünbe, um oon bortljer ben Stettinern ben Seeocrfefn:
ju fperren. 3lber bie Belagerung 30g fid) in bie Sänge; bie
Sebenömittel rourben fnapp. 3luf bie Kunbe 00m 3Inmarfd>
eineö (Sntfafcfjeereö fjob griebrid) bie Belagerung auf unb eilte
unter 3urfid(affung fogar beö ftefdmfccö nad) ber Wlaxt, bie
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160 Crfte* $Bu$. Sie (Elemente be* preufcifäen Staate« (6id 1598).
Don ben nadfjbringenben geinben mit SRaub unb 93ranb Ijetm--
gefugt würbe. 9iur um einen bof)en $reis — bie Unterroerfung
unter ben Sdfn'ebsfprudj) bes ^olenfonigs in betreff ber branben=
burgifdjen ßef)ensl)of)eit über Bommern — erhielt er 9Baffen=
ruf)e bis ©nbe Slugufi 1469. Sie rourbe um ad)t SRonate oer*
tängert, als man ftd; auf einem £age ju Sßetrifau nidjt einigen
fonnte unb ein SRedjtsgutadjten ber ßrafauer 3uriften einju^
l)olen befd&lofj.
griebridfj II. mar bes Kampfes mübe. ©eine ernfte / pein;
(id) geroiffentyafte, faft fdfmjermütige 2lrt fanb ftdfj in ber Sßolitif
mit ifjren jäfjen Umfdfjlägen nityt §uredfjt. Sein moralifdjer
3bealiSmuS, ber überall mit ber raupen 2Birflidjfeit follibierte,
füllte ftdfj gurücfgefto&en oon ben 9Henfd)en unb fingen, bie
ifm umgaben. ©r feinte fid& aus einem 33eruf, ben er mefir
aus $flidf)tgefül>l als aus Sitft an ifmt unb bem gefjofften 6r=
folge übernommen t)atte. 2ludf) plagten iljn allerlei förperliäje
GJebredfjen. So erbot er ftdfj gegen ein 3afjrgelb oon 6000 ©ulben
unb Ueberlaffung ber ^leffenburg in granfen feinem ©ruber
9llbredfjt bie 3)Jarf abzutreten. Steffen tf)atenfroljer Sinnesart
frcilicr) entfpradf) bas ntdfjt : aber oergeblid|j riet er bem ©ruber
auf bem $lafc ausharren, auf ben it)n bas Sd&itffal geftellt
fjatte. 2tud(j bie märftfdfjen Stänbe ftimmten $u. So jog
griebridf) im grübjafn: 1470 naa) granfen; aber niajt einmal
ein 3a^r t)at er bie erfefjnte !Rur)c genoffen: bereits am
10. gebruar 1471 ftarb er.
9ttübe unb enttäufd)t fiaben bie beiben erften l)of)en=
jollernfdfjen SJlartgrafen bas iljnen befohlene Sanb oerlaffen.
föeimifdj Ratten fie ftdf) bort nid&t gefüblt, roie fte mit ifjren
fränfifdfjen SRäten unb Wienern audj ber ©eoölferung fremb
geblieben roaren. 91id[)t blofj pcrfönlic^e unb lanbfdfjaftlidfje, aud;
polttifdfje Momente oerfa^ulbeten bas. $te 3ntereffen bes frans
fiferjen SBefifees graoitierten in einer gan3 anberen Sfltdfjtung als
bie ber Warfen: roas biefe förberte, mar jenen beinahe oer=
fjängnisooll geworben, äßeber in granfen nod(j in ben Warfen
Ratten bie &of>cnaoflern ifjr 3iel erreicht, ja fie burften frolj
fein, ifjre Stellung notbürftig behauptet 3U fjaben. 3efet fdfjienen
fict) günftigere Slusfidjtcn gu eröffnen, Seit bem £obe 3o*
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II. 2)ic SWarf Skanben&urg.
161
liannfi (1464) £err beö ganzen fränfifdjen ^auöbefi^cfi, fam
2llbredjt nun audj in SBranbcnburg jur ^Regierung. Slbcr roäfirenb
man erwartet, burd) bie ©infefcung einer folgen fiausmadjt
inmitten ber großen firdjlidjen unb politifdjen SBirren ber $zit
bie ^oOenjoHeru ju einer gebietenben Stellung aufzeigen $u
fef)en, fjat bie Regierung 2Ubredjtö oictmefir burd; il)re
erfolge erft rcd)t gezeigt, bafc bie Skrbinbung ber 3JJarf mit
ben fränfifdjen Sanben unnatürlid) unb nadjteilig fei. ®er
treuefte SBorfämpfer befi abfterbenben SReidjfigebanfenfi , fjat
3l(bred)t in mutantem, aber oergeblidjem fingen einfeljen
müffen, bafe bie 3 u ^ un f J feine© Kaufes, foQte fie auf fjö^ere
3iele gerietet fein, vorbehaltlos auf bie 3)farf gegrünbet werben
mufete. Unb mit weitblidenber gürforge fjat er oon ba aus feinen
91ad)fommen ifjre 33af)n oorge$eid)net. Sarin oor allem, ja
oießeidjt barin allein liegt feine gefdjid)tlid)e 93ebeutung: erfl
burd) Um ift baö Sdjidfal ber ^obenjoßern unlöölid) mit bem
ber 9Warf oerfnüpft unb babnrd) beiber 3»nmft beftimmt roorben.
9lid)t eben glütflid) ^aben bie 3eitgenoffen nad; bem 93or=
gang bes fd>önrebnerifd)en ©nea Siloio 2llbred)t ben Beinamen
2ld&illefi gegeben. 93on biefem Ijatte er fo wenig, wie etwa
flaifer griebrid) III. oon einem Agamemnon, ^erfönlidje tapfer?
feit, nod) baju an baö $aubegentum ftretfcnb, unb militärifdje
Begabung machen nod) lange feinen ^eliben. 3Bof)l galt
3llbred)t für ben ftreitbarften beutfd)en Surften feiner 3eit, wie
fein £eib mit un$äf)ligen Farben bebedt mar: im örunbe aber
mar er bod) mef>r ein oerfdjlagener Diplomat unb ein fürforglidjer
ßaufioater oon ungcwöfmlid)er ftnanjieUcr SBetriebfamfeit. Ob*
gleich er in bem grofcen fird)liaVpolitifd)en 3ntriguenfpiel jener
^afjre ben Beinamen bes beutfdjcn gud)fes erhalten fjattc, er*
fdjetnt er bodj aud; ba als ber 3)Jann ber niebrigen töefidjts*
punfte, ber fleinen ©Uttel unb ber augcnblidlidjcn 3lufif)ilfen.
9iur $eutfd)lanbö 3lrmut an ftaatömännifdjcn Talenten madjt
es begreiflidj, roie ein gürft oon fo auögefprod)enem Sinn für
bafi ftleine unb fo befdjränft ritterlid)er Senfmeifc, in ben
9J?ittelpunft ber 9ieidj$polittf geftedt, eine SHolIe fpielen fonnte,
bie weit über feine gä^igfeiten hinausging. 3ft baburd) bod>
bafi 33efte, was er befaß, bie Begabung für bie Verwaltung,
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162 Grfteä 8ud). £te demente beo preufjifdjen ©taateä (biä 1598).
an ber rechten 33etl)ätigung gehinbert morben, jumal fein leicht?
(ebiger Optimismus ihn bie Tinge meift aQju gtinftig fehen liefe.
Ter 2Karf blieb aud) 2llbred)t ein grember. 9lux bret=
mal ^at er länger bort geroeilt unb jmar jumeift in finon=
jieHeu Öefdjäften. Seine fisfalifchen ^enbenjen aber rourben
ben Üflärfern baburdj nicht erträglicher, bafj er für fic bie
faiferlidje Autorität einfette. Sonft trat eine 3lenberung ju-
nätfjft nid)t ein: Wibrecht ernannte ben bewährten Seffelmann
Sum „Wegierer an feiner Statt", in ©emeinfdjaft mit feinem
Sohne Sofjann, ber fdjon feinem Oheim griebria) $ur Seite
geftanben hatte, baffer auch aUcö mit beffen 2tugen faf) unb
namentlich feine geiubfdjaft gegen bie Stäbte teilte. 2ludj
rourbc bereit Oppofttton bie Cueße finanjieHer Verlegenheiten.
Um biefe brel)t fidj eigentlich in ben näcbfien 3ahren bie QnU
micfelung ber Warfen. Selbft ihr territorialer Seftanb rourbe
oon hieraus gefäfjrbet, ba einzelne ©renalanbfcfiaften fidj bem
fififalifchen Trucf, ber bie hohenjoflernfehe ^errfdjaft roie eine
Srrembherrfdjaft erfahrnen ließ, burd) 2lbfaH ju ben yiad)bax=
fürften $u entgehen fudjten.
3n (Erinnerung an bie ginanjnot griebridjö IL, ber frei-
lid) nach feiner Meinung nicht £au3 $u galten oerftanben,
mar 3Uoredjt bei feinem erfleu (Srfcheinen in ber 2)torf im
&erbft 1471 angenehm übcrrafdjt burch bie ®röfee unb 2Bohl=
habenheit bes ftäbtereichen Sanbeö. Xa bie Stäbte bereitwillig
bulbigten, fo meinte er feine leeren Waffen hier bequem füllen
$u tonnen. Sein fränfifdjes (befolge aber, baheim fnapp ge=
halten, griff bei ben Öaflereien, welche bie Stabträte jum
Söiüfommen anrichteten, mit anftöfjiger öier ju, roährenb es
ben 2lbel burch feinen ©odjmut beleibigte. damals fam bas
böfe 'Boxt oon ben „£ungerfranfen" auf. 9lua) mußte bie
33eftätigung ber ^rtoilegten gegen ben brauch burch l;ot>e
ÄaUjjleigebühren erlauft werben. Stuf einem Sanbtage *u Berlin
aber — im Januar 1472 — forberte Wibrecht gar jur Tctfung
ber burch ben pommerfdjen ßrieg aufgefummten Schulben oon
124 000 ©ulben 100 000 ©ulben, $u bereu Aufbringung oier
^ahrc oon jeber £onne 33ier unb 2Bein jwei törofdjen ent=
richtet werben fottten. Sodj brang er bamit nicht burd) unb
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II. Sie 9Rarf Sranbcnburg.
163
war efi f d^tiefelid^ aufrieben, bafe bie Stäbte 50 000, Prälaten
unb SRitterfdjaft 30 000 öutben aufbraßten, 44 000 aber er
felbft trüge. £iefe befdjaffen, legte er unter Berufung auf
ein fatferlidjeö ^rtoileg oon 1456, ba§ feinem £aufe nad)
©utbünfen neue 3öße $u erfjeben gemattete, auf atle in Tonnen
gefjanbelten SÖaren, alfo aud) auf gifd)e, geringe, £alg, £fjran
unb &onig, ein £onnengelb. ©in Sturm bes Unwillens erlmb
nd): &anbel unb SBerferjr mürben gu Örunbe gerietet, bie un=
entbef)r(ia)ften Sebenfimittel unerträglid) verteuert merben. SRa*
tfirlidj beitritt 2llbred)t baä, erflärte audj jebe SBibcrrebe für
unjuläffig, ba es ficr) um einen faiferlidjen 3°ß fmnble, bem
jebermann im Sfaidje fidr) $u fügen f)abe. £ennodj rourbe bie
3af>lung oietfadj oerroetgert, obgleich beö tfatferö SRedjt jur
$erteif)ung fötaler SßrioUegien fügtidj nid)t ju beftreiten mar.
£af)er erging ber Sprud) ber übrigen (Stäube, ben beibe £etfe
angerufen Ratten, im 3Här$ 1473 gegen bie (Stäbte. ftaum
aber fmtte 2Ubredjt bem Sanbe ben dürfen gefefjrt, fo mürbe
bas £onnengelb roieber oielfadi oerroeigert, ja manage ©täbte
teifteten aud) bie fonft übüdjen 3ö¥""9cn nid&t. 2Bo er burdj=
zugreifen oerf ud)te, ftieft Sofaim auf fo entf$ (offenen SBiber*
ftanb, bafe er surüdroidj. Salb mußte er nidjt, mie er audj
nur bie bringcnbften *8ebürfniffe befriebigen fottte. Sie 2)iittet
jur Sluörtdjtung feiner föodjäeit mit Margarete oon ©ad)fen
aufzubringen mar unmögfidj. 3n ben Stäbten maren Tumulte
unb tärmenbe Semonftrationen an ber XageSorbnung. SBufjten
fdjon bemgegeriüber ber getreue (Seffetmann unb ber feaupU
mann Suffo oon 9Uoenö(eben feinen $at, fo ftieg ir)rc 39ebräng=
nte nod), ate bie Bommern $u ben 2ßaffen griffen unb bie
©renälanbfdjaften oerroüftenb fjeimfudjten, bie 6täbte aber bie
&eeresfo(ge oermeigerten.
Sie pommerfdie grage Ijatte tnsroifdjen neue äöanblungen
erfahren. flaifer griebrid) rjatte bie früher beftrittene {'S. 159)
branbcnburgifdje £ef)en$I)of)cit anerfannt unb 1470 jugleidj mit
ber 3)?arf aud) baß gürftentum Stettin, Bommern, ßaffuben,
2i'enben unb öligen 2Ubred)t übertragen. £er SSiberfprud) ber
^erjöge CSrict) 11. unb SSratislaro rourbe abgeroiefen: 2llbredjt
fottte fein 9ied)t Clingen bürfen. £odj (jatte biefer bamate
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1(54 ©rfte§ «uc$. $ie demente bcä preufüföen Staates (biä 1598).
anbete ©orgen. 3" bem ftampf um bie böf)mtfd)e Ärone, ber
nad) bem £ob ©eorgs oon ^obiebrab (22. 9Wär$ 1471) jtotfdjen
bem ungarifdjen SUationalfönig 2ttattf)ia3 (Soroinud unb beä
^olenfönigs ftafimir <3ofm äBlabtälaro entbrannt war, war
ein grofjer £eil oon ©djlefien in bie &änbe ber Ungarn ge=
fallen. 91un Iwtte Sltbrec^t aßen poHtifd&cn unb firdfjlidien
©egemoirfungen jum £rofe feine Xodjter Urfula im gebruar 1467
bem sroeiten ©ojjne bcö Slönigs ©eorg, &einria) oon 9Hünfter-
berg, oermät)lt, unb im grüfjjafn* 1472 »ertobte er bie jugenb*
lt<t> Barbara mit &einridj oon ©logau, beffen $erjogtum,
blieb bie @f)e finberloö, an bie ^enjollern faden follte. Sa*
gegen ertjob fidj, ungarifdfjer §ilfe fidler, ber toilbe £anß oon
©agan: feinen oon Sranbenburg belehnten 93ruber 33altf>afar
Ijattc er ber §errfcr)aft beraubt unb getötet. 3lun oerfaufte
er fein Sanb an Jturfadjfen, ofme 5Rü<fftd)t auf bie 3Recr)te beö
©logauer Detters. 2Usbalb regten fidj audj bie Bommern
toieber. Sratidlaro forberte in ben an Sranbenburg gefaflenen
©ebieten bie föulbtgung; in ©arj liatte er 93erbinbungen an=
gefnüpft, um es bei erfter ©elegenfjeit jurüdjugetoiunen. 3n
ber 9ftarf aber toudjs bie ©ärung : nad) geheimer SBerabrebung
leifteten bie ©täbte toeber bie geforberten 3afjlungen nod) mtli--
tärifdjen 3«3»Ö- $a&er tourbe unter 33ermittelung 2)te<flen;
burgft unb bes 5laiferö am 31. 9ttär$ 1472 511 s $ren$tau nrieber
einmal über Bommern pafttert: SBappen unb £itel ncbft ben
ttmen früher überlaffenen ©d)löffem unb ©täbten blieben ben
^o^enjollern ; audj iljre Sefjcnölwfjeit rourbe anerfannt, bodj
follten bie öerjöge ilinen nur burdj £anbfd)lag £reue geloben,
bie ©tänbe aber fjulbigen. tiefes Stöfommen fanb 1473 bie
Buftimmung beö ßaifers.
2Bie wenig es nad) 2llbred)tö ©inn mar, teljrt ber @tfer,
womit er nun gegen bie oorging, bereit Dppofition it)n am
energifd^en fianbetn gefunbert J)atte. 9)iit tfömg Gfjriftian I.
oon Sänemarf, feinem Sßerbünbeten gegen Bommern, plante
er bie 5Wiebertoerfiing ber bem gürftentum fetnblidjcn ©eroalten
im Sanbe. £)ie mitlitt Üflad)t ber 33if$öfe follte gebrochen,
if)r ©infommen auf einen befdjeibenen ©afc rebujiert, baö
übrige bem Sanbcsfjcrrn jur Verfügung gefteßt unb bie ©clbft=
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II. £te a)torf »ranbenfcurg.
165
regierung bcr Stäbte aufgehoben werben, inbem bie Ernennung
bes 9iats foroic bie Orbnung oon 3°ß/ ©teuer unb ®erid)t
an ben Sanbesljerrn tarn. Sold) Streben lag im 3uge ber
3eit : ä&nlidjes war eben burd) bas oer jüngte nationale König-
tum in granfreid), in Surgunb bura? Karl ben Kulmen ge=
fajejen. Satyr fknb 9llbrecr)t babei aud) nidjt allein: ber
Surgunberfjerjog, Kaifer griebriä) wollte mitten. 2lud) @ngs
(anb unb Sdjottlanb unb felbft bie bnnaftifa)en 93erwicfelungen
in Italien waren mit in bie Kombination gebogen. 2lber ber
23rud) bes Kaifers mit &er$og Karl unb bas Entbrennen bes
92eufjer Krieges oereitelte alles. $ann führte bie Kataftropf)e
bes 33urgunbers eine 9tieberlage bes güTftentums überhaupt
fjerbei. 33on teilmeifer Säfulartfation ber Kird)engüter unb
ber Beugung ber Stäbte unter bie fürftlid)e mütür mar aud)
in ber 2Rarf sunädjfi nü$t bie Hebe. Vielmehr gab 2llbred>ts
erneute SBebrängnis burdj auswärtige geinbe aud) ieinen ein»
f)eimifd>en ©egnern balb ®clegenf)eit, jugleid) mit ifn*em &afj
iFire gurd)t oor ifmt 511 betätigen, £er 2lnfto{? baju fam
roteber oon Bommern.
3m Einoerftänbnis mit feinem Of)eim äßratislaw badete
33ogislaw X., ber 1474 feinem $ater ©rieb II. in Stettin
folgte, ben läftigen ^renslauer Vertrag oon 1472 ju jerreißen.
$er 2lugenbli<f fdjien gefommen, als im gebruar 1476 £ein=
ridj XI. oon GJlogau ftarb unb feine jugenblid&e Söitwe SBar^
bara burd) £ans oon Sagau bes ir)r jufte^enben Sanbes be=
raubt rourbe; nur Kottbus rettete 3of)ann oon Sranbenburg
für feine Sdjwefter. §inter bem Saganer aber ftanb auf ber
einen Seite 3Battfn'as EoroinuS, ber oon Sd)leften aus jeben
Slugenblid über bie 9Jlarf Verfallen fonntc, auf ber anberen ber
£eutfd)e Orben, ber, gegen ?>olen rüftenb, ben 9Jlarfgrafen
burdj Sflüdforberung ber 9ieumarf unliebfamft überrafebte. 3m
fianbe felbft aber bauerte bie Unjufriebenfieit an: bie Stäbte
weigerten ©elb unb ÜWannfdjaften, bes 2lugcnblicfs gewärtig,
wo ein allgemeiner 3"fammenbrudj fie oon ber fräntifd)cn
£errftf)aft befreien würbe. 3n biefer Sebrängnis rief Sodann
ben 33ater berbei.
3m grübjabr 1476 fam 21lbred)t jum jweitenmal in bas
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1$(5 (Srfieö $u$. Sie (Elemente bea preufjifäen Staate^ (bi$ 1598).
£anb. Sie Gntfa)etbung ber Waffen ju fucfien, wagte aber
aud) er ntdjt, fonbern nahm feine 3 u ffad)t ju biolomatifdjen
Mnften. 3nbem er oon ben Stäbten bie einen burdf) 3 U =
geftänbniffe gewann, fonnte er bie anberen burd) 3wang beugen,
©ern löften fie ben ftrittigen 3oH um ei« ^aufdjquantum ab.
$en jungen <Pommernf)er5og SogtSlaro X. trennte er oon
feinem fricgöluftigen Df)eim buraj bie 2lusnd)t auf bie &anb
feiner 9iid)tc 3)iargaretf)e. Wü §ans oon Sagau »ermittelten
bie Stänbc bes $er$ogtums ®logau einen Stiflfianb. ©te
Stnerbietungen bes Ungarnfönigs bagegen lehnte Sllbredjt ab,
obglcidj fie bie (Erwerbung ©logauS ocrf)ie&en. Vtelmefjr fdjlofj
er fid) noef) enger an beffen (Gegner, inbem er bie junge SBttwe
33arbara 2BIabidlato, bem Sof)nc bes ^olenfömgs, oerlobte.
Schwer mufete bie 9Warf bas büßen. Kaum mar 2llbred)t nadj
granfen jurütfgefefjrt, als &ans oon Sagan unb ungarifdje
Sparen über bas Sanb Verfielen, baß ^ofjann trofc ber £üfe
Sogislaws X. bis granffurt oermüften feben muftte. 2lls
gleichzeitig 9)tattl)ias Goroinus in Defterreid) einbrang unb
(Snbe 1477 ben tfaifer gu einem grieben notigte, ber ifm als
flönig oon Söhnen anerfannte, ba blieb aud) bem 9Jiarfgrafen
feine 2Baf)l,- als burd) fdjlcunigcn 2lbfd)luf; eines StiUftanbes
weiteres Unbeil abjuwenben.
9lun aber fdjlug SBratislaw oon Bommern los. 3m erften
Anlauf nafym er ®ar$, 3Merraben, Königsberg in ber Heumar!
unb Slrnswalbe. Salb ftreiften bie Bommern bis Alüftrin. $>a
frielt fid) andj SBogislaw X. nidjt mebr jurücf unb naf)tn Söcfnifc.
Kaum mufjte 3of)ann, wo juerft abwehren, fjelfen, retten. £ie
ftäbtifdjen SWannfdmften erfdjienen nid)t unb bie abiigen Seyens;
leute gingen baoon, fobalb er ben dürfen fe^rte. £ie 3a&l
ber geinbc aber wudjs: 9ttecflenburg wollte Bommern fjelfen,
Sadjfen ftdj auf Soften SSranbenburgs oergrößern, ber $eutfdjc
Drben trat förmlidj unter ben Sdjufe bes Ungarnfönigs. §ans
oon Sagan leimte bie Verlängerung bes StiUftanbes ab, unb
fjinter ben 93ommernl)erjögcn erfwb ftdj bie &anfa, um bie ftäbtc=
feinblidjen £of)cn$oflern $u bemütigen.unb bie greifjeit if)rermär=
fifdjen ©enoffinnen IjerjufteHen. Slfles ftanb auf bem Spiel.
Sßieber eilte ba auf ben Hilferuf bes ratlofen Sofines, (Snbe
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II. Sic 9)!arf ^ranbenburg.
167
3uni 1478, 2llbredjt herbei. GHänjenb Imt er fich ba bewährt.
Sein Verbienft war es, wenn bic 9)larf erhalten, bie 3 u ^ u nft
feines Kaufes gerettet würbe. Unb nicht biplomattfchen fünften
banfte er biefen größten ©rfolg feines fiebens, jonbern plan=
uottftem unb tbatfräfttgftem mUitärifdjen §anbeln. £ie griebens*
antrage ber SPommernberjöge, bie auf ben 2Begfaö ber braiu
benburgifchen Sehensbohett hinausliefen, wies er berb äurücf:
höchftens wenn er hinter Schloß unb Stiegel fäfcc, meinte er
bitter, f)ätte man iljm fo ehrenrührige Vorfchläge 511 machen
wagen bürfen. Such bie Stäbte befannen fich auf ihre Pflicht
unb bewilligten feine gorberungen, wofür er gern einiges oon
bem Verlangten nachliefe. 2tudj ber 2lbel, 3oh a «» gegenüber
fo lau unb unjuoerläfjig, fcharte ftdh tbatenluftig um ben ge*
feierten Hrtegshelben. Seit Sftenfchengebenfen war bas fianb
nicht fo einmütig, noch nie fo fampfgerüftet gewefen : 14 000 3Hann
3U guft unb 6000 Leiter rücften ins gelb. Unb meifterhaft
waltete Wibrecht feines gelbherrnamtes. Schnell warf er ^om=
mern nieber. Ohne fich um bas oergeblicb beftürmte ©reifem
hagen ju fümmern, brang er oon ber SReumarf aus bis ^nrifc
vox unb fchlofj bort $erjog Vogtslam ein. 3war entfam biefer,
mufete fich aber balb banadf), am 23. 3luguft, in bem Schlöffe
$aber ergeben. ©egen Slnerfenmmg bes hohenaoHernfchen Erb-
rechts, Verausgabe ber occupierten Orte unb greilafjung ber
(befangenen erhielt er grieben. 3lber fein Oheim SBratislaw
weigerte bie Uebergabe oon ©arj. Stes galt es fchleunigft &u
bewältigen : benn fdjon hotte auch ber Ungarn! önig ben ßrieg
erflart unb rüftete fich mit &ans oon Sagan Bommern ju
helfen. 2lber trofe forgfamfter Vorbereitung — bie bis in bas
einzelne ausgearbeitete 2)ispofition Wibrechts für biefe Slftion
ift erhalten — mifelang ber Angriff. Sa oermittelte (Snbe
September $olcn einen Stillftanb auf neun Monate.
Snjwifchen war ©ans oon Sagan im gelbe erfchienen : feine
ungarifchen ftitfstruppen richteten fich für ben 2Sinter in ber
Saufifc ein unb ftreiften oon ba weithin. 2)en SJBinter ocr=
brachte Wibrecht baher in wachfamer Sefenjioftellung, währenb
Sanb unb Seute ben grieben t)erbcifcr)nten. 2lber nach bem
£ob SBratislawS (13. Sejember 1478) £err ganj Bommerns,
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168 Grfteg öudj. £ie Elemente be$ preu&ifd)en Staate^ (bid 1598).
wollte Vogislam X. oon ber 2Inerfennung ber branbenburgifchen
Slnfprüche oollenbs nichts wiffen. 3ubem brohte .tfönig ^SRat-
tf)ias (oS3ufchlagen, nachbem er ftd) (September 1478) mit
SBlabiSlaw oerftänbigt unb mit fahren unb Schieten auch
bie Saufifc erhalten hatte. £en ttaifer hatte er bereit« ge^
bemütigt; oon ben beutfdjen gürften warben bie meiften um
feine ©unft ; Saufen mar bereit mit if>m gegen Vranbenburg
3U gehen; bie ftircfje feierte in ihm ben gelbherrn ber Gfjriften:
hett im ßampf gegen bie Surfen : weil er ihm entgegen mar,
traf 2Ubrcd)t bie ©rfommunifation.
©ot)( empfahl manches fid) mit bem Ungarnfönig 311 per*
ftänbigen : 2ll6red^t tonnte ber beften Aufnahme bei i(;m fidler
fein. 9lber er (jätte fein politifdjes Softem aufgeben, feine
Vergangenheit oerleugnen muffen unb bennodj nicht ooHe Sicher-
heit gewonnen. ©0 fyaxxtt er au*, roäfjrenb bas Sanb eifrig
weiter rüftete. 3u bem geplanten Angriff auf Stettin jwar
fam es nia)t, aber 9000 Ungarn, bie oon Schieten burd) bie
äWarf bem Orben gegen ^olen 31t fcilfe jietien wollten, würben
grunblich 3urücfgewieieu. üUIft bann aber bie dürfen Ungarn
bebrohten, mußte $önig "äflatthtas bie im heften oerfolgten
$läne aufgeben unb Wibrecht r)atte oon ihm nichts mehr 311
fürchten. 9Um machte auch Vogislaw X. am 2. 3uli 1479
3U ^renälau grieben. @ar$ behielt er jwar, empfing aber
Bommern als Sehen, für bas er mit &anb unb SWunb VafaHem
treue gelobte. 3üia) oer3ichtete Varbara gegen 50 000 SDuFaten
auf bas «Qcrsogtum ©logau. 9lls jebod) Matthias anberweitig
barüber oerfügen wollte, griff &ans oon Sagau 311 ben SEBaffen
unb bemächtigte fich Äroficn«, nahm aber 1485 einen Vergleich
an, nach bem ber größere Seil bes £er3ogtums ihm als erb=
liches böhmifcheö Sehen oerblieb, währenb Mroffen, Schwiebus
unb 3üUichau an Barbara famen. £afc er bem juftimmte, 30g
3ohann bes Vaters herben £abcl 31t. ,,.§ans ift für folebe
fragen/' meinte Wibrecht, „noch 3U jung: es wäre uns lieber,
er hotte einstweilen wilbc Schweine gejagt/' 9(ud) gelang es
1482 burd) einen Vertrag 311 Garnen, bie ber ,§er3ogm Var=
bara um 90 000 ungarische ©uloen oerpfänbeten ©ebiete um
Sommerfelb unb Vobersberg 311 oermehren, freilich unter 2ln=
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IT. Sie 2Worf SJranbenburg.
101)
erfennung ber ungarifdjen &!)enfif)ofjeit unb beö SRedfts auf
SBicbcreinlöfiutcj burd) bie ßrone Ungarn.
23alb nad) bcm 2lbfd)lu6 mit Bommern unb Ungarn mar
Sllbredjt nad) granfcn zurücfgeritten. 9öol)( burftc er fid) beö
©rfofgeö freuen. Ueberall erlitt $eutfdjlanb bamate territoriale
einbüße unb mußte fefjen, wie ^olen unb Siemen, Säuen
unb Ungarn, SBurgunber unb granjofen jia) auf feine Soften
oergröfjerten : gerabe an bem gefä&rbetften fünfte mar fein
SBefifeftanb burdj Sllbredjt, ber feine ÜRärfer mit ftarfer §anb
ju ^flidjtberoufetfein emporrifc, glütflid) geroal)rt roorben. SBenn
je, fo fyattc Sranbenburg eben bamalß feine Seftimmung als
beutjdje ÜKarf erfüllt. 2lber ber langanbauernbe Äriegfiguftanb
f>atte 3»^&t unb Orbnung gelodert, unb audj nadj &erfteHung
beä griebens beburfte efi unnad)ftd)tiger Strenge, um getjbe
unb SRaub auszurotten unb bie Sidjerljeit ber Sanbftra&en
tyerjuftellen. 2lnbererfettfi fd&roanb mit ber Äriegßnot audj bie
SienftnriUigfeit ber Stänbe mieber. etliche etäbte wollten
fel&ft bie Sanbbebe nidjt jaulen : auf 3of)anns ftlage oerurteilten
fte im fcerbft 1480 bie ©tänbe zur 3af)lung. Unter allerlei
SBorroänbeu iebod) leiteten fie biefe nidjt, fonbern bemühten
fid) erjt um @rleidjterung, bann um Öeroäfyrung einer mefn*=
jährigen grtft. 9hm meinten aud) bie übrigen Stäbte unb bie
3^ittcrfdt)aft oorläufig nid)tft jal)len ju müffen. £>a tooQte
iälbredjt jur (Bemalt greifen: ein neuer Stäbtefrieg märe ent=
branttt, f)ätte er bei ben benachbarten gürften £ilfe gefunben.
60 fam es ju einer Söerftänbigung, bie ber SJerlegenfjeit ber
Stäbte SRedmung trug, aber aud) bem SHedjte ber Sanbeafjerrs
fdjaft Genüge (eiftete.
immerhin ftf>äbigte biefer Ausgang baö fürftlidje 9tnfeljen.
2)ie bürgerlichen ©emeinben entzogen fid) ber 2luffid)t, ber
griebrid) n. fte unterteilt tjatte, unb 2llbredjt ließ baö ge-
fd)ef)en, wenn fie nur feinen finanziellen Sebürfniffen einiger^
maßen nadtfamen. 2)amit aber fteHte er felbft baft mieber in
grage, roafi für bie Warfen ber oorncfmtfte moralifdjc ©eroinn
auft ber fteimfudiung beö ^ommernfriegeft mar, ba$ burd) bie
gemeinfame 9iot erroedte @efüf)l ber 3 u f animcn Ö c ^örigfeit.
3a, inbem er bem Sonberftreben ber einzelnen Seile £pieU
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170 ©rftefi 93ud). £ie (slemente beä preufetfd)en Staatcd (bis 1598).
räum gab, erfdjroerte er bie (Srreidjung beß &\ek$, in bcffen
fonfequenter Verfolgung feine 33ebeutung oornefmtltd) beruhte,
bie ftaatlidje 3ufammenfaffung oer märftfdjen ©ebtete alß ber
eigentlidjen 33afiß für bie 3ufimft feines Saufet.
3f>r biente baß 2(d)iIIetfd)e Saußgefefc oom 24. gebruar 1473,
baß bie ßrbfotge im $of)enäoflerngefdjled)t orbnete. 3nbem et
gemäß ben SBeftimmungen ber ©olbenen Sutte für bie flur^
ffirjtentümer bic Unteilbarfeit ber märftfäen Sanbe unb ber
an fic faHenben ©ebtete außfprad), ftdjerte es bie (Stn&ett
SBranbenburgß, bereu (Spaltung, wie bie legten 93ern>icfetungcn
gezeigt, audj int 3ntereffe beß 9^cict)c6 unb ber beutfdjen Äul=
tur lag. 3 n bem 2llbred)t ferner oerfügte^ bafe bie SWarf feinem
(Srftgeborenen jufaflen unb in beffen Qaufe ftreng nad) bem
9fed)te ber (Srftgeburt »ererben fottte, nerfnflpfte er fte unlöß:
bar mit ber 3 u f un f* feineß @efd)ledjtß, baß bort ben Sd)roer=
punft feines Safeinß finben foüte. $ie &of}en$oflern Nörten
auf grembltnge in ber SKarf &u fein unb gaben fid) it>r enb-
lid) ju eigen: aus fränftfd)cn gttrften mürben fic märftfdje.
2)odj aud) ben fränfifdien Sefifc fieberte 2ll6rccr)t oor 3er=
fplitterung : er fottte in f)öd)ftenß juiei £eile außeinanbergef)en.
©o brad) bie Dispositio Achillea mit bem prioatred)tlidjen
Stanbpunft, ber baß fürftlidfoe Grbredjt in 2)cutfd)lanb bißfjer
bef)errfdjte. Sie juerft brachte bie jener Reit nod) frembe 33or=
fieffung jur ©eltung, baß bie ^errfdjaft über Sanb unb Seute
nidjt befjanbelt werben bürfe wie ein prioater ©runbbeftfe, ben
ber Vater unter feine ßinber außteüt. Vielmefn* offenbart jtdj
barin bereitß bie ©rfenntntß, bafe bie öffentlid&e ©croatt ber
©intjeit unb einer geroiffen gütte beß Seftfceß nidjt entbehren
fann, wenn fte anberß itjren 23eruf erfüllen foll, roeil ber Staat
ein tebenbiger Organißmuß pljerer Orbnung ifl unb nta)t auf
bem 2öege einfacher 9(bfpaltuug immer neue, ifnn gteidje Orga=
nißmen erzeugen fann. $ie 2J?Öglid)feit sunt Staat $u roerben,
tft 33ranbenburg erft burdj 2Ubredjt gegeben roorben.
3ugleidj aber übte $llbred)t 3ld)ill burd) biefeß ©außgefefc
unberoufjt bod) aud) eine ßvittf an feinem eigenen fürftlic^en
Streben, baß, nadj entgegengefc^ten ftidjtuugen außeinanber
gefienb, ber <5inf)eit unb barum beß redeten (Srfolgeß entbehrt
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II. £ie 2J!arf «ronbcn&urg.
171
Ijatte. SHirdfj feine fränfifdjjcn Sanbe in alle baS 9leia) erfüHenbe
SBirren gesogen, in engftem 2lnfd)lufe an ben ftaifer, in bem
er nodj immer ben Präger ber f)ö$ften OJcroalt oerefjrte, unb
fo tiefer affi roünfdöcnßrocrt in bie gro&e spolitif oerflodjten,
hatte er in ber 3Warf sunäd&ft mir eine finanziell roertootte
Bugabe ju bcm ^o^enjoUernfc^en &an$bcfife gefcben. $es()alb
tyatte er fie ber Obljut feine« älteftcn ©ofmeö überlaffen, oon
beffen ©aben er felbft niäjt f)oa"j badete unb beffen 99ebräng=
niffe er als felbjtüerfdjulbete gering adjtete im SBergleidj mit
ben eigenen ÜDtüljen unb ©orgen. (Srft roäbrenb ber großen Älriftft
ber 3ofjre 1477 — 1479 fjatte er in ifir ba§ £auptlanb fefjen
gelernt, auf baß bie 3 u ^ un f^ feines Kaufes gegrtinbet werben
mußte, follte fie anbcrö ben unberedjcnbaren <Sd)roanfungen
entzogen werben, bie fie roäfjrettb ber legten jroei 5Wenfdjenalter
bebrof)t Ratten. Sann erft fonnten bie märftfdfjen §of)enjolIern
ifjren eigenen 2Beg gefien, mit bem Sanbc rcrtöad&fen, in bem
SUbredjt felbft ein grcmbling geroefen unb geblieben mar.
So ift s illbred)t 2ldf)ill beim aua? ber lefete f)of)enjolIernfd)e
SRarfgraf oon Sranbenburg, ber, fern oon ber SRarf, in granfen
feine 3Ruf)eftätte gefunben f>at. 3lm 11. 9Rärj 1486 mürbe er
in Sranffurt am s 3Kain, roo er nodfj an ber 2Saf)l 9Jiarimilianß
$um römifä^en ftönig teilgenommen fyatte, oon einem fanften
£ob ereilt. 3n bem ßlofter &eilborn, roo fo oiele feiner 93or*
fahren ru^en, ift er beftattet roorben.
I
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III. Brandenburg im Hebergang jur neueren 3eif
unb bie etilen märnifrfjen ßofjenpllern
1486—1535.
lüljann ®i«ro 1486—1490.
toci SHenfdjenalter fyatttn bie fränfifd)en ^ofjenjollern in
ber Warf gewaltet. Gntfpradjen ifjre (Erfolge ben Slbfidjten, mit
benen fie in ba§ £anb gefommen, unb ben Erwartungen, bie
oon tynen gehegt roorben waren?
Sie grage wirb im loefenttidjen 51t oerneinen fein. 2tn
(gifer unb Eingebung, an Wüf)e unb ©orge tjatte es feiner
oon ifmen feigen laffen. £af$ nid)t me()r erreidjt mar, fjatte
namentlia) ber Dualismus verfdjulbet, 311 bem ibre ^ßolttif
burd) bie 3 l, f am mengefjörigfeit bea alten fränfifdjen £au$=
befifces unb ber ÜJJarf oerurteilt mar. Verlangte biefe 51t oollem
©ebei()eu Söfung oon ber 9ieid)dpolitif, fo gewann jener S9e=
beutung allein burdj cnergtfd;eö eingreifen in fie. Xaran finb
griebria) I. unb Sllbredjt gefa^eitert. @S ift beö lederen 3Ser=
bienft, ba 3lbfnlfe gefdjaffen 311 Ijaben. Scbeutcte bie Trennung
ber Warf oon bem fränfifdjen ßaudbefifc bodj nidjtö anberes,
als ban bie Sofienjollern, bisher gremblinge in SUranbcnburg,
fjinfort suerft biefem gehörten.
£a§ änberte aud) ifir 33erl)ältnis 3U Sanb unb Seilten.
Wit 3°*) anu ronrben bie &ofjen3oflern Warfer. £er ©cgenfafc
fdnoanb, in bem fie mit if)ren fränfifdjen 9iäten unb Wienern
311 ben ©infyeimifdjen ftanben. §atte es bodj 3iiweilen faft ben
3lnfd)ein ger)a6t, afö wollten fie fid) bei ber &nappf)eit ber
Wittel in ifjrer &eimat an bem &>of)lftanbe ber Warf erholen.
£aa böfe ÜBort oon ben „&ungerfranfen" Ratten 2llbred)tö.
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III. Sironbcnburg im ttebergang jur neueren 3 e it- 173
ftfifalifdje SHaßregeln nid)t roiberlegt. 3efet grünbeten bic £ol)ens
joHern ir)re 3ufunft auf bie 9ttarf. greiltd) wußte bort nun
bie ftänbifd)e Oppojttion, baß aud) bie 9)Mttel ber fränfifd)en
^ofienjoUern nid)t mefjr gegen fie oerroenbet werben tonnten,
unb ftrcbte um fo mef)r nad) ©eroinnung größerer greifet.
3bre älteren 9?ed)te fjatten bie Stäube ohnehin im roefentlid)en
behauptet : iiidt)t bloß bie legtelatioc 2l)ätigfeit ber 9Rarfgrafen
mar an ifjrc 3uftimmung gebunben, fonbern aud) bie gefamte
Steuert-erroaltung fjing oon ilnien ab, ba aud) bie ©tnf)ebung
burd) ftänbtfdje SBeamte gefdjaf). Unb nun fjatte bie 2lrt, rote
2llbred)t ben auf fähigen ©täbten gegenüber bei ilmen fein SRedjt
fua^te unb fanb, fie als gleid)bered)tigten gaftor neben ben
£anbesf)errn gefteflt. So fal) ftd) 9)tarfgraf 3ofjann oon inneren
<Sd)roierigfeitcn bebrängt, bie aud) bie ©eltung Sranbcnburgö
nad) außen minberten. 2luroartfd)aften, bie nod) 2Ubred)t glütf;
lid) oerteibigt tjattc, gingen oerloren. 3m SReid) fanf bas 9lns
fe^en ber &ol)en3oflern. £od) rourben fie aud) oon ben ftrtfen,
bie baöfelbe erfd)ütterten, weniger in 9)iitleibenfd)aft gebogen.
2llbred)t§ größter Grfolg mar bie Häuptling ber £el)ens=
F>of)eit über Bommern geroefen. Johann büßte ne ein unter
bem $rud berfelben Kombination, bie feinen 33atcr fo fd}roer
bebro^t t)atte. $aß man it)n i486 gur tfönigöroatjl nid)t r)in=
jugejogen Ijattc, obglcid) aud) er — roie ber $ole SSlabiälaro
— flönig oon 93öf)men f)ieß, rooütc fdjon 9)iattl)iaß oon Ungarn
SBranbenburg unb Sad)fen entgelten laffen. ü&äfjrcnb er ftaifer
griebrid) III. in Oberöfterreid) bcbrängte, fudjten feine 9iciter=
gefdjroaber bie 9)tarf oerroüftenb Ijeim. Qo^ann roar fror), ifjn
&u begütigen. Uebler roar bie 9ioUe, bie er nad) 9)iattf)ia$'
£obe fpielte. SRedjt tl)at er, roenn er feiner fäd)ftfd)en ©ematylin
Margarete (Srbredit auf Ungarn nidjt »erfolgte: für bie &ol)en=
Rollern roar bort nid)tÄ ju geroinnen. 2lber inbem er bafi $cr^
löbniö feiner Sodjter Barbara, ber verwitweten &erjogin oon
(Mogau, mit Sölabiölaro, bem polnifdjen SBöljmcnföntg, baran
gab, um biefem bic ©f)e mit 2)?attr)iaö' äBitroe ju ermögltd)en
unb fo ben Scg aud) jum ungarifd)en £f)ron 511 bahnen, be=
günftigte er, roaö er um jeben ^reiö ju Ijinbem fud)en mußte:
Ungarn unb 33öfmten roaren in einer £>anb. 2rug Sölabiölaw
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174 ßrfteS Sud). Tic Elemente bes preufjifojen Staate» (6iö 1598.)
bann cinft nod) bie polnifche Krone, fo fonnte bas Sranbenburgs
unb Seutfdjlanbs Verhängnis werben. 2Sof)l fudjte Sodann
ftd) mit Sfilabislam gut 51t fteQen. 2lucb machte ifnn biefer
einige ^ugeftänbniffe. ^nbem er au f Den SHttdfouf oon troffen,
^üUid^an unb Sommerfelb oer$id)tete unb Johann an ber ©r=
Werbung oon 3offcn nicht 51t hinbern üerfpradj, würbe ein alter
(Streitpunft beseitigt unb bie beforglidje ©cftaltung ber 2>inge
im Süboften beu öohenjoHern wenigftens erträglich gemalt.
2lls aber fpäter 2£labislaw nach Verfügung feiner finberlos
gebliebenen ©emahlin Johanns £odjter ehelidjen wollte, in ber
Hoffnung, burd) bie ©eburt eines Dölmes ben 21nfaH Böhmens
an griebritf} III. abjuwenben, ba genügte bes lefeteren 6in=
fprudj, um ben s i)<arfgrafen ju einem SBerjidjt auf biefen $lan
311 beftimmen. Senn wie fein $ater, fo fonnte audj 3ol)ann
fict) 00m $aufe &absburg nicht losmachen unb erfuhr wie jener
beffen Unbanf — sunädjft in Bommern.
Tort hatte feit bem ^Srenjlauer Vertrage 00m 2. ^uli 1479
^er^og Vogislaw X. bie fürftlidje Autorität auf Soften ber
ftänbifchcn £elbftherrlichfeit befeftigt unb erweitert. £od) wud)S
aud) bie alte Abneigung gegen SBranbenburg, jumal bei ber
Unfrucbtbarfeit oon VogislawS Che mit Margarete, grieb=
rid)ö II. Xod)ter, ber ©cimfaU bes fianbes an bie §of)cnjoIIern
brofjte. %a ftarb Margarete 1489 / unb ber £erjog uermählte
fid) mit ber polnifdjen Königstochter Sophie: bie <Söf)ne, bie
fic ihm fchenfte, fieberten auf Generationen ben 23eftanb feines
©efd)lcd)ts. Um fo mein* erftrebte ©ogiälaw bie Sluffjebung ber
branbeuburgifchen Sefjenshobett, unb nicht blofc $olen, fonbern
aud) König iDiarjmüian leiftete bem Vorfchub, inbem er, wie
gelegentlich fd)on fein Vater (£. 159), bie 5Rei^Sunmittelbar=
feit Bommerns behauptete, tiefem jwtefachen $rucf mufete
Johann nachgeben, 3m gebruar 1492 tagten SBeooHmächtigte
beiber Seile 311 Königsberg in ber 9ieumarf. dolens unb bes
römifejen Königs ftcher, wollten bie Bommern es auf Giewalt
anfommen lafjen, gumal bei bem Reichtum ihres Sanbes an
natürlichen Verteibigungsmtttelu unb feften ©täbten ein 2tn=
griff faum glüden fonnte. 91udj l)atte ^ofjann bie märftfdje
SRitterfdjaft unb einen Xeil ber ftäbtifdjen 9ttannfchaften §er$og
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III. SJranbenburg im Ue&crgang jur neueren $tit
175
£einricf> bem Weiteren oon 33raunfd)meig gegen feine fiaupt-
ftobt &ilfe gef^ieft. gür ben ^Berji^t auf bie ftrittige Sehend
hoheit aber bot SBogiölaro 2lnerfennung beö ^o^enjo Her nf d^en
ÜRadjfolgerechtö beim ©rlöjchen feines ^aufcö. Mati) längerem
3ögern ging Sohann barauf ein: im SKärj 1493 erfolgte ber
Slbfd&üii
®eiotfj minberte baß bie branbenburgifdje ÜHad)t. 3lber
e$ mar bodj aud) ein @eroinn, baß an ber SRorbgrenje ber
3Warf enblid) ein juoerläffiger griebens$uftanb $lafe griff. 3» 5
bem Derpflidjteten fid) beibe Seile einanber gegen aufrührerifdje
Untertanen Söaffenhilfe 511 leiften. ©erabe baö mar für 3°=
hann oon 33ebeutung : nun erft burftc er hoffen, bie märfifchen
©täbte ju bewältigen. <5r fjatte bie Demütigungen nicht oer*
geffen, bie fie ihm nod) als Vertreter bes SSaters bereitet Ratten.
Die Verfügung über ihre finanziellen unb militärifd)en s JJtittcl
$u gewinnen, tr)at um fo mehr not, als unter Sllbredjt aud) ber
2lbel roieber unabhängiger geworben mar. 23canfpruä)tcn bodj
oiele Sdjlofeherren baä föeajt bes (Meitfi ber ftäbtifdjen 2Bareu=
$üge burd) ihr ©ebiet, ja fogar bas ber ©elbftf)tlfe unb ber
gefibe, unb gemährten (anbflüd)tigen SSerbrcdjern aus ben 9iaa>
bargebieten ®d)ufe unb §ilfe. ^Bereits 1482 rjatte Johann bes=
^alb namentlich in ber ^riegnife ein ftrenges Strafgeridjt ge=
halten, inbem er eine Strahl oon SRaubburgen brach unb etliche
SBegelagerer auffnüpfte. Dauernbe Abhilfe aber mar bodj nur
in (Semeinfchaft mit ben benachbarten gürften ju fchaffen. 2Sie
einft griebrich I. fd)lof3 3of)ann besfmlb nicht blojj mit bem
@r$bifd)of oon 3Hagbeburg, mit fieffen unb ©adjfen, fonbern
auch mit Lüneburg, Ungarn unb Bommern Verträge, weldje
bie lanbfriebensbred&erifchen Stbligcn bes bequemen auslänbifchen
SRücfhato beraubten. Dennod) ftanben gegen bie Stäbte Slbel
unb ©eiftlichfeit mit bem Sanbesljerrn jufammen, fchon aus
finanziellem 3ntereffe, roeil bie Umlage ber bem Sanbcsherrn
bewilligten Steuern im wefentlidjen oon ihnen abhing unb baljer
meiftens 311m 9tod)tcil ber Stäbte ausfiel.
Diefes Verhältnis offenbarte fid) oon neuem, als im
gebruar 1488 bie Stänbe auf einem Sanbtage §u Berlin bem
9Jtorfgrafen bie 39ier3iefe, bie unter Stlbredjt fo heiß umftritten
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176 ©rftc§ S3uä). $ie demente bcö preu&ifajen Staate« (bid 1598).
mar, auf fieben 3af)re bereinigten. 23on jeber Sonne 33ier
füllten bic Stäbte aroölf Pfennige ergeben, aber nur ein drittel
befi ©rtrageö behalten unb auf ifjre 33efeftigungen oermenben.
SMe Stäbte ber 2Ütmarf roiberfpradjen, obenan Stenbal, wo
eine (Srfjebung ber GJeroerfe ben SlUberftanb ber ©emäßigten
nieberfd&lug. 2lel)nlid)e§ gefdfjafj in anberen altmärfifdjen
Stäbten. 2ll§ aber 3of)ann 511 geroaffnetem (Stnfd&retten rüftete,
liefe man eö nirgenbö auf einen ßampf anfotntnen. 2lm 25. 2flär$
unterwarf fta) Sangermünbe, tnufetc bie Sierjiefe glcidj für
eieren 3al)re ^ufagen unb büßte bie freie 9iatsmaf)l ein. 3n
Stenbal enbeten einige oon ben Seitern ber Steroegung unter
bem Sdjroert bes &enferö; von ber erl)öf)ten unb gletdj oier«
3e(m 3aJ>re ju jajlenben 2lbgabc büßte bie Stabt i§r drittel
ein; SJlünjredjt unb @erid)töbarfett mürben ifjr genommen.
Stnteenb mußte bie 23ürgerfd)aft 3of)ann ljulbigen. Slefmlid) er=
ging es bann ben übrigen altmärfifdjen Stäbten. $te Slbligen
mürben für bie Verlufte reidjlidj entfäjäbigt, bie ifmen bie
Streifjüge ber Slufftänbifcfjen bereitet Ratten. 2)ennoä) erneute
fidj ber SBiberftanb, al« 1495 nad) Ablauf ber fieben 3a()re,
für meldie bie 93ter3tefe bemittigt mar, bie Stänbe bie SBe=
roifligung für bie gleite #eit roieberljolten. ^amentlid) granf*
furt mußte erft burdj Strenge jur gügfamfeit gejroungen merben.
3m allgemeinen roaren bie Öegner ber S3ierjicfe bie nie-
beren Stänbe, bie ©emerfe, geroefen, mäbrenb, roie bafi 33ei=
fptel Stenbals jeigt, bie ftäbtifdje 3lri|tofratic ber ©efd&led&ter
fid) fügen rooHte. $af)er mar ber Ausgang bes Streites 511=
gleidj ein Sieg ber teueren unb fjatte innerhalb ber Stäbte
eine arijtofrattf^c ^eaftion jur golge. 3f)re Präger fud&ten
gegen bie murrenben nieberen Stänbe einen ^ücf^att bei bem
Sanbesfjerrn. Samit fd&roanb ber alte Vürgerftnn, unb erftaun--
lidj fdmeü" gemöljnte man ftdj baran, alles £eit oon ber Obrig=
feit ju ermarten. 2)a$u bemirften bie großen roirtfdjaftlidjen
Söanblungen tiefgreifenbe 3lenberungen in ber Verteilung oou
3lrmut unb 9Jetd)tum. £)er 9lücfgang ber &anfa 50g bie mär=
fifdjen Stäbte in 2Jittleibenfdjaft. 3>ie (anblicke S3eo5lferung
fing an fiefj nnrtfcfjaftlidj oon ber fläbtifc^en ju emanzipieren.
$as beförberte 3o^ann, inbem er oon bem Sanbtage ben
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III. SBranbenburg im Uekrgong jur neueren 3ett. 177
Sauern baä SHedjt juerfennen liefe, ihr ©etretbe in ben Stäbten
fiatt wie Ufytx ju bem oon bem 9iate normierten, ju bem
oon ihnen fefigejefcten greife feil $u bieten. 21uch fonft er*
laubte er ftdj jefet mandjen (Singriff in bie inneren 2lngelegen=
Reiten ber Stäbtc : bie freiere Verfügung über ihre Littel aber
machte ihn aud) unabhängiger oon ben Stänben überhaupt.
So würben 5. 33. ^infort bie Steuern oon fürftlicheu ©in=
neuntem oerwaltct unb ben Stänben blieb nur baö 9ied)t ber
Kontrolle.
Um biefe Anfänge ftrafferer ftaatlicher Orbnung fonfe*
quent weiter 51t entwickln, fwtte efi aber einer fraftooHen
organifatorifchen Snitiatioe beburft : biefe fehlte 3ohann. ©inen
ßicero r)at man ifjn genannt — jutreffenb bodj hödjfiens in=
fofern, als er mehr ein 2Wann be$ SBortes alft ber Xljat mar.
Eamafe mufeten bie Warfen, follteu fie gebeten, oon ihrem
Regenten etwas anbereö oerlangen als ben fdjöngeiftigen Shil=
tuö beft Humanismus. $enn in einem fo armen unb in feiner
©efamtentmttfelung nodj fo wenig oorgefdjrittenen Sanbe blieb
biefer immer nur ein girniö. Söurbe bodj bie Unioerfität &u
granffurt an ber Cber, burdj bie 3°h ann bem örnitanismuft
eine Stätte 5U bereiten badete, als fie unter feinem 9toaV
folger ins fieben trat, oielmetjr eine £>od)burg ber fatholifdjen
Crthoborje, beftimmt, ben befreienben ©eift ber neuen 3 eit
fern 511 fjalten. 3u ben großen originalen ©eiftern gehörte
Sohann nid)t. 3bm fehlten ber weite ölief, bie ©abe uim
faffenber Kombination, bie geiftige 33eweglidtfeit unb bie Energie
bes §anbelns, bie feinem Sßatcr unb ©ro&oatcr eigen gewefen,
aber auch bie sähe 2lusbauer, mit ber fein Cheim griebridj II.
ähnlich fdjmierigen SBerhältniffcn bod) nod) bebeutenbe (Erfolge
abgerungen hatte. So ging bie Regierung bes erften märfifdjen
£ohen$oflern nicht eben glänjenb 311 (Snbc. £>on ben Vorteilen,
welche bie £öfung oon granfen oerheifjen l>attc r war faum
einer oerwirflicht. %m inneren war eine Socferung eingetreten,
bie eine weitere 3luflöfung befürdjten ließ. Ginc fefte ©anb
that not, foöten bie miteinanber in Söibcrftreit geratenen
Äräfte gemeinfamem Streben nad) einem 3iel jufammen;
gefaßt werben.
$tUlj, ^TCUfiiiAt GWAiAtt. 1. 12
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178 ®rfte« 99u$. $te demente be$ preu&tfa)en Staates (bii 1598).
loadjtm I. U99-1535.
©erabe bas aber fehlen am rocnigften $u erroarten, aU
3ofjann am 9. Sanuar 1499 SU Slrneburg fiarb unb in bem
ftlofier Sennin beigefefet rourbe, um fpäter in ben von ihm
errichteten £om $u Stölln an ber Spree überführt $u roerben.
£eun fein (£rbe Soad^im I. mar noch nicht fünfgehn, bereit
jüngerer 33ruber 2Ilbred)t gar erft je^n 3&h rc alt. £ie oor*
munbfehaftliche Regierung, bie nötig fdjien, r)ätte 3oad)ims
Cfjeim, griebrich oon Ansbach, gebührt. 2llö eifrigen Anhänger
flaifer 9HarJmilianS aber roofltcn bie SHeichsfürften tyn nicht
ju einer Stellung fommen laffen, in ber er ihren SReform=
beftrebungen oollenbs r)inbcrltcr) roerben tonnte. So rourbe ihm
nur bie güfjrimg ber branbenburgifdjen 5lurftimme bis 311 3<> 5
adjims achtzehntem 3 a h rc / D * c Regierung biefem Übertragen.
$en märfifchen ©tauben tonnte nidjts (Srroünfdjteres gefdjehen:
nun hofften fie oolle Unabhängtgfcit ju geroinnen.
(Sine arge Gnttäufdjung ftanb if>nen beoor. 9io<ij nie roar
in ber 3ttarf ber ©egriff ber £errfd)aft fo roeit gefaxt, noch
nie fo fonfequent baraus bie ftaatliche ^raris in Verwaltung
unb ©efefcgebung abgeleitet roorben. ©in ©eift ftrenger Orb:
nung unb Sachlichreit fafete ben jerbröcfelnben (Staat burd»
bie überlegene tfraft eine« eifemen Sillens ju neuer 0emcin=
fdjaft jufammeu. $abci entbehrte 3oad)ims I. SBalten nicht
eines oolfstümlidjen 3«<KS. ©off ihm boa) ber Vater, in @r=
fenntnis ber eigenen gehler, befonberfl empfohlen haben, ben
ilbel fürs 511 Ratten unb an Vebrücfung ber Unterthanen -ui
hinbern. 3oadnm oerglid) ben Staat bem menfd)lichen Körper:
bie dauern entfprädjen ben güfjen, bie Bürger bem Serben
unb bie (Sbelleutc bem Äopf, bas ©ebeitjen bes fangen aber
hinge ab uon ber <5$cfunbt»eit bes &erjens. Sie ju fdjaffen
unb ju erfjalten, roar er befonbers bemüht: feinem ganzen
Regiment gibt bas ein auSgefprochen bürgerliches öepräge. @r
oerachtete ben ^runf, in bem feine Sflttfürften ftd) gefielen,
unb bas phantaftifche ritterliche Treiben, bas 9Rarjmilian in
s JJtobe gebracht hotte. Selbft ben Gharafter feiner auswärtigen
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III. »ronbenburg im Ue&crgang jur neueren 3eir.
170
^Politif f»at bas beftimmt. ©einem bausbadenen Sinn, ber bei
allem, was er unternahm, erft ben ©ewinn beregnete, wibcr=
ftrebte ber 3ng ins 2lbenteuerlidje, ben 3WayimtIian in bie
9ieidjapolittf brachte, gaft bemonfkatio f)iett er ftdj baoon fern.
@in etwa« fdjwerfälliger, gelehrter £err, ein SBüdjerfreunb unb
eifriger 2lftrologe, bltdte er auf bie getftig minber gut 3(uö=
gerüfteten mit ©eringfdjäfeung fjerab. Söenu er bennod) im
9lei<f)e etwas galt unb mebrfadj ben 2(usfd)lag gab, fo banfte
er bas bem (Sinfluft, ben fein §aus eben bamals bura) eine
9leif)e oon gludlidjen Güglingen gewann.
6ein 93ruber 2llbred)t, ber in ben geiftlidjen Stanb trat,
würbe 1513 ©rjbifdiof oon 9)lagbeburg unb 33ifdjof oon falber«
ftobt, 1514 (£r$bifd)of oon SKains unb ©rjfanjler. Sas fteigerte
bie ©eltung ber ßof^enjoflern fowobl in ber SReidjS* wie in
ber allgemeinen ^olitif, freilia) aud) bie geinbfdjaft ber 2Bet=
tiner unb ber SSittelsbadjer. £enn biefe fjatten um ben s 3flain$er,
jene um ben 3Jtagbeburger Stuf)l geworben. £em SJiarfgrafen
griebrtdj, 3oad)ims fränfifdjem Of)eim, ber bort ben ganjen
^ausbefifc in feiner §anb oereinigte, oerbanften bie &of)cn;
joUern midjtige oerwanbtfdjaftlidje 93erbinbungen. £urd) feine
©emafyttn Sophie Sdjwager SBlabistaws oon Ungarn unb
©öf)men unb Siegismunbs oon $olen, Ijatte ber betriebfame
Järfl, beffen reifer Äinberfegen unb friegerifdje Neigungen
mit feinen befcfcränften Mitteln wenig ftimmten, feinen jmeiteu
Sofm ©eorg am ungarifdjen £of fein ©lud oerfudjen taffen;
bura) bie @f)e mit 3Rattf»'as GoroinuS' £a)wefter braute er
es aua) $u 2tnfel)en unb einflug. Unb ein trüber ©eorgs,
2l(bred)t, fanb bie gefugte ftanbeSgemäfce SBerforgung, als iljn
ber fyartbebrängte ^eutfdje Orbcn um feiner jageHonifdjen $cr=
roanbtfcbaft willen $um 3)2ciflcr wählte. 2)eöfjalb wünfdjte aua)
SJJayimilian ein gutes $erf)ältnis 511 ben $o(jen3oflcrn unb faf)
es Soadjim I. ftug nad), bafe er fidj feinem SBerben um tfjätige
33eü)itfe oerfagte.
3ür bie 9)larf mar bas ein ©Ifid: fie getoann fo 9?uf)e,
um ftd) }u erholen, ju fonfolibieren unb 311 organifteren. §ter
liegt 3oaa)imö SSerbienft. SBeber Diplomat nod) Ärieger, fjatte
er trofc ber 93er)d)loffenf)eit feines unfdjeinbaren SSefenS etwas
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180 ©rftcö 3Ju$. $ie (rlemenie be« preufjtfäen etaatefi (biä 1598).
vom Organifator, mochte ihm auch ber eigentlich fdjöpferifche
3ug abgeben. Gr mar mehr zu betn beschaulichen Sehen be$
(Mehrten beftimmt alfi 51t bem oerantwortungflooüen gürftem
amte. daraus entfpringt ber ernfte unb trübe, nicht fetten
ftnflcrc 3ug, ber ihm anhaftete. 6r mar weniger ber SRann
frif<h zugreifenben ganbefa« als befi getriebenen SBorte« unb
liebte eö, felbft auf bie realfieu Verhältniife bezügliche 93er=
fügungen mit — oft wenig glücflid) gewägten — flafftfchen
Zitaten aus allgemeinen ©äfeen herzuleiten unb tfjeoretifd) 51t
begrünben. £a$ meinte ©abinu«, wenn er ihm nachrühmte,
er ^bc bie ^htlofopfn'e auft bem ©taube ber Schule in bie
^ßrarjä be* ©taatstebenö hwttbergeleitet. SBie mufjte auf einen
fotdt)en SJtann bie Deformation mirfen, welche bie gläubig über*
fommenen ©runblagen feinefi ganjen geiftigen unb ftttlichen
£afeinft in grage fteHte! 3e mehr er fühne @ntfd)lüffe unb
grofje Sßagnifje ablehnte, um fo tiefer erbitterte ihn ber 216=
fall fo oieler oon bem, was feinem oon feinem humantftifchen
3weifel angefränfelten Senfen unantaftbar heilig mar. ©ein
finfter oerfchloffener @rnft mürbe ju rücffichtslofer Unbulbfam*
feit unb gewalttätigem ganatiömuö.
3m ©egenfafc ju feinen Vorgängern ^at man Joachim I.
wohl als ©täbtefreunb bezeichnet: mit Unrecht, wenn ©täbte^
freunbfehaft fich äußert in Vegünftigung ber bürgerlichen ©elbft=
regierung ober gar beö 2lufftrebens ber nieberen ©tänbe. Viel-
mehr brachte Qondhim burch feine Stäbteorbnung 00m 18. 3uli
1515 bie lanbefiherrlicheu fechte ben ©täbten gegenüber erft recht
Zur ©eltung. 3hr oerbanfen bie märfifd;en Stäbte, baft fie
oor ben ©türmen bewahrt blieben, welche bie 9iadjbargebietc
in ber golgejeit heimfuchten. s 3luch hier würbe aus bem 23e=
griff ber Obrigfeit eine bis ins tflcinfie einbringenbe ftaatliche
9lufftcht abgeleitet; bie Öewerfe blieben 00m ©tabtregiment
ausgefä)lof)en : leugnete bod) Gicero ben 93eruf beö nieberen
Volfeö jur Uebung ftaatlicher Autorität. SSohl aber fyielt
Soadjim bie im 9iatc fifcenben Patrizier 31t gewiffenbafter
Pflichterfüllung an. $cn 2lemtcrn, bie z" befleiben fie als ein
Siecht ihres ©taubes beanfpruchten, burften fie fid& nun auch
nicht entziehen, wenn bamit ihnen unbequeme Saften oerbunben
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III. Sranben&urg im Uefcergang jur neueren 3 e ^- 181
waren : fic rourben $ur Uebernahme gejroungen. 3« btn ftäbtijdjen
ginanjen mußte peinliche Orbnung ^errfc^en. $aju rourbe
entroeber bem Nate eine Vertretung ber Vürgerfdjaft beigefeüt
ober ber abtretenbe Nat mufcte bem neu gemähten Nennung
legen. 2tud) fteuerte 3oac^itn ber Verfchroenbung, bie in ben
bürgerlichen Greifen eingeriffen mar unb ben ©egenfafe jmifc^en
arm unb reich gefährlich oerfchärfte. £er allgemeinen SBofjl*
fahrt roiHen wollte er auch ben einzelnen Bürger gur Vefferung
feineä Vermögensftanbes anhalten : besljalb mürbe bas Veleif>en
ftäbtifdjer ©runbftücfc oerboten, ber Verfauf erfdjroert unb bie
rechtzeitige 2Bieberbefefeung oerlaffener angeorbnet. 3nnerf)alb
biefer Schranfen aber erfreuten fich bie märfijchen Stäbte oofler
Freiheit: fo höben fte, ohne baft 3oad)im fymoernb eingriff,
unoermerft ber Deformation eine Stätte bereiten fönnen.
So §at 3oa<$im bas märfifche Stäbteroefen an eine fefte
Norm gebunben: bie Vertreter ber Sürgerfchaf ten mürben
Organe bes lanbesberrlichen Regiments. 2lls folgen übertrug
3oaa)im ihnen nicht feiten auch bie ©erichtsbarfeit, mit 2luS;
fchlufe natürlich bes 5lbels, feiner £ofleute unb Beamten unter
Vorbehalt feines beffernben Eingreifens, roährenb er unnüfee
Appellationen oon ihrem «Spruch an fein ©eridjt mit Strafe
bebrohte. 2luch bie Sorge für bie 29ehrf)aftigfeit ber Stäbte
oertraute er ben diäten an, bie baju befonbere „2Wufterer" ju
befteHen unb 31t befolben tjatten. 2ludj für bie Sicherheit bes
Verfefjrs follteu bie Stäbte junädjft felbft forgen, um nicht
gegen jeben roegelagernben (Sbelmann erft bie föilfe beö Sanbes*
herrn anrufen ju müffen. Sonft wollte SoacJjim bie ^rioilegien
bes Slbels erhalten fehen. Namentlich bulbete er feine 2Jttn=
berung ber gutsherrlichen Siechte buref) bie Vauern, fchüfcte biefe
freilich auch flegen unrechte ©eroalt. Meinte er boch als gürft
oon ©ott 311m oberften &üter alles Nedjts beftellt ju fein, bei
bem auch ber Niebrigfte Schuft ju finben ficher fein mtiffe. Aber
nicht in patriarchalischem Sinn tfjat er baS: ihn erfüllte bie
römifcfj=rechtliche ülnfchauung, bte in bem föerrfcher bie Duelle
alles Nedjts unb jeben ©efefces faf>.
$ier entfprang feine bebeutenbfte Schöpfung, bas Cammer;
gericht. fianbette es ftdj babei auch nur um bie Neugestaltung
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182 «Srftcö »u$. 2>ie demente bcS preufcifäen Staate* (biä 159s).
•
imb Erweiterung eines bereits befief>enben 3nfütutS, fo ift bod>
beffen fernere Gntwicfelung in ben neuen Sonnen unb unter
ben neuen Vebingungen für bie 2lusbilbung ber lanbeärjerr:
liefen ©eredjtfame unb bie ftaatlidje Organifation ber Warfen
von ber größten ©ebeutung geworben. $urd) bie Slnerfennung
bes marfgräflidjen ©eridjts als besjenigen, an bas alle SHärfer
fidj roenben formten, wenn fie bei bem für ftc junäa^ft juftänbigen
geiftlicben, abiigen ober ftäbtifdjen ©eridjt ir)r $Red)t nid)t
fanben, J>atte bereit« griebrid) II. bie einheitlichere ©eftaltung
ber Rechtspflege angebahnt (&. 153). Unter bem wachfenben
Ginflufe bes römijchen Rechts, bas feit 1515 auf ®runb päpft*
lieher Erlaubnis auch an ber granffurter Unioerfität geteert
würbe, leitete Joachim, beraten oon bem gefeierten Seipjiger
3uriften 2Bolfgang Äettmich, ber 1506 Reftor ju Bologna ge=
wefen mar unb nun in feine ©ienfte trat, um fpäter als
Äanjler ber Xräger ber gefamten Regierung 5U werben, eine
weitere Reform bes ®erichtswefens ein. Söährenb bas alte
ftammergeridjt, im beutfdjen Rechte murjelnb, ein Volfsgeridjt
mit ungelehrten 33cifi^crn gewefen war, bas unter bem Vor*
fife bes SNartgrafen ober bes oon ihm befteüten Vertreters ge=
urteilt hatte, plante er jefet im (Sinflange mit ber ©ntwicfelung
bes beutfdjen ©ertebtswefens überhaupt ein Kollegium oon ge=
lehrten, für ihren 93eruf oorgebilbeten Richtern, brang bamit
aber nicht bura). (Segen ben im Wläxi 1516 fertiggeftettten
Entwurf, ber allein bie Prälaten unb it)rc Seute bem neuen
(Bericht nict)t unterteilte, erhob ftcb gerabe oon biefer (Seite
Söibcrfprud), aus gurebt, ein 0erid)t, oon beffen jwölf Sei:
fifeern ad)t burd) bie Stänbe unb nur oier fowic ber 33or=
fifeenbe burd) ben SJtarfgrafen ernannt werben follten, fönnte
5u einem Organe ber fürftlidjen Söiflfür werben ; ber 9)iarfgraf
foßte nicht baran teilnehmen bürfen unb in jebem gaüe an
ben Spruch ber 9Jief)rf)cit gebunben fein, auch bie ^Berufung an
bas Reidjsfammergericbt freifteljen. eine Verftänbigung unb eine
förmliche ^ublifation bes Entwurfs bat wofjl nicht ftattgefunben.
Tod) ift bas neue tfammergeridjt auch fo in 2ßirffamfeit ge=
treten, äunadift freilich nur als ein fubfibiäres ober fafultatioes,
an bas fiel), wenn es ade Vierteljahre in $angermünbe jus
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III. »ranben&urg im ttebergang aur neueren 3eit.
183
fammentrat, btejenigen manbten, bie anberroärts fein SRed^t
fanben, roä&renb bic einem anberen ©ertöte nidfjt unterworfenen
^tbligen überhaupt oor U)tn if)ren ©eridjtsftanb Ratten. 2)a
ftdj nun ber lederen 3af)( bauernb uermefjrte, ba ber 9Warf*
graf immer mein* 2lblige oon ben orbentlicfien £of; unb fianb;
gerieften ausnahm, oon ber erfteren gretfjeit aber in immer
weiteren Greifen ©ebraudj gemalt mürbe, fo roudjs fein ©es
fdjäftsfreis fdmett, unb in bemfelben SJtafee fteigerte fidj feine
Autorität, obgleidfj es ber ftänbifdfjen 9lnerfennung nod) ent=
beerte unb audj eine 3)Jitroirfung ber Stänbe bei ber Ernennung
ber Seifiger nid&t erfennbar ift. 2lud) überzeugte man ftd& balb
von ber Ueberlegen^eit biefer gelehrten SRidfjter über bie fonf*
urteilenben ungelegten. $en Gfjarafter eines in l)öt)crcr ober
(e^ter 3nftan$ urteilenben Dbergerid&ts aber fjatte bas flammer-
gericf)t in iener 3 e ^ n0( $ ni $t> oielmefir unterftanben ifjm gu=
nädjjft nur bie ©acfien, in benen nadj altem §erfommen ber
EanbeSljerr als oberfter 9ltdfjter perfönlidj in erfier unb lefcter
3nfianj ju urteilen r)atte. 2lber eben bas verlier) ifym einen
geroiffen oolfsfreunblidjen Gliarafter, jumal neben bem bie
3ntereffen bes (Staates roatyrnetnnenben ©eneralfisfal $ur $er=
tretung ber Parteien oier Sßrofuratoren unb etlidje Snroälte
befallt roaren, oon benen einer aus öffentlichen Mitteln bt-
folbet mürbe, um bie ^rojeffe ber 21rmen unentgeltlich ju
führen. ©rft bic Sbätigfeit eines folgen ftänbigen ©ertchts
oon gelehrten 33erufsrid)tern ermöglichte bie SBeiterbilbung bes
SRedjts burdj Slufftellung befttmmter, für äffe äljnKdjen Jade
geltenber 9iechtsgrunbfätoe. (So fefcte fyitx bie ©ntftehung
eines einheitlichen märfifdjen Sanbrea^ts ein: bereits 1527
fonnte in ber ^oadjimica bas bis in unfere £age in ber 3Warf
geltenbe eheliche (Srbs unb ©üterrecht gefefelich feftgetegt werben.
Xamit tfjat SBranbenburg einen großen Schritt oorroärts
in ber Gntroüfelung jum Staat, Namentlich bem 5lbct gegen-
über gewann bie lanbesfürftliche ©eroalt. gflr Selbfthilfe blieb
fein 9toum: bas rittcrltd&e gefjberoefen hatte ein (Snbe. £as
aber bebeutete auch eine fojiale Umwälzung. $afe bie baoon
betroffenen biefe abzuwehren fugten, oeranlajjte einen lefeten
Ausbruch ber alten ritterlichen Unfitte. 2lucb bie Ueberliefcrung
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184 Grfteö $u$. Sic Elemente beä preu&ifdjen Staate* <6tö 1598).
ift baoon beeinflußt: fie f)at Joachim I. in bem 3)?aße 311m
Slbelsfeinb gemalt, baß fie ihm ©raufamfeiten anbietete, bie
hiftorifd) unerroiefen finb. Soadjim felbft £)at bereits üblen
9Zad)reben ber 3trt entgegentreten muffen, £ic lügnerifchen 2luS:
ftreuungen feiner (Gegner ju roiberlegen, gab er in einem am-
füf)rltd)en Schreiben 00m 14. gebruar 1504 feinem Ofytim
grtebrich oon Ansbach roahrbeitsgetreueu Bericht oon bem ©e=
fchehenen. Uebel babe es ju beginn feiner Regierung um ben
Sanbfrieben geftanben. 3lurf) feine nrieberboften Strafan--
Drohungen Ratten feinen (Smbrucf gemalt, £ennod) ^abe er
etlichen Herren, bie außer Sanbes geflogen, auf prbitteu
ihrer SBenoanbten bie &etmfchr ertaubt, natfibem fie einen
£eil ihres Raubes herausgegeben. Salb aber f>abe bas alte
Spiet roieber begonnen: nid)t bloß bie Stäbte feien baburch
gefchäbigt roorben, fonbern auc^ bie benachbarten gürften ; &er$og
©eorg oon Sachfen unb anbere tjätten Abhilfe »erlangt. £a
habe er einige oon ben Sajulbigen ridjten (äffen. $urd) beren
©eftänbniffe fompromittiert, feien anbere geflüchtet unb hätten
feine ßaufleute ausgeraubt, ja ihn felbft frech oerhöhnt, inbem
fie etlichen (Befangenen bie redjte &anb abhieben unb burch
einen berfelben ihm förmlidj abfagten. $a habe er enblich ben
ßauptfife ber RaubgefeHen, bas fefte $uchhol$, erftürmen laffen ;
auch ein £eil bes Raubes bort oorgefunben loorben, roähreub
bie Sdnilbigen felbft entfamen. So brüefte er benn audj ein
2(uge §11, roenn bie Stäbte, bie fidj gegen folche geinbe felbft
helfen foöten, barin gelegentlich 511 roeit gingen, unb bie granf=
furter blieben unbehelligt, als fie einen Raubritter, £ans
©omftorf geheißen, bingfeft machten unb enthaupten ließen.
Solaje flonflifte waren unoermeiblich in bem (EntfcheibungS-
fampf pifchen bem nntergehenben ftänbifchen Staat bes Littels
alters unb bem fidj allmählich geftaltenben neuen Dbrigfeits-
fiaat. £aß er bes lederen nicht eben genialer, aber fonfe=
quenter Vertreter mar, barin liegt bie Sebeutung ^oadnms I.
Rod) eine anbere (Spifobe aus feiner Regierung hat bie
Ueberlieferung in ein falfches ßid)t gerüeft. 3n ber Sorge für
föanbel unb SSerfe^r, ber bie (Einführung einbeitlidjen 2J?aßes
unb öeioichts foroie allerlei marftpolt$eiltche ^crorbnungen ents
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III. SJranbenburg im Uefcevgang jur neueren 3eit.
185
fprangen, nahm 3oad)im fich auch ber 3uben an, bic unter
ben noch unentwicfelten SBerhältniffen jener 3 c i* befonberen
9iufeen ftifteten. 2lber nicht umfonft hatte in ber erften Hälfte
bed 15. 3af)r^unbertö bie Äirche, um bie burch ben &uffiti8=
mu$ erneute SInfechtung ihres reichen 33efi&eö abdienten, bie
SDtenge gegen ^ e 3uben g*h c fct- ^ uc $ auß ocr 2ßarf waren
fic 1446 burch grtebrid) II. vertrieben, ber an ihnen fein 3n=
tereffe mehr fjatte, ba bie einft in bie marfgräfltdje ßaffe fliegen^
ben einnahmen aus bem 3ubenfdjufcgelb u. a. längft an bie
©tobte gefommen waren. 2tber fd>on 1447 t)atte er reiben
3uben gegen entfpredjenbe 3 a ^"«9 wieber 2lufentf)alt gewährt,
unb ba bie erlaubnis baju ade brei 3<»h rc oon neuem erfauft
werben mufete, fiefj jo eine bebeutenbe Einnahmequelle erfdjlofjen.
$eöf)alb mar es fdwn unter Johann namentlich in ben aiu
märfifchen <Stäbten ju antifemttifchen 2lufif<hreitungen gefommen,
^ier unb ba gar baö Verlangen nach 2lufiweifung ber 3 u °cn
erhoben roorben. £enn gern hätte mancher abiige &err ficr)
auf biefe bequeme 2lrt feiner jübifchen ©laubiger entlebigt.
dennoch erneute 3oaa)im am 10. ftejember 1509 ben 3"oen
in ben ©täbten bes <öaoeUanbed, ber ailtmarf unb ber ^riegnifc
ihre Schutjbriefe. Xa tarn im gebruar 1510 aus ber ©egenb
oon SHauen bie SUinbe oon einem SHonftranjbiebftahl. 23alb
füllte bie Gntweihung einer ftoftte burdj jübifche greoler er=
roiefen fein. Unter bem $>rutf ber erregten öffentlichen Meinung
mußte 3oachim ben SBranbenburger 9Rat mit ber Untersuchung
beauftragen. 9Kit #ilfe ber golter roaren bie 9lngeflagten
natürlich balb überführt, unb 39 3uben mürben oerbrannt,
ihre ©laubenegenoffen aber fämtlidj beö SanbeS oerwiefen.
&ier mich 3o aa Mm augenfeheinlich ber oereinigten Dppofition
be« 2lbelß unb ber Stäbte. 2Bo er es blofj mit einem oon
beiben Seilen ju thun hatte, mar ber Ausgang ein anberer,
$umal bie ©täbte banfbar bie mancherlei Vorteile erfannten,
bie ihnen bie neue Orbnung gewährte. Selbft bie Sierjiefe
hat 3o<*chim o*)ne ©djwierigfeit weiter bewilligt erhalten gegen
bas SBerfpredjen, fic mit allen fonftigen 3"ntutungen ähnlicher
2lrt ju oerfchonen. 9iur nod) jur Slufiftattung einer ^rinjeffin,
jum (Smpfang ber Selefmung burch ben tfaifer, jur Sanbes--
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186 ©rfte^ 8u$. 2>ie (rlemente beä preufcifdjen Staates (bid 1598).
t>ertetbigung unb 3ur Seiftuug bes bem SHeidje fd^utbigcn Stenftes
foHten bic Stäbte finanziell herangezogen werben bütfen.
©rofie ©efidjtspunfte unb neue 3&een waren 3o ac *M m I-
fremb. 2lber mit praftifd)em <5tnn unb ausharrenber ©tetig=
feit r)at er im Qnnern bod) 33ebeutenbes erreicht. Uebler ge=
ftaltete fic^ bie auswärtige Spolitif unter bem ©influfj feiner
am kleinen fwftenben unb oon augenblidflidjem ©eminn an=
gezogenen ©etftesart. SBas SBranbenburg unter ihm an ©ebiet
äumud)S, entftammte Slnfprüdjen, bie bereits feine Vorgänger
erworben Ratten. 2lus bem @rbe ber §erjogin=2Bitroe Barbara
oon ©logau erhielt er 1515 troffen unb 3üttid)au, unb 1524
mürbe nad) bem Slusfterbeu ber ©rafen oon Sinboro bie ©raf*
fdmft SRuppin als erlebigtes fielen eingebogen. 3" oen großen
gragen ber 3cit aber fam 3oaa^im bei feiner engen unb främer;
haften 2luffaffung md)t 3ur greüieit $ielbemu&ten £anbelns.
2lls fein Detter ^llbrcdjt^ 1511 jum Metfter bes £eutfd)en
Orbens gemäht, gur 2lbfd)tittelung ber polnifdjen Sehenshohett
rüftete, nötigte ihn 3oa(5im 1517 auf bas bem Orben ge=
wahrte 9^cd)t $um 9tü<ffauf ber fteumarf in oerjid&ten. 2lber
ben frönen Sorten, mit benen er benfelben auf feine unb
anberer 9ieid)Sfürften &ilfe oertröfiete, folgte feine %f)at. $enn
bafe er ben beutfehen &ilfsoölfern bes Orbens ben SSeg burdj bie
Weumarf freigab, wollte bod) wenig bebeuten. Söohl aber jog
es ihm bie geinbfdjaft dolens ju, bas ihn als geheimen görberer
bes Orbens anklagte. X^atfäa^lia^ badete 3oaa^im nidjt baran,
beruhigte fid) uielmehr alljuleic^t bei ber (Sntfdjeibung, bie ber
<Sigennu|j Maximilians aud) bort im 3 n * cr *fi* DCÖ §aufes
^absburg herbeiführte, inbem er eine beutfdje Kolonie, .bie
nod) unzählige gäben mit bem SDtutterlanbe oerfnüpften, aus
ihrer natürlichen Sßerbinbung rife unb $olen überlieferte.
2)ott) fehlte aud) 3oadn'm I. nid)t ganj bie Neigung ju
weit ausgreifenben ^rojeften, bie bem ©roftoater unb Urgrofc
t)ater eigen gemefen, nur bafe er, in höherem Mafee nod) als
jene, ftatt auf bem SSege ftihnen fcanbelns auf bem ber fünftlid)
fombinierenben Qntrtguc fein 3^ 5" erreid)en bad)te. 9lud)
fehrt bei ihm ber ©ebanfe wieber an bie @rrid)tung eines
norbbcutfdjen Staates an ben Ufern ber Oftfee. Obgleid) er
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III. SBranbenburg im Uebergang jur neueren Sc'xt.
187
ben (Srboertrag mit Bommern oon 1493 noch 1501 erneut
hatte, forberte er 1523 nach bem £ob 33ogislaw$ X. oon beffen
Söhnen, ben Herzögen ©eorg unb SBarnim X., 2lnerfennung
ber Sehenshoheit : fie foHte it)m ju ©röfeerem ben 2öeg bahnen.
2lls 0emaf)l <5Ufabetr)ö, ber Socfjter ßönig Qofjanns oon 2)äne*
marf, bie er 1502 als fiebjehnjähriges üDläbd&cn heimgeführt
hatte, würbe er oon ben norbifchen SSerwtcfelungen berührt.
2lbcr oergeblich hatte fein Sdjwiegeroater bei ihm wm &ilfe
gegen Sübccf unb bas aufftänbtfche Schweben geworben, tnbem
er ihm 1508 für ben gaH, bafe er felbft ober fein Sohn GhrU
ftiau ohne männlichen (Srben fterben foHte, bie Nachfolge in
bem feinem £aufe gehörigen Xeile oon Schleswig unb Holftein
jufidjcrte. 2lls bann flatfer 2Harimilian für feinen ©nfel Hart
oon Spanien um bie beutfdje $rone warb, erweiterte er 1517
bie branbenburgifdjc 2lnwartfdt)aft auf bie oom deiche 51t Sehen
gehenben STcile ftolfteins. Gifrig griff Joachim ju. 2Md>e
Slusfichten eröffneten fid& bamit feinem Saufe, beffen Nachfolge^
recht in SHecflenburg unb in Bommern bereits anerfannt war,
roährenb es eben audt) in Greußen feften gu& faffen wollte !
2Bas ftriebrich I. ben loiberftrebenben SBerhältniffen nicht ab;
juringeu oermocht hatte, bas fchien goadjim burct) eine glücfs
liehe Jügung mühelos 51t teil 51t werben. Unter folgen Um-
ftänben gewann Bommern burch jeine jentrale Sage boppelte
93ebeutung, unb auch feiner fud)te 3oadjim ftet) beshalb 511 oer-
geroiffern.
3lber bie Nachfolger 33ogiSlam& X. roiefen feine 3lnfprüdf)c
ab, unb balb banach benufete ßarl V. bie (Gelegenheit, burch
erneute 3Cner(ennung ber Neichsunmittelbarfett Bommerns bem
Sttarfgrafen bie Unjuoerläffigfeit 311 oergelten, bereu er fich burd)
fein wiberfpruchsoolles unb fleinlich cigennüfeiges Verhalten bei
ber Äaifertoahl 1519 fchulbig gemacht hatte. $ann burdhfrcujtc
bie Entthronung feines Schwagers Ghriftian II. oon Eänemarf
auch bie Hoffnungen auf Sd)leswig:§olftcin. Saft fein Detter
Sllbrecht oon Greußen Staiatt dolens werben muftte, oeränberte
bie 3Jiachtoerhältniffe im Often noch weiter ju feinem 9iad^
teil, $or allem aber fat) fich Joachim burch ben Fortgang bes
SReligionsftreites ju engftem Slnfchlug an ben ftaijer genötigt:
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188 ^tftcö Su(&. 2>ie (Elemente bc* preufeifttjcn Staate« (biä 1598).
jur Ausrottung ber itefecrei 511 fjclfen war if)m ffeiltge (Be=
nriffcnäpflicfjt. 2Weö, roas ben Äaifer baron Ijtnbern tonnte,
fud&te er ju oermeiben.
3m eigenen £anbe bie £errfdjaft ber alten tfird)e ju
erhalten, fdjloft er im 3uli 1525, als mit bem SBauernfriege
bie fokale Dteuolntion brol)te, in 2)effau ein 33ünbnid mit
feinem ©ruber 3llbred)t oon 2)iain$ uub ben .^erjögen ©eorg,
oon Saufen unD ^einria) oon ©raunfdjtoeig, bie feinen £afj
gegen bas Sutfyertum teilten. 3)1 it Erbitterung ftemmte er
fttt) bem 3»Ö C oer neuen 3tit entgegen nnb orbnete baju bie
3ufuuft feines ftaufeö bem ouftem fird)lid)er SReaftton unb
fpanifdjen 3(bfolutiömuä unter, baö ber Steg flarlfi V. in
Seutfd)lanb jur «gerrfc^aft bringen mußte. 2lud) liefe eö ber
ßaifer an lodenben SBerfpredjungen niebt fehlen. SBaren bie
gen)ünfcf)ten Sienfte geleifter, fo blieb ber Soljn aus. ©0 ge?
roäfnrte ßönig gerbinanb feine ber SBergünfttgungcn in betreff ber
böf)mifd)eu fielen 33ranbenburgß, bie er $ur 3eit beö 2ßerben&
um bie Jerone oerfprodjen r)attc, noa) erlangte bes JRurfürften
jüngerer ©ol)n 3of)aun (geb. 1513) bie iqm lodenb gejeigte reiche
Sraut — eine 2oa)ter beä bem flaiferfjaufe oerroanbten fpas
nifdjcn Ü)iard)efe 3enctti; bie Sledjtung 3llbrea)tö von ^reufcen
aber mufctc ber flurfürft alö eine perfönlicfje tfränfung empfin^
ben. ü£ol)l lehnte fid) fein oelbftgefityl juweilen gegen foldje
SBeljanblung auf unb er oerfudite, feine politifcfie ©elbftänbig*
feit roiebersugeminnen : aber bie unbarmfjersige &ogif ber £fjats
fadjen $wang ifjn immer mieber in bie alte (Stellung jurüd.
Hirdjltd) bem .ftaifer aufö engfte oerbünbet, fonnte er ifnn aud>
polttifdj niajt entgegen fein. Bo gab er aud) feine pommerfebeu
(Sntmürfe auf, ba fie nur im SBiberfprudj mit bem ftaifer
fjätten burdjgcfefct werben fönnen.
3lm 26. 3lugu|t 1529 fdjlofe er in bem furfürftlicben 3agb=
f)auö ©rimnifc bei 3oad)imötbal mit ben $er$ögen ©eorg unb
Barnim X. einen Vertrag, burd) ben er ben $er$id;t auf bie
Sef)enßl)of)eit über Bommern erneute unb bie fünftige Erbfolge
für fein &auä jugefidjert erhielt. 3lud) babei waren fird)licfje
5Rüdfia)ten beftimmenb. 3oacf)im eutfd)loj$ fid) 51t biefem Opfer,
weil „allenthalben im ^eiligen 9?eid)e unb anbersroo Aufruhr
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Iii. Skanbenburg im Uebergang ?ur neueren 3eit.
189
unb 2Biberwille l)errjd)te imb ihm Sd)äbigimg an Sanb unb
Seuten, Gebieten unb Untertanen von um Hegenben prften unb
Herren brof)ten". Vermutlich aber entfpraug feine Radjgiebig=
feit aud) bem 3$unfä)e, bic pommerfdjen Verroanbten nicht in
bas Säger ber ^roteftanten ju treiben. üßaren bodj itjre Stabte
ber neuen Sehre bereits jugcfallen. 2lber aud) fjicr wartete
3oadjimS eine (Snttäujchung. £enn faum hatte ©eorg, ein
eifriger tfatholif unb unlängft burdj bic ©he mit 3oaä)imö
jüngfter Softer Margarete (geb. 1507) ooUenbs an bie alte
flirre gefeffelt, 1531 bie Äugen gcfdjloifen, als fein Sohn
^fjitipp ftcb mit Barnim X., ber längft für bas Goangelium
gewonnen mar, wegen ihres förmlidjen unb feierlichen Ueber^
tritts einigte unb benfelben unter Beirat Vugenbagens Gnbe
bes 3afjreö 1534 auf einem fianbtage }ii Treptow oofljog,
trofe heftiger Oppojttion oon feiten beö ftlerus unb eines £ctls
bes 2lbels.
©o glich Sranbenburg immer mehr einer 3"fet bes alten
©laubenS inmitten bes lutberifeben Rorbbeutfd)lanb. Sie ju
erhalten mar 3oad)imö leibenfdjaftlidjes 23eger)ren. Selbft bie
Änwartfcbaft auf einen £eil oon Sd)leSroig--£olftein fcfcte er
baran, unb mad)tc im grür)jal)r 1529 grieben mit griebrich I.
oon $äncmarf, bem glüdlidjen ©egner feines entthronten
Schwagers ebriftian TL., obgleich er lefcterem bebeutenbe Sum=
men geopfert hatte. Um fo eifriger brängte er 311 fdmeHer
©ewalttbat gegen bie ftrdjlidjen teuerer. Sein Auftreten auf
bem 9lugsburger Reichstage (1530) mar am wenigfteu bas
eines Vermittlers. Saß bie Äirche geroiffer Reformen bebürfe,
gab er 311; fie burdjjufübrcn aber fei allein Sadje ber ftirdjc
felbft. £)ie Einheit ber ftirebe wollte er erhalten fchen, ba
fonft Spaltungen, iUufruhr unb (Empörung hereinbrechen mürben.
Sludj für bic politifdje Einheit bes ReidjS hielt er bie Ginbeit
ber Kirche für unentbehrlich. 2lls bie Lutheraner in ihrer ab--
lehnenben Haltung oerharrten, braufte er heftig auf, unb bie
Reben, in benen er fidj — nad) 33tut bürftenb unb nad) Jtricg
unb Sdjmert ocrlangenb, wie Vrenfc berichtet — weiterhin
erging, mißbilligte felbft fein Söruber Wibrecht, tiefer altfirch-
(iche (gifer äntiertc nun aber allmählich nicht bloß fein Ver^
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190 Grfteä 99ud). $ie demente be$ preufciföen Staate* (6i§ 1598).
f)ältnis ju ßanb unb Seilten, fonbern audj bie (Stellung feine*
Saufe« nu £eutfd)tanbs 93olf unb gürften. Unb ba entbehrt
fein <5d)icffal nid)t einer geroiffen £ragtf. Df)ne 33erftänbnte
für bie geiftigen unb fittlidjen Gräfte, bie 2utf)ers befreienbc*
©ort in ber beutfd)en Nation $u fortfdjeitenber 23etf)ätigung
geroecft fmtte, faf> er feinen 33eruf in ifjrer Sefämpfung unb
(Srbrücfung. $as braute in fein $afein einen 3roiefpa(t, ber
bie f (einliefen unb fjarteit 3ügc feincö SBefens nur nod) fdjärfer
(jeroortreten unb ifjn um fo mefjr »ereinfamen unb »erbittern
lieg, als ir>n babei bodj nie bas ©efü^l oerlaffen 51t haben
fdieint, er ftreite für eine »erlorene <3ad)e. 3Jlan f)at nidgt
bas 9ted)t, an ber (5f)rftd)feit feiner ^Diotioe, an ber Gdjtfjeit
ber von Ujm betätigten Ueberjeugung ju zweifeln : barum aber
fann fie bodj audj burdj bie if>m eigene föütftld)tnaf)mc auf
geroiffe materielle 3ntereffen beeinftu§t roorben fein, roie er
1514 befonbere Seförberung bes Slblafjfjanbels in ber 2Rarf
jugefagt (jatte, um oon ^apfi 2eo X. bas ^aironat über bie
£omfapitel 511 §aoelberg unb Sranbenburg übertragen ju be=
fommen, bas if>m in ber Ernennung bes $ompropftes ein
bittet in bie §anb gab, bie Oppofition ber 2)omf)errc»i nieber*
juljalten. 2ludj fam ber ©ifer, mit bem er fid) £efccls
annahm, roefentlid) ben ginansen feines 33rubers, bes
SRainjer (Srzbifdjofs, ju gute. 3n ber §auptfad)e aber fdjeint
3oad)ims Haltung in biefer grö&ten grage feiner 3eit bo$
aus einem Irrtum bes politifd&en Urteils erflärt werben 511
muffen, bas, in engherzigem (SgoismuS befangen, in jeber
felbftlos roagenben Segeifterung eine SBerirrung unb eine ©c=
fafjr roitterte.
3m grnf)jaf)r 1506 mar bie Unioerfität 511 granffurt an
ber Ober feftlid) eröffnet roorben. bereits 3o^ann Cicero fjatte
bie (Einleitung baju getroffen. £en oornefmtften Slnteit baran
aber hatte ber ju Bologna gebilbetc Sübecfer Kanontfus unb
Sijdjof oon Sebus, Sietrid) oon Öüloro, ber $ofmetfter beö
Kurprinzen unb nachmals erfte Kaller ber neuen öocbfdjule.
9Zad) ber Stiftungsurfunbe follte biefe ben Kultus bes gött=
lidjen Samens unb bas <Qetl bes rechten ©laubens ausbreiten
unb im 3ntereffe bes *Rctd)SfriebenS bie Kenntnis ber firdjlidjen
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III. öranbenburg im Ue&ergang jur neueren 3eit. 191
unb faiferlidjen ©efefee förbern, toie ja jur Regierung beä
nieberen SBolfeS nichts nüfelicher fei als mögltchfte SSermehrung
ber 3af)( ber SRechtsgelehrten. Saju foütc fie ©öfmen bes
2lbels unb bes ^ö^eren Sürgerftanbes auf bem ©oben bes
Humanismus bie 33ilbung geben, bie fte bem Sanbe als 33e=
amte gu bienen befähigte. ^atfäa^Iiä) aber trat biefe 33eftim=
mung balb jurüd gegen ben SBeruf ber neuen Unioerfttät jur
Hüterin bes redeten (Glaubens, ben fte burdi Icibenfdjaftliche
Parteinahme gegen bie SStttenberger SBeroegung betätigte,
bereitete fie boef) £efcel im Dooember 1517 einen pomphaften
(Sinzig unb verlieh ihm im 3anuar 1518 nadj bem billigen
Triumph einer ftegreiehen Disputation über ben Slblafj bie
theologifdje $oftorroürbe. $as mar toof)I nic^t blofe bas 2öerf
ihres erften SReftors ftonrab SBtmptna, ber als einer ber erften
gegen Suther Ittterarifcr) in bie ©djranfen getreten mar, fon=
bem wirb auch ber noch befangenen öffentlichen Meinung ent-
fprodjen hoben. 3lber roäfjrenb biefe fid> fcbnell roanbelte, be=
harrte unter bem ©influfe feiner eifrig fatholifchen 9läte, bes
Kanzlers fettreich, bes als furfürftlidjer ©efretär fungierenben
öranbenburger Sombechanten ^homaö Knill unb beö ©ten=
baier $ompropftes Söolfgang SRoborfer, Joachim unbeugfam
auf bem altfirch liehen ©tanbpunft. geffelte ihn boch auch bas
Qnterefie feines fiaufes bura) bie hohe firchlicbe SBürbe feines
SruberS Wibrecht an bas $apfttum. $ier liegt tooht auch ber
©d)lüffel 5U ber üblen SRoUe, bie er bei ben Verhanblungen
über bie 3Saf>l eines römifchen Königs gefpielt t)at, inbem er
burch bie 3 u föge großer Vorteile fich erft oon granfrei<h unb
bann oon s JJlarimilian geroinnen liefj, um, als ber Xfyxorx er=
(ebigt mar, roieber für granj I. ein$utreten, oielleidjt in ber
Hoffnung, $roifchen ben ftreitenben Parteien felbft bie Krone 511
geroinnen, ©ein Verhältnis $u Kart V. mar bafjer äunäcfjft
fehr gefpannt: erft ber §atj gegen bie Deformation hat fie 311-
fammengeführt. Joachims ©ajulb roar es nicht, roenn ber
Kaifer, oon auswärtigen Verroicfelungen bebrängt, immer oon
neuem unterhanbette, ftatt bie Kefeer mit bem ©djroert in ben
©chofe ber fatholifchen Kirche jurüefsusroingen. £urd) bas 33ünbs
nis, bas er im gebruar 1533 ju Halle mit feinem SBruber
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192 ©rftcö »ua). $te Elemente bes preufeiföen Staates (Ms 1598).
SUbredjt unb ben ©erjögen ©eorg oon Sadfjfen unb @rid) unb
£einrid) von SBraunfd&roeig einging 31t gememfamer SDefenftoe
gegen bie Sdjmalfatbener, aber audj aus Seforgnis oor 2luf=
rufn* unb Ungeborfam bes gemeinen Cannes, fteigerte et bie
<3efaf>r eines SReligionsfrieges.
2lber fdfjon roanf te ifjm baljeim ber 33oben unter ben güfjen.
Qn ber 9ttarf geroann bie neue Sebre fcfjnell 2lnr)ang, obgleich
noch 1527 bie Stänbe mit 3oa(5im gemeinfam feierlich er=
f (arten, bei ber Sehre unb SBerfaffung ber tfirdje bleiben §u
motten, üRamentlidj im Bürgertum fielen ihr immer roeitere
Greife ju. 3Bie roeit auch §kx neben ben firdjlidjen fojiatc
unb mtrtfchaftlidjc SNeformtenbenjen mitroirften, ift nicht red^t
erfidjtlich. ©efehlt jeboch r)at es baran ftcher nidjt. 3u be=
benflidjen Unruhen freilich fam es, roie es fd^etnt, nur in
Stenbal, bas unter ben altmärftfchen Stäbten eine gemiffe
fül)renbe Stellung einnahm. 3m Sommer 1530 [türmte
bas SBolf bort bie Säufer ber teJeiftlichen, bie ben ®efang
lutherifcher Sieber (jinbern mollten. (5infd)reitenbe furfürftliche
S3eamte mürben bebrotjt. Schlie&Itd) brauen bie Meuterer in
bas SRatbaus, unb erft müitärifches (Sinfchreiten unter bem
flurr»rin§en fteßte bie Orbnung t)er. £ie Stabt mürbe ftreng
beftraft, ben jum £obe oerurteilteu Stnftiftern jeboch bas
Seben gefchenft. $icfc$ Strafgericht machte (Sinbrud: nirgenbs
mef>r magten bie 2lnt)änger ber neuen Sehrc heroorjutreten,
unb bem äufjeren 2infcr)ein nad) blieb bie 9Warf unberührt
oon ber hitherifeben Sicheret, roährenb bie june^menbe SBeröbung
ber Neffen, bas SIusMeiben ber Opfergelbcr unb bie Qnt-
leerung ber 5Uöfter zeigten, baft auch ^ier bie £age ber alten
$ird)c ge3öt)It feien. Sie granffurter §ochfd)ule »erfiel, maf^
renb Wittenberg fjcrrticl) erblühte unb aud) uon jahfreichen
9Jfärfern aufgefucht mürbe, uneradjtct bes t>on 3oadf)im er;
fajfenen Verbots.
2Bic aber fonnte 3oad)im hoffen, fein Sßolf ber neuen
Sebre fernjuhaltcn, menn biefe nicht blofc bei mannen feiner
SNate, mie bem trefflichen (Suftad) dou Sdjlicben, bem <pof=
marfdjall 3(bam oon Crotta unb Slurt nou $(oto, Sympathien
fanb, fonbern in feinem eigenen Öefchtecht Anhang gemann?
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III. SBranben&urg im Uebergcng jur neueren &'\t.
193
$afe bcr preu&ifdje, bafc bic fränfifc^en Oettern ihr zufielen,
mochte er noch oerfebmerjen : aber in leibenfcbaftltchem 3om
braufie er auf, als er erfuhr, bajj feine bänifdje ©emablin fieb
bem Sutbertum sugemanbt unb 1527 bas Abenbmabl in beiber*
lei ©eftalt genoffen b«bc. $urd) ihre SJhitter eine ^idjte 3rieb=
rtdjfi bes SBeifen unb 3ohannS bes 33eftänbigen, eine 6chroefter
bes entthronten Sänenfonigs ©^rtflian II., bcr fein politifebes
Abenteurertum burch ben Schein bes «Olartnrtums für bie neue
fiehre ju beefen liebte, mar @lifabetf) früt) bem ©oangelium
gewonnen worben. ftafe ihr ©emabl, bem fte fünf flinber ge=
fdjenft f)atte, smet Sötme unb jroifdjen ihnen brei £öd)ter, i^r
offenfunbig bie eheliche £reue brach unb bamit ben fittlichen
SSert bes oon ihm fo leibenfebaftlicb oertretenen ©tauben« felbfi
in bas übelfte Sicht fe|te, roar wenig geeignet, biefe Gntwicfelung
aufzuhalten. Ilm fo fdjwerer bachte Soadjim fie bafür büfeen $u
laffen. Als fie bie reuige SHüdfefjr 511 ber alten fltrdje ablehnte,
wollte er fie, Reifet es, wegen flefeerei projeffteren laffen : (5iifa=
beth meinte ernftli^ für i^r Seben fürchten 511 müfieu. Au*
i^re SBerftofcung, ihre lebenslängliche (Sinfehliefmng würbe er* ,
wogen, £>a floh fi* * m Wäv$ 1528 nach Saufen, wo Johann
ber Seftänbige, ihr Oheim, fie erft in bem 9ionnenflofter Prettin
bei £ommiJ}fdj unb bann in bem benachbarten Schlöffe Sichten«
bürg unterbrachte. Joachim war außer ftch : in ber gludjt ber
an Seib unb Seben bebrohten ©emafilin fah er eine ihm per;
fbnlich angethane Schmach, burch bie feine firchlichen unb poli=
tifchen äBiberfacher ihn oor ber 2Selt blo&ftellen wollten, unb
es fehlte nicht oiel, fo hätte er gegen bie TOtfchulbigen unb
»efchfifeer ©lifabethö bie Waffen ergriffen. Unb (Slifabeth blieb
nicht bie einige Abtrünnige in feinem $aufe. Seine jüngfte
Tochter Margarete, bie SBitwe ©eorgs oon Bommern, fcheint
burch ben ©influfe ber SHutter ebenfalls fdjon für bas fiutljers
tum gewonnen gewefen 511 fein : fie oeranlaftte balb banach ben
Uebertritt ihres jweiten ©emabls, bes dürften Johann oon
Anhalt, ^aft ber ©atte ihrer Scbwcftcr ©lifabetf), Sersog
©rieh oon 33raunfd)weig, ben Lutheranern Shilbung gewährte,
liefe auch feinen Abfall befürchten. Aefmlicb bachte, wie er
nachmals befannt h«t, fturprinj Joachim, mochte er bas auch
Brills, yxtum* «rf*i*if. I. 13
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194 ^rfted $Bu$. 2>ie demente be« preufrifdjen ©taateö (bis 1598).
oor bcm Sater angftlidjj oerbergen. 9?ur feine ältefie £odf>ter
9nna, bie ©emafjlin föerjog 2Ubred£)ts oon s J)tecflenburg, bie
einft ^ßfnlipp oon Reffen oerlobt unb bann bem Ätoficr beftimmt
geioefen mar, fefjrte jur greube bes Vaters oon ber lutberifd&en
3rrlef)re, bie fie eine 3citCang begannt f)atte, jnr fatbolifdien
Äirc&e gurüef. 3n immer weiteren Greifen falj goadjim bie oer=
fm&te Neuerung nm ftdj greifen. 6elbft für bas ©erjogtum
Saufen mar nadf) bem £obe §erjog ®eorgs ^u fürchten, ba
fein jum 9?adjfolger bemfener Vruber unb befjen ©ötjne ifnr
ebenfalls juneigten.
£ro| adebem meinte Qoadjim ©aus unb Sanb an bas
alte flirdfjentum feffeln ju tonnen. (Sigenfinniges 33el)arrcn bei
ber eigenen oorgefafjten Meinung, fdjroffes Slbtoeifen ber ftdfj
aufbrängenben befferen @injtd>t unb befpotifdje Unbulbfamfeit
gegen bas ©elbjtbeftimmungeredjt anberer gaben bei ibm ben
3lu«fa)lag. 9tidf)t genug, bafe er feinem ©rftgeborenen 3oad&im,
als feine ©ema^lin SHagbalene, bie £od&ter ©eorgs oon <2adjfen
(28. Tejember 1534), geftorben mar, in &ebioig, bes ^olen*
fönigs £od)ter ( s Jttär$ 1535), eine ftreng fatf)olifdf)e, unbeutfdje
S3raut aufnötigte, toäfjrenb ber jroeite, 3o()ann, ber Sdjioiegers
fofjn £einrid)S oon Vraunfdjjioeig rourbe: nodf) burdfj fein £efta=
ment oerpflidjtete er beibe <5öfjne „unoerrüett bei bem alten
dfjriftlidjen ©tauben ju bleiben" unb „mdjts bagegen, roeber
f)eimlid& nodj öffentlidj, ju tf)un". SRidfjt blojj für fidj felbft
mufjten fie bas „an eines regten gefahrenen (SibeS ftatt"
ifmt geloben, fonbem tollten aud) iljren 9?adf)fommen unb ©rben
bie gleiche feierlidje Verpflichtung auferlegen. Selbft bie 2Jtifc=
Ortung bes 2ldj)illeifdf)en §ausgefefces, bereu 3oaa)im fiel) fdjulbtg
machte, wirb fner entfprungen fein, £cnn inbem er burd) fein
Xeftament bie Watt fo teilte, bafj ^ofjann bie SReumarf, Sterns
berg unb .Cottbus, troffen unb $eifc erhielt, alles übrige aber
famt ber Jitur bem (Srftgeborenen oerblieb, glaubte er roofjl
ifmen im Qntcreffe it)reö föaufes eine ©emeinfamfeit bes Qa\u
belns aufzunötigen, bie jufammen mit bem ifinen ebenfalls ge=
botenen Verbleiben in bem &aHenfer Vünbnis, ir)ren Ueber=
tritt ju ber neuen £ef>re um fo fixerer $u Innbern fdjjien, als
bie Teilung eines Äurlanbes mit ber (Mbencn VuHe in Söiber-
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III. »ranbenburg im Uebergang sur neueren 3ett. 195
fprudj ftanb unb bafjer nur mit 3uftimmung bes JRaiferö auf=
rcc^t gu erhalten war: es galt für fie alfo ftdj feiner ©unft
unb ©nabe gu oerfidjern. Karl V. fajeint ofjne weiteres gu*
geftimmt gu Gaben: oerf)ie{? ilmt boaj bes flurfürften £efta=
ment bie 39ef)auptung einer (Stellung in 9iorbbeutfd)lanb, bie
faft fdjon für oerloren fmtte gelten fönnen. Die märftjdjen
Stäube finb um if>re SuIHmimmg offenbar nidjt befragt. 2Bas
aber fjätten fie audj gegen eine afjregel einguwenben $aben
follen, bie mit ber Teilung aud) eine 5Jfinberung ber lanbeSs
fjerrlidjen ©eroalt, iljnen fctbft alfo größere Unabf)ängigfeit
oerfnefe? 2ßa« märe aus 33ranbenburg, was aus ben $o(jens
gottern geworben, wenn es 3oadnm I. gelungen märe, ifjre
<5ntwi<felung in bie oon ilmt gewollte 39a(jn gu bannen? 2Birb
man md)t aus ber ©ewaltfamfeit, mit ber er aud) bie 3ufunft
oon $aus unb Sanb oon feinem ©ebote abfjängig machen
wollte, oermuten Dürfen, bafe tyn tief innerliaj bereits bic
SBorafjnung bes na^enben Umfdjlags überfam, bes Umfdjlags,
ben nidjt abtoenben gu tonnen für ifm nid)t bloß eine uner=
träglidje Demütigung bebeutete, fonbern ber 93ernid)tung feiner
gangen fürftlidjen ©rjfteng gleiajgefommen märe? üängft mar
3oad»m I. ein grembling in feiner geit, beren 3 € ^ en er
niajt oerftanb, nidrjt oerftefjen wollte. SBon feinen fürftlidjen
©enoffen fafj er einen nadj bem anberen ber flefcerei oerfallen,
oon ben Stüfcen, roeldje bic oon if>m als buraj ©Ott gefegt
oerteibigte firdjjliaje unb polttifaje Orbnung getragen, eine naaj
ber anberen gufammenbrecfjen. Sollte er mirflid) geglaubt
baben, feine roillfür Hajen unb reajtswibrigen Seftimmimgen
fönnten ben ©ang ber Dinge aufhalten unb bas $erf)ängnis
abtoenben?
Aaum fünfgig 3af)re alt, ift 3oadjim I. am 11. 3uli 1535
geftorben. Der Xob mar ein ©lücf für ifm: er erfoarte ifjm
eine (Snttäufdmng unb überfjob if)n eines ausfidjtslofen Kampfes,
in bem er nidjt bloß äugerlicr) erlegen, fonbern aud; innerlidj
gebrochen fein mürbe. Unb in biefer ftinftdjt mödjte man feinen
£ob als ein ©lücf begeidjnen audj für fein &aus unb fein
Sanb. 3^nen würbe bie Setbftbeftimmung wiebergegeben, beoor
bie fajon aufs ^öajfte gefpannten firajlidjen unb politifajen
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196 ®rfle« 8ua). 2>ie demente be« preu&ifäen Staate« (6i3 1598).
©egenfäfee gewaltfam jufammenftiefeen. @ie gewannen bie
SRöglidtfeit, redjtjeitig unb friebltd), of>ne tiefe ©rföütterung
im 3nnern unb olme fd)roeren flonfftft naä) aufcen, in bie
neue Orbnung ber SHnge ijinüber^ulcnfen, in ber aud> fte enb=
lidf) alle ©ebingungen für ein rafd&ereä @ebeif>en unb eine lia>
tere 3"*""^ gewinnen follten.
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IV. Befovmafitm unb Jfänbiftfjes Regimen!.
1535—1598.
■
1. loadjtm II. 1535—1571.
b) £ie Deformation in ber 9)iarf SBranbenburg.
1535—1503.
w
ie in aßen Warfen roaren auch in 23ranbenburg (Sfjriftiani-
fierung unb ©ermanifterung föanb in §anb gegangen. 2)aö
bebingte 93efifcftanb unb (Sinfhtfe ber ftirche, beren 3lnfprüche
auch in ber golge ju ben befdnränften Mitteln beö toenig be=
güterten Sanbeö nicht in bem richtigen Söcr^ältnis Rauben.
2ln biefem Ratten aujjer ben brei märfifchen Bistümern 23ran:
benburg, &aoelberg unb Sebuö Anteil noch 2Rcifeen für bie
#aufifc, tfammin für neus unb uefermärfifche Sanbftriche unb
Serben unb &alberftabt für bie 2lltmarf. üfyntn unterftanben
aufeer jaf)(reia^en £tabtfird)en unb länblid^en Pfarreien
35 3J2öndjß: unb etroa 25 granenflöfter, meift asfamfdje ®rün;
bungen. ©ie belüfteten Sanb unb Seute materiell unb ent=
Sogen einen großen £eil beö länblidjen Söefifceö allen öffentlichen
Smecfen, erjeugten aber auch fittliaje unb geiftige Nachteile.
$en gciftlidjen Stanb fugten aud) f)ier oicle nur um weltlicher
Vorteile willen: Tie betonten mein* als iljrc geiftlichen Pflichten
bie ihnen suftebenben weltlichen Deckte. Salier gab auch ber
SBanbel beö märfifchen Rleruö &u Magen 2lnlafe. (>Jetfttg [taub
er niebrig : theologifcheö ©tubium mar unbefannt, ber Vorwurf
ber Unbilbung offenbar berechtigt. 3nfolgebef}en mar bas firch-
liche Seben in ber 9Jiarf mehr alö anberwärtö oeräußerlidjt unb
ju unoerftanbenen gormein unb abergläubtfehen ^Bräuchen uer;
flüchtigt. £aö bezeugt baö Ueberhanbnehmen ber ©allfahrten,
befonberö bie göfeenbienerifebe Verehrung beö heiligen SÖIuteö
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198 ßrftee ©ucf>. £ie Elemente be$ prcujjifdjen 3tnateä (bis 1598).
SBilsnacf, fotnie bic üppige Entfaltung bes SHarienfultus.
$as änberte aud) ber ©influfj nid)t, ben bic 2Warfgrafen feit
griebridö II. auf bie Sefefeung ber Sistümer ausübten, $od)
rourbe bie s J)torf von einzelnen ber reformatorifd&en SHidjtungen
bes Mittelalters tiefer berührt. Söalbenfergemeinben gab es
311 ßnbe bes U. 3af)r(iunberts in Slngermünbe, Königsberg,
Xramburg unb ^renjlau. Obgleiaj auf ftanbroerfer, Sauern
unb £agelölwer befdjränft, überbauerten fie rotcberljorte Sßer=
folgungen unb gewannen fpäter im 9lnfd)lufe an bie böf);
mifdjen 93rübergemeinben neue .straft. £ie Verbrennung eines
ifjrer £cr)rer ju Berlin im 3lprü 1458 leitete eine neue $er=
folgung ein, oor ber Diele naa) Sööfnuen unb SRäfjren ent=
roidjen. Siennod) roirb fidj in managen Greifen eine ©efinnung
erhalten f)aben, roeldje bie oon Wittenberg ausgef)cnbe 3ln=
regung lebfwft aufnahm. 2lud) in ber ©eifttidjfeit fehlte fie
nid)t. Sie Reform ber Slugufiiner, bic in ber jroeiten fiälfte
bes 15. galjrfumberts Slnbreas ^roles angebahnt fjatte, roar
banf bem eingreifen ber lanbesf)errlid)en Autorität namentlid)
ben löftem ber Mar! ju gute gefommen. Sebeutenber roirfte
ftolmnn oon Staupifc ein. 9luf einer märfifdjen ^rooinjial=
fpnobe ju 3' e ) ar / °i c e i nc öefferung bes fird)lidjen Sebens
beriet, würbe am 12. 3uni 1512 Sutfjerö £raftat: Omne, quod
natum est ex Deo oerlcfen, ber of)ue prinzipiellen ©egenfafc
511 Dom bereits eine Reinigung ber Se^re auf ®runb ber
^eiligen Sdjrift unb bie Reform bes Klerus forberte. So
mürbe biefe fjier fogleid) in (egale Sahnen gelenft, freilid) aud)
i^r $\tl nur niebrig gefteeft. Statt bes ^3riH5ipS griff man
Dcbenbinge auf. Eafjer roar bie märfifdje Deformation gleid)
ifirer Einlage naa) allem @rjrcmen abgeroanbt, bem altfira>
lidjen DabifalismuS fo gut roie bem neufirdjltdjen : einer gc*
roifjen mittleren 9iid)tung folgenb, begnügt fie fidj mit Slbfteflung
ber augenfälligften SHifeftänbe unb läfet bem (Sinjelnen fo oiel
greiljeit, als oljnc Konflift mit ber nodj 311 fHed)t beftcl)cnben
Autorität möglidj ift. Äuf biefem 33obcu ftanb aud) 3oad)im II.
Xoü) batte biefe föalbfjeit nod) anbere Örünbe. Unter
bem Tirucfe materieller Sorgen roar bie s «Beoölfemng SBranben--
burgs geiftig im allgemeinen $urüdgeblicben. Sangfamer als
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r
IV. Deformation unb ftänbifa)eä Regiment. 199
bie beft benachbarten Sadjfen rourbe fte von Sutherd Sttort er*
griffen, obgleich fic bei ber Unterorbnung 2Btttenberg$ unter
bafi Sifitum Sranbenburg ber Sache bod> gleich nahe genug
ftanb unb bie Unioerfität gronffurt jofort leibenfchaftlidj gegen
fcuther gartet nahm. Söufcte biefe boch beft Sanbefi^errn ganje
Autorität hinter ftch unb mar bafür beffen befonberer ©unft
unb ©nabe geroig. Um fo oorftchtiger mußten bie anbers
2)entenben fjanbeln. 3öo man ben Söittenberger Neuerungen
juftel, fam baö baher nicht in beftimmten föanblungen, fojus
fagen pofitio, jutn Stuöbrucf, fonbern in bem ungeftraft mög*
liefen Unterlagen bisher beobachteter firchlicher brauche. Schon
1521 blieben 3. 33. in Berlin ber Bat, bie ©üben unb bie
Schulen ber gronleichnamdprojeffum fern. <5« griff ein ge*
roiffer neutraler 3uftanb $la& : bas entgog 3oacbim« I. (Sifer
jeben ^orroanb 311m eingreifen unb liefe bie neue £ehre in ber
Stille gebeihen.
$abei fnüpfte fie metfach an oermanbte ältere 3lnfä|je.
3uerft fchlug fie äöurjel, roo baß föuffitentum eingeroirft hatte,
in ben fturfachfen benachbarten laufifcfchen ©ebieten, in ßottbufi,
©üben, äudau, Äroffen unb Sommerfelb, in erftgenanntet Stabt
burch Johann Sricftmann, ber ihr nachmalfl in Greußen bie
Stätte bereitete. Unter bem £aujifeer 2Ibel oerfuchte Wietel
von üRinchoifc ju Sonnemoalbe eine ähnliche SRofle 5U fpielen
roie in ben rr)einpfäljifcr)en Sanben 3rang oon Sichngen. £r
befriegte ben altfirchlichen Sifchof oon Sebu«, ©eorg oon
Slumenthal, unb trat bem fturffirften entgegen als SBerteibiger
bed Äöüner Sürgerö SSolf ftornung, mit beffen fchöner grau —
einer Tochter bea Zöllner sBürgermeifterfi Thomafi oon Planten*
fetb unb Schroefter bes Diigaer (5r$bi|chofä 3°hann oon 23lanfen*
felb — 3oacf)im in boppelt ehebrecherifchem Verhältnis ftanb.
Schließlich tarn ber ffanbalöfe föanbel auf bem ftlageroege gar
nor ba$ Neichöfommergerieht. fiuther, ber oergeblich $u ©unften
ber flurfürfttn (Slifabetf) 3u oermitteln oerfucht hatte, gab ihm
1528—1530 noch größere Oeffentltdjfeit. £afi ließ 3oaa)ima L
geinbfehaft gegen feine Öebre bo<h in einem neuen Sichte er*
fcheinen, bie tnjroifchen in ben Nachbargebteten weiter um fich
griff unb burch «ne 2Rcnge unfontroaierbarer .Kanäle auch in
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200 fcrftcä Elemente bee preu&tfc^en Staate* (btä 1598).
bic ÜRarf einbrang. 3m gebruar 1524 erging ein SRanbat
gegen Supers Vtbelüberfefcung, bie oon gestern wimmeln unb
beftimtnt fein follte, burch gälfehung bie chrtftliche @laubens=
einfieit 311 ftören. Wit bem Vauernfrieg glaubte 3oachim bann
ben oon ben Neuerern erftrebten Umfturj ber fachlichen unb
ftoatlichen Orbnung hereinbrechen 511 fefjen. ©r mar ju uns
barmherziger Strenge entfchlojfen. 3nbem er bas SBormfer
©bift erneute, wies er SWitterfchaft unb Stäbte an, ftcf) fampfs
bereit $u hatten, ba „bie 2utterifche unb anbere Sehre unb
$rebigt etwas raf$ unb h*M)lt<h zugenommen". 3um ©lücf
wanbte bie fdjnelle Vewältigung ber fränfifdjen unb thüringifchen
Vauern biefe ©efahr oon ber s J)iarf ab. 35Me unbarmherzig
würbe 3oad)im eine Erhebung erftieft i)abtn, für bie er bie
SEBittenberger ßefeerei oerantmortlich machte ! eine ©efahr
für bie firchliche, ftaatlidje unb gefellfcbaftliche Orbnung mürbe
er bas £utr)ertum mit Stumpf unb Stiel ausgerottet fm&en.
So blieben bie geheimen 2ßege zur Verbreitung ber neuen
Sehre auch weiterhin gangbar.
Srofe bes ergangenen Verbotes zogen bie märfifdjen Stu=
benten zahlreich nach Wittenberg, befonbers bie 2Utmärfer.
3mmer augenfälliger rourbe bie firchliche ©leichgültigfett bes
Vürgertums. kirchliche Stiftungen unb Spcnben famen außer
Uebung. Von ben entliehenen firchlichen Kapitalien mürben
bie 3infen nicht gezahlt. 2lblige unb Vürger unterließen bic
fchulbigen Sienfte für bie geliehenen firchlichen ©üter. Sie
oerroeigerte juerft offen 1524 ber (Srbhcrr auf s Jlltcnhaufen,
Matthias oon ber Schulenburg, iubem er gleichseitig für feine
©titer einen lutherifchen ©eiftlichen befteHte. £)as bemirfte
eine weitere Verarmung ber märfifchen flirche. Unter bereit
^)rude traten alle firchlichen ÜJiifjftänbe noch mehr tyervox.
33efonbere Erregung fcheint jebod) baburch nicht ocranlaßt ju
fein: bie Deformation war h^r weniger Sache bes ©emüts
als bes Verftanbes unb würbe weniger oon bem Stanbpunft
bes opferfreubigen ©laubensmutes als bem bes praftifchen
Vorteils aufgefaßt. So wenig wie für bie alte Jtircbe ereiferte
man fia) für bie neue, ©ern warf man bie bisher für jene
getragenen Saften ab, hütete ftch ober bei ber befannten ©es
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IV. Deformation unb ftänbifäeS Regiment. 201
finnung bes 2anbe«herrn fidj förmlich für bic lefetere ju oer=
pflichten. 3n einer 9lrt oon 3nbtfferentismus ober Neutralität
wartete man ben Ausgang ab unb lebte ftd) allmählich in bie
entfprechenbe neue Orbnung ein. 60 fam bamals bereits in
ber 3Rarf jene mittlere s Jtid)tung auf, bie mit Unrecht für bas
perfönliche Söerf 3oaa^imö II. gilt, in 5Bahrf)eit oon ihm oor=
gefunben unb in fird)ltdjen unb roeltttdjen fingen eingehalten
morben ift.
Ob fte möglidj geworben märe, wenn 3oödf)im I- ben
geroaffneten 3«f°^nwenfto6 ber NeligionSparteten noch erlebt
unb fein ber alten flirdje entfrembetes Sanb ju jroingen oer=
fud)t hätte, feine 2Wittel bennoa) für biefetbe eüijufe^en? (Sin
fernerer flonflift märe unoermeiblidj geroejen. Ob barin bas
Sanb ober ber Sanbesherr unterlegen märe? Stajj in feinem
fiaufe, in ben oerf abmagerten gürftengefd)lechtern bie Neuerung
Anhang geroann, fyat meber ben fatljolijchen @ifer noch bie
©iegeSjuoerfid)t 3oaa^imfi I. geminbert. Um fo größeren @in=
bruef machte es auf fein Söolf, fo fer)r bas (Strafgericht, baft
im 2luguft 1530 ©tenbal traf, jum Sßerharren in ber 3uroar=
tenben Haltung mahnte. Samit regnete 3oaa^im, als er £aus
unb Sanb für alle 3"f"nft <*n bas Sßapfttum 311 binben unters
na^m. ©lieben feine ©öhne, burdf) bie Teilung beibe ber freien
Bewegung beraubt, burd) ihren @ib moralifdj unb burdj bie
3ugehörigfeit 511 bem $aüifchen Bunbe politifch an bie alte
flirre gefeffelt, bem ihnen aufgejroungenen Si;ftem treu, fo
behauptete Nom im £er$en 91orbbeutfd)lanbs eine wichtige
^ofttion.
216er 3oadjims I. Berechnungen trafen ntdjt gu: gerabe
bas oon ihm ausgeflügelte ©nftem ermöglichte bem Nachfolger
bie Beibehaltung jenes neutralen Sttittelftanbes, ben jebe Partei
für fid) in Slnfprud) nehmen unb ju ihren ©unften beuten
tonnte, ber aber bie fdjliefcliche (Sntfdjeibung bem gürften ent=
50g unb je nachbem feinen Untertanen ober feinen Nachbarn
überliefe. Unb eben bas entfprad) ber Senftoeife bes neuen
Äurfürften, bem bei allen ©oben bes ©erjenS unb bes ©eifte*
bod) bie bes (Sntfchluffes unb über$eugungstreuen $anbelnS
abging. 3oad)im II. mar fein SRann ber 3nitiatioe, bes fonfe-
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202 erftcä !8ud>. 3>ic ©lemente be$ preufjifdjen Staates (bis 1598).
quenten 33ef)arrenö. Seine toeidje, finnlidje, ruhigem $3ef)agen
geneigte Datur mieb bie flonfltftc : es roiberftritt tljr, für eine
Meinung einzutreten, bie gegnerifdje ju befämpfen unb fo einen
s £rinjipienftreit f)crauf$ubefd)!oören. SBer&üHung ber ©egenfäfce
fjinter betm^ unb beutbaren gormen unb gormein, benen jeber
ben tf>m äufagenben 3n^alt geben fonnte, Umgebung ber ent=
jtefjenben tfonflifte unb baft Serben um bie gleite 2Beitf)er$igs
feit unb 91ad)fid)t, um nid)t 3U jagen Sarfyeit, bei ben Gegnern :
bas finb bie 3^9?/ bie 3oao^imfi II. firdjtidjeft ßanbeln fenn«
jeid^nen unb fein politifdjeä Softem beftimmt fyaben. 3 utn
(SUaubensfjelben war er nicf}t berufen: potttifdjer SSorteü unb
bpnaftifcr)er öeroüm gingen ifmt über oerflärenbefi 33efenner=
tum. $at er bod) jtoei feiner Sölnie jur fattjoüfd^cn flirdje
äurüdfef)ren laffen, um bafi ©rjbistum 9Hagbeburg ju geroinnen.
2öof)l fte^t er mit biefem Snnfretismu« nidjt allein: bei ben
erfien fürftlidjen 23efd)üfeern ber Deformation f)at aud) fonft
meift nidjt bie roie burdi <Srleud)tung über ftc gefommene ©e;
nrifefjeit oon ber 933ar)rt)cit ber lutfyerifdjen Sebje entfdjteben.
$0311 fehlte in bem Silbungsgange biefer Herren jebe -ßoraufis
fefcung. 3lud) roaren bie Anfänge ber Deformation in fidj gu
roiberfprudjäooll, um einen Derartigen (Sinbrucf $u madjen:
loeltlicbe, politifdje, ja felbft materielle ÜWomente gaben ben
2luöfd)lag &u ibren fünften. (Sine Sadje befl ©lauben* für ba«
arme, oon ber alten fttrd)e ficr) felbft überlaffene S3olf, rourbe
fte oon biefem erfafet mit ber ilöärme einefi enblid) roieber ftrdj--
lid) mädjtig ergriffenen &erjen6 : für bie WUfotcfyl ber beutfdjen
dürften mar fic gunädjft eine Sadje ber ^polittf, bei ber fie
mebr ifjrem Vorteil als religiöser Segeifterung folgten, &an*
bette 2llbred)t oon Greußen roefentlid) anberfi? (Serabe mit
ibm toeift 3oad)im II. 3(ef)nlid)feit auf, nur bafj er, in feiner
^eiteren £eid)tlebigfeit oom ftlüd begünftigt, wie jener bei
feiner fdjroerlebigen 3lrt oom 3Jiijjgefd)itf oerfolgt, fid) gefdjidt
burd) alle Sd)ioierigfeitcn fjinburdnuanb. So Ijat er onne
&errjd)ergröfec, ja o^ne befonbere OJabcn in faft oieräigjälnriger
Regierung ben (yJrtmb gelegt für bie 3ufunft feine« Kaufes.
3m Wegenfafc $u ber Starrheit bes s ^aterö fennjeidjnet
ifni unruhige SBetoeglidjfeit. Df)ne ben nüdjternen, auf gute
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IV. Deformation unb ftänbifajeS «Regiment. 203
2Sirtfd)aft unb forgjames ©aushalten geridf)teten Sinn jenes
mar er oon leichtlebiger Sorglofigfeit, bie ben 2lugenblid genoß
unb fief) in bem ©lanje pfiffen ^jkunfes fonnte. 2ludj in
ber Sßolitif banbelte er als Sanguinifer, mit jener naioen
3uoerfid)t, bie am erfolge nidjjt jroeifett. 2Bof)l machte fotd^
fürftlidjes ©alten auf bie 3eitgenoffen Ginbrucf. <5s r)attc aber
bodjj feine üblen Seiten. $aß bie ifjm angeborene „große
Äuriofttät" ju tf)öria)ter 2eid(>tgläubigfeit ausartete unb ifm
verleitete, fidf) mit allerlei Sd&roinblern einjulaffen, bie balb
ben Stein ber Söeifcn 511 finben, balb ©olb ju madfjen, inseitige
(Srjc 5ur SReife 51t bringen ober in ben märfifdfjen Seen perlen
ju fifdf>en ober Safybergroerfe ju erfdf)ließen oerfprad&en, um
nadfj SBerroirtfdwftung bes ifmen baju anoertrauten ©elbes ju
oerfdjroinben, mar nod& ntd)t fo fdf)limm unb finbet bei manchem
dürften ber 3cit fein Seitenftücf. 9öor)l aber Imt bie finansielle
3errüttung, bie feine SBerfdjjroenbung oerfd&ulbete, nid^t bloß
23ranbenburgs Slftionsfä'bigfeit nadf) außen beeinträchtigt, fon*
bem aud) feine inneren SSerbältniffe übel beeinflußt. 3$re
pefuniäre 99eÜ)ilfe 511 geroinnen, würben ben Stänben auf Soften
ber lanbcsfürftlidjen ©eroalt *oerf)ängnisoolle 3ugeftänbniffe ge*
macf)t. Unb bas roirb bod> mdjt baburdjj entfcfyulbigt, baß
3oadjim infolge ber Teilung nur über fünf Siebentel (bas
Reifet 500 Ouabratmeilen ^tatt 700) bes märfifdfjen ©ebiets
oerfügte, roäbrenb bie ifjm als flurfürften obliegenben SBer^
pflidfjtungen eine entfpredjenbe 9Jlinberung nidfjt erfuhren.
2Bof)l erfa^eint im Eergleidj mit ibm fein 23ruber 3obann
oon flüftrtn als eine profaifd&e, faft unfürftlicbe SRatur, als
ein ©roßgrunbbefifcer, ber ttid)tig intenfioe Sanbroirtfdjaft trieb
unb fein Sanb bis in bas fleinfte detail gut unb red)tfd(jaffeu
oerroattete : aber feine Sparfamfeit fteigerte feinen Einfluß unb
fein roofjlgefüüter Sdjafe fam audj flurbranbenburg ju gute.
3m 3 nncrn roirfte er nadf) 3lrt bes Katers als Drganifator,
roie feine $oli$etuerorbnung für bie märfifeben Stäbte jeigt.
#efonbers aber überragte er ben 33ruber in ber religiöfen
grage. Unbeirrt burd) ben tym abgebrungenen (gib, obne auf
einen Slnftoß oon außen $u roarten, ber it)n entfdnilbigen fonnte,
flar unb mutig trifft er bie (Sntfdjeibung, bie er nad) ber in
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204 ©rftco »uct>. Sic Elemente bcö preufjifäen Staates (biö 1598).
ihm gereiften Ueberjeugung ju treffen in feinem (Seroiffen ge=
brungen war. Obgleich gelegentlich fchroanfenb — rote er
§. B. 1551 oon bem Bunbe gegen ben tfaijer plöfelich jnrücftrat
unb ßarl« V. Partei nahm — , oermieb er boch bie oft aroeU
beutige §albf>eit unb bie nach allen Seiten fompromtttierenbe
griebenöliebe ^oadjtms unb »ertrat erfolgreicher unb roürbiger
als jener bie „mittlere 9iidjtung". 3n ir)m mar etroa« oon
ber £ärte be« Bater«, roährenb Joachime weiche 91atur oon
ben Berhältniffen abhängig blieb, tiefer ©egenfafc mag bie
Differenzen erzeugt fyabtn, bie anfangs jroifchen ben Brübern
Ijerrfchten , eine golge ber burch bie Teilung oerurfachten
Doppelregierung. Die Bermittelung ber märfifchen ©täube fo
roenig roie bie be« &aUifchen Bunbe« führte zu oollem ©inoers
ftänbni« : aber e« gefchal) roohl nicht nur au« Unmut barüber,
roenn Johann bie Erneuerung be« lederen ablehnte, obgleich
man in Wittenberg bamal« oon feinem ber Brüber etroa« für
ba« ©oangelium hoffte. Dafj Johann übrigen« in feinen QnU
fchliefcungen oon ben aftrologifchen Berechnungen feine« Stern^
beuter« ^ßetruö Änemianber abhängig roar, ift boch ein SHoment
nur oon pfochologifchem ^"tcreffe/ ba« ben praftifch politifdjen
Wert ber oon ihm oerfolgten Dichtung nicht h* r flbntinbert.
Bei Joachim II. bagegen f)anbelte eö fich auch ber 9icfor=
mation gegenüber mehr um eine perfönliche als um eine prin-
zipielle ©ntfeheibung. grül) t>atte ihn roohl bie üKutter auf bie
neue Sefjre hingeroiefen. Schon ber Bierjehnjährige (geb. 1505 )
befugte, roie er fpäter erzählte, auf ber §eimreife oon bem
granffurter Wahltag (1519), ju bem er ben Bater begleitet
hatte, in Wittenberg ben „beutfehen Propheten" unb lernte
oon ihm ben „Ufuö". Doch fann ba« nicht ben Sinn hoben,
ben er fpäter hineinlegte, roenn er, ohne an bem ©lauben ber
Äirche irre $u roerben, bamal« bereit« begriffen fyabtn roill, bafj
allein ber Sohn (Motte« unb fonft nicht« bie @enugthuung oor
Öott geleiftet höbe unb er nur burch ih" bie Vergebung ber
Sünben unb ba« eroige £eben empfangen unb heilig unb ge=
recht roerben tonne. Bon ber Wertloftgfeit ber flöfterlichen ©e*
lübbe mag er überzeugt geroefen fein, alö er 1521 feine Sdnoefter
2lnna, einft bie Braut $hiHpp« oon Reffen, beftimmte, ber
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IV. Deformation unb ftänbtfäeä Regiment. 205
„fyeillofen Äappe" 311 entfagen unb 2llbred)t oon 2HecUcnburg
&u heiraten. 216er nod) im &erbft 1525 be$roeifelte bie Butter
feine geftigfett im Glauben : auch f)at er ihr mutiges 33etennt=
nis nid)t geteilt, $ocb fanbte er 1582 geheime SBotfd^aft an
Öuther, um Unterroeifung in betreff bes SaienfeldjeS, fanb
auch auf bem Wege $um £ürfenfrieg (Megenbett, fid) in
Wittenberg foroohf mit bem Reformator wie mit ber 2Wutter
ju befpred)en. 9l(fo mar er bodj mof)l fd)on bamals innerlieh
entfdjieben, fdjroieg jebodj aus Sdjeu oor bem Vater. 3Iber
er fdjmieg aud) nodj, als i(m biefer burd) ein feierlichem (Ge-
löbnis an bie alte ftirdje banb. So mar er freiließ nicht ber
2Wann, um ben 2öeg sur Sofung ber feine 3*tt erfd)üttemben
Äonffifte au jeigen, roo^l aber befähigt, in gefd&meibiger Stn=
paffungsfäfjigfeit fd)etnbar unausglcidjbare ©egenfäfce 511 oer;
einigen. $ie entfdjeibcnben 2lnftöfje empfing er ftctö oon
anberen, unb es mar ein (Wurf, bafe ihm Männer jur Seite
traten, bie ihn überfallt, auf fyötyxc 3iele richteten unb ba3u
führten.
2ln ihrer Spifee ftef)t ©uftad) oon Sdjlieben. 3n granf;
furt a. 0. unb Bologna gebilbet, f^atte er trofc feiner coan--
geltfdjen Neigungen bereits bem Rate 3° a( ?H md I- angehört.
£)aft er ftd) ber befonberen ©unfk bes Radjfolgers erfreute,
jeigt bie Ueberroeifung bes retdjen Slmtes 3offen im Sluguft 1586.
Ridjtig erfaßte er 3oadjimS II. Verhältnis $ur eoangelifdjen
Se^re: er entwarf bas Programm für feine firdjlidie ^olitif.
Sd) on ^3^ittpp oon Reffen hatte bem Äurfürften geraten : motte
er fid) ben <Soangelifd)en nicht offen anfchliefjen, fo möge er
menigftens bie ^rebigt ber neuen £ef)re freigeben, bie ju b,i« :
bem er fid) bodj nicht ausbrüeflieb verpflichtet habe. 2lud)
Sdjlieben empfahl, bie Bewegung gewähren ju laffen : für bas
Weitere roerbe ber ihr geneigte Vijdiof oon Vranbenburg,
Matthias oon 3<*9<>ro/ forgen. £od) fode er ftd) feiner ber
beiben Religionsparteien anfdjlieficn , fonbem unabhängig
Smifdjen ihnen bleiben unb bie Berufung eines ßon&tls forbern.
eintreten für bas ©oangelium mar bas aHerbings nic^t : er=
fchien es vielleicht eben besljalb mit bem bem Vater geleiftcten
@ibe oereinbar? 3ebenfalls ftimmte folche Halbheit ju bem
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206 Grfte* 93ud>. £ie demente bed preufeiföen (Staates (btö 1.598).
fird)lid)en Softem, ba* ^oad&im fidfj jurecf)t gemalt Ijatte. ©r
fnelt eine Reform ber flirdie für möglid) o^ne Slenberung i^red
SBefcnfi unb ofjne Spaltung. 2ludj wer bie Verbienftlidjfeit ber
guten SSerfe leugnete unb ftdj ju Sut^erö *Red)tfertigung$tel)re
befannte, fonnte, fo meinte er, mit ber gefdjidf)tüd) geworbenen
äußeren gorm ber äiraje it)re bifc&öflidje 93erfajfung beibe*
galten. Seinem am 2leufeeren ^ängenben Sinn fagte ber
$omp beö fatf>olifcf)en flultuö ju. Snnerlidj £utf)eraner, blieb
er äufcerttd) Äatr)otif, oietleidjt nur um nidjt burdj offenen
Uebertritt bie fatfjolifd&en ©iferer gegen ftd) ju entfeffeln. $efi*
halb unterblieb aud) bie geplante &etmfef)r feiner Butter:
forberte fic boc^ 3"ft3>*rung freier 9ieligionöübung, bie mit
biefem Snftem nidjt oereinbar mar. &atte bodj f$on bie 3Kög=
li<f)feit biefeö 3 u 8 e ftä n bniffe6 in ^Jolen, oon wo ^oadjim gleidj im
&erbft 1585 bie ifmt oom 23ater aufgebrungene öraut geholt
hatte, unb bei König gerbinanb lebhafte ^Beunruhigung unb
felbft Drohungen ^eroorgerufen.
So gebot a(fo in ber «Warf ein Surft, ber bie roefent*
liüjften Dogmen feiner &ird)e oerwarf, of>nc weitere 5lon|equenjen
baraus ju jiehen, über ein SBolf, bafi feine eoangeltfdhe Uebers
jeugung jum 3tuöbrutf bradjte, inbem ed bie ber alten Äirche
jdjulbigen Sienfte unb Seiftungen einftellte, biefe fo unoermerft
ihrer weltlichen bittet beraubte unb Äuttufi unb Seelforge
nach bem Vorbilbe Wittenbergs umgeftaltete. Unb währenb er
fo in Sranbenburg bie Deformation gewähren tiefe, bemühte
ftch 3oaa)im im s Jteidje ben 3ufammenftofc fjintanaulmtten unb
bura) ein flonjil, oon bem er 3ugeftänbniife hoffte, bie (Stm
heit ber tfirche ju retten. Saher fam bie Leitung ber firä>
liehen Neugeftaltung, wie Sajtieben gewollt, an SHatthiafi oon
3agoro (geb. 1480), ber infolge feiner 9iominierung burd)
3oadjim I. feit 1526 bem 33ranbenburger SKötum oorftanb.
@in Xugenbfpiegel mar er nicht: 2llbrecht oon SWainj machte
ihm feine« SHanbclö wegen ernftc Vorhaltungen, unb Joachim I.
fdjritt ein, alö er bie Öüter beö oon ben «Mönchen 3um £eil
oerlaffenen fllofterö Seifefau für feine £afel einjiehen wollte.
$enn auet) fym fchmälerte ba§ Umficfjgreifen befi Shithertumd
bie bifchöflichen einfünfte. $ie ftotwenbigfeit einer Neuregelung
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IV. Deformation unb ftänbtfdjeä Regiment. 207
biefer $Berf)ältniffe mag mit einem ÜSanbel in bes öifdjoffi reib
giöfem $enfen aufammengetroffen fein. £arum burfte £utf>er
bem SWatt^ias von 3agow roofjl baö £ob eoangelifd)er $eftnnung
erteilen : er lieg bie neue Sefjre gewähren, mad)te aber wie ber
Äurfürft bie (£ntfd)eibung t>on bem Erfolge abhängig.
3oadjim II. f)at nur baö SBerbienft, bieö ©eljenlaffen
burdj fein 93emü()en um (Srfjaltung bes grieben« im SHeidje
ermöglidjt 311 fjaben. Sei if)m fiberwog ber Diplomat gegen
ben 33efenner: unbebenflid) erfaufte er einen politifdjen $Bor=
teil burdj ein 3ugeftänbni§ in firdjlidien fingen. 2tfaa märe
bo wofjl auft ber Deformation in ber 2Harf geworben, Ijätte
fte nid>t fdjon unter 3<> ac (iini I. trojj alle« (5Jegenbruds bie
Seoölferung in ber &auptfad)e gewonnen gehabt ? £iefe (jatte
bie (Sntfdjetbung bereit« gefällt, ©in Uebriges tljat 3)2arfgraf
3ofmnn. @r berief einen lutfjerifdjen ©eiftltdjen, föeinriä)
ftrame, gum ©ofprebiger unb gab ben bürgern oon flottbud
unb flönig&berg gleid) bei ber §ulbigung im 3<*nuar
ben Uebertritt auöbrüdlid) frei. Sd)on 1537 f)ielt Salob
©tratner, ben er oon feinem fränfifdjen Detter, 9)iarfgraf
©eorg, erbeten fiatte, in ber 9teumarf eine ftirdjenoifitation.
Oftern 1538 empfing 3ofmnn ju flüftrin öffentlich baö 2lbenb=
mafjt unter beiberlei OJeftalt. 3ln ben $Mfd>of oon fiebuö
würben bie neumärfifdjen Surft nidjt mefjr gejault; fie förm=
ltdj abjuf^affen mar unmöglich, weil ein Seil befi üebufer
Sprengel« unter 3oadjim n. ftanb. $as führte 311 ungefunbeu
93erf)ältmffen, inbem redjtd oon ber Dber erlaubt mar, was
linfa oerpönt ober bod) nur gebulbet blieb. 3oa#iro erlaubte
balb bie SlnfteHung eoangelifdjer ®eiftlid)er, batb oerbot erfic;
r)icr liefe er bie Neuerung gewähren, bort erzwang er eine
fatfwlifdje fReftauration : in ber 00m £of als „'Tom" benufeten
$ominifanerfird)e aber blieb ber tfultua fatljolifdj. öleid)
miberfprudjöooll wäfjlte 3oad)im feine 9Mte. 9iod) waltete
Sßolfgang tfettmidj befi tfanjlcramteö : ba« fonnte bie tfatf)o=
Wen berufjigen. $ie Rranffurtcr Unioerfität aber, bisher bic
fefte $urg ber 9lltfird)lid)en, erhielt 1536 in s J)?eland)tf)ona
Sdjmiegerfofjn, Weorg Sabinus, einen lutljcrifdjen Sefjrer, ber
bie eoangelifd)en ^rinjipien mit ber btfd)öflid)en SBerfaffung
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208 ©rfteä 8ud). Xk Elemente beS preufcifäen Staate (bt$ 1598).
unb ben alten flultformen üerföEjncn unb fo bic Einheit ber
Äirdje retten ju fönnen meinte. Um fich ber p^ften gelehrten
Autorität int Sanbe ooßenbs ju oerfidjern, liefe Soadfrim ben
Äurprinjen 3of>ann ©eorg jum SReftor ber Unioerfttät wägten.
£)ann mürbe im Qnni 1538 auf (Empfehlung 9)ielandjthons
ber ©ofm eines Xrettenbrie^ener Notars, Spanne« SBeinleben,
ber in Bologna unb Wittenberg, ftubiert h<**te, ein SRann oon
ungewöhnlichem Talent für bie Verwaltung, als „roefentlicher
(baft Reifet roirfltcher) ©ofrat unb §ofbiener" beftettt. hieben
if}n trat Matthias Bornas, bes Sabinus 3u9e"bfreunb unb
Stubiengenojfe. <#röfjere fachliche 93ebeutung ^atte bie 33c=
rufung bes 6ad)fen ©eorg 33ua)()oljer unb bes Slnsbachers
Stratner. 3^** mürbe ber erfte proteftantifdje tropft oon
^Berlin, biefer eröffnet bie SReifje ber protejtontifdjen ®eneral=
fuperintenbenten ber Matt.
3n foldjer Umgebung erfdjien 3<>M)im ben Altgläubigen
mie ein Abtrünniger. $afj er es nicht mar, beroies er, als
er in bem (Sntmurf einer märfifajen flirdjen reform, ben ber
$etfiant bes reorganifierten berliner ftomftifts, Rupert (Slgersma,
ihm oorlegte, roohl an ber ungenügenben Betonung ber SRedjt:
fertigungslehre, nicht aber an ber Beibehaltung ber fatholifdjen
formen Anftofc nahm. (Sin perfönlidjer Äonflift mit Suther
mar nicht ohne ©influfj barauf. Von einem ©djiü&ling Albredjts
von 2Rainj angegriffen, ^atte Suther berb breingefdjlagen unb
audt) feines (Gegners ®önner nicht gefront. 3oad&im erhob
vergeblich beim fädjfifdjen £ofe S3cfdr)rocrbc. ©ein 2Rann mar
ßuther überhaupt nicht. 2Soht aber berief er im April 1538
9Helanchthon ju einer Beratung, ©ie befeitigte ben fatboli=
fierenben Gtgersmafä)en föeformentmurf : benn 3Relanchthon enU
ging es nicht, mie bas SBolf in ber 2Harf in ©adjen bes (Soan^
geliums feinem §errn meit voraus mar unb „munberbar nach
ber neuen Sehre bürftete". <Bo wollte man bie firdjliche Neuerung
auch ferner gewähren laffen, ihr aber nicht ausbrüeflich bei=
treten. Sotdje Halbheit mar 3° a( him um fo genehmer, als
bie polttifdfjc Sage feinem bemühen um frieblidje SSertlänbigung
ber ^eligionSparteicn eben Erfolg verhiefe.
Unter bem $rucf neuer ausroärtigcr Vermicfelungen tonnte
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IV. Deformation unb ftfinbiföeä Regiment. 209
ber ßaifer an ©ewalt gegen bie ^roteftanten nodf) immer nic&t
benfen. 2llft bafier 3oad)im im 9)iai 1538 in Saufcen bic
bölnmfdjeu Sefjen von flönig gerbinanb empfing, gewann er
biefen für ben 2krfua) $u einer Skrftänbtgung offne bie flurte.
$ie ©dtjmalfalbener, bie fturfürften — außer bem 9Wain$er
— ftimmten bei. 2lud) ber Äaifer mar etnoerftanben nnb bereit,
neben bem Sßfaljgrafen Submig 3oa$iro felbft alfi Vertreter
ber ^roteftanten jujulaffen. $afe biefer noä) nidjt ausbrüdlidj
übergetreten mar, fonbern bie formen ber alten tfirdje fefk=
f)ielt, empfahl ir)n befonberö. 33ei ben ©oangelifdien aber er;
regte eben bies ernfte Seforgniffe, obgleich ber granffurter
Slnftanb oom 19. 21pril 1539 bie einftellung ber oom SReia^
fammergeridit gegen ^roteftanten eingeleiteten ^rojeffe unb
für ben nädrften 9ieid)dtag bie 33ilbung einer flommiffion non
S^eologen unb fiaien oerfügte, bie burd) eine „löblidfje d^rift-
lidfje Bereinigung" ben religiöfen grieben Ijersuftellen oerfud&en
fottte.
3mmerf)tn waren bie ^ßroteftanten junädjft oor (Gewalt
gefiltert. Unb nun tt)at audf> Qoadiim II. enblid) einen ©abritt
vonoärtft. ©rgaben fiä) bodf) aus ber Unflarbeit ber firdjlicfyen
$erf)ältnijfe in ber 2)Jarf Uebelftänbe, bie aud) auf anbere ©e;
biete ftörenb einroirften. 9iid)t blofe, bafe „ftird&e unb <Safra=
ment baf)infallen unb bie Ätrdje $um Sefolat" werbe, ftaub
nad) 3oadfjimS Korten 511 befürchten: für eine ganje SRetyc
von ftaatttdjen unb gefeHfdjaftlidjen Snftituten war bie bis=
fjerige ©runblagc in SSkgfaÜ gefommen. 9<odj war an bie
©teile ber gefdmnmbenen fird)lid)en Slutorität feine neue ge=
treten alß Hüterin von «Sitte unb 3uä)t, üon "nb 5 ft2
milie. 2öo bie $evolferung ehemals bei S6ifd)öfen unb ^far=
rem nid)t blofe 9iat, fonbern audj Sfledjt gefugt ^atte, ba
wanbte fie fid) nun an bie weltlichen SBebörben. Eer Äurfürft
unb feine Beamten würben, wie eö Reifet, ,,oielfad) angelaufen''
unb „um 9iid)tung angegangen wegen allerlei Sadjen, Errungen
unb Mängel, welche ber tfird&enorbnung unb Religion an;
bängig, aud) Gbefadjen, ber ®ciftlidjen £eftamentc, öffentlidje
Safter, 3 nf lwifitio» unb anbere gleidjmäfeige £änbel, bic vor:
()in vor bie geiftlidjen GJeridjte gewtefeu". Sie 2luflöfung ber
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210 £rfte$ öuc$. Sie (demente bcö preu|tfcf>en £iaateä (btö 1598).
firajltdjen Orbnung führte aua) ju ber bcr bürgerlidjen unb
bcr gefellfdjaftlidjen. £as nötigte 3oadjim, feine Haltung 311
änbern. 9iud& bie Stänbe werben auf bie fteigenbe 33erroirrung
fjingeroiefen Imben. Sie föeüten bereits auf bem Sanbtage su
öerlin im §erbft 1588 oon bem Äitrfttrjt enblid) eine be=
ftimmte Grflärung in Sachen bcr Religion ocrlangt 5U f)aben.
(5r roolle fiä), fo lautete 3oadjims Slntroort, fo ©erhalten, roie
er es oor öott unb bem Matfer mit gutem Öeioijfcn oerant*
roorten fönne. $em Sefenntnisftanbe feiner Untertanen trug
baft freiließ nidjt SRedjnung. 3ludj fonnte man aroeifeln, ob er
jid) bamit oon bem ©elöbnis töfte, bas er bem itoter geleiftet
f>atte. 2Bar bodj felbft ber SanbtagSrejcjj oon 1527, in bem
bie Stänbe bei ber alten tfirdje $11 bleiben oerfproäjen Ratten,
mit biefer ©rflärung nidjt unoereinbar. £odj fonnte man fic
audj auf bie 2lbftdjt beuten, ftd) bem fiegretdjen ©oangclium
m beugen. SBurben bie Untertanen fo nicr)t aufgeforbert, 31t
beharren unb burd) eine ooHenbete Xfjatfadje äße Sdjnrierig*
feiten ju löfen? 9lef)nlid) nrie einige 3 at)rc juoor in ^reu&en
f)ing in öranbenburg bas Sdndfal ber Deformation nidjt oon
bem Sanbcöfjerrn ab, fonbern oon bcr 33eoölferung. Qfjr mußte
jener folgen. Sdjon roanfte unter bem scrfejjenben (Sinfhifs,
ben bie 2luflöfung bcr alten Slirdje auf Staat unb ©efellfdSiaft
ausübte, feine Autorität. &udj für fie galt es neue ©runblagen
ju fa)affen. £er erroadjenbe ©laubenseifer bes Golfes, bas
an bem miliaren 2>oppchuefcii je länger je mefjr Slnftofe naf)m,
unb bie 9iotroenbigfett, burd) SJeraidjt auf bie blo§e Negation
ber begonnenen 2luflöfung &alt 51t gebieten, beroirfte fo enb:
lid) bie Klärung, bie in ben neumärfifdjen unb lauftfcifd)en
©ebieten Marfgraf 3°b ann bereits herbeigeführt batte.
3m Jebruar 1539 berief ber berliner SHat bie Bürgers
fd)aft siir Mitteilung eines furfürftlidjen Verbots gegen ben
eintritt in frembe ftriegsbienfte. Sie oerlangtc eine SBeforednmg
aud> ber fird)lid)en Sage. £iefe ergab ben Sefdjlujj, bcr 9lat
foütc 3oaa)im im Tanten bcr Stabt um (Erlaubnis bitten,
füuftige Oftern bas 3lbenbma^l unter beiberlei ©eftalt ju
feiern. Sdmcll fam bie Semegung mm in <vlufe. 3m Slpril
1539 erflärten etliche märfifdje Gbelteutc oor SBifdjof WlaU
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IV. Mcforwatioit unb ftänbiföeä Heßimcnt. 211
tf)ias oon Vranbenburg ihren Slnfdjluf? an bie neue Scfjrc unb
oerlangten eoangelifche Pfarrer aufteilen &u bürfen, ohne barum
bie fat&olifdjen austreiben ober nicht mehr unterhalten 311
wollen. Sehnlich ging granffurt oor, unb bas 6iöt)cr juroartenbe
Spanbau beftettte einen eoangeltfchen ^rebiger.
Vielleicht aber hätte Soachim II. bie geforbertc (Srflärung
aucj jefct nod) oermieben, wäre nicht am 1. 2lpril ^er^og
©eorg oon Sadjfcn geftorben, ber eifrigfte Vorfämpfer ber
alten Kirche in ^iorbbeutfdjlanb unb bie Seele bcs ftaUifdjen
Vunbes, bem er als bem Vater feiner erfteu ©emahlin befonbere
'Jfutfficht fchulbete. SSenn er ftd) aber auch jefct noch surücfhielt
unb nicht ju ber 3" DC *Mt bes &cmbclns erhob, bie einem
großen @ntfd)luffe entfpringt, fo tfjat er bas aus Scheu cor
$oten, ba feine ©emahlin §ebmig ^olin unb Äatholifin ge*
blieben mar. 2lud) wünfdjte er bie guten ^Beziehungen junt
tfaifer 31t erhalten. 2lud) feine gelehrten theotogifchen Neigungen
hinberten ihn, einfacr) fiuther 31t folgen. 2hat er fich boch
gerabe auf fie etwas jugute unb liebte es, folche Probleme ein=
gebenb ju erörtern. 92adj aöebem fonnte es nicht munbcrnehmen,
wenn in ber Äommiffion, bie im Sommer 1539 eine märfifdje
Äirchenorbnung beriet, neben erflärten Anhängern SutherS,
wie Qafob Stratner unb bem berliner tropft Öeorg Vuchner,
311m Vcrbruffe fclbft SJlelandjthons als eigentlicher Vertrauens^
mann 3oaa)tms ber s $rebiger SBifecl aus 9Zicmegf bei Sßittem
berg faß, ber bie ßirdje ohne Söfung oon 9?om be(fem wollte.
3Han liefe benn audj nicht blofe bie bifchöflidje ©ewalt, jonbern
bas ganse fatholifdje 3^emonienroefen befielen, aeeeptierte aber
bie @h* ber Öeiftlidieu, ben Saicnfetdj unb SutherS $ated;iSs
mus. öegen ben bisherigen 3 u ftanb war bas immerhin ein
gortfdjritt, unb bie SJiärfer freuten jich ber enblichen 3lncr=
fennung ihres (Glaubens. 3° a d)im freilich meinte noch immer
nidjt aus ber fatfwlifdjen Jürche ausjufcheiben : in einem Schreiben
an feinen Sdjwiegeroater erflärte er oielmehr oon neuem feine
Unterwerfung unter ben Spruch bes funftigen Äonjils, oer=
fprach auch feine Gemahlin in ber llebung ihres ©laubens
nicht 311 hinbern. £ic 9tucffid)t auf biefc wirb ihn wohl aud;
beftimmt höben, bie erfte lutherifdjc 2lbenbmahlsfcicr nicht ba,
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212 <£rfte$ Gtemente be$ preufeifajen Staate« (biö 1598).
too fic f)ingef)örte, im „5)om" 511 Berlin, 3U begeben: in Span=
bau empfing er am 1. ftooember 1539 mit etlichen märfifajen
(Sbelleuten unb (SeifUidjen aus ber §anb 2)iattf)ia$' oon Sclqoid,
beä SJifdjofft oon ©ranbenburg, Keld) unb 2kot. ©inbruefos
ooüer gefdjal) Der Uebertritt ber fjauptftäbtifdjen öürgerfdjaft :
oermutltd) in ber 9iifolaifirdje empfingen bie ftäbtifdjen 33e=
fjörben unb bie Vertreter ber Korporationen ba$ 2tbenbmaf)l,
mäf)renb bte übrigen ftäbtifdjen ©emetnben fidj ba^u in ifjren
ftird&en oereinigten. 3n ber nädjften $eit folgten, 311m £eil
auf auftbrüdlidje 2lntoeifung ^oadjims, bie übrigen Stäbte,
fotoeit fic ben Konfeftlonötoedjfel nidjt fdjon ooü>gen fmtten.
3n einigen Heineren, too ber fatfiolifdje Klerus nodj Einfluß
befafe, tarn es babei 3U allerlei unfdjulbigen Tumulten.
35oUe fird)lid)e ©emetnfdmft aber mar aud) fo 3toifdjen
3oad)im unb feinen Untertanen nid)t tjergefteUt. SBä^renb
biefe frol) roaren, oon 9tom gelöjl 3U fein, bemühte er fidj,
nun in feinem ©etoiffen beruhigt, biefe Söfung oon 9iom oiel=
meljr ab3inoenben. Söie fef)r er nodj in ber alten ftirdje ftanb,
lef)rt bie unter feiner perfönlidjen 9Jlittüirfung ausgearbeitete
ftirdjcnorbnung. 9)2it ber Se^re öutfyers, beffen Katcdjismuä
fie ganj aufnahm, oerbanb fic bie Toic^tigftcn fatfjolifäjen Kult;
formen — bie Grabung ber &oftie, bie ^ßrojefftonen, bte
lefcte Oelung, bie lateinifdjen ©cfange, bte Letten, bie gufc
mafdntng am ©rünbonnerötag, bie Kmebeugungen oor bem
Kru3ifir u. a. m. &>obl eiferten feine SRäte gegen folgen
©öfcenbtcuft. Sut^cr, fror), bafj eö in 33ranbenbttrg enbltdj fo
roeit gefommen, empfahl ^oaa^im geroäljren 31t (äffen : er nmfjte,
bafj aud) f)ier jdjlte&lidj ber (Seift über bie gorm triumphieren
mürbe. Sieg fid) baö aber oon einer Ktrdjenorbnung ertoarten,
mit ber König gerbtnanb fid) etnuerftanben erflärte unb bie
fogar ber ftaifer 311 betätigen fein SBebcnfen trug?
©ennod) ift fie cigentlia) nie red)t in SBtrffamfcit gc=
treten: bie Oppofttion ber Prälaten nötigte ben Kttrfürften
weiter 3U geben, &>äl)renb auf einem Sanbtagc 311 ©erlin im
3)Mr3 1540 3ibe( unb 3täbte bte ftirajenorbmtng tro|5 aller
$cbenten annahmen, leimten bie ^ralatcn mit Slttsnaljmc befi
SMfdjofs oon ©ranbcnbttrg fte nidjt bloft ab, fonbern matten
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IV. Sieformatton unb ftänbiföes Regiment. 213
aud) burd) einen gef)arnifdjten Sßroteft jebe SBerftänbigung mv
möglich Tic 3eit war für fold^ offene 9luflef)nung nid)t eben
glüdlidj geroäfjlt. 93efam 3oad)tm bod) gcrabe bamals burd) bie
mit bem berliner Sanbtage oon 1540 oereinbarte Reform bes
flammcrgerid)ts audj gegen ben auffangen Riems neue Staffen
in bie £anb. Obgleich bie ÄammergeridjSorbnung oon 1516
n\a)t eigentlich OJejefc geroorben mar (3. 182), beftanb unb
fungierte bas Äammergcridjt. 3efct mar von einem Anteil ber
6tänbe an ber Ernennung ber Skiftfeer, roie er bamals ge=
plant mar, entfpredjenb ber bisherigen $rarjs, nidjt mefjr bie
SRebe. 3lua) fanb oon feinen Sprühen fnnfort feine 3lppeHa=
tion, fonbern blofe eine Supplikation an ben £of ftatt, roäfjrenb
ber früher nur fafultatioe 6üf)neoerfuä) cor Einleitung bes
^rojeffes obligatorifd) mürbe. Ueberfyaupt erfdjeint bas $ammer=
geriet nod) niä)t als eine ausfdjliefelid) für bie SRedjtfpredjung
fonftituierte Quftijbc^örbc. Tie furfürftlid^en diäte fungierten
nur im ©ebarfsfalle nebenamtlid) barin. 3» ihm milchte fidj
alfo oberfte SRermaltung unb oberfte 9Jed)tfpred)ung, eine Kom-
bination, bie, ftetft gefährlich, in folgen Uebergangsjeiten leidet
$u gemaltfamer 99redning auch einer berechtigten Oppofttion
mißbraucht merben fann. ©erabe gegenüber ben althrchlichen
S3tfd)öfen fonnte btefe Neuerung 3oad)im nüfcen. Tenn il)r
Sßiberftanb mar nur mit bem 23istum felbft 311 beseitigen. 2ludj
ber eoangelifcbe Eifer ber Scoölferung richtete fidt> gegen biejes
als ben §ort anftöfeiger 3eremonien. Ter entfdjeibenbe Stritt
gefchaf) mit ber märfifdjen ftirchenoifitation von 1540 — 1542:
er beroirfte ben s J?ü<ftritt bes Rangers tfettroich, ber meniger
franffjeitsbalber erfolgte, als meil bic oon ihm oertretene SRid);
tung eine 9ueberlage erlitten ^atte. (Sein Nachfolger rourbe
ber Orbinarius ber 3«riftenfafultät unb Seiftfeer bes Schöffen;
ftuhlö 511 Stopäig, ber Toftor ber fechte ©eorg oon 23reiten=
baa). Tcnn ben unermüblidjen unb glänjenb bewährten SSein-
leben fchloffen feine 3ugenb unb feine bürgerliche <Qermnft oon
bem tfanjleramte aus. 2lud) nod) nad) Sreitenbadis oor^eitigem
Tobe (1541) mufjtc er ftd) mit bem Titel eines ^isefanjlerS
begnügen, obgleid) er tl)atfäcr)(icr) als oornebmftcr Seirat bes
ßurfürften alle ftaatltchen unb fird)ltdjen ?lngelegeuf)eitcn leitete.
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214 (Srfteä 9Jucf). $ie Glemenie beä prcufjiföen Staates (biö 159S).
9ludj bie befjere Organifatiou ber Staatftoerroaltung, bic 3o-
ad;im 1542 bei bem Ülufbrud^ 511m Türfenfrieg burdjfüfjrte, wirb
für fein 2Bcrf 511 gelten Ijaben. 3ie fonberte t>icr Teparte*
ment§: bie &of= unb ©auöoenoaltung, bie SRed^töpflcgc, bie
oberfie Regierung oon £anb unb Seuten unb bie gina^eu.
Uebrigenß nucberljolt aud) bie fltrdjenoifitation oon 1540
bid 1542 bic Gigenart ber märfif djen Deformation, Sie bes-
traf sunädtft nid;t Se^re unb Jlultuö, obgleich fit aud) ba
mandjen Dufeen ftiftete, 5. 93. mit bem Ginblicf in bie un^
genügenbe Silbung bea Slleruö bie Dotioenbigfett befferer gür=
forge in biefer Dichtung ergab. Wit einem $eoollmäd)tigten
bes 39tfdjof8 oon 33ranbenburg nahmen ©einleben unb Stratner
unter 3u3^^ un 9 immer beö hirfürfilidjen Hmtmannä ber be=
treffenben Sanbfdjaft ben Sßermögenfiftanb ber Slirdjen unb
Älöfter auf unb führten feine 3$cnoaltung an bie £anbes=
beworben über. Tie Stäube würben nidjt 3uge$ogen: oft galt
eö bie oon 2lbligcn unb Stäbten occupierten flirdjengüter 3iirüd=
3ugetoinnen. Tann mürben aber aud) oafante Pfarreien mit
eoangcltfd)en 03ciftlicr)cn bcfefet, bic Älöfter aufgehoben ober
roenigftenfi ibre Slufbebung eingeleitet, nidjt ofjne ©aber mit
ben roiberfpenftigcn Ginfaffen. Tie Donnenflöfter mürben 33er=
jorgungöanftaltett für abtige Jungfrauen. 3 n DCn Stäbten
fanben bic $>ifitationen freubige Unterftüfcung. So erhielt bic
coangclifdjc ftirdje ber SWarf eine gefiederte iotrtfd)aftlid)e ©runb;
läge. Tie 2lufbebung aller firdjlicben Seben unb Sinefureu
ermöglichte eine beffere SBerforgung ber ©eiftlidjen unb Setyrcr,
an beren ©ilbung nun f)öf)ere 2lnfprttd)e gefteflt werben fonnten.
flam ba§ $unäd)ft ber SBolfsfdnite 311 gute, fo leitete cö bodj
audj für bic Unioerfität granffurt eine 3eit neuer $lüte ein.
Dur au jioci Stellen ftiefe bie fird)lid)e Deuorbnung auf
SBiberflaub. ftcorg oon 23lumcntf)al, ber 5Mfd)of oon Siebus,
mar in bem neumärfijdjcn XtU feines Sprengcls bereits $0;
hann oon tfüftrin febroff entgegengetreten. 3ludj fein ©aoel*
berger 3(mtöbruber, ^Buffo oon 3lloenöleben, bielt bic neue Sc^re
nieber. Ta griff bic SBeoöffernng 3iir Sclbftlrilfe: in Berleberg
unb &aoelberg reformierte fie. Joachim ließ baö gefd&cljcn, ob=
gleid) er, oon Martin SBucer beraten, bie $ermittelung 3ioifd)en
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IV. Deformation unb ftänbif$e$ Regiment. 215
ben SReligionäparteien im 9tetd)fc gerabe befonbera eifrig bc^
trieb: fretlid) fafjen auf ben SReligionögefprädjen 511 3Bormö
unb 9legenßburg feine Beoollmäcbtigten nid)t bei ben ,$xq-
teftierenben", fonbern bei ben „©eljorfamen". SaS blieb ntebt
unbelofjnt : ber ßatfer beftätigte bie märfifebe flird&enorbnung,
ber bureb ftc gefdjaffene 3uftanb mar alfo r»on feiten bes SReidjs
legalifiert. Safür r»erpfttd)tete Heb 3oa^im (21. 3uni 1541),
feinem aus Slnlafc ber SReltgton gefdjloffenen Bünbni« bei$u*
treten unb jid) bem ©prudje bcö fünftigen äongife ju fügen.
3um ®lücf für bie 3Warf aber waren bie Berbältniffe
wieberum ftärfer als 3oadjimö Gifer für bie firdjltdje ©infjeit.
3nbem fie bie Befugniffe, roeldje bie ftirdjenorbnung i^nen
einräumte, nidjt gebrausten, fteigerten bie Sifdjöfe oon £aoels
berg unb Sebus gefliffentlid) bas firdjlidje Söirrfal. Sie 2ln=
bänger ber alten Hird)e erhoben fidt) juoerfidjtlidber : felbft Wlat-
tfjiaft oon S3ranbenburg fab fid) bebrängt. Saft gefärjrbetc aud)
bie ftaatlidje Orbnung. Um ibretroillen mu&te 3oaa)im bie
Regierung ber Äirdie, bie er ben SBifdjöfen Jatte überlaffen
motten, in bie eigene §anb nebmen. Sie ßonftftorialorbnung
tum 1543 erfefete bafi bifd)öflid)e flirdjenregiment burd) bas
lanbefiberrlidje. 2lus „gottefifürebtigen Geologen unb ^cd&tö*
oerftänbigen" aufammengefefet, follte ba« flonjiftorium §u Siblin
an ber Spree nadj feinem furfädtffdjen Borbilb fiefjre unb
SBanbel ber (Beiftlidjen beauffidjtigcn, in ftird)en= unb ©bc^
fachen 9ted)t fpredjen, über Beobachtung ber 3^remonien roacben,
für flirdjengebäube, ßirdjböfe unb Sdjulfjäufer forgen unb gegen
öffentliche« Slergerniö, namentlicb 2?erfpottung ber Saframente
unb ©ntbetligung bea Sonntag«, einfd^reiten. Starf rourbe
baö monardjifdje ^rinjip betont. Sa, fo fübrt bie Einleitung
au«, „fraft feinea tragenben 3lmtes ber Sanbeöfürft nidjt
blojj in meltlicben, fonbern aud) in geifilid)cn Saasen 9iedjt
unb ®eredjtigfeit männiglicb mitjuteilen fyabt, fo fei er aud&
mä)t oerbunben, baju feiner Sanbfdjaft Bewilligung $u er*
f orbern, roie eö ja aud) ade Seit allein bei ben Bifdiöfcn unb
ibren Offtjialen geftanben babe, in geiftlidjen föänbeln unb
@adjen männtglidj aud) ungebtnbert miber aller Untertanen
SSillen unb nad) SRedjta ®ebüf)r 51t procebieren". 3» xhxtm
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210 Crrftcä Sud). $ie eiemcntc beo preu&ifdjen Staate* (btä 1598).
oolleu Umfange naljm 3oadjim bie bisfjer bcn Sifdjöfen $u
jtefjenbe ©eroalt in 9lnfpni(&: als oberftcr Sifdiof trat er an
ifjre 6teUe.
greilid) rourbe bie .fionfiftorialorbnnng ntdjt burdjroeg in
biefem 6inne gefjanbfjabt, unb fo roeit ed geidjaf), brachte es
ber Deformation feinen ©eroinn. Verfudjte 3oad)im bodj nun
erft reä)t bie märfifdje ßtrdje in feine mittlere Dichtung ju
$u>ingen. Daburd) oerbarb er e$ ooUcnbö mit ben 2lnf)ängern
ber alten ßirdje, ofme bie entfd&loffenen Vorfampfer ber neuen
$u gewinnen. Siefe oerroarfen feine Deformation alä tyalb
fatfjolifd). 2ludf) feine 9ttutter (Slifabetf) nafjm baran 2tnfto§
unb beflagte ben (Sinflufe, ben ein 3Rann oon ber ^nfonfequenj
unb Sarfjeit 2lgricolaö bei 3oad)im gewann, Grft eingefjenbe
Darlegungen über Gfwrafter unb %\ti ber tfirdjenorbnung oer;
motten fie, im Januar 1545 in bie 9)tarf jurücfjufebreu, nadjjs
bem fie jtdj burd) einen Vertrag ooße greibeit beö öefenntntffea
unb namentlid) ber 2öaf)l if)reö föofprebigerö gefiebert fjatte.
Dodj fnelt jte fia) in ftiller 3 ur * l< ^fl c ä°9 en ^ c i t un ^ (ebte in
Spanbau r)a!6 wie eine Verbannte: mit bem Srottterpftanb,
in bem bie märfiidje Äirdje blieb, »ermodjte if)re proteftantifä^e
Ucbeneugungötreue ftd) niä)t ju befreunben.
3n$roifd)en naljte bie Gntidjeibung. £cä franj#fifd&en flrieged
lebig, rootlte £arl V. bie ^roteftanten mit 2Saffengeroalt unter
baä bem Sßapfte abgebrungene ftonjil beugen. 3J?arfgraf ^ofjann,
ber 1538 bem ©dnnalfalbtfajen :8unbe beigetreten mar, fagte
ftdfj, eingeia^üa^tert bura) feinen aftrologifd)en Berater, nidf)t
blofe oon ibm loa, fonbern ergriff gegen ifjn bie SSaffen, er*
bittert über bie Gefangennahme feinet 3d)roiegeroaterö &eins
ria) oon $raunfd)rocig unb weil er beö tfaiferö berubigenben
$crficf)erungen in betreff ber Religion ©lauben fdienfte. gür
einen grunbfäfclid)en Vermittler roie 3oad)im aber mar bie
3eit umfaffenbfter Setljätigung gefommen. Dabei entroidelte
er einen 3ug bunaftifäcn Gigennufeeö, ber oor geroagtem 3u*
greifen jurücffc^rccft, aber auf Um= unb 8df)leid(noegcn ©e=
friebigung fuc^t. Dur ging er babei mit SNorifc oon Sadrfen
gufammen unb rourbe, oljne cd innc ju werben, oon biefem
gebraust. 3"bem 9)iorife, mit bem tfaijer bereits einig über
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IV. Deformation unb ftänbifdjeö Regiment.
217
bic Teilung ber erneftinifd^en Seute, 3oad)im im §erbft 1546
511 einem Schüfe; unb Srufcbünbnis gewann, fompromittierte
er ifjn feinen ©laubensgenojfen gegenüber auf bas Sdjwerfte
unb machte ihm eine &inberung feiner ehrgeizigen $läne fd)on
baburdj unmöglich.
£iefe galten bem Grjbiötum 3Wagbeburg. £ort mar im
September 1545 auf SUbredji, ber 1541 gegen Uebernahme
eines Zeil* feiner Schulben ben Stäuben bes Grifts fowie
benen oon £alberftabt bas Goangelium freigegeben hatte, fein
bisheriger .Uoabjutor Johann 2(lbrecht, aus ber fränfifchen Sinie
ber fiohenjoHern, gefolgt. $te Stabt 2Ragbcburg jeboch et*
ftrebte ben 2lnfd)lufj an fturfachfen, unb 3ohann griebrid) be*
ftimmte bcör)aI6 3ot)ann Wibrecht gegen ein 3al;rgerb 311m $er=
3icf)t. 2lber auch 3o<*chim hatte fein 2luge auf 9Jfagbeburg
gerichtet. Seiben fam Sttorife juoor: ber 9iegensburger (#eheim=
»ertrag, burch ben er (ich bem ftaifer jur $ilfe gegen feinen
furfürftlichen Detter oerbanb, ftcherte ihm bie Roheit über bas
©^bistum SHagbeburg unb über bas Sistum &alberftabt, wo
ebenfalls Johann Wibrecht gefolgt mar. Soadjim gingen bie
2lugen erft auf, als fein SBerbünbetcr plöfelich in bas &anb bes
abwefenben Johann griebrich einfiel. 2lber oon bem £eims
eilenben aus bem eigenen fianbe gejagt, »erlangte 9Rorifc auf
©runb ihre« Sünbniffcs 3oad)imS £ilfe, unb im gebruar 1547
befahl ber tfaifer auch ben branbenburgifchen Stäuben ben
fterjog 311 unterftüfcen. liefen Moment benutzte 3oad)im 3« r
Sefriebigung alter 2£ünfche. (5r eilte nach Muffig. Schnell
einigte er ftcf» mit SHorife, ba auch Äönig gerbtnanb, um ben
Sachfen nicht ju grofc werben 311 lajfen, feinen gorberungen bas
SSort rebete. Sein 3wetter Sohn griebrich foüte ßoabjutor in
Wagbeburg unb &alberftabt werben, um bereinft in beiben Stiften
$u folgen. Mit 3)iori^ mürbe eine erboereinigung gefchlojfen,
bie ben branbenburgifchen $ohen3ottern ben 2lnfaH ber albert u
nifchen Sanbe oerhiefe. 2£ie fonnte folgern ©eroinn gegenüber
3oad)im an Neutralität ben!en? Salb mar ßurprinj 3ohann
©eorg unterwegs, um 9J?orife jur SBiebereroberung feines Raubes
3u helfen. £as s JNagbeburger Xomfapitel aber wählte gelwriam
ben fechjehnjährigen griebrich oon Sranbenburg junt floabjutor.
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218 Gtfte* SBuc$. Sie GJemente bcö preu&iföen Staate* (6i$ 1598).
Weber Ueber$eugungstreue nod) G^rüd^fcit war Meier
^3olitif eigen. Unb roas backte bie 33euölfcrung ber 3Warf, als
fie, ftatt bie s ^apifteret enblidj oottcnbs loSjuroerben, fefjen
mußte, roie ifjres oberfien S3ifd^ofö Sofm feines ©rojiobeims
(Srbfdjaft als Würbenträger ber fatf)olifd)en $ird)e antrat? Unb
c§ fam nod) fd)limmer. 2)eö tfaiferS 3ieg bei 2ftül)lberg, nadj
bem bie Sage bes ©oangeliums gejäfjlt fd)ienen, feierte in
Berlin 9lgricola burd) einen Tanfgottesbienft. £er tfurfürft
felbft eilte mit Guftad) von 6d>lieben unb anberen märfifdjen
Gbelteuten nadj Wittenberg, um bem ©ieger 3U fmlbtgen. 3a
ctltdje oon biefen §erren tauften bie t>on ben fpanifdjen Sol=
baten in (Sadjfen geraubten gerben bittig für i)r)re ©fiter an.
War es $u oerrounbern, roenn bie öffentlidje Meinung entrüftet
losbrad)? Unb nun gelobte 3oadjim im Wittenberger Sager
Unterwerfung unter bas Sribentiner $on$il! ©aß er bafür
in Sadjen bes ©laubens bie (Srlcidjterungcn jugejxdjert erhielt,
bie Sftorifc r>on <2ad)fcn eingeräumt roerben mürben, fonnte in
ben Slugen ber (Suangelifdien feine ©djulb nur fteigern, jumal
er fid) ba^u Ijcrgab, jroifa^en ben ©ebieten SHorifc' unb bes um
Sanb unb Scute gebrauten 3of>ann griebridj bie ©renje
feftjufefeen! Wie ifjm ber flaifer folaje Sicnftbarfeit lohnen
mürbe, lief} bie trofe feiner SBürgfdjaft gcfdjefjenc ©efangen*
naljme bes f)effifa)en Sanbgrafen erfennen. Unb bennod) ge=
fjörte er mit feinem 2lgricola 511 ben eifrigften $orfämpfern
bes Interims, bas feine 9)iärfer ocrabfdjeuten. hieben
3florifc galt er für ben Urheber all bes Unheils, baö über
bie ©oangelifdjen Ijereingebrodjcn mar. 3" Saufen unb ber
9Jiarf rourbe bie Erregung fo broljeub, baji beibe gürften ein=
3iilenfcn eilten.
3lber auf einer 3ufammenfunft, bie fte im fte$ember 1547
in 3üterbogf Ratten, befdjloffen fte von bem 3nterim nur bie
Öciftellung ber 9)lefie abjulefincn: bie ber fatf)olifd)en 3erc*
monien, ber fatbolifaVn flira^ienorbnung unb ber legten Oelung
geftanben fie 311, unb fdion im 3 flm,a * 1^48 fonnte 3oö$im
banf bem reaftionären Gifer 2lgrico(aS bem Kaifer melben, baft
fein Wille erfüllt fei. Obgleid) mandjer glaubenstreue ©ciftlid)e
fein 9lmt aufgab unb ins Glenb 30g, nalnn bas firdilidje Scben
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IV. Deformation unb ftänbtfa)e$ Regiment. 210
in ber Üflarf nneber ein ganj fattyolifdjcs (Gepräge an: 1549
beging man in Berlin bas gronleidinamSfeft in alter 3Betfe.
5löar es oerrounbern, bafc bie &er$en ber Dörfer fid) oollenbs
von 3oad)im II. abroanbten? Sa& ber £a§ gegen 2lgricola ftdj
in einer glut oon Sattren entfnb? Um fo mefjr Snmpatfjien
gewann Sofann von ßüftrtn. 3m Sd&malfalbifdjen Kriege
trotte er junt ftaifer geftanben, weil er ben ©tauben nict)t ge^
fäfyrbet mahnte : baß 3 nt ertm tefjntc er runbtoeg ab. 2luf alles
drängen unb ^atjnen fjatte er — aud; hierin bem S3ruber
$anj entgegengefefet — nur bie ©rflärung, in Sadjen ber
Religion fönne er olme 3ufttminung ber Stäube nidjts änbem.
£te ©erfolgten ©ei|llid)en nafjm er auf, unbeirrt burdj fatfer-
ltdje E)rol|ungen. SEBcnn ber Deformation in Sranbenburg ba;
mal« nodf) eine Hoffnung blieb, fo beruhte fie nidjt auf bem
Äurfürften, fonbern auf feinem SBruber. So entfrembet mar
3oad)tm bem eigenen SBolfe, ba& er 9Weuä)elmorb fürdjtetc,
unb mit Dedjt gab 3of)ann es ifim fdjulb, ban Öranbenburg an
Deputation, S3lüte, ©ut, Sanb unb Seilten fo abgenommen
fjabe. 2)ieinte 3oact)im bas 31t nnberlegen, wenn er ben $lan
auf 3J2agbeburg glüeflid) burdjfüf)rtc? 2tber bie Sdrifanen, burdj
bie er bie Stabt jur 5lufnaf)me feines Sot)neö 31t 3toingen
fud)te, erbitterten bie ©oangeltfdjen oollenbs, 3umal ftc f)örten,
fein ©efanbter in Xribcnt, Gfnnftopf) oon ber Straßen, motte
felbft bie fattyolifdje 2lbenbmal)lslel)re annehmen, fobalb nur
eine f)inreidjenb beutbare gönnet gefunben märe. Sdjon traten
<iudj in ber 2Harf bie 2tnf)änger ber alten 5lirdr)c feder auf.
3n §aoe!berg f)attc bie fatbolifdje Deaftion in bem greifen
3)edjanten ^Scter Slonrabi einen SSorfampfer gefunben, bem
$ifd)of 33uffo oon 2lloenslcben bestyalb feinen anftöfngen Söanbel
uadjfal). So blieb biefes SBtStum eine fatbolifaje 3"fel tu ber
üftarf. 3 roar würbe nadj SuffoS xob im 3Diai 1548 auf
3oad)imä (*mpfef)lung griebridt), ber Hoabjutor oon 3)Jagbe=
bürg, 3um $tfd)of genmblt: aber er mufjtc mtsbrüdltä) bem
£utf)ertum entfagen, unb bei feiner 3ugenb unb bem Ausbleiben
ber püpftlidjen 33cftätigung fam bie Leitung bes Bistums an
ben ftreng fatfjolifdjen tropft 3obann oon SBalroifc. 2Bte jnnfdjen
t>en flonfeffionen, fo gab es bort audj sunfdjen ber bifd;öffidt)cn
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220 Gtfte* *ud>. Glemenie bcö preufeifd)en etnateä (btö 1598).
unb lanbeöfjerrlidKit Autorität immer neue Äonflifte, bie bas
2lnfef)en bes Staates fdjäbigten.
2lber mäfjrenb ^o^djint ein Stücf ^roteftantismus nadj
bem anberen preisgab, traf ÜJtarfgraf Johann ( gebruar 1550)
Königsberg tu ^reufeen bei (Gelegenheit ber &odj$eit ^erjog
3XI6rcd^tö mit 3(nno Flavia von sBraunfdjweig unb ber g(eia>
jeitigen Verlobung feiner Xodjter erfter (Sfte mit Johann Wibrecht
von SDietflenburg bie erften iBerabrebungen $ur Rettung bes
©oangeliums. Um Joachims 3tnfd)fa& warb man oergeblid):
er bad)te nur baran, [einem Solm sur 3lncrfennung in 2ttagbe=
bürg 31t verhelfen. $ie ftatljolifen beforgten nämlich, biefer
folle au ber Glbe wieberholeu, maß 5Ubrccht oon 93ranbenburg
am ^regel gethatt hatte. 9lls aber tfarl V. feinem Sohne
^ß^ilipp auc^ int Deiche bie Nachfolge $u uerfdjaffen unb btefes
fo bem fpamfdjen 2lbfolutiSmuS 51t beugen ftrebte, erfannten
bie fonfefftonellen Öegner bie Dotwcnbigfcit gemeinfamer 31b*
mehr : bie Ärifc bereitete fidj oor, bie SXaxl V. jählings von ber
Söfje ber SMacftt ftfirjen foüte. 2lud) 3oad)im II. fonnte fid)
nur burdj eine fdmclle Schwenfung baoor bewahren, jwifchen
ben ftreitenben Parteien ^ermahnt 311 werben: was er bisher
im £ienft ber Habsburger nicht blofe abfeiten, fonbern im (>5egen=
fafc äu ben übrigen eoangctifdjen dürften erftrebt ^attc, fudjte
er nun mit ber entgegengefefcten Strömung 51t erreichen.
3Iber wieber mujj bahtngefteHt bleiben, wie weit er bafc
perfönltch tr)at. £enn wie bie Durchführung, fo fct)eitit aud)
bie Konzeption bes neuen politifdjeu SnftemS bem erftnbungs*
reiben StaatSmanne $u$ugehöreu, ben eine glüdliche gügung
3oad)im IL eben bamals an bie Seite [teilte. (Sin Solm bes-
anpaffungsfähigen fädjfifdjcn Stammes, ber mit ber Deformation
nid>t Mob bie geiftige phrung in Deutfchlanb übernahm,
würbe Sampert £iftelmener in ben branbenburgifchen 5Bcr*
hättniffen fo fdmeü unb fo gans fjeimifd^, baö er fie fofort
unb auf 3)ienfd)ena(ter hinaus entfdjeibenb beeinflußte. Gr
Sählt 311 ben bamals nicht feltenen Staatsmännern, bie wie
bie Italiener ber ■Heuaiffance ben Staat als ftunftroerf bc=
baubclten unb bie s ^olitif als ftunft betrieben. Cime nationale
ober gar lanbsmannidjaitlid)e Voreingenommenheit matten fie
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IV. Deformation unb ftänbtföeö Regiment. 221
bie einer Dicloerjdjlungenen biplomatifajen SUftion nadj
2lrt fein fombinierenber ©djadjjfpteler, benen eö weniger um
ben Erfolg ate um bie Durchführung eines fudtilcn (SnttourfeS
ju tlmn ift. 3f)*e Sctbenfd)aftatongfeit, btc nur fachliche 0c=
fidjtfipunfte fennt, fd)ür$t unb töft bie knoten, toic man ettoa
«in felbftgeftelltes oerroicfelteä 9tedf)enerempel befmnbelt. Darin
beruhte bie Ueberlegenljett biefer neuen ©taatäfunft über ba$
alte ftänbifdfje foioof)l toie baö junge lanbcöfürftlidje 93eamten=
tum. ©ie flutte bie Männer, bie in ber Deformation bie
3uhmft Deutfdjlanbö retteten, inbem jte flarlä V. Diplomaten
mit ihren eigenen SBaffen übenoanben. Das gilt auch oon
Diftelmeoer: burch feine geringere Sdjule als bie s JJlortfe' oon
©adjfen gegangen, leitete er 3oacf)im alsbalb in bas poltti)d)c
©oftem bes Sllbcrtinerft hinüber.
@uftad)iu$ oon ©djlieben oerbanft öranbenburg bie ®e=
toinnung biefeft Cannes, ben er bei feinen 9)Jiffionen an bem
Dreöbener §of fennen gelernt hatte. 3u Seipjig 1522 als
©ofm eines ftanbroerfers geboren, f)atte ftdt> Sampert Diftel--
mewer, nrie es heißt, auf 3lnraten 9Welanchthons ber 3urift:
prubenj sugetoanbt, bie auch bem bürgerlichen größere 2lus-
fichten eröffnete. 2l(s ©tubiengenofien feines Sohnes lernte ifjn
Simon ^iftorius, ber tfanjler SJtorifc', fennen unb 50g Um an
fid). Obgleich burch ben ©chmalfatbifchcn flrieg balb unter;
brodjen, gereifte bie £l)ätigfeit in ber Dresbener #an3lei, ba--
mals einem ber 3entren ber hohen ^ßolitif, bem jungen ^triften
überall jur Empfehlung. 211$ ©nnbifus ber ©tabt baufcen unb
^Berater bes IauntJifa)en Slbels beioäfjrt, burdj bie @he mit einer
reiben öeipjiger ^atrijiertochter $u 93of)lftanb unb einflußreichen
SBcrbinbungcn gelangt unb in Seipjig 311m Doftor ber 9tedjte
promooiert, fah [ich ber 3lchtunb$ioan5igjabrigc oon 3oadjim IL,
oon ben (Srneftinern, ja oon ©ranocHa umtoorben. 9Zach einer
bura) oon ©ablieben oermittelten Begegnung auf bem 3^9^
fcbloffe @rimmfc »«bm er bes erften Einträge an. Gs fjanbeltc
ftch babei nicht um einen Grfafc für ben alternbcn ^ijefanjler
SBeinleben unb für 3Ibam oon Crotta, ber gegen £etnrich oon
Sraunfdjioeig, ben Verführer feiner Schroetter Goa, ein fa^arfeö
Pamphlet oeröffentlidjt hatte, aber bie ihm 00m Älaifer aufs
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222 ßrftcö »u$. Sic Elemente bcö preufciföen Staates (6i§ 1598).
erlegte Abbitte oenocigerte unb bafjer in 9ieid)fiangelegenf)eiten
nic^t mefjr oerwenbbar mar, fonbern um einen Snftemroed&fel.
3oad)im II. war mit feiner 22eifif)eit su ßnbe unb fanb feinen
2tuöweg mebr aus ber ^arfgafic, in bie er geraten. Stuf
©runb eines oon ifmt entworfenen unb von 3oadnm gebilligten
Programms übernahm Siftelmeijer namentlich bie Seitung ber
auswärtigen ^olitif. ßrft ber perjönltdje Vertrauensmann
3oad>ims, mürbe er im &crbft 1551 SHttglicb unb 1558 als
Kanzler Seiter feines SRates. Unb es mar bie f)ödjjte tyit, bau
ein ©anbei eintrat. ®enn Siftelmeijer fpäter nadjgerüfjmt
würbe, man uerbanfe ifmi bie (Spaltung ber Religion, ber
greifjeit, bes griebens, bes gürften, bes Vaterlanbes unb aller
9*ed)te, fo mag bas panegnriidj übertrieben fdjeinen, läßt aber
erfennen, roeffen man fta? von einer roeiteren Verfolgung bes
3ulefct eingefcblagenen Sieges oerfefjen 511 muffen glaubte.
Vor allem mufete Vranbenburg fidj aus ben Umftricfungen
ber faijerlid)en ^olitif löfen unb aus ber Deformation enblid)
bie politifcfjen ßonfcquenjen sieben, bie 9iacf)folge <pf)ilipps bc=
fämpfen unb buref) bie SoSfagung oom Sribentiner Ron$\l bie
ßoangelifdjen uerföljnen. So backte Siftelmetjer äugteidj SRagbe-
bürg bem Goangeltum ju erhalten unb ben ö^enjoUern bort
eine 3ufa n f* 51t gewinnen. Saju burfte man s J)?ori|j bort nidjt
allein fmnbeln laffen, fonbern mufetc fid) burdj SHittfmn bas
9?ccf)t bes 9)2itfpred)ens fidjern, wenn es über bie Stabt 51t
beftimmen galt. Senn unbeirrt burd) bie (Sntrüftung feiner
©laubensgenoffen fjattc ber fäd)fifd)e Äurfflrft tnswifdjen bie
2tdjt gegen s J)iagbeburg 311 ootlftretfen übernommen. 3of)ann
oon Äüftrin wollte ber Stabt 3U &tlfe eilen: aber auf einer
3ufammenfunft in 3lngermünbe gelang es 3° aa )iro/ $ n 5 U ÜC;
fdjwid)tigen, inbem er ifm in feine 2lbfid)ten einweihte. $ur=
fürftlidje 9)tannfdmften sogen 9)iorifc 311. So oerpflid)tete man
fia^ bem ftatfer unb blieb an ber Seite bes 2UbertinerS, um
it)n sur Seilung ber Veute 311 nötigen. Sdjon wiefen 3oadjtms
<?5cfanbte beim flaiferfwf auf bie Soften bes 3uges l)in, 311
beren Setfnng bie Gebellen fjerangesogen werben müfjten.
Qnjwifdjen fpann üttorifc oon Saa)fen bie 9fefee, in bie
oerftridt ber Äaifer 311 goß fommen follte. Ser gürftenbimb
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IV. Deformation unb ftänbifc^cä Regiment. 223
tmirbe gefdjloffen imb gletd) roicber gelöft: bie Stbfidjten bcr
2eilnef)iner gingen ju weit auseinanber, um ein einf)eitlid)e$
§anbeln ju ermöglidjen. 3 rcar wollte 3o*>ann von flüftrin,
beö 3nterimö wegen 00m 5laifer fmrt bebrof)t, alles an bie
SBerteibigung fefeen, oon einem Angriff auf ben ßaifer aber
nid)tö rotffen. 2öenn aber 3oac6im, ofjne bem Sunbe anjii:
gehören, aud) ferner 511 Sflorife f)ielt, fo gefdjal) bas allein aus
bnnaftifd)en unb perfönlidjen GJrünben: 3)togbeburg follte bem
©oangelium jroar ermatten, aber fein beim Antritt bes §aoel=
berger SBistumS förmlidj 3ur fatfrolifdjen äirdje surücfgefef)rter
Sofm bort erjbifdjof roerben. 2lber es gelang: Stftelmeuer
felbft unterfjanbelte mit bem Kapitel, unb am 19. 3Jiär$ 1551
poftulierte biefes griebridj oon Sranbenburg, Sifdjof oon QaveU
berg unb .floabjutor uon ^alberftabt, als (Srjbifdjof. Ter flaifer
beftätigte bie Söaljl: mar bod) nad) bem gatt ber Stabt eine
burdjgreifenbe firdjlidje ffieftauratton gewiß. Sdjon aber oer=
Baubeiten $Rorife unb Xiftelmener mit ben s 3ttagbeburgern, unb
als aua) 3oad)im im Sager erfdjien, erfolgte 2lnfang 9?o*
oember 1551 bie Kapitulation, meiere bie Stabt fdjeinbar bem
flaifer unterwarf, tr)atfärf>Iicf> aber attcö beim Sitten liefe. Sie
SBürgerfcfiaft erfannte griebrid) als ©r$bifd)of an: mit u;m
erhielt aud) 3oad)im feinen 2lntei( an ber Kontribution, bie
ifn* auferlegt rourbe, nebft etlichen GJefd)ü(}en. &crr ber Stabt
aber rourbe als \f)t Burggraf 3Worife: bas begrünbete einen
neuen ©egenfafc jroifdien 9llbertinern unb ^oljenjollern.
3lber es mar mdjt bas allein, was 3oad)im gleia) banad)
oon 2J?orifc trennte. 2Bic fein trüber unb ber bcbäajttge preu*
feifd)e Detter naf)m er 2lnftofe an bem franjöfifcjcn Sünbnis,
mefjr nod) an ber Atolle, bie 2)iortfe bem unbänbigen fränfifdjen
Detter, 2llbrccr)t oon Skanbcnburg^ulmbad), sugcbad)t ljatte.
3roar roirfte er biefem bei £er$og 2lt6recr)t finanzielle 33eif)ilfe
auö unb gewährte tym felbft in aller Stille fotdje, ritt aud)
mit Sijtelmeuer nad) Bresben, um bie fädmfdjen Stäube sur
$ilfe bei bes §effifd)en £anbgrafen ^Befreiung 511 beftimmen,
bie ÜJiorife allein im 2luge fjaben rooUte. ©r roar alfo burd)=
aus 2Witwiffer bes Sad)fen, tl)at aber nur fo roeit mit, als es
ofme iörua) mit bem tfaifer möglidj roar. Sie Stnie, bie es
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224 GrftcS %ud). Sie demente be§ preufeiföen Staateö (biö 1598).
babei einhalten galt, beftimmte ftiftelmcoer, ber ganj in
9)iorifc' ©ebetmnis roar. 2Jud) auf bic Eeilnaf)me an bem
Srtbentiner ^on^il oeratdjtete 3oad)im nun. 2Sar bod) erreidjt,
was er 3unäd)ft erftrebt ^atte : grtebridj oon 9Magbeburg war
bas Pallium jugefagt. 3"bem verlautete, bafe ber Äatfer ben
23efd)lüffen bes flonjils öcfjorfam er$roingen, $um $anf bafür
ber ^ßapft bem Infanten sp^ilipp bic tfaiferfronc oerfdjaffen
follte. Sias galt es ju l)inbern: uicr)t um bas ©oangelium,
um bie retdjsfürftltdje Sibertät Rubelte es fidj. 3u ifirer 3?er=
teibigung rüftete nun audj 3oad)im.
$as grübjafjr 1552 brad)te bie Gntfdjeibung. Worifc oon
<5adjfen warf ben überrafdjten flaifer ju 93obcn. 3n $a(fau
iniigte biefer unterfmnbelu, too für 3oad)im Siftelmeuer unb
9lbam oon Crotta erfdjienen. Grfterem wirb ein befonberes
Verbienft um bas 3 u f tanDe ^ oininen ocö Vertrages gugefdjrieben,
ber ben ^proteftanten bis $um Austrage burd) einen fünftigen
9ieia)Stag greifjeit bes (Glaubens gemährte. Sa erfyob fid) über
ben £aber ber bisher gegen ifjn oerbünbeten gürften ftarl V. nod)
einmal. 9iod) einmal ftanb alles auf bem Spiel, mar aber audj
alles ju geroinnen. Sa fafete 3oad)imS II. 3d)ioefter ©lifabetf),
bie Butter bes bem roilben 2llbred)t oon 33ranbenburg=5lulmbad)
oerbunbenen &er$ogs Grid) von 33raunfd)roeig, ben (Sebanfen,
bie oercinigten ftoljcuäollern foHten in 9(nlebnung an bie
s 2)tad)tftclluug beö jefct bem tfaifer alliierten fränfifd&en
Detters unb in ©cmeinfdjaft mit ben Grneftinern , 2üne=
burgern unb Bommern, unabhängig üon oein 3l(bertiner unb
bem ftaifer, bem !Wetd;e ^rieben unb bem Goangelium
Sicfyerbeit geben, ©ic 9iieberlagc 2Ubredjts burdj 9Hori$ oon
(Sadjfen entjog folgen planen ben 33obcn. SBergeblid) fudjte
3oad)im ibn oor ben golöen feines roüften Treibens $u bc;
mabren: es roar für it)n unb für fein gan$eö ^auS eine
fernere ^iebertage, bafe bcrfelbe als lanbtofer glüdjtling ent=
roetdjen mußte.
Schroffer als juoor ftanben bie SRcItgionSparteicn cinanber
nun aud) in ber 9)iarf gegenüber. Unter bem rüdfidjtslofen
ftonrabi bot bas §aoelbcrger Somfapitel bem jungen SMfdjof
unb feinem htrfürftlidjen ^ater förmttd) £ofjn burd) Verfolgung
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IV. Deformation unb ftänbifajes Regiment.
225
ber ©Dangelifd)en. iUud) nad) bicfcr Seite wollten bie Herren,
bie naa) ber s J)iüf)l6erger Sdjlacfyt oom ftaifer uerfügte $er=
ftelhmg ber *Hetd)Sumnittelbarfeit ber märfifdjen Vistümer,
bie 3oac^im in umftanblidjen jurifttfdjen unb f)iftorifd)en ^ebnf-
tionen befampfte, möglidrft auSnu&en. GJem Ratten fie ben
übereifrigen proteftantifdjen ©eiftlicben (Sflerfelb, ber bem eim
träßlid^en @efdiäft mit ben SMsnacfer Sßunber^oftien burd)
Verbrennung berfelbeu oor 3«"9C» ^atte ein @nbc madjen wollen,
fclbft Derbrannt : 3oad)im oerwies ilm btofe bes Sanbeö. £)a&
fie griebrid), als er 1552 Grjbifc^of oon Sttagbeburg würbe,
3um Ver3id)t auf bas &aoelbcrger Vistum 311 Drängen fudjten,
belferte Ujr Verhältnis 31t 3oad)im nidjt. £ennodj gab bas
Äapitel, als griebrid) int Oftober 1552 ftarb, bem $rude
nadj unb mäblte 3oad)ims ©nfel, 3<>ad)im griebrid;, ben fieben-
jäf)rigen Sofm bes Äurprtnjcn 3ofjann fteorg, 311m Vifdjof, für
ben ber Vater bie Regierung übernahm. 3ln bem fat&olifd&en
Vraudj aber, ber in &aoelberg f)errfa)te, würbe bamit mdf)ts
geänbert, unb erft nadj bem 1561 erfolgten £obe ftonrabis
trat aud) bort bie märfifd)C ftirdjenorbnung in $raft. Schneller
enbete ber Äampf 3wifdjen bem altfird)lid)en Kapitel unb ber
eoangelifdjen Veoölferung im Vistum Sebus. 3Me gewaltfame
Vefeittgung eines munbertljätigen 3Hartenbilbes 31t ÖöritJ burd)
3)iarfgraf 3ol)ann 1551 war nid)t nad) bem ©inne 3oadjims;
bod) batte er aud) bort im &erbft 1550 nad) bem Xobe ©eorgs
oon Vlumentf)al bie 3Bat)t eines feiner i'rinjen betrieben, bann
ben trofcbem gewählten ehemaligen berliner Sompropft SHeborfer,
einen ber bebeutenbften Vertreter ber alten ftirdje in ber 3)tarf,
$um Slücftritt genötigt. Rubere Umftänbc machten bie Stellung,
bes ebenfalls gegen feinen bitten gewählten Vranbenburger
^ompropftes Horneburg unhaltbar: ohne bes Sanbesherrn &Ufe
Drohten beffen Sdjulben bas finai^tcH bebrängte Vistum Dollenbs
31t ruinieren. So fügte ftd) bas Äapitcl cnblid) nad) $ornc=
burgs 2ob bem Verlangen 3oad)ims unb wählte im Qiilt 1555
feinen nun sehnjährigen Gnfel 3oaa3im griebrid) 311m Vifdjof.
£ie Verwaltung übernahm fein Vater, ber ihirprinj. ßr leitete
nia)t nur bie fterftcllung finanzieller Orbnung unb bie Säfu*
larifierung bes Vistumö ein, jonberu uerlmlf aueb, nidjt o()nc
«ptutj, prüfend)» ©fidjidjtf. I 15
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226 GrftcS öucfj. Tic Elemente beö preufctfdjen Staaten (bis 1598).
lebhaftes 2£tberftreben ber 3lftfird)lid)en, bem Evangelium enb=
lid) jur 2lnerfennung.
3n3nrifd)eu war enblid) ber SReligtonSfrtebe gefd)toffen,
fpäter, tnü()fcligcr unb weniger günftig, als man irgenb er=
wartet fjatte. Senn feit er ber ^roteftanten tudjt mein* be=
burfte, um fein }?adjtolgeredjt 311 bef)au\>ten, jeigte ftdt) aud)
Äönig g-erbinanb weniger nachgiebig. Sa wufetc ber leitenbc
branbcnburgifdje Staatsmann feinen fonft fo friebfertigen £crru
311 ungewöhnlicher Energie anzutreiben: am 6. Januar 1554
einigte ftd) 3oaa*)im mit üHugnft uon Saufen baljin, fict> auf
bem fünftigen SRetdjstage auf irgenb meldje anberen $crf)anb=
hingen nidt)t einjulaffeu, beuor ber ju ^affau uerbeifjene eroige
Sfleltgionäfricben 311 ftanbe gebraut roäre. greubig fdjlofc fieb
griebrieb von ber $fal* an. 3 U weiterer Sidjerfjcit empfahl
Siftclmener bie Erneuerung ber alten Erboerbrüberung 93rau=
benburgs mit Saufen unb Reffen, bie nid>t mel)r beftanb, feit
auf bem 3cifeer £age im ^är^ 1537 ifjre Erneuerung an ber
Steigerung 3of>ann gricbrid)S gefebeitert mar, ben Vertrag ber
alten gormel gemäß ..ber heiligen römifeften Äircr)e 311 Ehren"
311 fdjliefcen. iUngeftcbts ber 3)?öglid)fett eines neuen Kampfes
für ben (Glauben gewann bie Erbcinung allerbingS erhöhte
93ebeutung, bie am 3. 3ttär$ 1554 311 Naumburg ^rotfdjen
Joachim, bem fäcbufdjcn $urfürften, bem Sanbgrafen oon
Reffen unb ben Söhnen Johann griebriefts gefdiloffen würbe.
3nbem bie dürften erflärten, an ber ungeänberten 2lugs=
burgtfdjen tfonfefüon unter allen Umftänben feftbalten unb
gemä« ber urfprünglicben gaffung bes ^affauer Vertrages, bie
freilieft 00m tfaifer nidjt beftätigt unb im Crange ber 9iot aud)
uon Sttorifc preisgegeben war, in Sacften ber Religion einem
s JHebrheitsbcfcbluft fid> niemals fügen 311 wollen, erneuten fic
eigentlich wefentlid) t>erftärft ben Sdjmalfalbifdien 33unb. Sen=
noch ging es in Augsburg nieftt nad) ©unfeft. 2lucft Tiftcl-
meuer nahm febweren 3tnftofj an bem leibigen geijUicften $or;
bebalt, ber ben öenfcftanb ber alten .strebe für alle 3ufunft
fichcr fteüte, baburd) ben ^rieben bes Geichs gcfäl)rbetc unb
namentlicb 3oad)im II. 311 fd)äbigen brobte, inbem er in grage
ftellte, was er bisher in ben märfn'cben Bistümern erreicht
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IV. Deformation unb ftänbifajcs 9iea,iment. 227
batte. Obenein mar nad) bem £obe griebridjs 3oad)imö Sobn
Sroeiter @be, SigiSmunb (geb. 1538), an bie (Spifce be§ 2Nagbe=
burger Domfapitelö berufen roorben. 9iid)t blofc bie tfatbolifen
meinten, bafe namentlich beö^alb bie branbenburgifcben Seooll^
mäd)tigten fid) fo (jartnäcfig gegen ben geiftlidf)en SBorbebalt
ftemmten. ©rft als er fab, bafe obne bies ber triebe überhaupt
niebt 31t ftanbe fam, riet Diftelmener feinem Gerrit, bie von
tfurfaebien oorgefcblagene milbere gaffung anjunebmen, gumat
bie von flönig gerbinanb erteilte Defloration unb ?lffefuration
ftinftigen SKifebraud) auösufcbliefjen fdjien. 80 ftimmte 3oad)im
3U, freilid) niebt obne ernfte 33ebenfen. SÖaren bod) bie Sebroierig*
feiten, bie ibm au« bem geiftlicben ^orbebalt ju erroaebfen
brobten, oon ibm felbft oerfcbulbet bura) bie ©ebonung, bie er
aus Vorliebe für fatbolifebe gormen gegen bie 93iötümer geübt
batte unb nodj übte.
Drofc ber 9liebcrlage nämlicb, bie baa uon ibm perfönlidj
nertretene fircblicbe Softem erlitten b^te, bielt Soacbim niebt
bloß bie lutberifebe !^cbre für oercinbar mit ben gönnen ber
fatbolifeben $lirdje, fonbern traute bem ^apfttume ben ©nan;
gelifeben gegenüber eine äbnlicbc SBettberjtgfett gu. So backte
er fieb oor allem bie Ghinjt unb ©nabe ber igabdburger $u fiebern.
Daber geigte er aueb in ber golge auf neue päpftlicbe Socfungen
niebt übel Suft, ftd) in ben Dienft neuer Unionöbeftrebuugen
$u [teilen. <5r nabm ben päpfilieben 9hmtiua Gommenbone, ber
ifm su bem erneuten $ribentiner ^onjil etnlub, mit bemon;
ftratioer greunblid)feit auf. ©r befannte, burd) ibn ju einer
gülle ernfter ©ebanfen angeregt ^u fein unb erbat ein Spännen
oom tfreug (Sbrifti, um cö einem foftbaren ftrujifir einzufügen.
Durfte ßommenbone ba nid)t boffen, it)n nod) näber au baö
$apfttum beranjujieben ? Seine ©emablin roar eine eifrige
flatbolifin; Sigismunb, ber SHagbeburger (Srroäblte, oerfprad;
nacb Anbeut ju fommen unb befonbere (rrgebenbeitöberoeife 511
geben, unb Diftelmener, nacb Hemlebens £obe 1558 jum Manier
aufgerüeft, erörterte mit bem 9iuntiufl bie 93ebingungen, unter
benen ba« flon$il befebidt werben fönnte. Sogar bie überlebten
Disputationen botte ^oaebim noeb einmal beroor unb roobntc
ben brei föebeturnieren bei, in benen ber granffurter ^rofeffor
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228 tfrfteo «u$. Sie demente be§ preufeiföen etooteö (bis 1598).
91bbiaö ^rätorius fic^ mit bem ben Nuntius beglettenbcn 3e=
futten Sampert 21uer mag. 2öof)l rief er babei jornig aus,
bie flatholifen mödjten mit ihrem ßonjil jur £öHe fahren, er
rooHc bei feinem Gfjriftuö bleiben, untersetdjnete aber nid)t bloß
bie Sd)rift, roorin bie ^roteftanten bie Sebingungen für bie
Slnerfennung bes flon3ÜS barlegten, fonbern fdjicfte hinterher
fogar Vertreter nad) £ribent. So fdjroer rourbe es ihm, feinen
uneoangelifdien Siebltngsibeen ju entfagen ! ©rfi ber Verlauf bes
.ftonsils überzeugte ihn, bafj für fie IBerroirflidjung nidjt $u
hoffen fei. $as mar roohl ber Sinn ber befonberen 9iefor?
mationsfeier, bie er 1563 anorbnete: fie bezeugte feinen dnU
fd)(ufj, an bem erneuten ©oangelium unroanbelbar feftjuhaften
unb ben $er$idjt auf alle 23erfudje sur &erfteHung ber fird)*
liefen Ginheit.
b) £as 9(uffommen ber ftänbifdjen SKitregierung
im Innern unb bie ?Solttif ber 3lnroartfd)af t cn.
1563—1571.
©ine ftänbifdje ÜHitroirfung r)at bei ber Einführung ber
Deformation in Skanbenburg nid)t ftattgefunben. 3oad)im II.
hatte 5lbel unb Stäbte einfach gewähren (äffen. 25afür liegen
fie ihm freie £anb, ate er bie roirtfchaftlidjen 33ert)ältniffe ber
märfifdjen Stirpe ju feinem Vorteil orbnete. So fwt ber
©laubensroedjfel r)ier roeber bie Stärfung ber fürftlidjen ©e=
malt, noch bie enge 93erbinbung jroifchen Sanbcsherrn unb
Stäuben herbeigeführt roie anberroärts. 3 UD em rourbe bie %t--
meinfa^aft, auf bie bas religiöfe Qntereffe beibe Seile fyuu
rotes, burdj leibige finanzielle Tifferenjen geftört. Slehnlidje
.§änbef, roie unter griebrid) II. unb 2llbred)t 2ld)ill, roarfen bie
ftaatlidje Cntroirfelung ber 2Warf um ein gutes Stücf jurücf
unb jogen ber lanbesherrlidjen ©eroalt engere Schraufen als
je. Tie Sa)ulb lag nur 311m Seil in ben 5Bcrr)ältnif?cn : mit
gutem SRedjt matten bie Stäube Joachim perfönltch bafür
ucrantroortlid). Gr liebte fürfttidjen $runf. fioffefte, Sdjlofc
unb flirebenbauten, Weifen 511 9ieidja= unb gürftentagen unb bie
Teilnahme am £ürfenfnege in Ungarn oerfd)langen ungeheure
Summen. Taju fehlte es an Orbnung in ber SBerroaltung, unb
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IV. Deformation unb ftänbifc^eö Regiment.
229
feine überreichen 3umenbungen an einzelne 33egünftigte oereitelten
alle Berfuche sur Befferung. SSenn bie Stänbe flagten, unter
feinen Jiäten feien etliche oor allem auf ihre eigene Bereicherung
bebaut, fo Meint baä namentlich auf ©uftad) oon Schieben
gegangen ju fein, ber ihnen um fo anftögiger mar, als er auch
manchem feiner Stteifcenfchen Sanbfileute ju 2lmt unb ©rot
uerbalf. Tiefe machte ihre eifrige monarchifche GJefmnung nicht
beliebter, bod; meinte Sutber, Schieben regiere 3mar roie ein
S'nrann, lehre bie Seute aber boch iDioreö.
Orbnung in bie ginanjen 311 bringen hotte auch ber treff=
liehe Teutleben nid)t oermod)t. Tie 8O00O (Bulben, bie beö
Äurfürftcn (Sinfommen betrug, reichten nicht auö. Schnell
wuchs bie Schulbcnlaft, ohne ba& bie Stäube, bie nur lanb=
fchaftliche Qntereffen fannten, fich aber nicht als Vertreter bcö
Sanbeö fühlten, eingefchritten mären. So ftanb man beim
nach furzen fünf fahren ohne tfrieg ober ionftige ©eimfucbuug
oor einer Schulb oon einer Million (Bulben. 3m Frühjahr 1540
erhielten bie $u Berlin oerfammelten Stänbe bauon Äenntniö.
2lber fo gern fie bie enblidbe 3lnerfennung ber firchlicheu
Neuerungen burrf) finanzielle Öegenleiftungen erfauft rjätten^
fo ernfte Beforgntffe mufete ihnen eine folche Strtfchaft für
bie 3 l ^ l, nft erweefen. Nur um einen hohen s ]?reiö erfaufte
Joachim ©ilfe. Nicht genug, baß bie auf bas Öanb übernommene
Sd)ulb auch oon ftänbifd)en Beoollmädjtigten ocrwaltct mürbe :
er mufjte fich uerpfüdjten, „feine wichtige Sache, baran ber
l'anbe ®ebeih unb Berberb gelegen, ohne ber Staube Bor--
roiffen unb 5Hat 511 befd)liefeeu ober oorsuuebmen", auch fein
Bünbniö ohne iljrer Vertreter Nat unb Bewilligung einzugehen.
3i*ar ba$ thatfädjlich bisher fdjon fo gehalten: baß biefer Safc
alö für bie 3"frinft mafjgcbenbeö [taatöredjtlicheö s ^riu$ip pro--
flamiert mürbe, enthielt eine unbeiloolle tfürjung ber lanbeö:
Ijerrlidjen (Gewalt. Nidjt bloß bie innere, auch bie auswärtige
^olitif würbe abhängig oon ben Stäuben. Slber gleich banach
fchloß Joachim fie oon ber 3ftitwtrfung bei ber iUrchenoifitation
auö. Seinen Unwillen barüber entlub ein Seil beo 2lbele in
faft brohenben eingaben an ben mit ber Sdjulbenoerwaltung
betrauten ftänbifchen Sluöfchuft. 3oad)im unb feine Nätc blieben
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230 ßrfteo $udj. £ie Elemente bcö preufeifefien Staates (biö 1598).
bic 31nttoort nid)t fcf)ulbig. Gin äujjcrft geregter Xon fjerrfdjtc
in ben ^crhanblungen ber nädjftcn 3abre, bie um fo uner*
qnidCIid>er würben, alä and) bic ftänbifc^e Sdjulbcnuerroaltung
fid) nicht bewährte unb feinen Dcil befrtebigte. 3>ie Surfens
fteuer jur 53eftreitung oon ^oadjimft prunfooflem, ober rühm;
lofem 3ugc nad) Ungarn ucranlafetc enblofen Streit. Der
ocrfdm)enbcrifd)c £off)alt, bic Sefeftigung Spanbauö, bic 511
ber oon ^eifc unb ftüftrin burd) ÜHarfgraf 3of)tmn baö Seiten;
ftücf bilben foHte, unb ber Schmalfalbifcbe ätrieg erforberten
neue Slufroenbungen. Obgleich bie Einhebung eines beträft;
liefen Deila ber flirdjengüter ir)m neue Ginnahmen oerfdjafft
hatte, mußte ^oadjim bodj immer raieber su bcbcnflichen 9iot?
bereifen greifen: bei oerroaubten ober befreunbeten dürften
borgte er ober nahm it)re SBürgfchaft in Slnfprud), tuanbte fid)
roof)l auch an bie märfifdjen 3uben unb gemährte ihnen bafür —
wenig nad) bem Sinn bes unbulbfamen Golfes — allerlei
Erleichterungen unb Freiheiten. 3ur Jedling augenblicflid)er
löebürfniffe oerpfänbete er Domänen, Sdjlöffer, tfird)engfiter
unb Ginfünftc: fürs, er lebte recht etgentlidj »on ber £anb in
ben 2Hunb unb hatte nad; faum $ebn 3ahrcn abermals eine
Sdjulb oon jroci "3)iilltonen (Bulben aufgehäuft.
(*3 mar bod) eine neue Demütigung, als er baä 1549
ben Stänben befennen mußte. s Jlud) hatten er unb feine SHäte
nic^t ben 9)tut, gleich bic ganje Söahrljett 311 fagen: erft bie
angeftellte Unterfudjung ergab, bafc bie Sdmlb burd) 3 in f e »-'
rüdftänbe einen rocit höheren betrag erreichte. Dennod) Ralfen
bic ©täube roieber unb $n>ar planmäßiger unb grünblid)er, aber
nur gegen 3ugeftänbniffe, bic bau i'anbeö&crrn nidjt blofe für
bie Jinan^oermaltung eine ftänbifdje tturatel aufnötigten, fom
bem eigentlich eine fiänbifd)c ÜWitrcgicrung beigaben. Denn auf
alles, was feine Vorgänger in mehr als hunbert fahren bev
ftänbifdjen £ibertät abgerungen hatten, oerjidjtete 3 oa 4ii«^
als er 1550 bie Uebernafyme feiner Sdwlben burd) bas Sanb
erfauftc burd) ausbrücflid)e Seftättgung aller ben Stäuben ehe--
mals 5itftcl)cnben fechte, Privilegien unb (ryemtioneu. Darauf;
hin nötigten bie Stäube ihm alöbalb bic Ueberlaffung ber Ikt-
maltung aUer Steuern ab, audj bes auf oierjehn ^ahrc be*
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IV. SHeformation unb ftänbiföeö Stegiment.
231
willigten „neuen 93iergelbcs", eines 3ui$lft9& 511 ber alten
SBierjtefe, beftimmt jur Ginlöfung bev oerpfänbeten @efäHe
unb (iJüter. öranbenburg, eben auf bem 2Sege 511 monard)ifcher
Äonjentration, fah ftdj in bas befdjeibene £afein eines ftän-
bifchen £erritorialftaates jurürfgeworfen : benn bas „ftänbifche
flrebitwerf" erfefete in ben wid)tigften ftaatltd)en öefdjäften bie
lanbesherrlichen Beamten burch Vertrauensmänner ber 3tänbc.
3a, bie ftaatliche Cinbett ©ranbenburgs würbe negiert, wenn
an bie Stelle ber einen Staatsfafic bie ©chofefaffen ber ^rä=
laten unb ber liHitterichaft unb bic ©täbtefaffen traten, jebe
mit ihrer eigenen ftänbifdjen SBeamtenfdjaft, unb baneben bie
uon 9lbel, Prälaten unb otäbten gerne infam verwaltete „9ieue
Siergelbsfafje". ©d)on bas jeigte, wer bas #cft ober, um
ein oon ben ©tänben gebraustes ©üb an&uwenben, wer „ben
©trid in ber $anb" r)atte.
2öte fer>r er burd) all bas bie Srabitionen feines Kaufes
oerlcfcte, baran bat ber leichtlebige &err nicht gebaut, Safe
er bamit and) befien 3ufunft gefährbete, würbe ihm um fo
weniger flar, als er fiel) oielmeljr rühmte, ihr befonbers glänjenbc
Slusjtdjteu erfchloffen 51t Ijaben. Uncrmüblich im 3treben nach
oieloerbeifeenben 2lnmartjchaftcn unb fo, wie er meinte, groß
in ber äußeren ^Jolitif, beraubte ^f 00 ^ 111 93ranbenburg burch
feine innere ^olitif ber Nüttel, um jene Anrechte erfolgreich
ju pertreten. 2ludj h>rid)t aus feinen biplomatifchen 2lftionen,
benen bie politifdje ftedjcnfunft SMftelmeyers 511 Wrnnbe lag,
weniger jener ftaatsmännifche Öeift, ber einen 311m §anbeln
bereiten äÖiHen binter ftd) weife, als bie unruhige 5öetriebfam^
feit, bie fid) burch ihrem Söert nad) fragwürbige 2lusftd)ten
über bie tf)atfäd)lid)C ©inbuüe an politifchem 3lnfe()cn hinweg;
täufchte. &>ährcnb in ber grofecn fird)licb=polittichen tfrifis, bie
ein $al)r$ef)nt nach oem DJeltgionsfricben bie fpanifaVfran$Öufche
iUeaftion beraufbefdjwor, bie£oben$ollern alö£üterber beutfcr)ett
Cftmarf einen hoben $eruf $u erfüllen hatten, erhob ftd) Joachim
faum jur (Srfcnntnis ber (Gefahr, aud) hier furjuchtiger unb
unentfdjlofiener als fein ©ruber, ber bod) einen Slnlauf nahm,
um inmitten bes brohenben allgemeinen 3ufammenbrucbö feines
Kaufes 3ntercffen ju oertreten.
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232 £rfte$ öttdj. Sit (rlemente bc$ preufttföen Staates» 1598).
3Me 2lnroartfdjaften burcbäufefoen, beburfte Joachim immer
ber (ünnft unb ©nabe beö Äaifcrö. Unb roic roenig fonnte er
trofe aller btenftroilligen gügfamfeit auf fie reebnen! Sdjon
ir>:V7 hatte er mit ©erwg griebrid) uon Öiegnitj unb SBrieg
bie fünftige Vermählung bes bamalö jwölfjäbrigcn Jlurprinsen
3ofmnn ©eorg (geb. 11. September 1525 ) mit jeneö £od)ter
(Sophie vereinbart, währenb feine 2od)ter Barbara ben 3ofm
beö &er$ogö Giraten joütc, unter 3lbfrf)luB eine« ^rbuertrageö,
nad) beut beim 3(uöfterben ber Sranbenburger ©ofjenjoüern
bereu Senkungen in 3di leiten unb ber ^auutJ an bie Sieg^
nifcer, im Jvaüe von bereu (Srlöfdjen aber Siegnifc unb 93rieg
an ^ranbenburg faüen foUten. Von feiten ber törone Ööbmen
mar bamalö s iBtberfprud) nid)t erhoben; aud) hatte üe bie Ve=
red)tigung ber l'iegnifcer ©erlöge $u foldjen Abmachungen
früher roieberbolt anerfannt. 3o fanb I.j-45 bie £oppelhod)$eit
ftatt. 3lber fd)on im Februar l-">46 ftarb bie junge Äurprin*
jeffin naa) ber Geburt eines Sofmeö, ^oadiirn Ariebrid). Unb
nun f od^t Mönicj gerbinanb ben Grbuertrag plöfclidj an auf
©runb ber 1»10 allein ben bö&nuidjen Stäuben gegebenen
Snjage, cö follten bie jur ßrlebigung fommenoen fchleftfchen
Jvürftentümer roieber mit Böhmen vereinigt werben. Semgemäfe
erfaunte aud) ein ©eridjtstag $u '«Breslau im s 3)fai 1546, trofc
ber ^rotefte bcö fturfürften unb bcö ©er^ogS. £ennod) gab
3oad)tm bie 3ad)e nid)t verloren, ^efenttid) um na) ilaifer
unb König hierin geneigt ju maegen, trat er für bie faiferlidjc
ftird)enpolitif ein unb bcfa)icfte fogar oaö Xribentiner tfonjil.
£ann gaben bie Sanblungen in ben baltifdjen Öanben ber
2lmuartfd)aft größere Vcbeutung, bie ^oadnm I. auf Sd)le$ivig
unb ©olftein erworben unb Marl V. beftätigt hatte. s )iur hätte
eß einer rütfficbtsloö $ugreifenben ©anb beourft, um inmitten
beö bämfdHd)roebiid)en Streiteö, ber bie 3Rad)tver(jä(tnifte im
Horben grünblid) um^ugcftaüen broljte, mit ben (Slbherjogtümcru
bie auöfötaggebcnbe Stellung an Vranbenburg $u bringen.
Sdjon hatten bie fränfifdjen ©ohenjollern mit ©erjog ütlbredjt
in i'reuöeu unb mit beffen 1">30 jum Grjbifdjof von SHiga er^
hobenen trüber Wilhelm in fciolanb feften ftuft gefafct, wo ber
Crbenoftaat feinem Gnbe entgegenging. Ütber Joachim II. hatte
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IV. «Reformation unb fiänbtfäeö Regiment. 233
gefdjwiegen, als ber tfaifer mit Cfnrifiian III. oon £änemarf
^rieben machte, ofme ber l)of)enäollernfd)en iHedjte Grmäfjnung
511 tfnm. braute er wtrflid) ber früheren Grflärung befi flaifers,
alles, was er gegen bie branbenburgiiaje 3lnroartfct>aft oerfügen
würbe, [olle null unb nichtig fein? Site es 1547 galt, Soadjim
bem 8d)malfalbtfd)en Vunbe fernzuhalten, oerfprad) ber flaijer
oon neuem, in £otftetn nidjts gegen Sranbenburgs ^nterefien
oor$unef)men , unb belehnte 1548 ben £äncnfönig bamit.
3oad)im bat fict) babei beruhigt. Seine s JRitroirfung bei bes
ttaiierS fird)lidjer Unionspolitif, bie Verfdjärfung bes fonfejfio;
nellen Räbers unter ben Goangelifdjen, bie Vergrößerung £äne=
marfs buref) einen Seil üon[2iolanb 1561 erflären bas. VoHcnbs
betdjwidjtigte ir)n bann fing Äatfer 3J2arintilian II., inbem er
ifjm (3luguft 1564) auf ©erben $iftefme«ers eine neue 2ln-
wartidjaft auf bas jur 3eit mit $Braunfd)weig Bereinigte ftürfteu=
tum örubenfjagen erteilte. @s galt itjn oon $of)ann oon
tfüftrin gu trennen, ber bie 3lnrea)te, bie fein trüber preis;
gegeben, energifd) aufnahm, um inmitten einer großen euro=
ptiifdjeu Vermicfelung bie Glbfjcrjogtümer 311 gewinnen. Gr
rechnete babei auf Sdjweben, -öraunfdjweig unb SWetflenburg,
bann auf bie (Srneftiner, bie in ifjrem £rang nad) SRadje an
ben 2llbertincrn unb s Jteftauration eben bamals burd) ben oer;
wegenen SRitter oon ©rumbad) au einem folgenderen @eroalt=
ftreid) angereiht würben, ^fjre Weberwcrfung burd) ben uou
bem tfurfürften Sluguft oon Saufen unterftüfcten tfaifer brobte
audj ^o^onn uerf)ängniöuoll 311 werben. Sdion ging bie Siebe,
er foüe geästet, bie 3ld)t burd) ben 2llbertiner oollftrecft werben.
£od) oerftänbigte man fict) fdjließlidj: ber ©anbei ber curo=
päifdjen Sage aber fdjloß jeben ©rfolg bes 9Jtarfgrafen gegen
^änemarf and. Von ber fcfy(eSwig*f)ol|teinifd)en 9lnwartfd)aft
ber ^oljenjollern ift nidjt mein* bie SHcbe gewefen.
Ungeahnt große Vebeutung aber für bie 3"funft erlangte
bie preußifdjc 2(nmartfdjaft, obgleid) Tie 5iinäd)ft ebenfalls red)t
fragwürbig war. 2lud) batte man babei fidjer nid)t bas im
3luge, was nadjmals baoura? t^atfäcblid) erretdjt würbe. s Jfeben
ber f)auöoäterlia)en 3orge für bie ^iefjrung bes *amilienbefi&es
wirfte babei v >ac^imö ©unfd) mit, bie £>of}en$o[lern burd)
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234 ^rftee 33«^- Irlementc beö preufrifdjcn Staate* (biä 1598).
engen 3 l, fammenfd)lu& aller i£)rcr 3rocige möglidjft fidjern.
5rüb$ettig hatte er baö erftrebt. 2(ber ber gamilientag, ben
er im Oftober 1536 in granffurt a. 0. mit £>er<iog Wibrecht,
(SJeorg oon Ansbach unb beffen Neffen unb Sttünbel, 31 (brecht
oon tfulmbad), hielt, ergab feine Verftänbigung. 2lud) in
ber ttrifis ber ^afjre 1552 unb 1553 mar man oergeblid)
barauf jurücfgefommen : bie flataftropbe bes Äulmbacbers Gatte
bas &aus ber £of)en$olIcrn febroer getroffen unb fein 9lufeben
tief fyerabgefefct. $ic Verantwortung bafür traf junädjft 3o=
ad)im. Seine Haltung ftadb freilief) febr ab oon bes ÜKarfgrafen
Johann fiililer unb entfd)loffener 5lrt unb ber unruhigen
triebfamfett bes preufjifcften £>er$ogs, ber, nod) immer in ber
9ieid)öad)t liegenb, erft oon bem fiegreidjen Äaijer unb bann
in bem .dampf ber norbifeben Wächte um bic Cftiee jermalmt
31t werben fürchten mußte. 3u biefe baltifcbc Kombination nun
mar 3oad>im eingetreten, nidjt fowobl um etwas ^ofitiocs
ju erreidjen, als um burd) freunbfdwft liebe SMnbuug einer mög=
lidjerweifc fernblieben 3)iacr)t etwa brotjenben Sdjaben abjiu
roenben. Um bem preufetfeben Detter im ^ntereffe bes (tfefamt;
baufes einen Siudbalt ju geben, hatte er auf Anraten (Suftacb
oon <3d)liebcns bic polnifche 33raut ruirf tief) heimgeführt unb
bereits bamals feine SDiitbclefjnung mit Greußen bei Slönig
Sigismunb I. angeregt. Sdjon ban bic Sranbenburgcr föobeu-
jollern ba hinter ben fränfijdjen ^urüefftanben, mag er läftig
empfunben haben: feinem Vater hatte fdjon fein fircf)lid)cr
Stanbpunft ein folebes Verhältnis unmöglich gemaeht. $odi
gefehah bamals nichts. Gift ber polnifchc Ibronroecbiel 1548
eröffnete bejfere 31usnd)ten. SigtSmunb 11. üluguft, ber Vrubcr
ber Äurfürftin &cbwig, galt für einen greunb bes (SoangeliumS ;
obgleich mit ben ^ausbürgern oeridjwägcrt, mußte er wünfeben,
beren -iJiadjt nieberjubalten. iMnbererfeitS wollte £>crjog Wibrecht
burd) eine (>Jefamtbelebiiung ber .^obenjoUcrn mit Greußen bie
eigene Stellung feftigen unb fich für ben Notfall ber £ilfe
feiner ®efd)led)tsgenofjen oerfidjern. sHudj bic prcufjifcben Stäube
wiefeu auf eine Anfrage bic Sadje nicht oon ber ftanb, wollten
ihr aber nur näher treten, wenn fie sur ^crftcllung bauernber
Stube in ®cut)d)lanb unb eines einigen ^riebens mit s #olen bientc :
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IV. Deformation unb ftänbifc^co Regiment. 235
fonft [ei batet fo oicl $u erroägen, bafj man beffer auf einem
fünftigen SHeicfyätage barüber ue.rf)anbelc. 2lm liebften mar eä
ilmen, wenn alles beim alten, bas fjeifit bei bem £ef)eiidDer=
trag oon 1525 blieb. Stenn wenn Albredjtä unb 3oad)ime
^lan aud) il)r Steutfdjtum DoQenbs gegen bie spoloni*
fierung ftdjerte, brofjte er bod) aud) mit einer tfürjung it)rer
«ibertät.
s )lud) in biefe Angelegenheit braute erft Siftelmcijer mebr
©nergie unb tfonfequcnj. SHandjem fdjien fie aH3U roeit auö-
fet)enb. S3ei ben zerrütteten tfinanjen erregten bie Ülufroenbungen
33ebenfen, bie tbre Verfolgung erf orbern mürbe. Jöefonbcr«
ber tfurprins foH bagegen geroefen fein. Anbererfcits rechnete
^oadjim mit ber s )ttöglid)feit, bei ber Minbcrlofigfeit Sigid-
munbö II. 3luguft einem feiner Söbne 511m polnifdjen £bron 311
oerfjelfen: &cbroig§ ßrugeborenen 8igiömunb, ber feit 1552
erabtjdjof oon ÜÄagbeburg unb 23ifd)of oon &albcrftabt mar,
t)atte er baju auöerforen. Aber erft bie tfrifiö, bie mit bem
Anfturm ber Muffen, bem gatt beö Orbcnöftaateö in Siotanb
unb bem fd)roebifcr)=bäntfdr)cn tfrieg über ben Horben fam,
brachte bie Sadje in gluft. Stenn jefet erfannten aud) bie
^ßolen i^re Söebcutung. 2llö bie Stäube ^reufecns bem &er$og
bie Littel jur Unterftüfcung £ir>lanb$ oerroeigerten, meil ber
ruffvfdje Angriff nod) nidjt erfolgt mar, mußte ^olen bort
eingreifen, bann aber fürdjten, neben SHujjlanb aud) Sdjroeben
unb bie ^aböburger gegen fid) 511 fiaben. $ad lieft 3igiÄ^
munb II. ein engered Ginoerftänbniö mit feinem branben*
burgifdjen Scbroager roünfdjen, ber fonft burd) s illbred)t$ trüber,
ben Gr$bifd)of 2öill)clm oon SRiga, ber mit bem fteermeifter
ber Sc^mert brüber, öottlmrb Kettler, baberte, auf bie ent-
gegengefefete Seite gezogen roerben tonnte, ^m redeten iHugen:
blief regte baljer ^oaa^im 1559 bie prcujjifdje Sadjc burdj eine
feierliche Öefaubtfdjaft oon neuem an. s J)cit Siboriuö oon
©reboro, bem Hauptmann ber ^riegniu, jogen Weorg SabinuG,
ber feit 1555 aU ^rofeffor unb furfflrftlid)er ^Hat nad) granf*
furt jurürfgefebrt mar, unb fein rebegeroanbter tbeologifdjer
College, Slbbiad ^rätoriua, nadj SSarfdjau. £ort ucrlangte
man $ilfe für Siolanb, mälirenb bie (itefanbten foldje nur
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236 CSrfteö &ud). Tie Elemente beö prcufeifdjen ctaateö (biö 1598).
gegen einen Angriff auf Greußen felbft 311 bieten batten. So
fam mau aud) jefct nid)t $um. Slbjdjlnjj.
Ta trat im ,§crbft 1 - r >6 1 ber $ecrmetfter beö liolänbifdjen
Orbens, Wottfjarb tfettler, als §er$og oon Hnrlanb in £ef)cnö;
abl)ängigfcit von s $olen, baö feineu neuen !8eitfe nun gegen
Muffen unb Schweben oerteibigen muftte, roäf)renb es äugleid)
burd) bie girren im heften in 2lnfprnd) genommen mar. SHudj
Greußen fd)ien gefäljrbet, bie Stäube aber beirrten in tbrer
ablefmenben Haltung. Ta fam $olen beö tfurfürften erneuten
Anträgen freunblid)er entgegen, ©übe beö ^aljrcö 1562 mar
man einig: auf bem 9?eid)ötage ju s J>ctrifau foütc mit 3" :
ftimmung ber Großen holend ber 3lbfd)luft erfolgen. Tiefe aber
wollten Sranbenburg für bie unfidjerc :Hnmartfd)aft auf?erorbent=
lidje haften aufbürben : ber $ nrfürft foütc ieben s J)tarfd) gegen
Greußen burd) fein (Gebiet ()inbern, überhaupt allen 3lnfd)lägcn
auf i'olen entgegentreten unb bem Honig im Notfall mit
300 «eitern &eereöfolge teiften. Tann fiief? eö, bie 3)iitbe=
lefmung fei etwaö gan$ ilngemöfjnlidKö, es gebe bafür über*
fjaupt feine gorm. 3lud) überfdjäfee Jöranbenburg feinen SScrt
für ^okn, baö über Seljenöleutc genug uerfüge. Tcnnoa)
meinten bie 93ranbenburger üd) beö augenblidlid) erreichbaren
oerfidjern 511 müffen, unb nahmen unter ^orbefjalt bie Urfunbe
an, bie if)ncn Sigiömunb II. am 0. ü)fär> K>63 überreifen liefe:
fie erteilte bie s J)litbclef)nung, jebod) fo, bafe nad) bem (Sr-
löfdjen ber Stodjfommen fterjog Üllbredjtö bie fränftfdjen .§of>em
soliern unb erft nad) bereu 3luöfterbcn bie söranbenburger mit
ber im $efife ber Hurmürbe befinblidjcn £inie folgen follteu;
erft wenn audj biefc erlofdjen, ftanb bem beseitigen (*r^
bifd)of oon ^Jagbeburg unb feiner l'tnie ein »Jlcdjt auf Greußen
ju. Taö war bie eine (Snttäufdning : benu um Sigiömunbö
^erforgung mar eö $oad)im oornefjmltd) $u tfntn. Tic zweite,
fdjmerslidjere, lag barin, baß ber Antritt beö *Qer$ogtumö in
jebem >vall oon ber&eiftung beö öefjenöeibcö abbäugen, ber^ran;
benburger Hurfürft alö £er$og oon ^Breu&en polnifdjer $afaH unb
fo ber polnifdjen 'JJolitif bienftbar fein foüte. Wegen beibefiprote*
ftierten 3oad)imö öefanbten. Taö wollte frei(id) niditö bebeuten,
wenn bie fo bebingte ^fitbelebnung überhaupt angenommen,
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IV. Deformation unb ftanbtjd)e$ Regiment.
237
ja balb eine ^Heibe von praftifdjen itonfciiuenjcn baraus ge^
flogen würbe. Das ober t^at 3oad)tm, wenn er in bem Kriege
^toifd&cn Däncmarf unb Sd)weben flu vermitteln fud)te, um
^olen nid)t bineingejogen unb fid) ju beffen Unterftüfcung gc=
nötigt ju fet)cu. ülud) fonft fd)ien bieje preufnfdje 2lnwartfd)aft
unbequeme Verwertungen b«beiflufübren. 3roar liefen bic
Raufen, bie ber unruhige &er$og @rid) von Sörannfdjweig im
jfrerbft 1563 burd) Bommern an bie 23eid)fel führte, fdjneU
aufteinanber; bod) foHte ber Dcutfdje Orbcn mit 3»f^ inmun 9
beö ßaiferö unb Unterftüfcung Spaniens ben brof)enben all:
gemeinen ftrieg flur &Mebereroberung ^rcuBenö benufcen wollen.
Dann bemübte fid) in ber Stille 3°bann 2Ilbred)t von bedien:
bürg, beffen Sdjweftcr bem neuen ^erjog von flurlanb jur
©attin beftimmt mar, bei feinem altcrfifdjwacben Sd)wieger=
uater, &erjog Sllbredjt, feinem eigenen "paus bie 9iad)folgc in
^reufeen flu uerfebaffen. 2llö 3oad)im im ©erbft 1565 bie Grb-
butbigung wünfebte, wollten bie preufeifdjen Stäube fluoor ni$t
bloj? it)re bermaligcn SHed)te unb greibeiten, fonbern aud) gleid)
alle funftig flu erroerbenben uerbrieft baben. Dcnnod) fam eö
im Januar 1566 311 einer Verftänbigung. 2lbcr bie unerbörte
Demütigung abfluwenben ober aud) nur 311 milbern, weldje bie
Stäube eben bamalfi unter ÜWitwtrfung dolens bem von un-
würbigen öünftlingen irre geleiteten &er$og bereiteten (S. 107),
bat 3oacbim nid)t einmal ben Verfud) gemad)t. hinter ben
preuHifdjen Stauben aber ftanben bic polnifdien Magnaten,
unoerföbnlicbc geinbc bcö Deutfd)tumö, bic niebt gemeint
waren, biefem burd) bie Verbinbung ^reufKnö mit 8ranbcn=
bürg ooUe Sidicrbett flu gewäbren. Den (Sib, mit bem bic
preufeifeben Stäube bei ber (Srbbulbigung SBranbcnburgö 9iact)*
folgerest anerfannten, erflärtc ber polnifdje iKcidjötag für
nichtig. 3oad)im II. fyat baö rubig lungcnommcn. 2lber je
ungeflümer fid) baö ^olcntum gebärbetc, um fo widriger würbe
für bie preufüidjeu Stäube bie Verbinbung mit söranbenburg
unb mufetc von ihnen um fo r)öt)er gefdiäfct werben, je einbringe
lidjer baö fid) eben bamalö erfüllenbc Sdridfal ©eftpreuftenö
flu ibnen forad) (S. 95). Darüber ftarb am 20. Märj 1568
ber greife §crflog. Stuf bem Subliner *Kcid)$tagc, wo fein Sobu,
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238 @rftcs *ud). Xit Elemente bcö preufeifäen Staoteä (bis 1598).
ber fcd)$ef)njä()rige 3llbred)t griebrid), mit $reitfjen belehnt
werben foflte, crfdjien aud) eine branbenburgifdje öefanbtfdjaft
wegen ber üJiitbefeljnung. Sie fam leicht juiit 3iel: bie grci=
gebigfeit 3oadjim«, bem feine Stäube bic&mal reidtfidje Littel
gewährt Ratten, fjatte ibre 25>irfung getrau. 3»9^ic^ mit
2Übred)t ftrtebrid) ergriffen bafjer am 19. 3nlt nädjft ben ©e=
fanbten bed fränfifdjen Warfgrafen Ctfeorg griebrtdt) bie 3o=
adjimftll. bie ^renfoen barftcHenbe gafine, mit ber Sigiftmunb II.
3Utgm't jenem baö öerjogtum auftrug, nadjbem fie im tarnen
it)rer .perren ben &ef)enöeib geleiftet Ratten.
th>ar bamit aber mirfltdj fo OJrofees erreidjt? Qoadjim II.
unb feine fHätc meinten einen aufeerorbentlidjen (Srfolg ge=
Wonnen 311 Ijabcn. Jfjn 31t feiern, mürbe im September lof>9
311 Berlin ein pompfjaftes Xanffefi begangen. Unter @(ocfen=
getaute bewegte fid) ein prunfenber 3 u ö na $ Dcm ^ome,
voran bie Sägest 311 ^ferbe, bie furfürfl liefen Leiter unb bie
§ofbicnerfd)aft, bann im ©eleit r-on £ofjunfern Jungfrauen
bes Slbelö unb ber (wfjen SBeamtenfamilien in weißen ©ewän=
bern, ber 9?at ber £auptftabt unb ber Sanbabel unb bann bie
©eifitidtfeit, tfcldjc in ben £änben, bereu 3 U 8 bex berliner
Xompropft fdjlofc. Gin 2)Jufifcorp8 eröffnete bie nädtfte 3lb=
teilung: an i()rer Spifce fdjritt ber §ofmarfd)att Sparr, bann
folgte ber polniftfje ©efanbte Oberft Staupifc mit bem preu=
ftifdjen 2(Mer, ein £ierr oon ^utlife mit bem fturfdjwert unb ber
örbmarfcfmU Oberft oou 9^öbel mit ber preufeifdjen Sc&enfafme.
3luf einem isabellfarbenen $oö erfdjien ber tfurfürft felbft in
jobetbefetjtem OJolbftoffgewanb, hinter i^m ber Äurprinj 3of)ann
@eorg unb fein 3of)n Joachim griebrid), ber 5(bminiftrator
uon 9)Zagbeburg, beneu ftdj bie Coronen beö &ofes anfdjloffen.
91(6 ber 3"3/ 3« beibeu Seiten uon Trabanten geleitet, unter
bem Xonner ber tffcfdjüfee ben Som erreidjt l)atte, nafmi 3o=
adjim, baß fturfdjwert in ber £anb, beim 3ütar auf einem
Xfnrone s }>lafe. Ter tfai^ler iSiftelmeuer beftieg bie naf)e 9icbner=
büfjne unb bieft eine lateinifdje -Hebe über bie 33ebeutuug ber
preujjifdjen ÜDiitbelc^mmg : er fdtfofe mit fjulbtgenbem ®lütf=
wunfdje an beu flurfüvfteu, ben neben Sofnt unb Gnfel 311 fetten
eine foftbare öürgfrfjaft für bie 3tifunft ber softenjollern ge=
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IV. Deformation unb ftänbifd>ce Regiment.
239
mähre. 3 l| 9^i ( & m ^ Dem potnifdjen Giefanbten tmb bem preu=
feifdjen ©rbmarfchafl empfing er bann ben Sflitterfchlag ; eine gol;
bene ftette belohnte bic Verbienfte, bie er fid) um bie preu&ifdje
3atf>e erworben ^atte. £as entfprtdjt ber fanguinifchen Art
3oad)im$, bie ihn feine ©rfolgc leicht überfchäfeen tiefe, konnte
boer; fein Wenfcf) miffen, ob baö branbenburgifebe Anrecht auf
^reufeen ie in Sirffamfcit treten, ob eä nidjt bie Cuelle
läftiger Weiterungen werben würbe. &nx Verforgung einer
jüngeren Sinie fdjten ^ßrcufjen trofcbem treff Ctdt) geeignet: unb
bas gab für ^oacfiim ben Auöfchtag.
Augenblicftid) war ber gröfete ©eminn, bafj bie prcufufdje
Angelegenheit bie brei ßinien beft ^ohenjoltembaufefi enblid) 51t
enger ©emeinfdjaft oerbunben hatte. Aua) 3o^ann oon Äüftrin,
ber ftd) fern fjielt, t)atte feinen Anteil baran: feine ältere
2oa)ter ©nfabett) war 1558 mit bem fränfifa)en ÜNarfgrafen
Weorg griebrtd) oermähtt, bie jüngere, Äatfjarina, heiratete
1570 ben fünf 3a()re jüngeren 3ot)n beö tfurprinjen 3oac^im
griebrid). 9?id)t blofe wegen ber reichen Littel bed fparfamen
3of)ann war biefe ©h« für bas Äurfjauö oon 23id)tigfett : an
fie fnüpften fid) noch anbere $läne. %m &erbft 1566 war
3oadjims II. einziger @ofjn aus feiner pofaifdjen ßbe, Sigtä*
munb, feit 1552 (Srjbifdjof oon 2)togbeburg unb $ifdjof oon
&alberftabt, einft atia) flanbibat für ben potnifchen X^ron, gc=
ftorben unb jum brittenmal hatte Xiftelmener, bem man in
Magdeburg bie 1551 ber Stabt getesteten Sienfte nicht oer=
gafi, einen branbenburgifdjen grinsen, beä fturprinjen 3ohann
(Beorg <3ofjn, ben oierunb$man$igjäbrigen 3oad)im griebrid) in
ben SBefifc beö (Srjftiftes gebraut, inbem er tfurfachfen jur
Aufgabe feines 3Hitbefi(jrechtca an ber Stabt beftimmte. (Sine
auöbrücflidje Seftätigung ber 2Bat)l burdj ben tfaifer erfolgte
nicht ; aber man 30g faiferlicberfeitö barauö bod) auch nicht bie
eigentlich gebotenen Jlonfequenjen. 9iur muftte 3oaajim grieb=
rieh oerpflicbten, wenn er in Sranbenburg jur Regierung
fämc, bie Abminiftration beö (Srjftifteö bem ttaoitel 311 über*
geben. 3lun hätte er nach bem bisherigen brauch bei feiner
Verheiratung bas (*r$biöttim aufgeben müffen. £a& bas nötig
fei, beftritt Siftelmener unb brang bamit burd). Auch erhob,
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240 ßrfteö eiemcnte bcö preußifaett Stoatco (bis 1598).
mie er oorljergcfagt, niemanb gegen ben »erheirateten 2lbmini=
ftrator ©infprud): auf bem benfbar einfadjften 2£ege fdjien bie
Einfügung befi fäfulariftcrten Srjbtetumß 3Hagbeburg in ben
fjofjei^oHernfdjen £außbeftfc geftdjert.
äöäre benn aber Sranbenburg bamalö im ftanbe gen>efen,
folaje Erwerbungen in ftdj aufjunefimen unb fid) &u eigen $u
machen? Sßte fidj bie Singe 51t Gnbe ber Regierung 3o;
adjims II. geftatteten, roirb baö $u oernetnen fein, geilte eö
itjm bodj an ber erften SBorauäfefeung bafür, einer flaren, be--
ftimtnten, itjreö bewußten s 4>otitif. Unb wie not tfjat
eine foldje bamalö! «Diit ber SBIutr)crrfd&aft 3llbaö in ben
9tieberlanben unb ber neuen Verfolgung ber Reformierten in
granfretdj erljob fidj brof)enber alö je bie ©efaf>r gewaffneter
fatfjolifajcr SReaftion. 2öof)l brang griebridi III. oon ber ^falj
auf gemeinfame Skrwenbung ber fturfürften für bie 9Meber=
lanbe, auf 2lbfd)lufj eines milttärifd) leiftung$fäf)igen gürftem
bunbes, ber fid) mit (Snglanb unb ben Hugenotten oerftänbigen
unb ben $roüin$cn &ilfe bringen follte. 3oöd)im II. wollte
baoon nicbtft wiffen, nod> weniger ^obann, ber eben gegen ein
^afjrgclb als „SRat" in ^Inlippö II. Sienfte trat. 2lud& religiöfe
Momente wirften mit. Ser Streit, ber jmifd&en 2lbbia$ tyrfc
toriuö <©. 224) unb bem granffurter ^rebiger 2lnbreaö 2Rud*
culus über bie Sebeutung ber guten Söerfc unter 3oadjimä
pcrfönlidjcr Seilnalnne mit Seibenfdjaft auögefodjtcn mar, cnbete
eben bamals mit bem Siege bes reinen £utf)ertum$ unb bem
iUbgange beö als ^f)ilippift oerfefcerten s J?rätoriuö nadj 2öitten=
berg. Taft 9leformationöfcft, baö ^oadjim am 24. Oftober 1509
im berliner Sonic pomphaft beging, inbem er ftd) feicrlia)
511 ber unoeränberten Slugdburgifdjen flonfefiion befanntc, be-
3eia)netc ben »ollen 2lnfd}Iu& ber märfifeben $ltrdje an bie bud)s
ftabengläubige lutberifd)c Ortboborie. £a$ fcr)Io6 jebc politifdjc
OJcmeinfdjaft mit bem Pfälzer Äurffirften aus, bem (Saloiniften,
ben als fold)en nidjt ber tfaifer allein außerhalb beß 91cligionö-
friebenö [teilte.
2lnbercrt'eitft lag 3oacr)im fein polnifdjer Schwager mit
bringenben Vorfte Hungen an raegeu feiner Wefäbrbung burd)
bie Muffen, bie Sänemarf gegen ^olen unb Sdjmebcn auf bie
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IV. «efonnorton unb ftänbifäeä Regiment. 241
baltifchen Sanbe ^c^tc. 2luch roünfdjte er feine öilfe, um ftd&
von feiner ©emahlin, ber Schroetter flaifer SWarunilianä, fdjeiben
ju laffen. 3um Vermittler mar 3oad)im in biefem gatte roenig
geeignet. Sein Stoiber 3of)ann haberte mit $olen infolge uon
©renjftreitigfeiten mit bem $ofener Sßoirooben: ber polmfd&e
SReid)ätag bad)te auf ©eroalt gegen if>n. 35er flaifer aber ents
30g 3oacf)im eben bamals jene ©rubenhagenfehe Slnroartfchaft
roteber, burdj bie er ihn einft an fich 311 feffcln gefügt r)atte /
unb fchlofj ©rubenhagen in bie ben Vraunfdjroeiger ^er^ögen
erteilte GJefamtbelehnung ein. 3n bitterem Unmut führte 3<> ;
adjim barüber in 2ßien SBefdnoerbe : fo mürben alle „feine unter*
tranigen unb mit feinen unb feiner treuen Seute unb Sanbe
Unftalten fo langer geleifteten großen $ienfte gar nicht« ge=
achtet unb er felbft hintangefefct". $ringenb bat er um irgenb
roeldje (Sntfdjäbigung, unb roenn fie auch nur in ber 2lnroart=
fdiaft auf bie Vraunfdjroeigifdjen Sanbe nach bem Sluöfterben
fämtlia)er bortiger fiinien beftänbe ! @ine folche ^ßolitif fonnte
bem geinbe feine Sichtung, bem greunbe fein Vertrauen em=
flögen: für fie fdjien ed baö Sprichwort titelt 311 geben, bafe
ein Sperling in ber §anb mein* mert ift ald eine Saube auf
bem 2)ad)e. 3^e (Srfolge liefen auf Selbfttäufdiung hinaus.
3lber nicht bloß fich felbft täufchte 3oa*im H. mit jenen
2lnroartfd)aften: auch feine Untertanen foUten ftd) baburd) für
alle bie Opfer belohnt glauben, bie er ihnen auferlegte. $ie
ftattltchen ©ejanbtfajaften, bie aus biefen Slnläffen an frembe
§öfe gingen, mürben mit Vorliebe angeführt, menn es galt,
bie Stänbe jur Uebernahme ber neuen ©Bulben 311 »ermögen,
bie trofc ber mit bem ftänbifchen Slrebitroerf eingeführten Kon-
trolle ber lanbeöljerrlidjen ginanjoerroaltung angehäuft mürben.
Unb babei (jatten fie ihm jur ^Betreibung ber preufoifchen WliU
belehnung, bei ber eö in ^ßolen reiche &anbfalben $u geben
galt, befonbere Veroißigungen gemährt. £ie mehr als breiein=
^alb Millionen 9)larf Schulben, bie er hinterließ hatten sroeifel*
los einen anberen Urfprung. (Sr mar in ©elbfadjen eben un=
oerbefferlich : ber oerfchroenberifche hofhält, bas prunfoolle 3luf=
treten auf ^Reichstagen — mar er bod) 1562 jur Äönigöroahl
nach granffurt mit nicht meniger als 452 Sterben gebogen ! —
$tult, ?Pwu6t1** ®<i*i*tr I. 16
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242 frfteä $u<$. Sie (rlemente bes preu&tfc^en etaateö (bto 1598).
bie Steigung an allerlei gewagte G^perimente grofje Summen
ju fefcen unb bie greigebigteit auch gegen wenig würbige
©ünftlinge erflären feine ftete ©elboerlegenljeit ; bie Scheu oor
bem Unwillen ber Stänbe unb ber Söunfch, ihnen nicht noch
mehr 3ugcftänbniffc machen $u muffen, bie bebenflichen 9iot*
bereife, mit benen er aus augenblicflidjer Verlegenheit $u
fommen fucfjte. Sluch fonft war er oon nur aflju larer 9)ioral.
Seine erfte ©emafjlin, Margarete oon Saufen, Ijatte ihm in
fünfzehnjähriger (Sh* jieben Älinber geboren, oon benen oier in
erfter 3ugenb ftarben ; bie polnifdje &ebwig befdjenfte ihn mit
brei £öä)tern unb einem Sohne. Seit 1549 mar fie infolge
eines unglücflichen $alleö fiedt) unb fd)leppte fid) fchlieftlicb nur
müfiiam an ßrürfen fort, hinfort nahm es 3oaajim mit ber
ehelichen £reue fef>r leidit. Köllig befiricft aber würbe er auf
feine alten Sage oon ber „jdjönen (Siegerin" Slnna Subow,
ber SBitwe bes furfürftlidjen 3eugmeifter« unb Stütfgiefeera
s JHid)ael SMetrid), bie faum noch oon feiner Seite wich, ihn
trofc ber anzüglichen Sieben ber dauern in -Wannsfleibern auf
ber 309b begleitete, ja nur burd) &ranff)rit abgehalten würbe,
if)m 1564 auch jur Ärönung 3)ia|imilianö II. 3U folgen. 93er;
geblia) wanbte fid) bie $urfürftin um £ilfe an Wibrecht oon
"ißreufjen : über foldje Sdnuadj meinte fie ben Verftanb oerlieren
31t müffen. eine Softer, welche bie ©iefeerin ihm 1558 ober
1559 gebar, würbe 1564 jur 9ieidj$gräftn oon Virneburg er*
hoben, ein oier 3afjrc jüngerer Sohn Slnbreaö jum 9ieid)Sfrei=
herrn oon Sobom. Selbft in jenem ä^italter, baö in biefen
fingen ein ftarfeö Stücf oertrug, nahm man barau bodj
ernften 2lnftof$, fdjwereren freilich noch ber Öunft, bereu
fid) bei 3oad)im ber au« Sßrag jugewanberte Qube £tppolb
erfreute. 9tad)bem er fich in ginanjnöten wieberholt hilfreich
erwiefen, f)atte er 1556 bie 2luf ficht über bie ©lün^e unb bie
jur Lieferung oon Silber an bieje oerpflichteten 3uben erhalten ;
baburdj war er eine finanzielle Wlaty geworben. 3* mehr er
biefe Stellung mudjerifdj ausbeutete unb feinen (Sinfluft auf
3oadjim auch fonft mißbrauchte, um fo mehr richtete fich
ber Unwille bes Golfes gegen bie 3uben überhaupt unb ben
greibrief, ben Sippolb feinen (>HaubeuSgenoffen 1564 auswirfte.
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IV. Deformation unb ftänbifa)e3 Hcfliment. 243
©fi ftanb alfo übel um bie 9)?arf, als ber alte leichtlebige
&err infolge einer (Srfältung, bie er fidt> bei ber 2Bolföjagb ju;
gejogen ^atte, am 3. 3o.miar 1571 3U ftöpenief mit Job ab=
ging. Natürlich oermutete man ein Verbrechen : er foUte ver-
giftet fein. Der ©iftmtfeher aber fonnte natürlich fein anberer
fein ata „ber fc&elmifdjc 3«be" Sippolb. ©0 erhob fi<h ala*
balb eine populäre Deaftton gegen bie bisherige aJiüjtoirtfdjaft,
unb jtoar um fo erfolgreicher, als fie mit ber Söieberoereimgung
ber 3)iarf jufammentraf. Seit längerer 3eit fränfelte SDiarfgraf
3of)ann: er lag bereits banieber, al« 3oadum ftarb. 3ehn
Jage banach, am 13. Januar, oerfchieb er. 2lm 26. Januar
rourbe ber flurfürft im Dome 511 Berlin, am 1. gebruar ber
ÜWarfgraf in ber oon ihm f)ergericftteten ©ruft $u tfüftrin bei*
gefegt.
2. £ol)ann ©rorn 1571-1598.
Europa trieb einer großen Grifts entgegen : bie Verfdfjärfung
ber religiösen ©egenfäfce in Deutfdjlanb, bie Erneuerung beft
Deligionfifrtegefi in granfreid), ber nieberlänbifcje greiheitä*
fampf, bem ©nglanb nicht fremb bleiben fonnte, unb bie Qx-
fdjütterung beö Dorboftena burdj baß erlöfdjen ber 3ageUoneu
brofjten einen Sßeltfrieg, in bem bei ber Uneinigfeit unb Un=
entfchlojfenfieit it)rer Verfechter bie Deformation erliegen 511
muffen jd)ien.
2Bar ba bie „mittlere Dichtung" 3octd)iniä n. noch mög*
lieh? 9)fufjte jte nicht SBranbenburg, baa, nach aßen Seiten
engagiert, Doch nirgenbö juoerläfftge greuube hotte, ftcuerloa
ben fchroerften Stürmen auafefcen? 3» folchen Seiten fann
nur ber mit Slueftcht auf (Srfolg in ben flampf um baö Da=
fein eintreten, ber roeife, roaa er roill, unb an baö ©eroollte
feine ganje p^fifd)e unb fitttid^e ftraft 31t fefce" bereit ift. So
roenig aber wie bei 3oachim II. toar baö junächft bei feinem
Nachfolger ber gaH. Dur bann fonnte Vranbenburg bie nahen:
ben Stürme ju beftehen hoffen, roenn im 3" n ^ n °i e leibige
9)iitregierung ber Stäube befeitigt, nach außen aber im 2ln=
fchlufj an bie dächte, bie an ben großen ^rinjipien ber Deform
>
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244 <M tc * »ud>. eiemente beä prcufeifäen 6t«ate3 (bis 1598).
mation feftbieltcn, eine $olitif oerfolgt rourbc, bie Vertrauen
erroedte unb <5ü$erf)eit geroäfjrte, bas Reifet 3um ßanbeln bereit
unb befähigt mar.
2Uidj äioifdjen Qofwnn ©eorg unb feinem Vorgänger fehlte
nidjt ber ©egenfafc, ber faft jeben 2f)ronroed)fel fenngeugnet :
nur lag er nid)t auf politifäjem unb firdjlidjem, fonbem auf
fjäuslidjem unb rotrtfdjaftlidjem ©ebiete. 3m ©egenfafc 311 bem
leichtfertigen Sater bot 3ofa»n ©eorg in einem langen Seben
bas 33ilb eines roafjrljaft patriardjalifdjcn $amilicnf)aupteS: in
brei <5f)en fw* er nidjt weniger als 23 tfinber gc3eugt unb
feinem föaufe, bas nur nodj auf wenigen 3(ugen geftanben,
eine oieloerjroeigte 9kd)fommenfcfjaft gefiebert. (Sin geinb aller
Uepptgfeit, fteüte er an bem loderen ^ofe 3ua^t unb Drbnung
r)er. Sie fdjöne ©ießerin rourbe in (Spanbau feftgefefet, eine
anbere oon bes SBaterS greunbinneu bes Sanbes oerroiefen, bie
£od)ter ber ©iefjerin, bie einen ©rafen (Sberftein rjatte fjcU
raten foHen, mit gräflicher Slusftattung einem fd) luvten Qo\-
rentetfdjreiber in bie @he gegeben. Sie Abenteurer, bie bes
Verdorbenen „übergroße X?uriofität" ausgebeutet hatten, matten
fid) fchnell baoon. Aber aud> bie 3e<h&rüber mieben ben &of.
^Bürgerliche 2Bof)lanftänbigfeit rourbe fjerrfd&enb. Senn neben
einiger SBefchäftigung mit ben SBiffenfcbaften fannte 3ohann
©eorg, ein gefunber unb fräftiger £err unb greunb förper=
lid)er Slnftrcngung, als Erholung nur bie 3agb. 6r mar fein
£olbat, wenn er auch 1547 oor ©Ittenberg an ber Seite
$arls V. große Unerfchrodcnheit beioiefen trotte unb felbft
meinte, f)abe man ifm erft in ben Sattel gebradjt, mürbe man
2Jiühe haben, ifm roieber berauSjubrtngen. bitterliche Neigungen
fannte er nicht, aber ebenforoenig eigentlich bürgerliche. 2tls
ßurprinj 2lbminiftrator ber brei märfifchen Bistümer, fjatte er
meift auf ben S9ifci)oför)bfeii 311 3edjlin unb Söittftod geroeilt
unb fid) ganj in baö befebränfte Safein eines märfifchen Sanb*
ebelmannes fnneingelebt. 2luch feine fürftlidjen Übeale roaren
in gutem Sötrtfdjaften unb fparfamem Raushalten befd)loffen,
unb bie oon ©ott gefefetc Orbnung fafj er barin, bafc roie ber
Sanbesherr auf feinen Somänen, fo jebe länblidje unb ftäbtifdje
Obrigfeit in ihrem ©ebiete nach ©utbünfen bas Regiment füt)re.
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IV. Sieformation unb ftänbifdjeö Regiment. 245
^rofaifdjer UeB fid) ber Vcruf bes Sürßen fanm f offen: nur
bem Umfange, nicht bem 2ßefen nach tmterfdjieb fid) feine
Autorität oon ber bes ©utsherrn. 9?od> ber 2lrt eines foldjen,
meift ber J&auptftabt fem, auf bem £anbe unb feinen 3<*gb ;
fdjlöffern, mattete Soljann Öeorg in burdjauä pcrfönlid)em
Regiment, Namentlich in „tf ammerfachen" fafj er ftets mit
eigenen 2lugcn. So oerftanb er fid) auch gut mit bem mär--
fifdjen 3CbcI. 3n beffen $enfmeife ^eimifcj, nahm er auch an
feinen 2lnfprüdjen nicht 2lnftofj, fonbern liefe fic als tfonfe*
quenjen ber oon ihm anerfannten göttlichen Orbnung gelten,
gtir bie märftfehen Herren begannen bie fdjönen £age roller
Sibertät : gegen Erfüllung feiner finanziellen iiöiinfche gab 3o ;
t)ann GJeorg ihnen nicht blofe nad) unten freie &anb, fonbern
gemährte auch ber ftänbifdjen ÜJlitregierung nodj gröftere SHedjte.
©c^roer büfete nun bie Wlaxt bafür, bafe 3oad)im II. in einer
3eit, wo es entfcf>loffen Partei nehmen galt, jmifdjen Altern
unb Beuern fd)ioanfenb bie Vorfämpfer bes einen fid; oerfeinbet,
bie bes anberen nicht gewonnen &atte. So hielt bie SHeaftion
ihren (Sinjug : jumeift traf fic baß Bürgertum, bas roirtfd)aft=
lic§, geiftig nnb fittlidj ber Präger ber oon 3oad)im nur fyaib
anerfannten neuen $e\t geroejen mar.
3)er gärenbe Unmut über bie bisherige $ttjnoirtjd)aft ent=
lub fid) in roher ©eroalttfjat gegen bie Qubcn, 3imäd)ft ben
„flammerbiener unb aRünjmeifter" ^ippolb, ber fid) erft unrebs
lieh bereichert unb bann feinen <gerrn oergiftet haben foHte.
2luf bie ßunbe oon feiner Verhaftung erhob fid) ber berliner
^öbel gegen bie oerhafeten „£amannsfinber", bemolierte bie
©tjnagoge in ber ftlojterftrafee unb plünberte etlidje 3ubem
häufer. 3roar mürbe meiterer Unfug oerhinbert, aber 3obann
Ctfeorg oerfügte bie 2luömeifung aller 3nben, „roelcbe oiel Uns
heil angerichtet unb alle gute ^olijei faft aufheben wollen".
3Kan ftellte bie 3nben oor bie %&a\)l, entroeber fich taufen ju
(äffen ober nach Verfauf ihres Eigentums unb Entrichtung beö
'Jlbjugsgelbes ausjuroanbern. (Srfteres that feiner; bie meiften
gingen nach s £olen unb nach ^rag. Vermutlich brachte biefe
3ubenaustreibung nicht bloß ber furfürftlichen flaffe, fonbern
auch manchem anberen Vorteil, ber feine ©laubiger aus bem
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240 6rfte$ $ud). £ic Glcmcntc bcö preufcifäen Staate© (Mo 1598).
Sanbe ftictjcn faf). Sippolb blieb in £aft, obgleich in nichts
überführt. 2llö bann bcr Sanbtag oon 1572 bie Öcwiffenlofigfeit
bcr bisherigen ginanjwirtfchaft offenbarte, galt es, bie erregte
öffentliche Meinung burch Veftrafung eines angeblich bafür
Verantwortlichen $u befdnotehtigen : fo begann im ^ömimr 1-573
bas Schlu&ocrfahrcn gegen ßippolb. Vebrohung mit ber Holter
entrang i(jm bas ©eftänbnis, er l)abc feit 3«^cn ein 3attbers
buch befeffen. 3« Veantwortung ber itjm nun oorgelegten
langen Reihe oon gragen, befdirieb er bie 3aubercien, bie er
geübt ^aben wollte. 2luch ber Vergiftung bes tfurfürften be=
fannte er fich fdjulbig: er habe fo bie Unterfuchung t)inbcrn
luollen, bie wegen bes Verfchmtnbens einer golbenen Anette ein*
geleitet mar. s JHäfeig gefoltert, befräftigte er biefe Angaben,
nahm fie bann aber jurücf. Unter ben Dualen ber „fduufen
grage" erneute er fie. Roch an bemfelben Sage, 28. Januar 1573,
mürbe ber llngtücf liehe, für beffen Schulb and) nicht ein «Schatten
oon Veweis erbracht mar, in Verlin auf bem Reuen 2)tarfte
grauenhaft gerichtet — „mit glütjenben Sanken gewieft, oon
unten auf geräbert, geoiertcilt, oor jebem Xtyoxe ein Viertel
aufgehängt, bas ßaupt auf bas ®eorgthor gefteeft, bas ©im
geroeibe famt feinem 3auberbuch gen Gimmel mit geuer gefchieft".
2lber nicht blofj eine populäre Reaftion mar im 3 U 9^-
beim £ob bes Vaters h^tte 3°h an " ©eorg in ben Käufern
ber einflufereichfien Veamten alles oerficgeln laffen. 3lbfefcungen
unb Verfefcungen in 9)?enge folgten, auch gerichtliche $roje=
buren. (Sine 6chulb fcheint feinem nachgemiefen ju fein: fie
büßten bafür, bafc fie bes oerftorbenen &errn fchlcchte 3Birt=
fchaft nicht gehinbert hatten. Rur Samprecht £iftelmener blieb
unangefochten : alf o hatte er fich wohl um Crbnung bemüht unb
baburch nicht blo& bes Nachfolgers Vertrauen gewonnen, fonbern
auch oie abiigen ©erren oerföhnt. $od) gewann neben ihm
3ohann tföppen etnfluft, bisher ^rofeffor in granffurt, ein
ausgezeichneter $uxi\t, ber 3ohann Weorg fchon oor feinem
Regierungsantritt als Rat jur Seite geftanben hatte.
2Jfit fächfifcher Viegfamfeit oerftanb es Siftelmener, fich
bem neuen fturs anjupaffen. Sluch wirb er als xräger aller
fehwebenben biplomatifdjen 3lftionen unb Vertrauensmann
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IV. Deformation unb ftänbifa)eö Regiment. 247
9togujte von Saufen, bem 3o^ann ®eorg fia) eng, anfd)lofe,
unentbefjrlufc erf^ienen fein, obgleich unter ben klagen beß
2tbels bie über bie Vergebung ber mistigen 2lemter an $rembc
ben erften ^ßlafc einnahm. 2Uidj gehörten bte neuen Beamten
faft burdjroeg bem märfijdjen Slbel an. 3 n bem auäfdjliefjltdjen
9ie$t beö eingeborenen Slbelö auf bie ©influfj unb (Sinnafjmen
gewäf)renben Stellungen im ftmbe fafj man ein roefentlidjes
Stücf ber Stbertät. 2lua) 3of)ann ®eorg mißbilligte es, bafe in
ber $erroaltung bisher bie 25ürgerltd)en eine fo große SRoüe
gefpielt Ratten : ba nun aud) ber Slbel fid; „in ben 511m flrieg
unb ^rieben gehörigen äöijfenfdjaften f)ert)orgetf)an" fjabe, fönne
er ifmt fein ganzes £anb anoertrauen. £anaa) uerfubr er bei
©efefcung ber 2lemter, unb bamit es auä) in 3"fanft fo ge=
galten werben fönne unb nie einf)eimifd)er 9Jaä)mudjs fefjle,
befahl er allen auf fremben Unioerfttäten ftubierenben Dörfern,
wenn fie 2lnftellung im Sanbe münfdjten, $ur 33oUenbung ifjrer
dübung naä) fjranffurt jurüdjufe^ren. 2ludj fyob er biefeä
burä) beffere Dotierung ber ^rofeffuren unb Stiftung oon
Stipenbien unb greitifdjen. flonfeffionelle ®eftdjtdpunftc mirften
babei mit: nidjt o&ne Sorge fa& er bie dermefirung ber 3e=
fuitenfdjulen im Steide, wollte aber bodj aua> bie oon bem
pfn'lippiftifd)en Wittenberg f)er brofjenbe ©efäbrbung bes reinen
fiut^ertumfl abwehren. 2öie ftarr er an beffen SBudjftaben l)ielt,
r)atte er bereite burdj ben (Sifer ge$eigt, mit bem er no$ als
Äurprinj für ben jclotifdjen 2)iuöculua gegen ben bodj aud)
nidjt eben freibenfenben „grofeen SRebner" Slbbias ^rätoriua
Partei naf)m. 9lüdfidjtälofe ©egünftigung bea SÄbeU unb eng:
berjige Iutf)erifd)e flonfeifionalität gaben feinem SBalten einen
3ug ber Unfreiheit unb defangenfjeit unb lenften Sranbenburg
in reaftionäre :8a(nien. ©amit mar ja bie pflege ber ma=
terietten 3ntereffen aua) ber Stäbte unb befi SBürgcrtumfi oer*
einbar, felbft ein geroiffeö ooltefreunblto)ea 2Befen, wie er ate
„ernftbafter §m" es liebte, aua) mit bem ©eringften ju
}pred)en unb auf feinen Reifen oon allem perfönlid) ftenntni*
ju nehmen. So gefdjaf) eö, bafe dranbenburg ju berfelben 3*ü
materiell im gröfeten glor mar, wo feine geiftigen unb )ittlia)en
Äräfte oerfümmerten.
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I
248 erftcö SBu$. Sie Clemente bcö preufeifäcn Staate* (bis 1598).
Auch jefct fjing bie innere ^olitif oon Öelbfragen ab.
$urd) Uebernahme ungewöhnlicher fmanjießer haften erfaufte
ber Abel eine Erweiterung fetner fechte nach oben fomohl wie
nach unten. 2Bäf)renb oon ben aufjubringenben Summen bie
©täbte bisher jwei drittel trugen, foQte fte nach betu im
3anuar 1572 auf einem Sanbtage ju Verlin Vereinbarten bieäs
mal nur ein drittel (200 000 Xfyakx) ber oerjinslichen ©djulb
treffen. Als fte Erleichterung erbaten, würben fie broljenb $u=
rechtgewiefen : wenn fte ihr Reifen nicht laffen müßten, fo möge
fte noc^ einmal bie &anb bes Allmächtigen rühren. 9RU ben
oberen ©täuben bagegen rourbe im Xone freunbfdjaftlidjer
Vertraulidtfeit , ja fchmeichelnben ©unftmerbens oerfmnbelt.
ftafür übernahmen biefe auch 600 000 Xhaler, burften aber
jur Aufbringung ihre Säuern unb Untertanen heranziehen,
atfo bie l'aft auf anbere abmäßen. Sie machten baher mit
ber Steigung oon fo oiel „Xreue, Siebe unb Neigung" fein
fd) (echtes Öefchäft. 9?id)t genug, bafe 3of)ann ®eorg ihnen äße
bisherigen ©erechtfame beftätigte, er erweiterte fie auf Soften
feiner fürftlichen Autorität, inbem er auf Erweiterung feines
lanbesherrlichen 3agbred)ts unb Errichtung neuer 3oüftättcn auf
abiigem Wrunb unb Voben oerjichtete, bas Ausfaufen „mut;
roißiger unb ungehorfamer" dauern aber bem Abel auöbriicflich
erlaubte. £afe biefer gegen ein ^aufchquantum oon 8000 Xfyaktn
bie nächften fünf 3afjre betreibe unb 9Me überaßhin joßfret
oerführen burfte, räumte ihm auf Soften bes §aubels ber
©täbte einen ©eroinn ein, ber bie übernommenen finan$ieflen
haften reichlich aufwog. £as Aergfte aber mar boch, baß unter
3ujiehung einiger ftäbtifcher Vertrauensmänner ein Abelsauö=
fchufc bie in ben legten fünfzig Sohren ergangenen obrigfeitltchen
Verorbnungen prüfen unb nach Veftnben änbern, ergänzen ober
oerbeffem foflte. £as lanbesherrliche Stecht ber ©efefcgebung
tourbe bamit einer tfontrofle unterfteßt, bie feiner Uebertragung
auf bie ©täube jiemlich gleidjfam. Aehnltch ging es in ber
9ieumarf. Obgleich biefe, burch 3Warfgraf 3of)ann ftraff in
Orbnung gehalten, aß bie 3ahre ihre Saften ooßauf getragen,
mufete fte boch ^n ben iljr oößig fremben ©djulben ^oaa^ims II.
einen entfprechenben Seil übernehmen unb baju eine 33ierjiefe
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IV. Deformation unb ftänbtfäeö fleannent.
249
für fünfzehn unb einen £ufenfcho& für scJ)n ^afjre bewilligen.
2)afür burften bie abiigen Herren ihr Adcrlanb burd) Gin$iehung
beffen vergrößern, roas von ben bisher burd) bie dauern be=
nufeten SSeiben unb Kälbern entbehrlich feinen, unb ihre
dauern in ber ©rnte unb bei 33auten ftatt ber fonjt üblichen
&roei £age in ber Söodje nach Söebarf ju Spanns unb &anb*
bienften heranziehen. 3Bie fie bas benufcten, lehren bie cin=
fchränfenben SBeftimmungen , burd) bie Johann C^corg bas
angerichtete Unheil gut ju machen fid) hinterher »ergeblich
bemühte.
Unb roie ber Abel fo bie Zaubereien, Littel unb Arbeits*
fräfte feiner dauern ju roiflfürlidjer Ausbeutung überlaffen
erhielt, um fchliefelid) &err aud) if>rer £eiber 511 werben, rourbe
er oermöge feines ^ßatronatsrechtes eigentlich $err ifjrcr Seelen :
^arte geiftige Unfreiheit brobte bie Deformation burd) ben
3roang engt)er$igen $3ud)ftabenglaubens 311 ocrnicbten. (*Jegen=
über ben p^itippiftifc^en Steigungen, bie ber Streit juoifcfien
SRuficuhtö unb ^rätorius offenbart r)atte, warf fid) ber Abel
511m &üter bes reinen ©laubens auf. £cr Zanbtag erroirfte
00m fturfürften bie erflärung, es foHe in feinem i'anbe aus*
idjlie&Üd) „bie einfältige i'ehre bes göttlichen Sortes, roie fie
in ber ^eiligen Schrift, in ber roafjren unoeränberten Augs*
burgifchen ftonfeffton famt ber Apologie oerfafjt unb burch
Dr. 9Kartin &utf)er bei feinem £eben geteert unb getrieben
roorben", oerfünbet unb feine Abweichung baoon gebulbet roerben.
2ßie in Greußen gingen hier nun ftänbifche Zibertät unb reines
Luthertum stammen: als tfirdjenpatron ein eifernber 3io«ö=
roächter, mar jeber Gutsherr bem Zanbesherrn gegenüber ein
ftreitbarer SBorfämpfer ber großen ^rioileggenojtenfchaft, bie ber
Abel ber 3)tarf bilbete, um feine beuorjugte Stellung nach oben
roie nach S« oerteibigen. $as mar ein oerhängniSooller
SHücffdjritt. Unb baju rourbe bie tfrins, ber Sranbenburg ent*
gegenging, roefentlidj fomplijiert burch bie (Sinmirfung ber
allgemeinen fonfeffioneden unb politifchen ©egenfäfce.
2i*äf)renb bie fatholifche Deaftion ben iHeligionsfrieben
burchlöcherte, um ihn bei erfter (Gelegenheit 511 $erreifeen, ebnete
ihr Johann öeorg nod) ben 29eg, inbem er als iUorfampfer
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250 ©rfteö $Bu$. Xk Clementc bco preisen Staotcö (biß 1598).
hartherziger ftonfeffionalität gerabe bic SSerbinbungen löfte,
bie xf)m hätten Sdjutj gewähren tönnen, unb fich bic 511 geinben
machte, bic er als feine natürlichen Sunbeögenoffen hätte am
fef)en müffen. &erftänbnia ber 3eit unb ber fie beherrfchenben
Strömungen gingen ihm oöllig ab. 2öie er cinft auf ben mär-
fifchen Sifa^ofö^bfen gemattet, fo führte er jefct bie £errfchaft :
ehrbar unb hauöhälterifd), aber unfürftlich unb unpolttifch, ohne
Sonberung oon £of- unb £anbe$oenoattung, in patriarchalifdjem
91eben= unb £ur<hetnanber ber öehörben unb 2lemter. 9iur
in ben ginanjen ^errfajtc mufterhafte Orbnung. ©alt e* boch
einen jahlreichen Stodjroudjö 311 oerforgen. Senn auch an grud&t;
barfeit glich 3oI)ann ©eorg ben Patriarchen. 95>ät)rcnb feiner
erften ©he mit Sophie, £od)ter griebrichä oon Siegnifc, nur
ber ßurprinj ^^adhim griebrich entftammte, gebar ihm feine
Sroeitc ©emahlin Sabine, bie Tochter ©eorgfi befi grommen
oon Sindbach, elf ftinber, oon benen freilich "ur bie brei jäugften
Pächter ju fahren famen. 2lu& ber britten ©he, D * e 1577
mit ber oierjehnjährigen ©lifabeth oon Slnlmlt fchlofj, gingen
in einunbsroanjig 3af)ren elf lebenbe ßinber heroor, baruntcr
fteben Söhne. $er Söunfch, ftc alle 511 oerforgen, mar nicht
geeignet, in feiner ^olitif ibealen Momenten jur Geltung ju
verhelfen, fonbern fteigertc ben ©infhife ber blo&en 9lü$li&
feitaenoägungen. 3lua) bem $olfe mar bas recht. 2>enn rote
in bem ganzen lutherifchen Seutjchlanb ber Erregung ber 9icfor=
mation eine ©rfdjlaffung gefolgt mar, in ber man ftch oer-
blenbct befi faulen griebenö freute unb nicht fah, bag bad
©oangelium überhaupt auf bem Spiele ftanb, fo wiegten ftch
bamalö auch bit 2Wärfer in einem unbegrünbeten (Gefühl ber
Sicherheit unb brüfteten fich ftol$ mit ihrem unoerfälfehten
Luthertum. 3n materieller &inftcht Ratten fte faum je fo gute
3eiten gefehen. ©leichmäfeig gebiehen £anb unb Stäbte; bie
abiigen Herren freuten fich be« fteigenben Wertes ihrer @üter,
bem ftc trofc ber klagen ber Stäbte burch betrieb beö ihnen
eigentlich oerbotenen §anbelfi fräftig nachhalfen, &anbel unb
OJeroerbe blühten unb ermöglichten ben ^Bürgern früher unge-
fanntes 28of)Uebcn, bad ihren heifeen lutherifchen ©ifer freilich
nicht milberte.
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IV. Deformation unb ftänbifdjco ^Regiment.
251
3efet tarn ber fircitbare 9Rudculufi als fteneralfupcrintem
bent an bie Spifce ber märfifdjen Jlirdjc. Gr war fo red)t ber
3Kann 3°() a " n Georgs, ber fdjou als töurpriuj eifrig feine
Partei genommen unb bcö ^rätoriuä ©ajrift eigenf)änbig in*
geuer geworfen f)attc. 3efet erflärte er, el)e SKtidcuUiö mit
feiner £e^re $u fajanben werbe, möge lieber feine Unioerfität
gum Teufel fahren, im JJeuer ftöfmeu unb liditcrlol) brennen.
Gr wollte jebe abmeidjenbe Meinung unterbrüefen : eö foUe
9iuf)e werben im Sanbe, rief er, ober er woQe nidjt meljr .fterr
fein. $es milben 23udjf)olser ^orfteflungen richteten nichts
auß, aud) ni$t fein föinmeiä auf bas 93ebcnflid)e einer 2luf*
fyebung ber Äirdjenorbnung tum 1540, bie £utl)er gebilligt unb
ber ßaifer beftätigt Ijabe. Selbft fturfürft 2luguft tum (Sad)fen,
bem 3o^ann @eorg fonft blinblingd folgte, mahnte oergeblid)
ab. 211« ^Mitarbeiter erhielt 9Rudcu(uft ben £ofprebiger unb
$ombed)anten ©eorg (Söleftin: if»n batte 3<>adf)im II. 1506
nad) aWains gefaxt, um baä angeblid)e Original ber 9lug$:
burger Äonfeffion abjuf abreiben, Safe er ftd) babei einer plumpen
gälfdmng fdmlbig gemalt fjatte, a(>nte man nod) nidjt: mit
Musculus gab er in bem Corpus doctrinae Brandenburgicum
1572 eine unterfdjriftlofe unbeglaubigte ftopie für baft Original
ber ftonfeffton aus. 2lud) bie SMbelüberfetjung liefe 3o()ann
@eorg feinem fonfeffionellen ©tanbpunfte gemäfj juredjtmadjen.
$en £rtumpf) beft ftrengen Sutfjertumö beftegelte bie flirdjen:
oifttation, bie 9Kuficulufi mit bem granffurter Geologen Gfjri-
ftopf> ßornerud oornafmt: eibltd) mufeten fid) bie märfifdjen
$eiftlid)en 1575 auf bie abenbmafjlelefjre ber unoeränberten
Slugaburgifdjen Äonfeffion oerpftidjten. öntfpredjenb eifrig
wirften 3of>ann GJeorgft Geologen aud) bei ber Seftfefeung
ber Äonforbienformel mit, beren unoeränberte 3lnnaf)mc (Söleftin
burdj bie ßonoente ber märfifdjen ©eiftlidjen gu &ebuä, Berlin,
Stauen unb £angermünbe (1576, 1577 unb 1578) bnrcbfefcte.
9tud^ ^iftelmener mar ein engberjiger Sutberaner unb
überfaf) mit 3o^ann Öeorg, bafc biefc ftarre flonfefnonalität bie
tuelgepriefene ^olttif ber 9lnwartfd)aften um ben geäfften
Erfolg bringen mufete. $enn wer, wie bie fatfjoUfcben ßiferer,
^P^ilippiften unb ©aloiniften aunerfjalb bes SKeligionßfrieben*
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252 ^« demente beS preufcifäen Staate« (6iö 1598).
fteHte, fonnte bodf) nidjt barauf redjnen, beffen §8eftimmungen,
roo fic ifjm fcCbft unbequem waren, geänbert ju fefjen. SBon
t)ter auß fteüten ficf) ber Erroerbung bes Eräbißtumß SJlagbeburg,
bie neben ber preufeifdfjen Stnroartfd^aft bo<^ eigentlid) im 3entrum
oon beß flanjlerß gansem polittfdjen Softem ftanb, unüberwinb^
ltdje föinberniffe entgegen. Deßfjalb mar audj 3of>ann ®eorg
überzeugt, nur im engten 2lnfdjlu& an baß £auß Sababurg
tonne Sranbenburg gebeten unb biene feinem Vorteil am
beften, wenn es beffen 3)2ad)t förbere. Die oerföfinlidje §al=
tung ßaifer 3)torimilianß II. audj in ber firdf)liä)en grage be=
ftärfte ifm barin. 2(udj oerfetjlte btefer nidjt, fidj fetner burclj
einen ober ben anberen ©unftberoeiß weiter ju oerfidfoern.
®leidf) bie ©efanbtfdjaft, bie 3of)ann ©eorg im grüf)jaf)r
1571 jum empfang ber Setjen befi SReidfjß unb ber Ärone
93öf)men nadj ^rag fdjidte, mar gut aufgenommen. 3nbem
er auf 28unfd) beß Äurfflrften 2llbrecljt griebridj oon ^3reuf?en
in bie 23elef)nung einfa^Iofj, Job SRarjmilian II. ftiUfdfnoeigenb
bie 2ld)t auf, bie nodfj immer auf bem §er§ogtume lag unb
beim Deutfdjen Orben SReftaurationßpläne wachrief. 2lud) $olen
r)atte 3ofjann ©eorgß SRed&t auf ^reujien oljne roettereß aner-
fannt. ©leidj günftig geftaltete ftdf) fein 93erf)ältniß ju ben
Sranbenburg nädrftocrbunbenen 9fleid)ßftänben. Die Bereinigung
mit Reffen unb fturfadjfen mürbe erneut unb fein Söunfdf), in
bie fä$fifa>befftfd>e Erbocrbrüberung einbegriffen unb 51t ber
buref) fie erfd)lojfenen coentueflen £anbfolge jugelaffen su merben,
in freunbltdjie Ermägung genommen. Dafe es tlmt oor allem
auf grieben mit ben 91adjbarn anfam, beroieß bie geänberte
Stellung ju Bommern. Seit 1568 mar feine Dodfjter Erbmutfje
mit £>erjog 3of>ann griebridj oon Bommern oerlobt. Daß gab
roof)l ben Ülnlafe $ur Erörterung beß unglcidjen s #erl)ältniffeß,
in bem beibc gürftenfjäufer ftanben, feit gegen Berjidfjt auf bie
2ef>enßl)o^eit ben s -8ranbenburgern ein £eimfaHrecf}t auf ^>om=
mem eingeräumt mar, ofme bafc ben ^ommemjerjögen ein
gleidjeß aud) nur auf einen Xeil ber ÜRarfen jugeftanben f>ätte
— eine 9fledf)tßungleid)f)eit, bie bei jebem £l)romoedjfel baß Er*
fd)etnen branbenburgifdjer 99eoollmäd)tigter jum Empfang ber
Eoentualljulbigung ben Bommern oerlefcenb in Erinnerung.
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IV. Deformation unb ftänbif^ce Regiment. 253
bradjte. Unter 3uftimmung ßurfadjfen« unb &effens rourbe
jefct eine (Srboerbrüberung gefdjloffen, bie entfpredjenb bem
branbenburgifdjen erbrecht auf Bommern beffen öerjogen für
ben gaU be« <£rlöfd>enö beö äurfjaufea ben 2lnfaH ber 9ieumarf
unb beß Sanbeß ©ternberg nerl^ieg.
3m Sommer 1572 erlofd) mit Äönig Sigißmunb II. oon
Sßokn baß &auß ber 3agettonen. Um bie ßrone warb ber
ßaifer für feinen jroeiten Sotyn, 6rjf)er$og (£rnft, bie fatljolifdje
Partei für ©einriß oon Slnjou. SSieber trat 3obann ©eorg
eifrig für baß &auß Sababurg ein, jumal ber tfaifer if)m gerabe
311 einer neuen, roenn aud) roettaußfe&enben 2tnroartfd>aft mx-
fiatf- SKarimilian II. fjatte ben 2Biberftanb überrounben, ben
fein Sdnoager £er$og 2öüf)elm oon 3ülid) ber Werbung ber
preufetfdjen Stänbe um bie £anb feiner älteften Toaster starte
©leonore für ben jungen 2Ubredjt griebridj entgegenfefcte. gür
ben gaU be* finberlofen £obeö ir)rcr SJrüber follte, fo rourbe
nun vereinbart, bie fünftige §erjogin oon Greußen gegen
3af)htng einer Slbfinbung an it)re Sdjroeftern baß §er$ogtum
3ültdj ermatten. 3)iit ^ßreufeen jugletd) fonnte biejeß alfo ber;
einft an S3ranbenburg fallen. Um btefelbe 3^it wo 2Rarie
ßleonore bem traurigen Sdjicffal entgegenging, baß ir)rer an
ber Seite beß in ©eifteßfdiroadtöeit »erfaüenben ©ema&lß roar*
tete, berief ber polnifdje SReid)ßtag im 3anuar 1573 &einridj
oon Slnjou, ben 9flitfd)ulbigen an ber Sartfjolomäußnadjt, auf
ben $f>ron, nidjt ol)ne burdj 2lußfdjliefeung 2llbred)t griebridjß
oon ber beanfprudjten Xeitnafyme an ber 2£af)l Greußen feine
Slb^ängigfeit in Erinnerung 3U bringen unb 3°^ ann Öeorgß
S3ef(if5enf)eit um bie 3u(unft ^olenß oerlefcenb abjuroeifen.
SBeibeß naf>m ber lefctere ruljig t)in: wollte er bod) mit bem
neuen ^olenfönig fo gut ftefjen, ba& feine 3)Ittbelef)nung mit
^reufeen ni$t auf Sdjroierigfeiten ftteft. ©leid) in ©äße be;
reitete ber Slbminiftrator, Ätirprinj 3ofl$«n griebrid), bem=
felben im 3anuar 1574 einen glänjenben empfang. 2ln ber
märfifdjen ©renje rourbe §einridj oon Xiftelmeper im tarnen
feineß §errn mit einer roof)lgefefeten franjöfifajen 3lnfpradic
beroidtommnet unb reidr)Iidt) mit allem oerforgt nad) granffurt
geleitet, roo er fünf Xage raftete. 30" perfönlid) ju begrüßen
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254 £rfte$ s #ud>. £ie demente beö preufjiföen Staates (btö 1598).
unterlieft 3ot)ann Georg aus 9^ücffidr)t auf ben tfaifer: bod)
foub er fid) (Ktmlidj in granffurt ein, ob mirflid) nur, um,
wie cö fiicfe, feine Neugier ju beliebigen unb, jelbft unerfannt,
feinen füuftigen £ef)enöberrn oon 5lngefid)t ju fefjen ober um
im geheimen bod) mit iijm sufammenjutreffen unb ftdj feine«
2i>of)lwoü*enö 511 oerfidjern, mufe bafjingefteüt bleiben. £urd)
bie Wettmar! erreichte $einrid) bann bei 9)?eferifc bie polnifdje
Grenze.
IHber fdjon im 9)}ai 1574 burd) feines SBruberd £ob auf
ben franjöfif^en 2\)vot\ berufen, oerliefe er Spolen wteber, unb
bie GJefanbten 3o^ann Georgs, weldje bie preufeifdje 3)ütbe;
lefynung Ratten betreiben foUen, febrten unoerridjteter <5adje
beim. äi>äl)renb er nun um bie polnifdje Ärone roieberum für
feinen jroeiten 3of)n C^rjfjersog ©ruft warb, wollte ber ßaifer
bem erftgeborenen 9iubolf burd) bie Söa^t $um römifejen Äönig
fdwn jc(jt bie Wadjfolge im SReidje fiebern. 3« beibem brauste
er bie 93eif)ilfe namentlid) 93ranbenburg8. $as bot ber branbettr
burgtfdjen ^olitif Gelegenheit, in ber ii)x eigenen 3(rt erfolge
51t erjtclen, bie ftattlidj aufifafjen, aber wenig bebeuteten. 2luf
Tiftelmenerö 2lnfudjen erweiterte SKarimilian II. bte 2lnmart=
fdiaft, bie er 1564 3oad)im II. auf bas gürftentum Grubens
bagen gewährt, bann aber burd) bie bem §aufe 33raunfdjjweig
erteilte Gefamtbelebnung entwertet fjatte, in „einem jierlidjen
unb frönen Briefe" auf fämtlidje braunfa^roetg.-lüneburgifa^en
Üanbe. 2(ud) oerf)icfe er bte 23ele()nung mit ben lauftfejdjen
,§errfdjafteu öeeafotu unb Storfow, bie, 5U 93egitm bed
16. ^afjrfjunbertfi an baö Söistum ßebufi oerpfänbet, an ^o-
bann oon tiüftrin gefommen unb infolge mieberfiolter SReu--
beleifning burd) biefen fo fjod) belaftet waren, bafe ein föücffauf
burd) bte bör)mifct)c trotte unmöglid) mar. 5Radj Sofjanns £ob
feiner SÖtttoe ftatljartne $um Unterhalt angetoiefen, famen fie
bei bereit Ableben (16. Wai 1574) an ifjren vSdjmiegerfofjn,
ben Jturprinjen ^oadjtm griebrid), ber fie feinem SBater 3ur
Einfügung in ben Gefamtbeüfc beö .ftaufeß überliefe. Gfi mar
edjte Trinfgelbcrpolitif, bie man trieb : um fragtoürbige 5lus=
fidjten in weiter gerne opferte man in ben grofeen gragen ber
3ett bie ^ntereffen Sranbeuburgä famt benen ber Deformation.
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IV. Deformation unb ftänbifdjes Regiment. 255
Das aber gefchah, wenn man ben ©aböburgern $u einer WafyU
ftellung oerhalf, bie jd)lie§lich aud) ©ranbenburg erbrüefen
mufete. Das ftanb $u befürchten, roenn ber 3efuitcn$ögling
SRubolf flatfer unb ßönig oon Böhmen unb Ungarn unb fein
Sruber ©ruft flönig oon ^olen roar. SKber aus lutheriidjem
(Sifer gegen bie reformierten ^Pfäljer fteöte fia) jefct auch bie
albertinifche ^olittf in ben Dienfi ber Habsburger — ein
9ttotio mefjr für 3ohann ©eorg, benfelbeu &>cg ju gehen. So
traf er im 9lpril 1578 ju Bresben bei fturfürft 2luguft mit
bem flaifer unb feinen oier Söhnen jufammen unb fagte ihm
feine 33ett)Ufe jur Erhebung SRubolfö sunt römifchen ßönig ju.
$uf 9Sunfd) 9)lartmi(ian* roohnte er in $rag ber Äröming
SRubotfd 311m böf)mifa)en tfönig bei: babei rourbe er mit 93eesforo
unb Storforo belehnt. Weniger glatt freilich oeriief ber SRegenß;
burger Reichstag. Die eoangelifchen Äurfürften begriffen bod),
bafc fie mit ber 2öaf)l föubolfö ber fatholifchen SReaftion ooüenbfi
93orfd)ub feifteten. 3lber obgleich fie nicht einmal bie Aufnahme
ber lahmen Defloration in bie 2öaf)lfapitulation bürdeten,
mit ber man ftd) oor jroanjig 3a^ren burd) ^verbinanb 511 2lugö=
bürg Ijatte abfpeifen laffen, nach ber auch i» geiftlidjen ßanben
©oangelifdje gebulbct roerben ober ungebinbert ansroanbern
fotlten, rourbe föubolf bennod) jum römifchen tfönig geroäfjlt
unb gefrönt. Die fjabdburgifd&e ^olitif triumphierte.
Unb auch in $olen fchten fie am 3iel. Durch Stimmen*
mehrhett beriefen Senatoren unb 2Mfd)öfe ftatt feines jroeiten
©ohne« ben flaifer fclbft auf ben Xhron. Dagegen erhob fidj
ooß nationalen ©iferd ber 5Kbel: für ihre Sibertät fürchteten
bie einen, für bafi ©oangelium bie anberen. (Sine ftürmifdje
©egenberoegung begann. 9)Jit ber&anb ber legten unoermählten
3ageöonin 2lnna, ber Dochtcr Sigiömunb IL, gab man bie
ßrone an Stephan ^Bathorn oon Siebenbürgen. Diefe SBenbung
gefährbete auch SranbenburgS Stellung in Greußen, rocö^alb
nun 3ohann ©eorg ebenfo eifrig jrotfehen bem ßatfer unb
Stephan ^Bathorn 311 »ermitteln fud)te, roie er erft in Sßolen
für Sababurg geworben fyatte. Der £ob SWarimilianö II.
(12. Cf tober 1576) mtnberte bie Schroierigfeiten. 3n bauten
traf fich 3°& ann ®eorg, furj nachbem er 51t Sehlingen sunt
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256 ^Srftcä SJu$. Sie ©lemente bc« preujiiföen ©taateä (biö 1598).
brittenmal ftod^ett gemalt, mit SHubolf II. unb 2luguft oon
Sadjjfen, unb ba er Stephan Bathorn bie anfangs trofo harter
Belagerung »ermeigerte 2lnerfennung ftanjigs ausraufte unb
eine 2lnleifie gewährte, fam ifmt biefer in ber preufeifdjen grage
entgegen. 3um ©ubernator für ben Höben 2llbredjt griebrid)
roünfd)te beffen Sdntriegeruater 9ßilf)e(m von 3ülidj beftettt &u
werben, roäljrenb im einoerftänbnis mit 3of)ann ©eorg als
nädrfter SBerroanbter bes &er$ogs ©eorg griebridj von 2lnsbaa)
91nfprud) auf bie Stellung erfyob. ©ern Ratten bie polnifdjen
Magnaten bei biefer ©elegentyeit bie *Hed)te roieber befeitigt,
bie SBranbenburg burdj bie 2Jfttbelefmung erroorben tyatte. Slber
Stephan Bathorn fjielt, raas er als ©egenbienft für bie Unter*
roerfung ftanjigs oerbeifjen fjatte: am 27. gebruar 1578 be=
lehnte er ju Sßarfdjau ben Slnsbadjer als Vertreter 2llbredjt
griebridjS unb ernannte ifm jum ©ubernator. aBieber legten
babei bie branbenburgifdjen ©efaubten — aud) oon bem 2lb=
miniftrator aus §aüe roaren foldje erfdjienen, bie fianb mit
an bie ßef)ensfafme unb empfingen für ibren &errn bie 3)iit=
belefjnung. Bergeblid) madjte ber polnifdje 3lbel bagegen gel--
tenb, es fianblc fid) bodj nur um 5lreierung eines §ersogs in
Greußen, niajt aber eines £er3ogs oon ^reufjen, roas ber
Sßolenfönig felbft fei. £iefe Slnroartfdjaft fdjien geftdjert.
Ob bas aber Sauer Ijaben mürbe? ÜJiit bem nationalen
©ifer mar in ^olen audj ber fatfjolifdje entfadjt: bisher ber
Sife fajöner £olerana, ucrfiel es bem rcadjfenben @influf? ber
3efuiten. Äönig Stepbau, ben bie ©oangelifajen als ben SWgcn
angefejen fjatten, nötigten politifa)e 9iüdfid)ten bas sujulaffen.
©ine ungeheure ©cfafjr brol)te bamit bem ganzen eoangelifdjen
9torboften. 3m tfleicbe arbeiteten bie ftrengen Sutfjeraner ber
fatf)olifd)en *Reaftion in bie &anb, feit bie tfonforbienformel alle
vom Budjftaben ber 2lugsburgifd)en tfonfeffton abrocid^enben
Guangelifdjen au&erbalb beö SieligionäfriebenS fteHte. TOt
9ied)t na^m bie alte ftirdje fic für fid) in Slnfprud), wenn einer
iljrcr eifrigften Borfämpfer, §erjog ^nixm von Braunfdjrocig,
brei feiner Söljne „mit päpftlia>n 3crcmonien unb geiftlidjem
§abit" in £alberftabt etnretten, meinen unb tonfuricren liefe,
um fte jum empfang geifUidjer Scben unb Bistümer $u be*
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IV. Deformation unb ftänbtföes Regiment. 257
fähigen, tarnen biefc Sutheraner, um trofc bes geiftlidjen 33or-
bebalts ßirchengut ju erwerben, ihnen fo weit entgegen, raar*
um follten bie tfatholtfen md)t glauben, fic bei einiger Qtfyv
barfeit ber gormcln bodj nod) für ihre Slirdje jurücfjugeroinnen ?
Um fo entfd)tebener traten fie ihnen entgegen, reo fie fid) ohne
bie« gciftlidjer Stifter bemächtigten. Hud) 3oh ann ©eorg erfuhr
baß, als er plöfelid) feines Kaufes febeinbar fo fidjerc Sßofttioti
in bem ©rsbifttum SJtagbeburg in ?rage geftellt fal). SDen
unbequemen furfädjfifchen 9)iitbefi& batte im ^unt 1579 unter
3uftimmung bes Kaifers ein Vergleich bejeitigt, ber Sadjfen
für bie Vurggraffdjaft etliche Remter überwies. %m 26. Oftober
mar 3oadnnt griebrich im ©clett feines Katers mit ftattlichem
(befolge in bie Stabt eingebogen unb Ijatte bie £ulbigung
empfangen. 2ln ben Reichstagen oon 1570 unb 1576, ju
benen nicht bie Slbminiftratoren, fonbem bie Tomfapitel gc:
laben waren, Ratten magbeburgifdje ©efanbte nicht ieilgenom*
men, oermntlidj weil ^oaa)im ^riebrtd) an bem Rechte ber
perfönüchen Vertretung bes ©r$ftifts fefthielt, für ben gaH bes
Streites barüber aber ber Vciljilfe bes Vaters fo roenig wie
bes GJroßoaterS fidjer war, bie jeben ßonflift mit bem ilaifer
oermeiben wollten. (Srft 1580 erfdjiencn feine Veüottmädjtigten
ju Augsburg, mürben auch ^ur Eröffnung bes Reichstages ju=
getaffen. Grft als ber päpftlidje Segat baö als unoereinbar
mit bem gciftlidjen Vorbehalt be$eid>nete unb ben Slusfchlufj
ber 2)fagbeburger öefanbtcn forberte, änbertc bie fatholtfche
Partei ifjre Haltung. 2Us bicfelben ben SKagbeburg gebührenben
Vorfifc auf ber getftlichen gürftenbanf einnehmen wollten,
fanben fie ihn burd) Salzburg oecupiert : man fenne, biefe es,
jur 3 clt deinen rechtmäßigen, üom Sßapfte beftätigten unb oom
5laifcr belehnten ©rjbifchof oon 2)cagbeburg ; bas Ginbringen
eines Unbefugten mürbe jur ßinftellung ber Beratung nötigen.
3l)r ^roteft blieb oergeblidj. fie oom tfatfer oerbeißene 33e-
hanblung ber 3adje auf einem neuen Reichstag beffertc bie
v ilusficjten nicht. Senn afsbalb begannen bie 3ntriguen ber
3llbertiner, um bie roiebtige s |>ofition an ber (Slbe, menn nicht
felbft su geroinnen, fo bod) roenigftens ben .ftohenjoHern ju ent=
reißen. Unb mas weiter $u erwarten ftanb, lehrte balb banach
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258 ^rftcö 5»ud>. Sit Elemente bes preufeifajen Staates (MS 1598).
baä Sdiitffat ©ebfyarbs oon Äöin / gegen ben man fein Kapitel
revoltierte, um ifjn bann geästet mit fpanifdjet §itfe aus bem
Öanbe 511 jagen, gür Äurbranbenburg ftanben bann mit 9JJagbe=
bürg aud) Söranbenburg, £aoelberg unb £ebus unb weiterhin
bie preufjifd)e 2lnroartfa)aft auf bem Spiet. Tas braute felbft
ben ©teiajmut 3of)ann Georgs ins SBanfen : er atmte bie lefeten
Siele ber fatf>otifd)en SKeaftion. 2lua) 2tuguft oon Sadjfen rourbe
unruhig, jumal bie ©reignijfe in granfreid), bie 33ilbung ber
^eiligen £igue jur (£rt)cbung ber ©uifen auf ben Tt)ron ein
3ufammenroirfen aller fatrjoltf^en 9)iäd)te erwarten tieften, um
bie Deformation burd) einen ocrnidjtenben ©ewaltftreid) ju
©oben 311 werjen. Tem wirffam ju begegnen, waren Sofjann
©eorg unb ber ed)t albertinifd) biptomatifterenbe Stuguft oon
©adjfen freilict) nia^t geeignet. Sie begnügten üdj bamit, bem
Äaifer bie ©cfafjr ooräufjalten, ber fein «orgefjen in ber Kölner
Sadje bas 9^eict> ausfegte: bamtt waren fie in if)rem ©ewiffen
beruhigt.
So roud)ö bie fird)tid)=politifd)e Öefabr in ben nädjfien
3af)ren 311 wahrer SHiefengröfte : ber SHetigions^ unb $3ürgerfrteg
in granfreidj, bie Sebrängnis ber 9itebertanbe unb bie Lüftung
Spaniens gegen Gngtanb (teilten aua) bie beutfajen Goangetifdjen
oor ben «Hampf um bas Tafein. &einrid) oon 9Jaoarra unb
©tifabetf) oon (Sngtanb wanbten ftd) an fie. Ter 33ourbone
plante bie Einigung aüer Coangelifd)en : aber wie t)ätte bas
f)artr)erjigc Suttjertum fia) ba^u ergeben tonnen! Stuf ©runb
eines ©utaditens oon Martin Gtjemnifc antwortete aud) 3of)ann
©eorg ausmetdjenb, feine Teilnahme für bie franjöfifdjen ^ro=
teftanten beteuernb. Tennod) äußerte ber ftaifer fic^ ungnäbigft
barüber, bafe ber ©cfanbte 9iaoarras überhaupt empfangen
worben mar: er fjätte gleid) feftgefefct werben muffen. Sdjliefc
lia) aber ging felbft Qotjann ©eorg ber Gruft ber &age auf, als
bie ^pläne ber ^eiligen Üigue unb ifjrer beutfdjen greunbe beut=
tiajer mürben, SSähjenb er nod) unlängft gemeint tjattc, man
ttnie am beften, roenn mau fid) in biefe Tinge nia)t mifcfie,
„fonbern bas Spiet oon außen anfefje unb ben SBitten ©ottes
bes 3tamäd)tigen als magren SBefdMers feiner Mirajen aud) bei
ifjren 9iatfd)lägen fein unb bas ülmen baju fpredjen taffe",
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IV. Deformation unb ftänbiföeö Segimcnt. 259
würbe er 31t Segtnn be§ 3afjtes 1586 mit feinem furfää)fifä)en
greunbe gegen ben faiferlidjen (Srlafe oorftellig, ber ben eoam
gelifdjen ^etdjöftänben jebe Unterftüfcung ihrer fransöfifdjen
©laubenägenofjen verbot, währenb bie fatf)o!ifd)en ben il;ren
Hilfe bringen burften, unb befdjlofe auf Anbringen beö spfäljer
Äurfürften, mit biefem unb Auguft von <2aä)fen $önig Heim
ridt) III. burä) ©efanbte 3ur Bewahrung beö ben Hugenotten
gemährten 9feligionöfrieben§ ermahnen gu laffen. Anberenfattö
foüten bie SBerwanbten bes Augsburger 93efenntnif?es ben ^uge?
notten gemeinfame $i(fe bringen; bänifäje unb englifche Untere
flüfcung mar in Ausfid)t gefteQt. Obgleich tfurfürft Augufi im
gebruar 1586 ftarb, mürbe baö Vorhaben wirf lieb burchgefüfjrt
unter lebhafter Anteilnahme feines Nachfolgers <St)rtftian I.,
ber feit 1582 mit bes Vranbenburgers jüngfter Tochter sroetter
(Sf)e, 6opf)ie, oerheiratet mar. 3 m 1586 trafen fie unb
anbere eoangelifdje Surften, barunter ber Abminiftrator oon
SWagbeBurg, in Lüneburg mit ftönig griebrief) II. von £änc=
marf jufammen : bie 93efdjicfung bes franjöfifa^en MönigS mürbe
betroffen, ja für ben gaH ir>rer (Srfolglofigfeit burd) pfäl^ifd^e
Vermittelung ein Verftänbnis mit Heinrich oon Naoarra an=
gebahnt unb in ber s J)iarf für bie Hugenotten geworben. Allem
«Schwanfen mufete bie beletbigenbe Abfertigung ein (Snbe madjen,
bie &*üma) III. ber (^efanbtfcrjaft nad) wochenlangem ©arten
ju teil roerben liefe, inbem er bie gürften leichtgläubiger 2(uf=
nähme gegen ihn ausgefprengter Verleumbungen befdjulbigte
unb ihr 311 sofortiger Heimreife bie Sßäfje überreifen liefe.
3o(mnn ©eorg t)ätte auch bas ruhig eingefteeft, aber ber
ßurprinj brang auf gebüfjrenbe Vergeltung unb fdjneHe Hilfe
für bie H"Ö e notten. Sei einem feftlidjen ä^m, 311 bem $o-
hann ©eorg im Hcrbft 1586 Gfjriftian oon Saufen unb anbere
fürfUid)e ©äfte bei äüftrin oercinigte, mürbe 9tatö gepflogen.
$urdj Vranbenburg unterfmnbeltc man mit Naoarras fte=
fanbten. Aua) furfürftüct)e ÜHannfd)afteu follten unter gabian
oon %oty\a unb bem 9ieiteroberften 3ol)ann oon 23ud) ju bem
Heere ftofeen, baö ^ßfaljgraf Johann Mafimir feinen franjöfiffen
©laubenögenoffen burd) Glfafe unb Lothringen 3ufüf)ren wollte.
$afe bei bem grofeen geuerroerf, baö bamals in .Üüftrin ab;
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260 Grftea «udj. Sie Elemente beä preutttfdjen otaatea (6t« 1598).
gebrannt würbe, neben ben Silbern bes Sultan« unb bes
Xartarendianä aud) bie bes ^apftcö unb beö &er$ogö oon ©utfe
in blauen unb weiften geuern brennenb $u fefjen waren, fdjien
Qofiann ©eorgö (Sntfct)luB 5U energijd)em £anbeln 511 betätigen.
£od) war er nur mit fjalbem &er$en bei ber Sadje: fo übel
bie iiage fei, ©Ott fönne, meinte er, plöfclid) alleä $um ©uten
wenben unb ber geinbe 2lnfd)läge gu nidjte madjen. ©ern lieft
er ftd) 00m ßaifer bie Werbungen verbieten, bie (Snglanb in
ber 9Rarf oornefnnen wollte: bie für granfreia) tyatte man
ruf)ig jugelajfen, unb ber märfifdje 2lbel, ftolj auf fein reine«
£utl?ertum, nafnn um fdjnöben ©elbes unb luftigen Solbatem
lebenö willen unbebenflid) bei bem gelben ber ^Bartholomäus*
nad)t Sienft. Sold) traurig oaterlanbälofe Öefinnung war audj
eine golge ber Sibertät, in ber er ftd) rübmte, eö fo tyerrlid)
weit gebraajt ju fjaben. 2Bol)l erfannten lidjterc Köpfe unb
wärmere föerjen bereits bie $erberblid)feit beö bisher oerfolgten
äiSegeö. Um fo unbefjaglidjer füllte fict) 3obann ©eorg: baft
fein fä$ftfd)er Sd>miegcrfof)n mit feinem 511m flauster erhobenen
Grsieber s Jiifolauä Grell 31t ben Reformierten neigte unb nidjt
nur baö übliche Sd)mäf)en auf fte oerbot, fonbern aud) bie
ärgften fatljolifierenben 2luömüd)fe befeitigte, war ntdjt nadj
feinem Sinn, unb ber unglüdlidje Ausgang oon 3o(jaun ftafu
mirö 3ug nad) Lothringen entfrembete ifni oollcnbö ber neuen
^olittf. Sid) förmlich baoon lo^ufagen, bot ifjm bas 9Bieber=
auftauten ber polnifd)en S ra 9 e erwünfcfyten 3lnlaft.
^m ^cjember 158H war König Stephan geftorbeu unb
ber Kampf um bie Krone neu entbrannt. $um brittenmal bot
3oljann ©eorg alles auf, um ben föabäburgern baju ju fjclfen,
gegen ben 3 aren cinerfeito unb ben fd)webifd)en Kronprinzen,
ben Soljn einer 3agellonin, anbererfeitö. lieber gab eö eine
$oppclwaf)l unb wieber unterlagen bie &aböburgcr. Sßon
Krafau jurüdgewiefen, würbe (Sr^erjog s J)iarimilian, als er in
Sd)lefien einen neuen Einfall vorbereitete, 1588 oon ben rafdjen
©egnern gefangen genommen unb erlangte erft nadj jwei Satiren
bie greifjeit burdj ben $erjid)t auf jebes Kronredjt. 3ofjatm
©eorg tt)at nidjts für ifyn, weniger auö rtiird)t oor einer polnifdjen
3noafion alö aus Sorge um bie preuftifd)e ^itbelebnung. Selbft
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IV. Deformation unb ftänbifdjeö Regiment. 2t) 1
als nad) bem Stege ber ®uifen in granfreid) unb bei beut
brofjenben Singriff ber 2lrmaba auf ©nglanb ber Sriumpf) ber
fatf)olifd)cn Neaftion fieser fcf)ien unb nur einmütige Selbft=
f>ilfe ben eoangefifdjen 9ieid)$ftänben Rettung oerf)iefi, lehnte
er jebe Beteiligung ab. 2$eil er bie unlängft erneute unb für
fein föauö günftiger geftaltete Grboerbrüberung mit flurfadjfcn
unb fteffen oom Äaifer beftätigt f)aben wollte, foflten bie (5oan=
gelifd)en ja nid)t gleid) alle ihre Befdjroerben bei bemfelbcn
oorbringen. 21ber bie Betätigung rourbe unter aHerfjanb Bor=
roänben oerroeigert unb bie für 1588 bcuorftefjenbe ^enifion bes
9Retd)öfammergeria)tö, bie bura) 9Hagbeburg ooräunefjmen ge=
roefen märe, oertagt, angeblid) wegen ber im s Jif>einlanbe broljen=
ben Unrufjen, in 2tfal)rf)eit, roeil mit ityrem BoUjuge 3oöd)ini
griebrid) afa bered)tigter &err 3)2agbeburgfi anerfannt roorben
märe, £rofc aHcbem fjielt 3°f) ann ©eorg am .ftaifer feft, als
ob er burdj idjeueö 9ttdjtötf)un &au$ unb Sanb oor ben Stürmen
tyätte beroafjren fönnen, bie nad) ber tfataftropfje ber fpanifdjen
3lrmaba mit ber Erneuerung beö Bürgerfrieges in granfreid)
unb beö meberlänbifdjen 2luffianbeö fjereinjubreajcn brof)ten.
Dennodj mufjte er fid) fdjliejjlid) überzeugen, baß er nie unb
nimmer erreichen mürbe, roaö ifnn oor allem am ^erjen lag,
bie SRealifierung ber 2lnroartfd>aften unb ber territorialen $er=
forgung feiner safjlreidjen 9iad)fommenfd)aft. Unberührt oon
ben ibeellen Gräften unb ben fittlidjen 3mpulfen, roeldje bie
jur Rettung ber politifdjen unb ber religiöfen ^rei^eit rüftenben
Männer erfüllte, fyanbelte er aud) bei ber 3Benbung, bie er
gegen Ausgang feiner Regierung oorbereitete, nidjt ftaatö-
männifdj, fonbern aus brao l)au6oäterlid)cr Sorge um bie 3u=
fünft ber Seinen.
inmitten ber großen europäischen tfrifts, bie aud) it)n auö
feiner Neutralität ju brängen brol)te, Imtte er feinen oor-
nefmiften Ratgeber oerloren: am 12. Oftober 1588 war £amp
red)t $iftelmener geftorben — ein um fo fdnoererer s $erluft,
als bem Sdjüler ber albertinifdjen Diplomatie trotj feiner
Iutt)crifd)en Befangenheit eine feine Jßttterung für ben 3«g
ber 3cit tiQtn geroefen mar. Seinen Sofm Gfyrifttan (geb. 1552 ) /
ber, feit 1577 fein ©ebjlfe, nun flanier mürbe, fenn^eidutet
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202 Grftes «u$. £ic demente be§ preufufdjen 6taateö (bi$ 159s).
in feiner firchlichen unb politifcbe» Öefdjränftheit ber SÖunfch,
©Ott möge bic Lutheraner mit £aft gegen bie Gatuiniften er^
füllen: für ben furchtbaren ©rnft ber 3 e *t fatte cr Wh ^ eri
ftänbnis. 2(udj ^o^ann ©eorg meinte burch Hbftumpfen unb
$erftecfen ber ©egenfäfce bie ©efahren 311 befchroören, unb feinem
Streben nac^ öanbgeminn unb 2lnroartfd)aften hielt bie Sorge
bie 2Bage, babei in SSerroicfelungen ju geraten, bie. ilm fd&ticft-
lieh su h<mbelu nötige» fönnten. Ser SBiberfpruch aber, ber
baburä) in feine ??oIitif fam, rourbe gefährlich burd) ben ©egen-
fafc, ben er änufdjen ihm unb feinem fünftigen Nachfolger er;
3eugte. ©r mar nicht oon jener fojufagen unfdjulbigen Natur,
roie er mehr in ber Meinung ber Scute als in &%flid)feit
beim Nahen jebes Th ronn,c $f c l ß smifchen SBater unb Sohn ju
beftehen pflegt, fonbern prinzipieller Natur: es ^anbelte fich
barum, ob bie ^ohenjollern es überhaupt $u einer Staats:
fchbpfung bringen mürben. 3°h ann ©eorg oertrat bie mittel;
alterliche prioatrechtliche 3luffaffung bes Staates, fah in ihm
ben Jamilienbejifc bes ^errfcherhaufes, ber $u möglichft aus;
fömmlicher $erforgung feiner ©lieber bienen follte, ber ftur*
prinj bie moberne s ilnfchauung, bie ben Staat nur feinen eigenen
3mecfen bienen unb ju einheitlicher SNadfjtbethätigung beftimmt
fein läfet. ^ufammen mit ben großen religiöfen unb politifchen
©egenfäfeen ber 3 e *t erzeugte bas einen tfonflift, ber nicht
Mofj bie 3lnroartfchaften, fonbern auch öen alten öcftfe ber
.£ol)enjoflern gefährbete.
Obgleich (Srjherjog iNartmilian, ber Habsburger tfanbibat
für bie polnifdje flrone, als s JNeifier bes Seutfdjen Drbens
Träger oon beffen 2lnfprüd)en auf ^reufeen mar, hatte Johann
©eorg in ^olen für ihn geworben. Schon beshalb beeilte
Sigismunb III. bie 2lnerfennung feiner Anrechte auf ^reufecn
nicht. £>ie aMitbelefmung jmar mürbe 1589 erteilt, aber ber
herzoglich preufeifche Titel burch bie polnifche Äanglei in ber
Titulatur 3ofmnn ©eorgs bemonftratio roeggelaffen: echt pol;
nifch f uchte man fo ^irä^ebenjfälle $u fchafjen, bie fich nadj s
her auänufcen ließen. Um fo enger fdjlofe fich D ^ Jüirfürft bem
Reifer an, ber ihm unlängft burch bie Erneuerung bes s ^rtoilegs
de non appellando eine roat)rlict) billige ©unft erroiefen hatte,
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IV. Deformation unb ftänbifd)Cö 5Hea,iment. 263
feine Unäuoerläfngfeit aber balo oon neuem betätigte. 9iid)t
ofjne 33cbenfen Ijatte er ben fturprtn-icn bte Gtye feines <Srft=
geborenen 3of>ann Sigismunö mit 9lnna, ber £oä)ter bes
blöben ^reuBenfierjogs unb SRarie Gleonorens oon 3ülid), vt-
treiben Iaffen: fic oerfrieß ben branbenburgifdjen ^Rechten auf
Greußen Stärfung unb übertrug bas 2tnred)t, bas Sttarie
Eleonore beim geilen männlicher 9iad)fommenfd)aft von tljrem
93ater unb ifjrcn trübem auf Sülid), (Sleoe unb S3erg juftanb,
auf i^ren fünftigen Sdjmiegerfofm unb bejfen Seibeserben.
3lls aber nad) bem £obe bes älteren von ben beiben Sölmen
£er$og SBilljelms ber jüngere, ebenfalls finberlofc, getftesfranf
rourbe unb bas Sanb, oon ^arteiungen 5crriffen, bte Beute
entroeber ber Spanier ober ber 9ficberlänbcr ju werben brobte,
ba oerfuebte bie faiferlidjc ^olittf fid) btefer mistigen ^ofition
SU bemächtigen unb trat bamit Branbenburg fd&roff entgegen.
Siun fonntc Sodann (Meorg feine ©nttnürfc burdjfefcen nur
im 2lnfd)lun an bie Sababurg feinblid)en 2)iäd)te, bas fjei&t bie,
meldte fid) 511 Borfämpferinnen ber Deformation aufgeroorfen
hatten. Gin erfter Sdjritt in biefer Dichtung mar es, ba& er
1591 £einrid) oon 9faoarra bie früher oerroeigerten Werbungen
in ber 3)iarf gemattete. Samit mar fein gan$es politijcbes St^
ftem bebroht : er iah fid) uor eine fdnoere Gntfcbetbung geftettt.
(5r oerfannte nid)t, ba& (Urofces babei ju geroinnen fei, roenn
bas ©lud gut mar, meinte aber im anberen gatl felbft ben
bisher fixeren Beftfe gefäljrbet 511 fcfjen. Sennod) brang ber
tfurprins bura). }tod) einem Befncbe Johann Sigismunbs in
Greußen rourbe im grübjabr 1502 bei (Gelegenheit ber »tu
roefenbeit 9Jiarie (rleonorenö unb ihrer Sodjter in Berlin bie
Verlobung ooO>gen. Tie entfdicibenbe 2?>enbung fcr)tcn ge;
fd^efjen: märfifebe ßbelleute nahmen unter Gbriftian oon 2ln=
halt mit bem ©ourbonen an ber Belagerung oon SWouen teil.
3)2it roaebfenber Sorge fal> Johann Weorg ficr) burdj bie
2)fadjt ber Sbatfacbcn aus ber bisher oerfolgten Balm gebrängt :
nur im ©iberftreit mit ben £aböburgern unb ben Äatbolifen
fd>ien fein £auö auffommen $u fönnen. 9tod) mar bie s JJJagbc=
burger Sadje nid)t beglichen, unb jd}on fat) er feine ^läue an
einem anberen (Snbe burd) ben letbigen geiftlicben Borbcbalt
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2l>4 Grfteö %ud). Sic ©lernente bcö preufcifaen etaotco (bio 1598).
bcbrof)t. Ses Äurprinjen sroeiter 6ofm 3ofmnn ©eorg ftu=
bicrte in Strasburg: von bcr proteftantifd&en ÜHef)rf)eit bes
2)omfapitels jutn tropft gemäht, badete er bort als 2lbmtni=
ftrator eine Verforgung jn gewinnen. Sfad» rourbe er, als am
2. SD?at 1592 SBifd^of 3of)anneS IV V ©raf oon 2)ianbcrfc^ctb,
ftarb, gegen ben ^roteft ber nacb 3 ö ^ rn entmidjenen fatl;o-
lifdjjen 9flinberf)eit am 20. Wlai, faum fünfsefmjäbrig, jum
33ifd)of gewählt. 2Us poftulierter Slbminiftrator bes (Stiftes
(Strasburg nnb Sanbgraf 311 ©Ifa§ naljm er bie 2£af)l an mit
3uftimmung audj bes ©rofeoaters. 60 ftanben bie ^o^enjottern
bier roie in 3)iagbeburg im Vrennpunft bes Kampfes um ben
geiftlidjen Vorbehalt. $enn bie Minorität roäfjlte ben tfarbinal=
bifdjof oon SJJefc, ßarl, ben (Sofjn bes Herzogs oon ©uife.
£>ie £iguiften, bie ©panier, bie Habsburger, bie gefamte fa=
tl)olifdje SReaftion f)atU biefer r)intcr fidj, als er jur ©eurinnung
bes ©ttfts bie SBaffen ergriff. $>er SHeltgionSfrieg entbrannte
am Dberrfjetn. 2lm 9iieberrl)em aber brofjte ein nod) gemal=
tigerer 3 u f ammen ft°ft-
Soljann ©eorg mürbe angft cor ben flonfequen$en ber
if)tn fwlb aufgebrungenen ^olitif, mefjr nod) oor ben auö=
fdjroeifenben Gntroürfen, mit benen bie ifjm unfaßbare Ver=
megenfjeit ber 2lftionspartei fia) trug. Obne feines Kaufes 2ln-
red)te aufäugeben, meinte er bod) oon ihrer Verfechtung jur
3eit abfe(jen 311 muffen unb fid) mit bem Sßenigen ju begnügen,
mas bermalen erreichbar blieb. ®arin beftärfte ifm griebrid)
ä&ilhelm von <Sad)fen= s JÜtenburg, ber nad) bem frühen £obe
Örjriftianß I. (25. «September 1591) bie oormunbfdjaftlid)C
Regierung in &urfacf)fen übernommen r)atte : nun mar es aud)
bort mit ber ^oleranj gegen ^bilippiften unb Galoinifteu oor=
bei unb ihre Präger, obenan Äanjler Grell, mürben bie Opfer
fanatifdjer Verfolgung burd) bas triumphierenbe ttutljertum.
Johann ©eorg unb fein ßbriftian SMftelmeijer maren mit ganjem
&er3en babei. Von einem VünbniS mit ^einrieb IV., mit @lifa--
betl) oon ©nglanb, mit ben s Jiteberlanben mar feine SRebe mein*.
3oljann ©eorg aber entnahm aus aüebem nur bie Sebre, es
fomme oor allem barauf an, bie 9?eid)öoerfaffung ungeänbert
311 erhalten unb jebc Neuerung absuroehren. Unb bamit fam
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IV. rKcformation unb ftänbtfdico Regiment. 2G5
ber 3n)icfpatt in bem föaufe ^o^enjoßem 3U offenem 9Jusbrud).
211s im grü(;jaf)r 1T>94 griebricft IV. oon ber ^falj bie pro;
teftantifdjen gürften, bie bas 5Cerf)änguiö nid)t untfjätig tyxan-
fommen laffeu moßten, in öeitbronn oerfammelte, um gemein;
jame 2lbroef)rmaferegeln 311 erroägcn unb ben 33unb mit granf;
xtiä) einzuleiten, erfd)ien bort ©eorg griebridj oon Stnsbad) per--
fönlid), ber fturprinj entfanbte als 3lbminiftrator oon 3)tagbe;
bürg einen SBeuoUmädjtigten, unb fetnSBruber, ber ermatte oon
Strafeburg, liefe in Gkmeinfdjaft mit feiner ©tabt um ßilfe
gegen ben £otf)ringer roerben. Sie jüngere ©cneration mar
nid)t gewillt, ibrc 3 u ^ im ft fampflos preiszugeben. 3<>f) ann
®eorg aber nafjm an jenen 2$edjanblungen feinen Anteil: er
oerjroeifelte bereits an ber ÜJiöglidjfeit, bie 2(nroartfd)aften
burd^ujefeen. ^ülid^ßleoe roufete er ben gangen (Sinflufe
bes Kaufes Sababurg gegen fieft. Xem grieben mit ifjm mar
er bereit bie nicberrfjeinifd&en Sanbe ju opfern, gür bie 33c=
fwuptung Strafeburgs Opfer $u bringen, lag if)m gan$ fern:
mas ber Gtaife beroifligen mürbe, follte man einfad) annehmen.
Ob er für $reufeen etroas geroagt fmben mürbe? Sein 33er;
t)alten in ber 9Hagbeburger Sadje läfet baran jroeifeln. Um
grieben mit bem tfaijer um jeben $reis bemüht, midj er überaß
jurütf im ßinoerftänbnis mit bem Slbminiftrator oon ßurfadjfen.
Selbft als 1594 auf bem 9ieid|Stage 311 SRegensburg, $u bem
bie proteftantifdjen ©istumsabminiftratoren bejeia^nenbermeife
gar nidjt geloben roaren, bem Seooflmädjtigten $oad)im grieb=
ridjs ber $Iafc auf ber gürftenbanf neben Salzburg burd) einen
äße (Soangelifa^cn beleibigenben ©fanbal oorentfjalten mürbe,
fudjte er mit feinem jädjftfdien greunbe ben entrüfteten Sofjn
ju begütigen, fagte bie oom flaifer geroünfajte 2Saf)l eines
römifdjen flöuigs ju unb gemährte fttlfe gegen bie Xürfen.
gür fold)e Stenfte meinte er aud) £anf erwarten ju bürfen:
ba er an ber Grmerbung ^üliaVGleoeö faft oerjroeifelte unb
felbft auf ^reufeen nidjt fidjer regnete, (mite er bie 2(nfprüd)e
feines Kaufes auf Siegnife unb «örieg fjeroor unb marb um
ifjre gnäbtge 2lnerfennung burd) ben aifer. Unb roäfjrenb beffen
oermäfjlte ber fturpring feinem (Srfi geborenen ju Königsberg
bie £od)ter 5tlbredt)t griebridjs. ©r biett nia)t blofe bie preu=
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2615 Grftes Sie Elemente beö preu^en Staateö (bis 1598).
fcifaje 2tnroartfdmft feft, fonbern badete auch in ber 3»fid)f$en
nid^t gu meinen. 3m grüf)jaf)r 1595 fud^te er bie Rieberlanbe
ju gemeinsamem ©djufc ber jülid^cleoefrfjen Sanbe gegen tau
fertige Dccupation 5u gewinnen. 3mwer mel)r trennten fidj
bie Sßege von Vater unb Sofm, immer mef)r fürchtete erfterer
feinen Nachfolger in bie Refee ber Reformierten geraten $u
fetjen. deshalb $attc er fdjon 1593 bie folgenbe Generation
in feinem ©inn 511 binben oerfucht : feine betben (Snfel 3ohann
Sigismunb unb 3ohann ©eorg mußten fidt> bnrd) einen
jum Verharren in ber neuen £ef)re, bas ift bem ftrengen 2utf>er=
tum oerpflidjten.
Run aber befchränfte ftd) ber Öegenfafc jroifdt^cn Vater
unb Sotjn nicht auf bie großen polttifchen unb firdjlidjen gragen
ber 3*it : er oerflocht ficr) mit ben inneren Angelegenheiten ber
furfürftlidjen Jyamilie. 5Die onmpatfnen befi 2lbels waren mit
3ohann ®eorg, jumal beä Äurprtnjen Energie in 3ufunft friege:
rifcr)c Verroidclungen fürchten liefe, roeldje bie Stäube finanziell
unb militärifd) §u belaften brohten. Slnbercrfeits bebre-hte beö
ßurfürften 2Ibfid)t, burdj Teilung feiner Sanbe auch feine
jüngeren ©ityne, namentlich ben älteften aus ber britten ©he,
<St)riftian (geb. 1581), fürjUidj ju oerforgen, bie 3uf" n ft 3o 5
adum griebrichö entgegen bem Reichsrecht unb bem 9ldE)ilIeifdjen
föausgeiefc. 3uriftifch unb moralifcf) mar 3oac^im griebridf)
Durchaus im Recht, als er gegen bas £eftament Sßroteft ein*
legte, burdj bas 3°^ an » ©eorg 1596 bie Reumarf nebft ftrojfcn
Ghriftian suroies. Vergeblich beftärmte ihn ber Vater um feine
3uftimmung: in ooHem Vemufetfein ber ^flidt)tcn gegen bie
3ufunft oon &auS unb Sanb blieb er bei feiner Weigerung.
2lua) ber Vater bcharrte, trofe ber ferneren Vebenfen, meiere
bie Stänbe unb etn$elne Räte erhoben. (Sr fanbte bas Xefta=
ment 5ur Veftätigung nach $rag. ©eiche 2Baffe er bamit ber
habsburgifdjen $olitif unb ber fatholifchen Reaftion in bie
&anb gab, überfah er oerblenbet. 2öaren nach feinem eigenen
Urteil bie 2luftjid)ten auf 3üHch ; @teüe fehlest, bie auf Greußen
hödjft jnieifelljaft, fo ermöglichte er felbft jefet ben ©egnern
bie Verbrangung feines Kaufes aus bem für fixeren Vcfifc
gehaltenen s J)fagbeburg.
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IV. Deformation unb ftänbifäeo Regiment.
267
2luf bem iHegenSburger SHeidjStag von 1597 mar bic grage
nad) ber ,3ulaffung oer protejtontifdjen 9lbminiftratoren geift=
lid^er Stifter nid)t prinzipiell, roo()l aber tf)atfäd)Cidt) gegen bie
©oangelifd&en entfdjieben roorben. 2Beber ^oadjim griebrid)
nodj ber Slbminiftrator von föalberftabt, föeinrid) Julius r»on
Söraunfdjroetg, Ratten auf ber gürftenbanf ^ßlafo nehmen bürfen.
$es läftigen ^anbete lebig 511 werben, brang man fatferlidjer=
feitö in beibe, für ben näcfjften $eid)Stag ifjre gorberung über*
Ijaupt nidt)t ju erneuern. 9Hit flurfadjfen empfahl bas aud)
^ofwnn ©eorg bem 3o§ne. Siefer weigerte fia), fein gutes
9ted)t aufäugeben. 91un mar er aber burd) bie leibige £efta=
mentsfadje in bie &anb bes tfaiferä gegeben, mit ifnn bic 3»=
fünft feines Kaufes unb £anbes, bie mit ber Teilung ent-
fdjieben geroefen roäre. ©idjer freilid) mar man ber fjabsbur;
giften Spolitif gegenüber nie: inbem er, roie fidj nad)l)cr l)eraus=
fteflte, bas ifjm oerfd)loffen eingereihte Seftament jroar betätigte,
aber of)ne Kenntnis feines ^nljalts unb mit einem ausbrüd:
lidjen ^orbetjatt su ©unften ber baburdj etroa gefdjäbigten
9ted)te britter ^erfonen, na^m ber ftaifer eine Stellung ein,
bie er nad) belieben gegen 3oad)im griebridj ober ju feinen
©unften, $ur ©urdjfefeung roie jur Vereitelung ber Teilung
benufcen tonnte. £er fturprins mufete alfo ben ^Srager §of
burdj 9>ladjgiebigfett 311 geroinnen fud)en. ©0 roid) er fd)liefc
lid) in Saasen ber ©efßon für 9Jiagbcburg: aus ©efjorfam
gegen ben ftatfer unb für bie 5Bof)lfafirt ber ©efamtf)eit gab
er ben bisher erhobenen älnfprud) auf — fidjer mit 9ied)t,
beim roeit ©röteres als Sftagbeburg ftanb für Ujn auf bem
«Spiele.
£as Verhältnis jum Vater rourbe baburdj nicr)t gebejfert:
biefer befyarrte ebenfo jaf) auf bem £etlungsplan, roie ber
©olm bie ifnn immer roieber zugemutete Inerfennung bes Sefta^
ments oerroeigerte. ^n befonbers fdjmerjlidjen gormen Ratten
beibe ben tfonflift burefouringen, ofyne baß es 5U einer Ver=
ftänbigung fam. (Snbe bes 3af>rcs 1597 erfranfte So^nn
©eorg. $er Hurprinj roar fern : er battc feine Sodjter 3lnna
Katharina (geb. 1575) nad) ftabersleben geleitet, roo fic bem
jungen fcänenfömg Gbriftian IV. oermaljlt rourbe — eine Gf)e,
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268 ßrfte* «u$. £ie demente bes preufeifd)en Staates (bis 1598).
bie oon neuem erfennen Ite§, roie wenig er bes 93aters 33af)neu
in folgen badete, föeimeilenb fanb er ben SBater noc^ lebenb :
aber felbft in biefen ferneren Xagcn unb trofe bes audj oon
anbeten (Seiten auf if»n anftürmenben bringend oerroeigerte
er bie Anerkennung bes £eftaments. Xer ftonflift mit bem
Solm mar unbeglichen, §aus unb fianb ftanben oor einer über
ifjre 3"fa n ft entfdjeibenben @d>icffalsfrage, als 3ol)ann ©eorg
am 8. Qanuar 1598 bie Slugen fdjlofe.
i
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1598-1640.
I. Ifr'xz |laaf(icfjE Beuorganifafion ber Marken burdj
Joadjim Jriebririj unb biß Hüjhntg |ur (Srroerbung
1ßv2M$tm nnb ^ülirfr-QIIctira. 1598-1608.
X^üftcr lag bie 3«E«nft oor $eutfä)lanb unb SBranbenburg,
als 3ol)ann ©eorg flarb. äöäfjrenb bafi 9leidj bcm SReligiona*
unb 33ürgerfrtege entgegentrieb, ofjne baft bie (Soangeltfdjen
ftd) geeinigt fyätten, waren bie &of)en$ou*ern ofyne ^uoerläfftge
33erbinbungen unb otme fixeren SRücfljalt, burd) weitauäfefyenbe
Slnwartfdmften in bie entgegengefefeteften 3ntereffen oerflodjten,
unfähig if)re in biplomatifdjer SSetriebfamfeit gewonnenen Stedjte
aud) mirflia) 31t oertreten. 3m eigenen Sanbe waren ftc in
brüefenber 2lbf)ängigfeit oon ben Stäuben. $er Langel an
fdinell oerfügbaren finanziellen unb militärtfd&en Mitteln ntadjte
jebe 2lftion naä) aufjen unmögltd). Unb nun Ijatte gar beft
$erftor6enen unfürftlidje Sorge um bie 3luöftattung feine«
(Srftgeborencn aus ^weiter (Sfje gegen 9icicfj&= unb gamilienredft
eine Teilung ber Warfen oerfügt, bie baö Sanbeöfürftentum
üottenbfi jur Ofjnmadjt ju oerurteilen brof)te.
$afj er bieje ©efafjren erfannte unb abwehrte, barin liegt
3oad)im griebridjä SSerbienft. $war warb ^ m ^ n üoDcv
®rfolg; bodf> §at er ©rofjes geleiftet. Seit 3oad)im II. mar
eft mit Sranbenburg abwärts gegangen : 3oadj im griebrief) *>at
bem einhält getfmn unb bes Kaufes unb ßaubeö ßufunft be=
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270 3 rociteg ® u $- ® tc cr f tc fjoljenjotternfäe «taatsgrünbung.
bad)tfam unb oorfid)tig, aber flar unb fonfequent tnit bcn auf:
toärts ftifjrenben Momenten bcr beutfd)en Gnttoieldung oer*
fnüpft. Ungetoölmlid) begabt war aud) er nidjt unb ftdjer fein
Staatsmann großen Stils. 2lber im 23eftfc einer guten, audjj
flafftfdjcn SBilbung unb ein Jreunb ber frönen SSMffenfdjaftcn,
tjatte er genug gefunben SRenfdjenoerftanb unb offenen ©lief
für bie gegebenen 33erf)ältniffe, um fidj flopf unb &erj frei ju
galten oon bem fonfeffionellen @ifer, ber feinen SBater befangen
Iwtte. 3n ben langen 3 a () rcn / b* e * r <*te re if er 3Watm ber
oerfefjrten güfjrung ber Staatsgefdjäfte untätig fjatte jufefjen
muffen, waren ifjrn SBefen unb 93ered)tigung ber miteinanber
ringenben geiftigen (Strömungen aufgegangen, banf ber freieren
Suft, bie er in ÜHagbeburg atmete, inmitten oielgeftaltigerer,
betoegltdjerer SBerbältmffe, bie feine lanbcsoäter(id)en Talente
5u üoßerer Entfaltung brauten. 3m SBerfefjr unb in gemeim
famer 3lrbett mit Scannern, bie Staat unb flirre nidjt oon bem
befdjränften märnfdjen Stanbpunf te auffaßten unb ifjre Aufgaben
nidjt ausfajließlidj nad) bem f>of)enäollernfdjen ^rioatoorteil be=
maßen, toie namentlich bem frühreifen, getoanbten unb energi=
fc^en 3o()ann oon £öbeu, ber nun aud) in ben märfifdjen fingen
fein oorneljmfter Berater rourbe, toar ifjm juerft bie Slljnung auf=
gegangen, baß fein $aus eine 3 u ^ un f * allein im ?lnjd)luß an
bie freier aufftrebenben, tfjätigeren unb entfdjloffeneren SRefor;
mierten gewinnen fönne. 2)en Uebergang in biefen neuen Kur«
ooü>g er anfangs mit einer geroiffen stoeifelnben Sefjutfamfeit,
bann mit toad)fenber @ntfd)loffenf)eit, mein* auf ©rfjaltung bes
Seftebcnben als auf (Srfämpfung neuen ©etoinns bebaut, in--
bem er im ^nnern ber Sibcrtät entgegentrat, nadj außen, oon
ber faifcr(id)en ^olitif gelöft, ftdj ben 2Häd)ten anfd>toß, bie
fidj tücr)t ofyne 5lampf ber fatfjolifdjen ^eaftion beugen wollten.
Gr toar bereits 52 ^aljre alt (geb. 27. Januar 1546), als
er jur Regierung tarn. (Sben fiebeniäbrig (1553), mar er auf
bes Katers ^Betreiben jutn N 33ifdjof oon &aoelberg gemadjt,
um feinem £aufe bie Ginfttnfte bes Bistums $u fia^ern; 1555
tjattc er bamit bas 23istum Scbus oereiuigt; mit jroangig
3afiren toar er Slbminiftrator oon Sttagbeburg getoorben. Tiefer
angelegt als $ater unb ©roßoater, fdjeint er bas Ungefunbe
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I. £ie ftoatli^c 9teuorganifation ber SWarfen. 271
unb ffiiberfprudfjöoou'e bicfcr Stellung mefyr empfttnben $u
l>aben. 2öäf)renb jene um toeltlidjer Vorteile roiflen baö f>er=
oorfioben, maß bem reinen #utf)ertum mit ber alten tfirdjie
gemein mar, fudjte er oielmegr burdf) ©efeitigung ber fatljo;
lijefjen 9iemtniöcenjen biefem Sroitterjuftanb ein Gnbe 511 machen.
Sen feit sroanjtg Sauren gefd)lof?enen SHagbeburger £om öffnete
er bem coangelifdjen ©ottesbienfte. Tat ©leidje ttyat er 1589
in $aHe. £urd() 2öteberaufnaf)me ifjrer in «StiÜftanb geratenen
Reform führte er bie fllöftcr ber oerbienten Sluflöfung ent=
gegen, ©eine 23ermäf>tung mit ber jüngeren £od)ter 3of)annft
oon Äüftrin oernid)tete ben trügerifcfjen Sdjein feines angeblichen
geiftlia>n 6tanbefi : es mar ber erfte gaH ber 2lrt im Reidje.
3u ben $eref)rern ber iRonrorbienformel gehörte er nidjt: er
naf)tn fie erft an, als ber SHagbeburgifcbe 2lbel ifmi anberen-
falls ben (Mjorfam aufsufünbigen brot)te, unb galt ben ilxitfc
ranern als oerfappter Galoinift. 2lud) ocrfammclte er gleidf)
nadj feinem Regierungsantritt ctlid»e Räte unb angefeilte märs
fifd)e ®eiftlidje unb tr)at ifynen funb, es foHe ^mar an ber reinen
2lugsburgifd)enflonfeffion unb ber ftonforbienformel feftgefialten,
sugleid) aber eine Reiljc oon fatr)olifct)en 23räud)cn abgefdjafft
werben, bie in bcr märfifdjen tfirdje fid) enttoeber erhalten ober
roieber eingefeblicben batten, toie bie Gleoatton ber $oftie unb
bes Jleldjeä beim 2lbcnbmaf)l, bas 2lufl)ängen einer fernen
Saube beim ^ftngftfcft, bie ^rojeffionen auf ben ftird&f)öfen unb
anbercs mein*. ü)Ut ber Gntlaffung Gfjriftian SMftelmencrs aus
bem .Hanjleramtc, bie megen feines Anteils an bem £eftamente
3of)ann Georgs erfolgte, oerlor bie ftrenglutfjenfdje Partei i^re
$auptftüfce. Grfefet tonrbe er burd) ben eben ^7jäl)rigen 3o^ann
oon £öben: er roirfte bereits im SJiärj 1598 bei ber 23erltner
ftirdjenoifitation neben bem nod) oon 3of)ann Gieorg 311m @eneral?
fuperintenbenten berufenen Gbriftopf) ^>elargus (b. i. ©tordj,
geb. 15:55 in Sdjioeibnifc), ber eine oerföfjnlidje Richtung oer=
trat. Sie «ifitation oon 1C>00 beseitigte toentgftens bie iibctftcn
golgen ber fntt)orificrenben &albt)eit 3oad)ims II. unb machte
(Srnft mit ber Surdjfüfjrung bcr eoangelifcfjen ^rinjipien. 2tudj
erf(ärte 3oadjim ftriebrid), jroar bleibe bie tfonforbienformel
für ben Sefcnntnisfianb beö Sanbes mangebenb, fönne jebodj
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272 3 roe i* e 3 Wud). £ie crftc Ijo^enjollernfdje Staatsigrünbung.
it)n in feiner Ueberjeugung nidjt btnben, unb als man ihm
Dorfyielt, er bulbe Galuiniften unter feinen Nöten, meinte er,
bas feien ruhige, friebfertige £eute, meiere bie ihnen über;
tragenen Singe gut beforgten. 9lber ber märfifche 2lbcl fannte
ftc aud) als ©egner ber fiibertät unb trat bem neuen Negi=
ment beshalb balb offen entgegen. Noch mar bie #rage nach
ber (Mttgfeit uon 3of)ann ©eorgs Seftament nidjt entfdnebcn:
bas erflärt bie ßugcftänbniffe, bie Joachim >vricbrtcr) bem hart-
herzigen Suthertum unb ber ßtbertät feiner Stäube machte.
93ei bem oerroegenen Spiel, bas bie (Gegner im eigenen £aufe,
namentlich bie Stiefmutter, trieben, galt es jeben 9lnftofe auf
einem (Gebiete ju oermeiben, roo religiöfer (Sifer fo lcid)t jum
Secfmantel politifdjen greuels roerben fonnte.
Noch am Sterbebette bes SBaters hatte Joachim griebridj
bie 2lnerfennung bes Scftaments uerroeigert. Sic gleite
flärung roieberholte er beim Regierungsantritt: entfchloffen
njar)rtc er gegenüber ben eigennüfetgen SBünfdjen ber jüngeren
Sinie bas Nedjt bes Staates unb bes ©efamthaufes. Nur bie
Stäbtc ftanben babei $u ihm: aud) fic erwarteten von ber
Seilung nur ^rcüttung uno ben gaü bes .paufes 33ranben=
bürg. Sic oberen Stänbc, bie fid) cinft auf befragen Qohann
©corgs ä^nlia^ geäuftert tjatten, gelten fich jefct jurücf: bie
Sispofitionen bes oerftorbenen föerrn feien ihnen nicht näher
befannt. (Sin ©lücf, bafc ^oac^im ftriebrid) burd) Nachgiebig^
feit in bem SWagbeburger Sefftonsftreit roenigftens ben tfaifer
geroonnen t)atte : biefer erflärte jefct, er tyabt bas ifjm oer=
fdjloffen eingereihte Seftament beftätigt ofme Kenntnis bes
3nhalts unb unter ausbrüdlidjer SSaljrung ber baburd) etroa
gefährbeten Rechte britter. 2lud) gemährte ber ßurfürft, flug
unb grofchcr^ig jugleidj, feinen Stiefbrübem für bas, maß
ben älteren tum ihnen burch bie Ungültigfeit bes Seftamcnts
in ben 2ftarfen entging, reiche (Sntfchäbigung in ^raufen. Nach
bem 2ldjiHeifdjen .ftausgcfefce füllten, roaren fämtliche Sanbe
bes Kaufes in ber £anb eines äurfürften mit mehreren Söhnen
Bereinigt, beffen sroei auf ben tfurprinjen folgenbc Söhne mit
jroei in granfen 3U errichtenben Sefunbogenituren oerforgt
roerben. Siefer Tvaö trat ein, roenn ber Öubcrnator Greußens,
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I. £ie ftaatlic^e Wcuorgamjation ber Warfen.
273
^arfgraf ©eorg griebrid), ber gur ,3 C ^ a &*e fränfifdjen ßanbe
tnne f)atte, ftarb unb nad) SUbredit griebridj oon Spreufjen
3oadnm grtebridj fein ©rbe würbe. Sann f)ätte bicfcr bic
fränfifdjen Territorien unter ben ^weiten unb britten oon feinen
fünf jüngeren Söhnen, 3o^ann ©eorg (geb. 1577) unb Sluguft
(geb. 1580), gu oerteilen gehabt. 3luf biefes SRed&t oersid)tete
er ju ©unften feiner beiben «Stiefbrüber. ©ern bot ber alte
©eorg grtebridj, me^r als einmal in jenen 3afyren ber gute
©eift bes Sofienjoßernfjaufes, baju bie $anb. Sdwn im 3wni
1598 ocreinbarten feine SRäte mit benen bes ßurffirften in
©era, es foflten nad; ©eorg griebridjs Xoh bie fränfifdtjen
Sanbe ftatt an ben fccrjog oon Greußen unb bann an 3oadjim
griebridj an bes lefcteren ©tiefbrüber (SfjrifHan (geb. 1581)
unb 3oad)im Grnft (geb. 1583) fommcn, unb $mar an erfteren
$aireutf), an (enteren 2lnsbad). $)iefe SReoifion bes 2ld)ißeifd)en
&ausgefefceS fieberte enbgültig bie ftaatlidje (Sinfjcit bcr Warfen,
demgemäß beftimmte bcr Vertrag, ben 3oodjim griebridj unb
©eorg griebridj auf ©runb ber ©eraer SSereinbarung am
29. 2lpril 1599 perfönltdj in 2)tagbeburg abfdjloffen, es foße
„ber ©olbenen 93uße nad)" „bie 3JJarf unb Äurbranbenburg",
„wie bie in ifjren Greifen begriffen, foroor)t bie 2Ut=, Littel-,
U(fcr= unb 9ieumarf, als aud) bie ^riegnife, ©raffdjaft SRuppin,
Sanbe ju (Sternberg, ©errfdjaften Cottbus, ^eifc, 3°ffc"/ <5t0X'
fow, Seesfow u. f. w., in gleidjem bie Bistümer ©ranben;
bürg, &aoelberg, fiebuS mit aßen tyren Sanben, 2euten,
6d)löffern , Stäbten u. f. w. , in <Sonberf)eit SBernigerobe,
Wernburg, ©ajwebt unb SBierraben" nebft aßen zugehörigen
Sftedjten unb (Sinfünften, famt bem ©erjogtum troffen unb
aßen erlangten „SInwartungen", nämltdj Bommern, SJlecHen;
bürg, ©olftcin, 2lnr)alt, 33raunfd)meig^üneburg unb ben et)e=
mal« oon Sranbenburg lefjensabfjangigen ©ebieten aße 3 C ^
bem flurfürften oerblciben unb in feinem &aufe ungeteilt nad)
bem SRedjte bcr ©rftgebnrt ©ererben, wofür er bie SSerforgung
ber jüngeren ^rin^en feines Kaufes übernahm. Sagegen foßte
naa) bes 9Jiarfgrafen ©corg grtebridj Xob laut beffen un-
weigerlich ju refpeftierenbem Xcftament „bas gürftentum bes
Surggrafentums $u Dürnberg" mit aßem Subtfyöx, nad) ben
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274 3™»te6 öu$. £ie crfte tjofjenjoHernfdje etaotögrünbung.
(Gebieten ober; unb unterhalb beß (Bebirgeß gefonbert, unter
3oa$im griebridjß Stiefbrüber Ghnftian unb 3oG$im @rnft
ju erblidjem SBcftfc oerloft werben, bie Sergmerfe aber unb baß
fatferlidje Sanbgericht 3U Dürnberg gemetnfdhaftlicher 93efifc
beiber Sinien bleiben. Sagegen foHte Greußen an 3oadum
griebrid) unb beffen Nachfolger fommen, unb Sägernborf, baß
®eorg griebrieb febon 1596 bem flurfürftentum oermadjt hatte,
an beß Äutfurften jroeiten <Sof)n 3°h an " ©eorg, befien SRücf=
tritt vom Strafjburger 23ißtum nur eine grage ber 3ett war,
mit bem SRed)te beß Unfalls an 23ranben6urg. 23on ben jüngeren
©rübern rourbe einem jeben, fofern er nidjt irgenbroie befonberß
uerforgt mürbe, eine Slpanage von 6000 £f)alern jährlich ju=
gefiebert, unb einem oon ihnen ftatt ihrer baß &errenmeifter=
tum ©ranbenburg, „boch mit bem außbrüdlidjen SSorbetjalt ber
s #roteftion unb Roheit". 2lud) bie Häupter ber fränfifdjen Sinie
foUten ähnlich für it)re jüngeren ©ofme forgen, beim gehlen
joldjer aber ben Unterhalt ber zahlreichen branbenburgifdjen
^ringen übernehmen. $or eintritt in ben ©cnufe biefeß „Sepu=
tatß" foflte ^infort jeber ^oben^oHcr ftcb burd) einen SReoerß
ju roiberfpruchßlofer Beobachtung beß SKduHeifcben &außgefe|eß
unb beß ®eraer Vertrages oerpfltcbten. Sie „geborenen Södjter
unb gräulein in ber SJiarf" foüten oon bem jebeßmaligen
Äurfürften, bie „im gürftentume beß öurggrafentumß ju DJürn^
berg" uon ben bort regierenben Herren unterhalten unb bei
ihrer Verheiratung außgeftattet werben, nad)bem fte auf jebeß
Erbrecht Deichtet.
2Beld) anberer ©eift fprad) auß biefen Abmachungen !
Statt nad) neuen Sntoartfcgaften außgufdjauen unb auf Soften
ber ftaatlicben Einheit bie jüngeren ©öbne $u oerforgen, fieberte
3oad)tm griebridj bie 3 u ^ un ft Der Warfen bureb ben Verzicht
auf Toor)t begrünbete 9Redjte unb bewahrte fo bie &ohen$ol!ern
oor ©efahren, benen in ber golge mehr alß ein beutfdjeß
gürftenhauß erlegen ift. Sagegen blieb baß (Srgbißtum s JWagbe=
bürg fürß erfte in hohen joDernfa^em 23efife. 31 Iß ber Äurfürfl
gemäß feiner 3^9* nad) bem 9iegierungßantritt bie Slbmini-
ftration aufgab, folgte ihm fein jüngfter Sohn ai;rifttan 2BiI=
heim (geb. 1587), ber auch oom tfaifer beftätigt rourbe.
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I. Sie ftaatUd>e 5ieuoraanifation bcr Warten.
27f;
$arin wof)l barf mau bie erfte Söirfung oon 3oad)im
griebridfjs entfdjjloffener Haltung erblicfen: bcr faiferlidjje §of
crfanntc 23ranbenburg wieber als einen gaftor, mit bem man
rennen mußte. $enn mit @ntfdf)iebenf)ett fteOte eö fia) in ben
Sienft ber eoangelifd&en @ad)e. @ö mar woljl nur ein 311=
geftänbnis an ben reizbaren ftänbifdjen ©laubenseifer, wenn
in bem §auöoertrage für alle branbenburgifdfjen Sanbe bie 9(uf=
redfjtertyaltung ber eoangelifd&en Scl)rc „of)ne päpftifd^en, calci*
nifiifcfjen ober anbern JJtrtum" oerfprodjen unb gar beftimmt
mar, falls einer oon ben ÜJlarfgrafen „fid) eines anbern unb
mibrigen unterftefje, foflten bie anbern i^n baoon abweifen unb
fold&efi feineöwegft oerftatten". $er blöbe Galoiniftenf>afj Sifiel--
menerö mar ber neuen Regierung fremb, unb bic SInnäfjcrung
an jene Seite, bie 3of)ann ©eorg bie $erf)ältniffe aufgezwungen
Ratten, würbe jefct aus freier Ueberjeugung weitergeführt. 3m
3uft 1599 nahmen 3oaa^im griebridfja töefanbte an ben SBer=
f)anblungen teil, ju benen gricbric^ IV. oon ber $fal$ ju grieb*
berg in ber SBetterau etliche eoangelifdje Surften oereinigte,
um angefidfjta ber Vergewaltigung Sladfjenö gemeinfame 3lbroef>r
ber fidt) f)äufenben faiferlidfjen unb fatfjolifcfjen Uebergriffe 311
ertoägen. Sludj an ber 9ledjtsoertoal)rung beteiligte jid) 33ranbem
bürg, bie im Oftober 1600 ju granffurt gegen bie Äompeten^
überfdjjreitungen bes faiferlidjen &ofrats betroffen rourbe.
Sßenn 3oad)im griebricr) junäd^ft nic&t oiel erreichte, fo
oerfdfjulbeten bas bie Sdfjmierigfeiten im eigenen ßanbe. 3n
bem richtigen ®efüf)l, baß biefer (Saloiniftenfreunb it)rer Siber*
tat feinb fei, begegneten if)m bie Stänbe oon 3lnfang an mit
Mißtrauen. 2ludf) fefcte 3o a $wt griebrid!) gerabe ba ein, 100
bie fteigenbe ftriegsgefafjr 2lbf)tlfe befonberd erforberte, inbem
er bie 5triegßbienftpflid(it be$ 2lbel§ ftraffer anjietjen wollte. (£r
mar jwar fein Solbat, modjte er audf) 1560 in Ungarn gegen
bie dürfen 51t gelbe gelegen fwben. Seine 9Jtofena(jmen waren
meljr politifa)er als militärifajer SHatur unb richteten fief» jum
Teil aud> gegen ben ftaifer. Seit 3af)ren naf)m biefer bie
finanziellen Wittel ber Sanbeöeingefeffenen, bie bem Sanbeä^
berrn jur Stärfung feiner 2öef|rfraft Ratten bienen fönnen,
unmittelbar für bao fReirf) in Slnfprudf), unb bie Stänbe ließen
I
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276 3 ro eit c * 35tc erftc l>o(}en}oUernfcf)e otaotögrünbung.
gern il)re Sibertät fo mit bem 3 n tcreffe bes &aifer$ oerfnüpfen,
ber 33ranbenburg militärifdfj möglidjft fd^road^ ju fe^en roünfctjte.
Tier märfifd&e 2lbel braute auf ©runb ber Sef)ensbienftpflicf)t
bamals wirflid) mdjt tnef)r auf als 1000 3)iann ju ^Pf erbe ;
bie Stäbte [teilten noa) feine 4000 2Rann su guß. $as war
außer 93erf)ältnis *u ©inmofmersafjt unb Söoblftonb ber 3Rarf.
«Seit 3of)ann Weorg bie große üflaffe ber länbltdjen 93et>ötferung
aus ber unmittelbaren Sßerbinbung mit bem Staate gelöfi
unb ben abtigen (Butsf>erren überantwortet Ijatte, ging audfj
bie ftraft bes ber Unfreiheit oerfallenen märfifcfyen 33auern ber
£anbesoertcibigung verloren. $a 2lbel unb Stäbte nur inner=
Ijalb ber ^anbesgren$en jum Söaffenbienft oerpflidjitet waren,
fehlten überhaupt bie ^Wittel gu einem Kriege außer Sanbes.
Tenn an (Selb, um Gruppen ju werben, fehlte es erft re<f>t.
So f)ing an biefem einen fünfte alles, bie gina^en, bie SBe^r^
traft, bie auswärtige ^olitif: nirgenbs tonnte 3oadf)im grieb--
rtdj f)anbeln, wie es bas 3ntercffe oon £aus unb Sanb er;
forbertc, überaß faf) er ftdj buraj bie Stänbe gefunbert. SJftt
iljnen galt es fid) auseinanberjufefcen. So trat er audfj r)ier in
einen ausgefprod&enen Öegenfafe 311m $ater, beffen Xeftament
bafjer leidet oon ganj anberer Seite gegen ifm benufet werben
tonnte. Das alles machte feine erften fünf 3aljre ju fer)r forgen=
ooßen. 316er in ifjnen oolljog fidf) audfj bie rettenbe Grifts.
9öie fie mit i^r geftiegen, fo würbe mit ber ©odfjflut bes
&utf)ertums aud) bie ftänbifdje Sibertät in bie attju lange übers
fpülten Dämme jurütf gebrängt.
3obann ®eorg r)atte 600 000 Sfjaler Sdjjulben Ijinterlafien,
war aud& mit (Sinlöfung ber Domänen nid&t weit gebieten. @s
mußten alfo außerorbentlid&e Littel befdfjafft werben. Die Söege,
bie 3oad(jim grtebridj ba einfd&lug, finb cfyarafteriftifdf) für feine
ganje polittfd&e Stiftung. 2öeber bie Stäube insgefamt, nodjj
ben großen 3lusfdf)uß berief er 1598, fonbern nur aus jebem
ber brei Greife oier oon ifmt ernannte „&mbräte". Das galt
als Attentat auf bas ftänbifdfje SteuerbewiHtgungsredfjt, unb
es war ein offenes Slnerfenntnis feiner Wteberlage, baß er 1599
ben großen SHusfdjuß berief. 3uoerfia)tlia) trat biefer auf, oer^
langte Äufifunft über ben „Vorrat", ben Soljann ©eorg ijinter*
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I. 2)ic ftaatli^e 9lcuorganifation ber Warfen.
277
(äffen ^oben follte, unb wollte cor jcbcr Bewilligung feine im
tarnen ber ©tänbe oorgetragenen gorberungen erfüllt fjaben.
3(n ihrer ©ptfce ftanb im Einflang mit bem $f)arifäertum
biefer ftänbifc^en föerrlichfeit bie Erhaltung Dcr reinen Scfjre,
baö Reifet nicht blofc erneute feierliche Slnerfennung ber luthe^
rifdjen Kirche als ber Sanbeöfirdie, fonbern auch Einführung
einer ftänbifd^cu 9JiitfontroHe über Äirche, Sdjule unb Umoerft;
tat, ja über bie Pfarrer lanbesherrlichen ^atronatö unb bie
9?ed)tfpred)ung ber Äonfiftorien. $te fürftliche ©eridjtdbarfeit
follte gefürjt werben burdj Schaffung eines ftänbifchen 3lppeHa=
tionfirateö als britter 3nfta"ä für bie ^kioilegierten, 511 gleiten
teilen aus ftirftlichen Späten unb Vertretern ber Prälaten,
Herren unb SRitterfchaft beftefjcnb. 2Seitcr überreizte ber 2lufi=
fdjufe ben Entwurf einer polijeiorbnung unb SanbesfonfHtutton,
burd) beffen Annahme alles als ju !Wed^t beftebenb anerfannt
worben märe, was über bie bem 2lbel 1572 gemalten 3 u Ö Ci
fiänbniffe hinaus von ben ©runbherren an wittfürlidjen 9ieuc=
rungen $um 9iad)teil ber Säuern unb Kleinbürger eingeführt
mar. damit follten bie Schränken niebergeriffen werben, bie
Xtompredjt Stftelmewer ber wiberrechtlichen Erweiterung ber
Slbelsmadjt r)attc fefcen wollen, inbem er burch bie Sammlung
von Sfcäjtäfprüdjen ben bermalen geltenben 3ufianb feftfjielt
unb zugleich bas Material p einem einheitlichen märhfehen
^anbrecht gewann. Obgleich untwtlenbet unb auch *>on feinem
<5ofm als ungeeignet jur Publikation jurücf gehalten, fyattt bie
Slrbeit boch burch abfehriftliche Verbreitung eine Autorität ge;
wonnen, bie ben abiigen ©runbherren gelegentlich unbequem
würbe. 2lm fraffeften aber offenbarten bie ©elbftfudjt biefer
Herren ihre wirtfehaftlichen gorberungen: für ihre ^erfon
wollten Tie frei fein oon allen 3tuö= unb Einfuhr: unb oon
allen Sanb; unb 2öaff ereilen, unb bie SBirtfdmftSpolittf follte
ausfchtte&lid) ihren ^ntcreffen angepaßt werben, £a$u fam
bann fchliejjltd) bas Verlangen nach auäbrücftidjer 3lnerfennung
bes ftänbifchen ©teuerberoilligungsrechts : nur bie im £anb=
tage oerfammelte ®efamtf)eit ber Stänbe ober ifjre ben großen
Husfdjuft bilbenben deputierten follten ba$u befugt fein. 2)afj
hier ber erf)roerpunft ber ganjen Slftion lag, jeigte jehon bas
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278 3 rocitcö erfte l)ofjeny)Uernfd)e Staatögrünbung.
$atfmö, mit bem bie Herren ben fturfürften „bei allem Seuerften",
„als $ater bes SSaterlanbes" befdjrooren, in biefem fünfte,
„von bcm redjt eigentlich bcö SanbeS ©cbeifjen unb SSerberben
abfnng", feine unoerantroort tiefen Neuerungen, mte er 1598
oerfudfjt fwtte, einsufüfjren, benn man mürbe fief) folgen nietyt
fügen unb fein efjrlid&er 3ttann fid& baju gebrauten tajfen
fönnen.
3oad)im griebrid) unterliefe nid)t, fotdje 3umutungen ge-
bü^renb jurüdfäuroeifen unb bie ©runblofigfeit ber erhobenen
©efd&roerben barjutfjun, jeigte audj, roie er $u Reifen unb 511
beffern oerfudfjt f>abe, aber roegen mangelnber 33eif)ilfe ober
gar fernblieben ©egenroirfenö ber Stänbe nichts erreicht Ijabe.
2)ennod) berief er ben großen ^lusfcfmfe im Oftober 1599 nod):
mate. befdjroor Diefer gar baä Sdjredbilb ber fokalen
föeoolution herauf: bei ber allgemeinen Notlage fei ein 3luf;
flanb ber Sauern unb 93ürger unoermeiblid). Neue «Steuern
feien ganj unmöglich ; trofc TO&roaeH s $eft unb Neuerung Imbe
baä fianb in ben legten 3a^rje^ntcn an Abgaben mein* ate
jebeft anbere getragen. $tefelben abtigen Herren, bie ji$ feit
einem Sttenfdjenalter auf Soften bes gemeinen Sflanneö bt-
reiherten, warfen fid) p(ö^ticr) ju beffen Slnroälten auf unb
fonnten bie Sage nidjt erbärmlidf) genug fdfnlbern, roäfjrenb baft
üanb ftdr) t^atfäa^Iia^ behäbigen 28of)lftanbö erfreute. 9lebliä)
bemühte fidj ber Äurfürft um einen 3$ergleid&: er legte ben
Greifen ben (Sntrourf einer ^olijeb unb Sanbeöfonftitution ftur
Segutad&tung cor, trat audj ber (Srridjtung beä gemünfd&ten
3lppeüationöratefi näljer. 2lber roeber mit bem einen nodj mit
bem anberen fam er jum 3iel. Nid&t blofj, ba& er ben 33auern=
ftanb gegen ben 2lbel $u fd)üfeen fudjte, mürbe ifmi bitter oer=
bad&t: als ein Attentat auf bie Sanbeöoerfaffuug faf) man eä
an, bajj er babei nodjmala oerfud&te, bie ferner ju be&anbelnbe
(Befamtbeit ber Stäube burd£> eine fteine 2lnjaf)( gemäfflter
Vertreter ju erfefoen. 2öie weit bie Söfung ber ftaatlidjjen Orb^
nung bereits gebieten, mie tief bie lanbeöljerrlidje Autorität
gefunfen mar, bemied bie Xf)atfa$e, öaß bas Äonftftortum fid)
unterftanb, feinerfeitfi bie ©täube barauf aufmerffam ju machen,
in ben furfürftlidben ^ropofitionen fei bie flonforbienformel
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I. £ie ftaatlidfe fteuorganifation ber 3Rarfen.
279
nid^t ausbrücflich erwähnt, roäfjrenb ber Galoinifimuö am föof
unb im Sanbe Soben geroinne. tiefem 3 u t a nimenroirfen lutf)e=
rifchen ©tfcrs unb ftänbifcher £ibertät mußte Joachim Sriebs
rieh weichen: rooHte er es nicht $u offener Rebellion fommen
laffen, mußte er ftdt> beugen unb untertreiben, mas man ihm
oortegte.
Senn je länger biefer 3ufianb bauerte, um fo größer
mürbe bie ©efafjr. $m deiche brohte ber Ärieg; in Greußen
galt es, bei bem nahen @nbe beö ©ubernatorft fdjncH ju ^an=
beln; bie Sültch-ßleoefche Sache rouchs $u ungeheuren SMmem
fionen. Unb babei mar bie $eftament$* unb Xctlungsfrage trofe
beö ©eraer unb bes 3)lagbeburger Slbfommens noch nicht enb-
gültig geregelt. 9todfj Ratten Joachim griebrtchö Stiefbruber
ftdf) nicht einoerftanben erflärt, noch bie älteren oon ihnen nidf)t
auf bie aus bem väterlichen Sefiament erlangten fechte oer=
jic^tet, noch gab ihre ehrget$ige SRutter bie Sache nicht oer;
loren. $on Siroffen, ihrem äBttroenfife, aus marb fie bei ben
benachbarten $öfen unb in $rag um fitlfe. 3n bem auf:
fäffigen märfifdjen Slbel erftanb ihr jefet ein Söunbefigenoffe ;
namentlich in ber 9'Ieumarf, mo bie Erinnerung an bie guten
3eiten beft 3Harfgrafen 3ofjann fortlebte, fchien man bereit
ju hobeln. 2lttes hatte fid) gegen Soadjim grtebrich oer-
jehmoren. ÜJZur ein fchneüer Gntfchluß tonnte bie brohenbe
Bereinigung feiner ©egner hindern: es galt bie einen ju ge^
roinnen, um ben anberen &alt $u gebieten. 3)as ging nicht
ohne Opfer. Joachim griebridj braute fie im ©ebiet ber inneren
^olitif, um ber auswärtigen alle "äflöglichfeiten ^u mahren : er
Belichtete auf bie ©infehränfung bcr Stänbe unb machte mit
ihnen feinen grieben.
3n bem froren ©efübl biefes Sieges ftrömten im gebruar
1602 über 1400 «Prälaten, Herren, bitter unb ftäbtifche 9lb=
georbnete in Berlin jufammen. £er Erfüllung ihrer gor=
berungen maren fie um fo ficherer, als fie bem gefchieften unb
überjeugungstreuen Vertreter ber lanbesherrltdfjen ©erechtfamc,
bem ßanjler 3of)ann oon £öben, in ihrem Sprecher, bem 2)iref=
tor ber mittelmärfifchen Öanbfchaft, 2lbam oon Schlieben, einen
ebenfo geroanbten unb fchlagfertigcn, roie politisch feinen unb
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280 .3»eüeS 8ud>. $ie crftc fjoJjenjolIernföe etaatögrünbimg.
befjarrlid&en 93orfämpfer entgegenfteflten. $od) ging es nidjjt
ganj fo glatt, wie manche erwartet fjaben motten : über jroci
SDtonate würbe gcftrittcn unb gefjanbelt. 3 roar ß c fe DC * Äur=
fürft in ber (Sröffnungsrebe, bic burdf) cinftimtnigcn 33efdjluf$
fämtlidjer SRäte feftgeftellt war, bcn Äan^lcr erflären, er fei
bereit, bie Sortierungen ber ©tänbe jefet $u bewilligen, unb
aud& ber flurprinj folle fid& bafjin für bie 3«fw"ft oerpfltdf)ten.
©afi aber genügte ben ©täuben fdfjon ntdjt mein*. £>ie 9Wit=
auffidjt über ©d)ule unb äird)e erfdjien ifmen jefct ntd&t als
ausreid&enbe ©id&crljcit gegen bas Ginbringen bes ocrljafetcn
GaloinismuS : „um wahrer föidjtigfeit" willen fottten ben
tfonfiftorialräten etlid&e com Slbel jugefellt werben. SBeil bie
Üanbesfjerrfdjjaft fiä} in ber legten $t\t gelegentliä) ber dauern
angenommen fjatte, oerlangten jefct biefelben Herren, bie bes
gemeinen HWannes ©adje erft nid^t rüfyrfam genug fjatten bar-
fteQen fönnen, baft f örperlid)e ^üdjtigung bie mutwillig f lagenben
Säuern treffe ; fle foQte aua; gegen bie in Slnwenbung gebraut
werben, weldje bie Untertanen gu grunblofen klagen anftifteten.
£abei oerwafjrten He fidf) oon neuem gegen bie Serbinbltdjfeit
ber $iftelmeuerfd)en lanbredjtlid&en Sammlung. 2öie bas ßanb=
reajt ausfallen würbe, bas biefe ©efefcgeber fdjufen, liefe fta>
oorausfefjen. 2lber nid&t genug bamit : eine SReifje oon untere
georbneten Sefdjjmerben ber ©tänbe würbe einem ©djiebsgeridjt
oorbe^alten, beffen ©prudj) ber ßurfürft fidjj gum ooraus unter-
warf. SBenn er aber babei bie Erwartung ausfpradjj, bie
©tänbe würben fidj weifen laffen unb nidfjt oergejfen, bafe fie
nidjt mit ihresgleichen, fonbern mit iljrem Sanbesfjerrn oer*
banbelten, fo fonnte bas Ergebnis bes ^Berliner £anbtages oon
1602 bei ifmen nur geringe Neigung baju erzeugen. $enn
in biametralem ©egenfafe ju bem, was er bei bem Seginn ber
33erf>anblungen mit ben ©tänben 1598 erftrebt Ijatte, mußte
3oad)im grtebrief) jtdjj oerpflidjten, nid&t neue ©dfjulben &u
machen, ofme Suftimmung ber ©tänbe weber ©teuem aufeu=
legen, nodj etwas oon £anb unb beuten $u oerfaufen, §u oer=
pfänben ober fonftwie $u oergeben unb fid) jebes Gingriffs in
bas ftänbtfdfje ftrebitroerf ju enthalten, Slusbrücflid) mufjte
er auf jebe einfeitige 3lenberung biefes ober eines fonft ben
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I. 3)ie ftaatficfje ^euorganifation bcr Warfen.
2S1
Stänben bewilligten SReoerfeö Oermten, dura) Unterweid);
nung unb Unterfiegelung biefer (Srflärung banb fid) audf) bcr
flurprinj. Unb bic ganje ©egenleiflung beftanb in ber lieber*
nafjme ber oon 3of)ann ©eorg fjinterlaffenen 600 000 Xbaler
Sdjulben burdj) bie Stänbe!
Sdnoer trafen bicfe ben abiigen Herren gemalten toirt=
fd^aftlid&cn 3ugeftänbnijfe bie Stäbte. Wdjt genug, ba& bei
ber Verteilung bcr bewilligten Steuern ber Slbct aud) jefet bie
ßauptlaft auf bie Stäbte unb baö übrige auf feine Säuern
unb dienftleute abmähte: er liefe fid& aud) gleidj Befreiung
oon allen fünftig ju berotHigenben Steuern, fowie oon ben
widjttgften inbireften Abgaben oerbriefen. den gröfeten Un=
willen aber erregte eö bei ben Stäbten, bafr bie Herren, oon
aßen £anb= unb SBafferjölIen befreit, (Betreibe, Sßode, föanf,
3ladjs unb alle anberen lanbwirtfdjaftlidjen ^robufte auffaufen
ober auffaufen (äffen unb bireft ausführen unb ebenfo if)ren
Sebarf an fretnben SBaren oon im £anbe umf^ersieljenben auö=
länbifd&en ßänblern faufen burften. $aö galt bamalö als ein
gewalttätiger eingriff in bie ben Stäbten gebityrenbe „9?af>;
rung". 9ioa) Sd)limmereß war ju erwarten, wenn bie Sdjliefiung
beö £anbes, baö f)eif?t baa Verbot ber Slußfu^r, baö gelegene
(tdtj jum Vorteil ber Stäbte erging, fnnfort in bem Setieben
be8 grofjen 2lusfd)uj?e8, baö Reifet beö 2lbels tag. die 9Sor=
fteßungen ber ftäbtifdjen deputierten blieben oergeblidj, oer=
gebliä^ it)rc ©rflärung, bafj bie Stäbte nun neue haften un=
möglid) äbernebmen fönnten, oergeblitf) ifire Sitte, fie it)rcö
Auftrags ju entbinben unb burdj furfürftlidje Ernennung tüa>
tigere unb qualifiziertere an tr)rer Statt ju berufen. 3n garten
SBorten oerwieß Urnen 3oad)tm grtebridj fold&e Weiterungen
unb befahl, ftd) au gebü^renber dtenftwilligfeit 511 bequemen.
3ur regten 3*i* machte biefer grieben mit ben murrenben
Stänben. denn nodj r)atte feine Stiefmutter bas £eftament
3ot)ann ©eorgä nid)t oerloren gegeben, fonbern badjte mit
&ilfe beö 9lbelö an bie ©eroalt $u appellieren. 2llß etliche 3)lo;
nate fpäter, mäbrenb ber Äurprinj in ^reufcen roeilte, 3oa$im
griebria) ferner erfranfte, glaubte fie bie 3*i* 3 um £anbeln
gefommen. der Üurfürft, fo behauptet* fie, fei tot ober oon
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282 3'o«teä 93u$. J)ic crfle §o^cnjoUcmf^c ©taatägrünbung.
gciftiger SdmiädSie befallen nrie ber £cr$og oon ^reufeen: fie
wollte nad& Lettin geben unb bis ju befi ßurprinaen föücffefn*
bic Slegentjdjaft übernehmen, in ber 9teumarf aber tf>rem Sofm
(5f)riftian fmlbigen lajfen. &er föanbftreidj wäre roofif gelungen,
efje ber Streit jioifdjen 3° a $i m Stiebridj unb ben Stänben
beglichen mar: jefct oereitelte ibn beö Äurfürften (Senefung
fdmell. 2)afe fidj bic Äurfürftin^itroe in ber Warf hinfort
ntd^t roof)l füllte, ift begreiftie^ : fie oertiefe bas ßanb unb
nafjm i^ren Aufenthalt in Arnberg.
Soldje 3uftänbe im Innern binberten ein fraftootteö 5luf=
treten nadj aufeen: um flonflifte ju oermetben, bie man jefct
bod) ntd)t ausfegten fonnte, galt es jurücfjuroeidjjen. 2)aö ge=
fdjafj aunädjft in ber Strafeburger Sadje. Sodann ©eorga
SBerfuä), bur<f> bie Teilnahme feiner (Sefanbten an bem ober:
rf)etnifd)en Kreistage 1600 ein ^Präjubij ju feineu ©unften ju
[cbaffen, batte bie Sprengung ber SBerfammlung jur golge;
ebenfo erging es 1601. So griffen beibe Seile toieber $u ben
2Baffen, obgleid) 3ob<*nn @eorg nur oon Württemberg unb
ber Stabt Strasburg &ilfe su boffen hatte. Salb mar faft
baö ganje Stift im 33efifc bes SJte^er Stfcbofs. 3oad>im ?frieb ;
ridj lehnte jebefi Eingreifen ab : er fürdjtetc baburd) ber fatljo:
Uferen SReaftion nur einen erroünfdjten SBorioanb 511 geben.
SBergeblidj rnarb aud) bie §eibelberger Union um feinen 33ei=
tritt, obgleich 3o()ann ©eorg unb ber ®ubernator oon ^reu&en
ihr beigetreten roaren. 2)ie Unfidjerheit ber franjöfifdjen öilfe
unb ber $ob (rltfabetbö oon ßnglanb (24 Wärj) mahnten jur
$orfidf)t. Unb nun ftarb roenige SSodjen fpäter (26. April)
Warfgraf ©eorg griebridj. 3 u 9^i4 wit bem Sdjtcffal beä
(5Jera=Wagbeburger Vertrage« ftanben jefct bie 3ägernborfer unb
bie preufeifdfoe gragc $ur (Sntfajeibung, bic 3üttdjfäe aber rücfte
in brohenbe Mty.
Warfgraf Gbrifiian hatte jefct $u matten, ob er burd) SBcr-
jicjt auf bie Anfprüä)e, bie er nach beö $aterö Seftament auf
einen £cil ber Warf ju ^aben behauptete, bie reiche <5nt;
fdjäbigung gcroinnen rooHtc, bie ifjm i>u $cra unb Wagbeburg
oerfjeifecn mar, ober einen auftft$ta(oien 9tedjtsftreit beginnen,
ber ihm felbft nichts nüfcte, aber ben geinbeu (eines #aufeö unb
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I. &te ftaatlidje 92euorgani|'ation ber STOarfen.
283
bcr eoangelifdjen <Sadje in bic §änbe arbeitete. 3 uoem ^ a ^ e
ba§ üble S8erf)alten feiner Sttutter, beren neue (Sfjepläne balb
ber ganjen fürftlid^en $crroanbtf<$aft fdjroereö 2lergerniö gaben,
feine Stellung nidjt gebeffert. $)aber trafen beim 93egräbnio
©eorg griebridja ber flurfürft, ben ber ßurprtnj unb ber Strafe:
burger ^Srätenbent begleiteten, unb feine beiben ©tiefbrüber
Gfiriftian unb 3oaä)im Grnft jufammen unb unterzeichneten am
11. 3uni 1603 ju Onoljbadfj ben Vertrag, burd) ben bie beiben
lefctgenannten bie ©eraer Abmachungen annahmen unb aßen
Stnredjten auf bie 9ieumarf u. f. ro. entfagten. Sie brei trüber
wollten fnnfort „für einen 3Wann flehen", bie jüngeren ben &ur=
fürten als bafi &aupt beä £aujes „brüberlidj refpeftteren unb
ehren" unb it)rc beiben jüngften 33rüber 3of> ann (geb. 1597,
geft. 1628) unb — ben nadj bes 33aters Xob geborenen — 3ol)ann
©eorg (geb. 1598) nadj ooßenbetem achtzehnten Sebensjatyre
ju ftcb nehmen unb ftanbeflgemäfe oerforgen.
$ies 2lbfommen ermöglichte eine befriebigenbe ßöfung fo=
roof)l ber 3ägernborfer wie ber Strajjburger grage. 2)as
fdr)Ieftfd^e &er$ogtum, bas 3oaa)im griebrieb nun in Seftfe naljm,
rourbe jur $erf orgung ftobann ©eorgs beftimmt, fobalb biefer
aus bem ausfidjftalofen oberrbeinifdhen Abenteuer gelöft mar.
Unter SBermittetung SBürttembergä rourbe mit Starl oon ©uifc
unterhanbett unb ben 12./22. 3?ooember 1604 ju Hagenau
baf)in abgefdjlojfen, baß ber ^obenjoller gegen 3 a ^ un 0 ÜOn
130 000 ©ulben unb ein auf bie redjtsrfjeinifcben ©tiftöämter
eingetragenes ^abrgelb von 9000 ©ulben aßen 2lnrea)ten auf
baö iöiötum entfagte. ginanjieff macfite er ein leiblidjeö ©efepft ;
fonft aber bebeutete biefer 3lu«gang bod) nur eine neue lieber:
läge ber ©oangclifdjen : wie in &öln, fo bitten au<b ftex bie
ßatbolifen bem geiftlicben Vorbehalt Anerkennung errungen.
$aft Weigerte bie 3u»>erficbt bes fatferlidjen &ofeä: er bean=
fprucrjtc ^ägernborf als crlebigteö böbmifcbeö Sieben unb er;
flärte ba« Abfommen jroifdjen ben beiben fjobenjoüernfc^cn
£inien für ungültig, roeil es niebt beftätigt unb feine 3Wit=
belefmung erfolgt mar. 2Uö ber fturfürft bas öanb bennoeb
Johann ©eorg übergab, rourbe biefem bie faiferti$e 2lner=
fennung unb iüelehnung werroeigert, ja bie Verausgabe unb
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284 3 lDc ^ eö v Öucf>. £te l)ot)en$ollent)d)e Staatögrünbung.
SRücfgafilung aller feit 1 603 gezogenen ©inrunfte geforbert. SEBefien
fjatte matt fid& banad) weiterhin oon biefer Seite su oerfefjen?
Um jo gefäljrlidjer mar ber Dualismus, ber feit bem
lefcten Stege ber ftänbifdjen Sibertät bas branbenburgtfdje
Staatstoefen jerrife. 2lls geborene 9läte bes £anbe«f)errn Ratten
bie Stänbe fid) gelegentltd) audj als Vertreter oon 2anb unb
ftnnaftie betoäbrt: feit 1602 ftanben fie bem ßurffirften fotooljl
roie ben bürgern unb Sauern gegenüber als eine Partei, bie
flirre, Staat unb 2öirtfd>aft für ftd) ausbeutete. Von Ver=
ftänbnis für bie £tityn ber $tit, oon @inftd)t in bie Aufgaben
Vranbenburgs, oon gutem 2BiHen an ir)rer l'öfung mitzuarbeiten
finbet fia) bei ifynen nidjt bie ©pur. 2Sas mar ben Herren
^Preufoen unb ^üliaVGleoe? 2)ie Verfedjtung fötaler 2lnfprfid)e
brot)te Störung ifyres behäbigen &anbjunferbafeins, finanzielle
3umutungen unb militärifdjes Aufgebot, unb jtoar im SHenfte
einer ^politif, bie bei ben Galointften 2lnlef»tung fudjte. $>ie
@ngf)erjigfeit ber Stänbe, it)r Langel an Staatsbetoufjtfein
unb *pflid)tgefüf)l, ibre feige Sd)eu oor jebem Opfer erforbernben
ftanbeln oerjdjulbeten ben tiefen %aH VranbenburgS toäfirenb
bes nädjften 9Wenfd)enalters. ©an$ aufgegangen ift bie untyiU
oolle Saat bes 3af)res 1602 erft 1635—1640, unb roas 3o*
ad)im griebrid) gefehlt, l)at fein (Snfel ferner gebüjjt. 2lber
3oad)im griebridj erfannte bie gegebenen Sdmrierigfeiten unb,
was mein* mar, er begegnete ifjnen rechtzeitig oorforgenb, in:
bem er bie Stellung, bie als geborene Sfäte befi Sanbesfjerrn
bie Stäube eingenommen Ijattcn, nun aber, too fie Partei ge*
morben, roeber einnehmen fonnten noa> tooHten, auf eine
flörperfdjaft übertrug, bie tym unb feinen 9iad)folgern einfacher
unb wirffamer leiftete, toas in Momenten eines 3luffd)mungeft
jene feinen Vorgängern geleiftet Ratten. 3ur Vertretung bes
Staatsintereffes fdiuf er ben ©efjeimen SKat : feine (Sntftelntng
bezeidjnet, wie man aud) über feine urfprünglidje Vebeutung
urteilen mag, einen epoa)emad>enben $ortfd)ritt in ber ftaat*
liefen 9luägeftaltung Vranbenburgs, obgteid) ber Sdjmerpunft
feiner SBirffamfeit junädjft weniger in ber inneren als ber
auswärtigen ^olitif lag unb er weniger bie @egemoart orbnenb
beeinflußte als bie 3ufimft fürforglid) fidlem fottte.
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1. £ie ftaatlidje ^euorgamfation ber Warfen. 285
3Me SBoroerfjanblungen $ur (*rridf)tung bes ©efyeimen 9iates
fennen mir nidjt. Sßenn aber im Gingange bes »om lo. 2)e-
&ember 1604 batiertcn (Srlaffes, bcr il)n ins &eben rief, nad)
bem Danf für bie „mit anfef)nlid&en, roeitleuftigen Sanben"
ausgefluttete fürftlidje Stellung, $u ber ©Ott iljn berufen, bcr
Äurfürft oon ben „ganj fjod) angelegenen, befdj>roerlidf)en Sadjen"
fpridjt, bie er „auf ndf) liegen" fjabe, babei an erfter ©teile
bie preugifd^e unb bie jülidjfcfye ermähnt unb als ben (^runb
anführt, ber if)it baö 33ebürfnis „guten reifen SRats unb ge*
treuer \ieute" befonbers fjabe empfinben lajfen, fo $eigt bas,
bafj es junädjft jene 2lnroartfdf)aften roaren, um berentmißen
er „nadE) bem (Stempel anberer roofjlbeftellter politien unb
SRegimenten" „etliche Verfaffungen" anorbnete, „baburdj Inn;
färjro biejelben mit guter Orbnung beratfdjlaget unb befto
fa)leuniger erpebiert werben'' möchten, Gr fjofft, bie pflid&t:
treue £f)ätigfeit ber neuen SRäte werbe @ott jur G^rc unb
bem flurfjaufe jum ©eil gereidfjen, insbefonbere baju beitragen,
„obengebeutete befä)roerlid)e Saasen, baran — fo Ijod) unb oiel
gelegen" unb „bie aud) fafi alle auf ber ©pifcen ftefjen", „mit
guter discretion in $erfd(jtt)iegenf)eit, ofme einigen Verzug unb
intermission" ju oollfüfjren. 9lid^t als eine bem Staate orga=
nifdft unb $u bauernbem Seftanbe eingefügte Be^örbe rourbe
ber @ef)eime 9iat errietet, fonbern $ur Sefriebigung eines ber
augenblirflidjen £age entfpringenben befonberen Sebürfniffes.
£)ie Berufung auf bas „Tempel anberer roofjlbefteHter politien
unb SRegimenten" roirb bafjer nidfjt auf bie 9tod)af)mung eines
befttmmten SBorbilbes ju beuten, fonbern aufraffen fein nur
als Sleufeerung bes monard&ifdfjen ©ebanfens, roie er feit Aus-
gang bes 15. 3af)rf)unberts in granfretd) unb Surgunb fo gut
wie in Oefterreidj im ©cgenfafc jur ^cubalität in einer blon
»om £anbesl)errn abhängigen 3 euJva ^ DC ^rbe bargefteflt mar.
Urfprünglidf) nidt)t als foldje gebadjt, mürbe audf) ber oon 3o ;
adfnm griebrid) gefdjaffene ®efjeimc fHat balb eine fold&e, teils
infolge ber (Snergie, womit er bei feiner eigenartigen 3ufammen-
fefcung bas monardjifdje $rin$ip ben Stänben gegenüber oer;
trat, teils burd) bie Grroeiterung, bie feine $unäd)ft auf bie
Vertretung bcr Slnroartfdjaften befa^ränfte Sfjätigfett babura)
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286 3 roc ^ c ö 89ud). £ie erftc l>ot>en$oUemfd)e 6taat<8grünbung.
erfuhr, bafs er notroenbig audj bic 33efugnis ^aben mufcte, bie
baju erforberlidjen 2JZittel oon fidj aus befdjaffen unb ba^er
in bie betrcffenben Sioeige ber Verwaltung einzugreifen. Sa
eine fraftoollc auswärtige ^ßolittf bes 9tütfl)alts einer gemaffneten
afladjt nic^t entbehren fonnte, biefe aber ofme reidjere unb oon
ben Jaunen ber (Staube unabhängige aKittel nid)t mögtidj
war unb beren SBefdjaffung am fidjerften burd) bie Hebung aller
2lrt oon <5rwerbstf)ätigfeit geförbert würbe, fo ergab fidt> unroitt^
fürlidj eine ©inwirfung ber neuen 3entralbefjörbe auf bas
Öeerwefen, ben (Staatshaushalt unb bie 2Birtfd)aftSpolitif : ber
©eheime 9?at würbe bie oberfte ^nftanj für alle 3 TOCl 9 c ocr
©taatsoerwaltung mit Slusnahme ber Rechtspflege unb bes
fttTdjenwefens, für bie im Äammergericht unb im ^onftftorium
(Spifcen bereits uorfjanben waren.
Sie ausgefprodjen monarchifdje, ber ftänbifcfien l'ibertät
feinbliche Senbenj in 3oa$im griebridjs «Schöpfung tritt gleich
barin ju Tage, bafj ber märfifche 2lbel barin junä^ft feinen
$lafe fanb. Ser äurfürft berief bie «Männer, bie ftd) bereits in
attagbeburg politifdj unb abmimftratio bewährt hatten, ben
flanier Johann oon £öben, ben aus bem Saalfreis gebürtigen
Öieronnmus oon Stesfau unb ben aus bes üJiarfgrafen ©eorg
griebrid) Sienft in ben feinen übergetretenen granfen @hriftoph
oon 2Balbenfels. Saju fam eine 3lnsar)r in ben märfifdjen
Singen Jeimifc^er diäte bürgerlicher 9lbfunft, bie 9teumärfer
Softor (Sfiriftopf) 23enetfenborf, ber als Vijefansler fungierte,
unb Softor griebrich Sßrudmann unb bie] jüngeren 3oad^im
fiübner, feines £efjrers <Sof)n, unb Simon Ulridj ^iftorius,
ber <Spröfeling eines berühmten fädtfifchen (Belehrten* unb 99e--
amtengefd)lcd)ts. Sen Vorftfe erhielt ber Cberfämmerer £ieronu=
mus Schlief, ©raf 511 Saffano, ein ©efd)led)tSgenoffe jenes im
(Sgerfdjen (jeimifa^en Äafpar Schlief, ber als flanjler flaifer
Siegmunbs unb feiner beiben Nachfolger einft eine Stolle ge=
fpielt ^atte. Ses flurfürften perfönlidjer Vertrauensmann,
rourbe er 00m 2lbel befonbers angefeinbet, obgleid) feine un=
antaftbare (Selbftlofigfeit ben üblidjen Verleumbungen feinen
Inhalt bot. Sem Sßirfungsfreifc, ber bem ©eheimen Rat &u=
nädbft angewiefen mar, entfprad) bie Berufung bes ©errn Ctto
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I. $ie ftaatli^c Neuorganisation ber 9Marfen. 287
©einriß oon 33nlanbt, 33aronß oon ^^eibt, unb fpäter bie beß
oielfad) benagten gobian oon £)of)na. ßrfterer ftammte auß
3ülid), (euerer auß Greußen: fie erfahrnen als Vertreter ber
Sanbe, beren Bereinigung mit ben Warfen bie {jo^enjoaernfe^c
©taatßgrünbung bemnädjft ooßgie^en foflte. 2)ura) mieberbolte
3Jiiffionen mit ben §öfen befannt, auf bie eß ba jumeift ans
fam, §eibelberg, $ariö unb bem £>aag einer? unb 33rüjfel
unb 2öarfd)au anbererfeitß, waren fie befonberß geeignet, ber
auswärtigen Sßolitif nü^Iidt) ju werben.
@rft biefe 3 l, f ammen f c & un 9 oerlieb bem ©ebeimen SRate
feine Sebeutung. (5r mar wirflid) ein gebeimer, im ©egenfafc
ju bem großen SRat, cor ben bie Äurfürften bisher bie widj=
tigeren 2lngelegenbeiten gebraut bitten. £)enn bei ber 9totur
ber gragen, bie er junäcbft bearbeiten follte, mar firengfteß ©e=
beimniß oft bie erfte ^ebingung beß @rfolgeß : bei ber bißberigen
©efdjäftßfübrung war es faum möglid) geroefen unb mufote bodj
fa>n um ber möglidien ftänbifdjen ©egenwirfung mitten geforbert
werben, darauf jieltc aueb bie ©efcbäftßorbnung, bie 3oadjim
griebrid) oorfdjrieb. @ie gebot Kollegialität ber Beratung : ein
jeber foüte auf beß Äan^erß Vortrag frei feine 2lnftd)t entwideln
unb in eingebenber Debatte begrünben fönnen. SBar ©ins
ftimmigfeit nidjt ju erzielen, fo füllten aud) bie biffentierenben
$ota mit irjrcr Segrünbung 511 $rotofott gegeben werben fönnen.
^ur gan$ allgemein wirb bie SRid)tung be^eic^net, bie ber neue
s Jlat oolitifdj oerfolgen foüte. ©ß b*ifet ba: „<5o bau unfere
gebeimen SHätb oornemblidj babin ju trauten, Sßaß su be=
förberung ber ©bre ©otteß unb (Spaltung beß SReligionßfriebenß
bienlid), beoor aber, weil bie gefäbrlidje ^ßraftifen ber ^ßaptften
unb 93erfolgung unferer mabren Religion je länger je mebr
gefpubret unb mit ©enmlbt burdjgetrungen werben will, £)eß=
wegen umb fo oiell mebr uon nötenn, mit gutem SRatb allen
befabrenben unr)ett ju begegnen." 9)Jan ftebt, wie 3oad»'m
JSrtebridj bie Sage auffafete unb fief» $ur Slbwebr rüftete. 9luß
^öefftebt aber auf bie fonfeffioneße ©mpfinblicbfeit feiner Unter;
tbanen entjog er alle im eigenen £anbe auftaudjenben reli*
giöfen Streitfragen ber tfompetenj beß ©ebeimen föateß alß
außfcbliefelidj bem flonftftorium suftebenb.
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288 3n>eiteö ttug. 2>ie erftc l)of)ert}oUernfd>e Staotägrünbung.
Serner rourbe bcr neuen 33ef)örbe bie Sorge für bes Ätir-
fürften flammergut aufgetragen: it)re SJUtglieber foHten ben
ßammer; unb Amtsräten „Aftiftenj leiften" unb nötigenfalls
mit gutem SRat beiftehen, namentlich menu für bie ifmen be=
fonbers befohlenen Angelegenheiten, bas ift bie oreufjifche unb
nieberrheinif(he Anmartjchaft , (Selb aufzubringen ober 93cr=
Beverungen im &mbe einzuführen mären. Senn 3oachim griebridj
fannte ben eigentlichen nervus rerum gerendarum. 2Senn in
allen bas flammergut betreffenben wichtigen Angelegenheiten bie
beiben SRäte sufammentreten, (ich oerftänbigen unb bas Ergebnis
an ben flurfürften bringen füllten, fo mürbe bamit bie oberfte
Sinanjleitung eigentlich bem ©eheimen 9tot jugemiefen. Audj
Jollte er baß mirtfdjaftliche ©ebetfjen bes Raubes ju förbern
fuchen. 3m 3nterejfe ber Ausfuhr oon betreibe, äßotte unb
anberen lanbroirtfehaftlichen ^robuften mürbe ©richliejjung bes
SBaffermegeS nach Hamburg unb Stettin empfohlen, roie £o=
achim griebrich bereits als Abmintftrator oon 3Jtogbeburg ftdt)
burch ©chiffbarmachung ber ©aale oerbient gemalt ^atte.
®och jottten babei bie oornehmften Sräbte unb oerftänbige
£eute aus ber 9iitterfdjaft $u SRat gesogen roerben. Enblich
mürbe ber neuen 93ef)örbc in Ciemeinfchaft mit bes flurfürften
„Dberften unb flriegSoerftänbigen" auch eine Einroirfung auf bie
mititärifchen Angelegenheiten eingeräumt, insbefonbere ben $au
unb bie Erhaltung ber geftungen, bie 33efdjaffung oon Munition
unb ^Srooiant, bie 2)tufterung ber &chensbienftoflichtigen unb
alles fonft jur Sanbesoerteibigung Nötige. Sie blieb alfo nicht
auf eine bloß fonfultatioe ^^ätigfeit befchränft, fonbern er*
langte gleich eine umfängliche Exjefutioe. 9<ur mar biefe nicht
feft umgreift unb nicht flar in ihre oerfchiebenen Steige ge-
fchieben: mie fie fia) geftaltete, ausbehnte ober einfehränfte,
hing oon ben Erfahrungen ber Praxis ab, für melche bie 3n s
ftruftion nur gemifje allgemeine leitenbe ©efichtspunfte auf=
fteßte. $>er flurfürft mar ber 3)Utglieber eben oöHig fidt)er :
auaj bei heftigem ©iberftreit ber Meinungen hatte er bo<h nur
oerfchiebene s J)tetljoben $ur Erreichung eines unb besfelben 3iels
oor tief», nicht aber bie unoerföt)nbaren Sonberintereffen ftrci=
tenber ftänbifcher SJcrbänbe. £as Staatsroobl allein fam hier
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I. 2>ie ftaatttc^e Wcuorganifation ber SRarfen.
289
$ur ©eltung : aud) für bie ©ntfdfjeibungcn beö Regenten rourbe
cd bic oorneljmfte 9ttdf)tf<f)nur.
2llö 3oadf)im griebridj oerfudjit fmtte, bic ftänbtfdje 3Wit=
roirfung bei geroiffen Staatsangelegenheiten auf jroölf oon if)m
ernannte ßanbräte ju übertragen (3. 276 ), war bas als eine
redfjtfiroibrige Neuerung oerfdjrieen, ju ber fein e^rlid^er ÜRann
fxd) gebrauten taffen bürfe: bie ©Raffung bes ©Reimen
SRateö fann man ata Antwort barauf bejeidjnen. Ratten bie
Herren jt<$ geroeigert, als geborene 9läte beft 2anbesf)errn in
ben formen fungieren, roeldje angejidf)tä ber £age allein
juläffig waren, fo fwtte biefer bamit bafi SRedfjt erlangt, bie
unentbebrlid&en vertrauten !Rätc in anberen Greifen $u fudfjen.
93lie6en fie oon bem 3*"*™*** DC r Staatöregterung auftge=
fdjloffen, fo Ratten bic Herren unb bitter baft ftd) felbft juju=
fdjreiben. 33ergebli$ podfjten fic auf ba$ 3nbigenat$redjt, baö
bodjj nur bann Sinn (mite, roenn ber 3Serpflia)tung beö gürften,
bie Regierung mit £anbeöangcf)örigcn ju führen, bei biefen bic
33ereitroiHigfcit entfpradfj, ifmi felbftlos ju bienen. Sonft trat
bie fllaufel in tfraft, meldte bic 23erroenbung oon 2lu«länbcrn
im üWotfaßc geftattete. 3n biefem Sinne äußerte fidt> 3oadjum
griebridfj aud), als er cnblidj) im 3rür)ja^r 1606 jur 3Iuf-
bringung ber Um treffenben 100 000 ©ulben 9ieidjd= unb XüxUn-
ftcuer ben großen 2Iu$fd)ui} «lieber berufen mujjte. SSon ber
3)iaffe ber oorgetragenen 93efdfjroerben mied er bie einen alfi
unbegrünbet furjroeg jurüd, oon ben anberen tf)at er bar, roic
jumeift burdj bic ftnauferei ber Stänbe felbjt bie Erfüllung
ifjrer 2Bünfd>e gef)inbert fei. OTit ftrengen 2öorten, wie ftc
fie lange nid&t gehört Ratten, oermiea er tynen ben unjiem=
tid)en Xon, ben fie ifjm gegenüber angefdjlagen batten. $aö
mad&te @inbru<f: bie §erren eilten Abbitte 3U leiften unb be^
teuerten, bafj tfuren jebe böfe 2lbft<i)t fern gelegen frnbe,
fdjnriegen audfj auf bes fturfürften ©rflärung, töreiö; unb £anb:
tage werbe er hinfort nur in ben äufcerften Notfällen berufen,
fo weit cö im ßerfommen re^tlidr) begrünbet fei.
Diefe Stellungnahme bes ßurfürften gegen baß ftänbifdje
Sefen mürbe auaj für bie preu§ifdr)e Sad&e bebeutenb. ©alt
bas fteraogtum bodj für ba« gelobte Sanb ber Stbertät. Sllbrecfjts
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290 3«>eite$ 33u($. 2>U erfte f)o$cnjoUernfd)e 8tnatägrünbung.
Schwäche unb feines „bloben" Sohnes Unmünbigfeit Ratten
es politifcf) unb firdjlich bcn SRegimentSräten überliefert, bie
nur ihren unb ihrer StanbeSgenoffen Vorteil rannten unb um
fo met)r gegen bie 33ranbenburger Zuratet waren, als fie bie
branbenburgifetje ©rbfolge einzuleiten brotjte. Xod) Ratten fie
bie ©eftaßung ©eorg griebridjs jum Äurator nid)t f)inbem
tonnen. Selbft ben £itel eines Serbas in ^reujjen hatte
it)m «König Stephan 33att)orrj juerfannt, weil er fid) nicht ben
preufeifeben Stänben juliebc mit einem dürften oerfeinbeu
wollte, ber ihm mehrfach nüfelid) geworben, unb um feine
Gräfte ungeteilt gegen Xürfen, Xataren unb Muffen oerwenben
&u tonnen, So hatte ®eorg griebrich bie 3"9^ ftraffer an=
jietjen fönnen, freiltd) unter ftetem §aber mit ben Stanben,
bie auf Örunb bes 3nbigenatsrect)ts feine fränfifdjen 9Jäte oer-
brängen wollten. $afe es ir)m bennod) gelang, bie preu&ifd)en
Bistümer aufjulöfen unb bie einheitliche Leitung ber Sanbefis
fird)e einem herzoglichen tfonfiftorium ju unterteilen, mar oon
2Bid)tigfeit, weil fo bie polttifcbe unb bie firchliche Oppofition
ihren bisherigen gemeinfamen Stütjpunft oerloren. Um fo
mehr aber wollte man ben Äurfürften trofc 9inwartfct)aft unb
aKitbelehnung bem Sanbe fem halten, überfah aber in bem
eifer für bie Sibertät, wie oiel größere ©efahren oon ber
anberen Seite brohten. ^Bereits Stephan Bathorn hatte ber
fatholifchen SReaftion in ^ßolen freie £anb gelaffen : mit SigiS;
munb III. mürbe es jur Domäne ber ^efuiten, um im 9Jorb=
often bie 9?oQe zu fpiclen, ju ber im Sübweften ^r)tlipp II.
Spanien erhoben ^atte. ©ranbenburgs Slusfdjlufj oon bem
ihm wiberwiHig eingeräumten SHecht, s }keufecns &erabbrfl(fung
Zur polnifdfjen ^rooinj unb 3 u ™cfführung fatholifchen
Jlirdje mar bas 3*el ber auf ben 9?eid)Stagen herrfchenben
abiigen ^ationalpartei. Dazu beburfte fie ber Erhaltung ber
preu&ifdjen Sibertät, bie bas 2anb zur 31bwer)r unfähig machte,
unb bie preu&ifd)en Herren roaren thöricht genug, barin ben
einzigen 3wecf bes ©ifers z" fehen, ben ihre polnifchen S3e=
fd)üfeer entioicfelten.
Satte Sigismunb III. gebaut wie feine Magnaten, fo
märe Joachim griebrich feinem fränfifdjen Detter in ber Äuratel
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I. 3)ic ftaatlidje 3leuorganifation ber 2Rarfen.
291
nid)t gefolgt ; audj bie branbenburgifdie Succeffion f)ätte bann
feine 2luöfidjt gehabt. 2lber feit er $ur Behauptung ber if>m
abgefprodjenen fdnoebifdjen ßrone bie SBaffen ergriffen ^atte,
mufete er Branbenburg vom Slnfdjtufe an ©djioeben jurüdäu*
Ratten fudjen, burdf) ben ed fein SRedjt auf Greußen am wirf*
famften oerfod&ten r)ätte. @egen ©clb mar er bereit, bie ©adje
(1601) nodj) bei Sebjeiten ©eorg griebrid&a naa) ^oa^im
griebrid&ö SBünfcfjen $u orbnen. 2Bie aber r)ätte biefer hoffen
bürfen, bie geforberten 400 000 ©ulben aufzubringen ! ©eine
Beoollmädjtigten legten ftdj aufs ßanbetn, boten ein Viertel,
bann bie &älfte, oerroeigerten aber bie oerlangte 2Jenberung
bes Ärafauer Vertrages oon 1525 — grö&ere greityeit für
bie preufeifdfjen Älatfjolifen, ^euorbnung ber Berufungen an ben
polnifdfjen $of unb Uebernafnne eines £ei(& ber polnifcrjen
SReidjsfteuer. 3m $rüf)jaf)r 1603 unterfjanbelte man toieber,
oerfd&ob bie ©ntfd^cibung aber auf ben nädjften SReiajstag : bis
barjirt follte Branbenburgs SRed&t in nichts geffirjt toerben;
ftarb ber ©ubernator injioifdjen, fo füllten einfttocilen bie preu=
&ifd)en SRegimentsräte bie ßuratel toieber übernehmen. SBenige
"Socken banaa) ftarb ©eorg griebrid). SBürben befi Stönigft
gute Slbftdjten gegen ben Eifer ber Magnaten burdjbringen ?
^oadjim gricbricr) erroog ein friegerifdjes Eingreifen, dagegen
mad)te ber funbige gabian oon 2>ofma geltenb, ein Ärieg
roerbe mein: foften, als ber flönig für 3ulaffung ber branben=
burgifd&en Kuratel unb ©uccefjion forberte, obgleich bie erft
oerlangten 400 000 (yJulben in^n?tfcr)en auf fiebert Tonnen
©olbcs geftetgert toaren; felbft menn er toegen ber in ^>olen
übli^en §anbfalben nod) mef)r auftoenben müßte, fäme ber
Kurftirft beffer fort, ba er rul)ig ba^eim bleiben unb biplo=
matifd) auf ^olen eintoirfen tonne, Qanafy ^anbelte 3oad)im
Sriebrid). Er näherte fict) nocf) mefjr ber Slftionöpartei unter
bem Pfälzer Äurfürften, an bejfen &of ber Kurprinz 1604 uiel=
oerfjeijjenbe Beziehungen ju ben Oraniern unb ben bereinigten
9iieberlanben fnüpfte. Salb unterf)anbelte öefjeimerat oon
Bolanbt fogar toegen einefi Bünbntffeö mit Kurpfals unb ber
SRepublif.
$)a* mad)te in $olen (Sinbrud. (Sitten Krieg um ^reufeen
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292 3u>eiteS »u$. Sie erfte ^enjoUernfae otaatagrünbung.
511 führen, war Sigiömunb III. nicht im ftanbe, ba nicht blofc
bcr Äampf mit Schweben noch anbauerte, fonbcrn bafi 2luf*
treten befi fallen Xemetriufi ben nationalen unb ftrcblichen
(Sifer ber ^jL'olen 311 einem 2lngriff auf SRufjlanb entflammte.
SBie locfenb erfchtenen ba bie ©ummen, mit benen bie bran=
benburgifchen ©efanbten ihre erneuten Werbungen unterftüfcten !
3u beginn befi Sabrefi 1605 fottte in SBarfdmu ber Hbfdjlufc
erfolgen: bafi übliche 9leifeen befi SReidjfitagfi oert)inberte e«.
5&obl aber billigte ©igifimunb bie oorläufige Uebernabme ber
Zuratet burdj ben ßurftirften. dagegen fonnten auch bie preu=
feigen ©tänbe nichts tfmn: fte tröfteten fi<b bamit, bafe oon
ber oorläupgen fluratel $ur Nachfolge noch ein gutes ©tuef
SÖcgefi fei. Sie Sranbenburgö aber, bie friegerifdje 93ermicfe=
hingen beforgt Ratten, roaren fror), ftatt befi gcfürdjteten mtli*
tärifchen Slufgcbotfi im Sommer 1605 nur 300 000 £fjaler
geforbert ju fehen. s Jtocb im .fterbft ritt 3oacbim griebrieb
nach Sßrcuften, mit ihm feine junge ©cmablüt (Sleonore, bie
am berliner £of aufgeroachfene oierte Tochter befi btöben &er=
jogft, bie ©chroägerin befi ßurprinjen, bie er trofe feiner fafl
f«b&ig 3^bre nad) breijät)riger SBitroenfcbaft eben heimgeführt
hatte. 3lm 9. Oftober 50g er in Königsberg einj @erabe er=
mutigenb aber mar feine Aufnahme nicht. 3Wan fornplimen*
tierte ihn fojufagen fdjleuntgft roieber auö bem ütonbe. Söäbrenb
bie ©täbte it)m freunblid) entgegenfamen, ftellten tf>m bie
Herren 00m 2lbel, of>ne burdj offene Ungebühr ihre toahre ©es
finnung ju oerraten, bie Sage als fo fritifdj bar, bafc er bei
feinem geringen ©efolge für feine Sicherheit fürdjtete unb
nod) oor 3 u f ammcn tntt befi Sanbtagefi am 30. Oftober bie
©tabt nrieber oerliefj. 2Benn bamalfi bie SRebe ging, „bafe bie
Herren Regenten unb bie Sanbräte, bie oon 2lbel" ihn glauben
gemalt hätten, bie SSerbanblungen auf bem Sanbtage mürben
in feiner 3lbroefenbeit glatter oerlaufen, fo entfpradt) bafi bem
©adjoerlmlt roof)l im mefentliajen. Sicherlich hatten bie Serren
ben 2(bfcblufc ber ©act)e hinzuzögern motten.
2>enu ob man bie branbenbuigifche Succeffton ganj mürbe
abmenben fönneu, mar jroeifelhaft : um fo mehr fällten bie
93efugnijfe befi fünftigen £anbe&bernt oerfürjt unb bie Sibertät
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I. J)ie ftaattic^e 91euorgamfation ber SNarfett.
293
nad) polnifdjem SBorbilbe erroeitert roerben. An ber Spifee einer
Deputation bes preufjifdjen Abels ritt im grüfjjafjr 1606 ber
Hauptmann von Schafen, Otto oon ber ©röben, nach 2Bar=
fd)au : bie Wittel baju entnahm man eigenmächtig ben „2anb=
fäften" Sartenftein unb Ofterobe. 2Kit bem Abel im pol-
nifeben ^reufeen r)attc man fidt) oerftänbigt: einer feiner Ab;
georbneten beantragte jroar bie Selehnung 93ranbenburgS mit
bem &erjogtum, verlangte aber für ben bortigen Abel bie
Freiheiten, bie bem dolens juftanben, insbefonbere bas Sftedjt
ber Appellation an bas polnifdje Xribunal unb einen Ausfchufj
jur Unterfudumg ber abiigen Sefdjroerben. Dem suftimmen
r)ätte für Sigtsmunb III. auf alle SSorteilc Oermten gehei&en,
bie er aus bem föanbel mit S3ranbenburg geroinnen tonnte,
bie materiellen foroofjl rote bie politifdjen. Aber auch nach ber
anberen Seite gefchab nichts, ba balb banad) bie OppofUion
bes polnifchen Abels gegen Sigtsmunb III. fid) offen erhob.
3roei 3<»f>re bauerte ber Sfirgerfrieg : ber Sieg beö Königs
aber roar jugletch ein Sieg ber fatr)o(ifcr)ert SReaftton, bie nun
aud) Greußen, bas polnifdje fo gut roie bas ^er^ogtum, ber
alten Äirdje beugen rooflte. So erftanb ber branbenburgifchen
Succeffion ein neues ^inbernis. %r\ ben nächften Stiren fam
bie Sache feinen Stritt oorroärts: bamit wuchs bie ©efahr
für bie branbenburgifchen fechte. Denn aufter ber ^erjogin
3Karie Eleonore gab es am ßönigsberger £of, ja in ganj
Sßreu&en niemanben, ber für fie eingetreten roäre. Der Abel
„polenste", ba& fjetßt roarb nicht bloß um bie ©unft ber
polnifchen Magnaten, fonbern ahmte ihr SSorbilb nach, ofjne
ju merfen, roie er fo aud) feinen eoangelifcben ©tauben unb
feine beutfdje Art bem Sßolentum preisgab. 3oacf>im 3ri?bnd)
unb bie Seinen erfannten bie ©efafir: aber ihr energifd) ju
begegnen, Jinberte bie allgemeine Sage. @ine Uebereilung in
s $reufcen fonnte ber $unfen roerben, ber ben in (Europa auf-
gehäuften 3önbftoff in $ranb fefcte. So fyiefe es aud) bort
an fid) galten unb juroarten, um bas augenblicflich Unerreich-
bare wenigstens für bie 3"*""^ erreichbar ju erhalten.
Uebler noch ftanb es um 3ü(iay<Heoe. Denn heftiger als
in $reu§en [tieften bort bie politifchen unb fircf)ltd)en ©cgciu
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294 ®u$. 2)ic erfte l)ol>en$oHernf<$e ©taatögrünbung.
fäfee sufammen. Daö Sdjtcffal ber Deformation mufete ftd)
bort entfdjeiben : in fatr)olifd)en £änben tourbe baö £anb, baö
bisher trofe aller Bemühungen beö alten &er$ogö treu jum
ßoangclium geftanben, bas lefcte ©lieb in ber flette, bie in
planoollem 3ufammennrirfen jioifchen $rag unb SRabrib, Druffel
unb Dom $eutfd)lanb unb (Suropa angelegt mar; in eoam
gelifd&en blieb es ein SBoOroerf für bie firdiliche unb politifdje
greifet beö Deidjö unb Europas. Das fah auch Joachim
griebrich; aber ebenfo, bafj r)ter allein bie Nüttel ber S)iplo=
matie eingefefct werben konnten. 3lud) festen er eö babei ju-
nächft blofc mit ber b,abfiburgifa^=fat^olif(^en ©egnerfchaft ju
tfntn ju fjaben. Entgegen aber ber überioiegenben 3Cnftdr)t, bafj
gemäfc ben @hepaften nach bem £obe ber ©öfme, bie SJlarie
Eleonore oon 3ültch=(5leoe 9llbred)t gricorich oon ^reu§en ge^
boren ^attc, it)rc öltefte £oa)ter, bie flurfürfttn oon ©ranbem
bürg, Grbtn beö Sanbeö fei, machten bie ©atten ihrer beiben
jüngeren Sdnoeftern SHnna unb Sttagbalene, ^faljgraf ^xüw
Subtoig oon Deuburg unb Johann oon 3roeibrü<fen, ben
SBortlaut ber Urfunbc Äarlö V. oon 1546 geltenb, ber nur
ben männlichen Dachfommen ber als erbberechtigt anerfannten
Töchter §er5og SBilljelms ein Dadjfolgeredjt sufpradj. Da nun
föerjog SBilhelmö (f 1592) @ofm, Johann 2öilhclm, ber auch
in feiner ^weiten @h e m ^ 2lntoinette oon Sothringen ohne
ftinber geblieben mar, unheilbarer ©eifteöfranfh«t oerfiel, plante
man eine gemeinfehaftliche 2lbminiftration beö Sanbeö burch
bie oerfchroägerten gürften biö ju gütlicher SBcrftänbigung, bie
jebenfaüö baö eoangelifche ^ntereffe roahmahm unb auf bie
Untcrftüfcung ber Diebcrlanbe unb granfreichö rechnen burfte.
Dagegen ernannte ber ftaifer 1600 beö äerjogö ©emahlin $ur
2Witregentin, fo bafe für eine Slbmimftration ober Äuratel for*
mell fein Slnlaft oorlag, offenbarte aber balb feine toeiteren
2lbfidjten. 311« Johann SBtlhelmö jüngfte Schroetter, bie SBtttoe
beö 3Rarfgrafen Philipp *>on 33aben, @ibi)Uc, ftd) 1601 in
jtoeiter ©hc mit feinem Detter, Sttarfgraf Äarl oon Surgau,
oerheiratete, weigerte fie ben nach beö SBaterö Seftament 311
leiftenben Skrjidjt $u ©unflen SHarie ©leonorenö, unb ber
flaifer entfd)ieb fchliefclich bahin, baß Tie nur $u ©unften etwa
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I. £te ftaatltctyc Weuorganifation ber 3Äarfcn.
295
noch $u boffenber Söhne if)tes unglüdlichen SBrubers ocrjtc^tcn
füllte. Sllfo nidjt bloß als Sehensherr backte föubolf fidj ber
©acr)e anzunehmen. Um fo mehr mußten bic ^ßrätenbenten
einig §u bleiben fudien, unb bes tfurfürften ©rängen auf
fammentritt aller eoangelifdjen ju gemeinfamer Sßerteibigung
erfchien oollenbs als berechtigt.
SSieber aber gingen bie 2llbertiner ohne 9iüdftcht auf bas
euangelifdje ^ntereffe ihren eigenen 2Beg. 3« beginn bes
3ahres 1604 braute Äurfürft Gtjriftian II., 3oadjim griebriö^ö
SReffe, feines Kaufes 2lnredjte auf bas nieberrheinifdje &ersog:
tum jur Spraye unb erbot fidj, fie gegen einen „Sfafompens"
an £anb ober (iJelb beut tfatfer ju überlaffen, obgleich baß
alberttnifdjc Sfledjt nur 3üUdt) unb 33erg betroffen hatte unb
burd) bie Union mit (Steue bereits 1516 erlofdjen mar. 3lber
auch auf bie fechte ber ©rneftiner berief er fidt) : ba er in
2Beimar unb in 3Jltenburg als SBormunb regierte, rooöte er
ber Vertreter bes fädmfdjen GJefamthaufeS (ein. eigenttict)
aber gab es erneftinifche !Recr)tc überhaupt nicht, ba Sibnfle,
ber £od)ter ßerjog Johanns III., bei ber Vermählung mit 3o=
hann griebrid) (1526) ein (Srbanfprud) nur für ben gaü* ju=
erfannt mar, baß Johann ober fein Solm ohne 9iachfommen=
fdjaft ftürbe, auf SBilbelm aber fein Sohn 3o(Hinn SBilbelm
gefolgt mar. Slugenfdjeinlid) rooHte bie alberttnifdje 33etrieb=
famfeit fid) nur ein 2lnred)t auf bes flaifers befonberen $anf
erroerben, Sranbenburgs 2tuftommen erfahrneren unb bem oer*
haßten Wälder ßinberniffe bereiten. 3n ^rag mußte man,
mas biefe fiiebebieneret foUte, unb benufete fie gern, um bie
mistige nieberrheinifchc ^ofttion ben Goangelifchen oorjuent*
galten.
Unb fdjon fpielte biefe grage über bie ©renken bes Geichs
hinaus. SBährenb bie Weberlanbe etliche ©ren$pläfee als nur
an 3ülid)-ßleoe oerpfänbet auslöfen rooßten, beanfpruchte &erjog
tfarl oon 92eoers, ein Sohn jenes Subooico ©onjaga oon
•SRantua, ber burd) feine ipeirat mit Henriette, ber (Srbtodjter
bes §er$ogs oon 91eoers, biefe franjöfifcr>e ^airte geroonnen
hatte, auf (#runb ber föerfunft feiner Butter oon Engelbert,
bem jüngften ©ohne bes ßerjogs 3otjann I. oon Gleoe, biefes
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296 3 roeite * ® ut ^- cr f lc ^o^ensoUcrnf^c ©taatSgrünbung.
unb bie ©raffdwft 3Marf, auf roeld^e (entere aufeerbem ber
©raf oon ber SRarf itnb bcr fierjog *>on Bouillon fechte gel*
tenb matten. äBohl malmte bie einfid^tige Haarte Eleonore
fd^neUem Vergleich bcr 9iächftbeteiligten : aber ber Äurprinj
fchetnt bagegen geroefen ju fein. ^n^TOtfd^en rouchß mit bem
(Sinflujj gerbinanbß oon Steiermarf bie 3ut>effi<h* ber 2lftionß=
partei. Gin ©utadjten beß fteidjßhofratß tf)at bie 2lnfeä)tbars
feit aßer erhobenen 2lnfprüd)e bar : bie branbenburgifchen feien
fnnfäßig, weit fierjog Wibrecht in 2ldr)t unb Vann geworben;
alß Dberlcbenßherr fönne ber flaifer baß ftreitige fianb cinft=
weiten in Verwahrung nehmen. 2luch ging eß auf ben oon
tfurfachfen angeregten ©ebanfen ein, nach bem (Srlöfchen beß
herzoglichen Kaufes trete baß £auß Vurgunb mieber in feine
fechte, ^abe alfo (Srjberjog 2llbrecht, ber Statthalter ber fpa=
nifdjen 9Jieberlanbe, alß 3nfwber beß ehemaligen burgunbifdjen
©ebieteß nachzufolgen, ©inen gefefelichen 2Beg, um baß Sanb
gleich an Oefterreich ju bringen, fanb freilich auch ber iNeidjßs
hofrat nicht, zeigte aber bodj, wie auf einem Umweg zum
3iel ju fommen fei: ben Äampf zmifchen ben ?>rätenbenten
abjuwenben, foßten noch bei fiebjeiten beß unglücflichen $er*
gogft faiferliche flommiffare bie Verwaltung übernehmen, biß
zum rechtlichen 2lußtrag ber Sache führen unb burch Vefefcung
aßer 2lemter mit ßatholifen für bie 3 u fu n f* forgen.
333aß foßte 3oadjim gricbrich bem gegenüber thun? 3m
deiche rjatte er feinen guoerläffigen 5Röclr)aIt. 3luch bie Union,
bie im 3Rai 1608 enblich ins ßeben getreten mar, bot ihn
nicht ; jubem beforgte er, fie werbe ben atholifen ben Vorwanb
geben, fidr) ebenfnflß gewaffnet 3U einen. 3Kehr oerhiefcen auß«
wärtige Vünbniffe. 2Hit ben SRieberlanben mar eben ein folcheß
vereinbart unb ben märfifchen Stänben zur ^Begutachtung oor=
gelegt, $emnächft fam bafür granfreich in Betracht, £rteb
man aber bamit nicht erft recht bem aflgemeinen ßrteg ent=
gegen? 2Bar Vranbenburg einem folgen gemachten? Söürbe
nicht ber Seginn beß Äampfeß im SBeften im 'Jiorboften für
ben preufeifchen 2lbet unb bie polnifchc ^ationalpartei baß
Signal jur (Erhebung fein? 2öar bort bodj eben (23. ÜJiai) bie
einzige ^uoerläfftge Vertreterin ber hoh cn 5°öernfchen Erbfolge,
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I. 2>te fiaatlidje Sicuorganifation ber iHarfen. 297
£er$ogin 9ßarie ©leonorc, mit Xob abgegangen. 6d(jnHeger=
fofm, ber 5lurprin$, f)ielt eß für nötig, bort fclbft nadj) bem
iRedjten 311 fet)cn : unterwegs ereilte tfjn bie 9toä)riä)t oon bem
plöfclidjen £obe bes Katers.
%m 17. 3ult mar 3oadjim griebrid^ 31t 6torfoto heftiger
als je oon aftfjmatifdjen Sefd&toerben befallen : im ©efüfjl beö
nafjen £obes trat er am 18. bie eilige ^eimreife nadf) Berlin
an, aber noä) oor ber ©infarjrt in ftöpenicf madjte ein 6djlag=
flufe feinem Sieben ein ©nbe.
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II. Pte (Enterbung mteue* unb tyxzufom nnb ber
Änft^Iug an bte Befomritrfen bunfy M;ann
^tgiamimb. 1608-1619.
2lls 3ö fl ^ im griebrid) ft aro > roar f e * n @ r & e unterwegs nadj
Greußen, ©ei ber ©röfje ber 3ntcref?en, bie bort auf bem
Spiel fknben, fefete er bie «Reife fort. 2tm 8. 2luguft traf er
in Königsberg ein. ®ie ÜKarfen befahl er 2lbam &ans (Sblem
$utlifc als Statthalter. $a& eben in jenen Sagen fein
jüngfter «ruber (Sfirifttan 2Bilf)elm (geb. 18. September 1587)
mit oottenbetem einunbämanäigjien 3a^r bie bisher oon bem
£omfapitel geführte Regierung bes «Dlagbeburger ©reifte«
felbft in bie föanb nafym, mar bei ber jroeibeutigen Haltung
Äurfadjfens eine glütflidje gügung.
in ^reu&en mar bie Sage frttifd). ®a für 3o^ann
Sigismunb als ®emaf)t s 2lnnaS oon Greußen bie fluratel erft
redjt als 93orftufe jur 9iad)folge galt, ftiefi er bei bem Sterben
barum aud) auf tfärferen SBiberftanb. $tc Stäbte freilidj
Ratten naajgerabe er!annt, mos ifjrer wartete, wenn bas mon=
ard)ifd>e Clement, bas burdj SRarfgraf ©eorg griebrid) unb
3ofjann Sigismunb felbft enblia) wieber roürbig oertreten mar,
aus ber eben gewonnenen Stellung oerbrängt würbe unb bie
preu&ifdjen Herren i^ren SBunfd) nad) getreuer 9tod)btlbung ber
polnifdjen Sibertät erfüllt fafjen: wäbrenb biefe ^ßreufeen ber
polnifdjeu föepublif inforporieren wollten, wünfditen fie burdj
2lnerfennung bes <5rbrcd)ts 3°^ ann Sigismunbs bie beutfcfje
3ufunft bes Sanbes gefiebert ju feljen. König Sigismunb war
bem ntdjt abgeneigt: benn nodj beftanb bie (SJefafjr bes Elm
fdjluffes oon Sranbenburg an Sdjweben. 2Iud> lodte ifm ber
finanzielle Gewinn, ber itdj babei machen liefe. Schwierig blieb
es, ben poltüfäjen ölaubenseifer ju befdjwidjtigeu, größere grei*
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IL Sie (Srroerbung CIcocs unb ^rcufcenö.
299
fjeit für bie preujjifdien 5lat^o(tfen erringen, roas bem ftarren
2utf)ertum ber preufjifdjen Stänbe nid&t leidet abzugewinnen
war. ©o oerfd&ob ber König bie (Sntfdjetbung auf ben $u SBeginn
befi 3al)res 1609 angefagten 2Barfd)auer Reichstag unb gab
baburd) ber preu&ifd&en Oppofition 3ett &u planmä&igem ©egem
würfen. 3f>re 23eooflmäd)ttgten erbaten t>on ben roeftpreu&tfdjen
Stänben fitlfe äur Verteibigung ber burd) bie Kuratel bebroljten
greüjeit : trofc bes SBiberfprudjs oon Sandig unb (Slbing rourbe
fie jugefagt. SRodj fecfcr traten bie ©efanbten bes preufjifdjen
Slbels in SBarfdjau auf: nidjt genug, ba§ fie bie 3nf orporierung
bes fierjogtumfi als burdj bas ^ntereffe dolens geboten for=
berten, fie ergingen fid) cor bem Senate in Sdjmäfjreben gegen
3oadjim griebrid), ber fie in Knedjtfdjaft §u ftürjen gefugt
fjabe. SRodj ooller nahmen fie ben 3Hunb oor ben Sanbboten,
fretlidj audj ba ofjne ben geioünfd)ten Ginbrucf. daneben liegen
fie bie Kfinfte ber 9efte$ung fpielen : audj ben König meinten
fie faufen $u fönnen. dagegen famen bie fläbtifdjen Oefanbten
nid^t auf, wenn fie mafjoou* unb fadjltd) barlegten, wie man
am beften tfjue, bie 9ladjfolge gleidj im Sinn öranbenburgs
3U orbnen. Sodann Sigismunb mürbe junädjft nur bie Kuratel
jugefprodjen : polnifdje Kommiffare foQten fie ü)tn in Königs^
berg übertragen.
$er Anfang mar nidjt eben ermutigenb, jumal fiel) bei
ber befannten polnifdjen 3lrt mit Sidjerfjeit ermarten liefe, ba&
bie Erfüllung ber 3uN* f)tnterf>er oon allerlei 9fadjforberungen
abhängig gemalt toerben mürbe. 3)ie 3eit bis &ur Stnfunft
ber polnifdjen Kommifiare benufote ber Knrfürft, in ben Warfen
nad) bem 3^ecr)ten su feljen. 2Me ftänbifdjen gretyeiten fyittc
er bereits oon Königsberg aus beftätigt. £eunodj madjte fid)
balb ein ©egenfafo jtoifdjen feiner lanbesfjerrlidjen Sßrarjs unb
bem tljeorettfdjen SRed)t ber Stäube geltenb. $a fam bie 9iaa>
ridjt, bafc am 25. 3Wärj ber roatjnfinmge ^oftann 58tlf)elm oon
3ülidjs(Sleüe geftorben fei. Run fottte 3of)onn Sigismunb, nodj
nidjt redjt $ctx ^reufeens, im SBejten einen ferneren Kampf
auf fidj nehmen. $er fd)on oon 3oad)im griebridj geroonnene
Vertrauensmann, ber cleoefd>e ©bie Stephan oon £artefelb,
proflamterte in ben £auptorten fofort ben Regierungsantritt
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300 3»eite* öud). 2)ie erfte f>o$enjoÜernf<$c etaatögrünbung.
bes Äurfürften unb lie§ bas branbenburgifdje 2öoppcn am
fdjlagen. Ülm liebften wäre ber töurfürft borten geeilt: bod^
fjätte er fo in Greußen alles auf« Spiet gefefet. (5o entfanbte
er feinen Sruber, ben fe^öunbsroanjigjä^rigen üflarfgrafen
(Srnft, nadj Gleoe unb eilte felbft nad) Königsberg juräd. SBor
oerfammeltem Sanbtag übertrugen tljm bie polnifdjen Storni
miffarc ©nbe 3Jtoi bie Zuratet, nacf)bem ber 3lbe( auf bes
Jlönigs 33efef)l für fein unsiemlidjes Auftreten unb bie ju
2Barfd)au geführten Sieben Abbitte geleiftet f>atte. $)ie Öe=
lef)nung unterblieb : baß fie burdj weitere 3ugeftänbmffe werbe
erfouft werben müffen, zeigten bie gorberungen, bie ftönig
©igtSmunb ju ©unfien ber preujnfdjen ßatfwlifen erfwb, beren
Bewilligung aber bie preufeifd)en Herren als ein Sittentat an
bem <oeiIigften branbmarften.
©rnft genug war bie &age. 2lber 3o^ann ©igismunb
blieb gute* SRutS: ©ottes 6adf>e fei es boa), fo fdjrieb er I
feiner ©emaf)lin, um bie es fidj f)anbele, ©ottes (Sfjre unb
feine ftirdje gelje es an, batjer werbe @r audj fdjon raten unb
traten ; ifmi felbft bleibe nidjts als fleißig $u beten, ba er fid>
©ottes SBillen beuge unb nur als ein lieber unb getreuer
ßned)t erfunben werben wolle. $iefe Sßorte offenbaren ben
fataliftijdjen ©runbjug in feinem 25enfen. 9J2it naioer 3 u oer=
fidf)t meinte er bes oon ©Ott gewollten Ausganges fidler fein
$u fönnen unb liefe bie $tnge gef)en, fo weit fein ©ewiffen
babei rulug blieb. 2öo aber biefes fidj regte, würbe er unbeug=
fam. Unb eben bas mad)t ben leid&tlebigen unb bequemen
fterrn ju einer bebeutenben unb fnmpatlnföen @rfa)einung.
£anf biefer ©abe fyat er burd) aQe politifdjen unb fird)lid)en
SBirrfalc, man möd)te fagen inftinftio, ben nötigen SBeg ge=
funben. <5ie »erlief) feiner metcfylidjcn unb ftnnli$en 9iatur,
wo es große fragen galt, eine überrafcfyenbe geftigfeit. @mpfäng=
lia) unb bilbfam fmtte er eine einbrudfreiebe 3»9^nb hinter fid),
als er (geb. 8. ^ooember 1572) in ber glitte ber 3af>re §ur
Regierung tarn. 3f)n bem ©influfj ber caloiniftifdjen Neigungen
bes Katers ju entjiefjen, fjatte 3of)ann ©eorg if)n frülj an
feinen £of genommen, aua) burd> einen fteoers fidj auf bas
reine Sutbertum oerpfIia)ten laffen, ef)e er bie Unioerjität
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II. Sie Erwerbung Cleues unb ^>reufeen$. 301
©trafeburg beziehen burfte. Sort war bem gut oorgebilbeten
Jüngling eine neue SBelt aufgegangen. 2)lenfcf>en unb Singe,
©taat unb ftircfje erfcbienen ihm in einem ganj anberen Sichte,
als er fie in ben engen märfifdjen Verbältniffcn gefeben ^atte.
Sas freiere, potitifcberc, tljatfräftigere reformierte Söefen wirfte
flärenb unb ftöt)(enb auf ihn ein. 3n iHnna oon $reu§en, ber
er im £erbft 151)4 nermäblt mürbe, gewann er eine ©attin,
bie jtch ber in ihr beruhenden 5Rcd&tc iljreö Kaufes ooH bewuftt
war unb trofc i^rcd Suthertums Religion unb ^ßolitif in fluger
Vorausficht unb befonnener ^atfraft ju oerfnüpfen wufcte:
itjr flarer, fefter unb gläubiger ©inn würbe ihm §alt unb
©tüfce. 3n Greußen, wo er oon 1599 — 1602 wie ber ©tatt=
kalter bes Kurators ©eorg griebrid) waltete, (jatte er bie poli-
tifcbe 35crfet)rt^cit bes orthobo^cn Luthertums fennen gelernt
unb ftch unmerfltcb oon ihm emanzipiert. 3" langfamem
SBanbel feines Senfens näherte er ftch ben Reformierten. 3hre
ftrenge ©elbftjucbt freilich blieb ihm fremb: unruhig, gern
unterwegs ein tüchtiger Sedier, auffahrenb bis jum Söhsorn,
bann toieber nachgiebig, $crbradj er fid) nicht gern ben ßopf
unb febob bei fdjnoierigen unb unangenehmen Singen mit ber
©ntfdjeibung auch gern bie Verantwortung auf anbere ab.
2Bo fein GJewiffen in grage fam, fein felbfi unbebingt fidler,
mar er in allen anberen Singen mehr ein -Kann bes ®e=
fübls als bes Verftanbes, bes gläubigen 3"roartens als bes
gewagten £anbclns, mehr ein Veter als ein Kämpfer.
Rod) währenb er in Königsberg weilte, erwies es fid) als
unmöglich, bie ganje jülichfehe @rbfd)aft allein ju behaupten.
Oleich nach ber branbenburgifdjen Veftfcergretfung erfchien bes
Weltbürger s JJfaljgrafen ©ohn SSolfgang 3Bilr)cIm im Sanbe.
%m Süffelborfcr &of aufgewachfen, galt er manchem für ben
fünftigen föerrn. 3w tarnen feines Vaters ergriff auch et
Vefifc: man far) fein Sßappen neben bem branbenburgifchen,
währenb ein heftiger publiziftifdjer ©treit entbrannte. Sie
©tänbe wollten oor allem einen &f abwenben. Süiit ben
herzoglichen Räten befdjloffen fie baher, junädjft feinen oon
beiben ^ßrätenbenten anjuerfennen, fonbern in Erwartung einer
richterlichen ©ntfebeibung bas Regiment wie bisher fortführen
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302 3«>cite« 39ucf>. 2)ic erfite f>of)enjotfemfrf)e igtaatägrünbung.
$u lajfen. ©egcn einen ©inbruai beö föeräogö oon 9teoerö oer*
liierten fic fich in ber Stiüe ber &ilfe fomofjt beö 6r5herjogö
2llbred)t als auch ber 9iieberlanbe. 2lber ein faiferlicheö SWans
bat oom 24. 2Hai erflärte baö (Befdjehene für null unb nichtig,
befahl bie Selaffung beö beim Xobe beö fcerjogö gegebenen
3uftanbeö unb lub alle ^rätenbenten binnen oier Monaten jur
Entgegennahme beö Urteilö an ben &of. $aß aber bieö wichtige
©renjgebiet in bie ©ewalt ber fpanifaHaböburgiidjen SRacht
gebracht mürbe, fonnte weber granfreich noch bie Weberlanbe
äulaffen. 2öeldjeö Schicffal wartete bann ber eoangeltfchen 33e=
oölferung ! 9tid)t bloß um ihretwillen, im 3ntercffe aller @oan=
gelifdjen unb beö europäischen grtebenö mußte bem ftatfer jeber
SSorwanb $ur ©inmifdjung unb SBerhängung beö Sequefterö
entjogen roerben. (5r mar oorljanben, wenn Ärieg ober Ärtegö:
gefchrei befürchten liefe, bem rechtmäßigen ^offejfor fönne fein
Stech* entriffen roerben : eö galt, ein ben grieben grotfc^en 33ran=
benburg unb spfal^euburg ftchernbeö ^ßrooiforium $u fdjaffen.
Saju »ermittelte namentlich Sanbgraf SJiorifc oon Reffen, unb
SHarfgraf ©ruft, obgleich « mußte, baß feine Schwägerin fein
bleichen ihreö föedfjtö aufgeben unb baö erbe ungeteilt be=
fwupten wollte, ging in richtiger Erwägung ber Umftänbe
barauf ein. ©leia^eitig ließen bie unter Äurpfalj geeinigten
gürften burdj Gfjnftian oon 2lnt)alt bem tfaifer bie furchtbaren
golgen oorhalten, roelche bie fich fteigernben Uebergriffe ber ihn
gängclnben ^ejuiten für baö SReich unb für ihn felbft haben
mußten, jumal nach ber fiegreichen SRebeHion feiner Srüber unb
Oettern — natürlich oergeblich- So brang 2ftori$ oon fiefjen
burch. 2(m 22. 3Wai trafen fich 3ttarfgraf Gruft unb 28olf;
gang 2ßilt)clm in Hornburg oor ber &öf)e, ein jweiteö 3ttal in
Sortmunb. 2lm 20./10. 3um 1609 fchloffen fie bort einen «er*
trag, wonach fämtlidjer ^rätenbenten 2lnfprüche einem Schiebö*
fpruch unterliegen, biö bahin aber bie Verwaltung unb 33er*
tretung beö Sanbeö unter 3lnerfennung feiner fechte unb grei;
heiten oon ihnen beiben gemeinfam geführt werben follten.
3ubelnb begrüßte baö Sanb biefe Beübung unb bereitete ben
beiben Statthaltern einen feftlichen Empfang, alö fie $ur Ste*
fifcergreifung erfchienen. ©emeinfam betätigten fie bie tfanbeö*
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II. 2Me Grroer&ung (Stcpeö unb ^Jreufeenö.
303
primlegien unb empfingen ein oorläufigeö £reugelöbniö. Sur
ber ©efefjlfiljaber beft 6d)loffea $u 3üK<& oerweigerte ofjne Se*
fef)l beö Äatferfi bie Uebergabe.
©egen feine 3nfkuftion fiatte 2Rarfgraf ©rnft ben 33er;
trag gefdjlofien. Slber man f>atte ©runb, feine ©tgenmad&t $u
fegnen. $enn je mein* ber flaifer burdj ben Slufftanb in Sö&men
unb Sdjleften bebrängt mar, um fo mein* wollte bie 2lftions=
partei bafi bort Verlorene anberwärts wiebergewinnen. Sament;
lid> erftrebte (Srjberjog ßeopolb, Sifdjof oon $ajfau unb ©träfe;
burg / bie frönen nieberrfjeinifdden Sanbe. SJUtte 3ult erfaßten
er als faiferlid&er sprinsipalfommiffar unb fefete ftdt) in 3üli(ft
feft. ßaiferlidje SRanbate faffterten ben 2)ortmunber Sertrog,
oerboten bie Stiftungen unb toiefen bie (Stäube 511m ©efyorfam
gegen ben faiferlid&en Seoollmääjtigten an. 2lber über bie
dauern oon 3üHdj funauö reifte beffen Autorität nid)t. $0$
blieb feine 2lnmefenl)eit im fianbe gefäfjrlta). Salb fprad) man
oon feinen Schiebungen ju bem spfal$:Seuburger, ber im fianbe
2lnl)ang warb, aud) über reiaje ©elbmittet oerfugte, toctyrenb
e$ bem SRarfgrafen am Sötigften fehlte.
Sur lag bie ©ntfä)etbung nidjt im Sanbe felbft, unb ntdjt
feine 3ntereffen waren bafür maggebenb. @ft f)iefj, SBolfgang
2£ilf)elm wolle fatfjolifdj werben: bann &atte er bie eben
(10. 3uli 1609) erricrjtctc Sigue für fi$. 3n $rag freute man
ftd) ber Serfd&ärfung ber ©egenfäfce: fürchtete man bod;, Sran;
benburg werbe bafi Serf)ängni« beft ©aufe« ßabsburg unb befi
flatf)olijUmu$ in $eutfd)lanb werben. $aä würbe bie treibenbe
Äraft ber beutfdjen «Politif Defterreid)«. 9Wan war entfdjlofien
an bie ©ewalt ju appellieren, bie Sebroljten rüfteten }ur ©egen;
wein*. 3m Auftrage Sranbenburgä unb Sßfal^Seuburgö ging
ßfnuftian oon 2lnf)alt nad) granfreidj unb ben Sieberlanben.
Seibe oerlnefjen ©tlfe gegen frembe ©ewalt. $ann befteHten
bie beiben (Statthalter ifjn aum güljrer ifn*er Gruppen. $>a;
gegen muä)ö bie Sorge oor tfurfadjfen, bas 3o^ann Stgifl;
munb, wäf>renb er am Sieberrhein foajt, in Süden unb glanfe
bebroffte. Sie polternben Seben GljriftianS II. bei einem
Sefudje ber Äurfürftin Slnna in Bresben offenbarten ein (Sin;
oerftänbnis awifajen bem bortigen unb bem fraget £ofe. tiefer
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304 äroeiteo ®ud>. Sic crfte f>o(jenjolIei:nfd)e Staotögrünbung.
wollte gegen Sranbenburg bie 3ldjt oerhängen, jener fie ooEU
ftreefen. ©o mu&te 3ohann ©tgtemunb oor allem bie 9ttarf
ftdjern. 2Bte aber märe bamal« baju bie 2Jiittoirfung ber
Stänbe gewinnen gewefen! 93ei ihnen f)errfd)te bebenflidje
Sftifftimmung. 9Wan beargwöhnte beä Äurfürfien fonfefftonelle
3uoerläfftgfeit unb fürchtete feine caloiniftifchen Neigungen.
3mar hatte er oon feines S3aterfi SRäten bie ben ©täuben um
bequemften, ©ablief unb Soeben, entladen, aber ben reformierten
Prucfmann beibehalten. Die Oopofition ju befchmtdjtigen, 30g
er jefet (SbrifUan Dtftelmeger mieber in ben Dienft, wa« faft
wie ein preisgeben beö ®ef)etmen SRat« erfdnen. 2lber felbft
ihm begegneten bie Herren beö großen 2luäfdjuffe$ mit fühler
Ablehnung : was wegen Sülidjfi ju tfnin fei, meinten fie, fönne
nur ber Sanbtag entfeheiben. liefen berief ber ßurfürjt nun
freiließ nicht, liefe aber bodj in ben einzelnen Greifen ßonoente
galten, beren delegierte ate (Seneralauäfchufc ^ufammentraten.
3Jlit ihm fam man leiblich jurecht : hätte bodj bie Verweigerung
ber geforberten Beihilfe bie 3leu&erung bes ©rafen ©ablief be=
ftätigt, welche bie Herren als fdjwere Äränfung beHagten, feine
Sioei juoerläffigen Seute f>abe ber flurfürft unter ihnen. 60
bewilligten fie 400 000 Xfjaler, gemährten auch für bie (Sr*
lebigung ir)rer Sefchwerben eine Jyrift unb faben felbft oon ber
feierlichen 2lnerfenmmg ber Jtonforbienformel für jefct ab.
60 ftanb man oor bem 2lu8bruä) eines Krieges, ber $u
ungeheuren Dimenfionen $u warfen brohte. 3Bohl ftettte bie
faiferliche Diplomatie bie ©aape als eine rein beutfdje bar:
ßeinrid) IV. fo toenig toie bie lieber lanbe fonnte bas täufchen.
3n Berlin aber meinten manage, man folle fich getroft bem
ßaifer alö oberftem dichter fügen. 60 fam es erft ©nbe 1609
jum Silagen: namentlich um Düren im Sülicbfchen rourbe ge=
fochten. Slbam oon Schwarzenberg, obgleich ßatholif ein 3ln--
ganger Sranbenburgs, oerteibigte es gegen ßrjbersog 2llbrea)t.
SRun meinte man in Prag, jeber 9tücfficht überhoben ju fein,
wollte 33ranbenburg ädjiten, Saufen mit ^üiii) beiebnen. Dabei
erregte SBolfgang SBUfjelmö Haltung immer ernftere 3roeifel
an ber Sieblidjfeit feiner Slbfichten. Doch einigten jidj unter
Sßermittelung ber Union bie Prätenbenten am 17. 3anuar 1610
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II. Sie ©rtuer&ung Gleoeö unb ^reufcenö.
305
bafnn, gemeinfam bie Seleljnung nadfoufud&en, im übrigen aber
fid) bem Sprudle ber fierjöge 3ol)ann griebridf) von 5Öürttcm=
berg unb griebridf) r>on «golftein unb beö -ättarfgrafen ©eorg
griebridf) von 33aben ju fügen. Sludfj trat 3otyann Sigismunb
ber Union bei, bie ifjn unb {einen aflitbefifcer ifjres ©dmfees
oerfidjerte unb i^rerfeits ftdfj mit granfreidfj unb ben Weber*
lanben oerbünbete.
9lber es fehlte boa) an ber redeten Gntfd()loffenl)eit. 2ludf)
ftanb bie jülidrfdje grage trofc tyrer europäifd^en 33erfnüpfungeu
bodfj nidf)t für alle beutfdjen gürften fo im Srennpunft bes
3ntereffeö roie für 3°() ann Sigismunb. 2ludf) bie Union mar
bodjj nur §u gemetnfamer 5öef)auptung bes Sefifcftanbes ber ©e>
noffen jufammengetreten, nid^t um bem (Sinjelnen geroaltfam
ju neuen (Srroerbungen ju uertjetfen. &>ie ein falbes ^a\)v-
Inmbert früljer, mar baf)er audf) biesmal bie beutfdfje greifet
unb bas ©oangelium ofme fcilfe granfreidjs nid)t ju retten:
bag btcfeö baf)er audj roieber mit einem ©tücf beutfdfjen Sanbes
werbe belohnt werben- müjfen, lieg fidt) oorauöfefien. ftaju
brof)te bas Gingreifen Spaniens unb ber 9lieberlanbe. ©o
erhoben fidf> nodf) im legten 3lugenblicf jaf)lreidt)e Stimmen, bie
3of)ann Sigismunb jum 9fadfjgeben, ju erneuten Scrfudjen ju
frieblicfyer SBerftänbigung mahnten. 3 n feiner £anb, fo fdjien
es, lag ber griebe ber Söelt. Selbft Gfnüftian SBityelm, ber
Slbminiftrator r»on 3Wagbeburg, riet bem ©ruber baju: burd)
33efdjroidf)tigung ßurfad&fens, oon bem er felbft im gatte bes
©rudjes fdbroer bebrorjt mar, empfahl er bie 9ld&t abjuroenben.
Söirflidf) bot man Saasen gar ben 2ttitbefifc 3ütta>Glet>es
neben 93ranbenburg unb $falj=9ieuburg, wenn es bie (5in=
ftellung bes in Sßrag eingeleiteten 93erfabren8 beroirftc, natür=
lidj erfolglos. 3lber nid)t bloß in Bresben befing ber (Sifer
für bas reine ßutbertum bas politifdje Urteil: aud) fonft roaren
feiner Vertreter ©nmpatfn'en mefir bei bem S^aifer unb ben
ßatfjolifen als bem 311m (Saloinismus neigenben unb ben refor=
mierten ^ßfäljetn unb s JZieberlänbern oerbunbenen 35ranbenburg.
@o rufite beffen Hoffnung allein auf granfreidfj unb ber 9tepu=
blif. ^einridjs IV. Gingreifen, baö 1610 beoorftanb, mu&te
allem Sd&roanfen ein Gnbe mad)en. ©rfdfjien er mit bem in
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306 3n*toö Sit cr f* c ^o^cnjoüernf(t>e ©taatSgrünbung.
Sotfjringen gefammelten &eer im (Slfafe, roo .§erjog Seopolb,
ber 93ifd)of oon Strafeburg, Gruppen bereit fjielt, fo fjatte bie
Union bort bas Ue6crgerötcr)t. Saju fam neuer £aber im fjabft=
luirgifdjen £aufe: SRubolf II. rooUte geroaltfam bie bemütigenbe
21bl)ängigfeit abfdjütteln, bie if)m ber fdjleid&enbe s J)tattl)ias auf=
gelegt fjatte. Sie (Gegner waren alfo geteilt, bie ^(uöRd^ten
günftig: ba burchtreujtc Steoaiöacft SoWj alle Gntmürfe (14. 9)iai
1610), unb bie grofce Kombination fiel in fidf) jufammen.
Statt bes europäifdien Krieges gab es einen lofalen am
3iieberrt)ein. Surcf) franäÖftfd)en 3"5"0 unb 9iieberlänber unter
^vriebrid) iocinricr) oon Oranien oerftärft, fod&t ßljriftian oon
2lnf)alt gegen (Srjtjerjog Seopolb, beffen 2)?annfd)aften burdfj
it)re 3ucf)tlofigfeit bie 33eoölfcrung ooüenbs erbittert Ratten.
Köln, bem man nicfyt traute, mürbe jur (Sntlaffung feiner
Sölbner genötigt. 3)iitte Suli ging 3ln^alt bei Süffelborf über
ben Difiein, oereinigte fid) bei SRees mit bem &eer, ba« 3)tori|
oon Cranien felbft herbeiführte, unb begann bie Belagerung
oon 3ütid), bas am 4. September fiel. Sie erjtjcrjogli^en
mufeten burd) Sujembiirg nadf) bem (Slfafc absieben, mo ein
injmifdjen bort erfdjienenes igeer ber Union fie ooüenbs un=
fd()äblid) mad)te. Ses Kaifcrö 2lufforberung, bort einjufdjreiten,
(efjnte bie £igue ab, fdjlofe oielmcfjr mit ber Union einen
Stillftanb, ber beiben leiten bie Vertretung ifnrer Sntereffen
in ber jülid)fd)en Sadfje fo toeit freigab, als es ofjne 33er:
lefcung ber SRetdjSgefefce möglid) mar. Samit befanben fidj
Sranbenburg unb ^ßfal^ieuburg tl>atfädt)lidt> im SBefifc bes
i'anbes: irjre ©iutgfeit mar belohnt.
3J?ef)r als in 3ülid) mar 3ol)ann SigiSmunb augenblicflidf)
in ber aJlarf bebrofjt. 2lm 7. 3uli 1610 mar Saufen ju $rag
mit 3ülid& belehnt gegen ßrftattung ber oom Kaifer aufgemen;
beten ©elbmütel, Ueberlaffung ber tirdr)Iidr)cn einfünfte an
ben 93ifdjof oon $affau unb Strasburg unb Verausgabe ber
oerpfänbeten SReid&slefjen olme (Srfafe: bafür griff eft 33ranben=
bürg an. ßs abjumetjren mar geringe 2lusfid()t: eine 9)fufterung
im grül)jaf)r §atte ben gänjlidjen Verfall ber marftfdien Kriegs^
oerfaffung ermiefen. Unb ftatt ber geforberten 3000 3Hann
mottten 2Ibel unb Prälaten 1000 Sauern ausüften! Saft
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II. £ie Gntcrbuttfl <5let)es unb ^rcupens.
307
gefilenbe aufzubringen waren bie Stäbte weber geneigt nod)
fäfjig: uerfud)ten 3 n)an fl beantworteten etliche mit offener 2)teu;
terei. Xennod) ging bie flrijis oorüber. @in gürftenausfdjufe,
ben bcr tfaifer in ber Sad)e nad) ^rag berief, fam nidjt sum
Schüfe wegen bes neuen Streites 5wifd)en SRubolf unb 3Hattfn'as.
3ubem lähmte ber SBrud) $wifcf)en $fal$;3weibrücfen unb $fal^
Auburg wegen ber 33ormunbfd)aft über ben jungen pfäfyer
flurftirften bie Union. (Snblidj oeranlafete bie genieinfame
2(bminiftration enblofen föaber: fo fdjlug $ßfal3= s JJeuburg eine
Teilung oor. 2lud) ber Äaifer tiefe ficf) nun oerföbnlidjcr an,
wenn 23ranbcnburg bie $urfad)fen auferlegten ^>fltd)tcn auf
ftd) nehmen wollte. 2lbcr uergeblid) untertyanbelte ÜJtarfgraf
©ruft in flöln mit feinen 93eoottmäa>tigten. So fudjte man
nochmals fidj mit Sadjfen 5U oerftänbigen. $)aju riet aud) ber
trefflidje Gfnüftian oon Slnljalt; granfreidj, ßnglanb unb bie
Weberlanbe empfahlen biefen 2lu$weg. 2lua) entjprad) er ben
perfönlidjen ©efüf)len 3of)ann Sigismunds für bie albertinifdjen
SScrwanbtcn, beren Haltung Um tief fdnnerjte. 2)0511 fam bie
SRüdfidjt auf s J>reufeen: benn fidjer entfdneb ber nädtfte pol=
ntfdje SReidjstag gegen [ben fturfürften, wenn er tfjn anber=
märts bcbrotyt wufete. So liefe biefcr, obgleidj nid)t blofe feine
®emaf)lin, fonbern aud) ber ^euburger wiberfpradj, im gebruar
unb SRärj ju ^üterbogf m ^ Saufen unterfjanbeln. 2)od) ift
ber Vertrag 00m 21. Sflärj, ber Äurfadjfen unter allerlei 93or=
behalten jum SWitbefifc juliefe, nie t>oü>gen. $ie Slnonrcoo:
lution in 93öfnnen unb ber £ob 6l)riftianß IL fdjufeu eine
neue Sage.
£aburd) gewann 3of>ann Sigismunb 3eit, bie preufeifdjc
Sad)e enblid) 3U erlebigen. König Sigismunb II. wünfd)te
felbft bie branbenburgiidje 9Iad)folgc $u fidjew. So waren
eigentlid) nur nod) finanzielle Sdjwierigfciten ju überwinben.
gär bie Stäube fam neben ber fcibertät namentlid) bie Äon*
feffionalität in 33etrad)t. SBom Äurfürften um llntcrftüfeung
feines Sterbens um bie 93elcf)nung erfud)t, «erlangten bie
9ßolnifa>^reufeenS, es fottc im £cr$ogtum ben tfatbolifen 9ieli=
gionsfretycit, in Königsberg ein ©runbftüd jum Sau einer
flirdje unb für bieje 1000 öulben jä&rlid) gemäbrt werben.
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308 3roeite3 ÜBud). Sie crfte IjofjenjoHcrnfcfye Staatsgrünbung.
3m £erbft jog ber fturfürft abermals nad) ^?reuften; auf bie
SWclbung, Dag ein Ginoerftärtbnis erhielt fei, ritt er von ba mit
MO ©eroaffneten, meiere bie bret ©täbte Königsberg [teilten,
nad) 2Barfd)au. 2lm 6. 9Jooember empfing er bie Segnung :
Jjeimfefjrenb 30g er am 26. in Königsberg feftlidt) ein. 3m
Mpril 1611 erf Lienen bort polnifdje Kommiffare, um bie %\u
roeifung bes ^lafees für bie fatfjolifdjc Ktraje 51t übermalen
unb bie ©oentualfuilbigung ber ©tänbe entgegenzunehmen, ba
beim Grlöfdjen ber ^o^enjottern Greußen an ^Jolen fallen
f offtc. 2ludj bie ftipulierte @infüf)rung bes ©regoriamfdjen Ka=
lenbers im ©erjogtum fanb bamals ftatt. Sßorin aber trofc
ber 3ugcftänbniffe an bie Katfmlifen bie Sebeutung bes $or;
ganges tag, leljrte ber $roteft bes SßapfteS gegen bie 33elel)nuiig :
es mar enblid) einmal ein gortfdjritt ber eoangelifdjen ©ad)e
ju größerer ©idjerfieit. <5s mar jubem fein kleines, bafe in
^reufeen ^iierft ein frieblid&es 9iebenemanber ber Konfefftonen
burdjgefefct unb bas traurige ?rin$ip bes „cujus regio, ejus
religio" burdjbrod&en mürbe. 2lud) nahmen bie ©tänbe baran
meniger 3lnftofc als an bes neuen Kurators grcunbfdjaft mit
ben caloinifiifdjen ^ßfätgern unb Oraniem. 2lusbrücfltd) liefeen
fie ftd) uon ^olen uerbriefen, es foHten meber ßaloiniften nodj
äötebertäufer je im Sanbe gebulbet merben. ©elbft bie Kurs
fttrftin IHnna mifebittigte es offen, als Kurprinz (9eorg 2Bil=
fyelm nad) &eibelberg ging, bie (Sfje mit einer ^fätjerin an;
bahnte unb in Gleoe fidt) eng mit s JJiarfgraf (Srnft oerbanb,
ber als ber crfte feines Kaufes $um reformierten 33efenntnis
übergetreten mar, unb rief im geheimen bes Kaifers fcilfe an.
üttufjte biefes Sntfjertum 3of)ann ©tgismunb nidjt roie eine
©efafn* für bie 3u*unft feine« Kaufes erfajeinen? Unb balb
foHte ein anberer Vorgang bie Unoereinbarfeit biefer 2lrt oon
Sefenntnistreue mit einer jietberoufeten spolittf ermeifen.
$ie jütid)|d)e ©adje oerfdjlang fid) immer mefn*. ©cit
SRubolf II. audj als Kaifer burdj 2JJattf)ias erjefet mar, judfote
man auf einem anberen 2Bege in ^ßrag ben beiben pojfebierenben
dürften, bie trojj aller Differenzen nod> jufammenljtelten, bei=
jufommen unb unter gefd)itfter $erfdjiebung bes ©treitpunftes
ber fatf)olifd)en fteaftiou eine §anbf>abe ju bieten. 3lls oiele
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II. 2>te <*m>crbuiifl &teve% unb ^reufeenä.
(Soangelifche aus Stöln nach bem nahen 3)iühlheim im 33er=
giften überfieberten unb bieö fdjnell fjoben, erging auf Be;
fchwerbe ber Kölner ein faiferliches ©ebot bagegen. Als bie
beiben gfirften eö ignorierten, würbe ©jcehition gebroht, bie
mit flöln unb Bauern ßurfadjfen ooUftrecfen fottte. 9hm oer=
langte biefeö auf (%unb beö ^üterbogfer Bergleichä 3ulaffung
jutn rotbefife. Manche rieten 3of)ann Sigismunb nachgeben.
Auswärtige ©ilfe mar weniger benn je ju rjoffeu. Xer Aus*
bruch bes norbifchen Krieges r)atte bie ^arteifteHung oöllig oer;
fchoben. ^aju famen innere Schmierigfeiten. 3 n ben 3Jiarfcn
fowobl wie in ^reujjen far) man in ber Steigerung feiner
2)tacbt, welche bie nieberrf)einifdje Erwerbung oerf)iefj, eine
©efahr für bie Sibertät, unb bie Stänbe 3ülidj=6leües freuten
fidt) be« ^rooiforium«, währenb beffen fie fidr) eigentlich felbft
regierten. Auch betonte man in allen brei (Gebieten gerabe
jefet bafi 3ubigcnat3red)t, um bie Angehörigen ber beiben anberen
oon ben Remtern ausschließen, ©ben bafi, was ein gemein;
fames (gintreten für ihres &errn Siecht beförbern mußte, bas
SBerwadjfen ber Warfen, ^reu&ens unb ber nieberrbeinijchen
Sanbe $u einem einheitlichen Staatäroefen, wünfehten bie Stänbe
ju oerhinbern. 3 n biefer Sebrängnis rief ber Jturfürft feinen
33ruber 3<>h a " n ©eorg oon ^ägernborf $u feiner Untcrftüfeung
herbei.
3njwifchen trat ©nbe 1612, Anfang 1613 in Arfurt bie
ftommiffion stammen, welche bie Acht gegen Söranbenburg
oerhängen fottte, fam aber, weil biefeö felbft fern blieb, nicht
jum Schlufe: ber nädjfte ^Reichstag fottte bie ©ntfeheibung
bringen. Um fo bringenber mar für Branbenburg unb $falg-
Auburg bie Erneuerung guten (Sinoernehmens burch Begleichung
ihrer SJtfferenjen geboten. 3mmer übler hatte fi<h baß 9Ser=
hältnift jwifdjen SHarfgraf ©ruft unb ü&olfgang Sßilhelm ge=
ftaltet. tiefer flagte bitter über „befchmerliche Attentate", mit
benen ihm „jum Schimpf unb $um ^iräjubij" fortgefahren
mürbe, So plante man, roic es l^ifet, eine (£f)c 5i$olfgang
Wilhelms mit Johann Stgismunbs Xodjter Anna Sophie,
fchuf bamit aber nur neuen erbitterten Streit. £cr Weltbürger
oerlangte, ba§ ihm ba$u alle« föecht Branbenburgs auf ^ülidy-
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310 ,S roc i teö SJud). £ie erfte IjofjenjoUernfdje ©taatsgrünbung.
(Sleoe überlaffeu werbe. £as erfdjien bem tfurfürfien Diel.
(£ine fliege 2)ißfuffion über SBert unb Vebeutung ber beibers
fettigen 5lnred)te entbrannte. Xabei fam rooljl audj bed jungen
^faljgrafen jroeibeuttgeö Spiel, fein SBerben um bie föanb
einer banrifchen ^prinjcffin jur Spraye: er mag bem tfurfürften
herauöforbernb begegnet fein, $te (Sinjelheiten bleiben natür=
lieb bunfel, mögen auch nachträglich auögefdjmücft unb bra;
matifd) äiigcfpi^t fein, um bie jähe Beübung §u erflären, bie
nun folgte: aufbraufeub foll Sodann Sigismunb bem jungen
^faljgrafen einen Vacfenftretch oerfefet ^aben.
Ob <5üf)neoerfuche gemacht finb, roiffcn mir nicht. 3JJan=
djem fonnte ber 3nrifdj)c n fftu' faft roie ein abgefartetes Spiel
jroifd)cn ^fal$; s Jieuburg unb feinen neuen J$teunben erfdjeinen:
balb banacb heiratete SBolfgang äßilhelm beö Vauernherjogä
Xochter unb trat ^eimlia; 5um flatfjolijiftmuö über, hinfort
bereitete er Vranbenburg auf Stritt unb Xritt Schmierig*
feiten. ®aß nad) beö ^Jlarfgrafen Grnft Tob ofme weiteres
ber Äurprinj jum Statthalter ernannt mar unb einfeitig @r=
laffe oeröffcntlidjt hatte, fottte >in Eingriff in feine 9tedf>te
fein. Offenbar roollte er ben Vrudj. SBar er bod) ber Sigue
fiä)er, unb bie ©panier Spinolas ftanben bereit $um ©ins
marfd). Söas fonnte man bem entgegenfteßen? >$max fjatte
Johann Sigismund nach einer Vefprechung, bie er in §alle
mit feinen Vrübern oon 3ftagbeburg unb ^ägemborf, 3Karf;
graf ^joac^im (Srnft oon Ansbach unb fianbgraf 3Jlorife oon
Reffen hatte, bie föilfe ber üftieberlanbe erbeten : aber bie $ Us
ftänbe ber SRepublif matten fte nicht roahricbeinlich. Unb nun
erneute bes Hurfürften (Shriftian n. Nachfolger, fein oer*
fdjlagener Vruber ^ann ©corg, bie fädmfd&en 2lnfprüdje.
3u i^m neigte ber SKagbeburger Abminiftrator. 2öie fonnte
man ba auch nur bie ÜJiarfen ju beefen fjoffen ! Vergeblich
erbot fid) Johann Sigismunb bem Sresbener Vetter ju neuen
Verbanblungen. Ohne Vürgfcbaft 'eines befriebigenben Stufte
ganges roollte biefer fich auf nichts einlaffcn : habere ber 2)ort=
munber Vertrag feine Aufnahme in ben ÜJiitbefifc, fo fönne
Vranbenburg ihm fein S^cd^t auf Sülid) ja burch anbenoeitige
Abtretungen abfaufen ! Da half freilich fein oerroanbtfdwftlichcft
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II. £ie ©rroerbung Gleoe« unb $reuf|en$. 311
Serben, fturfadjfen rourbe oom ilaifer mit $ülid) belefnit, unb
@nbe 1613 fefcte biefer einen lefoten lermin auf Oftern 1614
an, um bic 6atf)e enblid) in eigener s J?erfon nad) feinem SBiflen
junt StuStrag ju bringen.
2Jon ben geinben umftettt, oon ben ftreunben teils oer*
raten, teils im Stid) gelaffen, ofjne bie bittet jur ülbroebr,
fcflien 93ranbenburg alles über ftd& ergeben (äffen ju müffen.
^n biefem 3^itpunfte / roo es fidj für fein .§aus um ©ein unb
}fid)tfein tjanbelte, ooöjog 3of)ann Stgismunb in 'ilusfü^rung
eines (ängft in if)m auffeimenben, allmäblid) erftarften unb
im SRoment ber rjöd^ften ©efafn* enb(id) gereiften @ntfd)luffes
ben Uebertritt 5um reformierten 33efenntmö. ÖS mar bie tapfere
Xfiat eines in fernerer föetmfudjung feinen ^rieben fu$enben
(SJeroiffens, unb rourbe jugleidj eine politiidje Xfyat von größter
Xragroeite, bie ben SBenbepunft bezeichnete in ber (Sntroicfelung
ber fjofjenjoUernfdjen StaatSgrtinbung.
So roenig allein politifdje üflotioe ben ßonfefftonSroeaMel
Sodann Sigismunbs oeranlaßten, unb barunter namentlid) nid^t
bie 2lbfid)t, bie reformierten (Steuer $u geroinnen, fo ftdjer mar
ibm bod) bie ^Jolttif überhaupt nicfyt fremb. 2)ie Seelenftim=
mung, ber er entfprang, roar mitbebtngt burd) bie politifctycn
U3erf)ältmffe. ©ine (Sntrotcfelung, bie in ber Stille längft im
<5Jange roar, rourbe jum 2(bfrf)lufe getrieben burd) bie fernerer
benn je laftenben politifdjen Sorgen. @s mag fein, baß bei
SSolfgang äöilfjelms Konoerfion bie Slbfid^t mitroirfte, bie
großen fatf)olifd)en 9)iäd)te ju geroinnen: 3o()ann Sigismunb
wußte, baß er burd) ben Uebertritt jum reformierten 23efcnnt-
nis nidjt bloß bie $af)l, fonbern audj ben (Stfcr feiner Gegner
tjermebrte. Um fo fixerer trifft feine Angabe bie 2öar)rt)eit,
er tmbe nur mit fiaj felbft jum grieben fommen unb angeftebts
fdjroerer Prüfungen im C^eroiffen Stille f)aben roollen. ©ie
3roeifel an ber &eilsfraft bes reinen ßutfjertums, bie ifjn feit
^aljren bewegten, mußten um fo quälenber roerben, je mefjr
er faf), roie feine Stefenner audj ber großen 3"funftsfrage
gegenüber, um bie ein SÖelttrieg brof)te, immer mebr in eine
3iidjtung gerieten, bie mit bem roafjren Öeifte unb Söefen ber
Deformation nichts gemein fmtte, oielme^r ben einzelnen roie
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312 3««*«* öud). Sie erfte f)o$en}oflernfd)e Staatägrünbung.
bie ©ejamtf)eit nur baö Ratürlia^e unb Rotroenbige 511 tf)im
btnberte. 2öaß feinem grübelnben 2)enfen aHmä^Iidji jur ©e=
wifjf>eit geworben, baö trat if)m nun in ber ^politif als ge*
jdjidjtlidje £f)atfadje übermältigenb entgegen: bas reine Sutfjers
tum, in beffen Manien unb ju beffen (Sljre fturfadjfen ir)n ju
#all bringen wollte, mar ber geiftige Räfirboben für ade Xm-
benjen bes ©tiflftanbe« unb beö RüdfdjritteS. 2Bie er als
(Sfirift in ber reformierten Scfjre bie &etlftgeroi6f}eit fanb, bie
er jefct weniger benn je miffen mochte, fo fanb er alfi Staate
mann unb prft bei ben Reformierten bie ©tgenfc&aften »er=
einigt, bie Rettung au« ben anbrängenben ©efaljren »erliegen
— @infia)t, ^atfraft, entfcf)loffenes 33ormärt«= unb 2lufwärtfi=
ftreben, eine güfle ftttlidjer äraft, beren Langel baft S3er=
Ijängniö befi Sutfjertumft $u werben brofjte, feit es im 33ua>
ftabenglauben erjkrrt baö 23erftänbniä für bie 3 C ^ unb i§ rc
3lnforberungen oerloren fyatte. 3Kutig ftcQte er für fidj unb
fein föaufi unb von ba aus audj für fein Söolf bie SSerbinbung
jwifd)en ©tauben unb geben, swifdjen Religion unb ^olitif
roieber r)cr.
(gntfa)eibenb bafür würbe, wie er fetbft bezeugt, ber 2luf=
enthalt am fieibelbcrger öof 1605, wenn audfj crft burd) bie Grifts,
bie oorangcgangen mar. SSon 3ugenb auf t)attc feine feinfühlige
Ratur bie 2lrt Beriefet, wie bie Sorfämpfer ber ßonforbien=
formel bie 3lnberöbenfenben oerfefcerten. (giner ber Ijeftigften,
6imon ©ebitfe, &ofprcbiger erft in SWagbcburg unb bann
Xompropft ju Berlin, war fein Religionölefjrer. 3of)amt ©igte*
munb f)at nadjmald geflagt, für feine miffenfdwftltdje 23il=
bung fei ju wenig getrau : in tfjeologifdjen fingen r)at er bad
nadjjufjolen gefugt. 3)üfetrauifd& gegen ©ebides fdjmäfjenbe
SBeridjte über ©lauben unb Seben ber Reformierten, fhibierte
er it>rc 2öerfe unb oerglid) fie mit ber .^eiligen 6d)rift. ®a
„gingen tfmt bie 3lugen auf" unb er „lernte bic 2öaf)rf>eit
ber Unroafjrljeit untertreiben". Unb nun traf er 1605 in
ßeibelberg etlidje oon ben Häuptern ber Reformierten, fromme,
ernfte, tüd)tige Männer, beren Seben tyrem ©lauben entfprad;,
ooll (Stnftd)t in bie SBeltlage unb entfdjloffen, i^r SDafein an
ifjre <Pflid)t ju fefeen. 3""^rlic§ traf er bamalä bie ©ntfdjeibung ;
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II. £ie irnoerbuiifl (S leres unb ^reufceno.
313
aber nid)t bloft ber Reuers, burdj bcn er fid) auf beö ©rofc
oaterö Verlangen bem Sutljertum gelobt batte (S. 300), unb
ieine eifrig lutberifdie Öemablin hielten it)n ab alsbalb über:
jutreten: aud) bie Sd)eu vor ben polittf^en Siernridelungen,
bie barauä $u erroadifen brobten, jumal mit ben eigenen Untere
tränen. Unbemerft frciltdr) blieb feine Sinneäänberung md)t:
mebr nod) als ber 33ater würbe er caloiniftifd&er ^Neigungen
oerbäcbtigt. 2lud) lehnte er bie Entfernung ber Reformierten
aus feinem Rate ab ; ja einer, $oftor ^rudmann, genofe als
ftangler fein f>ödr)fteö Vertrauen, $er eifrige ©ebide madjte
fein &ebl aus ben 3wetfeln an ber Redjtgläubigfeit feines ebe=
maligen Sdjulers, fo peinlich biefer fein ©ebeimnis roaf>rtc unb
feine Ueberjeugung allein „aus bem 93runnen Israels otyne
einiger ÜDIenfdjen 3"^"« " n b ^Berfuanonen" fdjöpfte. £a nafjm
fein föruber üRarfgraf ©rnft, ber in Gleoe fo trefflidj Semäfjrte,
^fmgften 1610 in £üffclborf bas 2lbenbmabl nad) reformiertem
$raud)e unb roieberbolte bas im Sommer 1013 311 Berlin in
ber Stille mit jablreicben ©enoffen, befannte fid) aud) balb
banadj (18. September) auf bem Sterbebette jur reformierten
Sebre. lieber jene berliner 2lbenbmablsfeier befdjroerte ftdt)
©ebide bei Qo^ann ©eorg oon 3ägernborf: fie fei gegen bie
ben Stänben jugefagte ©rbaltung ber reinen fiebre. (5s fdjeint
faft, als ob bas bei ^obann ©eorg bie ßntfdjeibung befd)leunigt
babe: er trat am 2. September 1613 jum reformierten 93e=
fenntnis über. Unb jdjon ergriff bie Seroegung ben Slbel ber
SJtarf unb Greußens : rjicr ging ber tapfere Jvabian oon 2)obna
ooran, bort ber Statthalter ber Sltmarf, Xbomaö oon bem
tfnefebed. Sie ©laubcn*ioäd)ter fdjlugen 2ärm. 9C£ft $erfuf)rer
311m Abfall oerfebrie man bie &ofprebiger Solomon ginf unb
SWartin pfelin. 2lm 17. Oftober rourbe %\\\t nad) ber ^Srebtgt
oon ber ^JJenge mit Steinen bebrobt. 3lnbere oerfefeerten ben
©eneralfuperintenbenten ^ßelarguS, weil er nidjt redjtjeitig auf
$ertetbigung bes ©laubens gebaut babe. 9lnfang X>ejember 1613
richteten gar bie Stäube eine SBorfteCung an ben flurfürften
unb appellierten an feine ©emablin iHnna. $od) blieb nun
and) bie (Gegenpartei niebt untbätig, namentlid) als 1613 ^JJorifc
oon Reffen, in ber jiilidjfdjen Sacbe als Berater unb S3er=
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314 3w»t^ erfte $of>enjoUcrnföe Staatägrünbung.
mittler beroä^rt, nad> Berlin tarn. 3ubem tiefe bic $erfdj)ärfung
her politifdjeu £age 3obann Sigismunb bringenber als je
wünfdjKU, enblicfy bes inneren griebens teilbaftig ju werben,
9tuf)e in feinem ©ewiffen ju ^aben. 2Bas ifyn fonft treffen
motzte: er §atte bann einen unoerrüdbaren ®runb in ftdj
felber. So würbe befd&loffen ju ^anbeln — fein geringes 2Bag=
nis in jenem Slugenblid.
3lm borgen bes 18. 2)csember 1613 oerfammelte ber
Äurfürft in 2lnroefenf)eit bes ©ebetmen 9iates fämtlid&e ^Srebiger
ber &auptftabt im ©cblofe. 2tuf jeinen 33efebl eröffnete ifjncn
ber flanier ^rutfmann, was beoorfteljc. 33on ber oerbeifeencn
(Spaltung ber lutfjerifdjen Sebre benfe er nid)t jut meinen, aber
nun möge man aud) ibm nid^t oorfd)reiben, maß er fidj prebigen
laffen folle. $as unjeitigc ©freien auf ben flanjeln rourbe
oerboten, bic ©eiftlicben foßten gute Scfdfjeibenbeit gebrauten,
alles jur Rebellion 2)ienlidf)e oermeiben unb alles jur (Erbauung
©eeigncte aufteilen. 9iadfj furjer ^Beratung erwiberten bie (Seift*
liefen burdfj ©ebide, bes fturfürften Grflärung, er rooUe bei
ber älteren Religion bleiben unb feine neue Sebrc einführen,
begebe ftd> ir)rcö SBiffens bodb eben auf bie flonforbienformel.
<Sk wollte ber Jlurfürft nie als oerpflid&tenb anerfannt ^aben:
überbaupt gelten in ©ottes Sad)c feine fteoerfe, roie aud) 3°=
aebims II. unb 3of)ann oon .Uüflrins 33eifpiel lefjre. (Sine S5er=
ftänbigung mar nid&t möglich smei Söeltalter unb jroei 2Bclt-
anfdjauungen ftanben einanber gegenüber. 2lm erften 28eil)=
uad^tsfeiertag (25. Stejcmber 1613) empfing er mit feinem
SBruber 3o^ann ©eorg, ©raf ©rnft Äaftmir oon 9laffau unb
etlidjjen ©efieimcräten unb ©bedeuten — im ganjen etroa
fünfzig — bas 3lbcnbmabl nad) reformiertem 9titus.
3JJädjttg mar ber (Sinbrud biefeß Vorgangs, tief bie Er-
regung, bie er weit über bie ©renken ber s Jflarf fynaui uer;
anlafete. $laä) bem unbeilooHen „ cujus regio, ejus religio", baS in
Steicrmarf fo gut wie in ber s ßfalj angewanbt war, erwartete
man niebts anberes, als ba& aua) ber s Diarf alsbalb ber refor=
mierte Kultus aufgejroungen werben würbe : eine $oleranj, wie
^o^ann Sigismunb gletdf) bei ber erften Mitteilung an bie
berliner ^rebiger oerbeifcen ^attc, lag fcem teufen ber 3 C ^
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II. Sie ßrroerbung (Xlcoeo unb ^Jreu&ens.
315
fo fern, bafe fie in if>r nur ben Ausflufe oerroerflicher £auf)eit
fah unb überzeugt mar, mit bem Uebertritt feien nur äußere
^Bortcifc erftrebt. Silber benn je entbrannte ber (Stfer ber
lutfjerifchen 3ionöroächter : gegen bie reformierten ©eiftlidjen,
gegen 3of)ann ©igidmunb felbft ergingen fie fid) in Schmähungen,
welche bie SHenge $u unbefonnenen Xhaten fortreiten mußten,
ftaju machte bie tturfürftin Anna aus bem Stummer über bes
©atten Abfall fein $ef)l. ©ebulbtg fah 3ohann ©igiömunb
bem totiften treiben $u. AU aber ©ebicfe einer erjten bebenf*
tiefen ©treitfd)rift eine noch heftigere folgen ließ unb in ber
SBorrebe bie frommen föerrfchaften beflagte, „bie oon ben ge;
heimften unb oertrauten Wienern, bie bad äöerf treiben unb
bas ©piel in Sauften fmben, fchänblidj hinter bas £id)t geführt
unb jämmerlich betrogen werben", ba riß if)m bod) bie ©e=
butb: er liefe ben &efcer am 23. gebruar oor ben (Reimen
!Rat forbern unb oerbot am 24. gebruar baö 6d>mäf)en, Säftern
unb Skrbammen auf ben flanjeln; roer eö nicht lajfen tonne,
foUe baljin gehen, wo c* erlaubt fei.
$cr ßrfolg mar junächft gering, benn bie (Eiferer, bie
bem heiligen ©eifte nicht baa 3Waul oerbinben lajfen wollten,
waren auswärtiger ©umpathien fidler: ©ebicfe fanb in bem
Abminiftrator oon 3Jkgbeburg einen ^ürfpredjer unb backte
nict)t an Abbitte ober ©inlenfen, fonbern entwich nach ^Bitten;
berg, wo man ir)n als ©laubenö^elben feierte, £atte bodj
tfurfürft 3oljann ©eorg, ala ob er baa ©efdjehene nicht fännte
ober nic^t glaubte, noch am 1. gebruar 1614 ben Sranbem
burger Detter brieflich ermahnt, fid) bod) ja nicht oon ber im
9t*ömiichen deiche „nachgelaffenen Religion" abjumenben. Sie
Abfertigung, bie ihm barauf würbe, oerftimmte ihn um fo
mehr, ala 3ohann ©igiamunb für baa Verbot bea ©djmähenö
mm ben ftanjcln [ich 0"f feine Vorgänger Auguft unb ©t)ri^
ftian I. berufen hatte. Auch rourbe @nbe SJtärj 1614 auf einer
3ujammenfunft ber gürften $u Naumburg bie (Srboerbrüberung
ber Käufer ©adjfen, 33ranbenburg unb Reffen feierlich erneut.
3n ben Warfen aber ftieg bie Erregung, ba tenbensiöfe
(Sntfteaung baa Urteil immer weiterer Streife oerroirrte. Sern
befchlofc 3ohann ©igiamunb enblich burch eine Darlegung feinea
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316 3 roe toö *ud). £ie crfte ljof>enjolIernfd)e Stootsgrünbung.
(Glaubens Ginbalt $u tf)tm, ba§ am 10. «JHai 1614 erfdjienene
„33efenntni6 von jefcigen unter bcn ©oangeltfdjen fdjroebenben
unb in Streit geflogenen fünften". @s roar roof)l fd)on raäbrenb
ber Grifte als ÜRedjenfdjaftölegung cor bem eigenen ©erotffen
entftanben unb rourbe je|t oeröffentlid}t, um burdj ruhige, faoV
lid)e Darlegung bie ^Differenzen äroifd&en Sut^eranern unb «Refor=
mierten gegenüber ber «Wenge be« föemeinfamen in bafi redjte
Sidjt 5U fefcen. 3n ber i'ebre oon ber «J?erfon Gbrifii, ber Xaufe,
bem 2lbenbmaf)l unb ber ^räbejlination befannte er fid) <w&"
brüeftier) jti ber „eoangelifaVreformierten" Kird&e, „al« roelaje
fid) auf ©ottcä s ^ort aüein grünbe unb alle menfdjlidjen £ra=
bitionen, fo oiel möglta), abgefdjafft" fyavt. Slber fo feft er
oon if)rer 2ßal)rt)eit überzeugt fei unb biefe aud) oon feinen
Untertanen erfannt ju feben roünfdje, fo roiffe er bod) ju gut,
ba& ber (Glaube ein $Berf unb GJefdjenf (Bottefi unb niemanb
über ©eroiffen berrfdien unb &err über ben ©lauben fein fönne,
unb rooße bafjer „ju biefem 33efenntnis feinen Untertan offene
lidt) ober beimlid) roiber feinen SBtllen fingen, fonbern ben
Kurs unb Sauf ber SBabrbeit ®ott aüein befehlen, weil es
nidjt am kennen unb Saufen, fonbern an ©otteö Erbarmen
gelegen fei". Daß mar bie feterlidjfte Soöfagung oon bem „cujus
regio, ejus religio". «Rur bafe bie ©egner roenigftcnö grieben
bielten, »erlangte er : bie Untertanen füllten fid> beö Säfiernö,
Sdjmäfjenß unb diffamierend enthalten unb trofe etlicber bog;
matifdjer Differenzen in grieben leben lernen. Damit bie
Xljeologen ibren ©tanbpunft einanber in fadjlidjcr Dtßfuffion
nodbmals barlegten, foUte in feiner ©egenroart in beutfdjer
(Spradbe ein Kolloquium gebalten roerben. Die berliner ©eift?
liefen leljnteu baß fcbließlid) ab, unb aud) ber neuen sBebörbe,
in ber »Itlicbe unb «eiftlicbe, «Reformierte unb Sutberifcbe
gemeinfam bie Sanbeßfirdje nad) bem ^rinjip ber Dolerans
unb ber «ßietät leiten folltcn, oerfagten Tie fidj. <So rourbe
ber 1614 erridjtete Mirdjenrat gegen bes Äurfürften Slbfidjt
eine Vertretung allein ber «Reformierten, roäbrenb er bie 3luf=
fidjt nicr)t blofe, fonbern aud) bie ^uriöbiftion ö& er lutfjertfd)e
©ciftlicbe üben foßte. Die golge roar ein heftiger Kampf
jroifcben ibm unb bem Konfiftorium, über ben ber SUrdjenrat
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II. 2>ic Grroer&ung (SIcücö unb $reuften$.
317
fdjon tiod^ wenigen 3a*)ren (1618) roieber aufeer N 28irffam-
feit trat.
$(ein genug blieb bie reformierte Gtemeinbe im &om.
2lufeer bem fturfürften gehörten ju if)r etliche GJefjeimräte, roie ber
flanier sprucfmann, ber Sßijefanäler Daniel 3Wattf)ias, Simon
^iftoriufi unb ber tapfere Xfjomas oon bem tfnefebecf, ber aua)
litterarifd) in ben (Streit eingriff unb bie 3Närfer an bie
Winten gegen it)rcn .§errn erinnerte. 2lber bie SRufje blieb
geroafjrt. 9fcue Aufregung aber braute im Januar 1615 ber
3ufammentritt bes SanbtagS ju SBcrlin. Qx überreizte (20. 3a*
nuar) eine SJefdjroerbe über bie fircblidje Neuerung unb oer;
langte 33eftätigung ber bie reine Se^re oerbriefenben bewerfe
aud) burd) ben Kurprinzen, roibrtgenfallö er bie geforberte
Kontribution ju oerroeigern brohte. 2Bieberf)olte berufjigenbc
©rflärungen blieben ohne ©inbruef, unb bafi Ergebnis ber er;
regten SBerbanblungen mar ein neuer Sieg ber fitbertät : in
einem SReoerß oom 15. Februar 1615 mufete ber .tturfürft ge;
loben, nidjt blofe niemanb in bem gehalten an ber unoer=
änberten Slugsburgifdjen Äonfcffion unb ber ßonforbienformel
ju ftören, fonbern aud> nirgenbs einen „oerbäd)ttgen unb unan*
ne^mlidben ^rebiger aufbringen", bas fieiftt fein $atronatsred)t
nidt)t im 3nterefje feines 23efenntniffes ju üben.
©leid) banadj mürbe er nad) Greußen gerufen. 2lls Statte
fwlter liefe fein ©ruber 3of)Gi™ ©eorg am 30. 3Rärj 1615
Ärujiftre, Silber unb 2lltäre aus bem £om entfernen. 2>a*
gegen proteftiertc am näct)ften Sonntag (n. Slpril) ^eter Stuler,
ber Kaplan ju 6t. ^etri, unter bem SBeifall ber SWenae unb,
roie es fd&eint, ntd)t ojne SBiUigung ber flurfürftin, unb fprengte
hinterher aus, er folle bafür gefafet werben, n>äf)renb er mu
geljinbert bie Stabt oerliefe. £)a erf)ob fia) am Montag abenb
(4. Slpril) bie üWaRc, bie Käufer ber reformierten föofprebiger
güfeltn unb ginf $u ftürmen. 2>er Statthalter eilte herbei,
aber bie 3J?enge toich nidjt; als einer oon bes Statthalters
Seuten irrtümlich feuerte, ftürmte fie an. Sdjroer bebrofjt,
mufete ber 3)Jarfgraf roetdjen, Jyüfelins $aus rourbe geplünbert,
unb faft märe am nädjften £age bem flanier unb ben übrigen
$ofprebigern ein (Gleiches gegeben. Slber s Jkucfmanns Gnergie
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318 3»>eiteö öucf). Sie erfte f>oijcn$oflernfd)c 6taatggrünbung.
unb bic Trofiung mit bcr Verlegung bcr SUcfiben^ bie Berlin
freilief) ruiniert (jabcn würbe, rüttelte ben SRat aus feiner
jroeibeutigen Untf)ätigfcit unb jur ßerfteflung ber Orbnung
auf. 9Um beeilten fid) aud) bie Stänbe, baö ©efdjefiene ju
bebauern. 3» einer fd)riftlid)en ©rflärung mußten SRäte unb
Bürger oon Berlin unb Äöttn bafifelbe tfjun. Stuler rourbe
beö Raubes oerroiefen.
Ter flurfürft mar wäfjrenbbeffen in ^renfeen. $Jebro()lidjer
nod) alö in ber SJfarf geftalteten fidj bort aunäd)ft bie golgen
beö flonfeffionöroedjfelö. Ter &auptagitator mar ebenfalte ein
ßofprebiger, ber ^rofeffor ber Tbeologie Sofiann 23efmt. ©r
hatte an feine lieben Sanböleutc „bie treuherzige Tarnung"
gerietet, „fid) cor ber oerbammliajen 3roinglifd)en unb Gal*
oiniftifdjen Sefte" $u tjüten. Taju famen ftaatöred)tlid)e S3e--
benfen: 1612 war beftvmmt, fein (Saluinift bürfe im föerjogs
tum ein öffentlict>eö 2lmt bcfleiben. konnte banad) bie §err=
fd>aft an einen foldjen fommen? Ter Sturmlauf, ber alöbalb
gegen bie $a 9lemtern gelangten ^Reformierten, namentlid) bie
SBrüber griebrid) unb gabian, ®rafen ju Tolma, begann, oon
benen erftcrer 2anbf)ofmeifter, legerer £anbeöf)auptmann mar,
galt eigentlich bem fturfürften. Seine (Stflärung, er halte
wie feine ©laubenögenoffen an ber Slugöburgifdjen flonfeffion
feft, madjte ebenfowenig ©inbrud roie baö SSerfpredjen unoer*
fürjtcr ©laubenöfreiheit aud) für bie Sutljeraner. Taö 93ers
bot beö Streitenö unb Sdimäbenö galt alö eingriff in bie
£anbeöredjte. 2flan regnete babei auf ^}olen: bort geboten bie
Qefuiten, unb Slönig Sigiömunb mar ber Sdjwager beö Gr&=
herjogö £eopolb, ber Jülich ; @leoe erftrebte. Tcöhalb eilte ber
Murfürft im grübjahr 1615 felbft fjerbei. Sofort trat bie
Oppofition reifer auf : jogar einen Teil beö geforberten ©elbefi
bewilligten bic Stäube gegen baö Herfpredjcn, in geiftlidjen
Tingen feine Neuerungen weiter ooraunehmen. Tie Berufung
beö Sanbtagö aber lehnte ^ofjann Sigiömunb ab: er mußte,
meffen er fid) oon ilmt 311 oerfehen batte. So manbten fid)
bie Stäube bamit an ben polnifdjen Serjcnöfjerrn, unb im 9?o*
oember trat ber ^anbtag jufammen. 3luf Jf^iitc 33efd)merbe
annullierte im Sommer 1616 ein föniglidjeö 2)fanbat baö $er=
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II. 2>ie Erwerbung Giern unb ^reufjene.
319
bot bes fcäfterns unb Seveltens oon ber Mangel unb fdjlofj oon
ben öffentlichen 2lemtern alle aus, bie nidjt entweber 5tatfjo=
lifen ober Sefenner ,ber unoeränberten 2lugsburgifd)en Jloiu
feffion wären.
2£äf)renb fo in 33ranbenburg unb Sßreufien ber fonfej=
fioneHe Äampf tobte, bort bie Sanbesfyerrfdjaft gebemüttgt,
f)ier überhaupt in grage geftettt mürbe, war ber flrieg in
3ülia>(£leoe ausgebrochen. Seit feines Katers W^VV Subwig
2:ob (21uguft 1614) £aupt feines Kaufes, fd)lug SBolfgang
SBilfjelm gegen ben aWitbcfi^er einen Ton an, ber bie 2lbftdjt
bes SJrudjes oerriet. Seinen 9iat betyerrfdjten smeibeutige fatf)o=
lifdjc föefeer : fturprin$ 0eorg SBiltjelm follte 311 jung fein, um
neben ibm ju fielen» 23eibe waren ooreinanber auf ber &ut.
Ta nad) bem Tortmunber Vertrag bie gemeinfam befefcten
^läfce aud) oon ben gürften nur gemeinfam betreten werben
foHten, oerweigerte ber ßommanbant oon %ül\<t) bem ^3fal^
grafen ben (Sinlafe. tiefer rüftete. Ter Äurprinj oerftärfte
feine Seibwadjc unb erbat bie &ilfe ber 91iebertanbe. Tie
2lusweifung feiner Gruppen aus Sülidj beantioortete 2£>olfgang
2Bilfjelm mit ber ber branbenburgifdjen aus Tüffelborf. 9iun
rüftete ber ßurprins. Ta befehlen bie SNieberlanbe göltet) unb
baten ^ranfreidj, Gnglanb, ftöln unb $fals, mit für bie (Sr=
Gattung bes griebens einzutreten. (Sin SlongreJ in 2S>cfel oer*
mittelte: bie Wieberlänber wollten Süliä) räumen, fobalb ber
gemeinfame 93efifc Ijergeftellt ober bas Sanb einer neutralen
3Jladjt übergeben werbe. 2lber fd)on ^atte bie fatbolifdje
Partei auf einen anberen 9ied)tstitel bin bie Slftion begonnen.
Tie Stdtjt gegen 2Wüt)tfjcim unb 2lad)en ju ooüftreden, eilte
ÜWittc Sluguft epinola als „faifcrlidjer fubbelegierter Äom*
miffarius" ins £anb. Soeben, wohin tcr Kurprinz 400 SHann
geworfen, ergab fid) am 2G. 3luguft. Tann würbe Türen be-
fefct, bei flöln ber dityin überfdmttcn unb 3Jhif}lf)etm ent--
feftigt. Tort fließ ber ^faljgraf mit 5000 3J?ann 3U ben £pa=
niem. 2lber ftatt fid) mit ber &oÜftredung ber faiferlid)en
üHanbate ju begnügen, rüdte Spinola auf 2i 5 efel : am 6. Sep=
tember würbe er ofme <2durertftreid) £err beS ^lafees, oer ben
Weberrbein betjerrfd)te.
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320 3«>eite8 Siudj. Die erfte Ijo^enjolfernfdje Staatägrünbung.
2)em fonnten bic Weberlanbe nic^t untätig $ufel)en. 3m
September befefcte üttorife von Cremen ©mmcridj unb Wm,
von fttmioegen auö rücften Xruppen ber SRepublif in ©od),
Lennep unb SRaoenftein ein. SNodjmalö tagte im Oftober in
Tanten ein griebenöf ongrefj : neben Sranbenburg unb $fal$:
iWeuburg waren Spanien unb bie Weberlanbe, Jranfretd), @ng=
lanb unb $öln oertreten. £ie in bem gemeinfamen Sefifc
liegenbe ©efaf>r immer neuen §aberö ju befeitigen, teilte er
bafi £anb am 10. 9?ooember 1614 fo, bafe Sleoe, Üftarf,
SRaoensberg unb SHaoenftein an Skanbenburg, 3ülid& unb SSerg
an $ßfal^9teuburg fommen fotlten. ©ebeffert rourbe bamit
nichts: uaaj wie oor beanfprud)te ber Äaifer bie oberftrid)ter=
lidje ©ntfdjeibung, unb bie Spanier behaupteten bie befehlen
$läfce. 3Wit it)rcr &ilfe wollte bie fat^olifdrje Partei jefct ben
entfdjeibenben Sdjlag führen, bie (*oangelifd)en aber blieben
uneinig unb untätig. 3oE;ann Sigiömunb begriff ben Grnft
ber £age: mit bem coangelifdjen ©tauben ftanb bie beutfdje
greibeit auf bem Spiele, „bie beiben fjödtften unb föftlidrften
flleinobten". 2lttes wollte er an ihre SBerteibiguug fefcen. Söer
aber half if)m ? Die Union fürchtete, griff fie 311 ben Waffen,
bie ©efafjr nur }u fteigeru, namentlich für fturpfalj. (Snglanb
^atte nur Söorte, SDänemarf empfahl bie .ftilfe beö tfaiferö
anzurufen, tfurfadjfen leugnete jebe böfe abfielt ber fatholifchen
Partei unb lehnte bie erbetene 3ufammenfunft alft nufeloö ab,
folange man ftd) ntdjt oorbeljaltlos bem ßaifer beuge. $ie
Stäube ber 3J?arf erneuten it)re 33efa)werben unb fabeu in ber
hereinbrechenben 33ebrängniö bie Strafe beö Rimmels für ben
SlbfaU oom regten ©tauben. 3" Greußen aber wühlte bic
lutberifd&e föefeerei alle 8eibenfd)aften auf: wenn $oleu 3ugriff,
mar bie 9Zad)folge für Skanbenburg oerloren. 9todjmalö eilte
ber fturfürft baher im .§erbft 1616 Dorthin. £aö er am
20. Oftober in feinen ©emädjern reformierten ©otteöbienft
galten lieg, fteigerte bie Erregung. (Sin neuer üHuöbrudj ber
lutherifdjen Unbulbfamfeit erfolgte, alö er Oftem 1617 baö
Slbenbmabl reformiert empfing, lieber tobte ber ftreitbare
93ebm oon ber ftan$el ber 3dr)(ofefird>c gegen baö caloiniftifd&e
Srotbredjen unb be*id)tigte ben tfurfiirften fünbbafter s $er=
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II. Xie erroer&ung Gleoeö unb ^reu&enö.
321
le|ung ber £anbe$oerfaffung, broljte mit bem 3orn ©ottes unb
betete, ba& er bem £eufel mehren möge — um, gur 23erant=
wortung gebogen, 511 erflären, nur aus pflid)tfd)ulbiger Siebe
8um fturfürften fmbe er fo gefprod&en! 2luf neue ftänbifdje
33efd>werben erfdjienen im 2Jtai 1617 wteber polnifdje Äom-
miffare. Sie erneuten bie bem £aft gegen bie Reformierten
entsprungenen 33eftimmungen oon 1612: reformierte ißrebtger
fodten fjinfort als griebenöftörer gelten. $)ie ma&oofle unb
milbe ^erteibigung, bie ber fturfürft im Sommer 1617 oer=
öffentlidjte, gab ben 5*önigftberger Geologen neuen 2lnla&, in
ir)rcr ©egenfdjrift bas Sidjt ifyrefi reinen ©laubenö leuchten 311
laffen. 3tu<^ fjier erlitt bie (anbe«h,errtidje Autorität unb mit
i^r bie eoangeliidje Toleranz eine fdjwere ftiebertage. $)er
Untergang bes ßurljaufes fd^ien faum nod) abmenbbar. SBer
wollte 3Wattr)iaö fjinbern, wie er gebrof)t, bie tfur unb bie
Äurlanbe 3of)ann Sigiömunb absufpred)en unb bem 3tbmini=
flrator oon 3Wagbeburg, 6l)riftian Söilljelm, su oerleifjen, ber
unlängft eine braunfdjmeigifd)e $rin$efun geheiratet? 9Jun
brofytc gar bas flaifertum gerbinanbö oon Steiermark. Unb
babei batte $ol)ann Sigiömunb über ben jülid)fdjen Streit
bie $3elerjnung mit ben börjmifdjen unb fd)leftfd)en ßerjen nod;
immer ntdjt nadjgefudit. 2lud) bas lieg ftä) je&t gegen itjn
wenben. 9iodjmate warb er bei ber Union um £ilfe jur 5öieber=
eroberung ber meberrfjeinifcfjen ©ebiete: bod) erft wenn bie
Spanier weiter um ftd) griffen, wollte (ie mit ben lieber*
lanben einfdjreiten, oertangte aber oon if)m jur Strafe für bie
9iid)t$ar)lung feine« Beitrages beften boppelten ^Betrag. So fä)ieb
er aus. Um fo freubiger überrafdjte it)n bie plö&lidje 2>erföf)n*
lictjfett fturfaäjfenft, bem bie Sfpronmerbung beö Steiermärferö
bod) Sebenfen erweefte. $er junge s ^fäl$er ßurfürft ocrmittelte
einen ^ergleidj, ber Äurfad&ien etnftweilen ben ÜHttbefifc in 3ülidj
einräumte. SBottjogen fonnte er nidjt werben, ba SBolfgang
äßüfjelm erklärte, er fei oertragsmä&tg oerpfltd>tet, bie ?äffe unb
fteftuugen beft jüüd&fd&en Sanbeö ben Spaniern offen $u baften.
2>a burd)freu$te be$ jungen Sa)roebenföntga ©uftao 5»botf
fiegreidier Angriff auf ^olen bie Gnttoürfe ber fatfjolifdjen
ffleaftton. $urd) SHorifc oon Reffen bot er bem flurfürften ein
VtuU, 'JJru&itt? öfjdii*«. 1. 21
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322 3««t*S 93ud>. £te erfte ^o^enjoücrnf^c Staatägrünbung.
Sünbniß: fo mürbe biefer $unächft Greußens ocrfid^ert. £enn
"öranbenburg Schroeben fernzuhalten, mar ^olen plöfelid) gu
allem bereit. $as &erjogtum rourbe ber fefte $unft, auf ben
bie fdjroer bebrohte ^ufunft ber ^o^engoHern fich grünben lieg.
Unb auch bie (Gefahren, bie in Gleoe unb felbft in ber SJiarf
gebrofjt rjatten, serftreute im grühjahr 161« ber 2lu$brud) be«
böf)mifa}en Slufftanbe«.
es mar eine glücfliche gügung, ba& eben bamate baö trübe
Lebenslicht Wibrecht griebrichß erlofd). (Sine neue fernere ©r-
franfung beöfelben rief 3ol>ann Sigismunb im grühjahr 1618
nach Königsberg. 2tuch ben Kurprinzen befchieb er borthin.
3mar unterließen bie murrenben (Stäube jeben (Smpfang. 2lber
änbern fonnten fie nichts mehr, feit ber Schroebenfönig jeben
2(ugenblicf jum Schüfe ber branbenburgifchen Nachfolge im
Sanbe ftehen fonnte. So mürbe roeber oon ben preufeifchen
Stänben noch wn ^olen ein ^erfudj gemacht, 3ohann SigtS=
munb oon ber Nachfolge im Herzogtum auszufchliefeen, als am
27. ^luguft 1618 Wibrecht griebrich ftorb. $on ^reufeen aus
lieft ftd) nun bie 9Karf retten, Glcoc oielleicht geioinnen. (5s
galt ben 2lugenblicf entfchloffen ju benufcen unb bie neuen
Kombinationen rafch ju oerroerten. 3m Oftober mar bie tut-
fürftliche gamilie uneber in ber Watt. Eier junge Schroeben;
fönig erfchien §u Berlin. Seine Verlobung mit bes Kurfürften
Tochter SDiarie ©leonore foUte bas Sünbnis mit S3ranbenburg
befiegeln. ^oct) mar man nicht einig. $er Kurprinz roünfchtc
ben Slnfchlufe an ^olcn. tiefer 3roiefpalt rourbe noch roetter=
hin oerhängniöüoö. @nbc bes Söhres fam ber Kurfürft mieber
nad) ^reufjen, um Wibrecht griebrich z" beftatten. £abei traf
ben feit 3ahren Kränfelnben ein Schlaganfall, ber eine teil--
roeife Sähmung zur golge hatte. ©rft Witte Wai 1619 fonnte
er bie SRücfreife antreten.
Schwere Sorgen [türmten auf ihn ein. 3>r £ob Kaifer
Matthias' (20. Wärz), Während unb Ungarns Stnfchlufj an
ben böhmifchen Slufftanb, bie 2öahl bes Pfälzer Kurfürfteu zum
König oon Böhmen (26. 9luguft) unb bie burch Kurfachfen er-
möglichte Erhebung gerbinanbs oon Steiermarf auf ben Xf)ton
bezeichneten ben beginn bes feit 3ahren brohenben SReltgions=
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II. SMe Erwerbung Gleueo imb ^reu&enö. B2B
friegeö. äikldje 3lnforberungen [teilte er an 33ranbenburg !
Unb baju ber £rofe ber auffäjfigen Untertanen in ber 2Harf
foroofil rote in ^reufeen, wo baö ©(f>mäf)en ber fefcerifdjen
Regierung formatierte. Um fo lodenber erfd)ien bie fdjroebifdie
SlHianä. (Suftao SCbolf »erlangte eine rafdje ©ntfdjeibung unb
©efdjleunigung ber ^odfoeit mit 3Waric Eleonore. @r wollte
felbft ba$u naa) Berlin fommen. Unter ftinroei« auf bes ©e=
maf)lft 3 u f* anD er & a * °i c Äurfärflin 2luffdjub. ©o blieb aße*
offen. Unb 3of)ann ©igismunb felbft füllte fid) ber Saft ber
Regierung nidjt mejr geroadjfen. £rofc ungeminberter geiftiger
Srifd&e fefmte er ftdf) nad) 9iulje. ©o legte er am 12. 9lo*
oember 1619 bie Regierung ju gunjUn feines <5ofme« nieber.
@r räumte baö ©djlofe unb 30g in bas &aus feine« getjeimen
flämmerer« 3lnton gretjtag. 9iur wenige SBoajen erfreute er fid)
ber ^ufje: bereit« am 23. Eejembcr oerfd)ieb er, ooH 3uoer=
ftdjt auf feinen fo oiel gefdjmäf)ten ©lauben, wie felbft feine
eifrige lutfjerifdje Söitroe ben preufeifdjen Stauben gegenüber
$u bezeugen für nötig liielt.
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III. #ollenbnrtg urtti Bankerott be» ßänbtjcfieit
Beghnenf« unter ©Borg tEKHphn.
1019—1629.
(£ben sroeiunbäroanjtgiäfjrig (geb. tt. iKooember 1507)
folgte ®eorg SBilljelm bem SBater. 9Ha)t unbegabt unb beroeg=
lidjen ©etfteö, entbehrte er bodfj beä inneren £altö. ©eine ober;
fläd)lidje ftatur fannte rceber bas ftrenge $flia)tgefüf)l nod) bas
empfinbttdie öemiffen, bie jenen aud) in ber ööd&ften S3ebräng=
niö rid)ttg geleitet Ijatten. ^afftoen aßefenö, ging er Rom
fUften gern auö bem 28ege unb fud&te, roo eö eine (Sntfdjeibung
galt, $>ecfung burdf) frembe Autorität. Sie ftttlidt) erf)ebenbeu
SiUrfungen bed reformierten 33efenntntffe3 roaren ifnn fremb.
3a, er fam ju ber eigentlid) möndnfd)en Summe aller SBetefjeit :
Qui semper moritur, nunquam moritur. 9lur lebte er nidf)t ba=
nadj, modjte er audj gelegentlid) wie ein Sufeprebiger bafi ©lenb
ber 3 clt a ^ Strafe ©otteö für bie Sünben eines entarteten
©efdjledjtö oertunben. 2Bof)l erfaßte ifm juroeUen Sorge r»or bem
Urteil ber 9iadjroelt : aber über eine neue &ioree, ein fjttbfdfjes
^ferb unb ein paar 2öinbf)unbe fd&lug er fia) fdjnell alle« aufi
bem Sinn unb oerfiel toieber ber bequemen ®erooImf)eit eine«
mit nichtigen fingen ausgefüllten t)öfifd&cn $afein«. ftefteigert
mürbe biefe moralifd&e Scfiroädie burdj entneroenbes fbrperlidje«
Siedjtum. 3 ur 3 e ^ Dcr ©eburt feines 9iadjfolger« erlitt er
eine SBerlefcung bes einen Sdjenfelö, bie nie oerfjeilte unb feit
1631 aud) ba« anbere 33ein in SHittcibenfd&aft jog, fo bafe er
fidt> in ber Sänfte tragen laffen mujjte, — roäfjrenb alles in
Waffen ftarrte unb bie ftriegsnot oft jdjnellen Crtsroedjfel nötig
machte. Unb biefer s JJiann jaf) fidj nun immer roieber oor (Snt*
Reibungen gefteHt, bei benen allcd auf bem Spiele ftanb. So
geriet er in eine ^olitif ber £albf)eiten unb ber SBiberfprüd&e,
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III. »ollenbung unb Saitferott beö ftänbifäen SUßiment*. 325
roahrenb cö bamals oor aflem entfchloffen Partei ju nehmen
galt unb nur eine fefte &anb unb ein flarer 33lief ba§ toefer
gefügte gahr^eug Vranbenburg-^reufeens einer gefiederten 3u*
fünft aufieuern tonnte.
£afe ©eorg Wilhelm auch bie ©laubenflfic^er^eit beö SBaterS
fehlte, routbe ilmt von feinen Untertanen faft oerbacht. $to\u
fejjioneHer ©ifer mar bie Seibenfehaft ber 3t\t: bafe 3o!)ann
Sigiömunb in bem reformierten ©lauben jugleidj ein politifches
^ßrinjip oertrat, ^atte auch auf bie ©egner (Sinbrucf gemacht.
3efct meinte baö orttjobojre Suthertum jeber SRüefftcht überhoben
5U fein. 3)er eifernben ftonfefjionalität aber oerbanb fidf) bie
Sibertät, bie leisten fterjenä an ben Sanbeöoerrat ftreifte. Um
bie Galoiniften lossuroerben, liebäugelte fte mit bem redjt=
gläubigen Äurfacbfen. 3m furfürftltchen ,§aufe aber fanb bieö
ftarre £ut(jertum in ber ÄurfürftimWitroe eine Vertreterin,
bie jeinen Steg aud) um bie äufunft ber Stynaftie $u erfaufen
bereit mar. 2Senn 3lnna ihres ©atten Seidje nad) „lutherifdjem
SBraudje" ausfteßen tiefe — mit ßrujifir. unb 9toudjn>ebel in
ben &änben, barauf bas 3 e f u *5 e ^ en . „wie es bie ^apiften
brauchen", in ©belfteinen — , fd)ien bas eine 33eftätigung bes
©erüchts, ber Verdorbene fei auf bem Sterbebette jum Süthen
tum jurüefgefehrt. Sie tiefe ben Sutheraner £oftor 3Heifener aus
Wittenberg im Schlöffe prebigen unb ben Gimmel um Vefehrung
bes jungen fterrn anrufen. Vom Statthalter beshalb aus*
gemieden, fehrte SWeifener mit bem jur ftonbolenj- erfdjeinenben
Murfurften uon Saufen jurücf unb erneute feine aufreijenben
^rebigten. 3a, t)o<$üerrätcrifclje $läne fpann 2tnna mit bem
fäa)fifd)en Sdnoager unb einer t>on 3efuiten geleiteten pol;
nifchen ©efanbtfdjaft : itjr jroeiter Sohn, ber lutfjerifche 3oadjim
SigiSmunb, foHte, mit einer furjädmfchen (Soufine »erheiratet,
3ülich^(£lene, ßurfachfen aber ^reufeen erhalten.
Unb babei ftanben felbft bie ÜJcarfen auf bem Spiel!
Verfliegte Sachfen im ©inocrftänbniß mit bem ftaifer unb ber
$hirfürfttm2Bitroe unb getragen von ben firdjlidjen Sympathien
ber Veoölferung feine ^piäne $u oerroirflicben — es fehlten
äße Littel jur Slbroehr. $te alte Sehenfriegsuerfafiung mar
anfgelöft, uon perfönlichem fttenft roeber beim 9lbel noch bei
326 3 ,0 *ftcö 93ud>. -Die erfte liofjenjoUernfdje otaatogrünbung.
bcn bürgern bie 9Jebe. 9Jur mit Sölbnern Hefj ftdj Reifen.
Da fd)ien es benn freiließ ein (Srfolg, toenn bie ©tänbe baß
oon ber Regierung oertretene Sßrtnjip gelten liefcen, bafc, wer
bisset perfönlid) für bie SSerteibigung bes Sanbefi eingetreten,
nun für bie (Spaltung berer ju forgen ^abe, bie bas ftatt
feiner teifteten, unb bie SKttcrfd&aft bie Littel für 300 Leiter
unb bie ©täbte für 1000 3Hann »u gu& auf brei Monate be*
willigten. Slber um melden greift mar bas erfauft! Der
2anbtagsre$efi oom 1. 3Hai 1620 gab ben ©tänben 3lnteil an
ber Leitung bes Ärtegsioefens : oon oier burdj fie präventierten
Deputierten foDtcn immer je jroei brei Monate am ,§ofe roeilen,
um gemeinfam mit ben fürftlidjcn Äommiffaren bie Kontrolle
über bie Sölbner ju führen, hinfort ritten ihre aWufterfom*
miffare neben benen bes Äurfürften an ben 28erbe; unb @am=
melpläfcen auf, unb ihre Vertreter organifierten unb übten ju=
fammen mit ben &aupt= unb 2lmtleuten bie üHilij. Sie fähigen
bem tfurfürfien ihre ©tanbesgenofien ju Offizieren oor, unb
com Oberften hinab bis junt geringen Sölbner mürben alle
neben bem flurfürfien auch ihnen verpflichtet. 2llfo felbft bie
ttriegshoheit bes Sanbesberrn ftanb hinfort unter ber 2lufFtd)t
ber ©tänbe! 3u jeber militärifdjen Maßregel beburfte es ir)rer
3uftimmung. hielten fie bamit nicht bie Söaffe in ber $anb,
bie ber auswärtigen Sßolttif adein ftadjbrucf oerleihen fonnte?
33alt> foHte auch tr)re Leitung an bie ©tänbe unb beren 93er=
treter fommeiu
Der SRe^eö oom 1. 3Wai 1620 enthielt bereits baö ganje
SSerhängnis, bem Öeorg 4ßilf)elm oerfallen follte. SBicfleicht
^ätte ein thatfräftigerer gürft in einer 3eit, roo jeber £ag bie
'Jiotioenbigfett eines fteljenben &eeres erroies, oon bem prin=
gipietten 3ugeftänbnis jenes 9te$efieö aus eine beffere ^ofition
gewonnen. Daju beburfte es freilich einer ginanjoerwaltung,
beren Sparfamfeit ben Stänben bie ^anb^abe jur Durdjfefeung
neuer 3"9eftänbniffe entzog. 2lber §u ber böfen ©rbfehaft, bie
er ba angetreten, fam (Seorg Wilhelms leichtfertige ©orglofig«
feit in föclbtadjen. ^m &off)alt würbe fo barauf loägewvrt=
fdjaftet, bafj ber treue $rucfmann (Stnjprache erhob, natürlich
©ergeben*. 3 crr " tte,1 ° wtrfte bann ber ftrieg. Das ©Uber
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III. Sflollcnbunfl unb »anferott bee ftänbif^en 3ftegtment«3. 327
ftrömte aus bei» Sanbe, baä bic Rachbargebiete mit ben eiern
beften ©elbjorten überfchroemmten. Die Steigerung bes <StI6cr=
inertes auf bas fünffache verfünffachte bie Verlegenheiten ber
öffentlichen Äaffen. 2llö aber etliche oon biefen bie roertlofen
©cf)eibemüiu,en abtoiefen, brohten bie armen Seute mit ©ctoalt.
Um fo mefjr f)i»Ö *>on bem ©ange ber Dinge in Greußen
ab, beim Dobe Johann ©igifimunbö bem einigen leibltd)
fixeren ©tüfcpunft bes &ohen&olIernhaufeö. ©eorg 2Bi(t)eIm mar
ein (Gegner Des Söünbmffes mit ©dhtoeben: er rooflte ^reujgen
burdj bie Vermählung feiner 3cr)rocftcr mit bem polnifdjen
S^ronerben fidjern. 2Öte roenig oerftanb er bie polnifche ^olitif
unb ben (Sifer ber preu&ifdjen ©tänbe für Sibertät unb Sutfjer=
tum! 3 uoem arbeitete ihm oud) W x Mb bi ß eigene Butter
entgegen, um baö ßerjogtum ihrem jtoeiten ©ohne, Joachim
©igismunb, jujuroenben. Seilte fte ben oon ftönig ©igtes
munb III. gebißigten ©tanbpunft ber preufcifd)en Opposition,
in ^reufeen fönne ein Reformierter fein 2lmt befletben, alfo
auch nicht &er$og fein? 3fe ©eorg Wilhelm 1620 nad) flönigd=
berg fam, erflärten bie ©tänbe, cor Velehnuug unb .ftulbigung
bürfe er fid) im Sanbe überhaupt nicht blicfen laffen, unb barauf-
hin roiberrief ber Äönig bie oorläuftge Veftätigung, bie feine
tfommiffare bewilligt rjatten. Run reichten bie ©taube eine
lange Reihe oon Vefehmerben ein, oon beren Stellung Ve^
lehnung unb ^ulbigung abhängig gemacht roerben foHten. ©letch-
jeitig brohte bie Vermählung 9Jlarie (Sleonorens mit bem
©d)webenfbntg, welche bic tfurfürfttmSöitwe betrieb, jebe Ver-
ftänbigung mit $olcn 311 r^inbern. Unb boch mußte man fte
erreichen, um irgeubwo feften gufe $u faffen. Denn wenn
Vranbenburg bie Selber nicht johlte, bie ber oberjächfifdje
itrei« feinen ©liebern für bie Unterftüfcung beö flaifers in
©Rieften auferlegt hatte, brohte Äurfadjfen in bie ü)iarfen ein--
jufallen. Der tfatjer aber wollte bie branbenburgifchen Sehen
in ©djleften unb ber Sauftfc an fid) bringen. Run machte
^Polen bie Velefmung mit Greußen oon ganj ungewöhnlichen
Seiftungen abhängig — §tlfe gegen bie Surfen, Zahlung oon
30 000 ©ulben, Vermehrung ber fatholifdjen Kirchen, Ver*
eibigung aQer preufjifchen Beamten für ben flönig unb anberes
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328 Zweites tfudj. £te crftc tyo$enwUernf$e ctnotogrünbunfl.
mebr. (Sdjliefelid) aber entfdn'eben bort neben ben flingenben
Argumenten bod) biefelben ©rwägungen wie früher 311 fünften
be$ fturfürften. 3m September 1621 mürbe ®eorg äSityehn in
SBarfdjau belehnt. 2ln Verweigerung ber §ulbigung backte nun
niemonb mebr.
Xaö Vünbnis mit Sdjweben mar aufgegeben, bie Unter=
fiüfcung ber (Blaubenfigeuoffen in Söhnen unb ©dilefien unter=
blieb, unb roie ben ^fäljer überliefe man ben tapferen <3ägern=
borfer Vetter 3of>ann ®eorg, ber geästet oon tfanb unb Seuten
flob, feinem (Sdjidfal. $a« mar ganj nad) beut ©inn ber Dörfer,
bie ifcren ^eiligen 2lbfa)eu oor bem reformierten ^fäljer mu
jroeibeutig betätigten, ala etma 4000 (Snglänber, meift ®e*
finbel unb faum bewaffnet, bie Oberft ©reu für griebridj V.
geworben fyattc, an ber unteren (Slbe gelanbet waren unb, ba
s 3Jtecftenburg fie nidjt pafficren tiefe, burd) bie ÜHarf nadj Völjmen
jietjen wollten. Von einem flommiffar beß töebeimen diätes ge*
leitet, rafteten fte in Spanbau. Xa fji«fe efi in Verlin, mit
ifmen motte ber 3ägernborfer bie <2tabt für ben Slufruljr 0011
1615 3üd)tigen unb reformiert madfoen. ©nbe 3»»i roaffneten
fta) bie Vürger, fperrten bie £bore, festen alle« in Verteibü
gungfijuftanb unb bebrobten in ibrem lutf>erifd)en gifer aua>
ben ßanjler ^rutfmann. 9?ur mit 9Wübe würbe bie Wube (jer*
getteUt, mäbrenb bie ©nglänber, benen bei bem tfriegßlärm
in ber ftauptftabt gar nidjt redjt geheuer war, nad) ber £aufi$
unb Vöfjmen jogen.
Sie 3Rärfer mfinfd)ten eben bem „gottlofen Gafainiärnus"
in Vöfjmen ben Untergang unb redjneten für ben gall ber
s J2ot weniger auf ben reformierten 2anbe$b«rrn unb feine refor=
mierten 9?äte, ala auf ben redjtgläubigen fädjfifcben tfurfürften.
3ubelnb begrüfeten fie bie Äataftropbe am Üüeifeen Verge. „£ier
ift," melbete ^rudmann bem tfurfürften nacb flönigäberg, „ein
folcfjeß Sro^loden unter bem gemeinen Raufen, Scbnaubcn unb
Sdjnarcben babei, bafe eö niebt aussprechen ift." war
bem Äurfürften baber febr unbequem, bafe ftriebrid) V. für
feine ©emablin, bie ibre Weberfunft erwartete, 3lufnabme in
ftüftrin ober <3panbau erbat. 9lbcr trofc ber 2(uöflttd)te, bie ber
(Sebeimc Wat ibm an bie £anb gab, mufete er „baß officium
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III. 33ollenbun$ unb ©anferott beS ftänbij'ctyen SRefltmentö. 329
humanitatis" bewilligen. Nun Rieften bie Flüchtlinge in ifyrer
forglofen 3lrt balb prunfooH &of. bitter flagten bie flüftrtner
über bie baburd) oeranlaßte Neuerung. „2lüe Söinfel auf ben
Xürmen unb unter ben Tädjern," jo rourbe gemelbet, „fteefen
»oll englifdjer grauenjimmer, " unb fogar bie auf be& 5lur=
fürften 33efef)l ifjtit felbft oorbefjaltenen 3immer mürben oon
ben ©äften geöffnet unb in ©ebraud) genommen.
$aö fteigerte ben &aß ber Dörfer. 3n ber 3üdjtigung,
bie ber Äaifer über Söbmen unb Sd)leften oerfjängte, fafjeu
fie ein ®otte$geria)t ju gunften ber lutFjerifdjen Ortf)oboyte.
£>aß bie Saufifc «Saufen fjutbigen mußte, galt als 93ürgfd^aft
für bie gernfialtung befi ftricgftfdjredens. 2ßas gingen biefe
Seute bie reformierten ftobenjollern an? 2Rod)te @eorg 2Bik
f)elms sproteft gegen bie Beraubung feines 3(ögernborfer Detters
ungefjört oerbaflen, mochte ber $aifer ibn työfmifdj auf ben
reidjen (Srfafc (jinroeifen, ber feiner in Bommern wartete: —
ifjr 3beal abfoluter Neutralität oernrirflid)t ju fefyen, er=
gangen bie märfifd)en ©tänbe bie ©ntlaffung ber lefctfn'n ge=
roorbenen Xruppen burd) Verweigerung ber nötigen Littel.
Sd&ließlid) sohlte bie ganje furfürftlidje 993ef)rmannfdjaft nod)
230 2Kann, je 100 als SBefafcung in Aflftrin unb «Pcife unb
30 in Spanbau.
2Sof)I füllte ©eorg 9BiIr)e(m bie Sdjmad) biefer Sage, aber
ju einem tapferen (Sntfcbluß fanb er ntdjt bie Straft. Selbjl
als bie feinem Sdjtoager abgefprodfyene flur SWarimilian oon
Magern erhielt, begnügte er ftdj mit einem obnmädjtigen $ro=
teft. £od) fefjlte es am föofe audj nidjt an Seuten, bie jum
ftanbeln rieten. 2)as tfjaten neben bem bewährten Seoin oon
bem fluefebeef unb bem tapferen Samuel oon SBinterfelb nament=
lic^ bie flurfürftin (Stifabetb ßfjarlotte unb ibre Butter Suife
Juliane, bes großen Oramers Softer, bie man trofc aller
ängPlicben iHüdftdjt am &ofe bulben mußte. 2Ufo autb l)ier ein
3toiefpalt, ber bie geiftigen unb fittlidjen Gräfte läfwtte.
Unb bie ©tänbe laberten aus 3lnlaß ber ginanjnot. @ine
Sefteueruug ber tfaufmannsroaren, namentlid) ber Seiben= unb
Söoöfabrifate, foüte bie Littel $nr Sdmlbentilgung fdjaffen.
Ter 2lbel ftimmte ju, bie ©täbte aber oerlangten, baß juoor
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330 3 n)c '* C!8 23ud|- £ie erfte ^o^en^ollernf^e Stoatogrünbung.
bie aufjubringenben Summen nad) ibren 2Bün)d)en auf bie
Stänbe oertcilt würben. So gefd)a^ überhaupt mdjts, aber
bie 200 — 300 Sölbner, bie man äufammengebradbt, würben
bodjj nidfot entladen, weil man fie nidjt ablöbnen fonnte. $abei
mar bas Üanb com Ärieg nodfj unberührt unb erfreute ftdjj bt-
bäbigen Söoblftanbeö. £ennod) weigerten bie Stäbtc audj im
£erbft 1622 bie Uebernafmte ber üblichen jmet drittel oon
bem jur £anbesoerteibigung bewilligten. So ftanb man balb
oor bem Staatsbanferott. Sa)on oerflagten ungebulbige ©läu=
biger ben tfurfürften felbft unb brobten mit bem fteidjsfammer-'
geriet. $n ben ftaffen fehlte bas Silber ,uir Münzprägung.
®a oerpad)tete er bas s JKün$red)t auf brei ^atyre an bie Stäube:
nur foHten ade oon ibnen gefangenen Stüde fein 33Ub unb
bie oon ifym geführte Segenbe jetgen. Unter notbürftiger 9Ba^
ruug beö Sdfjeius ging fo roieber ein £of)eitsredf)t auf bie Stänbe
über. 28as war an folgen überhaupt nodfj im Sefifc ®eorg
SBilbelmö?
Unb nun wudbs bie auswärtige @efabr ! £ie SBiltfür beö
ffaifers bebror)tc alle fteidjsfürften. ©elbft #urfad)fen weigerte
wie Sranbenburg bie 9Inerfennung ber baorifajen flur. $)abei
bauerte ber tfrieg am 9iieberrbem fort. $ie Spanier nahmen
1622 bas Scblofe ^ülicb unb bejeßten naa) XtUus Sieg bei
Stabt Soon (6. Sluguft 1623) 9*aoensberg unb 33erg. Sic
9Heberlanbe traten ntdbts, trofc beö Sdbufebünbniffes, baö jte
im grübjabr 1622 mit öranbenburg gefdjloffen, unb ber neue
2etlungstraftat , ben SBranbenburg unb ^falj^euburg im
äftai 1624 ju Süffelborf eingingen, blieb unausgeführt. SBottteu
Sranbenburg unb fturfad&fen mit ben beiben fädjfifd&en Greifen
bie fatr)olifdr)c iReaftion iiodr) aufhalten, fo galt es ju eilen.
3efct brangen bie furfürftlicben grauen unb ber gleid)benfenbe
SRat enblia) burd): bie Neutralität foHte aufgegeben werben.
Sfaslänbifdje &üfe war unentbehrlich. lUber Sänemarfs
fo wenig wie Gnglanbö unb granfreiebs war man udfjer. So
griff ©eorg Sßilbelm auf bie SlHianj mit Schweben jurücf. 2ludj
fanb er bort (Sntgegenfommen. $alb war @uftao 2loolfö ftriegs*
plan fertig : mit ©nglanb unb granfreia*) würbe über bie 2luss
führung oerbanbelt. (Sin beutfdber gürfientag follte erwägen,
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W. 2$ottenbun0 unb ^öanferott be$ ftänbif d>en ^Regiments. 331
was weiter jur Nettung ber gemeinen ©adje gu tf)un fei. 3n
weit auögretfenber Kombination oerlobtc ®eorg 3öilf)elm ba=
mala (eine Sdjwefter Äatljarine bem gegen ben ßaifer in SBaffen
ftetyenben ©ro&fürften Setzen ®abor oon «Siebenbürgen. 2lud)
ber bififier jögernbe Dänenfönig wollte mittlmn, wenn aud)
nur, um Sd&meben nid)t allein gewinnen §u laffen. Slber nur
ein £eil Norbbeutfd&lanbö folgte tf)m ald Oberften bes nieber^
fätt)Hf^en Kreifeö. Unb Deshalb blieb nun wieber ©eorg mu
f)e(m untätig. 2)as einige Ergebnis biefer Gpifobe war ein
nodj übleres 9Scrt)äUnid $um flatfer. Srobenb forberte biefer
bie Stnerfennung ber baijrifdjen Kur; Samern braute plöfelid)
Nedfjte auf Bommern $ur Spraye, unb auf ®runb beö Xefta-
mentö 3of)ann ©eorgä beanfprud&te 2Karfgraf $of)ann töeorg
bie Neumarf. Sdfjon fpradf) SöaHenftein oon bem nafjen (Snbe
ber &of>en$olIern^errfd)aft in ber 3J2arf, unb bie 3Ubertiner
griffen nadf) ber Seutc. 2lls ber 9lbminiftrator oon 3J2agbe=
bürg, ©t)riftian Sßilfjelm, bem Dänenfönig aufict, fünbigte iljm
bafi Somfapitel ben ©e&orfam unb erfjob ftatt feiner befi fäd);
fifd&en fturfürften 3ofwnn ©eorg jüngeren ©oljn.
Nun trafen audfj Sranbenburg bie Sd&retfen beä Krieges.
Denn Sttd^tung tonnte feine Neutralität nur finbeu, wenn es
fic erzwang. $a$u aber fehlten bie SJtittel. Der ftdnbifc^e
„gro&e Suidfdfjug" war 1623 in fettem Streit auäeinanber ge-
gangen, unb ber Sanferott ber &auptlanbe$faf[e t)atte mit ber
finanziellen Not bie Erbitterung ber Parteien gefteigert. 2)ie
gur 2lbf)ilfe ergriffenen Maßregeln Ratten fidfj teilö — wie bie
oon ben Stäbten oergeblidj befämpfte $erboppelung ber 33ter=
jiefe — alo mtrtfdjaftlidj fdjäblia), teilö afo unwirffam er^
wiefen. 3ludt) war bie wiberfprud&soolle Haltung ber Negierung,
auf bie ber Xob ber tfurfürfttn 9lnna (*Diärj 1626) lä&menb
gewirft ju fjaben fdjetnt, ntdjt geeignet, bie Stänbe au größeren
Opfern $u beftimmen. Sie bewilligten nur für brei Monate
3000 3Jtonn, nodj baju mit ber 2Jiaf)nung, „es möge ber
tfaifer als baß fjodfjftc Qaupt in Nefpeft gehalten, ber Kurfürft
oon Saufen als Kreteoberft unb ber ganje oberfädjfifdje Kreis
an ber §anb behalten, was feitens ber Armeen in foletyer Occu=
pation etwa oorgelaufen, im heften entfdfwlbigt werben". 5lber
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332 3 n,€ ^ eo $udj- XU erfte f)of>en5oÜernfd>e Staat^rünbung.
fdjon unterl)anbe(te ©eorg 2Bilt)cInt mit ©uftao ^(bolf, (£fyru
fttan IV. unb Setzen töabor, bem $raf 3lbam von Schmarren;
berg bie ^rinjefftn Katl)arine juführte. 3)och war noch nichts
feftgemadjt, als ber 2)änenronig losfdjlug. 93ranbenburgft 9teu=
tralität 311 refpeftteren mar für ihn unmöglid): beim SBorftofe
gegen s J)iittelbeutfchlanb war bie 3J?arf feine natürliche Cpe^
rationfibaftö. So befefete SHanfifelb bie ftaoelpäffe, ßaoelberg,
SKathenoiu, Sranbenburg, bann bie 3**"^ nnb rücfte auf
Wittenberg. 2)ie $änen bemächtigten fid) ber Slltmarf. 2ln
bie oerheifeene Zahlung ber requirierten fiebensmittel bauten
fie nic^t : bie Dörfer brannten fie nieber, mifchanbelten bie (Sim
roofmer, brachen «Hiften unb haften auf, plünberten felbft Kirchen
aus unb führten ben SWaub in @d)iffölabungen nach Hamburg.
Vergeblich proteftierte ©eorg SiMlfjelm. Von bänifchen
Wefanbten befam er ju hören, ob er efi Übel nehme ober nicht,
ber König müffe oorroärts, unb roer nicht mit ihm fei, fei
roiber ihn. <5r bereute auch nur fo weit gegangen ju fein:
immer neue ©efabren entfprangen baraus. 3n 9Bien erroog
man feine 2led)tung: mit Kurfachfen follte Söallenftein fie ooH;
ftreefen. Sehnliches plante man, ^icg eö, in 2Barf<hau gegen
Greußen. 3m Sanbe felbft gärte e$: man erging pdf) in ben
bttterfien SSorroürfen gegen ben Kurfürften. $er lutheriiehe
Gifer fchob alles Unheil auf bie reformierten SRäte. ©eorg
Wilhelm felbft mißtraute ihnen : er fürchtete oon ihnen im (£in=
uerftänbnis mit ben $>änen jum Krieg gegen ben Kaifer ge=
jroungen 511 werben. 80 rief er 2lbam oon Schwarzenberg aus
(Siebenbürgen jurüd : er fei feiner Gegenwart aüemege benötigt.
$as leitete einen Umfchnmng ein. $te folgenben (Sreigniffe
befchleunigten ihn. 3Jf*it 9Han6felb§ ^ieberfage an ber fteffauer
33rütfe (15. 9Ipril 1026) mar ber bänifche Kriegsplan gefcheitert;
ber fran$öftfch=fpm"fche Rieben vereitelte bie Susficht auf eine
große Koalition gegen bie Habsburger. £nrd) oerboppelte
$ienftn>ittigfeit wollte ©eorg Wilhelm baher ben Kaifer be=
fänftigen, bei ihm Schüfe fudjen oor ben 25änen, bie jefet ge=
fchlagen burdj fein £anb jurücffluteten : oor ihnen floh er au *
Berlin unb barg fid) auf ben 3agbfd)löffern ber Ucfer^ unb
s J?eumarf.
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III. SJoUcnbung unb «onfcrott beo ftättbifaen Scßimentö. 333
Sie er bamals ju ihm feine 3 u fl ua< >t genommen, fo ift
$eorg Söilhelm fortan oon 2lbam oon Schwarzenberg ab*
hängig geblieben. SRefjr als it)n felbft fjaben mu nnb Fachwelt
biefen für bas @lenb oerantwortlich gemalt, bas über Sronben;
bürg fam. $o<h ift Schwarzenberg eigentlich erfi in ber furzen
3eit, bie ©eorg Söilhelms Nachfolger ilm wiberwiUig im 3tmte
lafien mu&te, in ben üblen 9luf gebracht, ben bie neuere gor;
fdjung oon ihm nehmen begann. $n ihm erftanb ber ^iber^
tat ber märfifchen Fünfer ber erfte grofec (Gegner. 3 roar n ^
oon $aus aus mar er baS: er mürbe es burch bie Erfahrung
unb mit feinen 3wecfen wadjfenb. Selbftlofe Eingabe an bas
3beal freiließt) mar jener 3eit fremb, unb ohne Egoismus er;
reichte auch fachlich berechtigtes Streben nichts. #ei Richelieu
unb GrommeH ^at ilm ber ©rfolg gerechtfertigt. Schwarfcen=
berg (itt nad) fahren beö Kampfes in bem Moment Schiff-
bruch, wo er $u triumphieren fd&icn, unb bas beftimmte auf
lange hin bas Urteil ber Fachwelt.
911« Spröjjling eines rheinifchen, feit 1429 reidjsfreiherr;
liehen SRittergefdjlechts, bas in Jülich unb 3Warf größere ©üter
erworben, mar 2lbam oon Schwarzenberg am 26. 3luguft 1584
geboren. Xie SBcrbienfte feines SBaterS 2lbolf, ber fiefj als tau
ferlicher Oberft im £ürfenfrieg burch bie Eroberung oon fRaab
(1599) 9iuhm unb ben erblichen SReidjsgrafenftanb erworben
hatte, tufjerten ihm bie Ghmft bes Liener föofes, too namens
lieh flarbinal tfftfesl fein ©önner mar. Sluch ©raf 3lbam
zeichnete fich gegen bie dürfen fo aus, baf? Heinrich IV. oon
Sranfreich ihm ben SJctchaelSorben oerlieh, ©lücflicher nod) war
.er früh in ginanjgefchäften — ein 3 U & DCr ^ m Nßen blieb
unb manchen geinb machte. Xurdj feine Wüter — bie 2Huttcr,
eine 3Bolf;2Retternich, r)atte $u (Gimborn in ber Wrafföaft 9Rarf
ifiren 2Bitwen[ife — ben Stäuben oon ^ülich-Gfeoe angehörig,
ergriff er bie Partei ber prätenbicrenben Käufer, oercitelte
einen UeberfaU ber faiferlichen Parteigänger $u £üfjclborf gegen
bie beiben Statthalter unb rettete £üren oor ©r^herjog Seo=
polb. $afür geächtet unb in feinem Vermögen fdjwer ge=
fchäbigt, trat er am 1. ftooember 1610 als geheimer flammen
rat unb Dberfanjmerherr in Johann Sigismunbs Sienft, fanb
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334 3n>«teö 25uc$. 2Me crfte fMenjolIemftfie ©taalsgrünbung.
aber nur in ben nieberrheinifcfjen Sanben SBerroenbung. Xoxt
trat er bem 1013 jum Statthalter beftellten Kurprinzen nahe,
ohne bafc ihr Verhältnis ein intimes geworben märe. 3a, im
grüfjjahr 1617 braute ein Sruch, als ber tfurprinj infolge
einer Sntrigue ben jülidtfdjen ftmbftanb Slbrian oon globorf
Sur £afel 50g, ber cinft (1613) Schmalenbergs 93raut, 9ttar?
garcte üon ^olanb, bie £od)ter beS fürftfichen Statthalters
oon Lothringen, auf bem SBege jur ftochseit entführt unb
erft, als fie feine Werbung abroics, in greiheit gefegt fjatte.
Schwarzenberg oerlangte in Berlin feine ©ntlaffung: man
muffe ilm um jeben ^ßreis galten, urteilte ber (Geheime Rat,
ba er um 511 oiel wiffe. So brang ber Aiurfiirft in ihn
ju bleiben, vermied bem Äurprinjen feine Unbebachtfamfett
unb oerfprach, globorf $ur OJenugthuung ju nötigen. Run
erft fdjeint Schwarzenberg bem 5turprin$en näher getreten ju
fein. (*r begleitete ir)n 1618 nach ^>reufecn; bei ber %b-
banfung 3o(wnn Sigismunbs (Rooember 1619) führte er ftatt
feiner bas SBort uor bem ©efjeimen Rat unb ben Sanbftänben.
33eim Regierungsantritt @eorg Söilhelmä mar ©raf 3lbam
ber „fommcnbe 3J2ann". Schon bas machte ibm geinbe. Seine
Stellung roiberfprach bem 3nbigenatörcdjt. ®ann erroirfte er
ftdj beim Äurfürften eine -Kaffe Ohntft= unb ©nabenerweife:
feine (Erhebung jum OrbenSmetfter ber 3ol)anniterballei 93ram
benburg rourbc ben Orbensfomturen 1625 förmlich abgerungen.
9118 erfter Sanbftanb ber fturmarf mar ber „fterrenmeifter
uon Sonnenburg" bisher faft immer ein ©lieb beS turfürft=
liefen Kaufes geroefen. 9Iuch an bem Katholizismus bes (trafen
nahm man 2liiftog : bodj entfagte er allen Religtonsneuerungen.
2)a& er [ich aber hinfort oor$ugsmeife nach btefem 3lmtc als
„&err SReifter" titulieren lieft, machte ihn bei bem marfif$ett
Slbel unb ben (SJebeimeräten nicht beliebter, 3umal er biefen
fchon als Reichsgraf unb Orbensmcifter übergeorbnet fein wollte.
3hm fehlte bie GJenügfamfeit ber an befdjeibene ^erhältniffe
gewöhnten branbenburgifdjen Beamten: wie er mit furftlichem
©lanj auftrat, fo machte er auch feine amtliche Stellung für
feine ginanjen nufebar. Seinen bauernben (Sunflufe auf ben
tturfürften aber erflärt fein politifches Snftem. 3lber nicht blofe
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III. »oUenbunfl unb »anfetott bcs fiiinbtfdjen Seßimentö. 335
bie bequeme, it)it cntlaftenbe unb bod) fein Selbftgefühl fjebenbc
(flefchäftßfübrung Schmalenbergs feffelte ©eorg äöilbelm : ein
pfnchologifcheä SWoment tarn fun^u. 3» ^tm @rafen fanb ©eorg
Wilhelm alle bie (Sigenfchaften, bie ihm felbft festen, Schärfe
beö Urteils, 2Iusbauer in ber Verfolgung bes Sitte, bis gur
ßeroaltthätigfeit rücffichtslofe ©nergie in ber Befämpfung jebes
Söiberftanbeo unb meitgchenbe Sfrupellofigfeit in ber Sßafjl
ber bittet, unter benen auch ©ntftettung ber ^atfod&en, Süge
unb SBerleumbung gelegentlich eine Siotte fptelten, unb bas alles
getragen oon faft fataliftifchem GMauben an fein 9fled)t. Sßie
hätte ®eorg Wilhelm, ofme Äühnfjeit, ohne ^fjatfraft, mit
feinem fubatterneu Sinn für bas 9?äd&fte unb JUeinfte, ftd) bes
©influffes einer folgen 2öallenfteinnatur erroefjren foöen, bie
ihm su oerfdjaffen r>err)ie§, mas er erfehnte, felbft aber ju er=
ftreben raeber ben 3Hut noch bie tfraft t)attc — Neutralität
inmitten bes furchtbaren Krieges unb Befreiung »cm ber ent=
mürbigenben Beoormunbung burdj bie Stänbe.
Bis 511 ber Ärififi uon 1626 l)atte Schwarzenbergs ^ätig=
feit faft ausfcbliefelid) ^ül\6)-Qk\)C gegolten, £ort, roo ftdt)
bic europäif djen ^«tercffen für Branbenburg freuten, tjatte er
feine biplomatifche Sdjule burdjgcmacht unb jugleich im ftampf
mit ber ftänbifchen &ibertät Erfahrungen gefammelt, mag er
fpäter auch bort manchen Grfolg mieber oerfcherjt unb 2lnftofj
gegeben höben buref) bie ^rt, wie er beö tfurfürften ®elbnot
m feiner Bereicherung benu&te. 9lud) auf bie märfifchen Ber=
hältniffe mirfte bas ein. 3unächft freilich ftanb bort bei feiner
3lücffehr aus Siebenbürgen bie auswärtige s £olitif 3iir (5nt-
fdjeibung. 3ötc fie ausfallen mürbe, mar faum noch 3roeifelf)aft,
ba Schmarren berg ein (Gegner ber fdjroebifchen 2lllian$ mar:
er mißtraute bem „febroebifchen Hochmut", deshalb halten ihn
bie fürftlichen grauen, bie ju ber gleich mieber aufgegebenen
energifcheren 3lftiou gebrängt hatten. 2ludj biefe 5?cinbfdt)aft
ift nicht ohne ßinfluft auf bie ©eftaltung ber Uebcrlieferung
geblieben.
Sleufjerft fritifa) mar bie Sage. ßben ftrömten SWansfelbs
Scharen gefchlagen in bas Sanb üurücf unb oerroüfteten nament=
lieh Me SWittelmarf. $as Aufgebot, bas bitter, Bürger unb
•
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336 3">eiteä $ tc erfte ^o^cnjoUernfdjc Staatögrünbung.
33auern in SBaffen rief, ^atte feine 2Birfung. Äaum ba(j man
bie £auptftabt gegen einen ©anbftreid) bedte : ifjre (Stnroofyner-
äaf>l reichte nidfjt aus, um fünfzig Wann täglich jur löeroadning
ber 2f)ore aufzubringen. Eesfmlb fperrte man baö Spanbauer
unb bas etralauer £fmr, mufjte aber um Soljanni felbft bie
erinnerten sunt 23ad)tbienft f)eran$ie!>en. Unb alö bie Sänen
enblidj abzogen unb s JJianflfelb über ©d^lcficn bie SSerbinbung
mit SJetfjlen Öabor fudfjte, ba rejpeftierte ber nadfirüdenbe
SBaßenftein bie Neutralität löranbenburgö natürlich aud) nid&t.
(Eigentlich ^atte ©eorg 3ßilf)elm fd)on feine 2Öal)l mein*. So;
roofjl bie non feinen Näten vertretene bewaffnete roie bie oon
ben Stänben oerfodjtene unbewaffnete Neutralität mar fläglid)
ju Sdjanben gemorben. Neutralität mar überhaupt unmöglich,
unmögltdf) aber audj eine Parteinahme für bie eben erliegenbe
bänif^nieberrtyetmfd&e Koalition. Nur bas 23ünbnte mit bem
fiegreidjen ßaifer oerfjiefj Siä^er^eit: je jd&neller man es ab;
fdjlofc, um fo ef)er erlangte man »icttcidit einige 3ugeftänbnif}e.
<3o urteilte audj 6df)roarfcenberg, enttpredjenb bem ©tanb=
punfte, ben er non 2lnfang an oertreten unb bem ber $er;
lauf ber 2)inge Ned)t gegeben Gatte.
2)a^u fam, roaä aus preufcen gemelbct mürbe, ^ranben^
burgs neuefte ©diroenfung befeitigte alle Sroeifel ®uftao 2lbotfö.
Nodf) im $uni erfdnen er mit feiner glotte oor ^3iüau. Sie
paar l)unbert $lann, bereu Anwerbung bie legten SeroiHigungen
bes ßanbtageö ermöglicht fjatten, unb bie mer im £afen liegenben
Schiffe fonnten u)n nicfjt fjinbern : ofyne einen SdntB ergab fidQ
bie geftung. £en beftürjt fjerbeieilenben Oberräten erflärte er,
er fomme als greunb unb verlange Piüau nur, um beim
3Jlarfd) gegen bie Pfaffenfnedjtc im (Srmlanb im Nütfen ge*
bedt 311 fein. ®en ftinroeis auf bie pafte mit Polen mied er
barfd) ab: non einem SDiittelroeg fönne nid&t bie Nebe fein,
bad mürbe itynen nur ben $alö biedren, fie müfeteit „(Srtrema
ergreifen", entroeber 511 iljm ober üu polen galten. Gr miefi
f)in auf baö ©dfjidfal, baö Preußens, blieb es polmfdj, martete.
„SBelnrt eudfj," rief er, „itjr t)abt uicrteljalbtaufenb Nitter im
Sanbe, nefjmt mtdj jum ®eneral, ic^ miß eudf) ju §tlfc fommen
of)ne Solb." 311 fold&er &üf)nf)cit maren bie preumfd)en Herren
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III. SBoIIenbung unb »anrerott be$ ftänbiföen «Regiments. 337
freilid) nid&t fäf)ig: wäf)renb bcr Äönig @lbing unb ÜHarienburg
naljm unb balb an ber 2Beid)fel ftanb, fugten fie if)n immer
oon neuem bureb ©cfattbtfd&aften Ijeim, um oorbefjaltlid) ber
Suftimmung öeorg äBilljelmß Neutralität ju erbitten.
@eorg 2Bilf)elm mar aufeer fid). odjmerjlidjer aU bic
§eimfuä)ung oon Sanb unb Seilten empfanb er bie ^JJiifcadjtung
feines §ürftenred)ts. „$i$afi Reifen mir greunbe, wenn fie mir
bas tfwn, roaft id) oon meinen ärgften Stuben erwarten foßte,"
flagte er. „2öaä gef)t mid) bie gemeine (Sadje an/' fragte
er, „wenn ia) foß äße meine Deputation, @f)re unb settlidje
2Bof)lfa()rt oerlieren?" Gittere Vorwürfe erf)ob er gegen bie
SHäte, bie if)m Hoffnung auf ©djweben gemalt: nun feien
aud) fie mit ir)rcr 2öeiöf)eit am (Snbe unb fönnteu nidjtß ate
jur ©ebulb mahnen unb auf beffere Reiten Dertröften. 3a
etlichen, namentlid) Seoin oon bem ftnefebed, gab er, wenn
niä)t geheimes (Sinoerftänbniö, fo bodj Snmpatfjien mit 6d)weben
fdmlb. @r wollte f)anbeln: weljre er fidt) unb tf)ue, was er
fönne, fo werbe er wenigftens md)t folgen Sdjimpf tjaben.
3tergcreö als 2)änen unb ©djweben fönne i^m audj ber tfaifer
nid)t tfmn. Unb fo fam er ^u bem Sd)lufe : „310c 9öelt mtifete
mtd) für eine feige SRemme fjalten, ba id) fo ganj ftiße fifcen
foßte. Reifer mit ©Ijren geftorben, als mit ©ajanben gelebt.
3a) fjabc nur einen Sofjn : bleibt bcr aifer ftaifer, fo bleibe
id) unb mein Soljn aua) wof)l fturfürft, ba id) midj beim
Äaifer galten werbe. 2Ufo felje id) nid)ts anbereö, als id) werbe
midj sunt JRaifer fdjlagen muffen in ber 3cit, bie id) nod) etwa
Jjabe. "
Crben in jenen Sagen fam £err §annibal oon $>of)na
als ©efanbter bes Äaifers nad) Berlin. ©urdj fdjöne SÖorte
wegen Bommerns unb 3ülid)s foUte er ben Äurfürften föbern,
feine diätt ausbordjen ober beftedjen. ©r mad)te bamit um fo
mein- ©tnbrutf, als ©eorg SBilljelm mufete, baß man \\)m in
Söien unb in 2Sarfd)au feines pfäljer ©djwagers Sdiidfal ju^
backte. Slber bie ©ntfdjeibung, bie er bei fid) getroffen, offen
ju betätigen, trug er Sebenfen. odjwarfcenberg foßte bie
übrigen ©efjeimeräte, bie nadj wie oor für bewaffnete 9?eu=
tratität eintraten, unb bic ©täube, bie unbewaffnete 9ieutrali=
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338 3"*»te* £» c "ftc ^o^cn3oHernf^c etaatägrünbnng.
tat forberten, oon ber ^iotroenbigfeit unb 9Jüfelid)feit beß 9lm
fdtfuffeß an ben Slaifer überzeugen. So rangen bie Parteien
am &ofe unb in ber Regierung miteinanber. Qn ^rutfmann
unb Schmalenberg [tiefen bie beiben politifdien Sufteme t>art
aufeinanber. 2llß fchimpflid) befämpftc ber freimütige alte &err
ben ^arteiroechfel: ber ßaifer (jabe ihn nid)t ocrlangt unb
Säneu unb Schweben oergelte er baß begangene Unredjt nicht.
3lud) mürben bie für ben Jlurfürften geworbenen Gruppen fid&
nicht olme weitereß jur fatfcrlichen 2lrmee fd)lagen laffen. üftodj
niemanb ^a6e beim Bunb mit bem tfaijer gewonnen, außer
bem ^falj=9Jeuburger, ber freilidt) auch feinen ©lauben abge=
fdjworen fjabe. 9lehnlid)cß fürd)tete ber treue Liener auch hier
alß lefete ßonfequenj beß geplanten Snftemwechfelß : jebenfaßö
müffe man bei einer fo folgenfd)meren (Sntfcheibung fid) ber
3uftimmung beß £anbeß oerficfjern. 6r empfahl, etliche aus ber
ßanbfdjaft ju berufen unb it)ncn baß Beabfichtigte oertraulich
funb$utf)un: rieten fie ju, fo müßten fie aud) jur Durchführung
Reifen — «unb barf ^ernaa), wenn eß mißrät, baß ,5*reuäige 4
nicht allein über bie 9iäte gefm". 2lud) bie fürftlichen grauen
werben nicht untätig geblieben fein. £ie ©egenfäfce oers
fdjärften fid) fo, baß Schwarzenberg einen ©ewaltftreia) fürchtete,
mie er ben tfarbinal ftfyleßl befcitigt hatte. Um fo ärger oer=
bädjtigte er feine S&iberfadjer : Samuel oon 2£interfelb foUte
SRanßfelbß (Sinmarfch unb bie Befefcung ^iHauß peranlaßt,
ßnefebed biefe gutgeheißen haben. Soldje Behauptungen machten
auf ben tfurfürften ßinbrud. Bon ben Berleumbeten überließ
einer nad) bem anberen baß gelb bem „&errn ^üieifter", ben
Oienftierna unmutig inß ^fefferlanb wünfdjte. £aß ergab erft
bie SHattfcfcung, bann bie 3luflöfung beß ©eljeimen 9iateß : an bie
Stelle ber Jiörperfdjaft, bie ^oadjim griebrid) alß Vertreterin
für baß ©efamtintereffe bcß werbenben Staateß gefdmffen hatte,
trat ber SSiHe beß einen allmächtigen 3ftinifterß.
2ludj ^rudmannß SWat jur Berufung ftänbifd)er Bertrauenß*
männcr befolgte man nur jum Schein : noch et)c bie gewünfchte
Sleußerung erfolgte, ooü>g Schwarzenberg bemonftratio ben
Uebertritt jum ttaifer, obgleich bie Bebingungcn, oon benen er
ihn abhängig 311 machen oorgab — S ich erfte Illing ber ehe*
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III. StoUenbung unb 3teitfevott beö ftönbif^en fRegimentö. 330
maligen geiftlidjen ©üter, Vcftätigung ber 2lnmartid)aften,
obenan auf Bommern unb Sttedlenburg, unb Verausgabe oon
Sägernborf— , oon Sßien feiner Antwort gewürbigt würben.
3a er lehnte, als 2$aHcnftein bei ber Verfolgung 9)tansfelb§
bie 2Jtarf paffieren wollte, bie angebotene 3^t)lung für bie
Lieferungen ab unb befahl, für reid)lidje Verpflegung ju forgen
unb ©enerale unb Dberfien fürftlict) unterzubringen. Unb babei
oerlangtc man oon ben ftänbifcben Vertretern ein ©utadjten
barüber, wof)er bie Littel $ur Vefiauptung ber Neutralität ju
nehmen feien, unb bann, auf weldje Seite man, wenn bie
Neutralität unmöglich märe, fid) jd)(agen follte ! 3um lieber^
flufj mar bie an fidr> fdjon $weifcllofe Antwort nod) in ber
$>enffd)rift oorgejeidniet, bie ber &err ÜNetfter ber Vcrfamnu
lung oorlegte. 3ie fd)ilbertc bie SRi&fjanblima, be« Sanbeö burd;
bie hätten, bie Vebrofmng befi tfurfürften mit 2ldjt unb 3lb=
fefcung; an ber Seite bes ßaifers bagegen werbe Vranbcm
bürg eine äfuilid) beoorjugte Stellung einnehmen, wie Äur-
fad)fen unb görberung in ber jülid)fd)eu Sadje unb gürfpradje
bei Sßolen finben. Söaft bie ftänbifcr)cu Vertreter antworteten,
ift nidjt befannt. Tod) bewilligten fie im Februar 1620 bie
SRittel jur Werbung oon 2000 9J?ann für bie nädjften brei
SJionate. Sann weigerten fie jebe 3 a f)hwQ: ben oon
tf)ncn gebrauten Opfern muffe bas jur £edung ber geftungen
Nötige ja oorfjanben fein; bödjfiens 900 mann wollten fie
nodj befäaffen. 3a ber märfifd)e ?Ibel war entfdjloffen,
im Notfall feinen eigenen 3$eg ju gefeit: $ans ©eorg oon
9lrnim, cinftufercicr) bura) feine militärifdje Laufbahn, fjatte il)tt
beimlid) für bie 3lufnabmc faiferlidjcr Vefafcungen gewonnen.
So erflärtc bie einberufene Sanbfdmft Werbungen für unnötig,
ba bie £änen im 2lbsuge feien unb neue Nüftungen ben ftaifer
f)ödfoften§ oerftimmen tonnten.
©ans fo lagen bie Singe freilidj nod) nidit. Vielmehr ge;
wann es einen 9(ugenbltcf ben 2lnfd)ein, als ob Sdjwarfccm
bergß ®egner bodj nodj burd)bringen würben. £rofe ber Nieber*
läge bei Sutter (27. 9luguft lfi26) ftanb ber Sänenfönig fampf;
bereit an ber unteren Glbe; ^anöfelb fjatte Vetfjlen ©abor
erreicht, unb bie dürfen rüfteten na) ibm beijufteljen, wäbrenb
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340 3">citcä 3Juc$. Sie crftc $o$eit3oUernfcf>e Staatägrünbung
bic ©d&meben bereits bie SBetdjjfel überfd(jritten Ratten unb in
wenigen £agen in ber SReumarf fein fonnten. SBattenftein mar
oerloren, wenn SBranbenburg in feinem 9itirfen mit SRansfelb
unb ben ©dfjweben gemeinfam losfdf)lug. $as empfahlen bie
alten ftäte. Sei folgern 2ßiberftreit ber Meinungen gefdjaf) im
£erbft 1626 gunägft überhaupt nichts. Iber ber $err Reiftet
gewann immer meljr 33oben. 3u itmt ftanb ber Slbel bes San--
bes, ber meber fetbfx ausrüden nodfi ©elb ju Sßerbungcn auf=
bringen wollte. SBon feinen Öegnern mürbe einer nadj bem
anberen befeitigt, in Ungnaben entfernt ober, wie Sßrudmann,
fo planmäßig gefränft, bafe er fidt) ^urüdgog. ©o mürbe er
«§err ber Situation. £a 50g auf feinen 9iat ber fturfürft
plöfclid) mit allen oerfügbarcn Gruppen nadj ^ßreu&en unb über=
lieg bas Sanb auf ©nabe unb Ungnabe ben Äaiferlidjen : fie
mußten es oor ben Säuen fdjüfcen. Unb inbem er in Greußen
ben 6d(jweben entgegentrat, gab ber Äurfürft bem Äaifer fo-
mol)l roie $olen ein Unterpfanb für ben @rnft feiner 2lbfi<f)ten.
greilidf) erfd&ien biefer 2lufbrud& nad) Greußen roie eine
gludf)t: ber Äurfürft fjabe fidtj in ©idf)erf>eit bringen wollen,
meinten oiele, unb bod) ftefje in ber SHarf bas ©djitffal aller
feiner Sanbe jur Gntfdjeibung. 3"^^ofer als je ging es im
Januar 1627 auf bem ©tänbetage ju Berlin f)er. SBoju
werben, wenn ber Slaifer bas Sanb fdjüfet? Sie reformierten
föäte feien an allem fdjulb: in ben Untergang ifjrer Religion
wollten fie aud) bas Sanb oerftricfen. 3Kan möge fidt) an ben
tturfürften oon ©adjfett wenben: ber werbe Reifen. 3Jttt 9ied(jt
fd&rieben bie ©eljeimeräte bem fturfürften, man fäe swtfa)en
ifmt unb feinen Untertanen SJiifetrauen. 3lber bie öffent=
lidjje Meinung Ratten fie gegen fid&. ©ewaltig erregte biefe
ein $erfud) ber $)äncn beim 9Zaf)en ber Slatferlidfjen fidj plöfe;
lid) ber feften ^läfee 511 bemädjtigen : ifm 511 funbern r)ötte man
nidfjt ocrmodjt, benn mit ben ausgegebenen Seilten, bie fidt)
„oor bem 9toufdf)en eines Blattes fürchteten", war nidjjts ju
unternehmen. 3n Berlin entlub fidt> bie 2But gegen bie SRäte
in neuen föeoolten. 9lodj im SJtoi 1627 wies ber ßurfürft ben
Cberft Äraa)t an, fidt) gegen bie Äatferlid&en als (Solbat ju
oerteibigen ; als fie enblidf) einrüdten, atmete bie 33eoblferung
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III. SJollenbung unb Stonferoti beä ftänbift^en ^Regiments. 341
auf. 9iadj ber ben 22. 3uni 1627 mit ifmen gefdiloffenen §to\u
oention fottten fie bie furfürfl liefen SRcjibcnsen unb geftungen
oon Einquartierung frei laffen unb nur granffurt unb Sanbö=
berg befefcen, oerfpradjen aud) gute 3ttann§äudjt ju galten.
9ton roar für ©dnoarfcenberg bgr Stugenblid gefommen, feine
legten ©egner nieberauroerfen : am 24. 3uli 1627 liefe er auf
flrunb eine« furfürfttid&en SBefeljte ©antuet oon 2Binterfetb
wegen §oa>erratft oerf)aften. ^rurfmann unb Änefebed mürben
in ben ^rojefe oernndelt. @rnfi gemeint roar biefer natürlich
nidjt: er foHte bie 2lngef(agten nur unmög(id) mad)en. %m
EinoerftänbntS mit ©d>roarfeenberg meinte ber Statthalter,
9)iarfgraf ©igifimunb, ein eifriger Sutfjeraner: „(Sä ift
bafc mir bie grauenjimmer gefjen laffen, benn fonft finb roir
t>on i^nen verraten unb oerfauft." X^ie Äiurfürftin jotttc mit
ben $änen nidjt bloß jumpattyifieren, f onbern gar „praf tijieren".
£odj gelang bie Entfernung ber tarnen nidjt. $od) ent$og
man ben flurprinjen ifnrem ©infhifj, inbem man ir)n angebftd)
ju grö&erer <Sidjerf)eit nad) flüftrin brachte. Sefet ernannte
©eorg SBityetm audj bie banrifdje flur an : burd) bie ©eroäfirung
bes ^räbifats £ura)taud)t meinte er fid& r-om tfaifer bafür
f)tnreid;enb belohnt ! Unb roaö tttt baß Sanb oon ben Maifer=
lidjen! £>te berliner, bie im 9Wärj 1627 bie Abführung oon
150 bienftpflid)ttgen bürgern nad) Sranbenburg geroaltfam
gefyinbert fjatten, 3afj(ten o^ne Steigern eine Kontribution oon
14 000 X^alern. 9todj einer einfadjen Stnjeige an ben 6tatt=
fjalter oerteilte SBallenftein oon granffurt aus feine 2lrmec
über bas Sanb. 3n ber %iU unb Udcrmarf, roo ^appen^eim
unb ftanft ©eorg oon %vnim nod) milbe matteten, mußten
jebem 9Wu«fetter 7, jebem Leiter 12 unb jebem ßüraffier gar
15 (Bulben ben SJtonat gejagt werben. $en mittelmärfifa^en
©täbten pre&te Oberft Hebron monatlich 7700 £baler ab,
3Rontecuccoti ber 9teumarf in jroei SRonaten 72 000. 9iod)
2lergeres rourbe bem Sanbe an 5?aturallieferungen jugemutet.
9ßas ifrni biß ßnbe bed 3af)rea 1628 abgepreßt rourbe, fdjlug
man im ganzen auf 200 Tonnen ©olbeö an: bie jur Wertung
beö fianbeö nötigen 3000 3Wann roürben faum jroci gefoftet
^aben !
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342 Hiwitdi 93u$. Sie erfte fjoheinoUernfdje Staatägrünbung.
Unb bennod) wirb man jugeben muffen, bafe Sdjwarfeens
berg ben 28eg ging, ber bamats allein möglich war. SBirflidhe
Neutralität war unmöglidj ; fidj mit bcn Dänen etnlaffen, fyatti
lÖranbenburg bas Scfncffal 9Wecflenburgs bereitet, bie 2Ud)tung
bes ßurfürften, feine ©ntfefcung in 33ranbenburg unb in Sßreufeen
jur %oia,t ßc^abt. Nur ber 2lnfd)lufe an ben ßaifer bot 2tus=
ftdjjt auf Rettung. Nid>t hierin bat Schwarzenberg gefehlt, wohl
aber barin, bafe er bas &mb in eine fo fjettfofe Sage geraten
liefe, 3nbem er bie ^olitif ber bewaffneten Neutralität be=
fämpfte, ihr fein Softem entgegenfefete, ermöglichte, oerfdjutbete
er eine SBerfdjleppung ber Gntfcheibung unb bamit eine oer*
bängnisootte Halbheit. Dafe er babet eigennüfcige 3^le oer=
folgt, bie faiferliche unb fatholifdje Sache habe förbern motten,
ift unerwtefen, mag auch fein 93efenntntS unb feines Kaufes
alte SSerbinbung mit bem .^aiferfjofe auf fein politifdjes Denfen
einen gewiffen (Sinfluft geübt bfl&en.
kläglicher noch als in 23ranbenburg enbete $eorg SBits
fyelms Slnlauf ju energifdjem §anbeln in ^keufeen. 3 M
ginn bes 3ah rcfi 16 - 7 max er mit 3000 SJtonn su gufe unb
600 «Pferben bort erfdhienen. Sich mit ben s $olen gu oereinigen
lehnte er ab, ba bie Stänbe bie oon Sdnoeben gebotene Neu*
tralität oorbehaltlich feiner 3uftimmung angenommen hatten.
Königsberg hatte fogar oon biefer ßlaufel abgefehen. Da er-
fdhien ©uftao Stbolf am 18. 9Hai 1627 abermals oor Zittau,
lanbete etliche Regimenter auf ber griffen Nehrung unb liefe
bas fefte Sodjftäbt am SBege nach Königsberg berennen. 2lm
22. 3Kai beioilligte er einen Vertrag, nach Dem ber fturfürft
für bie brei nächften 3Konate neutral bleiben, er aber im
.§enogtum blofe bie jur Sefafcung oon Zittau nötigen Gruppen
laffen follte. Darüber erhob fidt) in $olen gewaltiger Särm:
mit allen folgen ber gelonie backte bie Nationalpartei ®eorg
SBilhelm ju treffen. Sofort oerfpradj biefer 1000 mann $u
gufe unb 200 Neiter nebft ein paar ©efchüfcen gegen Schweben
ju ftellen, wanbte fich auch burdh &ans oon Dohna um .ßilfe
an ben Alatfer, gab alfo bie Neutralität gleich wieber auf.
3Kttte 3"l« sogen bie Xruppen mtrflid) ben ^olen ju. Den
preufeifchen Stäbten würbe .ftanoel unb SBcrfehr mit ben in
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343
fd)rocbifcf}er ©eroalt befinblid)en SanbeSteilen verboten, ©djroc;
btfäje 91epreffalien blieben nidjt aus: in Zittau rourbe bas
Schiff mit $Jefd)tag belegt, bas bes Kurfürften ©tibergerät unb
Qagbfiunbe oon Stettin braute, ©uftao 2lbolf felbft 50g oon
Bonenburg auf ^preufiifdj^tarf unb SJiofjrungen, um bie Kur=
ffiritlidjen abjufangen. 2lm 27. 3ult fafjen jtdj biefc plöfelidj
ber fdjroebifd&en 2lrmee gegenüber. Wt einigen Gompagnien
fjeraneilenb, fragte fic 2Kattf)iaS oon £fmrn, ob fie greunbe
ober geinbe mären, fedjten ober firf) ergeben roodten. darüber
Ratten fie feine Orbre, erflärten bie Offaiere. edjnett roaren
fie umftettt. „gelten ober Uebergabe !" lautete bes Königs 2ßort,
roätyrenb 2f)urn fic oon neuem anljerrfdjte : „greunbe ober
geinbe?" — „greunbe !" rief ba bas gufjoolf. „So fjebt eure
3Wusfeten auf!" gebot ber ©raf. Unb als es gefdjebcn, fragte
er: „3fu* feib bes Königs oon ©dfnoeben 33olf ?" — „3a, ja!"
tönte es jurütf. Sie Reiterei folgte biefem Söeifpiel. Cime
einen odniB mar bie furfürftlidje 2lrmee in $reufeen oer*
fajrounben. Sic l)öl)eren Offiziere fdjicfte ©uftao 2tbotf mit ben
©efd)üfcen unb Segleitmannfdjaftcn naa) Königsberg: fünftig
muffe er Seilte unb Kanonen beffer in ad)t nehmen, liefe er
feinem ©djroager fagen. Sie übrigen reifjte er feinem §eere ein.
Dirne Kenntnis oon biefen Vorgängen fmtte injroifdjen
©eorg $8iltjelm in Königsberg polnifd&en ©efanbten gegenüber
fidj bereit erflärt, mit gegen ©djroeben ju gefjen, aud) bei
©uftao 2lbolf roegen SSerlefcung feiner fRec^tc Sefajroerbe er=
fyoben. 3efct unterl)anbe(te er mit i^m unb fdjjlof? am 6. Sluguft
einen Vertrag, ber if>m bie Werbungen für ^olen oerbot, ben
SSerfeljr mit ben oon ben ©djioeben befefeten Sanbestcilen frei
gab unb ben Königsbergern für tyre fteutralerffärung 3lmneftie
gemährte, bagegen bie if)m am 22. 9Jtai gemährte Neutralität
oon brei auf fünf Monate erftreefte. 3m Oftober mürbe fie
auf ein Imlbes Safjr oerlängcrt. 9lber bie freunblidjen <Sr=
bietungen bes ©djroebenfönigs fanben audj jefct bei ifjm fein
Gntgegenfommen. Um fo mefjr rooHte fid& ©uftao Slbolf ^reufeenö
oerfiajern: er befefcte Kernel unb bradjte ben Unterlauf ber
Söcidjfel in feine ©emalt. Senn fa^on bauten bie fiegreidjen
Kaiferlidjen $olen 311 £itfe 511 jic^cn. 2BaS mürbe bann aus
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344 3roeite§ Surf). Sic crfte (Menjoüernfdie etaatögrünbung.
©eorg SSityelm, beffen Neutralität in ben Slugen dolens 33rud)
ber Sefjendtreue war?
Unb wie in bcr 2Rarf jwifdjen $änen unb flaiferlicfjen
unb in ^reufeen jroifd^en Schweben unb $olen, fo fcf>ienen bic
^o^enjoßem am 9iieberrf)ein jwifdjen Spanien unb ben 3Rieber=
(anben zermalmt ju werben. 2öas üe im Gleoefdjen nodj be-
haupteten, uerbanften fie ber Nepublif. Vranbenburg bort fid)
jelbft überladen, f)ätte für btefe nidjtö anberea geheißen alfi baft
Sanb ben Spaniern preisgeben. Unter bem Vorwanb, feine
Neutralität ju fiebern, Ratten bie Nieberlänber bafier einen
grofcen Teil oon Gleoe befe|t; jefet foflte baö gleite mit ber
©raffest ^farf getanen, ©afi blieb ba SBranbenburg? gerner
bradjte bie Nepublif als $fanb für bie 1614 von 3of>ann
Sigismunb unter ifjrer 33ürgfd)aft bei bem Äauffjauö &offnfer
aufgenommene unb unoerjinft gebliebene Sdjulb ein weiteres
Stücf Sanb an ftd), nabm aud) bie branbenburgifd&e löefafcung,
bie wegen ifnrer 3ud)tlofigfeit entlaffen würbe, in ifiren ftienft,
fo bafe ber &urfürft bort gar nia^ts meljr $u fagen fjatte. 3n
if)rer 99ebrängnis badeten bie Stänbe ßleoeft bereit« baran,
ftd^ bem flaifer ju überantworten, ben fic früher um jeben
greift Ratten fern galten wollen: fdjon bereitete Silin unter
fernerer SJitfebanblung bes Sanbe« unb fjarter Verfolgung ber
Goangclifcben ben faiferlidjen Sequefter oor.
3n feinem feiner Sanbe alfo befanb fieb ©eorg äBtlfjelm
wirflidj im 99eufc : überall lag bie ©ewalt in ben £änben frember
©enerale. $er 3 u ft ano war «benfo bemütigenb für iljn wie
unerträglid) für feine Untertanen. £e6fwlb eilte im 3anuar
1628 Schwarzenberg nad) 2Bien: er follte (Srlcidjterung ber
oon Sßallenftein ber 9)iarf aufgelegten Äriegälaften, &eraus=
gäbe 3 a 9 cr "borfö unb ©rlafj einer bölben 9JiiHion ©ulben
rticfftänbiger SReidjs* unb Äriegßfteuern erwirfen. s Dtit legerem
brang er burd); audj follte Söallenftein bie 9)Jarf räumen unb
nur 1800—2000 3Wann in brei feften ^läfcen laffen. ein
Wed)t ©ranbenburgö auf 3ägemborf bagegen wollte man in
2Bien nidjt fennen; jubem ftelje ja ber 2lnfall Bommerns be=
oor. Um fo wichtiger würben bie 23erbinbnngen, bie Sdjwarfcen*
berg am faiferlicben föof gewann, £cr greife ftfjleöl meinte,
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345
fd&on fei mandje ©efafjr um feine« 9)tinifterS willen oon bem
Äurfürften abgewanbt, jefct f)abe berfelbe oollenba allen 2lrg;
wofm befeitigt. 3tudE) ber Slaifer bewies bem ©rafen feine
©nabe. 2)a§ biefer oon if)m eine Slnweifung auf 200 000
©ulben annahm, fjatte nadj ben Hnfdjauungen ber 3 C ^ nidjts
Sebenflictyes. 5tel)rte ©djwarfcenberg nun audj als ein nodj
überjjeugterer 2lnj)änaer bes Sunbes mit bem flaifer f>eim, fo
wollte er Sranbenburg bod) nidjt etwa einfach bem belieben
bes flaifers überantworten, fonbern als einen um feiner ßeiftunaß*
fäf)igfeit wißen gearteten Sunbesgenojfen neben benfelben ftetten.
9ttöglidj aber war bas nur, wenn man bem wiberftrebenben
Sanbe bie Littel baju abnötigte: fo erwudjfen ber inneren
$o(ittf neue Aufgaben. Unb lieg jtd) nod) ein (Sntgegenfommeu
bes SBiener §ofes erwarten, nadjbem Söaüenfteinfi ©ieg Über
$)änemarf unb bie 92iebermerfung ^orbbeutfdjlanbs ben
tremen unb ber s $olitif bes 9leftttutionsebift« jur öerrjd&aft
uer^olfen {»atte?
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IV. &it Btrnirijümci b*r ßaafürfjcn (foeilicnj Branben-
bitrgs burrfr bic bnttfrf;* Resolution unb ben
curopätlrfirn Krün*. 16*29—1640.
er norbbeutfdie tfrieg ging *,u (Snbe: ber europäifd)e
entbrannte. £urdj ^altenftein übermäd)tig, rooHte ber flaifer
mit Spanien nnb ber Sigue bie italienifdjen Staaten unb bic
Dieberlanbe bewältigen, grunfreid) Demütigen unb in Sdnoebeu
ben legten &ort ber Deformation bredjen. durfte Okorg 9Bit=
l^etm hoffen, bie Neutralität, bie in Sranbenburg ntd)t bura>
füfjrbar geroefen, in Gtcoe unb ^reunen ju behaupten? $af$
er als Deformierter aufeerf)alb beö Deligionftfriebenä ftanb, mar
bem (utJjerita^en ©ifer ber Dörfer unb ^reu&en nur genebm.
Kitt bem Söefi& ber brei märfifd)en 33iötümer ftettte ba$ Defti=
tutionsebift einen roefentlidjen Xeil feiner lanbeöberrlidicn
Dedjte unb (Sinfünfte in Jrage. -üBciterfn'n brol)te bie Leitung
ber nieberrfjeinifd&en Sanbe jroifdjen Defterretd) unb Spanien,
$reufeenö ©tnoerleibung in ^Solen ober £erftellung alö Orbeu$=
ftaat. ©efdjaf) baö fd)fie&ftd) nid)t, fo mar es roeber ®eorg
2öil()e(mö nod) feines 3Wimfters SBcrbienft. SBon anberer Seite
fam bie Dettung, rourbe aber mieber nidjt entfdjloffen benufet.
25$ot)l büfetc Sdjroarfcenberg barüber feine leitenbe Stellung
ein: um fo offenbarer würbe beö rturfürften ftilflofigfett unb
Unfäfjtgfeit. 3ludj jefet fam er nidjt f)inau$ über eine oon ber
&anb in ben 3Runb lebenbe ^olitif ber Keinen unb fleinften
Littel. Dad) feinem !ücftfe unb ber gülle ber barin rourjelnben
Qntereffen berechtigt unb befähigt auf ben @ang ber Singe
im Deid) beftimmenb einjunnrfen, rourbe er oielmebr oon ifjm
unter Demütigungen aller s ilrt baltlos bin unb fjer getrieben.
Sli>ic einft griebrid; V. oon ber s #fal$ $u Sdjroarfeenberg oon
afjm gefagt fjatte, rocil er feines ftreunb war, roar ibm jeber*
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IV. Sic Vernichtung ber ftoatlic^cn (rriftenj Skanbenbunjg. 347
mann imfreunb. So ging eö am 9tteberrljein, in Greußen unb
fcftfiefelta) in ber s JJlarf.
(Sleoe mar fo gut wie oerloren. 2luf faiferlidjen Befefjl
fodte ber ßurfürft bie Berbinbung mit ben s Jtfeberlanben (Öfen
unb biefe bura; Tilgung ber <Qoffnferfa)en Sdjulb $ur Räumung
ber in ^fmtb genommenen Sßtäfee nötigen. Seine unb S<$warfcen=
bergö 2led)tung würbe im Januar 1629 511 SBien erwogen.
Siodjmalö oerfudjte er eine Berftänbigung mit $fal$=9ieuburg.
griebrid) &etnri$ »on Oranien ©ermittelte, Sd)warfcenberg
felbft eilte nadj) (Sleoe. 80 fritifdj fanb er bort bie Sage, bafe
er otyne £BoOma$t am 19. 2Jiär§ 1629 $u Sfiffelborf einen
neuen, für Branbenburg fef>r nadjteiligen Vertrag unter-ieidjnete.
©r oerlängerte jwar ben Xraftat oon 1624 auf 25 ^afjre,
mobiftjierte if)n aber balun, bafe $mar Sranbcnburg 9Rarf unb
$fal^ s Jieuburg 3ülid) unb SRaoenftetn behalten, lefctereä aber
wäljlen foüte, ob es ftatt Berg nitt)t Heber Gleoe fiaben wollte;
ferner würbe baö bisher branbenburgifaje 9iaoenfiberg gemein--
famer Bef^. Safe äBolfgang Söilfjelm Gleoe wählte, jeigte,
wie wenig ifrni an einem guten Ginuernefjmen mit Branben=
bürg tag. $a matten bie frtegerifdjen (Sreigniffe ben Vertrag
gegenftanbsloö. Um bie mit Uebermaajt rfyeinabwärts brängenben
tfaiferlidfoen unb Spanier, bie ifm jur 2luff)ebung ber Belagerung
oon ^erjogenbufcf) nötigen wollten, aufjubalten, oeranlafete
griebridf) &einrta) oon Oranien einen füfjnen Borftof, auf 2Befel,
ber am 18. iJluguft 1629 ben Sdjlüffel ber niebcrrfjeinifäen
Sanbe in feine öewalt braute. 91un mufeten bie Spanier,
bie fefcon Utrecht bebrofjten, surürfgeljen, beoor 3ttontecuccoli
mit ben Äaiferlidjen oon ftöln f)er unb X\\lx) mit bem £eer
ber £igue aus SBeftfalen fjeranfam. Sie 9iepublif weigerte bie
Slnerfennung beß Süffelborfer Vertrages, Bon bem faiferlidjen
Sequefter war nidf)t me^r bie SRebe.
2ludj ^Preufeen retteten frembe Grfolge. Bon bort fottten
5laiferlia)e unb $olen ©uftao 3lbolf oerbrängen. Soa) oer*
mittelte ©eorg Söilljelm für ba$ ^rüt)jaf)r 1629 eine breis
monatliche SSaffenrufje. 2öäf)renb £ans ©eorg oon 2lrnim, ben
SBaHenftein ben s }3olen ju &ilfe fdnefte, untätig bleiben mufete,
gewann ©uftao Slbolf 3eit, Berftärfungen f)erbei§ufüf>ren unb
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348 Zweite» $ud>. £ie erfte f}o$enjollernfd>e Staolögrünbung.
ftönigöberg becfcn. $ie Bereinigung 2lrnim§ mit ben ^olen
511 binbern gelang i^m jebodj nid&t ; ja 00t tfjnen na<f> 9)farien=
bürg aurüchoeiebenb, erlitt er bei Stubm eine Sdjlappe, bei
ber er faum ber OJefangenfdiaft entging. Cime ßriegSerf lärung
batte ber Jflaifer in ben fdjroebifa>polntfd>en flrieg eingegriffen.
3n einem offenen Schreiben an feinen Sd&toager (29. 3uli)
proteftierte öuftao 2lbolf gegen biefen 33rud) be« ^ötferrcd&tö
tmb entbtiöte be§ Äaiferfl ^läne jur 33ernid^tung ber religiöfen
unb ber politifdtjen greibeit : ber ©ntfdblufc, feine SBaffen nadj
35eutfd)lanb $u tragen, ftanb bei it)m feft. Ser fcbroebifaV
polnifdje Ärieg ednelt europäifdje 33ebeutung. Um Sdnoeben
buref) einen ©tiflftanb mit $olen $um Angriff auf £eutfdfj(anb
frei $u machen, roeilte feit ©nbe 3J?ai granfreiebä 33coott=
mäd&tigter Gbßntace " l Greußen. 3lber erft alä auä) (Snglanb
oermittelnb eintrat, fam am 26. September 1629 in 2Ütmarf
ein fecf)$jä^riger SBaffenftillftanb amifdfjen Sdf)toeben unb $olen
jum 2lbfdf)lui 3n $reu§en behielten bie ©darneben ÜHemel,
Zittau, gifajbaufen unb Socbftäbt, bie oon i^nen occupierten
^läfce an ber Söeidfjfel aber, namentlidb SHarienburg, überant-
worteten fie branbenburgifdfjem ©equefter.
%üx baä Sanb mürbe bafi ein Gegen. 3lber audfj ©eorg
2öilbelm geroann babei. SSar mit einer griebenfioermittelung,
roie er fie neben granfreid) unb (Snglanb übte, bie £ef)en$=
ab()ängigfeit oon ^Jolen nodf) vereinbar? Sag barin nidjt ein
ftillfcf)weigenber 93erjia)t auf fie? £cr erfte Sdjritt jur Söfung
^reufeenö oon $olen gefd&ab burdb ben Vertrag oon SHltmarf.
2ludj oerfpracb granfreid) aHeö $u ftfnbern, roaö 00m Steidb
ober 00m $eutfa>n Orben gegen ^reufeen unternommen mürbe.
3tnbere Vorteile oerbiefc bie notgebrungene Slnnäberung an
Sdnoeben. Äurj oor Unterjeicbnung beä Slltmarfer Vertrage*
traf ber flurfürft in gifd&baufen mit ©uftao 2lbolf jufammen.
Ta braute er bie pommerfd)e grage jur Spraye : aber roä'brenb
er jur ^urdjfefcung feines l$rbred)t6 fdnoebifebe &ilfe erbat,
wollte er bei einem fd)ioebifd)en ©inbrudfj in $eutfdf)lanb ^3om=
mern unb bie Warfen neutralifieren. 33eibc$ jugleiä) mar un-
möglia): aber bie SSerbälttüffe jogen ibn immer me^r gu
Schweben. Sdiwarfeenbergo Stellung wanfte. Sdjon $u gifdfj*
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IV. 2)ie 93ernicf)tung ber ftaatüdjen ßriftenj »ranbenfcurgö. 349
Raufen bat ©eorg 2Silt)elm ben tfönig, if)m um bed ©rafen
willen bod) feine Sdnuierigfeiten 311 machen. 2ludj baß (Samuel
oon Söinterfelb enblid) in greifet gefegt mürbe, fünbigte ben
Softemmcdjfel an. 33alb t)ie§ eö, ber tfurfürft weroe mit
preujjifdjen unb fdjwebifdjen Gruppen in bie SDtorf fommen,
um gemeinfam mit bem »König los$ujcb lagen. SBenigftena baö
moHte Schwarzenberg fjinbern: 100—150 9ttann 2eibwad>e,
meinte er, genügten. 2lud> fjatte Söallenftein fd)on aüea fo
bifiponiert, bafH er Berlin jeben Slugenblicf befefeen fonnte.
£ie Warfen unb Bommern waren in feiner &anb, unb bie
$oflftrecfung beö SReftitutionsebtftö naf)m bort iljren Anfang.
35erge6Iid) proteftierte ©eorg 2öilf>clm. 3Bie 93ogtölaw XIV.
oon Bommern fd)ien er bepoffebiert werben 311 joden. Sludj
gingen unter bem Stucf ber fatferttd^cn Solbateöfa ben 9Äär-
fern bie 2lugen auf über ben iöert ber Neutralität, ^on beö
ßurfflrften ©eimfebr hoffte man SBcffenmg; freubig würbe er
empfangen : man tjabe fid& nidjt feberen taffen motten, l)ie& es
in einem afabemifdjen 33egrüfmngägebid)t, unb nun werbe einem
bas gell über bie Obren gejogen. $ätte jefct eine fräftige
§anb bie 3"9 e ^ ergriffen unb bie ben Untertanen gefommene
beffere £infid)t benufet, um fie jur Seiftung beö für bie SBebr*
baftmadjung beä Sanbed Nötigen anju()atten — bas bisher $er=
fehlte märe gut gemad)t unb größeres Unbeil abgeroanbt roorben.
Uebel genug fanb ©eorg Söilbelm ben 3 u f* a nb ^eß &inbea,
al« er mit 400 9)Jann b^imfam : fo otel f>ai te iljm ber Haifer
fdjließlidj 311t $erftärfung ber Sefafenngen mitsubringen erlaubt.
„3ttein unfdjulbigeö fianb ift gan3 3ur äBuftcnci geworben, unb
idj bin aller Littel ganj 3iimat entblößt," f tagte er. 2lbcr
nidjt blofc wegen Öclbmangel lehnte er bie Labung bes ftaiferä
nadj Wegenäburg ab: erft nad) Räumung ber 3Rarf burd) bie
Jlaiferlicben erflärte er, fommen 311 fönnen, unb an ber Spifce
ber ®efanbtfd)aft, bie er nadj Negcnsburg fd)itfte, ftanb Sieg:
munb oon Ööfeen, neben 3Binterfclb ber £>auptgegner Sdjmarfcen=
bergfi.
2)er überrafdjenbc @ang ber Dinge in 91egenaburg ift
befannt. Statt burd) bie 2Baf)l feine« Sohnes 3um römifdjen
Äönig feine SHacbt befeftigt 311 feben, war ber rtaifer plöfcltd)
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350 3«>eitcö öud). Sie erfte fjo6ettjoUernföe Staatödrünbung.
hart im ©ebränge jwifchcn bcr auf granfreich geftüfeten Staue
unb ben uom Schwebenfönig jum ftampf für ©tauben unb
greifjeit aufgerufenen (Soangelifdjen. $er|*tänbigte er fidj mit
jenen, fo mufete er feine politifdjen 3iele — abfolutiftifdje
Umgeftaltung ber SRetchßoerfaffung — aufgeben ; ber SBergteidj
mit biefen machte bie ©infteflung ber firchltchen Dieaftion nötig.
Tiefe fortzuführen, opferte er SöaHenftein, machte er mit granf-
reid) grteben unb überliefe bie ^Durchführung beß SReftitutions-
ebiftß ben fatfwltfchen SRetchßfürftcn. Unb bennod) jogerten bie
(Soangelifdhen mit bem 2lnfd)lufe an ben Schwebenfönig unb
bereiteten t(jm gleid^ eine fernere ßrtfiß! 9tomentlid) ©eorg
2BiIr)eIm hat fich niemals fleiner gezeigt alß in jenen £agen,
wo er burd) einen tapferen @ntfd)lufe fid) um baß (hmugelium,
baß 9?eid) unb bie Sufunft feineß &aujeß baß gröfete 23erbienft
l)ätte erwerben tonnen. Unb babei bot ©uftao 3lbolf feinen
geringen ^reiö. ©ein Vertrag mit ©ogtßlam XIV. oom
10. $uli 1630 beftimmte, wenn beim Xobe beß &er$ogß 2kan=
benburg bcn Vertrag noch nicht anerfannt unb 5ur ©rlebigung
beß fianbeß geholfen hätte ober fein 9iadjfolgered)t angefod)ten
würbe, foüte Bommern in fdiwebifdjem Sequefter bleiben, biß
bie ©rbfolgefragc cntfd)iebcn unb ber alß beredjtigt anerfannte
ßrbe Schweben für bie ftriegßfoften entfdjäbigt fyabcn mürbe.
3llfo nicht bie Erwerbung $ommernß, nur feine militärifche
Sicherung erftrebte ber ftönig bamalö unb ben ©rfafc ber auf;
gemenbeten Soften. Turd) ben Seitritt hätte ©eorg Söilhelm
fein SHecht auf Bommern oon Schweben anerfannt erhalten.
3lber nod) war bie 9)iarf in ber Gewalt ber ßaiferlidjen, bie
aud) in Bommern unb 2)ietflcnburg ben Sdnoeben gewachfen
waren. Teßbalb tfjat ©eorg Wilhelm md)tß. 9iur liefe er im
3uli 1630 bie Sefeftigung 33erltnß in Angriff nehmen, ©alt
fie ben Schweben ober SöaHenftein? (Srft ber SRüdjug ber Stau
fcrlidjcn in Bommern änberte bie Sage. Taju famen bie
9iegenßburger Vorgänge. 9iun fdjlug auch ©eorg Wilhelm einen
anberen £on an: er oerlangte ©rfafc für bie feinem £anbe
abgepreßten Kontributionen unb ^erfteflung ber ßerjöge oon
aWedlenburg ober Uebergabe beß ßanbeß an ihn alß ben nfidrften
Grben. Ter tfaifer fudjte ihn 511 befchwichtigen, inbem er auf
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IV. £ic 93enud>tunfl bcr ftaatltc^en ©riften* 33ranbenburflö. 351
bie $urdnuf)rung bes DieftitutionSebifts in Sranbenburg r»er=
jidjtete unb if>m bcn Senfe bcr ehemaligen gciftlidjen ©üter
auf merjia, 3af)te auffdjerte,
©in Erfolg bes Sdjroebenfönigs hätte Sranbenburg roohl
511 if)tn hetübergejogen : er mar unmöglich, folange es ihm ben
$urd)$ug oerfagte, ben $n gewähren fein eigene« 3ntereffe empfahl.
Unter fchwebifehem 8djufe war SHarfgraf Gfjriftian SBilhelm
als 2lbminiftrator nad) SHagbeburg juriicfgefe^rt ; bic flaiferlichen
fd&loffen es ein: nur ein rafd)cr Sormarfd) ©uftao »bolffi
fonnte es retten. Schwarzenberg empfahl aber, nicht blofe bie
Warfen, fonbem auch Bommern, SHcdlenburg unb ben ober*
fädjftfdjen ftreis ju neutralifieren. ©rmünfdjtcrcs t^attc bem
äaifer frcilidj nicht gefcbeben fönnen. ©uftao 2lbolf erflärtc
bas für unmögltd): nur einen furzen Stißftanb tonne er bi-
miliigen, falls Sranbcnburg fid) rfiften wolle, um ihm bei^u=
treten, dagegen forbertc namentlich £urt Sertram von Pfuel,
Sanerö (Schwager, bic Mianfi mit 3djwcbcn. Ginc britte
(Gruppe unter #ans ®eorg oon 3lrnim ocrtrat eine mittlere
Stellung gemeinfam mit tfurfachfen. $)ie (Sntfd)eibung fd^ob
©eorg äöil^eltn roieber ben Stänben ju. Anfangs 9luguft 1630
tagten ifjre Vertreter in Berlin. Natürlich fahen fte bas &eil
allein in ftrif ter Neutralität : weber mit bem Äatfcr noch mit
Schweben bürfe man ftd) etnlaffcn / am Kriege weber offenfto
noch befenfir» teilnehmen ; man muffe „in bes Maifers fteootion
»erbleiben, mit Murfac^fen jufammenbaltcn" unb bcn Serbacht
irgenb meldjer Schiebung $u Sdjwcben ängftlich meiben.
Tanad) t)anbeltc fteorg SBilbelm. 6nbc 2luguft befprach
er \id) mit ^oFjann (Meorg oon Saufen in 3abcltife. ©emein;
fam, fo fdjlug er oor, wollten fie mit bem oberfächfifdien flreis
unb ben Seeftäbten »ermitteln. 2lber febon baburd) fürdjtete
ber Sadjfe fid) bem tfaifer gegenüber ju fompromittieren. £er
grage aber, ob Sranbenburg, falls bcr flaijer ober Schweben
es jur Parteinahme fingen folltc, auf feine £tlfe rechnen
fönnte, wich er aus: bergleidjen fei nicht $u befürchten. 9todj
übler mufete man mit bem Verbleiben in ber Devotion beS
ftaifers fahren, ©eorg Wilhelm nahm boa) Partei gegen
©uftao 2lbolf, wenn er bas brobeube Schreiben ber Mehrheit
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352 ^ipciteö 5Bud). Sie crfte ^oljcnjoUcrn^c etaaisgrünbung.
beö SRegenaburger £agea au biefcu unterzeichnete. Mod) Richen
bie ßaiferlidjen bic 3Warf unb fperrten ben ©d&weben ben 2Beg
nadj aflittelbeutfdjlanb. 9ßtc hätten fie'bem ßurfürften ba
Neutralität bewilligen foflen ? $>a liefe biefer ben Äöuig wiffen,
für beu Slnjdjlufe brofje tym 2ldjt unb Slbfefeung, unb baoor
tonne er ifm bodj nidjt bewahren, ©o wollte ber ßönig fidj oor=
läufig mit einer geheimen 2lnfdjlufeerflärung begnügen, erbot ftd)
aber ju fof ortiger Einräumung Bommerns unb Ueberlaffung
oon 8000 Weitem auf fünf SHonate gegen 100 000 Später,
©eorg Söityelm jebod) bewilligte nid)t einmal bie Einräumung
bes paffes oon flüftrtn, weldje bie flaiferlidjen aus ber 9*eu=
marf genötigt unb bie fd>mebifd)e Stellung in ber 3ttarf ge=
beeft f>ätte. Er unterfjanbette weiter, unftar unb int onfequent :
was er tonnte, wollte er nidjt, unb was er wollte, fonnte er
nicfyt. dagegen fam if>m Äurfadjfen mef)r entgegen, feit ber
Ausgang bes 5Regen§burger $ages bie Eoangelifdjen baö Uebelfte
erwarten liefe. Neujafjr 1631 bef pradjen fid) beibe gürften in
Slnnaburg, unb 3of)ann ©eorg (ub bie eoangelifdjen ©tänbe
auf ben 1. gebruar $u einem £age nad) 2eip3tg, um ein ge=
meinfamefi SBorgefjen ju erwägen. @d>on ba« mad)te nad)
beiben (Seiten Einbrucf. SBären bie Eoangelifdjen wirflid)
entfdjloffen, fid) felbft $u fdjüfcen, meinte ber ßönig, fo fei er
in $eutfdjlanb überflüfftg : ftatt bie gegen bie flaiferlidjen ge*
wonnenen Vorteile außjunutjen, wanbte er fid) in Erwartung
ber weiteren Entwicfelung nad) 3Hecflenburg.
3n 2eip$ig aber fam man über fyalbe HJtaferegeln nid)t
hinaus. 9Jian entwarf ben ftattlidjen ®runbrife für ein „$efen=
ftonfiwerf" unb blieb (Schweben gegenüber bei mifetrauifdjer
Neutralität, wäfirenb 3of)ann ©eorg, oon &anö ©eorg oon
2lrnim beraten, fidj> in aller ©tiHe in Jilriegäbereitfdjaft fefete.
Surd) fein lonales 3 un >arten W** ®uftao 3lbo(f feine Sage
nur oerjd)ledjtert. Erft als £iUn ftdt> oon Sttecflenburg gegen
SWagbeburg wanbte, liefe er jebe Nücfftdjt fallen. Er entrife
ben ftaiferlidjen granffurt (2. 12. 3lpril) unb Sanböberg an ber
äBartlje (16./26. »pril) unb forberte oom flurfürften (28. 3lpril)
bie Oeffnung beö paffes bei Hiiftrin: fie würbe oerweigert.
2Baö foüte nun auö 2Wagbeburg werben? 3Kit jeljn SRegi*
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IV. Sie Vernichtung ber ftaailidjen Giften} »ranbcnburgä. 353
meutern 309 ber ftönig auf Berlin. 9lm 1. 9Rat war er in
ftöpenirf. Ser fturfürft be^arrte. $a 30g er nodj näf)er an
bie ©auptftabt. (Sine SSertetbigung war bei bcr Unfcrtigfcit
ber SBerfe nidjt möglid). ©0 fam ©eorg 9Bi(f)elm eine ©tunbe
oor ber otabt bem ©djmager entgegen, begleitet von ben
fürftlicben grauen. &on neuem beteuerte ber ftönig, nur bie
SRettung bes Goangeliums fjabe ü)n über bas 9Keer geführt;
für jidj fudje er feinen SBortetl, wolle Bommern an ©ranben-
burg fommen (äffen unb nur bie ftriegsfoften erfefct $aben;
auf ber ©eroäfjrung fixeren fturdfougs jebodt) muffe er beharren.
SDer Äurfürft leimte ab. Xa legte ftdj bes flurfürften ©djwteger;
mutter ins aWittel unb beftimmte ben ßönig, &u weiteren SBcr=
fjanblungen mit nad> Berlin $u fommen, oon 1000 Wann be--
gleitet. $ort erfolgte enbli$ am 4. 3Kai ber ^bfd&lufe: ber
93a& bei flüftrin foHte ben 5latferlid)en ^infort oerfagt, ben
©djweben geöffnet fein; aud) foHten biefe ©panbau befeften,
bis Wagbeburg befreit märe.
28ieber mar 23ranbenburgS Neutralität ©djanben ge?
worben. 3 m Würfen geberft, wollte ber ßönig nadj Wagbeburg
eilen. $a weigerte i^m ©adifen ben Warfd) über Wittenberg:
er mufete über Spotsbam unb SBranbenburg sieben, darüber
fiel bie unglürfliaje ©tabt am 20. Wai; ber 2lbminiftrator
Warfgraf Gbriftian 2öilf)elm rourbe friegSgefangen. 5Die Sage
mar uöHig gewanbelt, ein 93orftofe ber ©djweben nad) Wittels
beutfd)lanb unmöglid), bie Suft ber eoangelifdjen dürften sunt
2lnfdjlufj ba^in. &ätte ©uftao 3lbolf nur fdiroebifdje, ntdjt
eoangelifdje unb europäifdje Qntereffen oerfodjten, er märe
bamals am beften f>eimgefef)rt : bie $eutfd)en, fo fdjien es,
mollten ntdjt gerettet werben. 3Birflidt) liefe er am 26. Wat
£eoin oon bem ßnefeberf, bem $ireftor bes furfürftlid&en ©e=
Reimen Wats, eröffnen, ber gaU Wagbeburgs unb ber Wangel
an Unterftüfcung nötigten \\n juin Würfjug nadj Bommern,
sBranbenburg möge ftdj felbft fd)üfeen. Ser Ginbrurf war nieber=
tcfjmetternb : ratlofe SBerjweiflung berrfdjte am berliner &ofe, ber
für alles flurfadjfens Unentfd)loffenl>eit oerantwortlidt) madjte.
Wun erflärte fidj ®eorg 2Bilf)elm jum 2lnfa)lufj bereit, boi)
foUe man nidjt Unmögliches oerlangen, fcanbelte es fid) aber
^rn%, ^xtnmt eW4it. I. 23
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354 3n>eilc9 Xie crftc ^o()en3oUcrni'd>c etaaiöflrünbutifl.
um beftimmte Slbmadnmgen, fo begann baö alte Spiel : Span=
bau unb ben ßüftriner ^afj wollte er ben ©djweben laffen,
allcö weitere aber von ber (Sntf Reibung flurfadifens abhängig
madjen, an bas man fid) 511 Seipjig gebunben t)abc / bagegen
mttffe ber Äönig baß £anb gegen Silin beefen. Unb babei er=
wog ©eorg SBilljclm mit feinen SRäten bie Slufnafnne fääV
fifd)er unb bänifdjer Jöefafcungen in bic märftfcfyen geftungen !
Slieb CBuftao 2lbolf ba ein anberer 2luömeg als ®ewalt? 3lm
15. 3imi erging fein Ultimatum: er wollte Spanbau, baö tym
$ur Rettung s 3Jiagbeburg§ geöffnet mar, fofort räumen, muffe
aber binnen bret Xagen wtffen, ob er ben Äurfürften alß greunb
ober alö geinb ju betrauten f)abe. ©eorg 2Silbetm follte enb;
lidt) garbe befennen, eben baä, was er um jeben ^reiö $u oer=
meiben fud)te. $a rief er £an& ©eorg oon 3Irnim f)erbei, ben
ÜJefeljlsbaber beö neuen fäd)ftfd)en £eereö. C5iu Dörfer oon
(Geburt unb ein eifriger @oangelifd)er, nacbeinanber in pol=
nifdjen, fd)webifd)cn unb faiferlidjen Tienften, oiel erfahren
unb mit weitem 33litf, überzeugte biefer itjn oon ber Unmög;
lidjfett ber Neutralität. Nun galt eö ben erbitterten Honig
$u befdmndjtigen. 2lm 18. 3uni räumte biefer Spanbau,
marfduerte aber am 19. auf ^Berlin. Sie Kanonen auf bie
Stab't gerietet, »erlangte er <5ntf Reibung, ©efdiäftig eilte
2lrnim bin unb fjer, aud) bie fürftlid)en grauen traten bes
gütigenb ein; fdjliefelidi trafen fid) bic Sdjwägcr perfönltd).
31m 21. ^uni erfolgte ber äbfälufr. Spanbau lieferten bie
Schweben wieber, bie SBefafcung oon ftüftrm unter Oberft Äradjt
fd)iour ©uftao Slbolf £reue: jte follte ben Schweben jebergeit
ben $urd)3ug geftatten, im gatt ber ©cfaljr aber fie in bie
geftung aufneljmen unb bann bem fd)mebifd)en Äommanbo
unterteilt fein. 3" m Unterhalt ber Sdjmeben jablte 33ranben^
bürg monatlid) 30 000 Zlmler.
C^ne jeben ©ewinn für 93ranbenburg gcfdjal) fo, waö
einige SBodjen früher freiwillig »otogen bie gröüten Vorteile
gewährt bätte. 3Hit Unrecht t>at man Schwarzenberg bafür
oerantwortlid) gemadjt: er war bamalö gar nid)t beim tfur*
fürften, ja nidjt in ber maxi <Bon ber iiiffion nad) ^üffcU
borf juriirfgefefirt, lag er längere Seit febwer franf. 3m No=
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IV. -Die $ernid)tuna, ber ftoatli^en (rjiftcuj »rauben burgs. 355
oember 1630 würbe er nad) ^oflanb unb bem 9tteberrf)ein ge=
fdfjicft. $ort blieb er $wei 3a^e: erft nad) ber ©djlad)t bei
SJüfcen erfdjetnt er roieber am &ofe. 2ln bem, waö injtüifd^cn
gefdjaf), Ijattc er feinen Anteil, Safe er es ntd&t bittigte, ift
richtig, ©r mar ein ©egner beö fdjwebifd&en 33ünbnifjeö : fd)on
feine flonfeffion oerfdjlofc ifnn baö 23erftänbmö ber s Uiotioe unb
3iele ©uftao Slbolfö, in bem er nidfjt ben Detter beö Goaiu
geliumö unb ber beutfd&en greifjeit, fonbern einen Eroberer
oon ber 2lrt @f)riftianö IV. fat). SJafc er baö auöfpradj unb
ben flurfürften cor 8cfjweben warnte, mar fein Unredjt, mar
fein 9te$t unb feine ^fliajt. Xie pollenbetc £f)atfad)c aber
f)at er aeeeptiert unb ftd> belieben, eö müffe in feiner 2lb*
wefenfjett eine 2lenberung ber 33erf)ältmffe erfolgt fein, weld&e
bie oeranberte 2lnfa)auung rechtfertigte unb oiel!eid)t auch ifm
W il)x befefirt hätte; bafe er anberö geurteilt, fei fein Uns
recht. $en SBerbacht einer S3erbinbung mit bem SSiener ^>ofe
rotes er entjd)ieben äuriief: ein Parteigänger beö ftaiferö ober
Spaniens fei er fo roenig roie ein ^efuit. „^ch bin gut bram
benburgtfeh, unb baö werbe ich unb meine ftiuber, fo lange
mir leben, bleiben." ^Dagegen trug baö 33ilb, baö ©ufiao
3lbolf fidj oon (Schwarzenberg machte, roo^l bie 3üge unb bie
garben, bie ihm bie furfürftlictjcn grauen liefen. 2lm liebfkn
r)ättc ftch ber ©raf felbft oor bem König gerechtfertigt. 3lber
©eorg SBilbelm hielt ihn fern. Sflifjtrautc er ber eigenen Alraft
unb fürchtete burch ihn roieber auö ber S3afm geworfen 5U
werben, in bie er eben hatte einlenfen muffen?
9Jun enblia) fam bie friegerifdje Slftion in ©ang. Schon
hatte ©uftao 2lbolf bie .Uaifcrlid^en auö SSranbenburg, Rathenow
unb fyxid) ow werfen laffen. 3 e fct brang er auf £angermünbc,
ging über bie @lbe, nahm Stenbal, Virneburg unb SBerben
unb oerftdjerte fich beö bortigen ©Ibäbergangö. $ann aber
mu&te er §alt machen. 2)enn 3of>ann ©eorg oon ©achfen
lehnte nicf>t blofe baö angebotene Offenfiobünbniö ab, fonbern
auch bie geforberte felbftänbige 2lftion beö Seipjtcjer flonuentö,
ja er näherte fich bem tfaifer unb befchiefte ben granffurter
£ag, auf bem bie föefigionöparteien eine ^erftänbigung über
baö fteftitutionöebift fliehten, ^nswifchen branbfdja|te £illu
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356 3roetteo $ud>. £ie erfte ^o^enjoUernf^e Staategrünbung.
Springen imb Reffen unb oeretnigte ftd^ mit ben Äatferlichen.
Saufen war in feiner $anb unb jodte fid) bem 9ieftituttonS=
ebift beugen, als er Befehl erhielt, ©uftao Slbolf au« ber
(Stellung an ber Glbe ju werfen. £as gelang ihm nicht, unb
er ging nach ©adjfen gurücf, es ju entwaffnen unb bem flaifer
ju unterwerfen. 28aS bort in feiner SBiege jefet bas ©djicffal
be$ (Soangeliums fein mürbe, ftanb jum ooraus feft. £>aft
begriff aud> 3of)önn OJeorg: ba fonnte nur ber 2lnfä)lufe an
©djweben retten. 2luf Arnims Hilferuf eilte ©uftao 2lbolf
herbei. 3n ©egenwart (iJeorg SöilhelmS trafen ber Äönig
unb ber ©achfe jufammen, ben Sunb ju fchliefeen unb bie
legten SSerabrebungen ju treffen. ©leich Danach oereinigten fiä)
ihre §eere, mä'hrenb Silin fdwn Seipjig bebrohte. 2lm 7. ©ep=
tember mürbe er bei Sreitenfelb gefdjlagen : bie (Soangelifdjen
roaren gerettet.
3unäd)ft geroann baoon S3ranbenburg : bas s Jteftitution«~
ebift brauste es nicht mehr $u fürchten. $ie Waffenruhe für
^teufeen mar nun gefidjert ; bafi fianb fing an ftch $u erholen,
Sieferbau, föanbet unb (Bemerbe lebten auf. König ©igis*
munbs III. £ob im grühjahr 1632, bas 3 n ^rregnum unb bie
SSahlfämpfe befeitigteu bort oollenbs jebe ©efahr; SBrabis*
(am IV. erleichterte fogar bie ßehensbebingungen. 9lber auch
am 9iieberrhein befierte jtd) Sranbenburgs ©teHung. $er
ttaifer unb Spanien oolljogen bie 1629 oereinbarte Räumung
bes größeren Seils bes £anbes: feit bem 3rühjahr 1631 tagen
nur noch i» ^ecö, Gmmeria) unb Söefel nieberlänbifdje unb
in 3ülid), Drfon unb ©ittarb fpanifche Gruppen, unb bie ©tänbe
oon Gleoe unb 2Rarf erfannten ©eorg SBilhelm oorbehaltlos
als Sanbesherrn an. £er (Srfolg rechtfertigte alfo ben 2lnfdjlufi
an Schweben, Senu&te OJeorg Wilhelm bie Umftänbe unb
oerfolgte biefen Weg entfchloffen roeiter, fo mar auch für bie
SJiarf eine SBefferung $u hoffen ; benn ©uftao 3lbolf moHte ein
offenes unb ehrliches Gtnoerftänbnis, ein auf ooHe (Semein=
fchaft ber 3ntereffen gegrünbetes ©dju^ unb SrufebünbniS.
2)en 3roo»9/ ben er ^atte anwenben muffen unb burch bie
Sefefcung oon ©panbau unb bie Erhebung oon 30 000 Xfyalttn
monatlich noch ausübte, roollte er abfteßen: nur einige 3eit
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IV. 2>ie JBemid)tung ber ftaatltdjen ©riftenj $ranbenfmrgä. 357
110$ möge man tfjn gebulbig tragen, ©egen feine urfprüng^
tidt)e Slbftcfit, ibn oöHig $u entwaffnen, ^atte er ©eorg 3öif=
beim bereits erlaubt, aufeer ben iljm jugeftanbencn geftungs^
befafcungen Gruppen ju galten. Slud) wagten bie Stänbe ber=
malen nidjt bie Littel baju ju oerweigern: im grübjaljr 1632
f)atte ©eorg SBityelm 5000 3Wann unter Waffen. 3lbcr an
bem Programm gelten bie Stänbe feft, bas ir>rc Vertreter
julefct entwicfelt Ratten, namentlich bem Verlangen engften 2ln=
fdjluffes an ßurfacbfen : if)t ÜRann mar &anS ©eorg oon Staunt.
2lnbers urteilte bie grofje 2JJaffe: fte mar ber furdjtbaren ($e=
faf)r tr)reö (Glaubens inne geworben unb blicfte bantbar ju bem
Detter auf. 3lebnlid) gef palten war bie Regierung. 3war bitten
bie fdjwebenfreunblicben $ raucn unD D * c gleicbbenfcnben SRäte
Schwarzenbergs ©influfe nidjt mef)r $u ftirdjten, roo^l aber bie
Unentfdjloffenfjeit bes Äurfiirften, ber trofe fteter Sorge um
feine Selbftänbigfeit immer abhängiger oon ^obann @eorg oon
Sadjfen mürbe. 9Wit beffen §ilfe fuajte er fidt) weiteren 3u*
mutungen ScbwebenS 311 entheben. $en Antrag feines SdjwagerS
auf ein förmliches SBünbnis lebnte er im Oftober 1631 unter
^Berufung auf feine pflichten gegen ben Staifer ab. tiefer
Stanbpunft, obnefjin auf einer giftion berubenb, mürbe uns
baltbar, als ber Siegeslauf bes ßonigs eine 9?eugeftaltung bes
Sletdjs in Stusftcbt ftclltc. 3ßte ©uftao Slbolf biefe fidj audf)
gebadet ^aben mag: er redjnete babei oiel mein* auf39ranben=
bürg als auf Saufen. $afe, um Sdjroebens Stellung an ber
Spifce ber beutfeben (Soangeltfdjen ju fiebern, Bommern fdjwe=
bifdr) mürbe, mar eine militärifdje unb politifdje 9iotwenbigfeit.
3lber Sranbenburg fottte rcicr) entfd)äbigt werben. Sdjlefien,
bie ßaufifc, bas (Jrjbistum SWagbeburg waren itym 3ugebad)t,
noeb anbere Säfularifattonen in Slusftcbt genommen. Unb
nicht blofj bas: bamals juerft befdjäftigte ben ftönig — nicht
als ein flüchtig auftauebenber ©ebanfe, fonbern als ein fo
ernfUidj erörterter $lan, baß nach feinem £obe feine oer^
trauteften SRäte barauf äurücfyufommen fidj für oerpflichtet
bielten — bas ^rojeft ber $ermäf)lung feiner einzigen Tochter
Gbnftine mit ibrem Detter, ©eorg Sßtlfielms Sobn, tfriebrieb
Wilhelm. Sie t)ätte eine gefdjloffene eoangelifcbe ^orbmaebt
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Ö58 ^roeitcsi ^uc^. Xk crfte f>of)enjoUemfd)e <3taatäflrünbung.
gefdjaffen, bic in $eutfdjlanb baä (roangelium unb bie reid>s=
fürftlidje ^crcitjeit geftdiert unb in $$erbinbung mit ben beutfd)en
^roteftanten, ben Wieberlanben unb ©nglanb unb auf granf=
reid) geftüfet, bic fpanifa>f)abäburgifd)e ©eltmadjt in Sdjad)
gehalten f)ätte. Sßofjl oerfefjlten fofdjc 2lua|idjten nid)t t^rcfi
(Sinbrudfe auf ©eorg 2öilf)elm. Ob er fic aber ernft nafym?
^ebenfalls lag bei ber 3"9 enD bes fturprinjen unb ber fdjnje-
bifajen Xf)roncrbin bie Sterwirflidjung biefeö ^lanft no$ in
weiter gerne. 3fjn trofcbem jur 99afte ber branbenburgtfä>n
^olttif su madjen, f)ätte ben fofortigen 2lnfd)lufe an Sdnoeben
erforbert unb ben ^o^enjoflern Leiber unb geinbe in SJienge
erweeft. Soldie tsntfd)ioffenf)eit war nidjt @eorg aöityelmö
2lrt. 33icl jioingenbcrer Momente beburfte efi, um it)n jum
^anbeln für Sdjweben unb an ber Seite Sdjwebenö ju oer=
mögen. Unb erft ein foldjes fdjuf ben 99oben für eine Union
ber föäufer 3Bafa unb ftofjenjoUern.
SHitte gebruar 1632 erfdjien ber tturfürft in Bresben ju
$erf)anblungen über einen grieben mit bem ftaifer unb etwaige
gemeinsame militärifdje Sfla&naljmen. $ci erfteren ftanben be=
äeid&nenbermeife finanzielle ^ntereffen ooran: man oerlangte
oom flaifer (Srfa^j für ben erlittenen Sdjaben unb bie #rteg§=
foften, unb ©eorg 2Bilf)elm allein foH ntdjt weniger als 20 SJiik
lionen ©ulben geforbert fiaben. 9lnbcrerfetts oerwarf fturfadjfcn
fowoljl bie ftcrftellung ber s |>fäl3er tute bie (Sntfdjäbigung
odjwebenft burd) ba$ (Srjbiötum Bremen unb forberte bie um
oeränberte Slugßburgifdje .ftonfeffion unb bie Äonforbienformel
alö ©runblage beS gu erneuenben Rcligionßfriebenfi, ftettte alfo
(>korg SiHlljclm unb fein £aus au§erf)alb beafelben, mäf)renb
Sd&webcn ben Reformierten enblid) 511 if)rem 9?cd)t oerfjelfen
wollte. #utt) feine Gruppen mit ben branbenburgifdjen jur
Sedung ber 3Jiarf nad) Sdjlefien ju fdjiden, wie (Suftao Slbolf
empfohlen, lefinte ^oljann Weorg ab. So ftaub bie SJtarf
einem plöfelicbcu Slnfall ber ttaiferlidjen offen: nur engerer
2lnfd)lufc an Sdnoeben oerljiefe ba SidjedKtt. 3)a rief ber
polnifdic ^ronwea^fet Weorg ©illjelm nad) ^ßreuften. £efi
(Sinbrud)ö Söaflenfteinö oon 93Öf)men ber jeben 2lugenblirf ge=
wältig, bat ber Statthalter ^arfgraf Sigismunb ben an ber
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IV. Sie Sernictyhing ber ftaatlid/en (rriften$ SJranbenburgä. 359
SÖartfje ftefyenben fdjjroebifdjen ©eneral 2)uroalb, einen (Streif
3ug nad) ber Öaufifc unb Sdfjlefien $u machen. Df)ne 93efef)(
befi Königs aber modjte biefer feinen Soften nid&t oerlaffen:
bie 23ranbenburger mödjten felbft banbeln. 2)a brangen biefe
im 3uni unter Äonrab oon 33urgsborf fübroärts uor, nafmten
Äroffen, ©rüneberg unb Jreiftabt unb behaupteten, oon ben
flaif ernten jurüdgebrängt, roenigftens ben erften $lafe. (Sben
jefet aber trat bie tfrifiö bes Krieges ein. Stoßbein er bie
Saasen auö Siemen geworfen, 50g SSaHenftein nad& ^raufen
unb lagerte, ©uftao 2lbolf im dürfen bebrotjenb, bei s Mt\u
berg. $er fturfürft oon Saufen aber, ftatt bem bortfiin eitenben
Äönig ju Reifen, fd)idte feine £auptmad)t unter 3lrntm gegen
bie flaiferlidfjen nadf> 9lieberfdjlefien, roo fie (17. 3uli) ©logau
eroberte. 9Jun 30g audj Duroalb borten, mit tym bie 33ran*
benburger. Sei Steinau fähigen fie bie tfatferlidEjen unb nahmen
Scfyroeibnifo, granfenftetn unb s Jieifee, roä&renb 28allenftcin trofc
aller Mahnungen in feinem Säger blieb, bann a6er ftd) plöfe=
lidj nadj Saufen roanbte unb Öuftao s ilbolf burdE) bie 23es
brofnmg feiner 9iücf$ugslinie 311m s ilbjug auö bem ©üben notigte.
33alo folgte bie Süfeener Sd&ladfjt unb bes Königs £ob.
9hm mar söranbenburg fdjroer bebrotjt. Srofe bes fcf>roe=
bifdjen Sieges fürdjtete man bas Vorbringen ber Äaiferlidjen
in bie Warfen unb Bommern. 3Belcbe ^ia^tung bie fa^roebifa^e
^olitif einfdfjlagen mürbe, mar nidf)t abjufeben. 3luf Saufen
mar fein 33erla&: fjatte boa^ in Sd&lefien alles nadfj bem
Steinauer Siege ©croonnene bem oon biplomatifa^en ^ücffidjjten
befjerrfdjten 3lrnim abgerungen werben muffen, ©eorg 2Bi(s
f)elm eilte nadf) ber 9J2arf, roo im .§inblicf auf „ben äufeerft
gefäfirlidjcn unb forglidjen 3uftanb in ber 9iadjbarfd)aft" be*
reitä am 12. ^ouember ein allgemeines Aufgebot ergangen
mar: bie SBcoölferung follte „jur Rettung bes gemeinfamen
Vaterlanbcs unb fein felbft ^odfmotroenbigen ©egenroefjr unb
Abtreibung alles bräuenben Uebels gefaxt fein". $as Staffens
glücf ber Sdfjroeben roanbte bie ßJcfafyr. ab ; in ber ^Jolttif jebod)
ooUjog fidj ein folgenfdjroerer SBanbel. 2)er (Sinftufe ^ranf=
reidj>s begann ben Horben unb ben Süben bes iWcic^ö ju trennen.
3m Horben näberte Saufen fidf) SBadenftein unb fudjte babei
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360 Bromes «rftc f>o$enjolIernid>e ötaatSgrünbung.
39ranbenburg mit fid) -«'eben, ©eorg SBUbelm aber glaubte
nid)t an beö tfaifer* ©eneigttyeit 511 billigem grieben, meinte
aua), burd) ©ntgegenfommen bie faiferlid&en gorberungen nur
ju fteigern. Slnbererfeit« gelten bie Seiter ber föroebifd&en
«Politif ben ©beplan feft, oerlangten freilid) aua?, ber 5fur=
prinj folle in Sdjroeben unb lutberifd) erlogen roerben. Bo
blieb eine neue 93efpred)ung ber beiben Äurfurften gu £reäben
((Snbe gebruar 1638) ofjne Ergebnis, unb 3or)ann ©eorg 50g
feine 3lrmee aus 3dj)leften jurüd. 3^rem 93efebl$böber waren
mit 3ufrimmung Sdnoebenft aud) bie branbenburgtfdjen Gruppen
unterteilt: fie füllten nur abgerufen roerben burfen, roenn es
baö eigene Sanb $11 beden galt. Sacbfens gurjrerroöe friert
ausgefpielt, bie fioljen^ollern fdjienen an bie Stelle ber Sllbertiner
ju treten. Sdjon ftanb granfreid) mit @eorg Söilrjelm in leb=
baftem SSerfebr, ber oöllig entfdjloffen febien, bei ©dnoeben
5U bleiben. Neue Lüftungen begannen. ©in 93ufe= unb 93et=
tag rourbe gehalten, allgemeine #eroaffnung befoblen. 2loo=
fatorien ©erboten am 4. 3uli allen branbenburgifdjen SBafallen
unb Untertanen bei fdiroerer ©träfe ben ®ienft „in ben frieb=
länbifdjen, banrifdien unb anberen päpftlidjen ligiftifdjen beeren " :
fei es bodj roeltfunbtg, ba& ber eoangelifdje ©laube oertilgt
unb bie if)tn pigetbanen gürften unb ©tänbe oon Sanb unb
Seuten unb il)rc Untertanen oon Sauft unb &of gejagt roerben
foÖten: eft tyanbtk ftdj um bie Religion unb bie beutfdje
greibeit.
3naroifcben madjte Sitallenftein SSrnim, ber ibm mit ben
©acfjfen unb »ranbenburgern gegenüber ftanb, bie erften 21ns
träge 51t einer ^erftänbigung auf Soften ber Säjroeben, inbem
er einen fteidjftfrieben auf ©runb beö 3uftanbeft oon 1618
oerbiefe. 33alb geigte eine überrafebenbe äBaffenrube, bafj Slujjers
orbentlidjeft im Söerfe fei. ätfafi foHte ©eorg SSilbelm tbun ?
3Wußte ber SBunb mit ©dnoeben jefet nidjt fein SBerberben
roerben? $ie perfönlidjen unb politifdjen ©egenfäfce erneuten
fiel) in feiner Umgebung. $en greunben Sdnoebens, roeldje
bie Moratorien unb baft Sanbeftaufgebot burdjgefefct bitten,
traten bie SBorfämpfer beö griebenft unb ber Neutralität ent=
gegen, jefet roieber oon 6djroarfcenberg geleitet.
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I
IV. Sie 93emi($tunfl ber flaatti^en (rjiftenj *ranbenburgä. 361
Der ®raf fjatte bic Entfernung vom $of fd&roer empfunben,
bodj roof)l nidjt bloß auö persönlicher 5(nt)än^[id)f cit an GJeorg
SBilfjelm. Slber gleich nadj ©uftao Slbolfs Xob mar er nadj
Königsberg berufen toorben, t)atte ben fturfürften jebodfj nidfjt
nadfj ber 9J?arf begleitet. Grfi im Sommer 1633 erfdjien er
in Berlin, unb fofort mad&te ftd) fein Hinflug roieber gcltenb.
©alb mar bie ©egnerfdfjaft jioifdjen ifnn unb ben übrigen Späten
ein gaftor, mit bem bie fremben Diplomaten regneten. Die
93erf>anblungen groifdjen SBaHenftetn, ben böfimifdjen Emigranten
unb 2lrnim führten inbeffen am 21. 3luguft ju einem jroeiten
oierroöd)igen SBaffenjttflftonb. Witte (September f$ien man
mit SMenftein ooHenbs einig geroorben ju fein. 2lua) GJeorg
2öilf)elm, ben Slrnim in ©eesfoto auffuä)te, r)atte gugeftimmt.
Die Konjunftion ber Saufen, 93ranbenburger unb Sdfnoeben
mit bem faiferlidjen ©eneraliffimuft fcr)ien unmittelbar beoor=
juftefjen, roäfjrenb oon ben beteiligten bodj tr)atfädt)(id^ niemanb
an ben ©rnft unb bie <Sl)rlidf)feit SBallenfteinß glaubte. Da
fünbigte biefer ben ©affenftillftanb : er faf), ba§ 9lrnim §um
ßampf gegen bie Sd&roeben nidfjt $u baben mar. Slrnim eilte
ba9 nun fd)iocr bebrof)te ©adjfen ju beden, na^m audf) bie
branbenburgifdjen Gruppen mit bortfjin. Statt ifcm ju folgen,
warf fid) SBaHenftein plöfclidf) auf bie bie Oberlinie becfenben
fdf)toebifd)en ©enerale ©raf 2fmrn unb Duioalb unb braute
ilmen am 11. Oftober bei Steinau eine 9fteberlage bei. Salb
mar faft ganj Sd^leften in feiner ©eroalt. Dann eilte er gegen
bie oöllig ungebeefte 3Warf, befefete Kroffcn, nafmt granffurt,
beffen SJefafeung nadj flüftrtn entroid), unb bann fianböberg.
ftürftenroalbe rourbe niebergebranut, Storforo unb ßöpenief be=
fefet. Salb mar »erlin bebro^t. Der flurfürft flof) nadj 33ran=
benburg, bann in bie 9Iltmarf. Die iBürgerfdjaft, auf baö
Sd&limmfte gefafet, barg ftd& ftngenb unb betenb in ben flirren.
9lud& erWien ber Cberft ©ienft, ein Dörfer oon ©eburt, unb
oerlangte Cuartier für fünf Regimenter unb eine Kontribution
oon 50 000 Malern. Der 9Rat erklärte, blofe 2000 aufbringen
ju fönnen. $n biefer »ebrängnifi, bie bas Xrugfpiel ber ge=
planten ftonjunftion nur nodfj bemütigenber machte, roarf fiefj
©eorg Söilfjelm enblid) gan* in bie 3lrme Sdjroebenö unb
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362 3n>eite$ iöud>. 2>ie erfte Ijol>enjoUemid)e Staatägrünbunfl.
granfreicbö. tUm 28. öftober unterseichnete er in ftauelberg
ben Vertrag, ber ilmt griebensunterbanblungen nur mit betben
gemeinfam ertaubte. @ben nod) oon Scbroeben lo^ufommen
bemüht, mar er enger als je an basfelbe gebunben. @r ^atte
fid) übereilt, (£s fam nicht fo fcblimm, wie er gefürchtet.
$)enn als 9lrnim herbeieilte unb bie SRücfjugölinie ber nad)
Berlin oorgefebobenen ftatf erheben bebro^te, eilten (11. 9io=
oember) biefe baoon. 2Battenftein felbft gebot bie 91acbricbt
oon bem Singriff 33ernbarbs oon SBeimar auf SRegensburg &alt.
ftoä) mifelang 3lrnimö Angriff auf granffurt ; aroifeben ber fai;
fertigen ©efafeung unb Sacbfen unb SBranbenburgern fanben
noc^ Heinere ©efedf)te ftatt, bann famen f<f)tt>ebifcf)e Verhärtungen
aus Greußen beran. Saner erfebien mit beträchtlicher ^flacht,
©ntfcheibenb aber mürbe bie rätselhafte Untbätigfeit ©allem
ftetns : fie bereitete bie 511 feinem Untergang führenbe Ärifiö cor.
2lud) Sranbcnburg ftanb bis ^ulefot mit SSaHenftein in
SBerbinbung, trofe ber eben gegen Scbroeben unb granfreieb
übernommenen pflichten bereit, mit bem ftaifer abjufchliefeen,
unb obgleich öeorg SBilbelm felbft meinte, man motte ihn nur
oon aller äfnftenj entblößen unb ihm bie Waffen aus ben
fanben foielen, um banach ben Unglimyf beö ausgeflogenen
griebens auf ihn su roäljen. SBäbrenb man bes flaifers griebenft=
oorfchläge in allgemeinen Sßenbungen beantwortete, mürben
Söaflenfteins lefete Grbietungen, mit beuen 3lrnim am 5. gebruar
in öerlin erfchien, in Öegenroart bes flurfürfien gmet Sage
(7. unb 8. gebruar) htnburch oon bem Geheimen SRate ein=
gehenbft erroogen. 2Sattenftein roottte mit ben Verbünbeten grieben
fchliefeen, auch ohne bes Ataiferd 3nfttmmung. konnte man
baran glauben? Seit bem jähen Abbruch ber legten 93erbanb=
hingen rjerrfd^te tiefes Mißtrauen gegen ben &ergog : man mottte
fich nicht noch einmal einer ähnlichen Ükrgeroalttgung ausfefeen,
anbererfeits aber auch feine s J)iöglichfeit unoerjncht laffen.
Sßiberftrebenb, ohne (Glauben an ben Grfolg unb im ©efühl
bes Unrechts gegen Schweben, trat man .an bie Sache heran.
23ie hätte OJeorg Wilhelm bem Srucf einer folgen Situation
miberftehen unb nicht roie ein Motyr hin unb her fdjmanfen
follen? kläglicher beim je mar bie ftotte, bie er fpielte, trofc
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IV. Sie 5Bemi$tunfl ber ftoatlidjcn elftem iöranbenburtjs. 363
ber Vorhaltung bes efjrlidien £eoin von bem tfncfebed, „cou-
stantia madje einem dürften SHefpeft, inconstantia oerurfadje,
ba§ er äroifdjen jroei Stühlen fifee". 2We ©ef)eimeTäte, aua)
©d)toar$enberg, meinten, ofme 2Biffen unb 2BiHen Sctyroebens
unb granfreidjs bürfe man nia^t unterhanbeln, aud) möge Äur-
fad)fcn erft nod) Genaueres über bie VoUmadjt unb bie 2lbftd)t
9öaflenfteins erfunben. £er fturfürft ftimmte bei, unb Slrnim
mürbe bemgemäf? belieben. $od) genügte if)m bte 2lntroort
nid)!, unb es gelang ifim, in ber 2Horgenfrül)e bes 9. gebruar
ju bem nod) im S3ett liegenben ©eorg &>ilf)elm 3^tritt ju er*
langen unb if)m burdj neue bringenbe Vorstellungen bie (£r*
flärung abzuringen, er rooüe mit fturfad)fen $ufammengeben
unb jugleia) mit if)m griebcn fd)liefjcn. ^mDieroeit <Sd)roarfcen=
berg bie §anb im (Spiel f)atte, mufe baf)ingeftellt bleiben : aber
am 9lacf)mittag roieberf)olte er feines &errn Steigerung s ilrnim
roörtlid), weigerte fidj jebod), fie als of faiclle Antwort an ©acr)fen
ausfertigen 311 laffen, ba biefc oom Oheimen 9kt tags $iu
oor feftgeftellt fei. (Snblidj einigte man ftd) baf)in, ber flur;
fürft foüte jene 2ßorte oom Jorgen Slrnim in eigenfjänbiger
9iieberfd)rift mitgeben. 2Bas biefcr fpät abcnbs befam, gab
aber einfadj ber Hoffnung Slusbrud, bie mit bem ftaifer unb
beffen gelbfyauptmann $u oereinbarenben Vebingungen motten
oon aßen eoangelifdjen otänben gebilligt roerben. Slrnim fpradj
fein ©rftaunen über biefe Unbeftänbigfcit aus: ba müffe er fLdt)
an ben ilnn münblid) gegebenen Vefdjeib galten unb mürbe
ben abroeidjenben fdjriftltdjen gar ntd)t angenommen l)aben,
Imnbelte es fid^ nidjt um bes .Hurfürften eigene &anbfd)rift.
©eorg 2ötlf)elms Verhalten ift nur burd) bie s itnnafmte
erflärlirf), baß er längft aus bem fdnoebifdjen Vünbnis loSjus
fommen unb mit bem .Üaifer oerföfint 511 roerben roünfdjte.
9iur fyklt feine 8d)eu oor ben folgen bes Vertragsbruchs, ben
er gegen (Sdjroeben unb granfreidi begeben wollte, ber gurdjt
bie 2ßage, roie ifmt Söaöenftein nad) bcr Sd)lad)t bei Steinau
angebro^t {»atte, um Sanb unb Seute unb Signität gebraut
$u roerben. Xk neue Sinnesänberung rotrb füglid) bem (Sin«
flug Schwarzenbergs jujufdjreiben fein, ©abei roar biefcr aud)
jefct nach befter Ueber$eugung für Vranbenburgs ^i-ot)I bebaut,
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304 3 lDeitc 5 Sie erftc tjotyenjoUcmfäe ©taatsgrünbunß.
unb wie er feine Auffafjung ber Sage in ben äweitagigen
Debatten bes Geheimen Rats entwicfelt x)at, wirb man nicht
umhin fönnen, ben von ihm oorgejeicfmeten 2Beg als ben
augenblicflid) ausfichtsoollften anjuerfennen. 2ludj er hatte ben
Vuttb mit Schweben einft als berechtigt unb nüfelich anerfannt.
Seit ©uftao Slbolfs £ob aber hatte ftä) bas geänbert. Schweben
»erfolgte in £eutfchlanb felbftfficbtige Siele, bie jum ^eil nur
auf Äoften Sranbenburgs erreichbar waren, währenb bie SHUanj
mit Schweben unb granfretch btefes verpflichtete, ben Ärieg
fo lange fortäufefcen, wie es jenen beliebte, granfreid> aber
Spaniens wegen ein Sfttereffe baran hotte, ben gricben mög;
lichft fnnaus ju fchieben. deshalb foüte ber Äurfürft auf bie
griebensanträge bes Äaifers fo weit eingeben, als ofme Srudj
mit Sc^toeben unb granfreicb möglich mar, auch ben ftaifer
burch Ausficht auf einen befriebigenben Slbfdjlufe ju weiterem
©ntgegenfommen gewinnen, $em ftimmte felbft Seoin tum bem
tfnefebecf bei unb billigte bas Verbleiben im Vunbe mit ben
(Soangelifchen unter gleichseitiger Annäherung an ben flatfer
jur Herbeiführung bes griebenS.
Rur fielen auch biesmal in bem 2lugenblicf, wo man in
Berlin $u einem (Sntfcbluffe fam, bie Vorausfefcungen fort, auf
bie hin er gefaxt war: bas blutige ©nbe SöallenfieinS, ein
Sieg ber ^cfuiten unb Spaniens, rücfte ben grieben in weite
gerne. Von ben 3ugeftänbnifien, bie ber ©rmorbete in Sachen
ber Religion gemacht hatte, war feine Siebe mehr. Sadjfens,
bas auf eigene &anb weiter unterhanbelte, glaubte man in
2ßien ficrjer ju fein. Um fo fernerer foütc mit Schweben
Vranbenburg getroffen werben. Schon ftellte ber gaß Regens*
burgs (3ult 1634) bic Unterwerfung oon Stibbeutfchlanb in
nahe Ausficbt. Unter ben (Soangelifchen oermehrte fich ber
.^aber. 3luf einem Sage ju granffurt hintertrieb Saufen bie
oon Schweben geforberte enge Verbinbung ber norb* unb ber
fübbeutfehen (Soangelifchen, um nicht bie Gleichberechtigung ber
Reformierten anerfennen 311 muffen. Schweben erflärte bort
juerft, ^Bommern nicht herausgeben ju fönnen. ©eorg $8x1*
heim war aufeer fich. Arnim meinte, bas brauche man ftch
nicht gefallen ju laffen. Äonnte man banach noch 3öaffengemein=
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IV. Sie $ermd)tuna ber ftaatlidjen (^tftenj »ranbenburgö. 3G5
fd^aft mit ben Schweben Imben? ©ben waren biefe unter 33auer,
nachbem fic ben flaiferliäjen granffurt unb Sanbsberg entriffen,
mit ben Sadjfen unter Arnim bis Prag oorgebrungen. ©er
gaH Regensburgs nötigte Tie jum Rücfzug nach Sachten, roo
Arnim bie SBerhanblungen mit bem Äaifer wieber aufnahm.
$a zertrümmerte bie Schlacht bei Rörblingen bie 3Wachtftellung
Schwebens in Sübbeutfchlanb. Bommern zu becfen, mufjte 93aner
Zurücf. Sängft waren bie branbenburgifchen Regimenter bie
33erbinbung mit Schweben überbrüffig. Anfang September
erlaubte auf Schwarzenbergs betreiben ber Äurfürft ihnen, i^re
eigenen 2Sege gu gehen. 9Jlan mar in ooflem 3wge zum Ueber=
tritt auf bie Seite bes flaiferö. Aber bie Sebingungen bufür
auszumachen überliefe man Arnim. So famen bie Präliminarien
von Pirna (24. Rooember 16:34) ju ftanbe. gür Saufen mar
barin gut geforgt, bie ^ntereffen ber übrigen ©oangelifchen
aber mürben nur fef)r lau wahrgenommen, bie proteftantifchen
Schlefier preisgegeben unb bie an ben böfmiifchen unb pfälzifchen
ftänbeln beteiligten oon ber oerheifeenen Amneftte ausgefchlofien.
$ann aber änbertc ber befinitioe grieben oon Prag (20. 9Jtoi
1635) bie urfprünglidjen Abmachungen vielfach noch zum Nachteil
ber 6oangelif<hcn : felbft Arnim erflärte ihre Annahme für um
oereinbar mit feinem ©emijfen. 3« 9 a »3 $eutfd)lanb r)crrfdr)tc
jomige (Sntrüftung über bas neue ^"basroerf bes AlberttnerS.
Aber ber Prager griebe foüte für bas ganze Reich gelten,
wer ihn nicht annahm, gewiffermafjen außerhalb bes Rechts
ftehen. Ser Äaifer unb Saasen fleHten allen anberen Reichs*
ftänben ein Ultimatum. Unb auf welche öebingungen r)tn !
$ie Auflöfung aller Sonberbünbniffe mit Ausnahme bes flur*
oereins, ber ©rboereine bes Kaufes Oefterreich unb ber (£rb=
oerbrüberung jwifchen Sachfen, Reffen unb Sranbenburg, bas
Verbot an gürften unb Stäube, mehr tfriegSoolf zu galten,
als zur $3et'a$ung ihrer geftungen erforberlich, bie Schaffung
einer faiferlichen Armee oon 80 000 s JRann unb bie $erpflia>
tung, bem Jlatjer unb ben .Hatholifen zur (Eroberung ber in
frembe &änbe geratenen (Gebiete zu halfen, gaben bie unum=
fchränfte 3Hilitärhoheit unb bie alleinige Vertretung $eutfäV
lanbö bem Austanbe gegenüber an ben &aifer, neben bem
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;*06 3roeitc« $ud). Sie crftc fjof>enjioUernfd>e etnatogrünbung.
nur bem fäajfiidjen fturfürften eine 2lrt oon Vorrang eingeräumt
mürbe, dagegen wollte eö wenig bejagen, bafj alö Normaljafir
für ben proteftantifd^en 23eft&ftanb 1627 angenommen unb baä
JReftitutionftebift auf fernere oierjtg 3<xi)xt fufpenbiert würbe.
%xid) für 33ranbenburg rjiefe ben ^rieben annehmen, fidt) mit
gebunbenen §änben bem tfaifer überantworten unb jugleid)
ber SRadje Sdjwebens ausfegen, wenn es nid)t gerüftet blieb,
um fein fted)t nad) beiben Seiten $u magren. Tann atter=
bingö bot felbft biefer triebe befiere 3luöfid)ten alfi baö 2lufi=
narren im fd&webtfdien unb fransöftfdjen Sünbnis. (Sr ermög*
lichte bewaffnete Neutralität. Sie erftrebten bie ©efjeimeräte,
wäfjrenb ber töurfürft immer ungebulbiger gum 3lnfdjlufj an
ben Äaifer brängte. 3()n wünfdjten aud) bie Stänbe. 3(uf
bie ftunbe oon ben Pirnaer Präliminarien berufen, ©erlangten
ifnre Vertreter im Januar 1635 x>ot allem eine Sflebuftion ber
Gruppen um bie .§älfte unb bewilligten bie jur 2lblöl>nung
nötigen Summen. 3J?an entwaffnete, wo es gegolten f)ätte bis
an bie Säfynt gerüftet gu bleiben ! 3«Ö^ia) würbe mit Schweben
oerbanbelt. Tiefe« fteigerte jefct fein Angebot: Sranbenburg
foHte Bommern erhalten, auf ^ägernborf unb Siegnife, ja ganj
Spionen machte man ihm 2luöfid)t; bafür foHte efi Sd&weben
ju s JJJagbeburg, .§alberftabt unb Oönabrürf oerfjelfen. Sdnoarfeem
berg ging nad) Treiben, um oon 3of)Cinn (9eorg in betreff
ber 2lnfprüd)c auf 3ülid) unb preußen 3 u 9 c ft an bniffe 5 U er =
wirfen. Ten wieber oerfammeltcn Vertretern ber (Stänbe
zeigte man, wie nad) bem Srud) mit Schweben granjofen unb
Nieberlänber bie meberrbeiniiefien Sanbe befefcen würben, Ponu
mern aber erft su erobern bliebe, mäf)renb ber 2lblef)nung bes
prager griebens ber ©inbrud) ber tfaiferlidjen unb ber Sadjfen
folgen würbe. (Sine beftimmte SHetnungfiäufterung erfolgte
nidjt. Ta äußerte ficr) Orenftierna nid>t blofj wegen 3ülidjö
unb Pommernö günftig, fonbern eröffnete fogar bie s JKögltä>
feit, Sdjroeben fönnte fidj mit einer ®elbentfd)äbigung begnügen.
Tarauff)in unterljanbelte Sad)fen mit Schweben, freilidj mefjr
$um Sd)ein. 3 noe ff en tonnten tfaiferltdje unb Sad)fen oon
Sd)lefien ober ber %auii% jeben iMugenbltd über bie 3Warf f>ers
fallen, unb aud) bie Schweben ftanben 311m (Sinbrud) bereit. Äam
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IV. J)te Sernigtung ber ftnatli^cn Irriftenj SronbcnburgS. 367
es gum flampfe, ef)e Sranbenburg Partei genommen fjatte, fo
mußte efi furchten, oon beiben teilen als Jfainb befianbelt unb
jroifdien ifynen jermalmt $u roerben. ©eorg 2Bilf>elm fjatte längft
gemault, verfugte aber bodj nod) burd) ©djroarfoenberg beffere
Sebingungen ju erhalten — bie §erftettung oon .fturpfaf$, bie
allgemeine 2lmneftie, Sidjertyett gegen ©adjfenö 2fnfpriid)e in
Süfid). 2lber aud) ofjne fte fottte ber ©raf abfdjfießen. Unb
fo fam es aud): ofme eine ber geforberten (Srfeidjterungen
erroirft 311 fjaben, etffärte er 33ranbenburgö Sfnfdjfuß an ben
^rager grieben.
9tia)t§ ift <Sdjmarfeenberg fo fdnoer §um Vorwurf gemalt
roorben roie bieft. @r fott bas Verhängnis oerfdntfbet fmben,
baö nun über ©eorg IJBilficfm unb feinen Staat hereinbrach,
inbem er ben ßurfürften ju einer ©ntfdjeibung brängte / bie
ber Ueberjeugung bes ©ef)etmen !Hatö unb ben SBünfdjen ber
öffentlichen Meinung entgegen mar. $as ift nidjt erroeifibar:
erft nachträglich, angefichtö be« ungfücflidjen ©anges, ben bie
$inge fpäter nahmen unb ber, hätte man beft ©rafen 9iat
befolgt, oieHeicht oermieben märe, ift biefe Staffage erhoben,
an bie bamate niemanb gebaut hat. £as eigene Verfdjulben
}u oerbeefen, ^aben Sdnrarfcenbergft ©egner, bie mit ihm bie
Verantwortung teilten, fidt) fpäter ben 2lnfd)em gegeben, als
ob fie uergebenö gewarnt unb anberö ju fmnbeln geraten hätten.
5öaä bamatö an gehlem begangen, fm* man nachträglich auf
ben allmächtigen 2flinifter abgemäht, als er aus ganj anberen
©riinben ju gaH gefommen unb foldje Auflagen ju roiberlegen
außer ftanbe mar. (Srft neuere gorfchungen haben ihm ©ered)ttg=
feit oerfdjafft unb ben 3ftafef oon ihm genommen, mit bem
Sparteifeibenfchaft fein 2lnbenfen beflerft hatte.
©enriß ift ber Präger griebe für Vranbenburg unheifooll
geroorben. 9iur fjat nidjt ©ajroarfeenberg perfönlich ben 2ln=
fdjluß burdjgefefct. Vielmehr befragte ©eorg Wilhelm angeflehte
ber fofgenfdjroeren ©ntfeheibung, bie es galt, unb gemäß feiner
©eroofmfjeit bie ©tänbe. 2luch bie ©eifUidjfeit hatte fidt) gut?
ad^tlic^ $u äußern. Veibe fpradjen fid& für ben Seitritt aufi:
wenn ber allgemeine griebe nun einmal nidjt 511 fyahen fei,
mütfc man oon jroei Uebeln — Fortgang bes Krieges ober
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368 3 loeitcö * u $- er f* c $o$enjoUernfc&« ©taatägrünbung.
^artifularfrieben — bas geringere wählen. Dabei festen
Stänbe unb ©eiftlidjfeit, rote auch ber fturfürfi unb feine
üDtinifter, freilich uoraus, einmal, bajj man einen wirtlichen
unb bauerbaften grieben gewänne, bann, bafe ber Äaifer unb
Sachfen ftdj bei Schweben um ben allgemeinen grieben auch
weiterhin ernftlidj bemühen mürben. Veibes aber traf nicht
gu. Doch nid^t Schwarzenberg unb nicht ©eorg Sßilhelm,
fonbern bie hinterhältige unb eigennüfcige ijßolitif SadjfenS oer=
fd^utbete es, baß bie Verfjanblungen mit Schweben fdjeiterten,
obgleich btefes ohne jeben territorialen ©ewinn allein gegen
acht Millionen Xfyakx DQ S räumen bereit mar. Ver-
geben« mahnte ©eorg 3öilf)elm zugreifen: ber flrieg, ben
man balb beenbet gu fe^eti gehofft, bauerte fort. 9lun erft
rourbe Vranbenburgs Sage peinlid). 9?adj bem ^rager grieben
mujjte es militärifdj jum ßatfer ftehen, burfte aber bodj auch
bie biplomatifchen Vereisungen $u Schweben nidj)t abbrechen,
um wenigftens einige Schonung für bie Warfen 3U erwirfen.
Das ergab ein wiberfprudjsuolles, auf bie Dauer unmögliches
Verhältnis. 2Bie fonnte man oon ben Schweben 9tücfficht oer*
langen, roenn man burch bie SRilitärfonoention oom 6. Oh
tober 1636 bie beiben branbenburgtfehen Reiterregimenter &ur=
fadjfen jum tfampf gegen fie überliefe unb biefem bie £at>el;
unb Dberpäffe öffnete? 3Han ^atte geglaubt, Schwebens Äraft
unb Ölücf gingen ju 6nbe. Das ©egenteil trat ein, währenb
bie als Vunbesgenojfcn im Sanbe fiehenben Sachfen unb ßaifer*
liehen bem ärgften getnbe gleich Rauften. Schwer traf bes
ftegreidjen Vaner &anb bas erfchöpfte £anb. 9lud) Verlin
hatte trofc bes Äurfürften Sitten feine Schonung au erroarten,
wollte man fic nicht burch 3ugeftänbniffe erfaufen, bie ber
Äaifer als Vrud) bes Präger griebens geahnbet hätte. Da
floh ©eorg 2Bilf)elm nad) ^eifc, unb nicht einmal bie nötige
militärifche ©sforte mar baju aufzubringen!
s Jfofs tieffte empfanb er biefe Demütigung: nie r)at er
fie ben Schweben oergeffen. Jtrteg gegen Schweben mar jefet
feine Carole, gieß bas aber nicht bie öefahr ins Ungemeffene
fteigern? 9)ian hatte roeber Truppen nod) ©elb folche ^u
werben. Ungehinbert fonnte Sdjroebcn ben uernichtenben Streich
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IV. $te SBcmi^tung ber ftaatligeti Gjriftertj öranbenburg*. 369
führen. 2lud> fdjroanb fo jebe 2lusfid)t auf Bommern. $aljer
befämpften fclbft bic Näte, bie bcn Snfdblufj an bcn Sßrager
^rieben empfohlen Ratten, bic beabftdjtigte Defloration gegen
©dnoeben unb befdjworen ben ßurfürften, bei ber Neutralität
ju bleiben unb audj weiterhin nid&t als friegftif)renber £eil in
2lftton ju treten. Slnbers urteilte (Sdnoarfcenberg : oon ben
SSorausfefeungen, unter benen er bie 2lnnabme bes ^rager
griebens empfohlen f)atte, mar allerbings feine eingetroffen;
aber @eorg 2Bilf)elms Sage mar bodj nur beö^aCb fo elcnb,
weil er mefjrlos, obne eigene älrmee jwifdjen ben Parteien
ftanb, betber ättillffir preisgegeben. £as mufcte anbers werben,
©erabe in bem fritifeben Moment Ratten bie ©tänbe it)n ent^
waffnet. 3m Notfall gegen if>ren 2ßiUen mujjte man verfugen,
bie Littel $ur Rettung von Sanb unb ftnnaftie aufzubringen.
Sidj ber auswärtigen geinbe su erwefnren, beburfte es eines
2Sanbels ber inneren ^olitif. <5s galt bie (Sprengung ber
Sdjranfen, mit benen bie Sibertät ber Stänbe bie fürftlige
Autorität eingeengt unb $ur Erfüllung ifyres Berufes unfähig
gemalt batte. Damit begann audj in 33ranbenburg ber bie
ganje 3 e ^ erfüHenbe flampf jiuif^cn bem gürftentum, bas
nag abfoluter ©ewalt firebt, unb ben Stäuben, bie itjre alten
©eredjtfame bebaupten wollen. 3b" burd^ufegten mar freilig
eine 5lörperfgaft wie ber ©ebeime SRat nigt gan$ geeignet:
ba$u beburfte es eines periönligen Regiments. Sa führten
ber Äurfürft unb fein SJhmfter ben 33rug mit ben bas $er--
fommen vertretenben SRäten fglte&lig in ber rütfftgtslofeften
2Beife fjerbei. 91ag innen unb nag außen trat man in eine
3lera erbitterten Kampfes. 3Bo bie reifere politifge (Einfigt
unb bie größere ^rjatfraft lag, ift nigt swcifelbaft. 3Kag
©gwarfcenberg fig aug in ben Mitteln oergriffen baben : für
©ranbenburg mar er ber erfte bewußte Vertreter bes politifgen
^rin^ips bes abfoluten gürftentums, bem, wenn er aueb erlag,
bog bie 3 ut " u f* geborte.
©egen bas 33otum unb binter bem ftücfen ber übrigen
Nöte tbat ©eorg ®ilt)clm mit Sgroaröenberg ben erften Sgritt
offener getnbfeligfeit gegen ©gweben, inbem er im 3Rära 1636
bürg 3loofatorialmanbate allen SBranbenburgern bei fiebern
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370 3>»eiteö 93«$. crftc $o&enjollemfäe etaattgrünbung.
oerluft unb ©üterfonfiafation ben Fußtritt aus bem f$rocbifd)en
Xienft gebot. $aä braute eine SJlenge tüd&ttger Männer, bie
fia? bem Striegfilmnbroerf jugeroanbt fjatten, in fdjroere @e=
roijfenfinot, infofern fie bie SBetljättgung ifjrer religiöfen Ueber*
jeugung roeltlidien s Jtücffi<f)ten opfern ober roofu* gar gegen tyre
(Blaubens- unb SBaffengenoffen festen foUten. SStele traten
aufi bem fdjroebifdien £eere, aber nur wenige oon ifjnen tonnten
frieblidjen (Srroerb fliegen: bie meiften nahmen frembe Dienfte.
35aft 33aterlanbsgefüf)l bed märfifd)en Slbete unb bie 2lnfjäng=
lidtfett an bie Dnnaftie mürben baburdj roafjrlid) niä)t geftärft.
3ugleia) aber begann Sdiroarfcenberg bie Söefjrfjaftmadjung beft
Sanbeö: eine berittene £eibcompagnie rourbe errietet $um per;
fönlid&en Sdjufe beö flurfürften foroie jum Stafetten^ unb
«PatrouMenbienft. 216er als er oom Sanbtag bie Littel jur
©ejdmffung eine« felbtüd)tigen leeres oerlangte, oermeigerte
biefer foroofil ben Unterhalt für bie Seibcompagnie roie bie
9lufftcHung oon 300 Dragonern. s Jtod) immer fafjen bie ©täube
nidjt ein, bafc ofme Selbftfnlfe bie ©riftenj S3ranbenburgö auf
bem ©piel ftanb. Bo lange bie 6dnoeben fiel) jumeift gegen
Saufen roanbten, mar bie £age militärifd) noef) leiblid). $o-
fitifä) aber mürbe fie gerabeju oer$roeifelt, alä Saufen bei ben
burd) Dänemarf oermittelten neuen 93erf)anbtungen ©eorg
3ßill>elm riet, 6cf)roeben bie Seefüfte, alfo Bommern anju=
bieten. £aö alfo mar ber £of)n für ben beitritt 311m ^rager
^rieben ! ©eorg Söilfjelm mar aufjer fid) über foldje SPerftbie.
Der $erfud) su birefter 5Berftänbigung mit ©dnoeben mar jefct
uollenba ausfid)töloa. s Jiur immer engerer 2lnfd)luf3 an ben
tfaifer liefe noef) fioffen: fo flimmte ©eorg ^Öilf;clm ber 2öal)(
gerbinanbs III. jum römifajen ÄÖnig $u. gür ben Slugenblicf
bot ftdj (ein anberer 3luömeg. £)od) mar ©djroarfeenberg ftlbft
meit baoou entfernt, auf bie Dauer baß &eil oon bem flatfer
ju erroarten. @r roufcte, bafe in ber ^olitif jebe Seiftung if>re
©egenletftung forbert unb roer felbft nidjtß gu gemäßen f>at,
aud) oon anberen nid)ts geroäljrt erhält. 2lud> bem flaifer
gegenüber mufetc SBranbenburg, roollte es geachtet roerben, etroaft
bebeuten, alfo militänfef) leiftungßfäf)ig fein. 3n biefem ®e*
banfen rourjelte feine ^olitif: er roollte öranbenburg mein:*
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IV. $ie 9Serm$tung ber ftoattic^cn eriftenj «ranbcnburßö. 371
fäfjig madjcn, bamit es mdf)t länger bic Seilte ber geinbe unb
ber ©pietball ber greunbe fei, fonbern fein Red)t gegen beibe
»ertreten fönne.
<5djon im ©erbft 1635 Ijatte er oerfud)t, neben ben als
geftungsbefafcung bienenben sroei altbranbenburgifdjen Regi^
inentern eine flcinc gelbarmee fdjaffen, roirfte audj bie
nad> bem Präger Jrieben nötige ©rlaubnis bcfi ftaifers baju
au« unb [teilte bis jum grübjafjr 1636 jum ßntfefcen ber
©tänbe fünf neue Regimenter auf. 2)a$u tarn bic Seift*
compagnie unter Oberfl ©olbacfer. 2lüe bieje Gruppen Ratten
bem flurfürjten gefdjrooren, unb wenn biefer ftdr) faifcrlict)cr
©eneralifftmus nannte, fo braute bas nur bie 1635 erneute
ausjdjlieglidje TOiIitärf)of>cit bes flaifers 3um Slusbnicf. $as
mar bie erfte branbenburgifdje Slrmee, oon Sd&roarfeenberg
gefä^affen unter lauten ^roteften ber ©tänbe, welche bie
SHittel Ijartnäcfig weigerten. 3^rem Sdjöpfer trug fie ben
Ruf eines rücfftdjtslofen 2tbfotutiftcn ein, ber fein 33ilb bei
ber Rad&roelt befHmmte. 2ßie aber f)ätte er audj nur bie 3Wög=
lid)feit gur Rettung 99ranbenburgs anbers genrinnen follen?
Ofjne Rot mürbe er bie fdjon fo fajroierige Sage bura) einen
erbitterten innerpolitijcfjen ßampf nicr)t notf) erfdjroert fjaben.
$afj bie ftänbifdje Sibertät, bie in öranbenburg blühte, mit
magrem fürftliä^en Regiment unvereinbar fei, rjatte er längft
erfannt: auf feinen Rat t)attc ©eorg Söiüjelm beim Regierung«;
antritt bie Sejtätigimg ber ftänbifdjen ^rioilegien oerroeigert.
3efct rourbe bie namentltd) militärifdjen 3roeden bienenbe ßontri=
bution ofme ftänbifdje SDiitroirfung burd& lanbe3f)errlid)e Äom=
miffare auflgefdfnrieben, einge^oben unb oerraenbet. £as bc-
feitigte audf> ben ©influfj ber ©tänbe auf bic auswärtige Vßolu
tif. Ratürlid) fonnte bie Oppofition bie Sage bes Sanbes nidjt
troftloö genug fd)ilbern: es fei ruiniert unb ju jeber Seiftung
unfähig. H#a$ baran mar, bewies, bafj biefelben Seilte nodj
1640 erflärten, oor fe<f)S 3af>ren, bas iji atfo 1635—1636,
fmbe bas Sanb ftd) monier befunben roie feit ad)tjig 3af>ren!
Uber naa) bem Siege 33aners über ttaiferltdfje unb Saufen bei
SBittflocf September 1636) oerfdtfimmerte fia) bie Sage.
5ßieber rourbe bas Sanb oon ben Schweben überflutet, mar
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372 3n>ette$ Siu^. Xk erfte IjofjenjoUernfdje Staatägrünbung.
Berlin in ®efaf)r, mufcte Öeorg 2Bilf}elm, bcn Vaner »ergebe
ltc& 3 um 2lbfall oom Äaifer ju brängen fuc^tc, nad) $eife ent=
weisen. Unb nun foütc aud) ^reufeen wteber Äriegsfcfmuplafc
werben! $urd) einen Angriff auf bie Oftfeeprooinzen wollte
ber ßatfer bie Schweben zum Säbjug aus fceutfdjlanb nötigen.
Sia^u foEte ein §ecr in Greußen aufgehellt werben : bie gan&e
SBut bes fdjmebtfd&en 2lngriffa wäre fo auf »ranbenburg ge*
jogen worben. Xtfyalb fdfjfugen (#eorg SBilbelm unb ©dfnuarfcens
berg oor, mit faiferlidjem GJelbe in ber s JJlarf ein &eer zu
fammeln unb Bommern anzugreifen: benn am 10. 2Härz 1637
mar Vogislaw XIV. geftorben. ©eorg SBilfjelm, ber nod) im
Januar burd) Mrnim in Bresben &ilfe gegen Vaner geforbert
unb für ben gatt ityrer Verweigerung einen ©tiHftanb mit
©djweben ju fdjliefien gebrof)t Jjatte, meinte jefct zugleid) $om=
mern gewinnen unb enblid) ben grieben berbeifüljren gu tonnen.
58erfta)crte il)n bod) ber &aifer, er fofle in Bommern nidjtfi
verlieren. 9lud) Schweben beftritt fein ßrbredjt ntdjjt, wollte
aber bas £anb ntdf)t cor geleifteter ©atisfaftion räumen, be-
willigte jeboeb ben ©tänben ein 2lbfommen, wonach bie ^erjog=
lidfjen SRätc bie Verwaltung junädjjft rubig weiter führten,
©tänbifdje (Befanbte ttbattn vom tfurfürften 2lnerfennung biefeft
Vergleichs: er würbe entrüftet uerworfen unb ein förmlidies
Vefifccrgreifungspatent publiziert, baß ein &erolb nadj $om=
mern braute, um bamit bie äbelfte 2lufnafmtc au finben. Ärieg
gegen ©dnueben zur Eroberung Bommerns mar bie Sofung für
Weorg 2Bi(f)elm, unb faiferlid&erfeits ge(d>ab natürlich alles,
um ir)n barin 3U beftärfen. ©0 würbe in ber zweiten fcälfte
bes 3abreö 1637 in ben Warfen bie Werbetrommel gerührt.
3)ie ßeitung übernabm ber aus fäcbftfcbem Eienft übergetretene
(Generalleutnant tflifeing. %m $\m\ 1638 mufterte ber #ur*
fürft bei 9teuftabt ; ©berswalbe 8000 9)lann zu guft unb
3000 Leiter, bie Vranbenburgs polittfdje (Geltung wobl beben
fonnten. ©ie würben fowobl für ben flaifer wie für ben tfur=
fürften in Gib unb ^flicbt genommen, insbefonbere um bem
lederen „bas redjtmä&ige @rbe Bommern zu erfämpfen". S3alb
aber fehlte Weib, bie Verpflegung reifte nidjt aus, Untere
fd)lcife unb (Gaunereien aller 9lrt erfdjöpften bie oorbanbenen
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IV. $ie 38erni(f)tung ber ftaatli^cn ©riflenj «ranbenburflo. 373
fnappen Littel. ©djarenroeife gingen bie ©olbatcn auf unb
baoon : bolb war bic 3lrmee auäeinanbergelaufen. 93om Angriff
auf Bommern roar nicht mehr bie SRebe.
£a riefen briugenbe Angelegenheiten ben Jlurfürften nach
Greußen. $ie bisherige ftaatliche Drbnung lofte ftd) ooflenb«
auf. SBon ben SHitgliebern bes ©ehetmen 9iatö hatten bic einen
©djroarfeenberg weichen muffen; anbere, rote ber flanier oon
(Böfcen, jogen fich jurüd, weil biefe ^olitif ju unterftüfeeu
gegen ihr ©eroiffen roar. einige ©teilen roaren bura) ben
2ob erlebigt unb blieben unbefefct. £ie oon 3oadnm griebrid)
als 3 en ^wm ber Sanbefiregterung gefchaffene 23ehörbe hörte
auf gu erjftieren : an ihre ©teile trat eine 9lrt oon militärifdjer
2lusnaf)meregierung. 211$ ^Präjtbent bes ßriegftratö mit ber
Leitung befi gefamtentfriegömerfft betraut, oereimgte Sdjwarfcen;
berg hinfort in fidj bie paffte mititärifdje unb bie paffte bürgere
lidje ©eroalt: er übte eigentlich eine 9)Jilitärbiftatur. $er
9lnfturm feiner ©egner blieb erfolglos. Unerfchütterlid) hielt
©eorg 2ßilf)elm an ihm feft, ermutigte iljn burch immer er-
neute Seroetfe feines Vertrauend unb ftärfte ir)n jum Ausharren
auf feinem fdmrierigen Soften. @r mochte bebauem, nicht
längft ben oon bem ©rafen empfohlenen äöeg gegangen 311
fein. 2ßie er Schwarzenberg fein ganzes 2)afein an bie 2lb=
roeljr ber auswärtigen unb bie 99eroältigung ber inneren geinbc
fefeen faf), richtete fidfi fein ©elbfigefühl wieber auf, gewann
er neuen ©lauben an fein Recht unb feine 3ubnift.
£)ie 1637 — 1038 jufammengebrachte Armee roar, beoor
fie etroas geleiftet, roieber aufgelöst: fie hatte bem Sanbe nur
neue Rot gebraut. £>as fdjien benen SRed^t $u geben, bie eine
Lüftung befämpft unb unbewaffnete Neutralität oerlangt hatten,
©o mußte man bie geforberte Rebuftion roenigftens in einem
Seil eintreten laffen. Aber fieben Regimenter ju gufe unb
breijehn Kompagnien &u ^ferbe erflärte ©chroarfcenberg im
Sienft behalten $u muffen, um Sanb unb Seute gu fchüfeen.
2)ie ©tänbe roeigerten jebc ©eroitligung baju, obgleich er in
einbringlichen Söorten bas ©dncffal oorausfagte, bas bie Warfen
bei anbauernber SBehrlofigfeit treffen rotirbe. Anbererfeits
ftiegen bie Anforberungen ber flaijerlichen. ©chon oerlangte
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374 3 roe ** eä Sbud). 2>ie crfte IfoQenjoUernfdje Staotägrünbung.
®aUaS bie Aufnahme einer Sefafoung in bie öauptftabt.
(Schwarzenberg lehnte fie ab : er wußte, baß ein fold^er (Schritt
einen allgemeinen Ausbruch herbeiführen würbe. Den ftaifer=
liehen wie ben eigenen Untertanen $u jeigen, baß man nicht
wehrlos fei, baß man mit ber oon ifjm gefdjaffenen Armee,
fo unfertig jte mar, $u rennen fyabt, warf er fid^ feef ben
©darneben entgegen unb behauptete wentgjtens einen Seit bes
ßanbes. Älein genug mar berfelbe freilich : nur noch brei oon
ben märfifchen geftungen blieben in feiner &anb — Äüjtrin,
©panbau unb $eifc, bie anberen roaren in ber (Bemalt teils
ber Schweben, teils ber tfaiferliehen. Unb auch baju beburfte
es rücffichtslofer Aufbietung ber testen Littel bes erschöpften
Sanbes, bas bie (Schmeben burch planmäßiges Ausrauben fampfc
unfähig 51t machen fuchten. ©in 33ilb grauenhafter 93ermüftung
unb unbefchreib liehen Jammers tritt uns au« ben Berichten
ber ^eitgenoffen entgegen. Alle golgen bes Krieges, ber Unter*
gang oon &anbel unb ©ewerbe, oon Acferbau unb $ieh$ucht,
5Rot unb ©lenb aller Art, moralische SBerfommenheit unb
Hungersnot bis 311m £eichenfraß — alles ift bamals über bie
unglüefliche Wlaxl hereingebrochen. 33er$weifelnb jammerte bie
Stonbbeoölferung nach grieben. ftonnte Schwarzenberg ihn
fdjaffen? Ueberjeugt oon ber politischen 9iotwenbigfeit bes Aus=
harrens, blieb er unbeugfam, unb je weniger er fich auf bie
33eoölferung oerlaffen fonnte, je mehr er fie in leibenfchaft=
Itcher Opposition mußte, um fo eiferner griff er burch, um fo
unbarmherziger erftiefte er jeben SBiberftanb. 60 fam er bahin,
bas fianb eigentlich nach ftrtegsrecht ju regieren.
Unb hier liegt feine (Schulb: er that mehr, als jur @r*
reichung bes erftrebten 3iels, fo weit es berechtigt war, ju
thun nötig mar, unb beschleunigte fo ben Zusammenbruch, ben
er abroenben wollte. 2Benn er nicht bloß ben Eintritt in
jdjwebifche Dienfte, fonbern bereits jebe SBerhanblung mit ben
Schweben jur Erleichterung ber oon ihnen ausgetriebenen
Lieferungen als föodioerrat afmben wollte unb einen Vertrag
über bie Auswedjfelung ber (befangenen wiberriet, weil man
bann ja bie nicht beftrafen fönnte, bie trofe ber Aoofatorial-
manoate in fehwebifchem Dienft blieben, fo mußte er freilich
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IV. $ie 3krmc6,tung ber ftaailid&en e?tften3 Sranbenburgs. 375
erbitterten &afj erroeefen, her ftd) aueb gegen feine ©erzeuge,
Offiziere unb Solbaten, richtete. 93on ben auf ben ^rager
grieben gefegten Hoffnungen roar feine erfüllt: man oerroünfä)te
Üni alö bie Duelle namenlofen (Slenbfi. Scblimmcr als ebe*
mala bie Sd)roeben Rauften ftaiferlidfje unb Sadjfen im Sanbe,
unb bie eigene 2lrmee eriftierte nur bur<b bauernbe $ergeroalti;
gung ber ftänbifajen SRedjte. Unb roo$u baö alles? 2Ba$ roar
ber ^ßreiö, ben $u gewinnen fötale Opfer gebraut mürben?
SBeber ber eoangelifd&e Glaube 110$ eins oon ben oitaleu ^n-
terefien oon Sanb unb 5ßolf ftanb auf bem Spiele, fonbern
nur bie SUiroartföajt auf Bommern, bie bem SBolfe gleia>
gültig roar. Ser gemeine 3Jiann begriff niebt, roes^alb er ftd^
barum aüea nehmen, fxdt> mifebanbeln unb fdjliefelid) totfd^ragen
[äffen foflte oon Seuten, bie ibm angeblidj ju Reifen gefommen
roaren.
2Öar eö ba ju oerrounbern, bafj bie Seoölferung ber üDJarf
©rlöfung oon biefem 3o<be erfebnte? £afj in bem 2ftafje, roie
ibr &a& gegen Sajroarfeenberg roud)ö, it)re immer nur geringe
2lnl)änglid)feit an bie Ennaftte babinfajroanb? Styxt Sumpatbien
roanbten fid& ben Scbroeben $u: fie beroiefl fic i^nen bureb bie
Sfmt, leiftete il)nen SBorfcbub, fua)te fta) mit il;nen $u uer*
ftänbigen unb entzog fieb ber ©eroalt Sd&roarfcenbergä mög*
lidjtft. Seibenfcbaftlicbe Scbmäbfdjriften erfdbienen gegen biefen
unb feine ©efulfen : er füllte bie oerbafjte fpanifaje ^ienftbar;
feit einführen, auf ben Krümmern ber ftänbifajen Sibertät
ein abfolutes tnrannifa}es Regiment aufrichten rooHen. ©einer
Oberfien unb Dfftjiere ^Batten fonnte freilia) foleben ^erbaebt
erroeefen. 9iur einer madfjte eine 2lu$nabme, ßonrab oon S3urg«=
borf, ber, aroar auet) niebt unberübrt oon bem oerroilberten
Solbatenleben, fidb boeb menfcbenfreunblicben Sinn beroabrt
batte unb bie ßeiben bes ^Bürgers unb befi Sauern $u er=
leidbtern trad&tctc. darüber geriet er in ßonflift mit Scbroarfcen=
berg: ein bitterer Sdnuftroecbfel rourbe jroifcbcn Urnen geführt.
@d ift alö ob ber allgewaltige Äriegfioberft geabnt bätte, bafj
biefer berbe Solbat einft fein gefäbrlidjfter unb glücfliajer hieben*
bubler werben follte.
©ie lange fonnte biefer 3 u ft anD nodj roäbren? ®ie Littel
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376 3roeiteö $ud>. Sie crfte f>ol)cn$oaernf$e etaatägrünbung.
bes SanbeS maren erfdjöpft, alle ftaatliche Orbnung mar aufs
gelöft, bic fleinc 2lrmee fajroanb bafn'n. Sranbenburg bebeutete
militärifch unb baljer auch politifd^ nichts mein*. $amit fiel
für ben Äaifer jeber ©runb fort, mit ü)m als einem gaftor
auch nur in ber beutfehen ^olitif $u rennen. 9fe spreis enb=
liehen griebens bot er Schieben Bommern. ©ben bas alfo
foQte gefdfjehen, was abjuroenben Sdjroar&enberg es auf ben
ftuin bes Sanbefi tjatte anfommen laffen! $afj bes ftatfera
©ntjchlufe nid^t mehr ju änbern fei, mußte @eorg 2Silhelm
balb einfehen. SBenigftens einen Seil Bommerns fud)tc er ju
retten: Vorpommern unb Stögen tonne Schweben augeboten
roerben, wenn man ilm burch 5Wagbeburg unb fcalberftobt ent=
fd&äbige. 2lber auch baju roar feine 9lusftcht. 60 oerftel er
auf einen gerabeju oer^roeifetten Slusioeg, bei bem er felbft
Sßreu&en aufs Spiel fefcte. 3Jua) bort f)errfd)te greuliche Vers
roirrung. £)er Verfuch, burch eine neu errichtete 2lmtäfammer
in bie $omänenoerroaltung Orbnung $u bringen unb bie ginanjen
3U befiern, ftiefe auf erbitterte Oppofition ber Stänbe, bie fidt}
and) ferner aus öffentlichen Mitteln bequem bereichern wollten.
2Bie weit bie fieibenfehaft fidt> ba err)i^te, jeigt ein Sttorbanfatt
auf ben mit jener Reform beauftragten Stmtsrat 3oadfnm
Schulje, bem fein au &tlfe eilenber Sohn jum Opfer fiel
(3uli 1639). Unb ber aRörber, ber Äanjlift <5loer, nahm beim
flurfürften eine Vertrauenäftellung ein : hinter bem SRficfen ber
übrigen SRäte oermittelte er ben Verfehr mit Schwarzenberg
unb mar 3Ritwtffer bes r)ödt)ft bebenflichen Unternehmens, ju
bem ber rat= unb ^>itf lofe Äurfürft [ich bamals oerirrte, inbem
er ben ehemaligen Oberft Vothe in ^Preufjen einen £eerhaufen
fammeln unb mit biefem einen Einfall in Siolanb machen
lieg. 3um ©lücf mifjlang er oöllig unb würbe beshalb oon
Schweben nicht ernft genommen: gefchah bas unb mürbe bie
SJiitwifienfchaft bes flurfürften erroiefen, fo teilte Greußen bas
Schicffal ber Warfen unb ging ben 2ßeg Bommerns.
(Srbrücfenb taftete aß bies Glcnb auf ©eorg Wilhelm.
Qaw tarn hoffnungölofeö Siechtum. s JWit feiner körperlichen
Straft, feinem geiftigen Vermögen, ben Mitteln feiner Sänber
mar er ju (Snbe. 9Bie ein ßrtrinfenber rang er, unb boch fanf
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IV. Xk 33ermd)tung ber ftaatlidjen giften} SJranbenburgö. 377
er unb mit ihm fein £aus immer tiefer. $aju bie troftlofe
93ereinfamung ! SBon ben beroährten SHäten feiner erften ^af)tc
mar einer nach bem anberen jurfidgetreten ober $urücfgebrängt.
$on bem einigen ©ohne trennte tlm feinblidjes Mißtrauen
unb beraubte ihn ber nädjften unb natürlichen Unterftüfcung.
©eine ©emahlin, beren SJtutter, bie anberen ©amen feines
Kaufes matten fein &ebl aus bem Unroillen über fein (Softem
unb ruhten nicht in ber geinbfdjaft gegen beffen Urheber, tiefer
aber, ber 9Mann (eines Vertrauens, mar ihm fern unb rieb
fid) in einem Kampf auf, befjen ©djauplafc, fein ©tammlanb,
jur SBüftenei mürbe. Unb bodj leuchtete bort ein erfter ^off-
nungsfd)immer auf! ©0 befdjeiben bie militärifd)en (Srfolge
©chroarfoenbergs roaren, er hatte bodj foldje auf$umeifen. SBenn
menigftens ein Xetl bes SanbeS feiner felbft fierr blieb, fo
banfte man bas ihm unb bem fleinen, allmählich ju größerer
öraudjbarfeit organifterten &eere, bas er trofc aller ftänbifdjen
^rotefte beifammen hielt, freilich nur bura) furchtbaren 3roang.
$enn bie Struppen mufcten leben, unb ba man Urnen nichts
gab, nahmen fic bas Nötige, roo fie es fanben. $as h«t auf
bie märfifdjen ©tänbe bodj ©inbruef gemalt. SIE bas Unheil,
bas ©dawart} enberg ihnen oorher oerfünbigt hatte, mar ein*
getroffen, ©ie begriffen, bag bie rechtzeitige ©rfüüung ber
furfürftltajen gorberungen fie roeniger Opfer gefojiet fyabtn
mürbe, ©ie lenften ein: fie erboten fid> $u 93erf)anblungen
bartiber, mie ohne Kürzung bes für bie Slrmee (Srforberlichen
boch ber ®rucf gelinbert roerben fönnte, ben bie bisher not;
gebrungen geübte SBiüfür bem Sanbe auferlegt hatte. ©chmarfeem
berg mar bem 3iel nahe unb burfte hoffen, fein ©«ftem am
ertannt unb Durchgeführt ju fehen.
®a ftarb ju Königsberg am 1. ©ejember 1640 ©eorg
SBilljelm: bie eben bem ©rliegen nahen unb sur Kapitulation
geneigten (Gegner ©chroarfcenbergs hatten plöfclich mit cincmmal
gemonnenes ©piel.
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Brittos Butfj.
Mt Bettung trer JBubunft
1640-1655.
I. Bie ßäntufrirc Beakftrm unb bie Jlnfängc
Jmtiritf; JtöHlfjelms. lftiO-1643.
IDaa bie Wengern in »ranbenburg
fnmbertcn gewonnen Ratten, mar fo gut wie oernidjtet, als
©eorg SBilfjelm in ber gerne feinem Siedjtum erlog: eben
Ratten fic3t> bie (demente eines branbenburgifdMpreufiifdjen
Staates 3ufammenfd)liefeen fotten, als fic auäeinanbergefprengt
unb jerftüdelt rourben. 2lber roeber ber Slurfürft, ber freilidfo
aucf> jefet nod), roo bas Urteil über tfm fict) ctn>aä günftiger
gestaltet f)at, bie unfürftlidrfte (Srfdietnung unter ben &of>en=
joQern bleibt, nod) bie Sßolitif SdjroarfeenbergS ift baffir allein
üerantiüortlia). $as $erf)ängnis Iwtte begonnen, als bie bran=
benburgtfdje ^olitif bie Salinen oerließ, in bie ^oadjim ftriebrid)
unb 3o^«n ©tgismunb fic geleitet Ratten, inbetn fic mit ber
politifdjen ©rftarrung bes 2utf)ertums brauen unb fidj bem
©alotnismus juroanbten, beffen ©efenner in i^rem ©lauben
bie ©runblage audj ifjres ftaatlia^cn $afeins fanben. ©eorg
Sßilfjelm l)atte gemeint reformiert fein $u fönnen, ofyne bie poli=
tifdjen Äonfequenjcn baraus ju jiefjen. 2)as oerfdmlbete feine
fdt)tDädt)(idt)e unb fdjroanfenbe Haltung $u einer 3eit, nio nur
entfdjloffene ^arteinafjme unb tapferes Se^arrcn ßrfolg t>er*
gießen, unb ftürjtc feinen Staat in ein Sirrfal innerer unb
äu&erer ©ebrängnis, in bem er roie ein fteuerlofes ©djtf? oon
ben empörten 2Bogen f)in unb fier geroorfen rourbe.
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I. Die ftctnbtfc§e tteaftion.
379
93o(fStümlidj berb urteilte in ben Sagen, bo es mit ©eorg
SBityelm Gnbe ging, (Samuel oon 2Btnterfelb in einem oer^
traultdjen Schreiben an Sigismunb oon Göfeen über bie £age:
,/JJommern ift bafjin, 3ülia) ift bafun, ^reufjen baben mir wie
einen 2lal beim Sa)wan$, unb bie SKarfen wollen mir aud)
oermarquetentieren." „2ßerben wir/' fragt er, „nidjt enbli$
einen fierrn oljne Sanb befommen?" @r weift l)in auf bie 2Irt,
wie ber „$err s lReijter" ber öelbnot ber (Stänbe unb bes
flurfürften aus feinen eigenen Mitteln gu &ilfe fomme, babei
aber ein altmärfifdjes 3lmt nad) bem anberen an jid) bringe:
er gebenfe „mit ber 9Utmarf gar burd^ugeljen", meint er.
Um feinen $reis bürfen bie Stänbe fid) auf biefen föanbel
einlafjen. 9todj bem £f)ronroea)fel, fo erwartet er, „werbe bas
abfolute 3mp*riuin in etwas regulieret" unb Gbfccn an ben
£of entboten werben, „wo bas grauenjimmer niajt ju furajt=
fam baju ift". ©cbwarfcenbergs ©egner erwarteten alfo ben
©turj feines ©ofterns: bie ©efjeimeräte unb bie ©tänbe
jaljen ifjre 3*it gefommen. 2lber obgletd) Tie bes Äurprinjen
©roll gegen ben ßerrn SHeifter rannten unb meinten, wenn
man irjm jene finanziellen Umtriebe in ber 2lltmarf ^inter=
bringe, „bürfte es wotjl fdjeele Slugen geben", fo erwarteten
fie bod) nidjt oon it)m ben cntfdjeibenben 2lnftojj : auf bie alten
Gegnerinnen ©djwar&enbergs, bie Äurfürftin (slifabett) Gr)ar=
lotte unb irjre SHutter Suife Juliane festen fie ir)re Hoffnung.
Vertrauen $u bem N Jiaa)f olger unb eine rjityere Meinung oon
feinen gäfugfeiten Ratten fie nid)t. £rat man bem. erben
Georg 2Mr)elms bamit ju nafje? SBie feine 3ugenb oerlaufen
war unb wie er ftdjj unter bem 2)rud ber legten 3at)re ge=
geben tjatte, burfte man ficr) oon it)m faum befonberer Singe
oerfet)en.
Sroftlofer t)at fein &ot)enjoHer feine 3«aenb oerbradjt,
ate ber ©rünber bes preußifdjen Staates, Sffiüftes Särmen auf=
fähiger Untertanen, milbc tfriegsfd)reden, unftirftlidje 9Jot,
fdniöbe ©elbftfuajt übermütiger Höflinge unb erbitterter 3a=
milientjaber — bas trübe (5cr)o ber bie Seit jcrreiBenben reli;
giöfen unb oolitifdjen kämpfe — : bas waren bie erften (Sin=
brütfe, bie auf bas tfinb einftürmten. Unb faft fernerer nodj
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Srttteo «u($. £ie «ettunfl ber 3ufunft.
waren feine JjünglingSjabre : ifjnen entflammt bie trübe, forgem
uoDe, 311 reponiertem Bulben geneigte $5enfroeife, ber fdjroer=
mötig fataliftifdjie §aud), ber im ©egenfafc &u ber fpäter burdj=
brecfyenben refoluten Sfjatfraft bes ©rofcen ßurfürften Slnfänge
mit einem faft metand^olifa^en 3roielicf)t umbämmert. 2(uc§ ift
er biefes 3»9 CÖ ™ e 9 ön 3 & err ßeworben : er mar if>m tief auf?
unb eingeprägt burd) eine Sugenb, in ber ftete Bebrofjung,
quälenbe Beargn>5f)nung, oerfefcenbe 3urücffefcung unb infolge
baoon menfdjenfdjeue Bereinfamung fein ©emüt $u oerbüftern,
feinen ©tauben an bie 9Jienfdjen ju untergraben unb fein 33er=
trauen $u fidr) felbft ju erftiefen brotjten. Siefe pfnd&ologifdjen
Momente müften aud) bei ber Beurteilung feines politifdjen
ftanbelns berücffid)tigt werben : fte erft madjen feine müfjfamen
unb forgenooHen Anfänge red)t oerftänblidj, bas fdjeue Xaften,
bas jiDcifelnbc Borgeljen, bas ängftlidje 9ied)nen mit entgegen?
gefegten s Dföglidtfeiten. 6ie erflären, wie ber faft roiber (£r=
warten geroonnene erfolg ifjn mit ber Borftellung erfüllte, bafe
bie ©nabe ©ottes in befonberem 9Wafje mit if)m fei, bafe er,
bura> fold)e &etmfud)ung gtücflicfc f)inburd>gegangen, alle ßeit
bes gleiten f)immlifd)en Sdjufees geroife fei unb als ein &u
©rofjem berufenes Stüfaeug ©ottes feinen geinben nid)t er=
liegen fönne. &ier entfprang aud) ber ©taube an ben Beruf
feines «Staates : mit ifjm tjat er feine Untertanen erfüllt unb
ifjn fo ju einem widrigen moralifdjen gaftor gemadjt in ber
Bilbung erft unb bann in ber (Sntroicfelung befi preujjjifdjen
Bolfs.
21 m 6. gebruar 1620 ju tfölln an ber Spree geboren,
würbe fd)on ber (Säugling r-on ben ©türmen ber Seit berührt :
feine £aufe oerjögerte fid), weil ber Bater fern in ^reufeen
mar, mein* nod), weil bie Littel 511 ben üblichen geftlidjfeiten
fehlten unb ber ßrieg bie 2luswat)l ber fürftlidjen ?aten er=
fcr)rocrtc. s Jiod) lag er ungetauft, als im 3\mi 1620 bie Ber-
liner ftd) gegen ben SDurdjmarfd) ber (Snglänber lärmenb er?
l>oben (©. 328): ifjr müftes trommeln unb Stießen beun=
ruftigte bas Äinb unb oeranlafjte Befdjwerben feiner SÄutter
unb ©rofjmutter. (Snblid) am 30. 3uli (9. 3luguft) empfing
er bie Saufe: bie $aten waren ausfailiefelia) Samen bes
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r. 25tc ftänbitye fleattion.
381
furfürftlidjen Kaufes. 2luch erflärten Slbel unb Stäbte fein
anberes ^atengefdjenf barbringen 31t fönnen, als bic fchulöigc
Xreue gegen ben fünftigen SanbeSherrn. &at feine ©rofemutter
oäterlicherfeitS, 2lnna oon ^reufeen, auch feine erfte 3ugenb
behütet, (Smpfänglichfeit für ihr ftrenges Suthertum f)at ftc
mdjt in ihm ertoeeft. gönf 3afjre alt, erhielt ber ^tinj ben
ehemaligen ©rjie^er feines Vaters, .Johann oon ber 93ord), als
©ouoerneur; ihn erfefcte fpäter 3oh<*nn griebridj oon ftattfjum,
genannt oon fieudjtmar, ein eifriger ^Reformierter. ®en fteben=
jährigen fturpringen barg man oor ben ftreifenben Äaifer liehen
erft in ber SBalbeinfamfeit bes Qagbfdbtoffcö Sehlingen, bann
hinter ben dauern ftüftrins. Seinen Unterricht leitete ber
Sßräjeptor ^afob Mütter: er befchränfte fia) auf bas, roas
^ringen Damals gu lernen pflegten, nur ba§ $u ben ©prägen
bie polnifdje fjin$ufam. Xen größten SRaum nahm ber <Re£igions=
Unterricht ein. Mfonntäglich fam einer oon ben granffurter
2:^eo(ogieprofefforen nach ftüftrin, um oor bem ^Srinjen ju pre=
bigen, unb alle Vierteljahr überzeugte fidt) ber ©ofprebiger
2lgricola burd& eine Prüfung oon feinen gortfehritten. 2Us
„Sumbol", als biblifchen SBahlfpruch, ben er nach ber Sitte
feines Kaufes 311 mahlen fyaüt, nahm er bas SBort: Notam
fac mihi viam tuam, qua ambulaturus sum. — „&err, thue
mir funb ben SBeg, barauf ich toanbeln foü" («Pfalm 143, 8).
IHudf) feine förperliche Schulung rourbe nicht oernachläffigt : feit
1629 nahm er gelegentlich an 3agben teil, erft bie befferen
Xage, bie bem 2lnfd)lufi an ©uftao Slbolf folgten, brachten
ben ftnaben mit ber 3citgefd^idr>tc in Berührung, 1631 burdj
einen Vefuch in SBolgaft bei feiner Tante s 3Jtaric Eleonore,
ber ®attin bes Schioebenfönigs, unb bann 311 Stettin bei
§erjog 33ogislato XIV., bem er einft in Bommern 311 folgen
hoffte. Unb toas mag in ihm vorgegangen fein, als er im
3uni 1633 mit bem Vater in 2öolga[t ber (Sinfcfiiffung ber
irbifchen SRcfte ©uftao Slbolfs nach Schweben beiroof>nte ! 9todj
furgem Aufenthalt in .Uüftriu meilte er bann nochmals längere
3eit in Stettin.
@in $ahr fpäter 50g er mit Johann griebrich oon Seuchtmar
unb feinem greunbe 5Berner oon Sdmlenburg nach ben lieber;
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Drittes 8ud>. 2>ie Rettung ber 3ufunft.
lanben, nidjt blofj feiner iöilbung wegen, fonbern um ben ©e:
fahren beß Krieges entrüdt ju roerben. Ob biefer 2lufentl)alt
oon fo großem ©influfe geroefen, roie man gemeinhin annimmt,
fa;eint bocr) sroeifel^aft. konnte benn ber oier^n* bis fünf-
jef)njäl)rige ^Brinj, ber ju Seiben furje 3eit flafftfdje ©tubien
trieb unb ftd) mit ber ©eftt)ia;te ber einft oon if)m regieren;
ben Sanbe befannt madjte, eine flare Slnfdjauung ober audj
nur ein lebhaftes ©eftif)l fjaben oon bem ©egenfafc jroifajen
ben bort fortlebenben großen £rabittonen politifdier unb firdj=
lieber greibeit unb ber Haltung beö eigenen 33aterö? 2fadj
oon ber toirtfdjaftlidjen SBUUc ber SRepublif roirb er nidjt oiel
gefeben fjaben. $)enn balb mufjte er oor ber ^Seft aus Seiben
roeicfjen unb roeiltc erft in Svenen, bann in 2lrnf)eim unb
fdjltefelidj in SDorentocrt. 2lus bem ftaag foU er 1637 baoom
geeilt fein, um fidj ben Socfungen be§ üppigen Sebenö ju ent*
$ief>en, in baö man it)n oerftriden toollte. 3m Sager oor Sreba
geioann er bie 3ld)tung £einrid) griebrid)& oon Dramen. ©rft
nadj bem Sali ber «Stabt (7. Oftober 1637) febrte er nad> bem
&aag jurücf. $en größten ©eroinn madjte er in ben 9Jieber=
lanben raobl aus bem perfönHcrjeu $erfebr mit (£fifabetb oon
©nglanb, ber Sßitioe beä unglüdlidjen griebrid) oon ber ^falj,
bie in Ebenen lebte, mit ben Craniern griebridj iQcinridj,
feinem ipäteren 3d)toiegeroater, unb .fteinrtd) unb 9Jiorife oon
9taffau unb ben anberen Seiteru ber nieberlänbtfdjen SRepublif.
9JUt ifirenSlugen lernte er bie polittfdje Sage fefjen. ®aö braute
ifm in einen freilid) nod) unauögefproa^enen ©egenfafc 311 beä
SBaterö ^olitif, für bie er mit biefem Greife beffen SRinifler
oerantro ort lieb machte. 3iod) blieb beiber SBerfjältntS äugerltd)
ungetrübt : aber ©djioarfcenberg rjatte bod) über $crbädjtigungen
$u flagen, burd) bie man ben tfurprinjen gegen ifm eins
äunefmten traute. griebrid) 2Bilf)elm legte ibnen jtoar fein
®eroid)t bei, überrafd)te aber feine Umgebung bodj burd)
bie ©elbftänbigfeit, bie er beanfprudjte, unb baß Söibers
ftreben, baö er bi^tjer ruln'g gebulbetem ©influfe entgegen-
fefcte. Dieä entfprang bem SBunfd), fid) bem brofcenben 3u;
fammenbrud) $u cntjieficn unb für eine beffere 3ufunft §u
retten. 3Röglid) war baö nur burd) Söfung oon bes 93aterä
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I. Sie ftänbifäe »eaftioti
383
unb feine« SRinifterö politifchem (Softem unb ein ^aftieren
mit beffen Gegnern.
3njn>ifd)cn erfolgte baheim ber Vruch mit Schweben unb
ba* fläglidje Scheitern ber grofeen SSerbung oon 1637: ein
greueloofler, oerwfiftenber ärieg begrünbete bie s JHilitärbiftatur
Schwarzenbergs. 9iun glich ber Slufentfjalt beö fturprinjen in
ben SRieberlanben einem folgen im feinblichen Sager. $er
befohlenen §eimfeljr aber entjog er fich unter allerlei Vorwänben.
9Kan begreift ben Unmut befi Slurfürften, ben Argwohn ber
ßatferlichen, aber auch bie Hoffnungen ber ©egner beiber. $)te
6tänbe Gleoe« erbaten fich ben ^rinjen 311m (Statthalter: bann
wollten fie fogar feinen $offjalt beftreiten. (Sie bemonftrierten
bamit gegen Schwarzenberg, ber bie cleoefchen Angelegenheiten
faft auäfchltefjlid) leitete, äfften wohl auch ft* bes Jüngling*
in ihrem ^ntcreffe bebienen &u tonnen. 2luch ergriff biefer ihre
Partei, inbem er bie oon ihnen angefochtene Geffion ber 2)0*
mäne Huiffem an ben SHinifter nie anjuerfennen erflärte. 3luch
foüte er mit ben Weberlanben bie Leutra lifierung beö Sanbefi
planen. SDie Verfagung ber Vitte befferte fein Verhältnis
jum Vater natürlich nicht. <5ö h^fe, er motte eine pfäljer $rin=
äeffm heiraten, roährenb er fürchtete, baheim $u einer nicht
gewollten ©he gezwungen $u werben. £ann mar ber fatferlidfje
^of fieberhaft tbätig, um ben Uebertritt beä branbenburgifchen
(Srben ju ben ®egnern ju hinbern : er lub ihn nach SBien ein,
wo man ihn ftanbesgemäfe oerforgen werbe. Von einer ^artei=
nähme bes „Herrn STicifterfi" gegen ben Sohn ftnbet fich feine
(Spur: oielmehr laffeu bejfcn Vriefe ernennen, bafe er fich um
einen gütlichen Ausgleich bemühte, unb 3war nicht blofe mit
Söiffen, fonbern auch onf Sitten beö ^?rin$en, ber ihm auch
fonft währenb beö nieberlänbifchen Aufenthalts bie Vertretung
feiner ^ntereffen, namentlich ber wirtfchaftlidjen, oertrauens*
oofl unb erfolgreich ans H^s legte. Aber erft auf ©runb förm=
licher Ver&anblungen fam eö ju einem Vergleich jwifchen Vater
unb Sohn: biefer »eripradj, gegen feinen Hillen feine @he
einjugehen, jener biefen gu feiner ju jwingen.
Ueber Amfierbam unb Hamburg fehrte ber flurprinj im
grübjahr 1638 heim, Aber ber fiechc Äiirfürft fah in ihm
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384
Drittes SJudj. Sie Bettung ber 3ufunft.
nur noch ben (Gegner feines politifchen Snftemfi, er felbft fafcte
unter ben unerquiellicljen 33err)ältniffen bes öäterlichen £ofes
einen bitteren ©roß gegen ben 3Rann, in bem bie furfürfc
li^en tarnen, bie beteiligten ©eheimeräte unb bie Stänbe
ben Urheber alles Unheils fa^en. ©efttffentlich ben Staate
gefaxten fern gehalten, mar er überzeugt, bo gefd&ähen un*
redete Dinge, bie ihm ©erborgen bleiben fottten. Um fo ab?
fälliger beurteilte er in bem Meinen Greife feiner Vertrauten
bes Vaters Regierung, um fo mehr lebte er fidf) in bie Vor*
Rettung f)inein, man motte ihn los werben unb namentlich
Schwarzenberg würbe ifm gern oerfdjjwinben fehen. (5r glaubte
es, wenn man ihm jutrug, bed &errn 3J2eifterS Solm folle
feiner älteften Sdfjmefter £mfe e^arlotte (geb. 1617 ) oermählt
unb nad) feinem £obe mit $ilfe bes flaifers 5U ©eorg 2Btf-
helms Nachfolger erhoben werben, unb brorjte bem ©rafen
bafür ben $als ju brechen, unb foflte er Darüber bas größte
Unglüc! mit feinem Vater haben ! Valb glaubte er einen SBc=
weis für bes SJitnifters Eobfeinbfdjaft in ber &anb 31t haben.
2lm 18. 3uni 1638 wohnte er, wie es Reifet, auf 2ln=
bringen feines Vaters einem uon Schwarzenberg ausgerichteten
©afimahle bei. 3lnberen XagS befiel ilm heftiges Sieber; am
22. lag er ferner franf banieber. 2lm 30. famen bie 3Rafern,
bie er offenbar lange mit ftd) fjerumgejdjleppt hatte, mit aujjer=
orbentlidjer £eftigfeit junt SluSbrud). 3lm 6. $uli hatte er eine
fo tiefe Ohnmacht, bafe man für fein ßeben fürchtete. 2lber
bie äraft ber 3ugenb ftegte: bereits am 27. 3uli fonnte er
nach Spanbau gehen, um ben Vater nad) ^reufeen 511 begleiten.
3ene 3ett argwöhnte in folgen fällen immer $unädjft eine
Vergiftung, 'Jlusgefprodjen freilich ift ber Verbaut bamals nicht.
Ob ber ^ßrinj ir)n in bem Greife feiner Vertrauten geäußert,
mufe bahingcfteHt bleiben. ^ebenfalls fyat er fpäter jene @r=
franfung auf ©ift jurüefgejührt unb Schwarzenberg gerabeju
als ben Urheber bezeichnet. So will es Doftor ©arliep oon
ber 3ttüf)len aus feinem ÜRunbe gehört ^aben. grüner fdfjon
hat bie Sctytoebenronigm 3Jlarie Eleonore bie auch ihr bitter
oerfeinbete Partei bes ©errn SWeifters befdntlbigt, bem ^rinjen
mit. ©ift nachgefiellt ju haben. Veroiefen ift nichts, unb eine
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T. 3ie ftfinbiföe 5Hea!tton. 385
unbefangene ßrroagung ber Sage unb ber perfönlichen Verhält --
niffe macht bie Sache böcbft nnroa^rfd)ein(id). £odj begreift
man, wenn ber achtzehnjährige ^prinj / bem ber 33ater bie ihm
gebübrenbe (Stellung fo oerlefeenb oorenthiett, bafe es biefe, er
lüoflc ihn überhaupt nidr)t mehr fehen, bafür ben allgemein
gesagten allmächtigen s IKinifter oerantroortlidb machte, beffen
^ßolitit er unter oranifchem unb Pfälzer @tnflu§ als Duelle
alles Unzeit« anfeben gelernt hatte, unb in feinem ohn-
mächtigen £affe bemfelben bas SWeräujjerfte zutraute. $)ejfen
geinbe beftärften ihn in biefem 5Öafme: auf ber 3090 unb bei
anberen Gelegenheiten tollte man irjm nach bem Seben geftanben,
ja er fogar einen gegen ibn gebungenen 3Weucbelmörber mit
blo&em 2)cgen abenbs unter feinem 35ett gefunben hoben ! Xer
9?rinj griff bas eifrig auf: gern oergUdj er fich mit bem oon
6aul »erfolgten £aoib, unb feine Vorliebe für bie ^falmcn
£aoibs ift hier entfprungen. 2öie jener aflen (Befahren glücf=
lieb entgangen, tonnte er fi<h biefe fpäter nicht grell genug
ausmalen. 2lucb ben leibenben 3 u f tanD , in ocm cr fieb roäbrenb
beS SBaterS lefoter flranfbeit befanb unb ber oon foldjer ©emiitS;
niebergefdjlagenbeit begleitet mar, bafe ade auf ibn gefegten
Hoffnungen oerniebtet fäjienen, fdjrieb man „einer @ift oer^
ratenben ftranfbeit" 311. 33ei £eb$eiteu odbroar&enbergs aber
baben folcbe Sefdjulbigungen fub niebt beroorgemagt, aueb nicht,
als nacb Öeorg 2öilbelms lobe fein Sturj nabte: erft fein
Anbeuten bot man fo oerunglimpft, um fein ©nftem oollenbs
3u braubmarten. 2lucb hot ber ^prinj äußerlich mit Scbmarfeen=
berg gut geftanben. SBiirbe biefer fonft bem Äurfürften empfohlen
haben, ben oobn bureb Slnroeifung bes preufcifcben 2lmtes
Singerburg felbftänbig 511 ftellen ober biefer noch oon S*önigs=
berg aus üerfudjt hoben, bureb jenes Skrmittelung bie 3tatt=
halterfdbaft in Gleue boch noch erholten unb babei burebaus
nicht auf einfache Ablehnung geftoßen fein? 3lber obgleich
©ebroarfeenberg manches für bie @eroäbrung ber erneuten Sitten
ber 3tänbe gelteno machte, würbe es bamit auch biesmal
nichts, weil ber faum noch regierungsfähige ®eorg Sötlbelm
ben Solui nicht auffommen laffen wollte. Senn jroifchen ihnen
hanbelte es fieb nicht um einen persönlichen ©egenfafr, nicht
«Ututj, iirfUfeMdjc Vom«. I 25
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drittes öud>. £ie Rettung ber 3ufunft.
um einen trüben 9iad)f lang früherer Verftimmung : ber ©rojge
tfurfürtl urtb fein Nachfolger, griebrtch SBilhelm I. unb fein
3of)n, ^aben fich nach niel heftigeren tfonfliften roieber ge*
funben. £ier rotrften ftärfere 93eroeggrünbe : nicht blo& jroei
politifd&e ©nfteme, sroei 3eitalter traten einanber in Vater
unb Sohn gegenüber.
Stanb beim aber oon bem neuen fterrn entfchloffenes ©in*
lenfen in anbere Sahnen m erwarten ? 3Me grage ift m oer=
neinen. 2Bie hätte ber junge fturfürft nad) foldjer 3ugenb unb
bei folcher Unfertigfeit einen berartigen @ntf<hlufj faffen follen?
$en ©eföäften fremb, ohne Kenntnis unb ofme Erfahrung,
©erbittert unb eingefchüchtert, burch fchroere tfranffieit gebeugt,
war er mebergefdjlagen, fleinmütig unb ohne ©lauben an fich
felbft. (Sr beburfte ber Aufrichtung unb ber Anleitung. Unb
hier fefcten, roie Samuel oon Söinterfelb gehofft (S. 379),
bie furfflrftlichen grauen ein, Suife 3u(iane, bie SBttroe grieb-
rid)ö IV. oon ber <Pfal$, unb ihre Töchter, bie ÄurfürfiimaWutler
eiifabeth üfyaxlotti, Katharina Sophie unb (Slifabeth Suife
oon ^pfal3=3roeibrüden, ferner bes Hurfürften Schroeftern &ebroig
<Sopr)ie, nachmals bie ©attin griebrid)S oon Homburg, unb
Suife (Sfjarlotte, bie Verlobte bes -JJtarfgrafen (Srnft unb bann
©attin bes föerjogs 3afob V. oon tfurlanb. Sie hobelten
jefct. Auf Veranlagung ©lifabeth ©flottes oerfafcte ber
©eneralmajor ©eorg (Srnft oon SBebel eine 2>enffd)rift für
ben tfurfürften. $n warmem, $um ^erjen gehenbem £one
mifchte fie glücflich Allgemeines unb Vefonberes, roorauS fich
ungefucht bie ßonfequenjen für bie politifdje ^rarjs ber ©egen*
wart ergaben. 3bre Soifce richtete fich, ohne ihn $u nennen,
fcharf gegen Sdjroarfcenberg. «Bor allem fomme es, fo führte
iBebel aus, barauf an, bem Verfall Einhalt m tfjun unb bas
Wenige, roas ihm noch geblieben, burch ttuge Nachgiebigfeit
m erhalten; oieHeicht laffe fid) bann auch bas Verlorene roieber
gewinnen. 2öof)l müffe jeber Regent Augen unb Ohren alle
3eit offen h^ben, $uroeilen aber abfidjtlich nicht fehen, nicht
hören, nicht roiffen unb feine roahre Meinung jurücfhalten.
gür griebrich Söühelm r>cifee es nicht : aut Caesar, aut nihil,
fonbern es gelte, ber 3eit Rechnung m tragen unb fich mm
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J. Sie ftänbifdK Äcaftion.
:>87
Verzicht auf einen £eil feiner Slnfprüche &u entfdjliefjen, gegen
bie Untertanen aber alle 3eit milbe unb gerecht 311 fein.
«Werft ber gürft jeboch, ba& gegen bie öffentliche Orbnung ge*
wühlt wirb, bann foH er wijfen, fef>en, hören unb ©ewaft
unb Littel gebrauchen, bie ihm ©ott ©erliefen ^at. ^nbern
er nad) biefen allgemeinen Vemerfungen, beren $enbenj beut=
lidj genug mar, auf bie oorliegenben befonberen fragen ein*
geht, empfiehlt Sßebel für ^reufeen Vorficht unb fluge Vefwnb*
lung dolens fowohl rote ber ©tänbe. $em ßaifer rät er alle
«Pflicht 51t leiften, bie ein ftetchsffirft fchulbig ift. 3n betreff
beS nodj anbauemben Kriege« möge ber ßurfürft ben Ausgang
abwarten, ftd) burch geeignete Vermittler mit Schweben über
Bommern oerftänbigen unb ftrenge Neutralität wahren. Slber
auch baju feien geftungen unb Gruppen unentbehrlich
Nach biefem Programm hat griebridj SBilhelm gehanbelt,
anfangs mit einer gemiffen Unftcherheit, ber natürlichen golge
feiner Unerfahrenheit in ben ©efchäften, aber offenbar beftrebt,
«Recht unb ©ereebtigfeit malten ju laffen unb jebem bas Seine
ju gewähren. 2Bof)l trat er manchem $u jögernb unb ju milbe
auf. &ing er bod) aber in feiner Äenntnis namentlich ber
märfifchen $inge ganj oon bem ab, was ihm Schwarzenberg
burch ben alsbalb nach Königsberg entfanbten 9Kann feines
Vertrauens, Sebaftian oon Dalborn, oermelben liefe. Um fo
brüefenber fühlte er feine Vereinfamung infolge ber 3luflöfung
beS (Geheimen «Rats, deshalb leitete er beffen «Refonftruftion
ein: bereits im ftebruar 1641 erfaßten auf feinen «Ruf (Sieg*
munb oon ©öfeen, um als flankier bie Seitung ber ©efdjäfte
übernehmen. «Run mirb bes neuen .fterrn Haltung fefter,
tritt aber auch Die Schwarzenberg feinbliche Dichtung beutlicher
SU Sage. 2l(S ihre Präger erfcheinen bie in ihr 9lmt jurücf^
fehrenben ©eheimeräte. Unb hinter biefen erheben ftch bie
Stänbe, um bie fchwer bebrohte Sibertät ju retten unb ber
inneren unb ber auswärtigen «politif bie oon ihnen gewollte
Dichtung auf junötiaen. @ine «Reaftion trat ein, bie bem J^anbeS-
fürftentum junädjft nicht &u gut fam.
(Sin eingreifen in ben Warfen war fo lange unmöglich,
als griebrich Sßilhelm nicht in «Jßreufeen feften gufe gefafet
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Trittes Bud). Tie Rettung ber 3utunft.
hatte: bort lag im Augenblicf bie 3 u ^ uu f* Dcr So&enjoflew.
freilich meinten auch bie preufcifchen Stäube biefe Sage be*
nufcen su tonnen, um bie lanbesherrliche Autorität noch mehr
einzuengen, <Ste regneten babei auf bie polmfäje National;
Partei, bie Greußen $ur ^rooinä ber SRepublif herabbrfiefen unb
fo bie (Gefahren für alle 3eit abioenben wollte, bie ein fo
mächtiger Vafall bereiten fonnte. 3"bem oerbanfte bas §crjog=
tum ber energischen Vertretung ihrer ^anbelsintercffen bureb
bie (Seemächte feit 3 a ^ en eine toobltbätige Neutralität unb
biefer neues roirtfchaftlicbes (Erblühen. SSäbrenb bie preufjtfdjen
(Stäube bie 3ula?fung bes neuen fierjogs jur SebenSfolge oon
ber Erfüllung it)rer ^orberungen abhängig gemalt fehen wollten
— unter anberem ber ftriften Beobachtung bes Qnbiflcnat^-
rechts, ber Abbängigfeit lierjoglicber ©nabenafte unb Verleihungen
oon ber ftänbifchen Veftätigung unb anberes mehr — bie pol=
nifchen Großen aber ben ^roteft bes SReidjstagS oon 1611 gegen
bie 9)(itbele(mung ber branbenburgifchen .ftobenjoQern erneuten
unb bie Verfügung über bas Sehen als ^edjt bes Reichstags
beanfpruchten, hatte 2Blabislato IV. bas größte ^nterefie baran,
bie preufeifche Angelegenheit jefet rote früher ber ftrone oorbe;
halten unb möglichft fchnett erlebigt $u fel)en.
Dem aber ftellte fich eine Scbtoierigfeit entgegen, bie um
fo hinberlicher werben fonnte, als babei für ben einen ein
grofces finanzielles ^ntereffe, für ben anberen ein wichtiges
politifdjes ^rinjip in #rage fam. Nach bem äöpeniefer Ver-
trag oom 29. ^uni 1688 hatte ®eorg Wilhelm sur (Erhebung
bes bem N £olenfönig in ben preußifchen .§äfen $uftebenben
3olIes ben übel berufenen Abraham opiring aus Delft, einft
(Buftao Abolfö N 2öcrfäeug bei Ausbeutung bes preufeifeben $an-
bels, in $>tcnft nehmen müfien. tiefer Spiringfdbe 3°ß oer-
anlafete .^änbel mit *}>olen unb ben preußifchtn 3tänben unb
bie Sperrung bes Sunbes burch £änemarf für alle nach ftönige;
berg beftimmten Schiffe. So brachte ber ^illauer 3o\l faft
nichts mehr ein, mährenb ^anjig jufebenbs erblühte. Die
©ntlaffung Spirings mar eine ber erfreu Regierungsbanblungen
bes neuen Äurfürften : Unklarheiten unb ©iöfürlichfeiten foroie
oertragswibrige Vegünftigung dolens bei ber Verrechnung ber
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I. £ie ftönbifdjc fteattton.
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3oü*erträgc gaben if)m ben erroiinfd)tcn 3lnlaß ba<m; audj ^alf er
bamit einer £auptbefdm)erbe ber preufcifdjen Stäube ab. 2lls
mm aber ber flurfürft unter Berufung auf Das ^oacbim ftnebrid)
unb fteorg 2iHlbelm 1621 ©ernährte nod) oor erfolgter $n=
oeftitur jur Regierung Greußens sugelaffen fein wollte, fefcte
Sölabislato IV. f)ier ein, um weitere 3ugeftänbniffe ju enoirfen.
$es Beifalls ber preuftifdjen Stäube mar er babei jtdjer. $arin
lag bie ©efafn* für grieorid) Söilfielm, roäbrenb ber ftönig
roünfdjen mufcte, bie Sadie oor bem 3ufammentrttt bes SHetdjs«
tags ju erlebigen, um fic bem ju entheben. So boten bes
fturfürften 99eoolImäd)tigte, bie 9ieujabr 1641 nad) 3Qßarfd)au
gingen, bem .ttöntg für bie fofortige 3"tojfung Regierung
60 000 polnijd)e ©ulben. Sennod) madite man Sdnoierigfeiten,
roollte polnifd)e ftommiffare nad) ^reufeen jdjicfen unb feines^
falls oon ber perfönlidjen ^ulbtgung für fpäter abfegen. 2)icfe
fagte ber Äurfürfl ju, nur müffe bie Sadje ju ©übe fommen,
ebe ber SReidjStag bie alten nationalen gorberungen erbeben
fönnte. ÜSlabisIaio IV. [teilte löebtngungen, unter anberen 6r=
nennung bes ilommanbanten oon Villau burdj if)n aus brei
oom Äurförften oorgef erlogenen Äanbibaten, @ntfd)äbigung
ülbrabam Spirings, ©rbauung einer fatfiolifdien Äirdje in
jebem preufeifcben öe-urfe, Kontrolle ber ^iöauer SafengöHe
burd) einen feiner Beamten unb anberes mein*. 2lber neben
ben offiziellen SBerfjanblungen in 2Barfd)au gingen prioate in
3Rarienburg ber, namentlid) über bie pefuniäre Seite ber Sadje.
$er ßönig forberte für bie Sklefjnung 35 000 £f>aler: olme
fic fönne er in betreff bes ^tüauer 3oHcs nid)t nadjgeben.
Sdjliefelid) einigte man fidj auf bie oom Äurfürften gleid) am
fangs gebotenen Co 000 polnifcben Bulben (20 000 Ztjakx),
toooou jroei drittel ber ftönig, ein drittel bie Königin er*
fnelt. 9Cm 12. 3lpril 1641 erfolgte bes Jfturfürften 3 u ^ a ^ un 9
jur Regierung, jum flummer ber nationalen Partei in
$olen unb ber preuBtfdjen Stäube. $od) bauerte es nod)
etliche SRonate, beoor man oollenbs einig mürbe. Stenn voU
nifdjerfeits oerfudjte man neue gorberungen burdjäufefcen : bes
Äurfürften entfdnebene 2Betgerung unb fcanbfalben bei ben
beiben polniicben @rofcfan$lern änberten bas. $er Senat ftimmte
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390
dritte* Öud). Sie Settung ber .ßufunft.
ju, unb nun blieb ber SBiberfprucb ber Sanbboten ohne 9Bir^
fung. Doch oerfudfjte man ben tfurfürften auf anbete Sßeife ju
feffetn, inbem man ihm bie (Sdjmefter SBlabiölatoö, burdj ihre
Butter eine Sitzte gerbinanbs IL, als (Battin anbot. 2U* er
Anfang Oftober 1641 $ur SBelefjnung nach SBarfcbau fam,
jeidjnete fie ir)n in nicht miBoerftänblia)er SBeife au«, ohne
(Srfolg: gleich nach (Smpfang ber 3noeftitur (7. Oftober) eilte
er nach ßönigfiberg jurücf.
SBenigften« in Greußen ^atte er nun einigermaßen feften
©oben unter ben güfcen. greiltcb mar bie ftänbifdje Oppofttion
mit bem Sluögange fefjr unjufrieben, glaubte ftd) oon $olen
oerraten unb trat bem neuen §errn nörgelnb entgegen. Slber
ber &aber ber Oberftänbe — 2lbel unb ttleru« — mit ben
Stäbten ermöglichte biefem bureb Teilung gu herrfdjen: erftere
burdj 3 u 9 e ftÄnbnifte befriebigenb, ifolierte unb entwaffnete er
lefctere. Dur ben leibigen fonfeffionellen ©ifer fonnte er nicht
befdmricbtigen. s illö einen Verrat am &eiligften bejammerte
e* bie ©eiftlicbfeit, bafe er bei ber ßeidjenfeier feines Katers
(11. mii 1642) reformiert prebigen liefj. $ie Oberräte
fd)loffen (ich ihrem ^roteft an, unb nur ein ftrenge« ®ebot beft
polnifcben ^ebensberrn an bie Slöntgöbcrger fieberte bie geier
oor Störung, jn einem Deffript an bie Oberräte oom
26. 3lpril 1642 roiefi ber Äurfürft ben auägefprengten Verbaut
Siirücf, er motte bureb eine „Deformation" ben lutberifdjen S3e*
fenntniaftanb im fierjogtum änbern, erflärte aber bie übliche
Verfefeerung ber Deformierten nicht ju bulben: beibe ftireben
ftünben auf bem 23obcn beöfelben Öefenntnijfefi, mie ein neue«
Deligionsgefpräd) leiebt erroeifen fönne. £afi mar ein ertöfenbc«
Söort in biefer 3eit beillofer fonfeffioneller Verbitterung. 3u=
gleich mit unroanbelbarer £reue gegen bie Deformation be-
funbetc es eine bisher unbefaiinte Sulöfamfeit unb bezeichnete
ben 2Beg, auf bem auch ba« Deich 311m inneren grieben geführt
werben fonnte.
3Winber günftig geftalteten fieb bie Dinge in ber 3Jtarf,
über bie nach Entfernung ©eorg 2Öilhelms ein furchtbares
Schicffal hereingebrochen mar. 1638 hatten bie Schweben ben
größten £eil ber älltmarf, 1639 unb 1640 baö 2anb jenfeit«
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I. 3>ic ftänbifäe Steaftion.
391
ber Ober eingenommen unb ©riefen, Sanbflberg, granffurt
nnb tfroffen befefet. 9lur einen STeil ber 3Jiarf behauptete
Schwarzenberg unter unbarmherziger 2luöfaugung befi erfd^öpften
Sanbefi. 3n irjrcr ^crztoeiflung erwogen bie Stänbe, ob fie
ftdj nic^t lieber ben Schweben überantworten follten. ©er fur=
fürftliche öefanbte in Söarfdjau, oon fcooerbeef, irrte alfo,
wenn er meinte, im ftegenfafe z« ^Sreufeen fei in ber 3)krf ber
iRefpeft oor bem ^errfc^ertjaufe unb bie 9lffeftion für be« jungen
tturfurften ^Jerfon fo wohl eingepflanzt, bafj fie fid) burch ben
geringfteu ©iener regieren laffe. ©ie 3lrmee, obgleict) auä
3Rangel an Mitteln auf 6000 ÜWann rebuziert, mar eine
furchtbare ®cifjel für bafi erfeböpfte Sanb, ,aujjerbem junäa^ft
bem flaifer oerpflichtet unb gewöhnt, in bem tfriegßoberften
ihren ©ebieter ju feben, ber fie bürgern unb dauern gegen*
über rücffichtslos oertrat unb bafi ju ihrem Unterhalt Nötige
burch Tie felbft unbarmherzig eintreiben liefe, $em ein (Snbe
ju machen, oerlangten bie Staube immer lauter eine 9lenbe*
rung ber ^olitif: auf bem Söege be« Vertrages feien bie
Schweben aufi bem Sanbe zu entfernen unb bann bie Gruppen
bis auf bie zur 93efafcung ber geftungen nötigen Kompagnien zu
entladen. Ohne bieß fei nicht einmal für ben fReft ber Slrmee
ber Unterhalt aufzubringen.
9Wan hatte in Königsberg root)l feine rechte flenntnia oon
ben 3uftänben in ber Watt. Slber auch wenn er fie gehabt
unb eine Henberung herbeiführen gewollt hätte — für ben
Slugenblicf fehlten bem neuen £errn alle Littel ba$u. $enn
burch bie Oberften, bie mit 2lusnahme Äonrabs oon 33urgö;
borf (S. 375) ihr Sd&icffal mit bem feinen »erfnüpft mufjten,
mar Schwarzenberg &err ber Slrmee unb be* Sanbeö. 21m
£age nach be* SSaterö £ob (2. ©ezember 1640) fehiefte griebridj
SBilhelm 28erner oon Schulenburg an Schwarzenberg mit bem
33efehl, bie Stattbalterjchaft weiterzuführen unb bie geftungen
forgfam z" behüten, unb oerficherte ihn feiner ©nabe. 2hi
einen 93ruch mit bem bisherigen Softem badjte er bamalfi
alfo noch nicht, fonbem aeeeptierte bie burch ben ^rager ^rieben
gefchaffene Sage. 3lud) ihm war ber 23unb mit Oesterreich bie
Örunblage feiner Stellung, wie er ben tfaifer feiner £reue
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:;:i2
Stitteo ©udj. £te flcttung ber Sufunft.
unb ®tenftwiUigfeit ©crfic^erte. :Hud) tonnte er ja oljnc bes
.Haifers Wohlwollen fein fo gut wie oerlorenes £anb nicht ju
retten fjoffen. 91ur wollte er gemäß bem eigentlichen Sinn bes
Präger griebenS auch mit Sdnoeben nicht mein* Ärieg ^aben.
2)od) oerjic^tetc er bamit nicht auf Bommern : ftatt eines feinem
Ausgange nach zweifelhaften Kampfes barum, plante er eine
btplomatifche 3lftion, bie fid) bem ©ange ber großen ^olitif
anpaßte. £aß er ftd) mit Sdjmeben oerftänbigen wollte, oer^
hellte er in 2ßien fo wenig wie in Stegensburg. So ftanb
er in betreff bes erftrebten 3iclefi nid)t in prinzipiellem (SJegcru
fafce 511 Schwarzenberg, wohl aber in betreff bes baju einju*
fdjlagenben SBeges. ÜHad) Schwarzenbergs 2lnfid)t war v JJeutrali=
tat gleid)bebeutenb mit bem Verzicht auf Bommern. Xesfwlb
oerwarf er bie SRebuftion: nur um feiner Gruppen willen fei
Sranbenburg nod) einigermaßen refpeftiert, nur burdj fie tonne
es feiner Neutralität Sichtung oerfchaffen. Sie jeftt entlaffen,
würbe recht h«ß*n „bie ^ßferbe hinter ben Wagen fpannen unb
bie &unbe juerft oon ben Schafen tfmn unb biefelben ben
Wölfen preisgeben", ülber Schwarzenberg beftanb nicht eigem
finnig auf ber Verfolgung bes bisher oon ihm gegangenen
Weges unb l)at nidjt oerfucht, ben neuen Herrn barauf feft=
Zuhalten ober gar bur(h Herbeiführung ootlenbeter ^fjatfadjen
ihm bie Sefchreitung jebes anberen unmöglich gu machen. Viel*
mehr r)at er, ohne feinen bisherigen Stanbpunft aufzugeben
unb unter ©eltenbmaehung feiner Vebenfen, bem Willen bes=
felben ftd^ gefügt, mochte er oicOeicbt auch zunächft wegen ber
großen prioatred)tlichen 3ntereffen, bie für ihn babei im Spiele
waren, einen Vrurf) ju oermeiben wünfehen.
Mit um fo größerem (Sifer betrieben btefen feine alten
©cgner. @s war boch wobl ihr Werf, wenn ber Äurfürft
Schwarzenbergs Stellung als ObcrftfriegSfommiffar einfach
ignorierte, inbem er über feinen ftopf f)inweg mit ben Oberften
Jilonrab oon Vurgsborf in Äüftrin unb oon £rotfje in ^3eiZ
forrefponbierte, ihnen ^Befehle gab unb ihre Berichte empfing.
Xicfe fuchten ihn babei fieser in jeber Weife gegen Schwarzem
berg einzunehmen. Unb baju tarn nun ber Sturmlauf ber
märfifchen Stänbe gegen ben uerljaßten Herrn 3)ieifter. 3lb*
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I. Sit ftänbifdjc Jieattion.
393
georbnete berfelben, oon Samuel oon SBinterfelb geführt, über=
brauten im 3anuar 1641 bic ßanbtagsgraoamina nad) ftömgS;
berg. $urd) fic etft roirb ber tfurfürft von bem 3"ftanb ber
ÜRarf unb ber burd) ©d)roarfcenberg erzeugten ©rbitterung ge=
nauere ftenntniö ermatten fyabtn. 3n roocjenlangen 33erf)anb=
hingen mit ifjnen üoöjog ftd) ber ©nftemroedjfel, ber Sdjroarfeem
bergs ©teUung unhaltbar machte, eine neue Sßieberlage be§
fürjUid)en 9icd)te$ unb ein neuer ©ieg ber ftänbifdjen 2iber=
tat. $ie ©tänbe oerlangten grieben mit ©<$toeben. 2lud)
©djroarfceiiberg rooHte nict)t ben tfrieg fdjledjtroeg. S)a6 eine
^erftönbigung mit ©djroeben roünfd(jen6mert fei, gab aud) er
Sit : nur mtiffe oon bem Seginn ber Unterfyanblungen ber Äaifer
aUbalb tfunbe erhalten. Köllig inbisfutabel mar für i(m bie fo;
fortige SRebuftion ber Gruppen: fobalb fie ooü>gen märe, mürbe
©djroeben bie ©affenfttUftanbaoorfd)läge ablehnen ober unan^
nefnnbar fjarte Sebtngungen fteüen. Eennod) fam ©djroarfeen=
berg ben ifjm gugefjenben 39efef)len ofme Steigern nadj. (Sinen
märftfd)en 2Baöenftein ju fptelen, lag tfnn ganj fern, unb nur
93erleumbung bat ifmt berartigeö angebietet. Slber ber @tn=
flufe feiner geinbe nmd)ß: balb faf) er ft$ in feiner Stellung
erft geminbert unb eingeengt, bann planmäßig geärgert unb
gefäf)rbet.
SMe ttönigöberger $erf)anblungen überzeugten bie Wo-
georbneten ber märfifdjen ©tänbe, bafc bie 91ebuftton ber
3(rmee jur 3eit nidjt möglid) fei, ber neue $err aber ben
^rieben roofle unb bie ©olbatesfa befeitigen merbe, fobalb er
ftd) mit ©dnoeben oerftänbigt r)atte. Subem erflärte er fidt)
bereit, bie Söerroaltung bes ^ontributionftroefenß, bie ©d)ioarfceiu
berg mtIitärifcr)=abfoIutiftifdr> fonjentriert Imtte, roieber ben
©tänben 511 übergeben, bie übltdj geworbene militärtfdtje @ye;
fution nur eintreten $u laffen, wenn bie jioile frudjtlos ge*
blieben, unb enblid) bie Auflagen alöbalb fo roeit mie möglid)
f)erabjufefcen. 9flit folgen tfonjeffionen an bie ©tänbe aber
trennten fidj feine SSege oon benen bes attinifterfi. Die ftän=
bifdje Oppofttion gegen biefen fanb in if)tn einen 23unbe$=
genoffen, ja einen $üf)rer. Das änberte bie Sage ooUfommen.
2llö ein Unterpfanb burften bie ©tänbe es anfeljen, ba& im
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394
drittes 8ud>. Sie fHettuntj ber ^ufunft.
jroifdjen am 18. Januar 1641 an ben Statthafter ber S8efel)l
ergangen mar, fidj ber geinbfeligfeiten gegen bie ©djroeben ju
enthalten unb auf bie Xefenfioe ju bekrönten. $ie eingeleitete
Serabfefcung bes Xraftaments ber Gruppen auf ben niebrigeren
©ommerfafe entlaftetc baö Sanb ettoas, erzeugte aber natürlich
bei ben 3Hannfd)aften Unjufriebenbeit. 2>a rücfte, bie Streu
fereien branbenburgtfdfer Leiter ju oergelten, ber fdnoebifäje
Oberft Stalfmna oon Söeutljen f>er mit 2000 «Wann $u gufe,
1500 Leitern unb 8 .Kanonen auf flottbufi. 2öäf)renb bie S3e-
fafcung oon ^Jeife ab^og, fammelte ©djroarfeenberg bie Gruppen
aus 9totf)enoro, 39ranbcnburg, gefjrbeflin unb anberen Orten
in ©panbau unb 33crlin, $u äu&erftem SBiberftanb entfd^loffen.
$te ©tänbe proteftierten unb oerlangten einen friebtia^en $ers
gleid). 2Uö aber Stallaus baß feftc 3offen nafjm unb Statin
bcbror)tc, befahl ©djroarfcenberg gemäfj einem für biefen gafl
bereits unter Oeorg Sött^ejm gefaxten unb bem ^ate mit;
geteilten 33efdf)lu§ bie Weberbrennung ber «orftäbte. Srofc
ber Sitten unb beft Jammers ber (Sinroolnier ooHjog fie Oberft
flrad)t an ber GöUner unb SBerberer Seite, als bie ©dnoeben
näfjer famen: 108 Käufer mürben niebergebrannt. ©ing baö
nidjt weit über bie befohlene $)efenfioe tunauS? Unb fd)lie&:
lid) fam es gar nia)t ju bem fdjroebifdjen Angriff!
3u Königsberg mar man auger fidt). föatte ber Statt:
fyalter etwa burd) eine oottenbete £f)atfad)e Sranbenburg ju
fernerem ßampf gegen Sd)ioebcn Urningen motten? ©djeinen
bod) unter ben in if)r 2lmt äurücfgefeljrten ©eljeimeräten foläje
md)t gefehlt $u &abcn, bie ben Stiüftanb nur al« Uebergang
gutn öünbnis mit Sdjtoeben aufaßen, unb bie toünfdjten,
Sranbenburg Ijätte 1635 ftatt bem Präger ^rieben beizutreten,
Oyenftiernad Erbieten angenommen, ü)m Bommern <iu über-
laden unb ben Sd)ioeben 3Jiagbeburg, föalberftabt unb Osna*
brürf gewinnen geholfen. 3Son ifynen wirb nichts unterlagen
fein, um ben Äurfürften gegen ©djtoarfoenberg aufzubringen.
(£fi f)ieft, berfelbe rooQe bie märfifdjen 3 e ftungen ben flaifer-
licfyen überliefern, unb ber fturfürft felbft f)at nachmals bei
©djroebcn bes biefem befonbers oerfjafcten 3Jiintfters SBelaffung
im &mt mit ber %m<S)t baoor entfcbulbigt. SBeniger letdjt
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I. $ie ftänbtfäe «Rcaftion. 395
tonnte Schmalenberg otelleicht anberc Auflagen rotberlcgen.
£)aj? er gegen ihm erteilte SBeifungen ©ebenfen erhob unb be-
grünbete, roar fein gutes SRecht, wirb ihm ftber mof)l nerbacfjt
fein, obgleich er ben gegebenen Befehlen nachfam. $aoon
fcheint man in Königsberg faft überrafdf>t geioefen gu fein:
hätte man es bort etroa nicht ungern gefehen, er f)ätte burch
Ungeborfam feine rafdje Befeitigung ermöglicht? SBurbe bodi
feine beabiidjtigte Steife nach Königsberg hintertrieben: alfo
forstete mau bocf) roohl ben ©inbrucf feiner ^crfönlüftfeit unb
feiner Slrgumente auf ben jungen §errn. Glicht blofe beffen
begreifliche Unfid)crr)eit foraclj aus ben fich überftürjenben unb
einanber miberfyrecbenben Befehlen an Schmalenberg : $5rieb=
rieh Söilhelm ift ehrlich genug geroefen, nachmal« einjugeftehen,
bei ber 3Raffe unb Berfcbiebenheit ber an ben 2)tinifter geftellten
9lnforberungen fei beabfidjtigt morben, ihn nicht ju Sltem fommeu
ju laffen, an jeber georbneten Xhätigfeit $u hinbern unb fühlen
SU lafjen, bafj fein Regiment ju @nbe fei, bafc er einen fierrn
habe unb gehörten muffe, £er 9)Unn, ben abjufe&en man
nicht roagte, weil man fich nicht bie Kraft baju, roohl aber
ihm bie Suft jum $öiberftanbe zutraute, foQte burd) ^labelftidfje
jum S^ürf tritt gebracht roerben, bie man um fo eifriger ans
roanbte, als bie anfänglichen Befürchtungen fchroanben unb er
fich möglich zu erhalten fudjte, roohl mehr aus finanziellen als
politifchen ober gar firchlid) fonfejftoneücn iJHotiuen. $)enn
als Schmalenberg ftch oon ber Unhaltbarfeit feiner Stellung
überzeugt hotte, erbat er feine (Sutlaffung nur als Sireftor
bes Kriegsftaats. ®as Oefuch blieb ohne Antwort, auch al*
es erneut rourbe. @S genügte roeber feinen hönfehen Gegnern
noch bem fturfürften. iÄuch bie Statthalterfchaft foQte er auf:
geben. 3n etlichen ihm am fersen liegenben fragen bes Be*
fifoes trat man ihm gefliffeiitlid) 311 nahe. 2LMe fich o^er bic
älnjcichen ber brohenben Ungnabe mehrten, mürben auch bie
©täube auffäfeiger: bie für 1642 geforberten 150 000 Xhaler
aufzubringen, erflärten fie einfach für unmöglich. 2lber um
welchen greift fie zu höben fein mürben, mar flar. Sludfj nur
einen Xeil feiner Stellung zu retten, erfannte Schmalenberg
als unmöglich: fich u«b bic Seinen fah er oon all ben S<hrecf=
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396
Sritteo 33ud>. Sie Rettung ber Sutunft.
uiffen bebroljt, bic bem Sturze eine« bcm Sanbes^crm unb bcn
Stäuben juglcid) oerljafeten Staatsmannes bamals ju folgen
pflegten. Sajon fnen es, er fei $ur Verantwortung nach Jlönigs=
berg gelaben. 2lelmlid)ea brohte jcbenfaHö. 3n ber ©eneraU
refolution auf bie Eingabe ber märfifchen ©tänbe fprad) ber
Äurfürft in ftarfen SBorten fein ©rftaunen über baS (Slenb bes
£anbes aus, bas er jefct erft fennen gelernt: roarum man nicht
fd)on feinem Vater bie Wahrheit gefagt habe? Gr werbe auf
bie Urheber btefes 3uftanbes „inquirteren" unb bann ftdr> „ber;
geftalt barauf uerfpüren unb oernefymen laffen, wie es ber ©ad)en
s Jiotburft erheifdje". £amit bebror)tc er (Schwarzenberg bireft:
fid) bagegen biircr) ißonale Littel, etwa bie fötlfc ber flaifer*
lidjen, behaupten ^u wollen, ift biefem nicht eingefallen. 3a
er uerfügte jehon nicht mehr über bie baju unentbehrliche SBaffe:
auch bic oon tfmt mit bem 9Jtarf bes £anbes genährte <BoU
batesfa hielt nidjt mein* &u iljm, fett er burd) £erabfetjung bes
Traftameuts auf ben niebrigen ©ommerjafc bie SRebuftion bod)
eingeleitet hatte, ©eine geinbe Ratten fein wirffameres Littel
fiubcn fönnen, um ihn, bes beften SRüdhaltS beraubt, smifchen
ben in ber 2Harf miteinanber ringenben ©eroalten gewiffer*
mafeen ^ermahnen ju laffen. 2)er Mummer über ben 3"fammen:
brud) feiner 3Wad)t, bie fiuxfyt oor nod) fchlimmerer §eim*
fudjung, ber Sd^merj über ben erfahrenen Unbanf, bie ©orge
um baß fteuerlos bahintreibenbe 6taatsfdjtff, bas er menigftens
in einen Nothafen 311 führen gehofft hatte, unb bie Aufregung
über bie Meuteret ber Solbatesfa gufammen mit bem lieber-
mafe aufreibenber Arbeit untergrub feine Kraft, fo bafe er
vlöfclid) sufammenbrad). 9toch einem Unwoblfein oon wenigen
Tagen machte am 14. 2Rär$ 1641 ein edjlagfluft feinem fceben
ein ©nbe.
SBie ber äurfürft Schwarzenbergs Tob aufnahm, miffen
wir nicht. 9iach ben einen fofl er ihm feljr ermünfeht, nach
ben anberen fetjr ungelegen gefommen fein. 60 ernfte 3Bet=
nungfioerfdjiebenbciten es $wifd)en ihnen gab: bie 9JiÖglidjfeit
ihres Sufammenwirfens war erwiefen. $er Anbahnung bes
Stiüftanbes mit «Schweben hatte ber ©raf sugeftimmt, wie ber
Murfürft mit ihm bie (Srbaltung guten GinoernehmenS mit bem
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I. 2>te ftänbifctjc Neaftion.
397
ttaifer wünfchte. Streitig war $wifchen ihnen bic 9iebuftion
ber Gruppen unb bas SBerhältnis ju ben Stänben. ;Doch aud)
ba ^atte Schwarzenberg fid) gefugt. $aß er, rote behauptet
tft, bie SBerftänbigung mit Schweben $u hintertreiben gefugt
habe, barf au« ber energtfehen Lüftung gegen ben Stalhan$=
fa>n Saufen nicht gefolgert werben. 2tuch flonrab oon S3urg«=
borf meinte, ber 39efef)l jur (Stnftellung ber geinbfeligfeitcn
fei ,,nidjt fo roeit 511 eptenbteren", baß man beut geinbe allen
Mutwillen oerftatte, unb Ijanbelte bemgemäfc. 3ur Slnfnüpfung
mit Schweben hatte Schwartjenberg jwei oornebme ©efangene
gu benuZen empfohlen, ben Legaten £ilieuftröm unb ben ©enera^
fommiffar Ärempenborf, unb erfteren baju nad) ^reu&en fommen
i\i faffen geraten. 28arum alfo fottte ber ßurfürft feinen £ob
freubig begrüßt haben? (Srflärte er boch fpäter, er habe ge=
hofft fich be« SBerftorbenen noch länger ju bebienen. Safe btefer
Sranbenburg geichabet, ^at er alfo boch nicht gemeint. 2lud)
ber ^faljgraf oon Auburg urteilte, ihm fw&e ber ©raf ge-
fchabet, aber ba er einmal Sranbenburg biente, fyabe er bic
branbenburgifchen ^ntereffen auch nach Gräften oertreten muffen.
Slnberö urteilten beft SBerftorbenen (Gegner, bie nun ge=
roonneneö Spiel ju haben glaubten. Ueberau* hotte ftch mit
bem ^hronroedjfct bie ftänbifche Opposition gegen baö abfolu-
tijtifdje Softem erhoben, baft Schwarzenberg oerförpertc, ihren
erfolg aber burch bie anfängliche ©eftaltung bes Zerhältniffes
gwifdjen bem jungen ßerrn unb bem 3Hinifter gefährbet gefehen :
um fo erroünfchter fam ihr beö lefetcren Xob. 9lun liefe fich bic
heillofe Zerfahrenheit aller 3uftänbe, ber Zerluft beö größten
Teiles ber Sflarf, ber brohenbe (Einbruch ber Schweben, ber
roirtfchaftlidje 9iutn bcö Sanbes unb bic SwWoftfltat Der
Solbatefifa unroiberfprochen Schwarzenberg fchulb geben, feine
^politif barftellen als angelegt auf ba« Zerberben ber öo^n-
jollern. 3)as erfchien um fo glaublicher, als jefet eine aller:
biuga bebenflidje Seite feines aufeeramtltchen 3ötrfenö ent;
hüllt würbe, ba fid) ergab, wie oon feiner Autorität gebeeft
allerlei bunfle (Ehrenmänner ftd) wiberrechtlich bereichert hatten.
Söeil er felbft über äße amtlichen Sorgen feine prioaten 3m
tereffen nie oernachläfftgt hatte, machte man ihn nun auch für
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398
drittes SJu$. $te 9lcttung bcr 3ufunft.
biefe Tinge oerantroortlidj). Ta^u fam ber @tfer, mit bcm
fein Sofm fid) bes reidjen 9iadf)laffes ju ocrftd&ern trottete.
3Jie(>r als feine fteinbe f)aben biefe Umftänbe Sd&roarfcenberg
in ber Ueberlieferung gehabet : fie erft boten jenen bie 2Rögs
liefifeit, ifm oor Mit* unb Radfnoelt für bas @fenb oerant*
mortlid) madfjen, bem bie neue Regierung, roie es fdfjien,
erliegen mußte.
(Sine planmäßige Reaftion gegen bie bisherige Orbnung
begann in ber 2Jiarf. 9luf SdjmarfeenbergS Rat fjatte ©eorg
3Bitt)etm bei feinem Regierungsantritt bie Sanbesrejeffe nid&t
beftätigt, nad) benen feine toidjtige 2anbesangelegenf)eit im
3nnem ober naa) außen ofnic ber fämtlidfjen Stänbe 5öorroiffen
unb Rat befdjloffen werben burfte. $n ber @eneralrefolution
auf bie (Eingabe ber märfifdjen Stäube erftärte ber neue £err
(31. mxi), bie alten ftänbifa>n Rechte, greifieiten unb
bräune in nidjts fürsen gu motten: nur beSf)alb beftätige er
fte ntd^t fofort, um bura) oorangefjenbe genaue tfenntnisnafjme
ber ©eftätigung mehr ©eroidfjt 51t geben. SBürbe bie Antwort
ebenfo gelautet fjaben, wenn nidjt faum adfjt Tage oorljer
(25. ajjär^) bie Radf)ricf)t 00m Tobe SdjroarfcenbergS eingetroffen
märe? Taß befien Softem alsbalb preisgegeben rourbe, traf
alle bie fdnoer , beren Stellung barauf beruht f)atte, be=
fonbers bie, roeldje barauffnn äunädfjffc für fidj felbft gejorgt
rjatten. So erhielt bas Särmen, bas fidf) nun gegen bes £errn
SJleifters „gaoortten" erf)ob, politifd&e 33ebeutung, obgleich bie
üblen Tinge, bie ju Tage tarnen, foldje nidfjt Ratten. Ta
roaren bret trüber oon Sßalboto: Sernb Ijatte ft$ grober
Unrebüdtfeit fajulbig gemalt unb uerlor bereits im ftebruar
fein 2lmt als £ofmarfd)aH; 39aftian, Sdjloßfmuptmann, Obers
fdjenf unb Hauptmann bes 2lmts Ruppin, f)atte ©eorg Söil*
beim nodj auf bem Sterbebette eine bes 33rubers OJaunerei
beefenbe Unterfcrjrift abgewonnen, mar audj feines „ärgerlidfjen
böfen Sebens" wegen fo oerrufen, baß griebridO 2Bilfjelm „nur
aus Rüdfidjt auf Sßerftorbene", bie fompromittiert mären, es
unterließ, „ifjn mit einer eremplarifa^en Strafe ju refpijieren
unb an$ufef)n", ifm aber im 3uli 1641 feiner 3lemtcr entließ.
Ter britte SBruber, £ans, oerbanfte mächtiger prfpradje bie
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I. £te ftänbifc^e SReaftion.
399
SBelajfung im Sienft. Sann ^atte bcr ftriegß= unb Cammer-
fefretär 3°h ann Stellmacher ©chroarfecnbergö Vertrauen arg
mifjbraucht: ftd) ju entlaften, benunjierte er jefct gegen anbere
hohe Beamte. Sie oon ihm unterfdjlagene Summe rourbe auf
126 000 Xfmfer gefd)äfct; fchae&Udj mürbe er nad) jahrelangen
SBerhanblungen 511m Grfafc r>on 32 000 Xfyakxn oerurteilt. Saft
Schmalenberg all baö geroufjt unb begünfligt fw&e, behaup*
teten auch feine ©egner nicht. 2tber auf Rechnung feines
Sqftemö mürben folche $erirrungen gefefct. Safi fdjabete auch
feinen uöffig mafellojen Anhängern, mie ^oac^tm griebrief)
von 23lumenthal, einem 9Hann oon ungewöhnlicher Begabung,
namentlich für ginanj« unb Söerroaltungäfachen, ber (geb. 1609)
1635 bereits Sireftor bes Äriegfiratö, 1636 ©efanbtcr bei
Jerbinanbö III. flönigdroahl unb bann an bem $erfutf)e jur
©Raffung einer 2lrmee 1637 ^eroorrageub beteiligt gemefen
mar. gür ben Sunb mit bem flaifer, fcheint er in betreff ber
^erftänbigung mit Sdjroeben lange nicht fo oief nachgegeben
ju tjaben mie Schwarzenberg. Saß unb feine greunbfdjaft mit
Schwarzenbergs Sofjn matten feine Stellung unhaltbar; bafe
er fich um (Eintritt in ben faiferlichen Sienft bemühte, rourbe
it)m jum Verbrechen angerechnet. 2luch ber ilurfürft meinte,
bafe er „einer von ben oorneljmften gemefen fei, meldfie bisher
Dergleichen consilia, burdj bie er felbft unb fein Sanb unb Seute
in Verberben gefefet mürben, fomeret unb effeftuieret haben".
3n r>erlefeeubfter gorm rourbe er entlaffen. 3lber freimütig riet
er bem neuen &errn, er möge fich gegen feine Wate „nicht fo
letztlich $u ungleicher Cpinton ober Ungnabe beroegen laffen",
fonbern erft ihre Verantroortung abroarten unb ihnen biß baf)in
„in beftänbiger @nabe jugethan bleiben". Sie ©in^iehung ber
©üter Sdjroarfcenbergs burch bie cleoefche Regierung entrifj
ihm bie Vemerfung, ,,aud) Seffel (ße&len) h ö & c som flaifer
feine Orber gehabt SEaDenftein umzubringen, fonbern sub spe
rati gehanbelt". 2ln foldjen Unbanf rooUte er nicht glauben:
„3$ (jö&e ntein Lebtag feine närrifdjeren ^rojeburen gefehen,"
fchrieb er, „unb feine größere Diminution ober Schmäcijung
ber menfehlichen memoriae, als in bem £anb in ben brei
Monaten oerfpüret roorben." Sied Urteil roiegt um fo fernerer,
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400 Dritte« $u$. Die Kettling ber ^urunft.
als SBlumcntfml, wenige 3af>re fpäter in ben SMenft jurüd--
gerufen, einer ber oerbienteften Mitarbeiter griebrid) $ßilf>elm$
rourbe.
2111 baö roirft bod) ein bebenflidjefi 2id)t auf bie 33eredjtü
gung ber ftritif, bie nad) Sdjroarfoenbergs £ob feine unoerf)offt
nrieber emporfommenben ©egner an if>m übten, unb erft oon
bem ßintergrunbe biefer Verljältniffe rjeben fid) bie Vorgänge
re<$t ab, bie nun in ber 2Rarf eintraten. Xk 33erid>te ber
Sdjtoarfeenberg beigeorbnet geioefenen @ef)rimeräte nad) ttönig«:
berg verraten fein SWifetrauen gegen be$ Verdorbenen 3lmt«=
füfjrung: gegen bie Solbateöfa unb bie Sdnoeben führen fie
frine Reifungen aufi. Seine Rapiere ju oerftegeln fetten fte
nidjt für nötig. Um fo eiliger fjatte es bamit in ßüftrin Ron--
rab oon 33urg$borf, fonnte jebod) bie Entfernung manage«
Stüdes burd) ben oon bem Verdorbenen für biefen gall in=
ftmierten Ctto oon ber -äJlanoifc nidjt f)inbern. Grft auf feine
2Wal)nung oerfügten aud) bie Herren in 3panbau bie Ver=
ftegelung. Die 9iuf)e im Sanbe ju erhalten, trauten fie ftd)
fefbft rtid&t §u, unb aud) VurgSborf empfatjl bie fd)leunige @r^
nennung eine* Statthalters, ber „im fianbc Stffcftiou" (baä
Reifet bie ©unfi ber Stänbe) geniefee unb bei ber Solbateöfa
„Autorität unb Deputation" Iwbe. &telt er oiedeid&t ftd) felbft
für ben geeignetsten SWann? Seine (5ntfd)lüffe $u faffen be;
burfte ber ßurfürft einiger 3 e ^- 9iur oer Stiüfianb tourbe
gleid) angebahnt bur<$ Vereinbarung mit ben einzelnen fdjroc;
bifcfyen güfjrern im ßanbe. Xie Stäube erfannten ben ernften
Söiöen beö neuen §errn, bem .ttrtege ein (Snbe 511 mad)en.
3njioifdjen fam Sdjroartjenbergs Solni, ©raf ^o^ann
2lbolf, faiferlidjer Deidj$f)ofrat, am 12. Slprif in Spanbau an,
oon ben furfürftlidjen Daten ehrerbietiger empfangen, als if)rem
§errn red>t mar. 2Ran gemährte if>m bie Surdjildjt ber Rapiere
feine« Vaters unb bie 2lusfonberung ber Stüde oon blofe prb
oatem 3ntcrcffc. Von ben an feinen Vater ergangenen für*
fürftlidjen Defolutionen, bic man tym nid)t ausfyänbigen tooHte,
forberte er 2lbfd)riften, beren er „§u ^uftifijierung besfelben
actionum" bebürfen fönnte. Vurgsborf, ber ben Äurfürften
fogar oor ©ift toarnen $u müffen meinte, witterte ein tfom;
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I. 3>ie ftänbifdje Neaftion.
401
plott jwif^cn bem Sofnte unb bcn „gaooriten" bes SSer*
ftorbenen. 2llter ©roll gegen biefen führte ben e^rKd&en, aber
ungebilbeten unb befd)ränften Solbaten offenbar oiel 511 weit.
2Iudj eine gewiffe Selbftfudjt wirb babei im Spiel gewefen
fein. 2)afc Saftian oon SBalbow ben jungen ©rafen über 93or=
gange am §ofe unterridjtete, wie feine aufgefangenen Briefe
ergaben, bewies Ujm beiber geheimes (Sinoerftänbnis. $)ie ©es
f)eimeräte bagegen befürworteten bes ©rafen 3 l ^ a f? u "9 oe§
Katers papieren : fie ju oertoeigern, fomme nad)trägüd)er S3e=
fdilagnafjme gleidj, fei rigoros unb gefäfjrlid) unb fönne pein=
lidje ^tedjtsfjänbel oeranlaffen. 2lelmlicJ> badete bamals ber
Äurfürft: nur bie Slbljaltung ber Wcffc in feinem Duartier
lieg er bem ©rafen unterfagen. 2ludj beabftd)tigte er nidjt
tyn oon ber 9kd}folge in bem 3of>annitermeiftertum aus^
fdjlte&en, bie ifnn als tfoabjutor bes SSaterö suftanb: empfahl
er i^m bod^ für eine erlebigte flomturet feinerfeitö einen öe=
roerber. ©benfowentg mar bie SHebe oon einer 9lnfedjtung ber
2lnfprüd)e, bie ber ©raf als Grbe feines Katers au ben Staat
gu madjen fyatte : if>re forgf ältige Prüfung mürbe jugefagt. Sie
erforberte fdjon bie §eimlid)fcit, mit ber bie ©cfdjäfte bisher
geführt roaren unb bie Unterjdjleife ermöglicht f)&tte, roie fte
einigen ber „gaooriten" nad&gemiefen waren.
3nswijd)en r)atte an bemfelbcn 12. Slpnl, an bem ber
©raf Schwarzenberg in Spanbau eintraf, ber ßurjürft in
Königsberg bie 3nftruftion für ben neuen Statthalter, 2Harf=
graf @rnft oon ^ägernborf, unter$eidjnet. 3m ©egenfafc ju
bem ©raudj ber legten 3af)re machte fie ihm engfte ©emein=
fdjaft mit ben ©eheimeräten $ur Pflicht unb fchrieb eine Orbs
nung bes flansletwefens oor, bie jeber 3d* flaren Ginblicf in
bie ©efdjäfte ermöglichte. 2lm 16. 2Jtat traf ber Sttarfgraf in
ßüftrin ein unb fam am 21. mit ftonrab oon Surgsborf nad)
93erlin. $as l)öd^fte Vertrauen bewies ber Kurfürft bem 3wei=
unb^wansigjährigen Detter, als er ihn auf ben fdjwierigften
Sofien fteUte, ben er bermaten $u oergeben rjattc. ©as flinb
einer roilben 3eit, hatte @rnft in Italien, granfreidj unb Säue;
marf geroeilt, julefct ohne finanzielle Beihilfe oon ©eorg mU
heim. 9tod) bejfen £ob fam er nach Königsberg. ©r gewann
9tu%, VxwWt Qk\mu. I. 26
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402 Dritte« 93ud>. Sie Rettung ber 3u(unft.
bic ©unft ber fürftlichen grauen unb oertobte M) aus Steigung
mit bes Äurfürften Sdjwefter fiuife Gborlotte, als nächfter
2(gnat tmb im gatt con griebridj Wilhelms finberlofem Zok
(Srbe ber &ur noch befonbers empfohlen. 33oU Setftänbntfi für
bes flurfürften 2lbftchten, felbftlos, ^ingebenb unb treu, flug
unb gewanbt, thatfräftig unb gelegentlich rücfftchtslos bura>
greifend nenn aud) ohne redete Stetigfeit unb bem äufeerft
empfinblicheu fturfürften gegenüber juroeUen nicht glüdlieh in
ber gorm unb bann ^art jurechtgewiefen, war er wof)l ber
2Hann, um in ©emeinfdjaft mit bem geiftesoerwanbten 93urgS=
borf in ber SWarf bie Crbnung ^erjufteüen. $ie 3Inwefenheit
3ofiann 2lbolf Schwarzenbergs mar ihm fefir unbequem : auch
er fdjrieb ihm bie böfeften 2lbficf)ten ju. 3^ren polittfdjen ©egem
fafc oerfc^nrfte ein perfönlicher: ber SÖtarfgraf erftrebte bas
SHeiftertum bes 3ohanniterorbens. dt war baher mit 93urgs=
borf barüber einig, che nicht „biefe böfe Sdjwarfcenbergifche
flrt" certügt märe, würbe ber tiurfürft mit £anb unb beuten
nicht fid&er fein, ©ewiefen freilich mar bem ©rafen nichts,
unb bem Unbefangenen erföchten feine intereipierten Briefe
unverfänglich: ber~©raf betrachtet bie Vorgänge in ber SJiarf
einfach oon bem faiferlidjen Stanbpunft aus, unb ba erweeften
fte i()m ernfte 33eforgniffe. Seine Wiener greunbe äufeern fidr)
in gleichem Sinn : man falj in 23ranbenburgs 2lnfnüpfung mit
Schweben unb bem Verlangen ber Staube nach Waffenruhe
3eichen einer bem tfaifer feinblichen ©eftnnung. £amü aber
würbe roeber bem Murfürften noch ben Stänben etwas ©hren=
rühriges nachgefagt. 9iun fotttc aber nadj ber Ecchiffrierung
eine* ber aufgefangenen »riefe ber ©raf erflärt bähen, alles
thun 5U wollen, was bem flurfürften fchaben fönnte. 311« Marthel
unb SBafttan oon SBalbow unb »lumenthal anfamen unb „bas
.Kollegium" oerftärften, meinte ©urgsborf, nun werbe bas
.tforrefponbieren erft redjt angehen : es gelte baher „bie oon bem
gefallenen Saume hinterbliebenen Wurzeln ausstreuten, ehe fte
aufs neue wieber ausfölagen", beim „wenn man biefem hoch 5
fdiäblichen Werfe nid)t balb unb jwar mit einer fjeroifd&ett
SRefolution begegne, werbe baraus großes Unglücf entftefjen".
$atte s ilbolf Schwarzenberg unrecht, wenn er SurgSborf ju
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I. Die ftänbtföe Weaftion.
403
feinen entfdjiebenften Söiberjadjern regnete? ©benfomenig machte
er ftd^ einer 33erleumbung fd&ulbig burdj bie 9Mbung, bie
märfifdjen Stänbe wünfd)ten bie Entfernung ber flaiferlidjen
unb ben grieben mit Schweben. SefonberS übel nahm man
es, ba& er ftch über bie militärifchen SWafena^men, namentlich
bie Rebuftion abfällig ausfpradj. (Sigentlid) aber tjatte ber
Äurfürft gar nicht allein über bie Regimenter ju oerffigen, bie
auch bem ßaifer verpflichtet waren. @r felbft (atte es baljer
fdjon Schwarzenberg gegenüber bebauert, bafe in ber betreffenben
gormel nicht genau auSgebrücft war, wie ber bem Äaifer ge*
leiftete (Stb nur für ben gall gelte, bafe bie Gruppen im nädjften
gelbjug jur äöiebereroberung Bommerns oerwenbet mürben.
3Juo) unterhanbelte er über bie SRebuftion, bie fein Sanb ge=
bieterifd) forberte, mit bem flaifer unb bot biefem bie SRegi=
menter an.
9lidjt politif^e Umtriebe, nur oermögenSrecht liehe 3m
tereffen führten 3<>h ann Slbolf oon Schwarzenberg in bie SJlarf.
$arin war er ber echte Solm feines 23aters, ber bie (Sorge für
fein Vermögen niemals aus ben 2lugen oerloren fyatte. 3luch
far) jene &t\t nichts 99ebenfliches barin, wenn ein SBeamter
nebenher mit bem Staat für ihn fetbfi gewinnreiche ©efdjäfte
machte. 3 n folgern Umfang freilich unb mit folgern Erfolg,
wie ber &err SHeifter t>at bas wot)l faum einer getfjan. 3n
feiner fman$ieflen öebrängnts flüchtete ©eorg 2Btlfjetm oft p
feinem fürftlidt) reichen SRintflcr, ber nicht blofj aufjerorbentliche
Ausgaben, wie für Öefanbtfchaften unb bergletdjen, fonbern
auch bie (aufenben ftaattid^en Sebürfniffe aus feinen Mitteln
beefte, balb mit, balb ofme ^Pfanb. So würbe er ber oor-
nehmfte ©laubiger feines fierrn unb feines Staates. $)a§ er
ftch babei wucherifch bereichert Ijabe, ift freilich nicht erwiefen.
Slber er benufcte bie tfonjunftnren unb bie finanjieHe 9Had)t,
bie in jener gelbarmen $eit feine reiben ^Barmittel ihm oer^
liefen, ^fanbfehaften aller 5lrt, ©üter unb ©runbftücfe, Renten
unb nufcbare Rechte braute er an fich unb erwarb fo ein nach
bamaligen Gegriffen ungeheueres «ermögen. $er tfontraft
jmifdjen feinem Reichtum unb ber 2lrmut bes oon if>m regierten
Staats forberte bie öffentliche Meinung heraus: feine £rul)en
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404
drittes $ud>. Xic Rettung ber 3u!unft.
waren mit ©olb gefußt, bie $affe feine* .fterrn ftanb teer.
«£ie einfünfte be* Hurfürften in ber 3Harf, bic oor bem ftrieg
ü6er 260 000 Xfyakx betragen Ratten, roaren 1640 auf etwa
35 000 Xfjaler rebu^iert. 3luf Glet>e laftete eine fianbeöfdjulb
oon über lOOOOO Jätern. «Die tneiften preußifchen ftammer=
ämter roaren oerpfänbet — unb einer ber Hauptgläubiger war
überall ber 3Rtnifier! Um SHiüionen fjanbelte eö fiaj baf>er bei
feinem Radjlafc, junädjft freilief) in 2lu6enftänben, namentlich
ftorberungen an ben Staat unb ben .Hurfürften. 2luch bie 6in^
fünfte be* 3ohannitermeiftertum* roaren feit fteben 3at)ren im
Rücfftanb. Otjne fie berechnete Sodann 9lbolf ba* oätcrlictjo
©utfmben auf nmb 790 000 Tljaler — eine Summe, bie unter
ben obroaltenben 9?erf)ältniffen felbft beim SSerjidjt be* Sanbe*;
herrn auf einen beträchtlichen Xeil ber 2anbe*einfünfte nicht
aufzubringen mar.
SBon hier au* erhielt be* jüngern trafen «Drängen auf
3lnerfennung unb öefriebigung ber ererbten Slnfprüche poli=
tifche Sebeutung. «Da* 3ntereffe be* Staat* gebot ihre forg;
fame Prüfung: bamit mar noch feine*roeg* bie 2lbftcht gegeben,
fie $u oerroerfen. Slnber* aber bachten be* hurfürften fRätc.
3n ihrer feit 3 a h ren aufgefammelten (Erbitterung griffen fic
begierig ben 33erbacht auf, ihr 93efieger uerbanfe feine Reich-
tümer unehrlichen Mitteln, 33e$eichnenberroeifc begann bie 3lftion
in (Sleoe, roo ber 2Rimfter befonber* gehaftt mar. 2lua eigenem
eintrieb befchlagnahmte bic bortige Regierung ba* Schroarfeen=
bergifche ®ut £uiffem unb legte fogar Xruppen hinein. 2lueh
in ber 2Warf mürben bie Vermalter unb (Stnfaffen ber betreffen*
ben Remter balb angeroiefen, „bem ©rafen fich mit Pflichten
nicht oerroanbt ju machen noch ©ef)orfam 311 leiften". 2Wan
fperrte bem Sohn bie (Sinfünfte, roährenb bie Schweben bie
Schroarfcenbergifcheu (Süter befonber* brüeften. „3$ fann,"
fchreibt ber @raf nach SBien, „nicht genug fagen, roie unglücf=
lieh wir geht. 3<h &in alliier roie eine ©ule jroifchen ben
Jlräfjen." Die feinem $atcr alle* oerbanften, feien feine ärgften
geinbe: Ehrerbietung unb greunbfehaft beteuernb, fudjen fte
ihn um ba* Seinige ju bringen. 2tlle* nehme man ihm, blofe
roeil ber Äurfürft nicht roiffe, roie e* [ich mit ben betreffenbeu
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I. Sie ftänbifäe Steaftion.
■105
Gütern eigentlich ©erhalte, unb wenn er nicht fo fdniell herbei;
geeilt toäre, hätte et nicht einmal bas oäterliche ©über ge=
rettet unb nicht fo oiel gehabt, um ftch ein £rauertleib machen
ju laffen. 3 um fa&e c i" treuer Liener genuffe Rapiere
bem ©eroahrfam ber turfürftlichen Räte lifttg entzogen unb
Über Gleoe nach ben Rieberlanben gebracht. 2J2an nahm an,
es hanble « m politifch fompromittierenbe ©chriftftücfe, bie
hochüerräterijdje $erbinbungen feines Katers barthun fönnten.
2lus ber nachmals als unrichtig enoiefenen Deutung einaelner
Stellen in feinem Sriefioechfel mit SBiener ^reunben fchtofj man
auf einen ähnlichen Inhalt ber befeitigten Rapiere bes SBaters.
Vielmehr wirb an ©chriftflücte oon oermögensrecf)tlicher 33c-
beutung 51t beuten fein, Söcfifcurtunben, ©chulboerfchreibungen,
$fanbfcheine, 3inStabeflen, ©utSrechnungen unb anberes mehr,
oon benen ftch nach bem 3 cu 9 n i g ocr turfürftlichen Räte in
bem roieber eröffneten Racljlafj bes SBaters „ein großer äiJuft"
gefunben hatte. Tab ©raf 3ol)ann Slbolf ben ihm oon SBien
aus empfohlenen 93erfudj jur SSeftechung ber turfürftlichen SRätc
als aussichtslos ablehnte, oon ben märfifchen ©täuben urteilte,
fxe neigten mehr ju ©chroeben als jum tfaifer, unb meinte, bie
Oberften ber $ur Rebuftion beftimmten Regimenter hätten ©runb
jur öefchroerbc, bafe er ben an uou rttodioios ©teile gefefcten
Oberft Rtbbecf für unfähig ertlärte — „ein pur lauter Saff" fei
er, unb ihm ©panbau, bie föauptfeftung, anoertrauen, fei, „als
ob man ein $orf mit einem tollen Pfaffen oerfehen wollte" — :
all baS märe ihm unter anberen Umftänben nicht 511m 5Ber=
brechen angerechnet roorben. folgerten 3Jiartgraf ßrnfi
unb ©urgsborf baraus bie böfeften 3lbfichten. 2)aju ergab ftd),
bajj feine Sitohl 511m tfoabjutor bes Katers im Drbensmeifter=
tum ftatutenroibrig gefcheljen mar. Unter bem ©inbrud oon
äße bem, immer oon neuen ^Denunziationen befttirmt, lebte fich
fojufagen ber Äurfiirft in ben ©lauben au bie Wahrheit biefer
Slnfdjulbigungen hinein, meinte nachträglich oon ©dnoarfeenberg
auch feinerfeits alles mögliche Ueble erfahren ju fyaben unb
liefe, roas jener gefünbigt fyaben follte, ben ©ohn entgelten.
Xtx ©eheime Rat leitete gegen biefen auf ©runb ber bect)iff=
rierten ^Briefe eine Unterjudntng ein. T>te ©täube flagten mit
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£ritteä *Jud). 25tc Stettung ber 3u!unft.
tanbestjerrltdjer (Genehmigung roiber ifin wegen SBerleumbung.
SRibbecf forberte ifm $um ftueü. $)a§ er bie gorberung an*
nahm, beutete man als (Singeftänbnis ber Seleibigung Stibbecls
unb meinte, er habe bamit audj anerfannt, roaS man tf)m fonft
auf ©runb ber aufgefangenen Briefe fdjulb gab.
3Bar bas Verfahren gegen ben trafen roeber geregt noch
billig, fo roirb man feinen Urhebern unb bem ihnen folgenben
jungen gürften bod) milbernbe Umftänbe nicht oerfagen. 3n
ihrer fd)n>terigen Sage brauten fie bie Gattung bes ©rafen,
ber feine prioaten fechte oerteibigte, mit bem SBiberjlanb in
33erbinbung, bem fie fonft begegneten. Noch fjatte man ftch
mit Schweben nicht oerftänbtgt, wenn auch thatfächlidj 2Baffen=
ruhe eingetreten mar. SBintcrfelbö 3)lif[ton nach Hamburg ju
bem Segaten ©aloius fdjeiterte. 3n Stod^olm fetbft mufjte
man unterhanbeln. 21m 1. 3)iai gingen ©erwarb Numelian
r»on Seuttjtmar unb öalthafar oon Srunn borten ab, um ben
£f)ronroed)fel anzeigen unb jur Anbahnung bes alten freunb-
fchaftlichen 93erhältniffes gunächft einen SBaffenftiUftanb auS$u=
roirfen: bas SBort Neutralität, bas man in SBien nicht gern
r)örtc, mürbe forgfam oermieben. 21ber fdjon bas beunruhigte
ben fatferlidjen £of: foöte man nicht burch eintreten für bie
9Rea)te Schwarzenbergs auf ben jungen .fterm in Königsberg
eine fjeilfame ^ßrejfion ausüben ? 2lber mehr als eine empfehlenbe
^Befürwortung feines Anliegens bei bem tfurfürften rourbe bem
(trafen fchliejjltch boch nicr)t ju teil. 21nbererfeits befürchtete
man, bie ber Nebuftion roiberftrebenben Oberften tonnten fidj
biefem oerbünben, er ftc für feine Qmdz benufcen. 3n ihm
trafen fo für bie Nöte bes fturfürften ade ihrem §errn feinb*
liehen ftenbenjen jufammen: in ihm meinten fie aUe ©egner
treffen ju tonnen.
3njn)ifa)en mar ber Sanbtag jufammengetreten. 3lber trofc
ber entgegenfommenben furfürftlichen ©eneralrefolution oom
31. ^Jiärj ^atte Grnft oon ^ägernborf feinen leisten Stanb.
©ern aeeeptierten bie Stänbe ben ©rjafc ber ben Oberften unb
&auptleuten bisher gemährten unbeftimmten 39e$üge burch ein
feftes 3 a ^ge^alt. lieber biefeö freilich galt es fidt) erft mit
ben anfpruchsoollen Herren ju oerftänbigen, bie bas niebrige
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I. 2>ie ftänbiföe SteaWon.
407
Sommertraftament mit ihren Seuten lärmenb jurücfmiefen.
i'lud) baä Verlangen ber ©täube nach Unterfuchung befi ge?
famten ÄriegSetatö ber legten 3af)re burdfc) eine fürftlich--ftän=
bifche ßommiffion würbe erfüllt. 9Jlti ber ^ätigfeit Schwarten*
bergft sugleich lieferte ber neue fierr baburch bie Regierung
feines «aterö einer ßritif au&, bie oon beut einfeitigften Partei;
ftanbpunft ausging. Sabei flritten bie Stäube weiter über bie
Duotifation ber Steuern. $er 2lbel wollte wie bisher nur ein
drittel trogen, bie Stäbte foQten jroei drittel aufbringen,
obgleich im gebruar 1641 auf ifjre &ulbtgung »erdichtet war,
weil außer nach Berlin -(Solln, Spanbau, AUiftrin unb ?Jei& nad)
feiner ju fommen mar, fie entweber vom Seinbe befcfct ober
bebroht ober ohne Ginwohner unb oöüig ruiniert waren. 3Me
160 000 ZfyaUx, bie für bie. im fcienfi bleibenben 2400 «Wann
ju guß unb 300 Leiter unb 3ur SRebuftion ber übrigen Gruppen
geforbert mürben, erflärten bie Stäube nicht aufbringen $u
fönnen: ^öa^ftenfi lf>0 000 £f)aler unter (Sinrechnuug ber er;
betenen au&erorbcntlidjen Beihilfe für bie Unioerfität granf=
furt unb bie gürflenfchule gu SoachimÄtfml fönnten fie über=
nehmen. 2lld fie aber an bie Ilmtage gingen, crfctyien ihnen
auch baö als ein Sing ber Unmöglichfeit, weit bie noch in ber
©eroalt ber Schweben befinbltchen ©ebiete nicht mit tyta\u
gebogen roerben fonnten. 3Ker>r als 103 000 Xfyakv roareu
nicht ju bcfchaffen, währenb allein baö Sommertraftament
über 111000 £fmler erforberte. 3n monatelangen Söerhanb;
hingen ben Stänben größere ^Bewilligungen abzubringen be*
mütjt, mußte ber Statthalter boch felbft zugeben: „Gfi ift bie
Set'olation uub Unoermögen beö armen ^anbeö fo gro&, baß
iu (Srfefcung foldjcö s DiangcU fein anbereä Littel benn bie
Sttberier: unb Befreiung ber noch befchmerten Greife von fdjjwes
bifdt)er Kontribution unb Quittierung bcs Sanbeö roeber ju er=
benfen noch ju erfinnen gewefen."
Unb ein crfter Stritt in biefer Stiftung gefdjah, als am
24. 3uli ju Stocffiolm ^euchtmar unb S3runn mit bem tfanjlcr
Crenftierna einen 5ÖaffenftilIftanb auf jroei 3ahre unterzeichneten.
Köllig $err ber Warfen freilich rourbe ber tturfürft noch nicht :
bie Schweben behielten Briefen, Sanböberg, ßroffen, ^rauffurt
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408 drittes $Ju$. Sie Rettung bev Sufunft.
unb ©arbelegen jamt ber SDtilitärgerichtsbarfeit unb bem SRedjt
$ur Sflequifttion, nur bic 3it>Mgeri<hl8barfeit unb bie Oefonomte
tarn an ifm jurücf. Qu ber 2lltmarf wollten jte Xangermünbe,
Stenbal, Seef)aufen unb was fic fonft befefct Ratten, räumen,
fobalb ad^t Xage nach 2tustaufch ber iRatiftfationen bie 2Ber=
bener Schan$e jamt bem Stäbtcf>en Serben ilmen übergeben
würbe; oon bem SBafJenftiflftanb würbe biefer mistige (Slb;
Übergang ausbrüeflich ausgenommen. 2)ie ben Schweben oer=
bleibenben Sßläfce foUtcn ungehinbert oerprooiantiert werben,
ber Murfürft aber feine neuen Sefeftigungen anlegen bürfen.
X>ie $reigebung tum Raubet unb ^erfefir $wifd)en allen teilen
[teilte wenigftens bie wirtjehaft liehe ©inheit bes Raubes tyx.
Seiber aber machte ber bem föauptoertrag angehängte Gebens
rejefe bas alles jiemlid) ifluforifch. danach burfte Schweben
in ftüftrin einen ftommiffar beftellen, um bie Ausführung bes
Vertrage« bura) bie furfürftlichen Sehörben 511 übermalen unb
alles Schweben Nachteilige ju &inbern, auch &ie 3utereffen ber
(Sinwohner Bommern« 53ranbenburg gegenüber sju oertreten.
93ranbenburg würbe alfo unter eine 2lrt oon $oli$eiaufftdjt ge=
fteUt unb bie (Sntfchetbung ber pommerfchen grage oorweg ge*
nommen. deshalb oerweigerte ber fturffirft bie S^atififatiou beS
Stocfholmer Vertrages. £rofebem ifi berfelbe oon beiben teilen
oollftrecft worben, fo weit es ohne Schaben ober (Gefahr ge=
fd)ehen fonnte. 2)ie altmärfifchen Orte aber räumten bie
Schweben nicht, weil bie SBerbener Schande injwifchen oon ben
tfurfürftlicben gefchleift mar unb ihnen nicht ausgeliefert werben
fonnte.
£och jehon biefer unoollfommene unb unfidjere Stißftanb
war ein Segen für bas Sanb. Gr ermöglichte bie SRebnftion
unb bie Anbahnung bes UcbergangeS 00m 9)Ulitärregiment ju
bürgerlicher Verwaltung. Um erftere erwarb fich ftonrab oon
iöurgsborf große Verbienfte. 3 um ®ef)eimerat unb Obcrfammer^
herrn ernannt unb im SRange gleich hinter ben .Kanzler geftellt,
würbe er weitaus ber bebeutcnbfte Mitarbeiter bes jungen
&errn. Um zweierlei hanbclte es fich bei ber SRebuftion : einmal
bie SolbateSfa, bie bas Sanb unter fich ä u teilen unb ihm
bejirfsweife ihren Unterhalt abjupreffen gewöhnt war, jur %n--
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I. Sit ftönbiföe iHcaftion.
409
erfennung ber neuen, fold^e SBiüfür aufijchliefeenben Orbnung
$u oermögen, bann etliche Oberften ju beseitigen, bie um bie
ätynbung ihrer Unrcblichfeüen unb ©ewalttfwten $u hinbern,
fid^ ber s Jtebuftion gewaltfam wiberfefcen wollten. Saju würbe
junädjft ber flriegfirat aufgetöft: neben Surgdborf trat ber
Oberft föibbed in ben ©eheimen 9tot. Sluch einer befom
bereu Kriegßfaffe beburfte man nicht mehr. Taö 9Wilitär=
bepartement rjörte auf allen bürgerlichen Qntereffen übergeorbnet
gu fein: o(me biefi mären mit bem üanbe bie Solbaten felbft
balb bem Untergange oerfallen gewefen. 2)odj traf bie SRebuN
tion mehr Offiziere als ©emeine. Von erfteren mar nämlich
unoerhältnifimä&ig oiel oorhanben, weil oiele Oberften unb
.^auptleute jroar ©elb unb Verpflegung für bie uoHe 3«W ber
oon ifmen $u lialtenben Gruppen befamen, thatfädilicb aber
nicht fo oiel bei einanber gehabt unb fid) fo unreblidj bereichert
Ratten. Oberft Sietrid) oon Hradjt broljte anfangs, fidj ber
iftebuftion ju wiberfefcen, fteHte bann unerhörte Vebingungen,
mürbe aber bejebeibener, als man eine Itnterfudjung wegen
Üttieberbrennung ber berliner Vorftäbte (©. 394) einleitete.
92od) gefährlicher fchien 3J?orifc 2tugufiufi oon SRodjow. 2llö
Seutejchinber oerrufen, r)atte er einen Spanbauer ©eiffclichen,
oon beffen Söarnungen oor 5Haub unb ©ewaltthat er fic^ ge=
troffen füllte, eigenmächtig $ur Verantwortung jief)en wollen
unb nach beö &errn SWeifterö Xob bie mtlitärifchen SBeifungen
ber ©eheüneräte als Starrheit uerfjöfnit. 3efct berief er fid)
auf ben bem Äaifer geleifteten Gib, riet feinen Offizieren barauf:
bin aud) ibrerfeitö bem Hurfürften nicht ju febwören, weigerte
ben ©ehorfam unb brohte im Notfall Spanbau in bie 2uft
}u fprengen. ©üblich würbe er in Slrrefi genommen, ©ein
Appell an ben tfaifer f>atte feine golge; als aber ber wiber
ihn angeftrengte $ro$e& eine übte 9Benbung nahm, fanb er
aWittel unb 2Öege jur gludjt. 9ludj ber ähnlich fompromittierte
Cberftleutnant ßartmann ©olbarfer, ber fid> jubem in Schmäl):
reben gegen ben fturfüften ergangen unb einem wegen 3Norbft
inhaftierten ßbelmann jur glucht oerhotfen fyatte, ging mit
einem Raufen feiner Leiter auf unb baoon, um faiferlidje
Xienfte $u nehmen. 9tad| längeren Verhanblungen entfchloß fich
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410
ÜJritteä $ud>. $ie Xettung bcr 3ufunft.
ber SäMener &of, auch bie übrigen noch in bcr Matt liegenben
Leiter in feinen Stenft 311 nehmen. 3fa 2lbjug unter SWarfuS
Subecfe befreite baö Sanb von fchroerer &etmfuchung. S)aS
machte (Sinbrucf auf bie übrigen. Sie SRebuftion vollgog fich
ofme Söiberftanb, motten auch nod) manche ©chroierigfeiten
$u überminben unb bie abgelehnten Offiziere unb Seute mit
bem ilmen ©ernährten ebenfo unsufrieben fein, wie bie ©tänbe
über bie ihnen zugemuteten Opfer murrten.
3lud) 3ofjann 2lbolf ©dfnoarfeenbergs ©adje mar bamit
entfehieben. Seines Vaters £obfeinbe roaren, mie es fdfnen, enb=
gültig jur ©eroalt juruefgefehrt, roährenb ihn feine Vejiehungen
511 ben unjufriebenen Offizieren oottenbs fompromittiert Ratten,
©eine aufgefangenen Briefen entnommenen 2leuj?erungen, fo
wenig fie bie Slbftd&t 511 einem GJemaltftretdj ober auch nur jur
Herbeiführung energifcher 3nteroention bes SBiener §ofes er*
roiefen, erfuhren bie nadjteiligfie Deutung: oon Vefriebigung
feiner 9lnfprticbe mar nicht mehr bie ^ebe. 3a er burfte ©äjlim=
meres fürchten, ©dfjon mar feine Verhaftung befdjloffen: ba
machte er fich burejj nächtliche gluckt baoon. Ob er es that,
um uerbtenter fernerer 2th nDun 9 h n entgegen? 2BaS bisher
befannt geworben, ergibt nichts berart. 2lls übereifriger unb
bem fturfürften fcr)r unbequemer Verfemter feiner Vermögens*
intereffen mag er gefehlt haben : jum Verfchrobrer, ber mit ber
unjufrtebenen ©olbatesfa unb bem Äaifer Schlimmeres plante,
haben ihn nur bie gurdjt unb ber £afe ber geinbe feines
Vaters gemacht. 2lud> bas gegen ihn eingeleitete Verfahren
ergab nichts. 3a Anfang 1642 hat ber faiferliche ©efanbte
3uftus oon öebfwrb ben Äurfürften überzeugt, bafe bie ihm fo
fchwer angerechnete s ileufcerung, er motte immer auf bes Äur=
fürften ©chaben benfen, auf irriger Sednffrierung beruhte.
Um fo roeniger lag hinfort ein ©runb cor, feinen prioatrecht=
liehen ülnfprüchen Vefriebigung 511 oerfagen. greitich blieb bie
Neigung baju aud) jefct gering. 3)odfj oerlor man in Sßien unb
$rag bie ©adjje um fo meniger aus bem 2luge, als ber ®raf
am ^ofe an Slnfehen unb (Sinfluij gewann. 3luf eine neue
faiferliche Mahnung, ihn in bem ihm öebührenben 3U refti*
tuieren, erroiberte man im $erbft 1647 oon Verlin mit einer
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I. 2>te ftänbiföe JKeaftion.
411
ausführlichen Darlegung unb Rechtfertigung be* furfürftHd^ett
Verfahrens, gab aber fchliefeluf) bod) in roefentlichen Stücfen
nad). 2lm 8. Oftober 1649 cebierte ber flurfürft Schroarfcen;
berg bie im 3ü lia>(Sleoef d&en gelegene &errfdjaft äBinnenberg,
bie ihm felbft nach bem ^rornftonafoergteich oom 8. Slpril 1647
für lOOOOO tyakx haftete, als «Pfanb für biefe Summe.
Slnbere Slnfprüche bes ©rafen blieben noch in ber Sdjroebe;
über fte ift auf bem SRegenSburger Reichstage burdj 33lumen=
t^at üergeblia) oerhanbelt roorben. 33on neuem fam bie 6adje
§ur Sprache, ab es fidj nach Äaifer gerbtnanbs III. £ob barum
hanbelte, Sranbenburg für bie Rachfolge bes jungen Honigs
fceopolb unb jur Söfung oon Schweben ju geroinnen. 3)a=
mals mar Schmalenberg bie rechte &anb bes Seopolb nor-
nehmlich beratenben (Sr^eraogS Seopolb Söilhelm. Unter biefen
Umfiänben erfolgte ein Vergleich bahin, bog ber ©raf bie oon
ihm ab ßrben feines Vaters beanfprudjten märftfehen 3lemter
bem fturfürften abtrat unb bafür bura) flönig Seopolb mit ber
böhmifdjen &errfd>aft ^ürglife entfdjäbigt rourbe. $as beftimmte
ben fturfürften bamafs, aud> feine roteber in Erinnerung ge=
brachten 2lnfprüche auf ^ägemborf oorläuftg fallen ju lajfen.
Schwarzenberg aber gab auch jefet ben Reft feiner gorbe*
rungen im betrage oon etroa 20 000 Xbatern nicht auf. 33ei
ben Vünbnisoerhanblungen in SBien (gebruar 1660) lieg
ber flurfürft burdj feine VeooHmäcbtigten barauf bringen,
ba& gegen §erabfefeung ber anfangs mm ihm in ber &öf)e von
150 000 Jätern geforberten Subfibie ber flaifer bie noch
fdiroebenbe „Schroarfcenbergifche ^rätenfton" mit 20 000 ^alern
auf fid) nehme.
2Rit bem bisherigen Verlauf ber Xinge tonnten namentlich
bie Stänbe jufrieben fein : bas fteigerte roeber ihre iDienftbereit;
fdjaft noch iljre Opferroilligfeit. 3äb befämpften jic bie $or=
berungen bes Statthalters für bie müitärifdje Reuorganifation :
16 (Sompagnien ju gufe 311 je 150 ÜDtann unb jroei Reiter^
compagnten ju je 150 3U unterhatten fei unmöglich. Sie nach
bem Sanbtag jurücfgebliebenen Stänbebeputiertcn proteftierten
gegen eine foldje 3umutung : bei ber „lichtbaren 3mpoffibitität
unb Dem elenben, blutroeinenben 3uftanb bes armen Vater=
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412
£riite4 öud>. £ie Rettung ber 3ufunft.
lanbes" möge man fidj mit 12 Eompagnien ju gufe $u je
100 Mann nnb 150 Leitern begnügen unb biefelben, ba fie
in ben geftnngen blieben, bauernb auf bas Sommertraftament
fefcen. denn felbfi baß fei nicht aufjubringen, ehe bie Schweben
bie noch immer befefct gehaltenen ©ebiete nicht räumten. Schon
iahen bic Stäube einen allgemeinen roirtfdjaftlid&en äufammem
bruch nahen, ba wie ber «Staat fo auch ber Etn$elne feinen
Verpflichtungen nicht mehr nachkommen fonnte. Sie perlangten
Erlafj ober &erabfe$ung ber in ben Jlriegöjahren aufgelaufenen
3infenrücfftänbe unb &erabfe$ung bes äinäfuftf* ÜI >n fedjd auf
brei ^ßrojent, Erneuerung bes feit 1620 mehrfach oerlängerten
allgemeinen Moratoriums, 3 a h^ m 9 * n Schulbfdjeinen ftatt in
bar, 3luffchub ber Erefutionen, Aufhebung ober boct) Erleich-
terung ber Haftpflicht ber Bürgen für zahlungsunfähige Kom-
munen ober öffentliche Waffen unb &erabfefcung ber jur 3 cit
ber leisten Mün^e (1620—1023) aufgenommenen Darlehen
auf ben bamals empfangenen Metallwert. Sonfi gingen ihre
Meinungen auch jefct weit auseinanber. den politifchen ©egeiu
fafc jroifchen 3lbel unb Stäbten fteigerte ber uerfchärfte wtrt=
fchaftliche. der 9lbel moHte ben bie ftäbtifche ^robuftion fchüfcen=
ben Eingang^oll, ber bie oon auswärts eingeführten 2lrtifel
perteuerte, aufgehoben unb bas fianb auch bem Erkort oöflig
geöffnet fchen, um feine lanbroirtfdjaft liehen ^Srobufte in $om;
mern unb Mecklenburg an bie gut jahlenben Schweben $u per«
faufen. Er fefcte feine agrarifchen Snterefjen über bie ber
©efamtheit. dali bie Erfahrungen ber legten 3aljre ohne Ein*
bruef auf ihn geblieben waren, geigte baß politifche «Programm,
mit bem feine deputierten bem Äurfürften entgegentraten : ein
ftraff monarchifches Regiment foHtc für alle fttit unmöglich
gemacht werben, denn wenn bie Stäube bas 9led)t erhielten,
fich alljährlich jur Formulierung ihrer Söefdnperben über bie
Verwaltung 311 uerfammeln, fo mar bie ftänbijche Mitregierung
fonftituiert. Sie forberten ferner 3lnteil an ber Reform ber
©erichtsorbnung unb ber Verwaltung, &erftcflung ihrer ehe;
maligen fechte an flirebe, Schule, Bericht unb ^oli^ei, unb
por allem an ber ginanjoerwaltung. Unter biefen llmftänben
mar bie Verfeinbung ber Stäbte mit bem Ebel für ben äur=
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I. Sie ftänbtfäe Seaftion.
fürften ein ©lürf: burdj wirtfdjaftliche 3«9^Änbniffe tonnte
er fte Sunbefigenot'finnen gewinnen.
gürfi erfte freiließ mußte er fidj fügen. ©r ftimmte (92o-
oember 1641) ber Rebuftion ber Gruppen auf bie oon ben
Stäuben für allein möglich erflärte niebrigere W unb
begnügte fidj ftatt ber früher gebotenen 12 Kompagnien ju gufe
ju je 200 2Rann mit 16 pi je 125, alfo im ganzen 2000 SRann,
unter ber ©ebingung jeboer), baß bie Offiziere oon 16 Kom-
pagnien beibehalten mürben. So fonnte er im Notfall ent;
roeber bie ftafyi ber Solbaten in ben Kompagnien ober bie ber
Kompagnien ffceigern. SSon Leitern aber erhielt er wirflidj nur
eine Kompagnie ju 125 "äftann. 3ßäre bafi bewilligte aber nur
auch wirflich geliefert! 3mmer mieber mußten Statthalter
unb flurfürft bie Stänbe mit sßorfteüungen unb Sitten an*
ge^en: roeber bie 9iaturallieferungen noch bie Kontribution^
Zahlungen gingen ein. 2öafi oon ber Slrmee nod) übrig mar,
befanb fich balb in troftlofem 3"ftanbe: ohne fiöhnung, fdjlecht
oerpflegt unb unjureidjenb gefleibet liefen oiele Solbaten baoon.
Unb nun rüdte im 3anuar 1642 Xorftcnfon com ^finebur;
giften h er in bi e 3Karf ein. 2ll$balb erfdjienen bie Äaiferliajen
in ber Slltmarf, ooran Oberft fäartmann (Solbäder mit 3roei
Regimentern, bie biß in bie ^riegmfc ftreiften. Sie oerlangten
bie Errichtung oon 9}Jagajinen, rooüten aljo im fianbe bleiben.
Sie Schweben erneuerten bie früheren Schrecf niffe : bis unter
bie 3Jtouern Spanbana oerfolgten fie bie oon &au* unb £of
giiehenben. 3n ber Stltmarf, im Srömling befonberö, erhoben
fich bie Sauern unb erjroangen .^crabfe^ung unb oertragömäjjige
Orbnung ber $orberungen. „2Bic mit einer raujehenben, burdj-
bringenben SSafferflut" überfdnoemmten nach einem Seridjt be3
SJZarfgrafen ©ruft bie feinblichen Armeen baö &anb. s JWitte
2lpril aber oerlangte Xorftenfon nicht weniger als 300 000 <ßfunb
Srot, 200 SBifpel £afer ober ©erfte, 100 gafe Sier unb
1000 Stücf «ieh. $er Sttarfgraf fchrieb bie entfprechenben
Sieferungen auä unb geigte fo feinen guten SBiHen. &ie 2luf=
bringung, bafi wu&te er, roar unmöglich. Unb ba$u famen
geuersbrünfte in Stäbten unb Dörfern, oeranlaftt burdj 3lb=
brennen beö bürreu Gräfes. 2lnch bie Stäube wußten natürlich
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414
^ritteä ©ud>. £ie SRettung ber 3"'""^-
feinen «Rat. Unmöglichen Slnforberungen gegenüber fliegen fie
£änbe unb ^üfee finfen, famen entroeber nidjt ober lamem
tierten". 9ludj bem Statthalter entfanf ber 9Rut: er roufcte
nicht mehr, roie er f)effeu foflte, unb erflärte bem ßurfürften :
„Senn es bas flarc Slnfebn h^ es feien nunmehr bie Saasen
in ben 3"ftanb geraten, ber auf faft rei summa beftehet unb
ber aeigen wirb, ob ©uer Siebben ober ein anberer 3h* hiefiges
Sanb gebrauten unb genießen fotte." @ine ©efanbtfdjaft ber
Stäube nach Stettin richtete fo wenig aus, roie oorher Otto oon
Schwerin, ber bie Aufhebung bes «Rebenrejeffes 511m Stodljolmer
Vertrag fyattz erroirfen fotten. SBobl aber befam biefer in ben
Quartieren ber 5laiferlid)en fpifce SBemerfungen 311 ^ören über
bas gute Ginoernebmen ber branbenburgifchen „SJeutraliften"
mit ben Sdjroeben. Um ntcr)tö beffer mar es Seuchtmar ge*
gangen, ber Schwerin gefolgt roar. Unb welche «Stimmung
in ber TOarf herrfchte, läfct beö Statthalters Sorge erfennen,
er roerbe balb ebenfo oerbaftt fein roie einft Schwarzenberg.
£afe mit ber oon ben Stäuben errungenen ftrtebenspolittf
nichts ju erreia^en fei, fonnte fdjon bamals für erroiefen gelten.
£a befchlofc ber flurfürft jum enblidjen 33ottäug bes auf
bem Rapier feit -Konaten fertigen Söaffenftiüftanbes bie föebel
in Stocffjolm felbft ein$ufefcen. Gr regnete babei auf ben
©egenfafe $rotjchen ber iRegentfcbaft in StocTf)dm unb ben 3Ser=
tretern ber fdjroebifdjen ^olitif in Eeutfdjlanb : erftere roünfcbte
feine SSermittelung in bem Streit mit ber äöitroe ©uftao 2lbolfs,
bie bereu $lud)t nach $änemarf 3iir ftolge gehabt Eyatte. Siefc
fteHte er baber oftenfibel in ben ^orbergrunb, als er im 3uli
ben flanier Siegmunb oon @öfcen uub 9tumelian oon 53eucht=
mar nach Stodljolm fanbte. 2luch rourbe ba fdmell ein 33er*
gleich erteilt, nach bem bie tföntgimSBitroe bis $ur 9Rünbig=
feit ©bnftinens in Greußen oerroeilen follte. $er Stillftanb
aber rourbe wieber nia^t ratifiziert, ba bie Schweben oon bem
N Jtebenreje§ nicht laffen wollten. Safe bie branbenburgifche ^olitif
an einem 5ßenbepunft ftanb, beroeift bie ben ©efanbten auf?
getragene SBerbung um bie &anb ber jungen Sä^roebenfömgin.
ftriebrtd) 2Bilhelm fam auf bas ^ßrojeft jurücf, bas einft in
©uftao 2lbolfS planen eine «Hotte gefpiett hatte. Sie Antwort
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I. Xie ftftnbtfäe 9teaftion.
415
war wenigftenö nicht einfach abfehnenb : bei ber ftugenb @hri=
ftinenä, In>ß es, fönne man eine Verpflichtung noch ntd^t cin=
flehen, jumat bic Königin jur 3 e *t oon Stocfholm fern fei.
2Bie mufete fid) bic Sluffaffung ber Sage bei bem flur=
fürften geänbert haben, wenn er biefen 2öeg einfchlng, ber bie
von betn jungen Schwarzenberg erhobene 3(nflage ber Neigung
ju Schweben als berechtigt erroieö ! Ob bie flonfequenjen, bic
ftch notwenbig baraus ergaben, ihm mof)I gan$ Mar waren?
Sen ^rieben mit Schweben fonnte if>m bie @h* mit Ghriftine
wofjl oerfdjaffen: wie aber ftellte fie ihn ju ben anberen dächten?
Sen Gintritt in bas fchwebifdje politifche Snftem bennodj gu
oermeiben) auch mit bem §aufe £absburg in ^rieben ju bleiben,
wäre nicht möglich gewefen. Sdjon baö erfte Htudjbarmerben
biefes efjeprojeftö erjeugte fieberhafte Unruhe. Sie preufeifdjen
Stänbe fürchteten Verwicfetungen mit ^oten, bas tyiht fie
fahen ihre Sibertät ernftlich bebroht. ?olen wollte feinen Vafatten
um jeben ^jSreis an einer Verbinbung ^inbent, oon ber es
mehr a(s ben Verhift ber Sehenshohett über ^reufeen $u fürchten
hatte. Sänemarf beunruhigte Schwebend SKachtjuwachö, unb
bie 9Meberlänber fürchteten für ben Ausgang ihrer .§anbcls=
ftreitigfeiten mit ber baltifdjen ©rofemadjt. Sen tiefjten (Sin:
bruef aber machte baö igeiratsprojeft in SGBien unb 2Wabrib:
Vranbenburgs Uebergang ju Schweben liefe bas Schlimmfte
befürchten. So würbe ber fdjwebifdje §eiratsptan baö 3e»tnim
für bes flurfürften politifche entwürfe.
92ocfj aber lagen anbere Sorgen näher. Sie 3Harf war
fo gut wie oerloren. S&eber flaiferlichen noch Schweben fonnte
man ©inhalt thun: was man in feiner Ohnmacht ben einen
hingehen (äffen mufete, würbe oon ben anberen als Partei 1
nähme für ihre geinbe geahnbet. Safe bie Schweben oon
Stettin her Munition unb ©etreibe auf ber Cber heranführten,
oeranlafete ernjle Vorfteüungen bes $aiferä. Sie ©etreibefdjiffe
paffieren $u (äffen, erflärte ber Jturfürft barauf, „fyabe bie un*
oermeibliche 9tot unb ber hochbetrübte 3»Pö»b feiner armen
Untertanen erforbert, benen, fyixtte man bic Vorbeifahrt ge=
hinbert, ihr geringer Vorrat mit (Gewalt abgenommen unb
nichts übrig gelaffen worben wäre", unb man fyabt Deshalb
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drittes ittucl). £ie Rettung ber 3ufunft.
nid^t gewagt, ber Untertanen „burch, bie Wolfen brtngenbe
unb bes geredeten (Botted Strafe unb SRadjje nad) fid) jiehenbe
«Seufzer unb frönen auf fttt) $u laben". 3 um &n*9 f«* n
ihm feine SWittel ßelaften^ unb ba ber allgemeine griebe nodj
immer nid)t $u ftanbe gefommen fei, fo bürfe man, „was ex
inevitabili necessitate ju 3eiten gefd)ehen mfiff c", nicht ihm ober
„feinen fo ho<hbebrängten unb bis aufs 3Warf unb Sein auS;
gefogenen Stänben unb Untertanen" anrechnen, ^mmer troft-
lofer lauteten bes Statthalters Berichte. Xa ber Vertrag mit
Schweben noch nicht perfeft geworben, wijfe man nicht, was
eigentlich für bie fchwebifdfjen (Barnifonen $u leiften fei, unb
es werbe baher wohl „bei ber oorigcn Äonfufton oerbleiben
unb ber Unterhalt toie oortjin erzwungen werben". $abci werbe
oiel mef>r als nötig genommen unb fo „bes eigenen SSolfes
Unterhalt immer weiter in ein Stocfen geraten unb in folgen
Abfall fommen, bafe bem 9öerfe nicht mehr ju Reifen". Xu
Stänbe aber oerlangten immer weitere SHebuftion, als ob man
noch nid)t wehrlos genug wäre unb burch oollftänbige iSnU
waffnung bie Jtriegslaften am elften loa werben fönnte ! 2)er
$ofbalt bes Statthalters, für ben fchon im 2Wai 1642 eine
ftänbifdje SBei^ilfc oon 80 £f>alern hotte erbeten werben muffen,
würbe immer fnapper, bie Sage ber Beamten, bie nur einen
Xetl ihrer Äompetcu^en, oft gar nichts erhielten, immer elenbcr,
bie 2luftfid&t, bie flehte 2lrmee bei einanber $u halten unb braua>
bar ju madjen, immer geringer : f aum in ben trübftcn 3eiten
®eorg 2Bilhelins war man fo rat= unb hilflos geroefen unb
hatte mit fo ftumpfer föefignatton ber nahenben ftataftrophe
entgegengefefjen. Solchem $rucf erlag fdfjliefefich bie moralifd)e
unb bie geiftige flraft bes Statthalters, mögen auch bie golgen
einer wüften 3ugenb bic ÜÖirfungen einer feelifch unb förper*
lief) gleich aufreibenben Xhätigfeit gefteigert ha&en. £er ©ins
bruef troftlofen ßlenbs ringsum fdjeint in ihm bie SBafmoor*
fieQung erzeugt 511 fyabtn, er felbft fei ihm bereits oerfaHen:
er machte fich Sorge um feinen Unterhalt, wollte 93erlin oer^
la(fen unb nach Äüftrin überiiebeln. $er Äurfürft, bem bamals
ßonrab oon Öurgsborf perfönlidj über ben Stanb ber 2)inge
SBericht erftattete, fud)te ihn ju beruhigen. (Sines £ages (Sn*
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I. 2)ie ftänbtfdje SRealtion.
417
fang September) aber madjte er fidj bod> in einem 5lnfad gei*
ftiger SSenoirrung naä) Spanbau baoon: er fei burdfj ©urgs ;
borf beim Äurfürften oerleumbet. ©ergeblidj rebeten bie ©e=
fjeimeräte if>m gut gu: ber ©erfolgungsroaljnfinn mar au«:
gebrodjen. Samuel oon SBinterfelb bradjte tfm nadj Berlin
gurücf. Wad) Tagen trügerifdjer SRufje fteigerte ftd& bas Seiben.
3n einem 3immer im (Srbgefdjofc bes berliner Sd&loffes oer^
roeilte ber Unglücflidje f>inter oergitterten genftern. Seine
SButter, SRarfgräfin ©oa Gbriftine oon Württemberg, eilte
hierbei: man fonnte ifn* ntdjt geftatten, bei tym 5U bleiben.
$)ie Sorge ber ©e&eimeräte um if)re Unterbringung unb ©er=
pflegung beleudjtet gred bie unftirftlidje 2lrmut, mit ber man
in Berlin rang. Xit Äörpcrfraft bes ßranfen liefe eine $t\t
lang @enefung tjoffen. 3n ben Stunben ber 9tuf)e fragte er
nadj bes Jturfürften 2lnfunft, fpradj ood särtlidjen ©ebauerns
oon „gräulein Sopsgen", feiner 93raut, warf audj roofjl ein*
mal einen ©lief in bie ifjm oorgelegten Senate unb Eingänge,
gab eine Unterfdjrift unb empfing bie £röftungen ber Religion.
3lber am 2Rorgen beft 4. Oftober 1642 ftarb er.
tiefer Sobesfad mar ein fo harter Sdjlag für ben 5tur=
fürften, bafe er barin bas SBerf eines GHftmifdjers argwöhnte.
3luf tym adein rufite nun feines Kaufes unb Sanbes 3 u ^ uu f^-
6r felbfi mujjte bie 3Karf retten: borten richtete ftd) ad fein
3)enfen. 2lber erft oom 16. gebruar 1643 batiert bie 3nftruftion
für bie Dberrate $ur Regierung ?SreufienS in feiner 2lbroefenf)eit.
Unterwegs fajon famen if)tn neue Ungltitfsbotfdjaften entgegen.
3« ber 2lltmarf Raufte Xorftenfon unbarmherzig: er meinte, bie
Seute fönnten bas Verlangte leiften, fic roodten nur nid^t.
(Sbenfo erging es ber ^riegnife. Wegelagerer matten bie Sanb--
flraßen fo unfidjer, bafe, als Gfirenreidj oon ©urgsborf, ßonrabs
©ruber, mit ber fleinen Seibgarbe bem ßurfürften bis an bie
©renje entgegenritt, bie Stegentfdjaft bie Streife um etlidje
^ferbe unb bie geftungsfommanbanten um etliche Solbaten
bitten mufjte, um ben $Berfef)r oon Ort ju Ort gu ermöglidjen.
2)ie Stäbte Sßrenjlau, ^eusSlngermünbe, Templin, ßidjem unb
Strasburg roaren fo gut wie entoölfert, unb als nun aud)
nodj bas £odnoan"er ber @lbe bie 2lltmarf bebrof)te, roaren in
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Eritieö »u<$. 3?ic »ettung ber Sufunft.
ben oerlaffenen Dörfern bie ©efpanne nid)t aufzubringen, bereu
man $ur ©rrid)tung ber Sdnifcwefn'en beburfte! Unter foldjen
(Sinbrücfen fam ber junge flurfürft am 6. 3Wärj 1643 in flüfirm
an, mit ßonrab oon ©urgöborf, bem Äanjler oon ©öfcen, bem
^ofmarfd&aß 2lbam ©eorg ©ans 51t $ut(i| unb ©erwarb
ftumelian oon Seudjtmar. Von ©erlin waren gur ©egrüfeung
bie ©efjeimcräte erfdjienen. 21m 7. 3Kärj oereinigte er fie jum
erfknmal ju einer Sifcung. 3n ber Arbeit mit biefen 9Rännern,
bem 9lnljören it)rcr SBcridr)lc, ber Erörterung tfjrer 9lnfta)ten
unb bem ©rla& ber nötigen Verfügungen erlangte ber junge
§err erft eine lebenbige 2lnfdjauung oon bem ^uftanbe feines
fianbeft unb ber ©röfee ber ifjm geseilten Aufgabe. 2Wit ber
oollen (Sinfidjt in bie entfefelid&e 2Birflidjfcit, hinter ber alle
©erid)te bod) jurüdgeb lieben waren, gewann er flaueren ©oben
für feine @ntfd)lüffe. 3efct erjl fing er an gu regieren. Unb
mit weldjem Eifer mibmete er ftdj ben ©efdjäften, bie ftd^
i^rem Umfang unb ibrer 3Jiannigfaltigfeit nadj nun oor il)m
auftraten! gaft täglidj fjielt er mit bem ©efjeimen 9lat
Sifcungen. Xiefer erf>ob ftd> wieber 31t ber alten ©ebeutung,
würbe bas ausgleid&enbe, oermittelnbe unb bie (Sinfjeitlidtfeit
ber Regierung oerbürgenbe 3entrum bes Staates, wo alles
oon einiger ©ebeutung erwogen unb entfdjieben würbe, inneres
unb Sleufcereö, bie ^or)e ^olitif fo gut wie gragen ber ©er=
waltung, ^erfonalten fo gut mie 2)inge oon lofalftem 3ntere(fe.
2ludj mürbe in ben nädjften äBodjen burd) bie ©erpflidjtung
ber ©eamten jmifdjen bem Staatsoberhaupt unb ben Trägern
ber Verwaltung enbfidj bie nötige perfönlidje ©erbinbung f)cx-
gefteat.
2lrbeitsreid)e, müf)fclige, freublofe Söodjen unb 3Wonate
folgten. 2ßof)l mag berflurfürft juweilen haben oerjagen wollen.
Söürbe es tym gelingen, Sia)t unb Orbnung in bas Gf>aoS 311
bringen, ber wibrigen ©erfjältnifie ©err ju werben unb für
bie 3 u ? un ft feines Staats neue ©runblagen 311 gewinnen?
2Beld)en Jammer fanb er in ber $oppelfiauptftabt, wo er am
23. bie föulbtgung empfing ! ©erlin ääfjlte 358 wftfte Stellen ;
nod) 1645 waren oon feinen 835 Käufern nur 620 bewofmt.
$ie 3af)l ber geuerfteßen war 1643 oon 800 auf 556, in
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I. Xxt ftänbifdK fleaftion.
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(Söfln bie bcr bewofmten Käufer oon 401 auf 379 gefunfen.
Unb biefe Käufer, in benen im gangen nodf) feine 8000 ©ins
roofmer lebten, waren meift nur Kütten, mit ©trof) unb
©dfjinbeln gebetft unb mit ©dtjornftetnen aus $olg ober 2ef>m.
£)ie ungepflaflerten Strafen lagen ooll Unrat, in bem ©dfnoeine
müßten. $ie 33rü<fen brofjten jufammenjubre^en. Söaffer ent=
naljm man elenben 3ief)brunnen. Um bas furfürftlid&e ©d&Ioj?
bewohnbar gu machen, muffte man erft bas ®adj neu beefen :
ba 3iegel festen, gefd&af> bas mit fielen. Sein befolge
muffte ber fturfürfi fürs erfte in Sürgerquarttere legen. $as
oeranlaffte klagen, wegen beren er zeitweilig na<$ ßüftrin über=
ftebelte. Unb anberroärts faf) es nodfj niel fdfjlimmer aus: in
granffurt waren oon 1029 Käufern unb bürgern noa) 272
oorfjcmben, in ^Brenglau oon 787 nodjj 107, in ber ^euftabt
©ranbenburg oon 700 noö) 300, in Xemplin oon 308 nod)
40, in Slngermünbe oon 300 nod& 29, in Sernau von 302
nod) 85, in Trebbin oon 149 nodj 24 unb fo fort, in Sreuem
briefcen gar oon 500 nur nod& 30!
(Solchem (Slenb fonnte nur burd) einen mirftidfjen Staffen*
ftißftanb mit Schweben abgeholfen werben. Sludf) ber Ijödrfte
$reis, ber baffir gejafjlt werben muffte, erfd^ten gering gegen
bas immer neue Unheil, bas bie oon ben ©darneben erhobenen
Lieferungen unb Kontributionen über bas Sanb brauten. 9ßur
fo burfte man hoffen, biefem menigftens etwas oon feinem
©etreibe, feinem SBiehftanb, feinem fianbel ju retten unb feine
ftinftige Melioration in Angriff ju nehmen, bereits 9JJttte
2lpril gingen oon ©öfcen unb fieudfitmar nadf) Stettin, um für
bas ben fdfjwebifdfjen ©arnifonen in bcr 9Warf ju ©ewäljrenbe
ein bepimmtes ÜJiag ju oereinbaren: bann erft fonnte ber
etocttwlmer Vertrag oom 24. 3uH 1641 praftifcl) werben. Sie
begleiteten deputierte ber Stänbe, um ftd& ju überzeugen, bafj
günftigere Sebingungen mirflidf) nidft §u erlangen feien. 2lucf)
fanb man biesmal mehr Gntgegcnfommen : bas ftärfere Serben
bes ftatfers um 33ranbenburg war Sodann Crenftierna nidj)t
entgangen, ©o fam am 28. 3Wai 1643 ber Vertrag über ben
93oUjug bes Stodffwlwer Stiflfianbes $um 2lbfd>fufe. ©egen
Zahlung oon 10 000 Malern unb Steferung oon 1000 Steffeln
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420 £n"e* sBuc*. Sie Hettuna ber 3u!unft.
©etretbe jeben SRonat rourbe bic bisher auf einen fletnen Xtit
bea fianbeö befdjränft geroefene &errf<fiaft bea Äurfürften in
bem ganzen Umfang ber Warfen IjergefteHt, inbem iljm aud)
in ben nod) mit fdjroebifdjen ©awifonen belegten Orten bie
(anbedf^errlidje Regierung unb 3uiUbi!tion oorbel)alt(o& eins
geräumt mürbe, wenn eö ben @<$roeben vorläufig auef) nodj
erlaubt blieb, fein ©ebiet naä) S3ebarf $u burcfoieljen.
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II. 3\t l|eereafrfjöpfun0, Vit teroaflfete Bßutralifäf
unb ber Wiffiliföt $t\t*t. 1643-1648.
X)er ©tetitner Vertrag fd&icn ein grojjer (Srfolg : bafi er
e« nid)t mar, ergab fid&, als es ifm auszuführen galt. SDie
finanzielle unb roirtfc^aftli^c Sebrängnis blieb biefelbe: felbft
bem §ofe fehlten bie nötigen Naturalien. Neue Hilfsquellen
waren bei bem Nuin ber Sanbroirtfdjaft auf 3af)re funau*
nicht $u hoffen. Staju tierlangte ber faiferlidje ©eneral oon
Jlrocforo Durchzug unb Unterhalt für feine Gruppen. 3h n ge;
wahren f)ie§ ben ©tillftanb mit ©chroeben gleich roieber brechen,
finanziell fo wenig wie miHtärtfcr) unb politifet) roar ber 5lur=
fürft ber 9Rarf Herr. Nur mit ^ilfe ber anberen Sanbe tonnte
man fic zu retten hoffen.
2lber aud) in @leoe roirtf^aftete man feit 1635 mit einem
Defizit von 10 000 Malern jährlich. $enno$ hatte bie neue
Negierung fid) allmählich emporgearbeitet: fic hielt an bem
6djroarfcenbergfdjen ©nftem feft, liefe ben oon ben ©tänben
als „(Somptice" beS Herrn SNeifters heftig angefeinbeten Sanb^
rentmeifter Sufas 93lafpeil nidjt fallen, hielt bie Sanbeseinftinfte
Zur Verfügung bes Sanbesherrn unb gewann burd) 5luslöfung
ber oerpfänbeten Domänen fogar leibliche finanzielle ©tdjerhett.
©o fonnte fie auch bie günftige politifdje ßonftettation benufeen,
um bie fremben S3ejafcungen loszumerben. 3m (Sommer 1643
Zogen bie Hefien ab. $te Nieberlänber räumten einen Seil
ber oon ihnen innegehabten Sßläfce: nur SBefel, Nees unb
einige anbere Orte behielten fie als Unterpfanb für bie leibtge
©offnferfdje ©djulb, an bereu 9lbftofeung noch nicht ju benfen
mar. (Sine Annäherung an bie Nepubti! unb an Sranfreidj
ergab ftdj als natürliche ßonfequenz baoon.
ftte ©ntfeheibung aber erfolgte in s $reufjen. $ort roar
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drittes 93u$. 2>ic Hetiung bcr 3ufunft.
bte unter ©eorg Sßtlhelm eingeleitete ginanjreform (©. 374)
glüeflich Durchgeführt unb ^atte ber Ausbeutung beö Sanbes
burdj bie Oberräte unb ihre ftänbifä)en ®enoffen ein <£nbe
gemalt. Die ausgelöften Domänen gab man möglichft in
Arrenbe, fo bafe bie Regierung mit ihrer Vewtrtfdjaftung
nichts $u tfntn fyattt, fonbern fefte ^areinfünfte baraus jog.
Dasu !amen bie Erträge bes neuen Seejolles in ^iQau unb
kernet unb bie Vernfteinpacht. Der Verfuch aber, bie ginan^
oerwaltung ben Oberräten ganj $u entziehen, hotte, oon ben
Stänben als revolutionär befämpft, aufgegeben werben muffen.
Doch jog ber Äurfürft nun aus Greußen einen befcheibenen,
aber fixeren ertrag in barem ©elbe, 1643 $uerft 7126 Styaler.
Nichtiger noch mar bie babei gewonnene (Sinfidjt, es merbe
möglich fein, bte Seiftungsfäln'gfeit bes &erjogtums fo ju ftei*
gern, bafj bort, außerhalb ber SJtochtfphäre bes tfaijers fowohl
roie ©djwebens, bas befdjafft werben tonnte, oon beffen Uns
entbehrlichfett ber ßurfürft fidj tn^n?ifcr)en überzeugt ^atte —
ein ©eer, um ber Neutralität enblidj Achtung ju erzwingen.
Denn bafj bie unbewaffnete Neutralität, bie ihm bie ftänbifche
Neaftion aufgenötigt hatte, aufgegeben werben müffe, war tt»n
jefet flar — eine fpäte, aber glänjenbe Rechtfertigung Schwarten;
bergs. Nur allmählich war ihm biefe ©inficht gekommen : bann
aber sog er tapfer alle Folgerungen barauS. Unb alsbatb fcheint
ber 23ann ber trüben Vergangenheit oon ihm genommen unb
er über fia) felbfi hinaus ju wadjfen. Die ©ntwicfelung in
auffteigenber Sinie beginnt. 3h* Präger ift neben bem ftur*
fürften felbft $onrab oon Vurgsborf.
Als Vertrauensmann ber fturfürftimäÖitwe war im 3 a =
miar 1641 Siegmunb oon ööfcen nach Königsberg berufen
tDorben. Auch bei bem jungen föerrn galt er balb „mehr
benn fein üttenfdj unb hielt au* bie anbern unter feiner Äontri=
bution unb gurdjt", wie 3ohann Abolf oon Schwarzenberg
urteilte. 3wei 3af)re ftanb er als Stander an ber Spifce ber
®ef chäfte : ein alter ©egner bes §errn 3Reifters, bachte er über
bie Nebuftton unb bie auswärtige ^olttif wie bie märfifdjen
Stänbe. Aber bas Ausbleiben jeben Erfolgs untergrub feine
Stellung. Das Vertrauen bes ßurfürften gewann ftatt feiner
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11. 25te JpeereSfdjÖpfuno unb ber 2öefrfälif$e triebe.
423
Stonrab oon Surgäborf. 2lud) er mar juerft als (Gegner
Sdjroarfeenbergs f)eroorgetreten, ober ntdjt flagenb unb from
bierenb, fonbern in jäficr SluSbauer mit if)m ringenb. $)afür
»erfolgten ifnx beffen „2tbf)ärenten" unb „gaooriten" mit un-
»erföfmlidjem £afj. greiliä) mar audj er, in einer judjtlofen
3cit in bie §bt)t gefommen, im amtlichen Seben nid&t gerabe
ein 2Mufter oon Sitte unb Orbnung unb ftanb nidjt an, einen
löblichen 3w>e<f auä) burd> redfot bebenflidje bittet ju förbern :
ber jüngere Sd&roarfcenberg, bie 2Balboro u. f. ro. mußten baoon
ju berieten. Slber aud) in bes flurfürften 3lugen entfd&ulbigte
bas bie Wot ber 3^it : alle Sefdnoerben gegen ©urgsborf blieben
erfolglos, ja nod) naajträglidf) machte griebridj 2Bilf)elm alle
&anblungen bes Slommanbanten oon Äüftrin roäfjrenb ber legten
3af)re feinefi SSaters ausbrüdlid) ju ben feinigen, erflärte alle
Klagen befi Statthalters gegen ifm für erlogen unb befahl bie
Sefretierung ber barauf bejüglia)en Slftcn. Seit bem &erbft 1642
weilte er in Königsberg, um über bie Sage münblidj 33eria)t
$u erftatten. (Srft im 2Rärj 1643 fefjrte er mit bem fturfürften
nad) ber 3){arf gurücf. 3n biefer Qtit ift er bemfelben nafye
getreten. Seine frifdje, berb jugreifenbe folbatifdje 9iatur ooll
froren Söagemuts feffette, fo fdjeint es, ben nod) fdjeuen unb
oerjdjloffenen jungen &errn unb roeefte in ifjm juerft Vertrauen
auf bie eigene Kraft, ^fjr s 43erfct)r gefialtete fidj faft famerab*
fd^afttidtj. So gewann 23urgsborf ben fturfürften ju feiner
Sluffaffung ber Sage. Obgleid) felbfi an ber SRebuftion beteiligt,
fmtte er fie bod) als einen geiler erfannt, ber nur burd>
Sd&affung eines neuen leeres gut ju machen mar. 3m 2lpril
1643 erflärte er, ber Kurfürft brause mefjr $olf unb werbe
es aud) fdjaffen tonnen, wenn er ben Sdjroeben nidjts mein*
ju geben brauste. Sßeber auf ben ftaifer nodj auf Sd&weben
fei 93erlafe, Bommern gütltd) ju erlangen feine 2lusfid)t : alfo
fei es ,,rüf)mlid), nötig unb ratjam ju einem (Sorpo ju ge=
langen" unb fid) „burdj ben $egen in s Jtefpeft unb Autorität
$u fe^en". Man müffe fid& ben „martialifd)en 3«tten" anpaffen.
So Ratten Reffen unb SBraunfcfcroeig 2lnfef)en gewonnen, unb
ber Kurfürft fönne mebr als fie erreichen, benn bie SBelt &abe
eine gute Meinung oon if)m. 2Iber mit einer 2lrmee allein
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Eritteö $uc$. 2te Rettung ber 3ufunft.
mar e$ mdjt getfjan : fie red^t ju beiluden, brauste mau Mianjen,
wofür Dermalen bie 91ieberlanbe unb granfreid) in 93etraa)t
famen. 2luf Tie wiefen namentlich bie ^ntereffen eieoeö Inn.
$ort mar Surgaborf ein (Seftnnungögenoffe unb Mitarbeiter
erftanben in bem Statthalter ©eneral von Norpratl). 2todj
er oerlangte bie Schaffung einefi &eerefi, um ben (Shicanen
^falj^teuburgfi enblid) &alt ju gebieten: bie Mittel fönne
man bura) ^oläoerfäufe in ber Marf unb SBerpfänbung preu?
feifdjer Remter fcfjaffen. SBie Surgfiborf backte er, ea fei beffer
ein Viertel befi Staatö ju oerfefcen, alö fortmährenb ben 2Jer=
tuft be& ganzen fürchten 311 müffen. $iefe$ Programm (wben
ber fturfürft unb Surgöborf im grüf)jaf)r 1643 vereinbart.
(Srfterer mar fidj ber ©röfje bes 2lugenbltcffi bewu&t. 3Wod)te
er erft in allerlei Zweifeln gerungen haben — mit <5ntfd)lojfen=
heit ging er and 2£erf, bem neuen Berater gleichfam auf £ob
unb Sieben oerbunben. s ilm 20. Oftober fchlofc er mit 33urg$=
borf 2öaffenbrüberfd)af t : gegenseitig oermachten fie ftdj für ben
#aH eines plöfelichen Xobes it)re 58affen; nur feinen mit 2)ia=
manten befefcten Siegen nahm ber fturfürft aus. Surgaborf
ftanb im begriff nach Greußen abzugehen 3ur Durchführung
ber geplanten großen Steuerung, bie über baa Sdncffal ber
Sohenjollern unb ihres Staats entfdjeiben foöte: nicht mit
Unrecht \)at man ihn ben erften preußifchen flriegamimfier ge=
nannt.
SBirtfa^aftlid) unb polittfd), militärifch unb biplomatifch
waren feine Aufträge. Sie preufeifdjen Stänbe foflte er jur
Uebernafmie ber Setzungen oermögen, ohne bie fein ßeer auf=
jubringen mar, unb bie Naturalien bejdjaffen, um bem 92ot=
ftanb in ber 3Jiarf ab3uf)elfen. ©s gelang ihm faft über (Sr=
roarten: er erhielt etliche 100 000 ©ulben bewilligt unb braute
große ©etreibeoorräte äufammen, bereu Serfauf weitere ©elb=
mittel ergab. 2lud) Steh oerfpracb man ihm naäj ber SHarf
$u liefern. Salb fonnte er an bie Werbung bea tferna für
bas neue £eer gehen, bas Norprath sur Verfügung gefieüt
werben foQtc. Som SRieberrhein unb oon Greußen her würbe
fo bie Rettung ber Marf in Angriff genommen: bort führte
man burd), was Schwarzenberg in ber Marf geplant, aber
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nicht burchgefefet (»atte. SBoburdj fic bei einiger OpferwtUigfeit
ber Stänbe oor bem dinin bewahrt worben wäre, baö würbe
burch jum £eil freiwillige ©aben ber beiben ©ebiete nachgeholt,
beren Stänbe ftdj jebem 3mang baju fjartnäetig oerfagt haben
mürben. Siefe Raiten bod) etwas gelernt: ofme ihren prin*
jipiellen Stanbpunft aufzugeben, beugten fie fidt) ber Autorität
beö gürftentums, baö enbüct) feinen 33eruf erfannte. Selten
ift bie ^iolitif eines feinen ©egnern unterlegenen Staatsmannes
nachträglich fo glänjenb gerechtfertigt roorben wie bamals bie
Schwarzenbergs : fein erbittertfter ©egner unb ber von biefem
beratene junge gürft, ber in ihm feinen Xobfeinb gefürchtet
hatte, befannten fich ju ben 3Wafjregeln, um berentmillen man
it)n einft oerfefeert hatte.
2öie $u ber Seit, wo es mit ber Organifation bes natio^
naten franjöfifchen Staats burch flarl VII. juerft gefchichtlich in
bie ©rfcheinung trat, fo bewahrheitete es fidt) auch jefct, bafj
baö moberne gürftentum auf ben ginan$en unb bem ^eere
beruht, &ier gab es, fo fann man beinahe fagen, eine preu=
feifche 9lrmee, ehe eö einen preufeifchen Staat gab. Riecht
eigentlich als eine preugifdje ift bie furfürftliche 9lrmee im
grühjahr 1644 entftanben, rücffichtlich ber ©elbmittel fo gut
wie bes SJienfchenmaterials. 3m 3ahr 1644 hob bie Schatulle
bort fchon 15 258 unb 1645 gar 98 477 Shaler. Damit
fonnte man bie 9)<annfchaften werben, bie man am 91ieberrhein
brauchte. JMju fottten auf WorprathS SRat bie Sefafeungen in
Villau unb" kernet allmählich oerftärft unb auf ber jährlich
breimat oon bort burch ben Sunb fahrenben hollänbifchen
glotte immer 300 — 400 3Rann als ^Baffagiere nach ben 9Zieber=
lanben gefchafft werben. ÜRur fonnte eine folche SBerftärfung
(eicht $olenö SSerbacht erregen: eine glüefliche gügung half
Surgsborf über biefe Schmierigfeit hinweg. Sei ber Qnfpeftion
ber preugifchen geftungen meinte ber 2öoiwobe ÖJraf Dönhoff,
weiter als mit ben 9000 Sanbmilijen, bie Sßreu&en aufbringen
fonnte, fönte man boch mit 3000—4000 2Rann ju gufe unb
1000 Weitem geworbener »erufsfolbaten , unb wies bamit
auf eben ben 2Beg, ben ber flurfürft mit 33urgsborf gehen
wollte. Das legalifierte bie Sßerbungen polnifcherfeits unb
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Dritte* %iut). Die Rettung ber 3u!unft.
mad)te audji ben preuf?tfdf)en ©tänben bie <5infprad)e Dagegen
unmögltd).
3m grüf)jal)r 1644 warb ß^riftian oon «Jtonueiüifc mit
bem oon Storgßborf angeioiefenen (Belbe jroet Kompagnien unb
führte fie (Snbc 3uli nad) ber «Warf, oon roo (Sioalb oon Älcifi
&ur «Berbling einer ferneren Gompagnie nadj «Jkeu&en ging.
(Sine oterte rourbe im fcerbft nad) üöranbenburg birigiert : ber
ßommanbant oon Villau, oon ^ßobetotfd, t)atte fic jufammen;
gebraut, ©ine fünfte warb man in ber «JWarf. «Jludj am 9Heber=
rfjein fam bie ©adje in ©ang. Die Reffen waren abgezogen,
bie ftaatifdjen Gruppen auf bie roenigen oerpfänbeten Orte
befdjränft. «Neun Gompagnien, roeldje bie «Rcpublif entlief),
fieben ju gufo unb jroei ju «JSferbe, nafnn «Rorpratfj in bea
Äurfürften Dienft unb oerme^rte Tie im Saufe beä 3a$re« auf
17 ju je 100 «JHann. 9Jad) ©leoe rourben bann aud) bie fünf
in ^reu&en unb ber s JWarf geioorbenen ©ompagnien gelegt. «Rur
bas ßeibregiment unter ftonrab oon öurgsborf, baö ebenfalls
burdj 2tterbungen in ^reufeen unb mit prcufjifdjem ®elbe ge*
bilbet mar, blieb in ber Üftarf.
93ei aliebem fwnbelte eö fid) nun aber nid)t, toie fonft bamals
geroöfmlid), um eine SBefyrfjaftmadjung blofc btä jum grieben,
ionbern um eine bauernbe. Dat>cr oefdjäftigten ben Äurfürften
ernfte organifatorifdje ©rroägungen. 3" füljrt eine Xtr\U
fdjrift be$ fpäter in ben (Reimen «Rat berufenen flurt 33ertram
oon «£fuet oom «JRärä 1644, roeldje als einjige ftdjere 93aflö für
eine itjrcr felbft geioifje nationale 2Bct)rfraft bie $olföbetoaffnung
f)inftellte unb, in Kombination mit bem Söerbefoftem, als bur<6 *
fühlbar erroeifen follte. 3" Wefer böfen 3cit, bamit beginnt oon
«JJfuel, fann ein föerrfdjer feine Aufgabe, gaffung unb (Spaltung
befi Sef)r=, «Jiäfjrs unb 2Öef)rftanbeö, nur löfen, wenn er $unäd>ft
für Formierung beö „gewappneten SSeljrftanbes" forgt. De«*
fjalb brauet ber tfurfürft oor allem ein föeer, 9000 «JJJann $u
gufj unb 2000 Leiter, fiebere follen mit 7500 oon erfteren
bie gelbarmee, bie übrigen 1500 «DJann $u gufj bie 33efafcung
ber gelungen bilben. Den beseitigen SBeftanb ber furfürftlid&en
Gruppen beredetet «ßfuel auf 2400 «Wann su gufe unb 200 Leiter :
bafjer follen 3600 «Mann ju gufc unb 1800 Leiter geworben,
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II. £te §eere9fd)Öpfunfl unb bcr 3Beftfälifäe triebe.
427
3000 3)iann 311 gujj aber aus bem Sanboolf ausgehoben roerben.
2)a$u foll bie Seoölferung aufgenommen unb ju möglichft ge*
nauer Auöfunft oermocht roerben burdj bas Vorgeben, man
motte ben einzelnen für ihr roirtfdjaftüdjes gortfommen eine
ftaatliche 33ei^ilfc gewähren. 2)ie oerjetchneten $)tenftfäbtgen
foden bei einer neuen Berufung jurficfbehalten unb cttigcfteHt,
bie übrigen aber mit ber uerhei&enen Unterftüfeung entladen
roerben. $en Unterhalt für bie Armee badete ^Bfucf baburtj
ju befefjaffen, baß in {amtlichen — nach if>m 4000 — Dörfern
immer ber befte Bauernhof jroei ©olbaten unb ben Anteil von
ben übrigen Saufenb, für jeben SDlann monatlich jroei Reich«;
thaler, übernehmen, bann aber oon allen fonftigen ftaatlicben
unb ftänbifchen Saften frei fein fottte. Sie 2000 Leiter follen
oon bem abgelöften Eienftgelb ber SRttterpferbe, bie (amtlichen
Offaiere oon ben Stäbten, Artillerie unb Munition com
Äurfürften befdjafft roerben. 3)er Storfdjlag empfahl fich burd)
eine geroiffe auögleichenbe (SJeredjtigfeit : bem 93auer legte er
bie Saft ber £)ienftpflia}t auf, in bie finanjieüe Saft teilten
fidt) ber gürft, ber Abel unb bie ©täbte. ©0 meinte ^pfucl
ben miles perpetuus su fdfjaffen, beffen man „nach biefer Sanbe
hodjft bebauerlichem eigenen (Stempel" bebürfe. fterfelbc fei
nicht, roie bie Stänbe meinten, eine Saft unb ^ßlage, „fonbern
roohl erträglich unb baju roie nüfce, alfo auch ergö<d)". 5Uar
ift ihm bie Rotroenbigfett eines in fidt> gefchlojfenen unb bem
Sanbesherrn treu ergebenen Dffijtercorps. 3" 33ranbenburg,
meint er, fei ba& Material ba^u reichlich uorhanben: feit
fahren ftröme ber märftfehe Abel in frembe Sienfte unb beraube
baft $aterlanb feiner tüdjtigften Söhne. 2)as müffe ein (Snbe
haben, jumal jur 3eit baö flriegsroefen „ginanjerei unb Äauf =
mannfehaft" geroorben fei, ba abiige Herren mit ihren (Zorn-
pagnien unb Regimentern ©efchäfte machten: auch mit ihrem
(Mbbeutel fönnten fie in Bufunft bem Äurfürften bienen.
Sie ®eftaltung bes entjtebenben branbenburgifchen §eer=
roefens t)at ^SfueU Senffchrift nicht beeinflußt. 3n ihr öeheim^
nis roar ber 58erfaffer nicht eingeweiht. Auch ift feine Arbeit
allein bem äurfürften befannt geroorben, ber perfönlich baburch
angeregt fein mag: bauernb fct)en mir ihn bemüht, bie aH=
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•128
Sritteä $uc$. Sie SHettung ber 3ufunft
gemeine $ienftpflidjt mit bem äßerbefnftem in (Sinflang ju
bringen. Unausgefefct arbeitet er an ber SMlbung unb Hebung
bes Offotercorps. 9iad& Sßfuels $orfdf)lag ftd&erte er etlidjje bereits
Sur 9toj>e gefefete t)öfjere Offiziere für ben gatt bes SBebarfs
feinem ^ienft, inbem er ifmen SBartegelb jaulte. 2luf biefe
3trt mürbe bie 9Harf an ber §eercsfd)öpfung beteiligt, bie fonft
eine preufeifdje mar unb junääjft am Nieberrbein in bie @r=
jd)einung trat. £)ort ftanben balb 4100 SJZann, in ber 2Warf
2400 unb in ^Sreufeen 1200—1300, ju benen im SUotfaü nod&
5000—6000 SBibranjen, £anbroet)ren, traten. 2ln regulären
Gruppen Jatte ber Äurfürft bemnadfj 7700 — 7800 2)tonn. 3Bie
bätte ftd) — fo fragt man unroiHfürlid) — bas ©dfjicffal 93ran=
benburg=$reutjens gemattet, märe biefes &eer adjjt biß neun
3afire früher ba gemefen? Sei ber bamaligen aagemeinen @r=
fdjöpfung mar es eine nidfjt oerädjtlid&e SBaffe, menn eine
$ielberoufete auswärtige $olitif beu regten ©ebrauet) baoon
mad)te.
Unb audf) eine foldie leitete ber fturfürfl ein, inbem er
ben SRieberlanben unb 3ranfreid) närjer trat. 3Jr oerbanfte
er bie Räumung (SIeoeS, feiner 93efefeung burdt) bie junge
Strmee bic Slnerfennung feiner Neutralität. $atj §effen unb
9?ieberlänber nur unter ber SJebingung abjogen, bafi bie
geräumten Orte oon furfürftlidjen Gruppen befefet mürben,
fd&nitt bem flaifer jebe @infpract)e gegen bie branbcnburgifd&en
Werbungen ab. 9lucb auf ©djroeben matten biefe (Sinbrud.
3m grübjabr 1644 erbot es fid) jur Uebergabe granffurts unb
tfrofiens unter ber öebingung freien 2)urd()$ugs für feine
Gruppen unb Xransporte, forme roeiterer Seiftung ber oereim
barten Lieferungen unb Gablungen. 3 m mürben
barauffjin beibe Orte oon ben fturftirfUidien befefct. 2(ud) mit
granfreidj fnüpfte man an auf Anregung feines ©efanbten in
fünfter, bes ©rafen b'&oaujr, ber bie toadfjfenbe S3ebeutung
Sranbenburgs erfannte. 2tus Inlafj bes Xbronroed)felS rourbe
SBinanbt 92obt an ben springen oon ßonbe gefd)icft : unter bem
$etfmantel ber tfonbolenj unb (Gratulation follte er um §üfe
in betreff Bommerns unb gegen $fal^9ieuburg merben. $ie
Slnttoort oerluefe bas 93efte, menn ber fturfürft mie fein ®rofe=
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II. Xtc §eere3fäöpfunfl unb bcr SBeftfälifdje triebe. 429
oatcr ein gutes (£tnoernel>men mit SranFreidj Pflegen mürbe,
beffen Ißernadjläfiigung feinen 5>ater um ^tontroern gebraut
f)abe. ÜRatürlid) backte man nur SBranbenburg ausjunufcen.
2lber bie Intimität jmifdjjen b'2loaur unb Stobt in fünfter
madjte weithin Ginbruc!, befonbers beim aifer unb bei Schweben,
beren 3lbfid&tcn, fo oerfd)ieben ftc waren, babura) gleidfjmägig
bebrofit fä)ienen.
3n Söien oerfolgte man biefen ©ang bcr Dinge mit
rcadrfenber Sorge. 2>aft griebridj 2£ilf)elm ben auf ben 1. 2luguft
1642 na<$ granffurt berufenen 9?eidf)Sbeputationstag erft gar
nidjjt befdfntfte, bann (2Hai 1643) burdfj ben in ben ^rrgängeu
bes SRetdjsredjts f>etmifdfjen SRattljiaä SBefenbecf alles tJum lieg,
um feine 21uflöfung unb bie 3"^ffung aller SReidjsftänbe gu ben
griebensoerljanblungen burd^ufetjen, faf» man bort als einen
2ift ber flebeUion an. 2lud& trat «alias, ber im 3uni 1644
angebltd) im $ormarfä) gegen ^Sommern erfdjien, fo brofienb
auf, bafc man ftdf) bes Sa)limmfien oerfaf). Sdjleunigft rüftete
man, fperrte bie ?äffe, jum £etl bura) aufgebotene Sauern,
unb fammelte bie Gruppen. Uebcr ftangermünbe unb 3(rneburg
wollte (Cottas nadj SBerben unb über bie @lbe nadfj föolftein.
Ob es 3 u faß njar / Da 6 * m Seltowfd&en Greife gerabe tfonrab
oon $3urgSborfs &ut ®rofe: s JRad(jenow geplünbert mürbe, wobei
etliaje ßurfürftlid&e fielen? Gwalb oon ftlcift würbe an QaHas
gefd)icft. 2öas ben Sdjweben re^t, fei bem .«aifer bißig,
meinte biefer unb ©erlangte Einräumung etlicher fefter ^täfee
unb bas ©letdje an s ?rooiant unb ©elb: wer (Schweben
120000 Später ja^le, fei nidjt ruiniert. Die foiferlicfien £a=
oaliere aber meinten gar, fic mürben ben tfurfürften, wenn
fie fönnten, „beim Äopf nehmen", plante man einen £>anb--
ftreidj gegen beffen ^erfon ? 9Han riet if)m, fi$ in tfüftrin in
Si<$erf)eit gu bringen. ©ab ©alias bodj ju, er foHe fic§ ber
geftungen unb anberer Orte in ber 2ttarf bemädjtigen unb
„alfo bie fdjwebifd&e Beirat $erftören". Deffen beburfte es
nidfjt mefjr: ber Spion, oon bem man in 9Rom ben Untergang
bes Kaufes Oefterreid) befürdfjtete, war bereits gefächert. ©0
begnügte ftdj (MaS mit fiieferungen. Dennodj erfjob ber
Shirfürft in üBien energifdjc Sefa^werbe, gab juglcia) aber be=
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430
dritte* »u$. Eic Settung ber Sufunft.
ruljigenbe (Srflärungen über Umfang unb 3roe<f feiner 2Ber=
bungen.
Saft ©uftao 2Ibolf bie 3ufunft ber @oangelifa)en bur<$
bie @f)e feiner (Srbin mit bem Murprinjen oon Sranbenburg
ju ttdiern gebaut bat, ift ebenfo geroig roie, bafc legerer burefc
biefe Verbinbung fidj aus ben ifm umbrängenben ©efa&ren
retten gefjofft l)at. $en Seitern ber fdjroebifdjen $olttif aber
mar es bamit niemals ernft. 3 ur 3 C ^ ocr erften Anfrage
(S. 414 ) mar bie 3"9cnb ber Königin ein fo bequemer Vor*
roanb, um bie Sadje fnnausaufdneben. £enn bie Sebenfen,
bie fdjlte&lid) jur Verwerfung befi planes führten, beftanben
bamals bereits gans ebenfo. Sdjon ©uftao 2lbolf tjatte ben
Uebertritt bes tfurprinjen jum Sutfjertum unb baß er mSdjroeben
erlogen werbe, geforbert. Viel mein- aber als bie Verfdriebem
f>eit ber ftonfeffion unb bcö VolfstumS bebeutete für bie s JJiänner,
bie jefct Sdjroebens $olitif leiteten, bie Sorge oor ber fürfh
liefen Selbftänbigfeit befi jungen §errn, oon beffen Verufft?
treue, ©efdjäftsfenntnis unb 2()atfraft ber Äanjler Crenftiema
eine fiofje Meinung t)atte. Ü)?tt ber Stellung eines Äönigim
©emabls begnügte er fid) geroife nid)t, fonbern roürbe tfyaU
fädjlid) regieren wollen. So fürdjteten manage oon biefer ©Ije
eine Slenberung ber fdiroebifdjen Vcrfaffung im abfolutiftifdjen
Sinn. 2lufeerbem aber bror)tc biefelbe, bie fd>roebifd)e ^olitif
ber 2lftionsfreil)eit su berauben unb ju gunften Vranbenburg=
Greußens 311 binben. $afi mar bebenflid) roegen dolens, be=
benflidjer nodj roegen Bommern«, gür ©uftao Slbolf Ijattc
Bommern bie Vafis ber Verftänbigung, bie Vürgfdjaft für bie
greunbfdjaft $iotfd)en Vranbenburg=^reufeen unb Sd)»oeben ab-
geben tonnen: jefct begrünbete efi jroifdjen ifjnen eine unaus=
gleidjbare ©egnerfdjaft. $cr ©eroinn, ben Sranbenburg bei
ber ©fje madjen tonnte, mar alfo ungeroifc unb fragroürbig,
für Sdnoeben fjätte fie nad) innen roie nad) außen nur 9toa>
teil gebradjt. So roirb aud) bie &artnäcfigfeit, roomit ber
ßurfürft jahrelang an biefem ^rojeft feftljtelt, unb trofc ber
Sau^eit ber fd)toebifd)en Staatsmänner unb ber ©ntrüftung in
Sien, Söarfdjau unb Königsberg immer roieber barauf 3urü<f=
fam, nid)t als einer ber bebeutenben Qüqc feiner ^Jolitif anjus
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II. £ie §eere3fdf)öpfun9 unb ber 3Beftfötifdje Jriebe. 431
fefjen fein. 2lud) Ijicr fyat er erft burd) bittere, ja bemütigenbe
©rfabrungeu bie Tinge in ifjrer wahren ©eftalt fetyen gelernt.
3m Tegember 1644 tourbe Gljriftine oon ©djroeben münbig.
21uf biefen 3 c ^Punft (mtte man 1041 ben flurfürften oer=
tröpet. Tie üble Beljanblung, bie er feitf>er burd) ©djroeben
erfahren, f>atte feine Slbfi^tcn nidjt geänbert, ia er batte rooljl
baran gebadjt, felbft nad) ©tod^olm ju eilen nnb fo bie ®t\U
fdjeibung ju feinen ©unflen ju bejdjleunigen. 3efet oeranlafete
er oon ©öfeen unter 39e$ugnaf)me auf bie früheren Berf>anb=
lungen bei Djenftierna uertraulid) anzufragen, ob neue Stritte
in biefer ©adje 3lusfia)t auf Erfolg Ratten, ober ob man fie
beffer ru^en lafje, um ben flurfürften nid)t einer Slbroeifung
auöjufefcen. Tie Seriajte befi branbenburgifdjen Agenten in
©torff)olm gaben in betreff ber perfonlidjen Neigung (Sljriftinenß
SU ifn-em Detter Hoffnung, ©o ging im September ber fur=
fürftlidje Rat Bendenborf, jdjeinbar in eigenen 3lngelegenf)eiten,
nad) ©dnoeben. Openftierna erflärte bie ©ad)e für eine ber
föroierigften, bie es gebe, ba an if>r äße Reid)3angef)örigen
intereffiert feien, unb betonte namentlid) bie Bebeufen . ber
©eiftlidjfeit roegen beö Sefenntniffes. Ter £inroeiö auf bie
Rarität, bie in beö ^urfürften Sanben jmifdjen öutberanern
unb Reformierten berrfdje, machte feinen (Sinbrutf. Uebler nocb
lautete bie erfte amtlidje Sleujjerung an SSencfenborf im Te=
jember 1644. 5$on ben oielen ©rünben gegen bie Gf>e rourbe
mieber bie SBerfdjiebenfjeit bes 33efenntni(fefl oorangefteHt, bann
bie nafje $erroanbtfd)aft unb bie ©orge, ob aud) beibe ©emüter
jufammen ftimmen mürben. 2lber felbft banad) gab ber Äur=
ffirfi bie ©ad)e nidjt auf. Um ju itjrer Betreibung mit ©djroeben
lei^ter forrefponbicren $u fönnen, begab er fid) im gebruar
1645 naa) ^reu&en — baß Begräbnis feiner unlängft ge=
ftorbenen ©ro&mutter Suife 3uliane oerbarg ben roabren 3 roc ^
ber Reife — gegen ben 3Bunfdj feiner Räte, bie roobl faf)en,
bafe bie (Sntfdfjeibung nid&t in ©todfjolm, fonbern in Osna=
brücf liege, unb baft man bort beut ßurfürften nur beäfyalb nod)
Hoffnung machte, um i(m oon bem burd) bie Berljältmffe immer
näfjer gelegten 93rud) mit ©djroeben äurütfjufjalten. 3e ent*
fd&iebener er auf bem griebenßfongrefe Bommern forberte, um
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dritte« «u$. Die Rettung ber 3ufunft.
fo mefjr fpiegelte man if>m in Stocfbolm bie (Störung feiner
Söerbung alö möglidt) oor. 3a man fud)te U)n baburd) gut
SRatififation be« (Stettiner Slbfommena ju beftimmen. Dafe er
fie oermeigerte, bewies nad) Oycnftierna 3)iangel an ^erjliä^er
3uneigung ju ber Königin unb tiefe biefe an ber ßf)rlid)feit
feiner SBerbung zweifeln. Den SEBintcr 1645—1646 bauerten
biefe 93erf)anblungen, im tiefften ©ebeimnis, bamit ibr ©Reitern
ben Äurfürften nidjt fompromtttiere, baber für biefen un=
fontrollierbar, für bie fdjmcbifdje Diplomatie Dagegen aufcer=
orbentlidj bequem. Unb als ber Äurfürft cnblidj etnfab, baß er
betrogen mar, ba fd)ob man ba« Scheitern barauf, bafc ber
Brautwerber bie 6adje „faltfinnig" betrieben babe! Äonrab oon
Burgöborf bagegen freute fid), „baft man in ber fdjwebifdjen
§eirat bie 9Wafife oom ©efid>t getrau": unbeirrt burdj baö
itjrt jo lange nufcloö fnubaltenbe £rugbilb, möge fein §err fid)
„um eine freunb^olbfelige unb tugenbreidjc ©emaljlin umtlmn".
Sdjon ^icg es, er werbe um eine $odjter griebrtdj ^einrieb«
oon Dranien. 9?ocr) war ba« ©erüdrt oerfrüf>t: aber eö geigte,
in melier SRidjtung bie öffentliche Meinung bie Rettung 33ran=
benburgö fudjte.
Der Äurfürft felbft mar barüber nodj nid)t im flaren.
2luf biefem ©ebiete nafjm feine forgenoolle Sebrjeit erft ifnren
Anfang. 9?od) mäfjrenb ju granffurt barüber gejiritten würbe,
roie baö SReidj an bem grtebenswerf teilnehmen follte, waren
im SJiärj 1644 bie Unterbanblungen mit granfreid) in 3Rünfter,
bie mit Sdjroeben in Cönabrücf eröffnet worben. 3ln ber opifee
ber branbenburgifeben ©eianbtfdjaft in fünfter fianb ©raf
3of>ann oon <3anm2öittgenftein, ein fraulicher §err aud reich«;
gräflichem ©efcblcdjt, ber btö oor fur$em in fdjmebifdjem Dienft
geftanben hatte. Der eigentliche Präger ber btplomatifcben 31f tion
aber war bort ber ftammergeriebttrat grombolb. 3n Oftna=
brücf mirfte neben SJlattbiaa SBefenbccf 3ohann griebrieb oon
Söben. Sdjon burd) ben iUuögaug be« granffurter Deputation«*
tage« ftanb feft, bafe ber ^rager griebc nid)t al« 9Retcb«gefefe
für bie Üfteuorbnung Deutfdjlanbs mafjgebenb war, unb bafi
bie Slmneftie für bie außerhalb besfelben gebliebenen SRetch«*
fiänbe nicht oon bem Belieben bc« ftaiferä abbing. gür bie
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II. Sic fceere3fcf>öpfunci unb bcr 2öcftfälif$e ftriebe. 433
33efenner bcr 2lugßburgifchen tfonfeffion roar bcr Religion*;
fricbc fetbftoerftänbtid^. $afj feine 2luäbehnung auf bie Refor=
mierten noch beftritten würbe, beroieä nur, roie wenig jene ge=
lernt unb roie fönel! fic oergeffen Ratten, bafj auch für fic bie
greiheit bea (Glaubens eben auf bem Spiele geftanben halte-
ten entfdjiebenften Vertreter aber fanb bie ©letdjberedjtiauna.
au* ber Reformierten, bie fdron ©uftau 9lbolf &u Waint ge=
forbert hatte, in bem tfurfürften oon :8ranbenburg, bem bie
£oä)ter be$ fd^roebifd^en ©laubenshelben eben — angeblich —
um feineß reformierten 33efenntniffcö mitten oerfagt mar. ßr
mürbe, roährenb Äurfachfen in ber alten Unbulbfamfeit beharrte,
ber $orrampfer magrer eoangelifcher gretbeit unb brachte innere
halb beä Reichs bas ^riujip jur Anerkennung, bas ihm im
eigenen Sanbe, namentlich in s ßreu&cn, noch immer battnädfig
beftritten rourbe. 3)aß ber .ftrieg, foroeit er Reltgtonöfrieg ge=
roefen, nicht oergeblieh geführt roar, roar fein Serbien)! Samit
erfi 30g er bie tfonfequenjen au« bem Üonfef|ion«roechfel 3o*
bann Sigiömunbfi: er t)ob ben ffiiberfprudj auf, ber feitbem
groifchen ber fachlichen unb ber politischen ^arteiftellung 93ran=
benburgft beftanben hatte, unb geroann bamit auch für feine
auswärtige ^olitif einen neuen Soben, ba bie Öebenfen fort;
fielen, bie 33ranbenburgs ^nfonjequenj in ben Rieberlanben,
bei ben ^ßfäljeru unb auberroärts erroeeft hatte.
2)auon ©ebraudj 311 machen, beburfte es auch für 33ran=
benburg ber Sprengung ber gejfeln, bie bas Reich felbft feinen
mädjtigften Stäuben noch anlegte, gür fie ift ber tfurfürft
energtfeh eingetreten. 3Jtit roelchem erfolge, ift befannt. $er
gorm nach fortbeftehenb rourbe bas Reich innerlich aufgelöst:
eine Reidfjspolittf gab es hinfort ebenforoenig roie eine Reichs^
regierung. 2>er ausbrüeflichen 3uerfennuug ooller Souoeränetät
an bie Reidjäftänbe hätte es faum noch beburft: felbft baö
33ünbmsrecbt hätte ihnen faum noch beftritten roerben fbnneu.
2öar Sranbenburg ber uädfö Oejterrcidj mächtigfte Retchsftanb,
fo fam ihm auch bie neue greifjett am meiften 311 gute. (Sine
auswärtige s JJolitif roar bisher für bie \?oben$olIern eigentlich
nur in betreff ^reuftens möglich geroefen: jefet fonnte bafür
auch 23ranbenbiirg eintreten. (Ss rourbe bamit über bie 93e=
9>rut>, fnumt »eiMtf. I. 2S
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dritte* 5»ud). Sie Rettung ber Sufunft.
beutung eines 9ietd)öterritortums f)inaus ju einem gaftor in
bem Snftem ber europäifdjen ^olitif erhoben.
2£äf)renb fo bie firdilidjen unb polttifd&en grageu, um bie
ber grofce flrieg einft gefüfjrt roar, leicht georbnet rourben,
brofjte ber grtebe an ber Orbnung ber Sefifeüerljältnijfe roteber=
f)olt ui fdjeitern. Sefonbers tief roar ©ronbenburg^reufeen
in biefe flrifen oerroief elt : uon ber pommerfdien grage fjing
ber 9lusgang überhaupt ab. $on Anfang an r)atte Schweben
aufcer bem Selbe jur lülblöfjnung feiner Slrmee eine territoriale
SattSfaftion »erlangt, nur nid)t gleid) Bommern als jold)e
geforbert. So lange fein Ärieg mit Sänemarf bauerte, (nett
es bamit jurütf. 3lbcr gleid) nadj bem grieben su örömfebro
offenbarten bie fcfjroebifcben Legaten ju Dönabrücf, was fie als
greift bes grieben« ersroingen tollten: ^ranbenburg foHte bie
Soften bes griebens tragen. $om ßaifer Ijatte es nichts 511
hoffen: fdjjon oor 3af)ren fmtte er Bommern Sdiroeben a\u
geboten. $on ben 9leid>sftänben f>atte feiner ®runb, fidt> für
Öranbenburg $u bemühen, aud) bie e»angelifd)en nidjt, bie fid)
Sd)roeben gern auf frembe Soften banfbar erroiefen. Sie &off=
nung, burd) bie £f)e mit ber jungen Königin Sdjroebens
Alliierter 3U werben unb jugleid) mit bem ©rlafe ber xüd-
ftänbigen Kontributionen unb ber Räumung ber nodj uon fd)roe=
bifd)en Xruppen befefcten ^läfce in ber Waxt Bommern gleich
fam als Mitgift ju erhalten, fdjroanb eben Damals enbgültig.
Saft ber flurfürft biefe Kombination noa) immer nid>t ganj
aufgab, beroeift bod) nur feine MaU unb £ilfloftgfeit. Sann
mar bas $erf)ältnis $u ^falj^euburg gefpannter benn je.
9torpratt) bebauerte mit feinen Gruppen ben Sommer jur Un=
tfjätigfeit oerurteilt gcroefen $u fein; jefet madjte ityre $er=
pflegung ©djroierigfeit. 3lud) bie militärifdje Slftton, bie ber
tfaifer roünjdjte, roar unmöglidj : bie Werbungen unb fonftigen
^Xufroenbungen Ratten bie bittet erfdföpft, unb man befanb
fiel) finanziell in f)öd)fter !8ebrängnis. Gine ftärfere 33elaftung
beS Sanbes roar roeber in sBranbenburg nod) in ^reufeen mög^
lidj. $ort batten bie altmärfifdien Stäube oom 3um 1641
bis 3anuar 1045 für bie fdjroebifdjcn unb fnrfürftlic^cn Gruppen
unb für Negationen an barem (Selbe 823 «17 Später aufs
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II. Sie fceeresfäöpfung unb ber ©eftfälifae #riebe. 435
gebraut, yifymt man fun^u, roas (ie für bic Verpflegung ber
fremben Armeen geleiftet, fo !omme eine Summe Geraus, „ba&
ein menfdjlidjes &er$ fidt> bafür entfern unb sroeifeln mürbe,
ob bie arme ausgesogene ÜRarf S3ranbenburg roieber in Aufnahme
fommen fönnte". Die mit ber Sorge für ben föofhalt betrauten
Beamten maren in ber größten Verlegenheit : als es l)ie6, mit
bem flurfürften mürben bie ßurfürftin=2Hutter unb bie $rin=
jeffinnen famt ber fdjroebifdien SBitroe nach Berlin fommen,
fahen fie „bie 9leceffttät unb ^Saupertät" nahen. Sieber fo tttc
$reufeen Reifen: „aber/ fo fürd&tete man, „bas mürbe nicht
flecfen, roenn bas grauenjimmer mitfäme". Daju famen bie
klagen ber Öefanbten in fünfter unb Osnabrücf, bie es als
Schimpf empfanben, roegen ber Knappheit ir)rcr Littel bas
übliche flotte Sehen ber Diplomaten nicht mitmachen ju fönnen,
juroeilen mit ihren beuten gerabeju in 'Slot gerieten unb fdjon
baran backten, fidt) nach Lattensberg 3urÜd5U5ter)en. 3n Sßreufjen
^atte man feine Suft, neue Opfer ju bringen, erhob oielmehr
laute SUage über, ben Stäben, ben bie Werbungen bem Sanbe ju=
gefügt. TO&ernte unb Hungersnot maren 1645 baju gefommen.
Den gefteigerten 33ebürfmffen gerecht ju werben, t)attc man
bie einfünfte oorroeg erhoben unb Anleihen aufgenommen, um
„ein Sod) ju^uftopfen ein anberes aufgemalt". Darüber maren
bie Oberräte, roie fie flagen, um Autorität unb ftefpeft ge^
fommen unb erflärten jebe roeitere ^nanfpruchnahme ber 33c=
oölferung, fei es mit barem Selbe, fei es mit s Jiaturallieferungen,
für unmöglich unb roeigerten fict), bie folgen einer folgen auf
jtd) gu nehmen, 9hir biplomatifcbe Littel blieben bem Rur--
fürften alfo 5ur Durchfefeung feines föeajts auf Bommern. Die
fehroebiiehe @h*/ °i c fl öe Sdnoierigfeiten fyattt löfen foHen,
fam nityt mehr in 23etradjt. Die fchon früher ermogene fran-
3öftfdr)c Siaianj oerfagte ebenfalls. £u beginn bes Jahres 1646
ging gabian oon Dohna nach $aris. So roohlroollenb man
ihn bort aufnahm, feine ©rflärungen fanb man 311 allgemein
unb unbeftimmt: hätte ber Äurfürft Slnfdjlufe oerljeifeen unb
gu ber ihm angetragenen <St)c mit bes fierjogs oon Orleans
Xodjter Neigung gezeigt, fo würben bie franjöjtfa^en Diplomaten
mohl &u allem bereit gemefen fein. So geigten fie jtdj $roar
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drittes i$\uf). 35ie Rettung ber 3ufunft.
in ber ^ßfal^Weuburger Sadtje, in ber er banf ber £f>ätigfeit
©urgsborfs unb 9corpratbS Janbein f onnte, nachgiebig : in be=
treff Bommerns aber bücb Sornas s ]fliffion erfolglos. 2lber
ber birefte Verfebr mit Dem franjoftfeben £ofe bouerte fort:
man warb weiter um bie ®unft bes Merdjriftli duften £önia,ä,
unb griebridj SBilbclm mar einer ber erften Surften, ber 2ub--
roig XIV. ben litel „SMajeftät" ^erteilte.
2tls im Ottober 1H45 ber fdbroebifebe Segat Salpius
2Bitgenftein unb Söben vüdtyattlob erflärte, Sd&ioeben forbere
Bommern mit 9ieidjßftanbfd)aft, fügte er fnnju, ber fturfürft
f ofle bafür „ein gleidjmäfetges 3iequioatent oom ^ömifa^en SReidje
empfangen". 3(ud) erinnerte er baran, baft fdjon ©eorg SBilbelm
ber Pom ftaifer oorgefd^tagenen Ueberlaffung Vorpommerns unb
Rügens an Scbroeben jugeftimmt babe, unb roottte fogar tpiffen,
ber fturfürft felbft babe fidb uertraulirf) bamit eitvoerftanben er-
flärt. So lagen bie Einge, als griebria) 2öüf>elm im 3Hai 1646
aus ^reufeen jurücffebrte, roo tt)n namentüdj «clbmangef ftatt
fedbs 9Bod)en über ein 3af)r feftgebalten batte. 3lm 1. 3uni
perfammeltc er in Äüftrin ben ©ebeimen $tat. 2tud& Söben
mar aus Osnabrücf berbeigeeitt. Sebrücft oon ber Grfenntnis,
mit allen 3)tüben bisher nidbts erreicht ju fmben, unb gequält
oon ber Sorge, was nun gefdje&en fotttc, madfjte ber .sturffirft
in erregten ^Borten MU unb Stänbe oerantroortlidb für bie
oerjtpeifeltc £age: auf ibr Anbringen babe er 2Baffenftittftanb
gefdftfoffcn unb bie Gruppen entlaffen — obne jeben (Srfofg;
jefct oerlangten bie Sdjtoeben ganj Bommern. ©ntfdjjiebener
fonnte bie bisberige ^olitif nidjt oerurteitt, bie SdfjtparfeenbergS
nidbt nadjträglicb anerfannt merben. s JZur waren bafür bie Mit
nid&t altein oerantioortlid). 2lua) jefet nodb leitete (#öfcen, bes
£errn SReifters alter ©egner, alles Unljeil baoon ber, bafe man
nacb bem ^rager ^rieben ftdj nidt)t ftreng neutral gebalten,
fonbern bie äßaffen gegen Sdfjroeben ergriffen babe — gegen
ben SöiHen ber furfürftlidfjen :)täte. T>as OUefdfjefyene laffe ftet)
ntcr)t mebr rücfgängig mad&en, man muffe bas Unabänbertid(je
mit roürbtger gaffung tragen, unter Vermittelung ber Weber*
lanbe unb granfretdfjs mit Sdjjroeben oerbanbeln, bie £älfte
$ommern$ barangeben unb bafür SHagbeburg, ©alberftabt,
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II. £ie §eereöf Höpfling unb ber föcftfälifdje ftriebe. 437
SRinben, Osnabrütf, Ölogau unb Sagau forbern. SBie bie
übrigen ©eheimeräte, fo ftimmte bem aud) Shirgsborf bei, ber
ebenfalls bie Entwaffnung als Quelle aller Verlegenheiten be=
3eidjnete, bafär aber mit Nedjt bie Stänbe oerantwortlich machte.
$afe man mit ber $ßehrf)aftmad)ung nod) nicht weit genug fei,
um an bie SBaffen $u appellieren, gab auch er ju. Nod) mehr;
fad) fanben einge()enbe Beratungen ftatt : 511 einem beftimmten
Sefchluffe fährten fie nid)t. 2lbcr bie Notwenbigfcit, einen Seil
Bommerns baranjugeben, rourbe bem tfurfürften f lar : er über;
roanb itch, wie GJbfeen gleich anfangs von ihm »erlangt t)atte,
unb mar bereit, auch noch biefes Opfer bem grieben *u bringen.
91ber noch eine anbere Entfcheibung brauten jene Xage.
s D2it 93urgsborf mar ber .^urfürft überzeugt, ba& bie ©täube
mit ihrem drängen auf Neutralität unb Entwaffnung bas
Elenb oerfchulbet hätten: ernft unb ftrenge foüte ihnen bas
uorge^alten, foüten fie oermahnt werben, bas $ur 2lbwef)r
ähnlicher ©eimfuchung Nötige hinfort ohne 28iberrebe auf fid)
311 nehmen, $ns kompromittieren mit ber ftänbifcben Sibertät
joUte ein Enbe haben. Much in ber inneren ^olittf fefjrte
#riebridj Sßilhelm $11 bem Snftem Schwarzenbergs jurücf. 2Bar
er fo nicht genau ba angefommen, wo bie märfifchen 3Sert)ält=
niffe fich 311 Enbe ber Regierung feines Katers befunben Ratten?
£as mar ba« Ergebnis ber erften fünf ^at^xc feiner Negierung !
Unb jefct waren bie Stanbe noch weniger jur gügfamfeit
geneigt als bamals, wo bes ©enn Sfleifters eiferncs Regiment
auf ihnen gelaftet hatte. 9?icr)t eben refpeftoofl beantworteten
fie bie fürftliche Vermabnung. Storch flofchlufc bes Stillftanbes
„unb anbere fricblicbenbe actiones unb demonstrationes",
meinten fie, „habe ber flurfürft fid) nid)t aüein bei beiben
friegenben Armeen unb anberen auslänbifdjen Potentaten
fonfiberabler als feine Vorfahren gemalt, fonbern benjenigen,
bie oor biefem alles auf bie Extremitäten gefefet, ein Erempel
jur Nachfolge gegeben, babei fie fid) anifeo beffer als bei ben
oorigen £roublen befinben". $)ie oon ibnen oeranlafete Nebuftion
^abe Nufceu geftiftet. Nicht ohne Ironie banften fie bem
Äurfürften, ber eben auf bie Sduoarfcenbergfchcn £rabitionen
äurücfgriff, bati er „laut ber Sanbesuerfaffung unb bero Vorfahren
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438
«Dritte* $ud>. $te Bettung ber Suiunft.
löblichem ©rempel" bie pommerfche grage ihnen unterbreitet
t)abe. 2ln bem Siechte Sranbenburgd auf Bommern jroeifeln
auch fie nicht : bocf> Rubere be« Kurfürften SSeraicht feine 9laa>
folger nicht, bereinft ihre 2tnfprüd^e geltenb &u machen. <Das
(Sinfachfte fei, bie bem Kurfürften jugebaebte (Sntfdjäbigung
Schweben ju geben. Sei aber ber allgemeine griebe ohne baö
nid^t erreichbar, fo muffe man eben bas Opfer bringen unb
ftch anberwärt* fdmbloft galten. £en (Bebauten an eine frie=
gerifdje Slftion roiefen fic mit (Sntfefeen $urücf: fte fürchteten,
bie Schweben mürben bie erften ernften militärifchen Haftnahmen
beiluden, um ihnen „auf ben föalö &u geben" unb bie 2Äarf
total ju ruinieren, ^ebenfalls mar ifmen bie im (Sange be=
finblidrje SluffteQung eines £eerea unheimlich, $umat etliche
Gompagnien in ber 2Harf untergebracht waren, ohne ba§ man
fte barum gefragt r)atte. <£s mar ber Stanbpunft, auf bem
bie Herren feit sehn 3 fl h^n gefianben, bie SBeifih^t, bie fie
teieorg 2Bilt)eIm unb Schwarzenberg entgegengehalten, menn fie
fchlie&lich rieten, ber Kurfürft möge fein ßanb nicht per mar-
tialia ingenia in einen neuen Krieg ocrmicfeln, fonbern „burch
gütliche Littel, aUerbanb remonstrafciones unb Kooperierung
guter greunbe, innerhalb unb außerhalb ffiömifchen SReich«,
baä 38erf bahin birigieren, bajj er feinen Statum unoerlefct
behalte unb feine jura fo uiel als immer menfa> unb möglich
intacta fonferoiere".
2lber in eben ben Xagen, wo biefefi ftänbifche (Gutachten
ihm juging, fd)lofe ber Kurfürft mit Oberftleutnant Kafpar
^othaufen bie Kapitulation über s ilufftettung einer (Sätabron
oon 500 3Jcusfetieren fieibgarbe unb oerfügte grofee einlaufe
Sur ©infleibung unb 2tuörüftung feiner Solbaten. 2)as mar
nach ber einen Seite bas Ergebnis ber im 3uni im Geheimen
9tate gepflogenen $erbanblungen. 9lbcr auch ber anberen
führten fie ju einer folgenreichen ©ntfeheibung. Anfang Sluguft
forberte ber fduoebifche Segat in Oanabrücf SBorpommern,
Stettin unb ba« Stift Kammin: ben 5Reft alfo tonnte 99ranben-'
bürg h^ben. fragte ftcfj: annehmen ober ablehnen? 3)ie
Antwort hing oon einem anberen Moment ab, bas über bie
allgemeine Stellung befi Kurfürften entfdjeiben mußte. 95on
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II. Sie öeereSfäöpfunQ unb ber Söeftfälifäe triebe.
439
bcr fd&njebifd^cn @f>e war nidjt mein* bic ftebc: als ®öfcen bei
ben Beratungen in flüftrin aud) mit if)r noa) hatte rennen
wollen, mar er gan$ allein geblieben. T)te öeirat mit ber
Tochter bes Herzogs oon Orleans fdjeint ber töurfürft nie eruftlidj
erwogen ju Ijaben. 9leuerbings eröffnete ftd^ ihm eine anbere
2luftfidjt, bie politifd&e Borteile oerhiefe. 3m grüt)ja^r 1645
hatte griebrich &einridj oon Oranien ben SBunfd) erfennen
gegeben, tt)tt in fein &aus sieben, (Sin %a\)r fpäter liefe ber
ihirfürft burdt) (Sroalb oon $(cift, feinen ®efanbten im &aag,
bei ben ©eneralftaaten oertraulicb beshalb anfragen unb flettte
»ielleicht bereits feine Werbung in Slusficbt. Das ©erüebt
baoon erzeugte grofee Erregung, namentlich in ©cbmeben. Unter
bem SBorroanb einer (Srholungsreife, aber oon ben ©ebeimeräten
(Söfcen, Burgsborf, fiöben unb ©cbioerin begleitet, begab ftdj
ber flurfürft im 9luguft 1646 nach bem im Greife Ofdfjcrsleben
gelegenen Oertdjjen §ornbaufen, too unlängft eine Heilquelle
entfprungen mar, bie ÜJiaffen oon fieibenben anjog. T5abei
befucfjte er feine Xante, bie &er$ogin:2ßitroe oon Braunfcbwetg;
SBolfenbüttel, in ©cböningen. SKlfo auch jefct fudjte er ben
9tot unb bas ©inoerftänbnifl ber eblen grauen feines Kaufes,
ber Trägerinnen ber pfäljifa)en unb oranifchen Trabitionen.
Einige oon ben Angehörigen ber pfäljifchen tfönigsfamüte
waren jebenfafls in &ornhaufen unb ©cböningen zugegen.
SBicHcict)t erfchien bort felbft bie umworbene ßuife Henriette
oon Oranien : ftcr)er(id) mürbe bas SBerlöbnis bort in ber Stille
oereinbart. Unb in ben Tagen biefes oermeintltchen Suftauf=
entfjalts (11.— 28. 9luguft) erging (18. Sluguft) bie 9iefolution,
welche bie ©efanbtcn in Osnabrücf anroies, auf ®runb ber
oon @djroeben geforberten Abtretung eines Teils oon Bommern
bie Berhanblung ju eröffnen. Obgleich er, fo liefe ber Murfürft
barin ausführen, bie üblen folgen nicht oerfenne, bie fich
baraus für fein «paus unb für bas ftömifdje fleidj ergeben
fönnten, f)abt er „bennodj aus ein3igcr unb blofeer Scgierbe
$u bem allgemeinen ^rieben unb bafe fernerem Blutoergiefeen
gefteuert toerben möge, alle anbern ftarfen unO nacbbenflichen
rationes unb fich felbft fo roeit überrounben, bafe er fich ju
ferneren Traftaten entfchloffen fyabt". gür alle möglicherroeife
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440 dritte* 3>ie Rettung ber Bufunft.
barauö entfpringenben Uebcl tnad)t er r»or (Sott unb Seit bie
Dcrantroortlid), btc tyn $u biefer ^ac^giebigfeit genötigt. 2lua)
r-on Sajroeben, mit bem er „allemal in gutem Vertrauen ge=
ftanben", fyabe er jidfj ber SBegnafjme eine« Xeilö feiner ßanbe
nidf)t üerfefjen. $)a biefes aber „feft barauf beftänbe unb foldjes
biefen Xraftaten ben 2luöfcf)lag geben follte", rooüe er es an
fid) nidjt fehlen laffen unb „ju ÜBteberbringung beö lieben
3rieben& unb Hemmung befi fo lang gemährten graufamen
Krieges" „um ein geroife Xeit r»on Bommern bireft mit ©djroe;
ben unterfjanbeln". ^offentlidt) werbe ifjm biefcö nun" aber
aud) nichts Unmögliches anfinnen, fonbern ifm feine oiel ge=
räumte 9lffeftion enblidj einmal in ber Sfjat fpüren laffen.
4tber nur bis jur $eene beöoömäajtigte er feine ©efanbten,
fdjrittroeife roeidjenb, Bommern abzutreten : Sßolgaft mit feinem
£afen fönne er nidjt entbehren, $ann »erlangt er freie
3cr)iffat)rt auf ber Ober unb aus i^r ins 3)iecr. 9(6 Slequioalent
beanfpru<f)t er bie (Stifter &alberftabt, 9)iinben unb £ilbeö=
beim, Oönabrücf, Bremen unb 3)lünfter, femer bie Slnroartfajaft
auf 9)tagbeburg, ©logau, Sd)roeibnifc, (Sagau unb 3auer unb
ungeftörten unb uoöftänbigen Sefife feiner jülidjfdjien Sanbe.
£od) aud) bamit brang er md)t burd). Sie geforberte
<Sntfd)äbiguug ftieg fcr)on im ftetd)e auf heftigen Söiberftanb.
Sdjrocben badjte niebt baran, an ber speene &alt ju machen.
3Wit ber nieberlänbifd)en SlHiang aber, ber nädrfien politifdjen
ftonfequena aus ber oramfdjen tarn man im §aag nidjt
uon ber «Stelle, bereits im Tonern ber mußte ber Slurfürft
Bommern bis $ur Uder <Sd)roeben überlaffen. 2lber aud) baö
genügte nidjt, benn bie 91ieberlanbe foroofjl wie Jranfreid)
traten nidjts, brof)ten melmefn*, ifjn für baS (Scheitern be&
ftrtebenft aerantroortlid) ju mad)en. Köllig oereinfamt faf) fia>
ber fturfürft bem Uebelrootten ja^lreicljcr geinbe preisgegeben.
Da eilte er nad) Gleoe unb bann nad) bem $aag. *$ie oranifa>
ßf)e mar feine lefcte ©offnung. ©r traf griebrid) ©einriß
febroer franf: in aller <StiUe mürbe tr)m am 7. £>ejember Suife
Henriette angetraut, SBorfjer erfd)ien er in ber (Sifeung ber
Weneralftaaten : in längerer ftebe fd)ilberte er ilmen feine Sage,
ben Unbanf, ben er für baö bem ^rieben gebraute Opfer er;
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II. Sie §ecrc9fd>öpfunfl| unb ber 2Beftfälif$e triebe. 441
fabre, unb erbot .§ilfe jur (Srlangung genügenben Grfafees unb
Sicherung gegen ^falj^euburg. 2lud) traten nun enblid)
tfommiffare ber Staaten mit feinen 23eoolhnädjtigten über bie
geplante Kilians in Beratung. So fern man biefer aud) nod)
mar: bie Sage begann bod) fid) ju flären, unb bie geroittcr-
fdnoüle Spannung liefe nad). $er SBenoenbung ber s Jiieberlanbe
oerbanfte ber Äurfürft junäcbft eine Sefferung beö Sterfjältniffeö
3u bem Nienburger, ber bem für ifm fo günftigen ^rooifional;
©ertrag oon 1629 nidjt einmal nadjgefommen mar, jefct aber
angefia^tft ber im (Sleoefdjen ftefjenben branbenburgifeben Gruppen
anbere Saiten aufwog unb mit 93urgöborf einen Vertrag fd&lofe,
ber ßleoe, 3)iarf unb Sflaoenäberg bem .Hurftirften enbgültig
überlieft, für bie ?ird)lid)en SBerbältniffe aber ben Staub oon
1612 berfteßte. 2lud) bie pommerfdje grage t^at enblidt) einen
Stritt oorroärtö. Um ben tfurfürften nid)t gan* an bie
Weberlanbe gebunben &u feben, erroirfte granfreid) am 7. ge=
bruar 1647 in Oftnabrücf bie Unterjeidjnung eines iHejefied über
bie Teilung Bommerns smifdien öranbenburg unb Sduoeben:
bie nod) oon ben Scbroeben befefeten märfifdjen unb ^inter=
pommerfeben ^ptä^e follten geräumt, bie in Bommern an fd>roe=
bifdje ©enerale unb Beamte oerfebenften ©üter obne <5ntfdjäbt=
gung (jeraußgegeben unb beibe ©ebiete burdi 3otf0i*nsen nid)t
getrennt werben. 2lber Sduoeben lehnte bie 2lnnabme ab : es
meinte nod) immer gan$ Bommern gewinnen 31t fönnen.
%l\o audb bie franjöftfdie ^roteftion enoieä ftdj als mir;
fungöloß ! 2luf bem gerabe entgegengefefeten 2ßege oerfuebte ber
tfurfürft ba fein ©lücf: oießeidjt liefe fidj, roa« burd) ßaifer
unb 9leidj, Weberlanbe unb granfreieb niebt ju erlangen mar,
gegen fie ade mit &tlfe Sdnoebenö burdjfefcen. 3m grübjabr
1647 warb ber ßurfürft um bie SlUianj mit Sdfnoeben, fanb
aber aud) ba wenig (Sntgegenfommen: um in ^Bommern un-
gebunben ju bleiben, roünfdjte Orenfiierna bie Sadje bis nad»
bem grieben $u oertagen, £ennod) erörterte er im Sommer
1647 fclbft in einer umfänglichen £enffd)rift bie grage ber
fd)ioebifd)en 3lUiang: toie fie aueb ausfiel, bie ßntfdjeibung
braute ernfte ©efabren. „"äJiit bem tfaifer ju beben unb ju
legen" ift es 311 fpät: feine 2Wad)t ift babin unb felbft feine
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dritte« »ud>. Sie Rettung ber 3uhmft.
treueften Alliierten »erlaben Um. Aber felbft wenn er ihm $u
Bommern oerhelfen tonnte, würbe man burch ben Slnfchlufe
an it)n fich Schweben, granfreich unb bie Sßieberlanbe oerfetnben
unb wohl gar um bie 3)iarf fommen. ^m öunb mit Schweben
habe er ben #aifcr unb Spanien $u geinben unb für Gfeoe
ju fürchten. Sich mit flatfwlifen cinjulaffen, fei überhaupt
mifclich, ba fie erflärt Ratten, flefcern brauche man nicht SBort
ju galten. 3n ber gegenwärtigen Unftcherbeit ju bleiben aber
fei unmöglich- @S gelte in ber SBüfte «rot $u finben, unb
ba man ihm bas feinige nehme unb ben Srotforb fo hoch
hänge, müf[e er ftdr) benen oerbinben, bie mit it)m eines ©lau--
bens feien, trofe einiger 3)ifferen5en, bie aber für bie Selig*
feit boeb nichts ausmachten, bas Reifet mit ben Schweben
ein Schutz unb Xru|bünbms fchliefeen. $aä werbe auch für
^reugen oortcilfmft fein. $)amit bürfe man nicht bis nach bem
grieben warten, weil bann bie branbenburgifdjen Solbaten
noch länger hungern müfeten, was unmöglich fei, unb Schweben
nad> neuen Siegen oerfuchen fönnte, flatfer unb SRcich noch
„mehr leges" uor$uj<hreiben. £)em fei burch eine geheime $er*
ftänbigung mit Reifen unb SBraunfchmeigsfiüneburg &u begegnen.
$te Unflarbeit biefes Programm« fpicgelt bie ftatlofigfeit bes
flurfürften wieber. Auch gefchaf) überhaupt nichts: ohne bie
fdfjmebifdje Allianz $u uerwerfen, fjielten feine föäte fie bodt)
gur 3^it nicht für angemeffen, fürchteten auch, man werbe an
Schweben „nit socium, fonbem dominum" haben : man möge
bei ber ^ßolitif ber freien &anb bleiben unb nur eine freunb*
nachbarliche $erftänbigung mit Schweben fuchen.
Auch wäre Sranbenburg bei ber wachfenben Spannung
gwifchen Schweben unb granfreich als Alliierter bes erflcren
hart in« ©ebränge geraten. 3efct bot biefe bie SRöglichfeit,
mit granfreichö ©ilfe Schweben einen £ei( Bommerns unb
©rfafc für ben anberen abzunötigen. ®ie Gruppen, bie ber
flurfürft aus ©elbmangel entlaffen wollte, erbot fidfj granfreich
in ftienft ju nehmen, bamit fie nicht an Spanien fämen.
üJlan war ju ihrer Ueberlaffung bereit, wenn granfreict) bei
Schweben bie fofortige «Verausgabe oon föinterpommern, §albers
ftabt unb ÜHinben burebfefcte. 3m tiefften ©eheimnis mürbe
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II. 2)ie £eere$fd>öpfung unb bcr Söeftfälifdje triebe.
443
unterhanbelt, unb als ber Äurfürft (Snbe 1G47 in Gleoe roeilte,
überbrachte ihm fein ^ßarifer Streut SBicquefort ben oon 23rienne,
bem ©taatsfefretär bes Auswärtigen, ausgearbeiteten ©ntiourf
eines branbenburgif$=franaöftfchen Sünbniffes. danach foUte
ber Äurfürft granfreich gegen ben ftaifer .§ilfe leiften, bafür
biefes ©djtoeben jur Ueberlaffung £interpommerns unb ber als
Aequioalent geforberten Bistümer, ben ßatfer $ur Abtretung
©chleftens an ihn nötigen, ihm ®elb jur Lüftung geben unb
$olen oeranlajfen, bie preufeifdjen ©täube jum ©eI)orfam am
galten. Sas fonnte 100hl locfen, oerhiejj aber natt bes er=
fefmten griebens neuen Ärieg. $er flurfürfi forberte ein ©ut;
aalten feiner 9iäte. ©ie fanben ben 93orfd)lag unannehmbar —
begreiflich genug: benn oon Dem toichtigften $unft, bem An-
erbieten ©chlefiens, erhielten fic feine Kenntnis, ©ennod) lehnte
ber ßurfürft nicht einfach ab, fo ba& bie ©adje ftdj noch bis
jum 9Rai 1648 hinzog, nicht üum Vorteil ber branbenburgifdjen
3njmifa)en fdjtoanb bie Hoffnung auf ^rieben oollenbs,
unb ber roieber heftiger entbrennenbe ^rieg mufete bie Weutralü
tät unmöglich machen. Als bie ©chioeben ^Böhmen bebrohten,
traten flurföln unb öaoern für ben .tfaifer in ©äffen. Auch
©adjfens, Sraunfchtoeigs, ber £anfaftäbte meinte ber tfaifer
fidler ju fein unb warb auch um 93ranbenburgs Anfchlufj. $)a
oerfudjte biefes plöfolidj bie iöilbung einer britten Partei, um
geroaffnet jtoifchen bie ©treitenben ju treten unb ben grieben
ju er&ioingen. 3n SSraunfchtoeig unb Bresben roarb 33urgsborf
bafür: man follte je 5000 aflann, SBranbenburg tooHte 15 000
aufftetten. Aber es r)ättc ber alsbalb beginnenben ©egenroirfung
oon 2Sien tyx faum beburft, um biefe oerfpätete genmffnetc
mittelftaattidje Sttebiation ju vereiteln. $er Äurfürft aber hatte
es nun mit allen oerborben. .Slurfacr)fen mies nicht nur ein
gemeinjames Vorgehen mit ben (Saloiniften entrüftet -uirücf,
fonbern fefote alle $ebel ein, um biefelben oon bem ^eligionö-
trieben aus$uf<hliefeen. $)a begriff auch ber tfurfürft bie 5liiöftcr)tö=
Ioftgfeit unb öefährlichfeit bcr julefet oerfolgten Dichtung : es
ftanb boch mehr auf bem ©piele als ein größeres ober fleineres
©tücl Sanb. ^n ber Deformation fanb er enblich beu fefteti
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Jritteü $ud). £ie Rettung ber 3ufunft.
ipalt für feine ^ßolitif. (5r fei nid)t gefonnen, erflärte er,
fidtp oon ber ?(ug§burger ftonfeffton unb beren tarnen aufi;
fd)liefjen unb bei feinen jumeift tntfjcrifcr)cn Untertanen fo
lunftetlen 311 lafjen, als ob er fid) gleidjjam in ein neuefi Redjt
einbettein muffe, toäbrenb er fict) bod) mit &anb unb 3Wunb
jur 2(ugöburgijdjen .ttonfeffton befenne. ©r forberte ben (Sin-
fdjlufc ber Reformierten in ben ffieligionäfrieben : aud) ftc feien
©oangelifdic. Unb bomit balf er enblid) bem ibealen 9Woment
roieber jur ©eltung, baö feit @uftao Slbolfß Xob je länger je
mein* in $ergeffcnl)ctt geraten mar, unb mies l)in auf bas foft*
bare ®ut, beffen bauernbe Sicherung allein mit ben gebrachten
Opfern oerföljnen unb, was fonft unbefriebigenb blieb, erträg=
lid) madien fonnte. ®aö aber mar gerabe bamalö oon f)of>er
$ebeutung. 9fad) ben lefcten Siegen ber Spanier über bie
^rangojen badjte ber ftaifer nid)t an 9tad)giebigfeit. Die
^einbfeltgfeitcn entbrannten oon neuem. (Sin ooflfommener
Umfd)lag trat ein. Sdnoeben unb gransofen eroberten Stauern,
Sörangel granfen, oon roo tfönigömarcf in Söhnten einbrang,
ber äaifer flof) oon $rag nad) fiinj. 311« ®eneralifjtmuß ber
fd)toebifd)en &eere na^m flarl ßuftao oon S|3fal^3meibrüden
Sdjleften unb brad) ebenfalte in 93öf)men ein, um ftdj in $rag
jum tfönig frönen ju lafjen. 3mmer m ^ T 9teid)aftänbe noQteu
ofme ben ftaifer unb Cefterrcid) ^rieben fdjliefien. 35a enblidj
beugte fid) gerbinanb III. unb erflärte fein ©inoerftänbmä mit
bem j*u Oönabrüd unb fünfter Vereinbarten : am 24. Dftober
rourbe ber triebe unter^eidjnet. 2lud) für 33ranbenburg-$reufeen
begann ein neueö Seitalter.
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III. Wxt 3tefctnstxcftufion uni btv ©eufurfi einer
beutfrfretx Politik 1648—
felbft 511 überroinben, ^attc Sicgmunb oon ®öfeen
in einem rostigen 3lugenbluf («3uni 1<>46) feinen jungen
£errn gemahnt. Unb er fjatte nd) überrounben unb roohler=
roorbene Slnfprüdlje bem europätfdhen ^rieben sunt Opfer ge=
brad)t. 3)aö roar äunädjjft ein moralifdjer (Srfolg. 2lber er
befreite ihn aud) non bem Vanne einer Vergangenheit, bie au
bem SRi&oerhältnte oon ©ollen unb Vermögen getranft E^atte.
$ie Sdjemerfotge früherer 3eit gab er baran unb [teilte fia>
auf ben Voben ber gegebenen Verhältniffe, um nüd&terne dleaL
politif ju treiben. 60 fehr tfmt er bas hinfort, baß er bem
2öe$fel ber Sage nadjgcbenb bie ffiidjtung jählings roecfrfelte
unb einen ^idjadgang oerfolgte, ber ihn nid)t blofc ber poli=
tifdjen 3beale, fonbern auch beftimmter politifdjer $uk bar
erfa^einen (ajfen fonnte. Unb bodj mar anberö 511 fyanbeln für
it)n faum möglich, rooHtc er burd) äße flippen unb ©trübet
glüdltch ^inbura^fteuern. 3(uch gab ihm bas Opfer, ba§ er ber
affgemeinen 2öohlfaf)rt gebraut hatte, ein 9ted)t auf £anf unb
Vertrauen, unb ^roar nicht bei feinen (Waubenögenoffen allein,
jumat bie geftigfeit, mit ber er für fie eingetreten roar, mit
feinem moralischen ^(nfcr)en auch feine politifdje Weitung fteigerte
unb tr)n afe bas berufene §aupt all berer erfcheinen liefe, benen
es @rnft roar um ben religiöfen ^rieben unb bie beutfdje Frei-
heit, konnte er boch feine Sage überhaupt nur ju beffern
hoffen in fräftiger Vertretung eben biefer ^Prinjipien. 3 U üjnen
hat er ftdj bauernb befannt, trofc ber 3*wnge, in bie feine
politif ftdj oerlor, unb felbft in ben 3 e i* en > roo cr ^ e au f :
gegeben ju fmben idjien. Unb barin bethätigte fid) immer oon
neuem ber ©egen, ber ihm, feinem §aufe, feinen Sanben unb
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446
Tritte« £ud>. Tic Rettung ber Sufunft.
feinem merbenben ^otf aus ber Selbftüberwinbung erwudiö,
bie er im Xienfte einer gro&en 3bee geübt Ijatte. Sie bradjte
in feine ^?olitif ein ibealeö SWoment, baß fie läuterte unb
oerebelte, um ba& als ein fittlid&es 3 enxrum f cin Staat ftdj
äufammenfajlofc unb an bem aud) feine bisher nur Sonber*
intereffeu lebenben Untertanen fta) 311 nationalem Seumfjtfem
ju ergeben anfingen. So ift griebrid) 28ill)elm ber Sd)öpfer
bes preufeifdjen Staats geworben.
(Sineß folgen etnigenben Moments beburfte 93ranbenburg
0,0115 befonbers gegenüber ber Steigerung feiner territorialen
3erriffenf)eit burrf) ben grieben. 3lut &interpommern fügte
fid) feinem Veftfc unmittelbar an. Das gürftentum £alberftabt
blieb oon ber %lu unb 9)iittelmarf burd) bas (Sr^biStum
SJagbeburg getrennt, auf bas nur eine 2lnmartjd)aft erworben
mar, bie es nad) bem Xobe bes furfädjfifa^en 2ibminiftrators
erft burdjjufefeen galt. 3m heften fam 511 ben fo>n oereinjelten
©ebieten oon Gleoe unb Warf als Drittes SHtnben f)in&u, trofc
ber 2öid)tigfeit bes Söeferpafies ein unserer Sefifc, fo lange
man mit ^fal^fteuburg oerfeinbet mar. 2Bof)( f)ätten biefe
©ebiete nad) Umfang unb (*inwof)nersaf)l als (Srfafc für 9Sor=
pommem gelten tonnen, fjätte nur ber 3»ö an 8 S ur Oftfee trgenb=
wie geöffnet werben tonnen. 9lber baoon wollte Schweben
Vranbenburg um jeben greift auSfd>lie&en : besfjalb beftanb e$
auf ber Abtretung bes Streifend oon öinterpommern längs
ber Ober, behielt aber bie 2lbgren$ung befonberer Vereinbarung
oor, um Vranbenburg möglidjft oiel abzubringen. ?lber ntdjt
btofe in biefer £infid)t würbe ber fo teuer erfaufte griebe für
ben tfurfürften bie Duette neuer Sorgen unb Demütigungen.
er Imtte oon ber fd)webifd)en ^olitif bod) eine wunberlid&e
Vorftellung, wenn er gleid) nad) bem grieben gegen bie ilmt
als (Sntfdjäbigung jugemiefenen (Gebiete unb jwei 9)iiHtonen
Xfyaler Vorpommern eintaufdjen wollte, unb trofe ber Ülbweifung
auf biefen faft naiven Vorfdjlag nad) einiger fttit jurüdfam.
Ülber nod) üblere Erfahrungen warteten feiner. 3 roar räumten
bie Schweben bie nidjt ftreitigen (Gebiete, fobalb ber Äurfürft
feinen Anteil an ben gleid) 311 jat)lenben brei Millionen Satis*
faftionsgelbern erlegt i^atte: •pinterpommern jeboer) burften fte
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III. £ie griebenSertfutioit unb bcr 93erfudj einer beutföen ^Jolitif. 447
bis nach ^Regulierung bet ©renje befefct galten. 33ei ben 58er;
hanblungen barfiber fugten fie ben ein$ubehaltenben Streifen
rechts ber Ober möglich^ breit 511 bemeffen, oornehmltch im
Sntereffe ber bort oerforgten fchroebifdjen ©enerale unb Beamten,
gerner beanfprua)ten fie — unb nach bem SBortlaut bes
griebens nicht mit Unrecht — auch für bie 3ufuitft bie lieber*
loffung ber ©eejöde in ben an öranbenburg (ommenben hinter*
pommerfchen föäfen. 3 a h re fc^teppten fidj bie $erhanblungen
hin. Dabei liefe ber fehroebijehe Uebermut ben Äurfürften feine
&ilflofig(eit recht gefltffentlich füllen unb fudjte ihn burch
immer neue (S^icanen mürbe $u machen. So roenig roie eine
neue ©efanbtfchaft nadj 6tocff)olm unb bie Söieberoufnatjme
bes rounberlidjen Daufd)proje(ts änberte baran bie gürfpradje
bes flaifers, flurjachfens unb SBraunfchroetgs. Schweben mußte,
bafe über leere Sporte niemanb hinausgehen mürbe.
2lu6erf)alb bes Geichs aber fanb ber flurftirft oollenbs
(eine tlnterftü&ung, auch nicht bei ben Slieberlanben, auf bie er
feit ber Beirat mit Suife Henriette rennen ju (önnen glaubte.
Die bamals eröffneten ^erhanDlungen Ratten (einen gortgang
genommen, nicht meil bie republi(anifchen Staatsmänner bie
Vorteile bes $hmbeS mit öranbenburg unterfchäfct Ratten, fon=
bem weil fie fürchteten, nach ber ^erfdnoägerung oon $ohen=
jollern unb Oraniern merbe ein foldjer bie 3ttad)t bes Statt;
halters gefährlich fteigem. Daher mechfclten bie iUufifichten für
bie nieberlänbifch=branbenburgifa)e 2lHtan$ je nach bem Stanbe
bes Kampfes jroifchen ber oranifchen spartet unb ben in ber
sprooins &oßanb gebietenben 3lrifto(raten. Der Steigerung ber
Autorität bes Statthalters burch ben that(räftigen Wilhelm II.
folgte mit beffen £ob (6. gebruar 10.50) ihr tiefer gaü. Das
bem 9fbfd)(ufi nahe Sünbnis mit &ranbenburg, bas auch ben
roeftfälifchen unb nieberfächftfehen Mrets umf äffen unb foroohl
Bommern roie Greußen fichern foüte, (am nicht ju ftanbe, unb
bie erftar(enbe £errfd)aft ber ariftofratifchen Partei nahm &u*
nächft jebe 9lusficf>t auf eine günftige 2&enbung.
2lud> für bie jülidMeöefdje Sache brohte bas öerhängnis*
w>U su roerben. Der roeftfälifche griebe hatte biefe nicht berührt,
©ährenb baljer beibe Deile bie bisherigen Abmachungen, alfo
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drittes SJudj. Die Rettung t>er ^ufunft.
auch ben für Sranbenburg fo nachteiligen Vergleich vom
19. 9Wärjl629 (S. 340) als prooiforifch angefeben hatten, follte
für ben fonfeffionetten 33cfifeftanb auch bort jefet mit einemmal
bas SRormaljahr 1624 gelten, bie fatfjolifche SReaftion alfo
befte&en bleiben, bie ©olfgang ©ilbelm gegen bie Verträge
in 3üUcf) unb Serg aufgeführt hatte. Obgleich ber flurfürft
im grühjahr 1647 bie 3tnerfennung ber früheren Verträge
errungen hatte, begann ber ^faljgraf batb roieber bas alte
Spiel. SReprejfalien gegen bie Äatbolifen in (Sleoe nnb 9Harf
ftetgerten bie Erbitterung. ftaiferlidje flommtftare, bie 9tubc
gebieten unb ba« s )iormaljahr burchführen follten, mied ber
tfurfürft jurücf. 9lber auch ber s $fatjgraf mich nicht : er regnete
auf bie &ilfe bea ftaiferd unb Spaniens, auö bejfen nicber-
länbifdjen ^rooinaen bie Xruppen bea &er$oga oon Lothringen
alfibalb am 9Jieberrl)ein fein fonnten.
dennoch griff ber Slurfürft jdjlieftlid) ju ben Waffen: bie
affgemeine Sage trieb ihn baju. Sei Schweben mar 9iedjt nicht
ju finben; auch ßaiier unb fteich fonnten ihm nicht ba&u
helfen; bie ftieberlanbe unb granfreid) tieften ihn im Stich:
oielleicht lieft fidj burch einen rafdjen Öeroaltftretd) am anbereu
©nbe geroinnen, roaö man ihm an ber Cftfee oerfagte. ^Tabci
fpielten roieber Xaufchpläne eine Stolle: auf einer 3uf<*mmen:
fünft fuchte er 3°^ ann ®eorg oon Sachfcn jur Ueberlaffung
ber 3llbertinifchen Slnrechte auf 3ülidh *u beftimmen, roofür er
ihm einen £eil bes £er$ogtumö 3Wagbeburg ober gar biefes
famt föalberftabt anbot. Mach Sßien fanbte er Slumenthal,
um burch berufngenbe Grflärungen feinem Vorhaben Sulbung
auäjuroirfen. 2lber burch bie unerwartete Beübung, roelche bie
Singe nahmen, far) fich ber faiferlichc §of ber fdjroierigeu
©ntfeheibung glüeflich überhoben.
2lm 13. ^uni 1651 tt)at ein furfürftlicheö üWauifeft ben
Stäuben oon Jülich unb $3erg bie beoorftehenbe 23efi&ergreifung
funb unb forberte „fdjulbigen 9iefpeft, (tfeborfam unb öeiftanb" :
roer 311m ^ßfaljgrafen halte, follte alö Gebell behanbelt roerben.
31m Sage barauf rücfte (General oon Sparr mit etroa 3000 3Wann
in bas 33ergifche ein; halb ftanb er oor Düffelborf unb faftte
auch im ^ülichfchcn feiten guft. $ann aber trat ein Stiüftanb
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III. Sie ^riebenäerefutton unb ber Sterfud) einer beutid)en ^olitif. 449
ein, \\id)t wegen beö gewaltigen ßärmenö, bas fid) über biefen
griebensbrud) im Stil beö alten ftefjberec&ta erhob, fonbern
weil bie Stänbe ftatt, roie gehofft, bie Partei Skanbenburgö
3u ergreifen, fidEi ihm feinblidrj entgegenftellten, nnb war auch
bie oon Cleue nnb Warf. 2lm 22. 3uli oeröffentlid)tcn fie ein
vom 14. Datiertes „.stontrabiftionspatent" : ed proteftierte gegen
bie Ergreifung ber Sßaffen, oerbot ben Beamten fid) jur $3c=
fchroerung ber Untertanen l)erjugeben nnb ben Untertanen
oon ihnen nicht bewilligte Kontributionen $u (eiften nnb frembe
flriegftbienfte nehmen. Vergeblich ließ ber tfurfürfi baß
patent abreißen nnb bie Häupter ber öppofition oerhaften.
Sßährenb ber 9icuburger (Srbprinj Philipp SMbelm, beffen
fatholifdjer Eifer SranbenburgS griebenäbruch oofl anöjunn^cn
brannte, auft ben fpanifchen 9iieberlanben Sotljringeno uer:
milbertc Sparen herbeirief, rechtfertigten bie Stänbe ihr aufs
treten (7. 9lnguft) in einem patent, baö jugleidi Ginfteöung
ber Unterfuchung, Entladung ber Verhafteten nnb Entfernung
ber Xruppen forberte, mit ber ftlage beim Haifer brohte nnb
jebeß erlaubte Wittel jur Nahrung ihrer 9Jcd>te anjuwenben
brot)tc. Slber auf ber 3«fömmenfunft / bie er mäbrenb eineö
oon ben ftieberlanben burd) ftraf ©eorg ^vrtebricr) oon ^albecf
vermittelten Stillftanbeö in Mngerort mit bem $fal ( v9Zeuburgcr
hatte, lehnte ber tturfürft jebe flachgiebigfeit ab. £te jebod)
nicht bloß Spanien, fonbern aud) ber tfaifer unb s £olen ein=
jugreifen brohten, lenfte er ein unb liefe c$ ftdj fogar gefallen,
bag faiierliche tfommiffarc einen Vergleich »ermittelten [QU
tober 1651), ber bie Crbnung bes fonfeffionellen 33efit}ftanbeö
einer aud dürften beiber Sefenntniffe 311 bilbenben fatferlidjen
tfommiffion oorbef)ielt. Sie ift nie erfolgt : in Jülich unb 33erg
bauerte bie Wifebanblung ber Eoangelifchen fort unb mürbe
in Sleoe unb Warf gelegentlid) an ben Alatholifen oergolten.
griebrich SSilhelmfi erfte felbftänbige 2lftion mar uöllig
mißlungen. 9iur ber flaifer geroann babei, ba feine bisher be;
ftrittene Autorität in ber jülia) = cleoefchen Sadje nun bod)
anerfannt mürbe. $aß ber Hurfürft barin nachgab, gefchah
mohl unter bem Drucf feine« üblen Verhältniffe« 311 Schweben.
2lfle Verfudje, oon biefem in ftinterpommern einige 9iücffid)t;
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150
drittes Sud). 2>ic Rettung ber ^ufunft.
nähme ju erwirf en, biteben oergebltd). So beugte ftd) ber
Äurfürft bem Äatfer in um »on it>m in £intcrpommern
gefduifet $u werben, tnbem Schwebenö SBelelmung mit feinen
beutfehen l'anben unb ^ulaffung $ur 9ieid)öftanbfd)aft oon ber
enblid)en Regulierung ber ©renje bort abhängig g<madjt würbe.
9lber nun forberte ber ftaifer weiter auch bie branbenburgifche
fturftimme für bie Äönigßwaftf feines Sohnes gerbinanb. Selbft
nach ^rag siefjenb, gab fie ber fturfürft unb erhielt bagegen
bie feierliche ,3u?age, Schweben foüe weber mit feinen neuen
beutfehen Rauben betct)nt r nod) 511 bem beoorftehenben SRcic^ö-
tag jugelaffen werben, beoor es ifnt nicht in ben 93eftfc oon
<Qinterpommern gefefct ^abe.
@6 mar ber erfte Erfolg, ben er gewann. Schweben fügte
ficf>, wenn aud) wiberftrebenb unb jögernb. Tenu bei ber
ÜBidjtigfeit, bie ber nächfie Reichstag haben mußte, fonnte es
ihm unmöglich fern bleiben. So bewilligte es 33ranbenburg in
£interpommern enblid) ein annehmbares 9lbfommen, bas frei*
lieh noch immer weit hinter bes Äurfürften 25>ünfd)en juriiefs
blieb, Ter Stettiner Vertrag 00m 5. ÜJJai 165:1 lieft Schweben
auf bem rechten Oberufer einen breiten Streifen mit ben
Stäbten Tamm, ©oÜnow, ©reifenbagen unb ftamimn unb
bie Hälfte ber f)interpommerfd)en 2i$ente. 2Jm 16. Quni würbe
$interpommern ben branbenburgifdjen 33eooümäa)tigten über-
geben.
Saft fünf 3aljre hatte es gebauert, biß ber triebe für
33ranbenburg perwirflidjt würbe. Räch aufcen brauten bie
territorialen Erwerbungen neue Ziehungen unb neue, $um
Teil fefjr fdjwierige Aufgaben mit fidj: eine entfpredjenbe
Steigerung ber lanbesherrlidjen SDiadjt beioirften fie nicht. @J)er
würbe bie auf ihre fiibertät poa^enbe ftänbifdje Cppojttion ge*
ftärft, jumal fie eben in QüliaVEleoe einen Erfolg gewonnen
Ijatte. Tie Solgen matten fief) aud) in ber s ]Karf unb in
s £reufeen bemerfbar, juimal ber flurfürft bie geforberte Ent;
lafjung bes nun angeblich oöllig überflüfftg geworbenen §eeres
entfehieben oerweigerte. SBenn ad)t Eompagnicn mit inSgefamt
1600 2Hann bei einanber blieben unb fie baju monatlich
5000 T^aler aufbrächten, fo fei bas, hatten bie Stäube im
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III. Xic Sricbenöesehitton unb ber «erfucf? einer beulen ^olitif. 451
2Iuguft lfi- r >0 erflärt, fdjon eine aufjerorbentlidje Seiftung unb
bürfe ihnen bodj nicht in ber 3Bcife „311 Verberb unb Schaben
gereichen", bafe ber fturfürft ihnen „ex absoluta potestate baö
aulegc, waß fic nid)t bewilligt, and) 511 Ieiften aufeer ftanbe
feien". Slbweifung beflagten fie al« eine „wirflidje ©e=
fdjimpfung", bie fie nicht oerbtent hätten. <5s fei ohne 23eifptel,
fo liegen fie fidj im Oftober 1650 oernebmen, bafe im grieben
an bie Untertanen bie gleichen 2(nforberungen gefteHt mürben
mie wäfjrenb beä Äriegeä, meinten von einem unglüeflichen
Jatum »erfolgt ju fein unb fragten, roarum ber fturfürfi ben
rebujierenben „fremben Potentaten" jmar nicht an 3JJadjt,
2Beiö^eit unb Verftanb, wol)l aber „an ©üte unb 3Wilbtf»ätia=
feit" nachgehen wolle, „biefen eigentlich fürftlichen Xugenben,
burd) meiere bie Surften ben ©öttern gleid) geartet werben",
iütos fie in gricbenft&eiten für Gruppen bemilligten, feien frei=
willige ©aben unb enthalte feine Verpflichtung für bie 3ufunft.
Scharf fteHte beö flurfürften Antwort ber ftänbifchen fiibertät
baö $ed)t beö #ürftentums entgegen, wurjelnb in ber Wer-
pflidjtung $ur Sorge für bas 25obl ber ©efamtbeit. Von ben
als Veifpicl angeführten anberen Potentaten ftcfje für feinen
wie für ifjn eine Prooinj auf bem Spiel. £em gemeinen
99eften $uliebe r)abe er Vorpommern hingegeben, bem 9ieidjö=
frieben unb bem s ®of)l feiner Sanbe fein prioatintereffe geopfert :
nun bürften auch fie nicht oergeffen, ba§ $tnterpommern, baß
ben Schweben noch abzugewinnen fei, oon ©Ott unb Rechts
wegen bemfelben Saubesherrn gehöre wie bie Warfen, ba& biefe
Sanbe gleichfam ©lieber eines .§auptes feien, unb baher
müßten fie bafür eintreten, als ob es fid> um ein Stücf ber
Warfen felbft fmubeltc.
9todj prebigte er biefe Wahrheit tauben Ohren, ©emeinfinn
unb Vaterlanbsgefühl waren feinen Unterthanen noch fremb.
Qa bie Stäube betonten ihre Sonberintereffen um fo ftärfer,
als ihnen nach ber thatfachlichen 9luflöfuug beS fteidjSuerbanbes
burch ben grieben eine höhere ftaatlidje Einheit, bie Unterorbnung
forbern burfte, nicht mehr gegenüber ftanb. 2i>ic im deiche
fottte bie ftänbiföe Selbftherrlidjfeit auch in ben einzelnen
deichst eilen .foniequent burchgeführt werben, bie Stellung bes
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4',2
drittes iöud). £ie Jtettung öer ^ufunf*.
Sanbeßfyerrn bie beö SReidjsoberlmupts roieberfyolen. 3n (Sleoe
unb ^reufjcn fonntc man babci auf auäroärtige ©önner redjncn,
fner Polen, bort je nad) bem üüefenntni« bic 9iieberlanbe ober
Spanien. $aju größten bie 2llbertiner, bafe iljnen baö ßrg=
bistum 3Ragbeburg, bas fie fd)on für eine ftdjere SBeute ge=
balten, bod) entgangen mar. 2lefmlid)eS Ratten bie öraun=
fdnoetger mit föalberftabt unb s Diinben erfahren, Sdjroeben
üerfd&merjtc .ftinterpommern nidjt, unb feit in Pfal^euburg
ber tfmtfräftige Philipp S8ilf)elm an bes Katers (t
Stelle getreten mar, roudjs bie Spannung audj mit biefem.
£aju batte nun aud) baö 6inoernef)men mit bem ftaifer
nid)t 33eftanb. Xenn offen ftrebte biefer, bie if>m burd) ben
grieben gefegten Sdiranfen roieber ju bejeitigen. s Jlud) bie
fatf)olifd)e Partei, bie burdj Magern im tfurfürftenfoHeg bie
SJiefjrbeit fjatte, trat mieber $uoerfid)tlid>er auf: feines ber
organifdjen ©efefee, bie jur ahirdfcfü&rung bes in fünfter
proklamierten neuen SSeid&sredjts geplant waren, Hefe fie auf
bem iRegensburger $eid)Stag oon 16"»:3 ju ftanbc fommen.
Sranbenburg aber roollte roeber bie tym eben fo nüfclirf) ge*
roorbene ©unfi beö .slaifers mieber oerfdjerjen, nod) beffen reafs
tionären Xenbenjen 23orfd)ub leiften. So geriet es in eine
rotberfprudjsoolle §a(6(jeit, bie bei bem ftaifer unb ben flurfürften
fo wenig wie bei ber reidjsfürftlidjen Oppofition Vertrauen ge=
mann. Sein Vertreter in ^egensburg, ber uerbiente ©turnen:
tfjal, ber ben am Liener .§ofe cinfTufereia^eu perfönlidjfeiten
befreunbet unb babeim einft als Parteigänger Sdnoarfoenbergß
gemafjregelt mar, trat ben faiferlidjen Uebergriffen natürlich
ntdjt energifd) entgegen. Söranbenburgö 2lnf)änglid)feit an baS
&aus Sababurg, oon bem er alles <qcü erwartete, blieb aud)
bter unbelofjut, entfrembete ifym aber bic eoangelifdjc Partei.
Sas fal) aud) ber rturfürft fdjliefclidj ein, mie es fdjetnt, nid)t
gan3 aus fidj felbft. (Sine gtücflia^e 5"9ung 9 a & ty™ eben
Damals einen Berater, ber ifjn niajt blojj an politifeber (Sr-
fabrung, fonbern aud) an SÖeite bes Sölids, ^oCij^id>tigfcit
bes 2>enfens unb (^ittfdr>IofTenl>eit bes ^aubclns übertraf, aber
banf ber $erwanbtfdmft ifjres 2Befcns fo gan$ fein Vertrauen
gemann, bafj er fidj gern feiner Jüfining überlief?. 2BaS ibm
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III. Sie ftriebenäerdutiou unb bcr 2terfuc$ einer beutfrfieit ^olitif. 453
in ber erften großen 5lriftö feiner Regierung tfonrab von SurgS^
borf geroefen mar, würbe ilwt jefct ©corg ftriebricf), ©raf von
SBalbecf. 2lber wie bie- Aufgaben jefct größer unb umfaffenber
waren, fo erforberte aud) ir)rc Söfnng größere Littel unb ein
weiteres 2luSgreifen jur ©ewinnung bcr nötigen Gräfte, da-
mals fjatte es gegolten, im ©ebränge awtfdjen Jlaiferlidjen
unb Schweben unb im .ttampf mit ben Stäuben bie &eeres=
f Höpfling burcfyjufüfjren. ^efct galt es, bie neuen (Srmerbungen
mit bem alten SBefife wenigftens fo weit ftaatlid) ju einigen,
baß fic finanziell unb militärifd) leifteten, was nötig mar, um,
innerhalb beS SReidjeS gefiebert, 23ranbenburg bie fraftooHe
Vertretung feiner weit auseinanbergeljenbeu ^ntereffeu nadj
außen *u ermöglichen. $enn oon ben großen fragen ber
europäifdjen ^olitif ließ feine biefes unberührt: jebe 50g es
trgenbwie in 3ttitleibenfdjaft, oerf)ieß ifjm ©emtnn ober brofjte
ihjn Verluft. Teilte es auf ber einen (Seite bas Sdjicffat
"bes wanfenben 9ietd)cs, fo trat es auf ber anberen, meljr nodj
als bisher burd) bie £ef)ensabf)ängigfeit Greußens oon ^olen,
bureb ben oerfdjärften ©cgenfafc ju ©djweben in enge Sejieljung
311 ber norbifdjen Sßolitif. 2)ie nieberrfyeinifcben Sanbe jogen
es in bie ^erroicfelungen, buref) bie granfreid) eine Umgeftaltung
ber europäifeben <Dtodjtoerf)ältniffe anbahnte. Xrofe feiner ge*
ringen Littel mußte es baber mit feiner ^olitif roeit über ben
#reis IjinauSgrcifen, auf ben eß gunädjft angewtefen fdn'en:
wollte es nid)t bloß oon tyr leiben, fo mußte es fjanbelnb in
bie europäifdie ^olitif eingreifen. £as tourbe für ben Stur^
fürften bie Ouelle aufreibenber Arbeit, üerjefjrcnber ©orgen,
tief oerbitternber ßnttäufdjungen : fo ©roßeö er geleifiet, faft
nirgenbs t)at er bod) bas erreicht, bas er fidj gefteeft Ijatte,
faft nie einen ootten, tfm gait3 befriebigenben, rein beglüefenben
Erfolg gewonnen, fonbern mit bem 3d)icffal gefjabert. gür fein
£anb ergab fid> baraus eine Selaftung, bie bauernb über feine
Gräfte ging, bie es nur wiberftrebenb trug unb erft fpätcr als
notroenbig erfannte. Slber eben barin liegt bie SBebeutung jener
3eit. 3Sie ber $artc ftörper fid) ftäf)lt im fingen mit Saften,
bie feine ßraft äunäcbft überfteigen, fo fjaben bes ©roßen 5lur=
fürften Untertanen unter bem 3wange DCr ^otmenbigfeit
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$ritteö »ud>. 2>ic Bettung ber 3ufunft.
©rößeres leiften gelernt, als fte felbft iid) $ugetraut Ratten.
2>aß er fie ba$u erft gejioungen, bann je länger je mefjr ge*
toonnen unb in einzelnen großen Momenten bcgcifkcrt mit fid)
fortgeriffen ^at / barin liegt oielleidjt griebrid) SßilbelmS größtes
33erbienft. ^)a$u aber brauste er noä) nidjt fidt> oon ©Ott $ur
Schaffung eines fünftigen ©roßftaats berufen au glauben, fie
beroußt als ins 3tuge faffen unb feine ^Jolitif auf
feine ©rreidjung $u rieten. 2£ie jeber gürft, ber feine Stellung
nid)t in bem befdjränften prioatrea^tlidjen Sinn bes Wittel^
alters auffaßt, (jat er an bie 3"^nft feines Staates geglaubt.
$aß er in iljm ben Staat ber beutfd&en 3ufunft erblich, fein
£aus bereinft an ber Spifee 2)eutfd)lanbs 311 fet)en gehofft t)abe,
rotrb ntrgenbs erfennbar. 3Kcr)r als irgenb ein £of)en$oHer ift er
oon ben Sfcrfyältnifjen getrieben roorben, ibnen fid) anjupaffen,
fte unfajäbttdj gu machen bemüht geroefen. So ©roßes er ge;
leiftet : man fann nidjt fagen, baß er oon fidj aus ben fingen
eine beftitnmte ©eftalt gegeben ober aud) nur ju geben oerfudjt
babe. Seine föoüe in ber großen ^olitif war mel)r pafjio als
aftio, unb roo fte le|teres war, $at gelegentlich eine anbere
^erfönlia^feit binter ibm geftanben unb i&n ben oon iln* ge=
wollten 2Beg geführt, fo aud) bei bem 93erfud), ben er unter
bem ©mbritcf bes SRegenSburger ^teidjstags gur 9leubelebung ber
belüften ^olitif unternahm. Söeniger ibm als bem ©rafcn
©eorg griebrid) oon Üöalbecf ift er jujuredjnen.
2)em ßurfürften gleichaltrig (geb. 31. 3anuar 1620), t)atte
aud) ©eorg griebrid) oon Söalbecf bie für fein politifd)eS
Senfen beftimmenben ©inbrütfe oon ben Sdjrecfen bes großen
Krieges empfangen. Wlit einer SBertoanbten ber Oranier, einer
©räfin oon ^affau=Siegen, oermäfilt, ftanb er in nieberlänbifdjcm
Äriegsbienft, als 1645 ber Xob feineö älteren Sörubers ibn jur
Regierung berief. 2)aß er feines SänbdjenS Selbftänbigfeit
rettete, oerbanfte er ber $erbinbung, Die er in $aris mit
ftarl ©uftao oon ^falä^roeibrüden, bem ©rben ber fdjtoebifdjen
ßrone, angcfnüpft batte. 2Iber fo troftlos mar fein SRuin,
baß er an ber 3)iöglid)feit ber 23efferung faft oerjioeifelte. $a
erbielt er — roobl auf oramfäje (Empfehlung — jur Qeit bes
jülicbfcben Krieges bie Stufforberung, als föeiteroberft in bxam
1
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III. 3>ie 3nebeitöerefution unb ber Scrfud? einer beutfäen $oUtif. 455
benburgifrfje Xienfte }\\ treten. Xrofe mandjer «ebenfen leiftete
er ifn* golge: feiner auf baö ©roße gerichteten Statur, bie
einen umfaffenben Sdmuplatj bes SBirfenö erfebnte, genügten
bie Meinen nnb engen $erbältniffe babeim nid)t. Schnell ge=
mann er bcö urfürften Vertrauen, nnb rotüig beugte fid) biefer
bem oerroanbten, ir)nt aber au ©tauben an jidj felbft unb au
SBagemut überlegenen Weift. 2tla Diplomat in ben Weberlanben
gebilbet, bamate ber bofyen Sdjule europäifeber ^olitif, fal)
SÖalbecf au* bie branbenburgifdj=preufeifd)en Singe gelöft pou
iljrer lanbfd)aftlid)eu Sefdjränftljeit im 3ufammenl)angc mit
ber gefamten Sage. 3o eröffnete er bem .tturfürften neue y$tr--
fpeftioeu, enthüllte ilmt bififjer überfeine Gräfte unb fteefte
ibm bötjere 3iele. Sebljaft ging biefer auf bie 3been beö neuen
ftreunbes ein. 2lud) Äonrab t>on 33urg$borf mußte nun meinen.
@o uiet ifjm ber junge föerr oerbanfte : ben Aufgaben, bie e§
jefct ju (öfen galt, mar er ntdjt geroadjfen, au* moralifd)
nidjt, ba er nidjt bloß ben Saftern ber Seit, Völlerei unb
Spielfud)t, frönte, fonbern als ^räfibent bes ®efieimen 9^atö
aua) bie ©cfdjäfte in greuliche Unorbnung r)atte geraten laffen.
Sarin aber fat) Söalbccf bie Duette afleö Unreife, bie oer=
fdjloffen roerben mußte, menn ber Staat gefunben fonnte.
3n einer Senffdjrift übte er an bcr beftebenben Söcrroaltung
eine oertüdjtenbe $ritif unb legte bie (Mtcf)t$punfte für itjre
9ieugeftaltung bar. ©r fanb beö flurfürften Seifall unb rourbe
$ur Surdbfübrung ber geforberten Reformen beuoHmäcbtigt.
33oran ftanben bie gtnanjen, beren Leitung er felbft übernahm.
N 3)iit ber 9taturalroirtfdmft mürbe nun oollenbö gebrochen unb
ber Staatöf)auör)alt auöfajlicfelid) auf bie ©clbroirtfd)aft ge^
grünbet. Somänen unb Regalien gingen aus ber foftfpieligen
ftaatlid)cn Skrroaltung in bie ber meiftbictenben ^äebter über,
ein jäl)rlia)er SBoranfcblag ermöglichte bie 9lbmeffung beö 33e=
barfö gegen bie uorbanbenen Littel. Sie öebälter mürben
rebujiert. 3ur s Jlufnal)mc aller Ueberfdiüffe rourbe eine Zentral;
faffe unb sur Cberleitung ber gefamten ^tnanäDcrroattung eine
eigene 33ebörbe errichtet. Sie Regierung mürbe roieber in ber
föanb beö gürften fonjentriert. Gr r)atte bie erfte Surcf)Ud)t
ber gefamten §auft* unb otaatörorrefponbenj unb »erteilte fic
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456
£ritteö üudj. Tie «Rettung ber 3ufunft.
$ur (Srlebigung an bas Äabinett unb ben ©ebeimen 9tot. Seinen
9>crfe()r mit biefem vermittelte uid&t mefjr ber Äan^ler, fonbern
ber jii befonberer s l>ertrauenaftellung berufene tfabinettörat.
2lud) bie auswärtigen 2lngelegenbciten nnb bie ^riegöaffaireit
würben bem gürften oorbefialten unb oon ifjm nur ßclcßentlid^
an ben (Mjeimen 9iat oerroiefen, fo bafe biefer auf bie inneren
2lngelegenf)eiten bcfdjräiift mar. Demgemäß erhielt er am
4. Dezember lt>51 eine neue Crganifation. ©eine Ginbeit, bie
fdjon ber 9BcöfaH beß ^anjlerß in grage [teilte, fdnoanb ooflenbö
buref) Silbung oon neunjefjn Departements. 9?eben einem ober
mehreren oon biefen aber Ijatte faft jeber (#ef)eimerat nod) ein
lofales Departement $u bearbeiten, meift eines, mit beffen
$erf)ältniffen er burd) feine §erfunft ober burd) langjährige
93ejd)äftigung oertraut war. »nbere fungierten übeTbies als
Statthalter ober im auswärtigen Dienft. Da aber ber flurfürft
fjäufig fern mar unb bann aud) ctlidje @et)eimeräte mitnahm,
fo war jur Sicherung eines regelmäßigen gortganges ber ©e-
fd)äfte für einen jeben ein ftänbiger Vertreter beftcDt, roas
vielfache Ueberbürbung $ur golge Imttc.
&ber ben geljofften (Srfolg fjatte biefe SBerroaltungSreform
nidjt. Denn nidjt blofe oon ben furfürfilidjen Späten rourbe
SBalbecf als (Sinbringling befämpft: ber einl)eimifd)e 2lbel fal>
in feiner Berufung eine ^erlefeung bes 3»bigenatsredjts. Dann
ergab bie C%fd)äftsfül]rung bes neuen ©eljeimen 9?ats balb
Uebelftänbe. Siamentlid) broljte bei bes tfurfiirften häufiger
9tbroefenl)ett, bei ber Sdjroierigfeit ber ^erftänbtgung eine 2lrt
oon Doppelregierung. Desfmtt febrte man fdjon im ©erbft 1(>:>2
$u ber alten Crganifation jurürf, inbem SMumentfjal ftatt $um
banaler jum Direftor bes ©ef)eimen 9iats beftellt rourbe. 9tucr)
bie ginanjreform, bie eine beträchtliche Steigerung ber ©ins
nahmen beroirfte, blieb auf balbcm 5$egc fteljen, roeil äßalbecf
bie Umroanblung ber buchen Sefteuerung in eine inbirefte nicht
burddfefeen tonnte: mit Ausnahme ber Stäbte, bie nrirtfd)aft=
liebe Vorteile baoon erhofften, roiberfefcten fiel) ihr bie (Stäube
im 3ntcreffe ihrer Sibertät.
$or allem aber roar äöalbecfs 93erroaltungSrcform nid)t
Selbforoecf, fonbern foHte nur bas 3)Uttel roerben mir ®x-
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III. £ie grtebenöejefution unb ber $erfud) einer beutf<f>cn ^ßolitif. 457
reidfjung eines anberen 3roedes. 3WcE)r als auf bie Verwaltung
wiefen SBalbed Neigung, (Srfa^rung unb Verbinbungcn auf
bie auswärtige ^politif als bas (Gebiet einer Erfolge per;
beijsenben Xf)ätigfeit. Qene foOte nur bie Littel fdjjaffen für
eine größere Slftion auf biefem ©ebiet, einen £eil bes ger=
brödelnben 9ieidf)eS für Öranbenburg &u gewinnen unb biefes
baburdj) aud) betn Sluslanbe gegenüber ju ftärfen. 9ioa; cr)c
es tnnerlid) t)inreia)enb gefeftigt war, fottte Vranbenburg ben
Verfudf) maa>n $ur Verfolgung einer beutfdjen Unionspolitif.
$er SRegenSburger 5Retdf)Stag Jjatte audj) ben flurfürften
enttäufdEjt. 3 roar ^otte er &interpommern ben @d)weben enblidf)
abgenötigt; aber bes ttaifers fiilfe babei fdf)ien auä) ifnn ju
teuer be&af)lt. ®aju ermöglidfjte bie Uneinigfeit ber reidjsfürft=
liefen Oppofition bem Äaifer feine 9Waa)t unmerflidf) ju er=
weitem, unb Slumentfjal leiftete bew aus 2lnbänglid&feit an
bie alte Sfleid&sorbnung Vorfdmb. $a jeigte äSalbetf, ber ficf>
nadf) bem «Mißlingen feiner Reform unwutig jurürfgejogen $atte,
bem ßurfürften, wie er fo ftd& um alles 3lnfef)en bringen unb
bie befreunbeten beutfd&en &öfe entfrewben würbe. 3m ©ep=
tember 1653 fam er nad) Verltn. <5r fanb ben fturfürften tief
oerftimmt, unjufrieben mit Vlumentfjal unb erbittert gegen
ben faiferlidjen £of. 3m Oftober Rotten beibe 511 Oranienburg,
bem oon ber fturfürftin ju einer 2Hufterwirtfa)aft erhobenen
$)orfe Vöfcow, ein oertrautes ©efpräd), in bem fie bie ©runb=
jüge eines neuen politifdjen ©nftems oereinbarten. ©djjon am
3. SRooember ging eine Qnftruftion an 33lumentf)al ab, bie
feine Haltung mißbilligte unb tfmi bie gerabe entgegengefefcte
oorfajrieb. $enn nadf) SBatbecfS 3bee foüte Vranbenburg md&t,
wie es ^liefet wieber getlwn, gemeinfam mit bem Äaifer unb
bem fturfürftenfollegium für bie (Srfmltung ber alten Dieidfjs*
orbnung eintreten, fonbern an ber ©pifee ber proteftantifäjen
gürftenpartei beren grünblidje Umgeftaltung betreiben. Sdjjon
ber ©inbrud, ben bas in SRegenSburg machte, gab Valbert
redit. SBäfjrenb bie faiferlidje Partei über SlbfaH unb Verrat
fd&rie, raffte ftdj bie Oppofttion wieber auf: mein* als einft
2Horifo oon ©ad&fen, fo meinte fie, r)abe jefet ber fturffirft für
bie Rettung ber beutfd>en gretyeit getfan ; als ifiren ßerfteDer
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4:>8
Drittes »ud>. Sie Wertung ber 3ufunft.
müjfe man il)n pretfen, bic ©oangelifcben aber hätten in ifjm
enbli$ wteber ein $aupt gefunben. Hflun nahmen bie £inge
31t SRegenSburg einen anbeten ©ang, unb ber ßaifer unb bic
fatf)oIifcf)e Partei faljen alle tr)rc Entwürfe burd)Freu$t.
216er SBalbed badjte bereits weiter. $er 3(6roer)r ber
abfoluttftifttVfatljolifdjen fteaftton foHte eine Slftion S3ranben=
burgs folgen, um bie in Stegensburg entftanbene neue Partei;
gruppierung 511 einer bauernben politifdjen ©emeinfdjaft $u
entmideln. $enn nid)t von SBten aflein brobte ©efafjr. $ie
jüngften Vorgänge, bie jur Abberufung 33lumentl)als oon
SRegensburg führten — er fam als Statthalter nad) &alber=
ftabt — , erbitterten bie mit Sranbenburg gefpannten 3feidjS*
ftänbe ooüenbö. Saju waren auswärtige &anbel im Anfüge,
im Horben burdj <Sd)mebens $läne gegen bie föeidjsfretyett ber
Stabt -Bremen, im ffieften burd) bie Umtriebe Marls oon
Sotbringen, ber ben fpanifaVfransöfifdien ßrieg auf Soften bes
!Hcict)ö ju feinem Vorteil ausbeuten wollte. 2ludj Philipp
2öilf)elm oon ^fal^euburg plante einen neuen 23crfudj jur
©ewinnung bes ganzen jülia>cleoefd)en @rbe§. So oereinfamt
wie bisher burfte Sranbenburg faum hoffen, biefe ©türme $u
beftefjen. 2lud) ber fturfürft erfannte bas ftritifdje ber Sage,
unb wie er es in folgen gäflen ju tbun pflegte, forberte er
von feinen ©ebetmeräten ©utad)ten über bie 31t ergreifenben
•JRaferegeln, namentlid) über bie Allianzen, bie etwa ju fudjen
feien. ®as oeranlajjte eine merfwtirbige £enffd)rift SBalbecfs
vom 31. ^ember 1653: fie entwarf bas Programm für eine
branbenburgifdje Unionspolitif in Teutjd)lanb.
SBünbniffe, fo führte fic aus, feien für Sranbenburg nu$t
blofj nüfelid), fonbern notwenbig, unb jwar gelte es angeftd)ts
ber brof)enben ©efafjr, fie fdmeH $u fd)lteften: benn „auf bas
gur <Sid)erl;ett bes 9tcid)S oerfaffungsmäfeig 2?erorbnete ift md)t
bas geringfte Vertrauen ju iefcen". „©efabr, 9lot unb 3ammer
fdjeint an allen (*tfen beroor. $öo foQ man ficr) fjinwenben,
ba §ilfe 511 finben, aufter ©Ott allein? — Sie ©efafjr ift oor
2lugen. ©in tapfer ©emüt Fann barin nidjt bleiben, nid>t ge=
wärtig fein ©nab ju bitten." Oftan müffe alfo unb werbe
bafjer audj greunbe finben, benn es febje nodj niebt an folgen,
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III. 2)ie (yricbcnäcscfution unb bcr Serfud) einer beutfdjen ^Jolitif. 459
„fo (Glauben, SBertrauen, 9)2 ut unb Gräfte hätten". 2lber
beim 2lnfd)lufe an bie Kurfürftenpartei werbe griebridj 2öilf)elm
„aufi einem freien fturfürften ein gezwungener Sejafjer anberer
ßurfürften 33ornebmen werben": nur an ber Seite ber eoan^
getijd)en Surften, bic fid) in föegenöburg tapfer gehalten, fei
etwas ju hoffen. SSegen ber 3urd)tfamfett, ©elbgier unb
Unwifjenfjeit oicler fürftlidjer ©ejanbten jebod) fottc man ftd)
gleich an bie gürften felbft wenben, $unäd)ft Bremen, Serben
unb ^Bommern (baft ift 3d>meben), 93raunfdjweig, 3Wagbeburg,
Reffen unb 3)iecflenburg. fturfadjfen unb fturpfalj fönne man
„befi $ßof)lanftanbö wegen" unb um $erbad)t ju cermeiben
nidf)t umgeben, obgleid) fidj beibe „nidjt tief einlaffcn" mürben,
©emeinfam foüe man bann auf bem 9teidjötag beu Uebergriffen
bes ßaiferö unb ber fatfjolifdjen gartet entgegentreten unb bic
Greife ju Eefenfiobünbuiffen einigen, Qanj oon felbft roerbe
bem äurftirften bann eine leitenbe Stellung jufatten : werbe er
bod& „burd) unoeränberlidje 9tatfd)läge, beftänbige 3ufammen=
Gattung unb oernünftigeö Surren ber ©adjen ju ^iegendburg
tnele, wo nidjit alle ©oangclifdjen an fid) $ieljen", unb ba Äur^
fadjfen bod) nidjt mittfjue, „un$meifelf)aft für baö &aupt ber
anbern Sunbeägenojfen erfannt, erflärt unb beftänbig gemalt
werben". 2)od) bürfe, fo füfjrt äöalbecf weiter auö, „foldjeö
93orf)aben" md)t cfjcr offenbar werben, „alö bis bas Vertrauen
feftgeftellt ift". 9llöbann foüen aud) bie GJrafen oon Clbenburg,
Ofifrieslanb, Sippe, ©entkeim unb 2Öetterau unb oon Stäbten
granffurt, Hamburg unb fiübcef $um beitritt etngelaben werben.
$er s 2lnfdjluft oon Dürnberg, Straftburg, Augsburg unb ^Hegcn^
bürg werbe bejonbers erwünfdjt fein. £er :ßcrfef)r unter ben
Öenoffen fei fo 511 organificren, baft er oertrauenöoolle lieber:
einftimmung fixere; bod) möge man in billigen fingen bem
.Haifer unb ben tfatbolifen bie .öanb bieten unb mit ifjnen
äufeerlidj ein inöglidjft gutes $crf)ä(tm4 erftreben.
©in joldjor 33unb fonnte junädjft als (Erneuerung bes
@d)malfalbifd)en erfcfyeinen, war aber bod) wefentlid) baoon
oerfdjieben. H#ax bie Religion aua) $unäd)ft baö einigenbc
Moment, fo follte üe eö bod) nid;t allein bleiben. 2tud) fonft be=
gann man ja in SMitfrfjlanb enblid) rein polttifaje Grroägungcn
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drittes söudj. £ie Mettunfl ber ^ufunft.
über baö bloji fonfcffioneQe ^arteiintereffe $u fefcen. Söalb;
ecfö Unionßentrourf ignorierte einfach ben Wegenfafc $roijdjen
Lutheranern unb Reformierten unb fannte nur eine einige
^rojse euangelifdje Partei im Reidje, unb nenn er mit ben
tfatfjolifen möglidift ^rieben gehalten fetjen rooflte, fo erfannte
er bie aKögticf)feit efcrlicfyer politifd)er ©emeinfdjaft mit ifuien an.
Ter .Uurfürft billigte 2£albetfs Gntrourf. Sofort ging es
an bie 9lusfu&rung. 3d)on im 3)iäq 1654 fonferierte SBalbecf
in Xangermünbe mit $euoHmäd)tigten ber brei 5kaunfd)roetger
jperjöge. 2lud> mit .Uurfadjfen fnüofte man an, baneben mit
granfreid) unb Schweben. Anfangs fanben 93ranbenburg$ An-
träge nur fürjte •llufnaljme : man mitterte felbftfüd)tige SMbfidjten
bafnnter. ©rft bie Öefäbrbung tremens burdi Sdjroeben unb
bie Sorge oor SSerroicrelungen im 9torbroeften liefen fie in
günftigerem &id)t erfcfjeinen. So fam eö im Sommer in ©ofllar
mit 53raunfd)roeig ju einer oorläufigen ^erftänbigung : im gall
eine« Slngriffö ober unrechter Öeroalttfjat wollte man einanber
mit aller 3Jiad)t teiftcfjen ; aud) füllte Söranbenburg in ben
niebcrfädjfifcf)en Äreifi unb in ben sroifdjen 33raunfd)roeig, Reffen
unb <5d)rocben beftebenben ftilbeöbeimer Sunb aufgenommen
werben. Anfang ^uli unterfjanbelte S&albecf in äikfelar mit
einem furfölnifdjen ^erioümädjtigten, um in ©mbifdjof 9)?ar>
milian fteinrid) bie „brüte Säule" für ben $unb 31t geroinnen.
2lud) rjier fam eö 511 protofollarifd)er 3ufidjerung gegenseitiger
ftilfe roiber jeben Angriff. "Jtod) günftiger geftalteten fta) bie
?hiöficf)ten ber rei^öfürftlidjen Oppofition, als in eben jenen
£agen ( 9. ^uli 1654) ber unlängft geroärjlte (5. 450) römifdje
Mönig ftarb. 2ßalbecf oerboppeltc feine Srjätigfeit. 3m Sep*
tember traf er fid) in Slrnöberg mit bem Kölner tfurfürften,
ber gar ben 3lnfd)luf5 uon Xrier boffen liefe, £ann eilte er
nadj ftaffel". eine ftonferenj mit tjeffifdjen Bcooßmäd)tigten in
grieberoalbe fidjerte 93ranbenburg gegen jeben Angriff beffijdje
£ilfe. 2lm 4. Cftober unter^etdjneten ^ranbenburg unb bie
brei 33raun|d)roeiger in ftannooer einen Vertrag, burdj ben fie
einanber il)re gefamten 9tcid)ölanbe garantierten. !Ridr)tete fidj
biefer $unb aud) nmädjft gegen Sdjroeben unb beffen $läne
auf Bremen, fo erregte boer) fein proteftantifdjer Grjarafter bei
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III. Sie Jyriebenserefutton unb ber SBerfuc^ einer beutfdjcn ^olitif. 481
fatfjolifdjen ?)ieid)dftänben Seforguiä. 9lun fdilog (Snbe 16:>4
tfurföln, auf bas man in Berlin geregnet fatte, mit ^fal$*
9ieuburg, £rier unb fünfter einen ^efenfmbunb. $aö fteüte
ben interfonfeffionetten Gtmrafter ber iötolbedjdjen Union in
grage, jumal am 19. ^uli 1054 iu 33raunfdm)etg ein Sefenfü):
bünbniö äroifdjen 23ranbenburg unb Sraunfdjroeig auf brei
3at)re unterkämet mürbe, ba bie 2(ufnafmie söranbenburgs
in ben &itbesf)eimer $unb jtdj nid)t fo fdmeH, roie bic Sage
erforberte, berocrffteHtgen tiefe.
2lber 28atbed badjte bereits roeiter, mod)te er audj bie
legten 3ie(e feiner v $olitif ben Miirftirftett mefn* afjncu al$ ffar
fefjen laffen. 2(ngeblid) rein befenfio, foüte ber 93unb boa) bei
erfter öelegenljeit offenfiu auftreten, um im Stanbe mit granf*
retd) bie 3Wad)t beö Kaufes Sababurg ,u bredjen. Sajon untere
Rubelte äBatbecf im tiefften Okfjeimniö mit 9)to$arin : ber oon
Spanien begünftigte Angriff bes &er$ogö oon Ebringen auf
£üttid), gegen ben 33ranbenburg bem Söifdjof, ÜHarimilian ^ein;
rid) üon Möln, £üfe m leiften eilte, foüte bie &anbt)abe bieten.
3m 33unbe mit granfretd) unb für biefes bad)tc SMbetf bic
belgifdjen ^rooinjen (Spanien m entreißen unb fo „biefer füraV-
terlidjeu 3)lad)t biesfeitö Oes 3Jieereö bie (cfctc Oelung $u geben" ;
bafür foöte granfreid) feinem £errn w Ofllid) unb $erg ucr=
Reifen, modjte eö ifjm audj nur freie &anb laffeu gegen ben oon
Spanien gefaxten ^fatj^JZeuburger. £te 3ertrümmerung ber
fpanifdjcn üKad)t, bie engtaub burdj bie Eroberung ber Kolonien
ooUcnben foüte, munte aud) bie üWadjt ber beutfdjen §aU--
burger bredjen : an ifjrer Steße t)atte Valbert bie gübrung im
9teid>e Sranbcnburg mgebaa^t, modjte er audj bie .Uatferfronc,
bie ein eoangelifdjer nidjt tragen fonnte , ben baurifdjen
ÜSBittelabadjern überlaffen. Sollte aber bad 3^cidt) ftatt baburd)
„in gfor unb x ilufual)me gebradit m werben", barüber in Stüde
gefjen, fo roerbe, meinte 2öatberf, ber .shirfürft „ein gron Teil
baoon oor fidr) behalten" föunen.
flüfm eilten beä (trafen entwürfe ber 3eit oorauö, faljen
boa; aber attjufeljr oon ben tf)atfäd>fidj gegebeneu ^erfjättniffen
ab: cigentüdj fonnte fie nur ein neuer Jöeltfneg uerroirftidjen.
2Har aber $ranbenburg bamato fäbig, barin eine foldjen
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462
Sritteä Söuth. £ie Rettung ber Sufunft.
Slfpirationen entfpredjenbe Dioüe ju fpielen, felbft wenn granf*
reid) ifjm reicfilidj Subfibicn 3af)lte? Qnmitten einer inneren
Umgeftaltung, welche bic alte Orbnung auf^cföft, aber erft $um
£eil burd) eine neue erfefet f)atte, fonntc es uon einer emften
friegerifdjen SBerwicfelung leidit lebensgefäljrlid) erfd)üttert wer-
ben. Hub nun fielen unerwarteterweife bie £anbf)aben fort,
beren Sßalbed fid) $u bebienen gebaut l)atte. Sdjweben unterlieg
ben Singriff auf SBremen aus Sdjeu vor 39ranbenburg unb
23raunfd)weig, unb ber um l'üttid) brofyenbe «Hrieg würbe burdj
eine unerwartete frieblidje 3Öenbung ebenfalls nocfy §inaus=
gehoben, £amit oerlor audj bas, wob Söalbcd burdj feine
Unionspolitif bisher gewonnen f)attc, an praftifdjer 33ebeutung.
3ubem traten (Sreigniffe ein, weldje bie branbenburgifdje $olttif
in einer gan$ anberen 9iid)tung befestigten. Sdjon $atte
.Marl ©uftao oon Sdjweben, frob ben läftigen Sremer $anbel
los $u fein, aber burdj bie inneren 3uftänbe feines s Jteid)a auf
Eroberung gemiefcn, ein anberes, leidjtercn unb größeren @r=
folg ocrljeißenbes ^ki ins 3luge gefaxt : bie 2lnfed)tung feine«
s 3iadjfolgered)ts burd) bie polnifdjen SBafas gab \i)m erwünfd(jten
Einlaß juim 2lngriff auf ^3olen. ©ine neue Slera ber norbtfdjen
Kriege begann. $ür 23ranbenburg ergab ftdj baraus eine äußerft
fdjwierige Situation. 9)iit ber Sefcftigung feiner Stellung im
s Jieid)e befdjäftigt unb bcmüfjt um bie tffibrerfdjaft ber e»an=
gelifdjen 9?eid)sftänbc, mußte ber tfurfürft fürdjten, um $reu=
ßens willen in einen großen außerbeutfdjen ftrieg uerrotdelt 31t
werben, äßürbe er babei im ftanbe fein, bic begonnene 2lftion
im SRetdje weiter 511 fübren? Sonft fonntcn all bie ©efafjren
fia) erft redjt erneuen, bie Valbert fjattc abwenben wollen.
Schwerer nodj wog ein anberes Moment. 2luf bem außer;
beutfdjen Greußen berubte alles, was ber fturfürft feit 1646
erreicht t)atte : benn Greußen hatte iljm bie Schaffung ber 3lrmee
ermöglicht. Unb nun foHte er für eben biefes Greußen, ben
®runb= unb (Stfftcin feiner ganjen Stellung, bem bafjeim ofm=
mächtigen ^>olcnfonig unb ber beutfdjfeinblid)en SRepublif $eereö-
folge leiften gegen bie 9)fad)t, bie bod) immer nod) als Sdjttfeerin
unb Retterin bes @oangeliums galt? §ieß bas nid&t bie 3u=
fünft feines Staats überhaupt preisgeben? £enn ob Sdjweben,
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III. £ie ^ricbenecjrcrution unb bcr $crfu$ einer beutfdjen ^olitit. 463
ob ^olen fiegte, bem Sieger mar 93ranbcnburg:$reußen mit
feinen oitalften 3ntereffen fdjufelos preisgegeben.
3roei SBege boten fich ba. Ter ßurfürft fonnte neutral
$u bleiben »erfuchen. SRu&te er bann aber nicht, roic jur 3eü
bes großen Krieges amifchen flaiferlichen unb Sdjroeben, fo
jnrifdjen Sdjroeben unb $olen zermalmt $u werben fürchten?
bittet) hatte er — wie er fpäter f clbfl ausgefprochen tyat —
hinrcidjenb erfahren, was neutral fein f)iejj, um oor jebem
neuen SScrfucr) bamit jurücfjufö^recfen. Tafj er fdjlieftlich bennodj
fein £eil barin fud)te, jeigt nur, rote fehr er nod) in ben
Politiken Vorurteilen befangen mar, bie feine 3"9 eno
f)crrfrf>t unb feine Anfänge fo fdjroierig gemalt Ratten. Ten
anberen 2öeg f)at ber flarere unb entfehtoffenere SBalbecf gleich
anfangs ins 3(uge gefaßt: aber es ift ihm nicht gelungen, ben
flurfürften gu feiner fonfequenten Verfolgung gu beroegen.
Tas Unnatürliche unb Temütigenbe ber preu&ifchen £ehens=
abhängigfeit uon ^olen mar feit bem ätfeftfälifchen grieben
noc^ augenfälliger gemorben: für feine beutferjen £anbe tfyaU
fädjüd) fouuerän, foUte ber fturfürft für bas fianb, bas ben
Neubau feines gufammenbrechenben Staats ermöglicht fyattt,
ber oollen fürftlid)en Selbftherrlid)feit entbehren. 2lls iRcid&ö=
fürft im Vefifc »ollen Vunbesrechts unb £err über Ärieg unb
grieben, foflte er als £er$og in ^reu&en, burd) bas fein £aus
guerft in europäifche «egiefmngen getreten mar, in ben t)öcr)flen
2lften Politiker Selbftbefttmmung oon bem belieben ber poU
nifdjen tfrone unb ben unberechenbaren Saunen bes polnifchen
Reichstags abhängig fein? Tiefes Verhältnis mufete in bem
Slugenblid als unerträglich erfannt werben, roo es bie ^ntereffen
33ranbenburgs mit benen Greußens in tfoflifton bradjte. Unb
bas gefchah je&t. Sd)arfblitfenber als fein fürftlidjer greunb
erfannte SBalbecf fofort bie ©röfce ber ©efaf>r, bie mit fyalbzn
SRaferegeln nid)t 511 befeitigen mar; entfdjloffener, oielleicht
roagemutiger als jener, faßte er auch alsbalb ben 2öeg ins 2luge,
auf bem man allein, aber für alle 3cit, aus biefen Schmierig*
feiten herausfommen fonnte — Söfung <uis ber polnifchen VafaU
lität burd) Erhebung Greußens 511 einem fouoeränen £er$ogtum.
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©wtfdn? unt» Srfnilfjr, Heutfaje (Sefnjtdite «an Her $lr?eit bis ju dm
pnroltngtrn.
3»ei 333nbe. $retä geheftet 12 Warf. 3n $al&frana geb. 16 Warf.
H)itt|lt»acficv, fleutfrije (ßefajiibte unter ben Ciaroüngern.
$rei3 geheftet 8 Warf. 3n fcalbfranj geb. 10 Warf.
Hlatrittus, Jleutfdjc ©ffnjidfte untrr l»cn fäüjltfojrn und fnlifrtjen Änifrnt.
^Jreiä geheftet 8 Warf. $n £albfran3 geb. 10 Warf.
3affruto unb hinter, flrotfdje ©rfdjinjtc im ^ritnltrr der goijrnfiaufen.
9knb 1. $reiö geheftet 8 Warf. $n ^albfranj geb. 10 Warf.
Xtnimcr, Beutfüjc (Bcfrijtdjtf nnirr ben f)absburgcrn unb £uremburgent.
3roei Sänbe. ^reiö geheftet 12 Warf. 3« §albfranj geb. 16 Warf.
G&getftaaf, prntfdjc (ßrfriftrtjte im 16. galjrljun&ert bis mm ^ugsburger
flrügionsfriebfn. 3iüet 33änbe.
$retö ge^ef^t 16 Warf. $n fcalbfranj geb. 20 Warf.
Ritter, ürutfdjc töefitjtdjt« im Btitaltrr ber ©egenreformation unb bes
30 jährigen #ricgfs.
3roei Sänbe. $reio geheftet 14 Warf, $n fcalbfranj geb. 18 Warf.
it. 3totei>inrift-$itt>*nli0rjt, ücut|rtjc <5cfri)itl)tc im iritraum btr ©rfin-
bung bes nrrn&ifdjftt ftfntgtums.
ßtoei $änbe. $ret* geheftet 16 Warf. %n §albfranj geb. 20 Warf.
fcsfrr, frifbridi btr ©roße. *anb I.
$rei§ geheftet 8 Warf. $n fcalbfranj geb. 10 Warf.
— „— II. SBanb, 1. Hälfte: fritbriiti ber ©ralje im Ikbcnjä'brtgen ftriege.
$rei$ geheftet 4 Warf.
$£i£Cl, ücutfrije 05rfrijid)tc nom &obc i riebridjs bes ©rofjrn bis nur Jluf-
löfung b*s alten ftririics. 93anb I.
^ret$ geheftet 8 Warf. 3n §albfranj geb. 10 Warf.
Vr. ShJirMnrdi-öüticnliütlt, Bentfaje i&tWityt uon ber &uflöfung be*
alten bis jur (ßrünbung brs neuen #cütjrs.
»anb T. $reiS geheftet 8 Warf. 3n £albfrana geb. 10 Warf.
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